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Temperaturen unter Null Mit Edelstahl alles unter Kontrolle

ALLES IM GRIFF MIT NICKEL BEI TEMPERATUREN UNTER NULL

Inneres eines LNG-Tankers mit dem von GTT entwickelten Mark III FrachtContainment-System aus Edelstahl. Wenn es kälter wird oder gar gefriert, verlieren wir leicht die Kontrolle. Ob Menschen oder Fahrzeuge – wir sind alle schon mal auf Glatteis geraten. Aber wie kann uns Nickel helfen, Technologien buchstäblich „im Griff“ zu behalten, wenn die Temperatur Richtung absolutes Minimum sinkt?

Werkstoffe für Temperaturen unter Null

Austenitischer Edelstahl (in der Regel mit einem Nickelanteil von 7 bis 25 %) besitzt eine hervorragende Festigkeit bei sehr niedrigen (kryogenen) Temperaturen. Unter Festigkeit versteht man die Fähigkeit eines Werkstoffs, Energie zu absorbieren, ohne zu brechen; dies ist in vielen technischen Anwendungen von höchster Bedeutung. Baustahl weist eine hohe Festigkeit bei Zimmertemperatur auf; wenn die Temperatur aber sinkt, wird die ferritische Struktur zunehmend spröder,

weshalb solche Stähle für den Einsatz bei kryogenen Temperaturen ungeeignet sind. Im Gegensatz dazu bewahren die meisten nickelhaltigen austenitischen Edelstähle ihre Festigkeit selbst bei der Temperatur von flüssigem Helium. Eine zweite Werkstofffamilie mit guten kryogenen Eigenschaften sind nickellegierte Stähle. Wenn die Stahlmatrix um weitere 1,5 bis 9 % Ni ergänzt und einer entsprechenden Wärmebehandlung unterzogen wird, kann die notwendige Festigkeit und Stärke bei Temperaturen von -60 bis -200 °C erzielt werden. Enthält der Mix kein Chrom, sind diese Stähle im Gegensatz zu Edelstahl aber nicht inhärent korrosionsbeständig.

Einsatz in der Arktis

Es ist kompliziert, in arktischen Regionen Personal anzuwerben, Metall zu schweißen und Waren zu transportieren. Der wichtigste Faktor in Bezug auf Stähle im arktischen Einsatz ist die Temperatur. Temperaturen von -50 °C oder noch weniger sind keine Ausnahme und liegen unterhalb der Duktil-Spröd-Übergangs- temperatur für die meisten kohlenstoff- oder manganhaltigen Baustähle, die bei Bauprojekten in arktischen Ölfeldern zum Einsatz kommen.

Andere Faktoren, die die Werkstoffaus- wahl für den Einsatz in der Arktis in der Öl- und Gasindustrie beeinflussen, sind die Korrosionsbeständigkeit und Schweißfähigkeit. Erstere ist für Statikanwendungen nicht so wichtig wie für Produktion und Transport von korrosivem Öl und Gas. Es ist wichtig, dass die Schweißnähte die erhöhte Bruchfestigkeit des Basismetalls für den arktischen Einsatz aufweisen. Bei einer geringeren Festigkeit der Schweißnaht kommt es unabhängig von der Qualität des Basismetalls zum Bruch.

Ein weiteres Beispiel stammt aus der wissenschaftlichen Infrastruktur in der Antarktis, wo 2008 eine belgische Forschungsstation gebaut wurde. Die Fassade bestand aus 1,5 mm starken Paneelen aus Edelstahl 304L (UNS S30403). Dieser Werkstoff wurde gewählt, weil austenitischer Edelstahl (304L) selbst bei Temperaturen unter -60 °C ausreichende Stärke und Festigkeit aufweist.

LNG

Mit dem Anstieg der Energienachfrage sowie des Energietransport- und -speicherbedarfs bietet Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) aufgrund seines Verhältnisses zwischen Volumen und Energiedichte gewisse Vorteile. Das Volumen von Erdgas in seinem flüssigen Zustand ist ca. 600 Mal kleiner als das Volumen in Gasform in einer ErdgasPipeline. Durch die Verflüssigung kann Erdgas an Orte transportiert werden, an denen es keine Erdgas-Pipelines gibt, und es kann sogar als Treibstoff eingesetzt werden. All das wäre ohne Nickel nicht möglich, denn Erdgas wird erst unter -163 °C flüssig. Wie bereits beschrieben sind austenitische Edelstähle und Nickellegierungsstähle die besten Lösungen für die Herstellung von Speicher- und Transportbehältern sowie den Transport von Flüssigerdgas bei derart niedrigen Temperaturen.

MINDESTTEMPERATUR

PlattierungsSpezifikation -273 °C -196 °C -130 °C -101 °C -60 °C -60 °C

ASTM 304L EN 10088-1 ASTM A353/ A553 EN 10028-4 ASTM A645 EN10028-4 ASTM A203GrE EN 10028-4 ASTM A203GrB EN10028-4

Stahltyp Austenitischer Edelstahl

Typische Lageranwendung Stickstoff, Wasserstoff, Helium LNG, Sauerstoff, Argon Ethylen Kohlendioxid, Acetylen, Ethan Ammoniak, Propan, Schwefelkohlenstoff Ammoniak, Propan, Schwefelkohlenstoff

9 % Ni-Stahl 5 % Ni-Stahl 3,5 % Ni-Stahl 2,5 % Ni-Stahl 1,5 % Ni-Stahl

Zunehmender Ni-Anteil Abnehmende Speichertemperatur

Princess Elisabeth Station, Antarktis. Die Fassade besteht aus 1,50mm starken 304L(S30403)Edelstahl-Paneelen.

Temperatur und Korrosionsbeständigkeit sowie Schweißfähigkeit sind entscheidende Faktoren für die Auswahl der Werkstoffe für den Einsatz in der Öl- und Gasindustrie in arktischen Regionen.

Querschnitt des ITER, des International Thermonuclear Experimental Reactor in Frankreich, der mit einem FlüssigheliumKühlsystem mit einer Kühlleistung bis 4,5 Kelvin ausgestattet ist.

Tankerbauweise

LNG-Tanker stechen meist von Katar und Australien aus in See und steuern Regionen mit hohem Energiebedarf wie Japan, China und Südkorea an. Beim Bau moderner Tanker wird der Raum im Schiffsrumpf optimal genutzt. Das Flüssigerdgas wird in einer doppelten Metallmembran mit Isolierung gespeichert. Für diese Fracht-Containment-Systeme wird ein (Expansion und Kontraktion ermöglichender) wabenförmiger Edelstahl 304L geringer Stärke oder die dünnere und flache Legierung 36 (K93600), eine 36-prozentige NiLegierung mit niedriger thermischer Expansion, eingesetzt.

Weitere verflüssigte Gase

Auf der Temperaturskala von LNG mit -163 °C noch weiter unter angesiedelte Gase sind:

• -183 °C: flüssiger Sauerstoff • -196 °C: flüssiger Stickstoff • -253 °C: flüssiger Wasserstoff • -269 °C: Flüssighelium Viele Anwendungsbereiche sind in der Industrie zu finden, die diese Produkte in regasifizierter Form verwendet. Wasserstoff wird bereits jetzt häufig als Vorgängerstoff von Ammoniak in der Düngemittelindustrie verwendet. Außerdem besitzt er eine Menge Potential, um fossile Brennstoffe im Energiemix zu ersetzen. Wenn genug Wasserstoff erzeugt werden kann (vorzugsweise auf umweltfreundliche Art mithilfe von Wind- oder Solarenergie), entsteht beim Verbrennen als Kraftstoff nur Wasser und kein Kohlendioxid. Die Stahlindustrie ist besonders energieintensiv und mehrere Hersteller versuchen schon jetzt, ihre CO2-Bilanz durch den erhöhten Einsatz von Wasserstoff zu verbessern.

Ohne Flüssiggase wäre keine Raumfahrt möglich. Wasserstoff ist ein leichter und sehr leistungsfähiger Raketentreibstoff. In Kombination mit einem Oxidator wie flüssigem Sauerstoff hat sich flüssiger Wasserstoff als der effizienteste aller Raketentreibstoffe erwiesen.

Und schließlich die Frage: Was könnte einen supraleitenden Magneten so abkühlen, dass er einen Plasmazustand erreicht? Die Antwort ist einfach: Flüssighelium. Alles andere als einfach ist aber das Temperaturproblem. Bei -269 °C oder 4 Kelvin lässt Nickel hier alle seine Muskeln spielen ...

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