ADS-Kinder: Zukunft der Menschheit

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Delta Dynamik

Hanspeter Diboky

ADS-Kinder Die Zukunft der Menschheit

CMD PUBLISHING



ADS-Kinder

Die Zukunft der Menschheit



Hanspeter Diboky

ADS-KINDER

Die Zukunft der Menschheit

Delta Dynamik


2. Auflage 2007 stark erweitert © 2006 CMD Publishing, Zürich Alle Rechte vorbehalten. Satz & Gestaltung: Christian Diboky, Zürich www.cmdpublishing.ch ISBN-13: 978-3-033-00790-1 ISBN-10: 3-033-00790-2 Printed in Switzerland.


Ich danke meiner Frau und meinen Kindern f端r ihr Mitdenken und ihre Anregungen sowie f端r die technische Umsetzung.



Inhalt Vorwort

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Teil I Einleitung Gegenwärtigkeitstest Eine immer grösser werdende Minderheit Wie wache ich auf ? Aufwachen in den Vergangenheitsstrukturen Die Egostruktur Ich bin Wo bin ich? Wo sind die ADS-Kinder? Wo sind die Normalbürger? Ein neues Menschenbild Unter- und überbewusste Felder Der Mensch Die Geist-Seele Der Seelen-Leib Der Leib Geist, Seele und Leib Vom Körper- zum Feldbewusstsein Wie kommt man ins G-Feld? Was ist im Nichts? Die biologische Evolution Die postbiologische Evolution Die Felder bei den ADS-Kindern

21 23 24 26 28 29 31 32 33 35 37 39 41 41 41 43 43 46 49 56 58 60 62 9


Mit Drogen ins G-Feld? Wie wirkt Ritalin? Das schwierige Leben von ADS-Kindern Delta Dynamik: Das Umsetzen der Felderkenntnis Tipps

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Teil II Delta Dynamik in der Praxis 79 Pädagogik und Methodik 79 Alltags- oder Gegenstandsbewusstsein 80 Das Deltabewusstsein 81 Biologische und postbiologische Evolution 83 Praktische Übungen: Entdecke das Delta in Dir! 84 Das Delta als Viereck: 4 Leitsätze fürs tägliche Leben 85 Das Delta als Dreieck: 3 Ideale fürs tägliche Leben 86 Konkrete Anwendung 87 Meine Individualität ist gegenwärtig. 89 Mein ICH bestimmt meine jetzige Situation 91 Wie werde ich liebevoll präsent? 94 Das Delta ausser sich 94 Das Delta zum Teil in sich 95 Das Delta in sich 96 Wo bin ich im Deltabewusstsein? 98 Ich spiele mit Chaos und Strukturen 98 Ich fördere das sozialen Leben 100 Moralgesetze 102 Die drei Ideale 103

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Die drei Ideale: Beispiele aus dem Leben M. Yunus: Banker für Mikrokredite J. Yokoyama: Fischmarktbesitzer in Seattle B. Richner: Kinderarzt in Kambodscha Farbige Hüte und Bewusstsein Leben mit dem roten Hut Leben mit dem grünen Hut Leben mit dem gelben Hut Delta Dynamik in der Schule und im Elternhaus Die vier Stufen der Delta Dynamik Feedbackgespräche mit Jugendlichen Deltadynamischer Beobachtungsbogen Strukturen und Rituale für moderne Kinder Vertiefung und Ausblick Bewusstseinsstufen bis zum Delta-Bewusstsein Bewusstseinsstufen der biologischen Evolution Die irdische Vier Bewusstseinsstufen der postbiologischen Evolution Tägliches Training für mein Delta-Bewusstsein

107 107 109 110 111 111 112 113 115 116 118 120 124 125 125 129 129 134 150

Teil III Einleitung Das neue Bildungswesen Heutige Jugend Die Aufgabe des Staates Die Aufgabe der Wirtschaft Vorteile eines unabhängigen Bildungswesens

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Veränderung beginnt im Denken des Einzelnen Konkrete Lösungsansätze Argumente contra Argumente pro Recht auf Bildung statt Schulpflicht Finanzierung des unabhängigen Bildungswesens Globale Perspektiven Zusammenfassung Literaturhinweise

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Vorwort Seit dreissig Jahren bemühe ich mich um das Rätsel Mensch. Einerseits habe ich die aktuelle Fachliteratur studiert, andrerseits habe ich mich bemüht, mein Bewusstsein durch eigene innere Aktivität weiter zu entwickeln. So habe ich mich nicht nur auf die physisch messbaren Fakten beschränkt, sondern versuchte immer das Zusammenspiel der nicht messbaren Qualitäten des Menschen mit ihrer materiellen körperlichen Grundlage zu beobachten und zu begreifen. Ein Quantensprung in meinem Verständnis des Menschen geschah dadurch, dass ich pädagogisch bei verschiedenen Kindern mit dem so genannten ADHS-Phänomen nicht mehr weiter wusste. Im Moment des Scheiterns erlebte ich, dass meine Vorstellung des Menschen als relativ statisches «Gebilde» aus Körper, Seele und Geist korrigiert werden musste. Das Grundmotiv meines Buchs zeigte mir ein achtjähriger Junge mit seinem sehr speziellen Verhalten. Viele weitere ADHS-Kinder bestätigten mir meine neue Erkenntnisse der deltadynamischen Betrachtungsweise des Menschen. Diese Kinder waren meine kleinen Professoren, die mir, ohne es zu wissen, durch ihr Wesen die Augen öffneten und mein vielfach theoretisches Wissen über Körper, Seele und Geist korrigierten. Der Weg, den ich seither beschreite, ist in diesem Buch, so gut man eben über unsichtbare Qualitäten schreiben kann, geschildert. Er ist keine neue Theorie. Alles, was ich beschrieben habe, ist von mir beobachtet worden und kann von jedem Menschen, der gewillt ist, seine Aufmerksamkeit zu steigern, selbst beobachtet werden. In den Literaturhinweisen sind Bücher von Autoren erwähnt, die ihren eigenen Weg der Beobachtung des Menschen gegangen sind. Bei den naturwissenschaftlichen 15


Büchern, wählte ich diejenigen aus, in denen die materiell sichtbaren Fakten möglichst ohne die Brille des Materialismus oder einer schwärmerischen Esoterik geschildert werden. Das Motto der Delta Dynamik lautet «Entdecke das Delta in Dir!». Treten wir zusammen diese diese Entdeckungsreise an.

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Teil I Die Kinder der postbiologischen Evolution



Aufwachen ist der erste Schritt zur Selbsterkenntnis. * Was ich nicht bin – meine Egostruktur – erkenne ich nur durch Aufwachen. * Was ich bin – meine Individualität – kann ich nicht erkennen, sondern nur bewusst sein . Mein Bewusstsein erlebt sich in der Gegenwart, erlebt sich im Sein. Hanspeter Diboky



Einleitung ADS heisst Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom. Beobachtet man ADS-Kinder1, stellt sich schnell heraus, dass sie kein Defizit in ihrer Aufmerksamkeit haben. Ganz im Gegenteil: Sie sind äusserst aufmerksam! Sie leben in ihrem Umfeld mit grösster Aufmerksamkeit. Das Defizit besteht lediglich darin, dass sie mit ihrer Aufmerksamkeit nicht bei den Aufgabenstellungen sind, wo wir sie als Eltern oder Lehrer gerne hätten. Eigentlich müsste man die Bezeichnung ADS für unsere heutige moderne Gesellschaft anwenden. Wo man hinblickt sieht man Aufmerksamkeitsdefizitsyndrome: Beim Zappen am TV-Gerät, beim Musikhören während man einer anderen Beschäftigung nachgeht, beim Gespräch. Wer kann heute noch mehr als 30 Sekunden konzentriert zuhören, ohne innerlich abzuschweifen oder äusserlich zu unterbrechen? Wer ist fähig einen Gegenstand, eine Pflanze, ein Bild nur 20 Sekunden zu betrachten? Wenn wir wirklich aufmerksam wären, würden wir das Aufmerksamkeitsdefizit nicht primär bei den ADS-Kindern, sondern als Urphänomen unserer Gesellschaft bemerken. Aufmerksamkeit ist immer auch Gegenwärtigkeit. Wie lange sind wir wirklich gegenwärtig im Verlaufe eines Tages? Gegenwärtig sein heisst: Keine störenden Gedanken tauchen in mir auf, ich widme mich mit voller Aufmerksamkeit meiner Aufgabe. Ich denke nicht, was nach dieser Tätigkeit sein wird. Ich frage mich nicht, wie man über meine jetzige Tätigkeit urteilen wird. Ich überlasse mein Tun nicht meinen Gewohnheiten, dem «Autopiloten». Den grössten Teil der folgenden Schrift kann jeder aufmerksame Zeitgenosse durch Beobachtung seines eigenen 1

Mit ADS-Kindern sind auch Kinder mit ADHS, Asperger, Autismus, Legasthenie, Diskalkulie und ganz wache, hochbegabte «normale» Kinder gemeint.

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Wesens nachvollziehen. Ebenso kann man auf der Grundlage, die man sich durch Selbstbeobachtung geschaffen hat, die ADS-Kinder beobachten und sich selbst davon überzeugen, dass sie nicht krank sind. Allerdings kommt man dann zum Schluss, dass unsere Gesellschaft krank sein muss. Normalität ist heutzutage ein krankhafter Zustand (Kühlewind, 2005). Diese Schrift soll anregen, die Phänomene selbst zu beobachten und aus der Erkenntnis, die man dabei erringt, entsprechend handeln zu können. Das Thema Aufwachen wird permanent wiederholt, weil es das Zentralanliegen ist und aus den verschiedensten Gesichtspunkten beleuchtet werden soll. Am Ende sollte man seinen Wachheitsgrad gesteigert haben und die Welt mit andern Augen betrachten können. Die Schrift ist ein Hindernislauf durch unsere festgefahrenen Strukturen. Sie ist anstrengend. Aufwachen und wach bleiben ist ohne innere Aktivität nicht möglich! Die Leere nach den einzelnen Kapiteln soll anregen, sich selbst zu beobachten und eigene Gedanken zu bilden. Das Logo und die kurzen Sätze können eine Meditationshilfe zum Thema sein.

Das Ich-Bewusstsein ist nicht das Bewusstsein vom wahren Ich, sondern das Bewusstsein meiner Egostruktur.

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Gegenwärtigkeitstest Der Durchschnittsbürger von heute hat keinen Begriff mehr, was Gegenwärtigkeit überhaupt bedeutet. Was ist Gegenwärtigkeit? Ich lasse mich nicht durch Gedanken und aus der Seele aufsteigende Emotionen ablenken. Zukunftsängste begleiten meine Tätigkeit nicht. Ich lebe mit voller Aufmerksamkeit in der Gegenwart. Ich arbeite mit Hingabe. Ich bin bei jeder Tätigkeit mit voller Aufmerksamkeit dabei. Keine Tätigkeit ist so unbedeutend, dass ich Zeit und Energie habe, sie mit Musikhören oder anderen Begleitphänomenen interessanter zu gestalten. Dies ist Gegenwärtigkeit! Wie lange bin ich täglich gegenwärtig? • Beim Essen? • Beim Arbeitsweg? • Bei meiner Arbeit? • In meiner Freizeit?

Anzahl Minuten: Anzahl Minuten: Anzahl Minuten: Anzahl Minuten:

Total:

Der Normalbürger ist vermutlich maximal 30 Minuten pro Arbeitstag gegenwärtig. Mit anderen Worten sind wir höchstens 5% unseres wachen Lebens gegenwärtig! Da Gegenwärtigkeit auch mit Wachheit gleichzusetzen ist, kann man sagen, dass der Normalbürger von heute etwa 95% seines Lebens in einem wachen Traumzustand verbringt. Wenn wir leben, sind wir nur ganz selten anwesend. Wir schlafen auch, wenn wir glauben wach zu sein. Wir leben nicht, wir werden gelebt! 25


Eine immer grösser werdende Minderheit Da ADS, ADHS, Asperger-Autismus, Legasthenie, Diskalkulie, Autismus und Hochbegabungen immer häufiger auftreten – man spricht schon von epidemischem Auftreten – wird man in Zukunft nicht mehr von einer Minderheit sprechen können, deren Probleme einige Fachleute lösen sollen. Wie im Weiteren gezeigt werden soll, ist dieses epidemische Auftreten keine Krankheit, sondern ist ein wichtiger Faktor im Bewusstseinswandel der Menschheit. Es ist nicht erstaunlich, dass der heutige Bewusstseinszustand der modernen Menschheit, nämlich das Verschlafen der Wachzustände des täglichen Lebens, zu den uns längst bekannten bedrohlichen Zuständen auf der Erde im Kleinen und im Grossen geführt hat. Es ist höchste Zeit, dass wir aufwachen! Die ADS-Kinder sind seit ihrer Geburt schon aufgewacht. Sie werden betreut und erzogen von schlafenden Eltern und schlafenden Lehrern, die erst dann ein bisschen aufwachen, wenn sie von diesen Kindern im Schlafen allzu stark gerüttelt werden. Nicht die Gesellschaft hat ein Problem mit den ADS-Kindern, sondern die ADS-Kinder mit unserer Gesellschaft. Im Schlaf kann man den Wachzustand nicht begreifen. Unser Problem ist es heute, dass wir meinen zu wachen, aber das Wichtige verschlafen. Wie können wir aus diesem Teufelskreis ausbrechen? Schlafen in einer Zeit, in der wir wachen sollen, kann sehr gefährlich werden. Die Weltlage zeigt uns dies täglich. Auch im Zusammenleben mit ADSKindern können wir in gefährliche Gewässer gelangen. Wie die unsinkbare Titanic unterging, so gehen im Zusammen26


leben mit ADS-Kindern Familien unter, Klassen kommen vom Kurs ab und die meisten Institutionen sind überfordert, weil man es verpasst hat, frühzeitig aufzuwachen. Auch im Wachzustand ist es nicht einfach mit ADS-Kindern zusammenzuleben. Man hat jedoch gute Chancen das Zusammenleben so zu gestalten, dass es für alle Beteiligten menschlich wird. Menschlich leben bedeutet, nicht weiterzuschlafen, sondern aufzuwachen. Im Zustand des Autopiloten sind wir Roboter – nicht Menschen. Menschlich Leben ist immer mit innerer Anstrengung verbunden, weil aufwachen ohne innere Aktivität nicht möglich ist. Alte Strukturen, Automatismen, Vorurteile, d.h. Urteile aus der Vergangenheit, die der gegenwärtigen Situation übergestülpt werden, sind die Voraussetzungen für unmenschliches Handeln. Im Umgang mit ADS-Kindern können wir Menschen werden.

Mein gegenwärtiges Lächeln öffnet das Tor zum andern Ich.

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Wie wache ich auf ? Aufwachen ist eintreten in die Gegenwart. Deshalb ist der erste Schritt beim Aufwachen, dass man sich bewusst wird, was alles Vergangenheit ist. Im Grossen gedacht, ist der ganze Kosmos, die gesamte Schöpfung – die heute abgeschlossene Phase der biologischen Evolution – Vergangenheit. Auch unser menschlicher Leib und die mit dem Leib verbundene und vom Leib abhängige Leib-Seele ist Vergangenheit. Alle Instinkthandlungen der Tiere und Menschen sind vergangenheitsgesteuert. Erst in der postbiologischen Evolution (Pearce, 2005) beginnt die Gegenwart. Die postbiologische Evolution kann erst mit den aufgewachten und gegenwärtigen Menschen beginnen. Ohne Menschen, die sich zum Teil aus den vergangenheitsgesteuerten Instinkthandlungen lösen können und ganz gegenwärtig, schöpferisch tätig sein wollen, gibt es keine postbiologische Evolution. Die Phase der Evolution, in der wir heute stehen, ist die Phase der Evolution des menschlichen Bewusstseins. Ein Bewusstsein, das sich nicht nur seines Leibes und der damit verbundenen Seelenstruktur bewusst ist, sondern ein Bewusstsein, das sich in der Gegenwart unabhängig vom Leib im leiblichen Dasein seiner selbst bewusst wird. Ein Bewusstsein, das bildlich gesprochen, aus der Gegenwart auf die Vergangenheitsstrukturen seiner Leib-Seele hinabblickt und erfährt, dass es in sich selbst auch ohne Abhängigkeit vom Leib existiert. Mit andern Worten ist die Menschheit heute am Punkt angelangt, an dem jeder Mensch durch Selbstbeobachtung ein Bewusstsein des in jedem menschlichen Wesen existierenden individuellen Geistes bekommen kann. Jeder kann sich heute selbst davon überzeugen. Wir beginnen heute bewusst im Feld der Gegenwart des 28


Geistes, der Aufmerksamkeit, zu leben! Die Evolution des Bewusstseins kann uns nicht von aussen (von Gott oder dem Zufall) gegeben werden. Von aussen können uns nur die Probleme, die wir lösen sollten, gegeben werden. Da wir die meisten Probleme schlafend nicht mehr nachhaltig lösen können, erleben wir die Notwendigkeit des Aufwachens existentiell. ADS-Kinder sind die Vorkämpfer der postbiologischen Evolution, indem sie uns so lange wecken, bis wir beginnen, selbst aufzuwachen. Da die biologische Evolution Jahrmillionen dauerte und die postbiologische Evolution für die Mehrheit der Menschen erst seit ungefähr hundert Jahren möglich ist, gehört das Bewusstsein für die neuen Verhältnisse in der menschlichen Bewusstseinsevolution noch nicht Allgemeingut. Die letzten hundert Jahre Geschichte geben uns einen deprimierenden Anschauungsunterricht, was geschieht, wenn die Mehrheit der Menschen, inklusive der wissenschaftlichen, politischen und religiösen Elite, nach den Gesetzen der Vergangenheit das Zusammenleben der Menschen regeln will. Wir können uns auf jedes ADS-Kind freuen, das unsere Welt der alten Strukturen kompromisslos in Frage stellt und zum Bewusstseinswandel beiträgt.

Das Bewusstsein vom wahren Ich erhalte ich nur durch Aufwachen, durch gegenwärtig sein.

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Aufwachen in den Vergangenheitsstrukturen Gegenwärtigkeit kann nur im menschlichen Seelenleben zur Realisierung kommen. Der seelische Normalzustand ist dadurch charakterisiert, dass ich mich mit meinen Gedanken und Gefühlen identifiziere. Meistens werden durch Gedanken, die im Seeleninnenraum auftauchen auch Emotionen aktiviert. Ich werde vom Gedanken-Emotionsstrom mitgewirbelt und glaube, dass ich mit diesem Strom identisch bin. Jeder kann beobachten, wie Gedanken und Emotionen auftauchen. Lasse ich mich nicht mitreissen, werde ich wach. Dadurch erlebe ich mich als ein auf dem Turm der Gegenwart stehendes Ich, das den unter sich fliessenden Gedanken-Emotionsströmen zuschaut, die aus der Vergangenheit in die Gegenwart strömen. Sogar wenn ich meine gedachten Gedanken beobachte, muss ich feststellen, dass diese schon Vergangenheit sind. Gegenwärtig bin ich nur, wenn ich etwas mit voller Aufmerksamkeit beobachte. Beim Beobachten bin ich gegenwärtig, das Beobachtete ist schon Vergangenheit! Schon einmal Gedachtes, schon einmal Gefühltes gehört zur Vergangenheitsstruktur des Seelenlebens. Man kann diese Struktur auch Egostruktur nennen (Tolle, 2004).

Leben in der Egostruktur ist leben in der Vergangenheit.

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Die Egostruktur Die Egostruktur besitzt kein Bewusstsein der Gegenwärtigkeit. Meine Egostruktur ist es, die im täglichen Leben agiert und das uns bekannte Selbstbewusstsein entfaltet. Die Egostruktur – eine Vergangenheitsstruktur – kann selbstverständlich kein Bewusstsein der echten Gegenwart entwickeln. Sie verschläft die Gegenwärtigkeit des eigenen Ich-Wesens, indem sie den Menschen meinen lässt, er sei wach. Sobald ich meine Egostruktur beobachte, muss ich sie verlassen und im Ich aufwachen. Die Egostruktur kann sich nicht selbst beobachten! Die Vergangenheit kann nicht die Vergangenheit wahrnehmen. Das durch Selbstbeobachtung offenbar werdende Geheimnis des menschlichen Seins ist: Mein gegenwärtiges Wesen, mein Ich, kann sein aus der irdischen Vergangenheit gebildetes Wesen, seine Egostruktur, jederzeit beobachten. Ich erscheine als Doppelwesen. Mein Gegenwarts-Ich kann mein Vergangenheits-Ich beobachten. Beide sind miteinander in der Seele verbunden sind und sind Offenbarungen desselben individuellen Geistes. Das Vergangenheits-Ich, die Egostruktur kann das Gegenwarts-Ich überwältigen und verdrängen. Die Egostruktur ist durchsetzt von Emotionen und ist deshalb eine Instanz, die hin und her gerissen ist und die Aussen- und Innenwelt sehr subjektiv beurteilt. Die Egostruktur weiss, dass sie sich im Lichte des Ichs verwandeln muss. Dies will sie auf keinen Fall. Sie will im Wachen weiterschlafen. Dies ist einer der Gründe, weshalb das Geheimnis unserer Doppelnatur noch nicht Allgemeinwissen der Menschen ist. Zusammenfassend gilt: Ich bin nicht meine Gedanken, meine Gefühle und meine Vorstellungen. Schon gar nicht bin ich mein Leib. 31


Alle Formen – Gefühls-, Gedanken-, Handlungsund physische Formen – sind Vergangenheit.

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Ich bin Ich bin die in der Gegenwart lebende Aufmerksamkeit. Mit diesen einfachen, aber noch nicht alltäglichen Beobachtungen habe ich mich vom Beobachten meiner Leib-Seelenstruktur zu mir selbst, zu meinem Geist hingewendet. Mein Geist kann für mich nicht Objekt sein. Ich kann ihn nicht von aussen betrachten. Ich bin die Aufmerksamkeit. Ich bin der Geist. Ich bin ein Ich-bin-Wesen. Alle Objekte – Gegenstände, Gedanken, Gefühle, usw. – sind aus der Gegenwart heraus gefallene Prozesse. Objekte sind Prozesse, die von der Vergangenheit gesteuert werden. Sie sind Produkte des Geistes. Unsere mit dem Hirn erzeugten Gedanken sind die toten Produkte unseres lebendigen Geistes. Die Welt, wie sie mir erscheint, ist verlangsamte Gegenwart, also schon Vergangenheit. Könnte ich mit vollem Bewusstsein in der Gegenwart leben, würde die Welt als lebendiger Prozess erscheinen. Die Welt, wie wir sie heute erleben, ist das Produkt unseres Schlafens im Wachen. Materialismus ist nur im Schlafzustand möglich. Im Wachzustand erlebe ich meine eigene lebendige Aufmerksamkeit. Geist, der in der Vergangenheit erscheint, ist Materie. Echtes Aufwachen gibt es nur im Geiste.

In der Egostruktur vergesse ich meine Individualität.

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Wo bin ich? Wo bin ich, wenn ich aufwache? Folgende Situation aus dem Alltag kann dies aufzeigen: Bei voller Aufmerksamkeit bin ich im Theater mitten unter den Schauspielern, auch wenn mein Leib im Publikum sitzen bleibt. Sogar mein Zahnschmerz bleibt im Leib zurück, da er ja leibliche Ursachen besitzt. Bei jeder Sinneswahrnehmung bin ich mit meiner Aufmerksamkeit dort, wo ich etwas wahrnehme (Sheldrake, 2003). Ich bin mit meiner Aufmerksamkeit in der Blume, die ich betrachte. Ich bin mit meiner Aufmerksamkeit im andern Menschen, dessen Gedanken ich nachvollziehe. Wenn ich aufmerksam bin, lebe ich hellwach in meinem Geist. Der Geist existiert unabhängig von Raum und Zeit. Er ist nicht materiell. So ist dieses Leben ausserhalb des Körpers möglich. Die Egostruktur hingegen ist leibgebunden. Das Ich existiert daher überall, auch ausserhalb des Raums, ausserhalb des «Körper-Raums» und der Zeit, der «Körperzeit», der Lebenszeit. Deshalb ist das Ich ungeboren und unsterblich. Es existierte schon vor der Geburt und wird nach dem Tod weiter existieren!

Ich bin im wahren Ich eins mit dem Objekt, das ich wahrnehme. * Ich bin eins mit allen Ich-Menschen und Ich-Wesen.

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Wo sind die ADS-Kinder? ADS-Kinder können so in der Gegenwart leben, wie es der Normalbürger erst nach langer Aufmerksamkeitsschulung kann. Diese Kinder verstehen jedoch das Besondere ihres Bewusstseinszustands nicht. Sie fühlen sich mit der Zeit als Versager, als krank, da sie mit dem Vergangenheitsbewusstsein und dem Zweckdenken ihrer Umgebung nicht zurecht kommen. ADS-Kinder sind mit ihrer Aufmerksamkeit überall, auch ausser Raum und Zeit, nur nicht dort, wo sie die Lehrer gerne hätten. Sie sind in ihren inneren Welten, beim Bauarbeiter vor dem Schulhaus, beim Kind in der hintersten Reihe… Wenn ein Kind im Wald seine Jacke verloren hat, wissen meistens die ADS-Kinder unter welchem Baum die Jacke liegen geblieben ist, da sie mit ihrer Aufmerksamkeit draussen waren und nicht schläfrig in ihrem Körper vor sich hin trotteten. Das ADS-Kind lebt nicht nur im Körper, sondern auch im Raum zwischen den andern Menschen. Da es im Aufmerksamkeitsfeld lebt, das auch die Körper durchdringt, hat es auch ein Bewusstsein, was in unserer Vergangenheitsstruktur vor sich geht. Es erfasst unseren Charakter, unsere Gefühle, unsere Gedanken und sogar unsere Willensimpulse. Seine Wachheit ist die Wachheit seines Geistes, der ausser Raum und Zeit existiert. Es bekommt alles mit, was in der Gegenwart abläuft. Ebenso stellt es immer häufiger fest, dass seine Eltern und Lehrer das meiste verschlafen. Die Eltern und Lehrer leben in den Vergangenheitsstrukturen ihrer Vorstellungen und Emotionen, indem sie wachend schlafen. Sie bekommen nur selten mit, was gerade wesentlich ist. Die ADS-Kinder leben in einer Welt der Blinden und Tauben, die ihnen zeigen wollen, wie man am besten sehen und hören kann! Ihre 35


Tragik ist jedoch, dass die Blinden und Tauben sich in ihrer Scheinwelt bestens zurechtfinden. Deshalb behaupten diese auch immer wieder, es gebe kein Licht und keinen Klang. Mit der Zeit verlieren die ADS-Kinder die Fähigkeit, Licht und Klang, das heisst die Gegenwart des Geistes, wahrzunehmen. Als Folge sinken sie in ihre eigenen Vergangenheitsstrukturen ab. Das Wirken der von der Umwelt und Vererbung beeinflussten Strukturen kennen wir alle: Es ist das schwierige Verhalten der ADS-Kinder.

Mein wahres Ich ist nicht im KĂśrper, sondern Ăźber-all. * Mein wahres Ich lebt im L-ich-t.

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Wo sind die Normalbürger? Wenn der Normalbürger wachend schläft, lebt er in den Vergangenheitsstrukturen seiner Seele. Er erlebt nicht, was jetzt aktuell geschieht. Er sieht nur seine Vorstellungsbilder, die unter der Mitwirkung seines Gehirns in seinen Seelenraum projiziert werden. Er erlebt die Produkte, nicht die gegenwärtig ablaufenden Prozesse. Dies gilt für alle Bereiche seines Wahrnehmens. Deshalb fühlen wir uns mit unseren Wahrnehmungen in uns, in unseren Körper- und Seelenstrukturen. Der heutige Mensch geht ja so weit, dass er sich mit seinem Gehirn oder seinem Körper identifiziert. Er hat kein Bewusstsein mehr, dass er als geistiges, individuelles Wesen nicht sein Körper ist. Wenn man sich mit für seinen Körper hält, identifiziert man sich mit seinen Vergangenheitsstrukturen und vergisst dabei sein gegenwärtiges Ich, seinen schöpferischen, geistigen Urquell! Aufwachen heisst immer, den eigenen Geist erleben und gleichzeitig die Identifikation mit seinen Vergangenheitsstrukturen, seinem Körper, seinen Denk- und Emotionsstrukturen zu überwinden. Welche Erleichterung, erleben zu können, dass ich meine unvollkommene Vergangenheit hinter mir lassen oder verwandeln kann, ohne mich aufzulösen! Ich kann immer neu beginnen. Auch in der schlechtesten Lage kann ich schöpferisch sein, sofern ich aus meinem gegenwärtigen Ich handle. Der unerbittliche Zwang vieler religiöser Vorstellungen, der Zwang der allmächtigen Genetik wird so relativiert. Erlebe ich wach meinen Geist, kann ich mich noch im Körper befinden, bin aber nicht mehr körpergesteuert. Wende ich meine Aufmerksamkeit nach aussen, kann ich ebenso fühlen wie die ADS-Kinder. Ich bin im Aufmerksamkeitsfeld, das von meinem Geist fortwährend geschaffen wird. 37


Ich bin mit anderen Menschen verbunden, auch mit den Kindern. Ich erlebe meinen KĂśrper als Objekt mit dem Namen, den meine Eltern ihm gegeben haben. Auch ein NormalbĂźrger kann aufwachen und im positiven Sinn ADSMensch werden.

In der Egostruktur lebe ich getrennt von den anderen Menschen. Streit ist oft die Folge. * Leben im Ich heisst, miteinander im Frieden zu leben.

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Ein neues Menschenbild Ein neues Menschenbild ist nötig, um die Phänomene der ADS-Kinder zu verstehen. Wir müssen uns von unseren statischen Menschenbildern verabschieden. Der Mensch als Wesen ist nicht nur Leib, er ist auch Seele und Geist. Die Seele und der Geist durchdringen den Leib, auch wenn sie selbst nicht materiell sind. Die moderne Quantenphysik zeigt uns von wissenschaftlicher Seite, dass wir auch von den materiellen Objekten eine dynamische Vorstellung haben sollten. Jedes materielle Objekt ist ein Prozess. Ein permanenter Auf- und Abbau findet statt. Materie kann heute sogar als Welle – eine nichtmaterielle Funktion – beschrieben werden. So können wir sagen: Leib, Seele und Geist existieren in nichtmateriellen, sich durchdringenden Feldern. Anders formuliert sind die Seele und der Leib Vergangenheitsstufen oder Verdichtungen des gegenwärtigen Geistes. Die erwachte Aufmerksamkeit lebt in der Umgebung, sie kann in Raum und Zeit nicht lokalisiert werden. Sie lebt im so genannten G-Feld (Gegenwartsfeld). Alle Menschen leben mit ihrem Geist im G-Feld. Die meisten haben jedoch davon noch kein Bewusstsein, da sie im Lärm der Egostruktur die Stimme ihres Geistes noch nicht gehört haben. Sie leben überbewusst in den G-Feldern. Für ADS-Kinder ist das Leben in den G-Feldern zum Teil bewusst geworden. Die überbewussten G-Felder, die ausser Raum und Zeit existieren, den Raum aber auch durchdringen und in der Zeit wirksam werden können, gehören genauso zum Menschen wie der sichtbare Leib. Unsere Existenz auf der Erde ist jedoch nicht nur von den überbewussten G-Feldern geprägt sondern auch von ihrem Gegenteil: den unterbewussten V-Feldern (Vergangenheitsfeldern). 39


Im Menschen offenbaren sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

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Unter- und überbewusste Felder Die unterbewussten V-Felder sind die Vergangenheitsfelder, die unsere Egostruktur unter der Bewusstseins-Schwelle beeinflussen. Unsere Egostruktur ist auch nicht auf unseren Leib beschränkt. Sie wird im V-Feld (Vergangenheitsfeld) gebildet, in dem auch die Strukturen unserer Familie, unseres Volks und unserer Zeit vorhanden sind. Die Werbewirtschaft und alle, welche die schlafenden Massen für gruppen-egoistische Zwecke (ver-)führen wollen, arbeiten mit diesen Feldern. In diesen Feldern kann man rassistische Ausbrüche vorbereiten, kann man die Konsumenten unterbewusst auf gewisse Produkte einstimmen und vieles mehr. Die überbewussten G-Felder sind Gegenwartsfelder, Aufmerksamkeitsfelder und Fähigkeitsfelder. Die individuellen Fähigkeiten der Menschen sind in ihnen enthalten. Sie sind nicht strukturiert. Alles ist im Entstehen. Echte Zukunft ist noch möglich. Durch das Aufwachen werden die überbewussten Felder bewusst. Wenn ich bewusst in den G-Feldern lebe, werden mir auch die unterbewussten V-Felder bewusst. Das Unterbewusste kann ich nicht mit dem Schlafbewusstsein meiner Egostruktur erkennen. Nur mein waches Ich kann aus dem G-Feld die Abläufe in den unterbewussten V-Feldern erkennen. In den G-Feldern wirkt der wache, bewegliche, dynamische individuelle Geist des Menschen. In den V-Feldern wirken die unpersönlichen Vergangenheitsstrukturen auf die Egostruktur zwanghaft ein. Die Befreiung von diesen Zwängen ist nur durch Aufwachen im G-Feld möglich. Nur Bewusstsein befreit! 41


Im Dunkel des Seelenschlafs kann ich manipuliert werden.

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Der Mensch Die Geist-Seele Der Mensch besteht aus seiner individuellen, schöpferischen Geist-Seele, die in den G-Feldern ihre Existenz hat und den Leib durchdringt. Sie ist mit dem Allgeist verbunden. Die Vergangenheitsprodukte der Geist-Seele bilden im V-Feld den strukturierten Seelen-Leib.

Der Seelen-Leib Die erste Seelenstruktur bildet sich am Übergang vom G-Feld zum V-Feld. Die lebendige, individuelle, gegenwärtige Geist-Seele beginnt sich zu strukturieren und verliert ihre helle Wachheit, da sie sich in Richtung der Egostruktur bewegt. Sie ist jedoch immer noch fähig, das Bewusstsein der Gegenwärtigkeit, des G-Felds in den VergangenheitsStrukturen des V-Felds aufrecht zu erhalten. Diese erste Seelenstruktur ermöglicht uns das Aufwachen in der Egostruktur. Sie hat noch ein klares Bewusstsein, dass zur Erzeugung der Gedankenformen im V-Feld die hirnunabhängige Dynamik der Geist-Seele nötig ist. Sie weiss, dass das Begriffsgeflecht, in das sich jeder Begriff eingliedert, zum G-Feld gehört. Ebenso hat sie im Gegensatz zur Egostruktur die klare Vorstellung, dass das Gehirn als Leibstruktur hilft, das Gedachte zu strukturieren und im V-Feld zu positionieren. Die Egostruktur, die aus der zweiten und dritten Schicht des Seelen-Leibes gebildet wird, ist nicht mehr fähig, das helle Bewusstsein der ersten Schicht aufrecht zu erhalten. 43


Sie lebt schon im wachen Alltagsschlaf-Bewusstsein. Sie hat vergessen, dass sie ein Produkt der individuellen Geist-Seele ist. So kann sie überzeugt sein, dass das Gehirn denkt. Sie kann nicht mehr zwischen dem Denk-Akt und dem DenkInhalt unterscheiden. Sie anerkennt das G-Feld nicht und führt alles auf die Vorgänge im V-Feld oder in der Materie zurück. Die Egostruktur verleugnet den ihr zugrunde liegenden eigenen Geist oder degradiert ihn zu einem toten Begriff ohne Inhalt! Da die Egostruktur aus der zweiten und dritten Schicht des Seelen-Leibes gebildet wird, besitzt sie zwei Bewusstseinszustände: 1. Den Pseudo-Wachzustand des Alltagsbewusstseins, mit dem sie die Welt beurteilt und wahrnimmt, der als Vorstellungs- und Gedankenautomatismus ohne Pause «rattert». 2. Das Traumbewusstsein, in dem die Emotionen aufund abtauchen. In der Egostruktur mischen sich die beiden Bewusstseinszustände. Vorstellungen sind mit Emotionen durchsetzt. Ich habe nicht nur «zwei Seelen in meiner Brust» (Goethes «Faust») sondern drei. Die erste Seele ist bei vielen noch nicht erwacht. Die zweite und dritte leben im V-Feld und durchdringen den Körper. Die Welt hat die erste aber nötig. Sie verbindet uns mit unserem individuellen Geist. Die Zweite und Dritte agieren stolz in und mit der Welt und tragen zum geistlosen Chaos auf der Welt bei, weil sie mit den Kräften der Vergangenheit die Zukunft gestalten wollen. Zusammenfassend gesagt bauen unsere Gedankenmuster, 44


unsere Vorstellungen, unsere Emotions- und Handlungsmuster unsere Vergangenheitsstruktur, unseren Seelen-Leib, im V-Feld auf. Das V-Feld ist das Vergangenheitsfeld, ohne das unser Leben im Körper nicht weitergehen könnte. Es ist unser Autopilot! In meinem bewussten Ich bin ich gar nicht fähig, alles zu beherrschen. Ich kann dankbar sein, dass die biologische Evolution mir einen gut funktionierenden Seelen-Leib zur Verfügung stellt, in dem ich aufwachen und frei werden kann. Ich muss in der postbiologischen Evolution nicht alles vom Urbeginn her nochmals schaffen. Ich sollte jedoch dort weiterfahren, wo die Natur zu Ende ist: Ich sollte die Evolution des Bewusstseins weitertreiben, indem ich stufenweise erwache.

Der Leib Der Leib ist die dichteste Struktur im V-Feld. Eine Struktur, die so weit in die Vergangenheit reicht, dass sie so stabil geworden ist, dass sie als materieller Leib in seinen Grenzen sinnlich wahrnehmbar wird. Auch wenn ich mich bemühe in meiner Seele aufzuwachen, bin ich in der Regel noch nicht fähig, selbst zu beobachten, dass mein Leib die dichteste Form meines Geistes darstellt.1 Dazu müsste ich mir noch einige Wachheitsstufen mehr erringen.

Geist, Seele und Leib Geist ist lebendiges, gegenwärtiges Leben im G-Feld, Seele sind die Vergangenheitsstrukturen, die im V-Feld zu finden sind und sich im Leib spiegeln. Leib ist die sogenannt materielle Grundlage des Menschen, die in Raum und Zeit 1

Materie wird oft als verdichtetes Licht oder Kruste des Geistes bezeichnet.

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lokalisierbar ist und für den physischen Menschen im Materiefeld sichtbar wird. Geist ist der hellwache Bewusstseinszustand der Geist-Seele, Seele ist der Wachtraum im irdischen Leben der Geist-Seele und Leib ist das Tiefschlafbewusstsein der Geist-Seele. Geist ist gegenwärtiges Sein oder Sein in der Zeitlosigkeit, Seele ist das Sein der Vergangenheit, das bis maximal zur Zeugung zurückgeht und Leib ist das Sein der Vergangenheit, das die gesamte biologische Evolution umfasst. Der Seelen-Leib ist vergangenheitsorientiert, die Geist-Seele kommt aus der Zukunft! 2

2 Geist ist lebendiges, gegenwärtiges Leben in den höchsten Regionen des GFelds, Geist-Seele ist das Leben aus der Zukunft, das sich der Verwirklichung in den V-Feldern nähert, Seelen-Leib sind die Vergangenheitsstrukturen, die im V-Feld zu finden sind und sich im Leib spiegeln. Leib ist die so genannt materielle Grundlage des Menschen, die in Raum und Zeit lokalisierbar ist. Geist ist der hellwache Bewusstseinszustand der Geist-Seele, Seele ist der Wachtraum im irdischen Leben der Geist-Seele und Leib ist das Tiefschlafbewusstsein der Geist-Seele. Geist ist gegenwärtiges Sein oder Sein in der Zeitlosigkeit, Geist-Seele ist das Verarbeitungsprodukt in Form von Fähigkeitspotenzialen aller vergangener Inkarnationen, Seelen-Leib ist das Sein der Vergangenheit, das bis maximal zur Zeugung zurückgeht und Leib ist das Sein der Vergangenheit, das die gesamte biologische Evolution umfasst. Geist ist Licht, Geist-Seele ist Farbe, Seelen-Leib ist Schatten, Leib ist Finsternis. Der Seelen-Leib ist vergangenheitsorientiert, die Geist-Seele kommt aus der Zeitlosigkeit, der Ewigkeit, durch die Dimension der Zukunft, Zukunft als Dimension, in der sich die sich realisieren wollenden Ideen vorbereiten in den V-Feldern sichtbar zu werden! Zukunft ist entstehende Gegenwart. Die GeistSeele wird erst in Zukunft ihre volle Verwirklichung finden.

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Geist ist Licht, Seele ist Farbe, Leib ist Finsternis.

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Vom Körper- zum Feldbewusstsein Wir befinden uns seit einigen Jahrzehnten in einer extrem wichtigen Übergangsphase. Die biologische Evolution hat mit dem heutigen Menschen ihren Höhepunkt erreicht. In der postbiologischen Evolution, die eine Evolution des Bewusstseins ist, entwickelt sich nun das auf den Körper zentrierte Bewusstsein zum Feldbewusstsein, das alle Menschen umschliesst. Die Menschen leben nicht mehr getrennt in ihren «Körperkisten». Ich weiss, wie es dem andern Menschen geht, auch wenn ich räumlich von ihm getrennt bin. Ich kann seine Gedanken, seine Intentionen auch «spüren», bevor er sie geäussert hat (Sheldrake, 2003). Ich kann nicht mehr wegschauen, wenn es dem anderen schlecht geht. Ich leide mit allen Leidenden. Ich kann nicht mehr glücklich sein, wenn andere unglücklich sind. Ich kann nur im alten Bewusstsein – in meiner Egostruktur – Egoist bleiben. Das Leib-Erleben wird abgelöst vom Felderleben. Im G-Feld gibt es keine Egostruktur, also auch keinen Egoismus! Die ADS-Kinder und Kinder überhaupt, beginnen ihr irdisches Bewusstseinsleben im G-Feld. Jede Mutter weiss aus Erfahrung, dass sich zwischen ihr und dem Säugling ein Bewusstseinsfeld aufbaut, das sie mit ihrem Kind auch auf Distanz verbindet. In diesem Feld geschieht das meiste wortlos. Die ADS-Kinder bleiben in diesem Feld, auch wenn sie älter geworden sind. Sie sind die Vorkämpfer der postbiologischen Evolution. Nun besteht die Aufgabe unserer Zeit darin, das Feld- und das Leibbewusstsein ins Gleichgewicht zu bringen. Sowohl die ADS-Kinder als auch die Gesellschaft leben im Ungleichgewicht. 48


Die ADS-Kinder leben zu stark in den Feldern und haben zu wenig Bewusstsein von ihrem Leib. Sie sind oft auch feinmotorisch ungeschickt, vergessen für sie unwichtige Details und wollen nicht üben, d.h. sie wollen ihre leibzentrierten Prozesse nicht ins Hirn «einprägen». Die Gesellschaft verlangt genau das Gegenteil: Auswendiglernen von toten Begriffen und üben, üben, üben. Unserer Gesellschaft fehlt das Feldbewusstsein der übermateriellen Sphäre der Seele und des Geistes. Jedoch taucht als Zerrbild des übermateriellen Feldbewusstseins das Bewusstsein der untermateriellen Felder immer mehr auf. Elektromagnetische Wellen und radioaktive Strahlung durchdringen immer mehr Lebensbereiche. Mit Handys, Internet, TV und Radio, die alle in den untermateriellen Feldern miteinander verbunden sind, vernetzen wir uns weltweit. Auf der untermateriellen Ebene gelingt uns mit Hilfe der Technik dasjenige, was wir mit innerer Anstrengung, durch Aufwachen, in den G-Feldern erreichen sollten. Der Übergang vom Leib-Erleben zum Feld-Erleben geht heute automatisch vor sich. Die Frage ist nur: Welche Felder – im Wach- oder im Schlafzustand – erleben wir? Im Bewusstsein der Egostruktur können wir uns problemlos dank der Technik in sämtliche untermateriellen Felder einklinken. Von den V-Feldern werden wir auch im wachen Schlafzustand ergriffen und beeinflusst. Rassismus, Mobbing usw. sind Phänomene der unterbewussten V-Felder. Nur das G-Feld drängt sich nicht auf! Es muss in innerer Aktivität und Freiheit betreten werden.1 Die ADS-Kinder haben diese innere Aktivität schon mitgebracht. Wir haben die Pflicht, diese nicht erlahmen zu 1

Das bewusste Wirken aus der Gegenwärtigkeit des G-Felds im Materiellen ist eine freie Tat. In allen anderen Handlungen sind wir unfrei, da sie aus der Vergangenheitsstruktur des Seelischen und Körperlichen gesteuert sind. Aus der Vergangenheit kann nie eine freie Tat kommen.

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lassen. Wir müssen auch darauf achten, dass sie sich nicht ganz ins G-Feld zurückziehen, d.h. die für sie fremde Erde wieder verlassen wollen! Die Gesellschaft ist sich noch nicht bewusst geworden, dass das Verharren im Leibbewusstsein, in der Materie in Zukunft nicht mehr möglich ist. Wir haben nur noch die Wahl aufzuwachen und unser Leben menschlich zu gestalten oder weiterzuschlafen und Spielball der für uns dann unterbewussten unmenschlich wirkenden Strukturen zu werden. Die Zukunft hat schon begonnen. Die Menschheit ist potenziell erwachsen geworden! 2

Erwachsen sein – erwacht-sein.

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Die formlosen «Strukturen der Individualität», der Geist-Seele, sind ihre individuellen Fähigkeiten, die sie sich im irdischen Leben als Persönlichkeit erworben und verinnerlicht hat. Unsere Individualität lebt im Gegenwartsfeld und lässt heute ihre Wirkungen in unsere Persönlichkeit, die im Vergangenheitsfeld lebt, stärker einfliessen. Denn Fähigkeiten im Gegenwartsfeld sind die Potenziale, die zur Strukturbildung im Vergangenheitsfeld nötig sind. An dieser Stelle lässt sich auch eine Brücke zu einer europäischen Wiedergeburtslehre schlagen.


Wie kommt man ins G-Feld? Sämtliche Übungen, die nun erklärt werden, können nur aus innerer Freiheit gemacht werden. Bin ich dazu bereit, habe ich schon den aller ersten Schritt ins G-Feld getan. Am besten geht man die Übungen das erste Mal theoretisch, mit allen Erklärungen durch und übt sie danach ohne die Erklärungen zu beachten. Im G-Feld habe ich keine äusseren Stützen durch den Leib oder meine Vergangenheitsstrukturen meiner Seele. Ich bin nur solange dort, wie ich in innerer Aktivität bleibe. Niemand zwingt mich im G-Feld zu bleiben. Sobald ich schläfrig werde, passiv werde, verlasse ich automatisch das G-Feld und lande im V-Feld der Egostruktur. Ich muss vom Konsumenten, der gestützt durch seine Egostruktur und seinen Leib, die Welt konsumieren kann zum Produzenten meines Bewusstseins im G-Feld werden. Ich bin nur so lange aufmerksam, solange ich dazu meinen Willen aufbringe. Ich darf mich nicht ärgern, wenn ich in meiner Egostruktur lande. Ins G-Feld kann ich durch meinen seelischen Innenraum gelangen oder durch die Sinneswahrnehmung in der Aussenwelt. Das G-Feld ist innen und aussen, also überall!

Aufmerksamkeit ist der Schlüssel zum G-Feld.

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1. Übung Ich sitze auf einem Stuhl und beobachte mein Innenleben. Die grössten Ablenkungen kommen durch meine Sinnesorgane in meinen Seelenraum. Ich höre Geräusche, ich sehe Bilder, ich fühle die Wärme, die Härte des Stuhls, auf dem ich sitze. Ich versuche hellwach zu unterscheiden, was mich von aussen tangiert und was meine eigene Wachheit ist. Nun beobachte ich in gleicher Weise meine Atmung, mein Hungergefühl, meinen Puls. Ich versuche zu unterscheiden, was ohne mein Zutun auf mich einwirkt und was meine Aufmerksamkeit ist. Ich habe jetzt die Einflüsse der materiellen Welt beobachtet und bin mir klar geworden, dass meine Aufmerksamkeit nicht die materielle Welt sein kann. Nun gehe ich zur Beobachtung meines Seelenlebens, meiner Egostruktur über. Ich beobachte, wie Emotionen aufsteigen und wieder untertauchen, wie Gedanken automatisch ablaufen, wie Erinnerungsbilder auftauchen. Ich stelle fest, dass meine Aufmerksamkeit die Vergangenheitsstrukturen wie Emotionen, Gedanken und Erinnerungsbilder, beobachten kann. Ich bin also die Aufmerksamkeit, nicht die Vergangenheitsstrukturen. Ich bin nicht die Emotion. Die Emotion will mich im Bewusstsein abdämpfen und mich mitreissen. Ich stelle fest, dass ich auch in meinem seelischen Innenraum ein Aussen und ein Innen habe. Emotionen und Gedankenfetzen kommen von aussen, berühren mich und gehen wieder. Nun greife ich in das Geschehen ein. Ich stelle mir ein Bild vor, das ich in den letzten Ferien gesehen habe, zum Beispiel ein Gebäude. Durch meine innere Aktivität taucht das Bild mehr oder weniger deutlich auf. Ich beobachte, dass ich mit meiner inneren Aktivität das Bild zur Erscheinung gebracht habe und in meinem seelischen Aussenraum betrachten 52


kann. Das letzte Mal habe ich das Bild mit meinen Augen gesehen. Zur ersten Entstehung des Bilds sind materielle Prozesse nötig. Beim Erinnerungsbild betrachte ich immaterielle Bildstrukturen im V-Feld, die vom materiellen Leib geprägt wurden. Meine Aufmerksamkeit war beim Sehen des materiellen Gebäudes dabei, sie war wieder nötig, um das nichtmaterielle Erinnerungsbild des Gebäudes in den Vergangenheitsfeldern zu sehen. Meine Aufmerksamkeit existiert im GFeld. Wenn ich nun mit Bewusstsein im G-Feld wahrnehmen will, darf ich meine Aufmerksamkeit nicht mehr auf die Sinnesfelder des Leibes und die Vergangenheitsfelder der Egostruktur richten, sondern muss die Aufmerksamkeit auf mein gegenwärtiges Sein richten. Die Aufmerksamkeit wird auf sich selbst aufmerksam. Wenn ich meine Wachheit so steigern kann, dass ich nicht mehr durch die Sinnesreize und Automatismen der Egostruktur abgelenkt werde, lebe ich in der gegenwärtigen Aktivität meines Geistes. Ich bin aktiv im G-Feld. Diese aktive, innere Ruhe des Seins ist das erste Erlebnis des eigenen Geistes. Es existiert nur so lange, solange ich hellwach und aufmerksam bin. Zusammenfassung Ich richte zuerst meine Aufmerksamkeit auf alle äusseren Reize aus der Sinneswelt und aus der Innenwelt. Ich werde mir bewusst, dass ich mit diesen Reizen nicht identisch bin. Ich erlebe, dass ich die Aufmerksamkeit bin. Nun richte ich meine Aufmerksamkeit auf meine Aufmerksamkeit, auf mich selbst! Keine äusseren Strukturen lenken mich ab. Es wird still in mir. Ich erlebe das hochaktive «Nichts», das die Fülle meines Wesens, meiner unstrukturierten Potenziale in sich hat.

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2. Übung Ich beginne im Materiefeld, bei der Wahrnehmung durch die Sinne. Ich betrachte eine dreieckige, weiss rote Verkehrstafel («kein Vortritt») aus Aluminium. Nun stelle ich mir die Tafel vor. Ich sehe im V-Feld meiner Erinnerungsstrukturen die dreieckige Tafel, die rote und weisse Farbe, die Dicke der Tafel, das Dreieck, das auf dem Kopf steht und vieles mehr. Das genaue Betrachten dieser materiellen Eigenschaften wie Dicke, Farbe, Grösse, Stellung im Raum (Dreieck auf der Spitze stehend) ist dank der Stütze durch die V-Felder relativ leicht. Fast automatisch erhalten wir durch unsere Gehirn- und Feldstrukturen ein inneres Bild der Verkehrstafel. Wir sind nicht mehr im Feld der Materie, aber noch lange nicht im G-Feld. Diese Aussage ist jedoch nicht genau. Die erhöhte Aufmerksamkeit, die nötig ist, das Vorstellungsbild im V-Feld zu beobachten, ist schon unsere im G-Feld lebende Aktivität. Sie ist aber ausschliesslich auf das Beobachten des Erinnerungsbildes in den unteren Feldern gerichtet. Nun reduziere ich schrittweise die Eigenschaften aus der materiellen Welt. Die Tafel verliert die Farbe, ihre Dicke, die Qualität des Aluminiummetalls. Ich verändere nun die Grösse. Ich lasse die Tafel schrumpfen, dehne sie so aus, dass sie grösser als mein Leib wird. Ich sitze im Dreieck. In der Vorstellung ist dies möglich, da meine Seelenstrukturen grösser als mein Leib sind. Sie sind ja im V-Feld! Nun lasse ich das Dreieck – mehr ist die Tafel nicht mehr – rotieren und verändere dabei seine Grösse. Ich kann mich nun auch an keine Raumstrukturen innerlich halten. Wenn meine Aufmerksamkeit erschlafft, verliere ich sofort alles und muss wieder neu beginnen. Höchste Aufmerksamkeit ist nun nötig, da ich alle Strukturen der unteren Feld54


er bewusst aufgelöst habe. Ich habe nur noch den Begriff Dreieck vor mir. Doch diese Formulierung ist im G-Feld, in dem ich mich nun mit meiner Wahrnehmung befinde, nicht möglich. In diesem Feld gibt es keine Objekte, die von meinem Subjekt angeschaut werden können. Durch meine Denkaktivität, die auch meine Aktivität zur Wahrnehmung des Begriffs Dreieck ist, ermögliche ich die Erscheinung des Begriffs Dreieck. Ich bin der Begriff geworden und doch mich selbst geblieben. Ich bin ein Denkwillens-Wesen, das die Möglichkeit hat, sich in alle Gedankenformen zu verwandeln. Ich lebe im Willensstrom, der Quell jedes Gedankens ist. Ich lebe im Strom, der noch nicht mit Hilfe des Gehirns zu Gedankenstrukturen auskristallisiert ist. Ich lebe im Gedankenstrom, der die Ursache des Hirndenkens ist. Mit den gedachten Gedanken kann ich diesen Quell nicht denken. Der Quell existiert in der Gegenwart. Wie schon erwähnt kann die Vergangenheit (die gedachten Denkstrukturen) die Gegenwart (den unstrukturierten Gedanken-Willensstrom) nicht beobachten.1 Zusammenfassung Ich gehe von einer Sinneswahrnehmung aus und stelle mir den Gegenstand möglichst genau vor. Ich reduziere den Gegenstand um alle sinnlich sichtbaren Eigenschaften wie Farbe, Material, Grösse, Gewicht, Lage im Raum. Es bleibt der nichtmaterielle Anteil des Gegenstands, sein Begriff, zurück. Diesen Begriff muss ich mit höchster Aktivität im G-Feld bilden, ja ich muss dieser Begriff werden, um seine Realität im G-Feld wahrnehmen zu können. So erlebe ich mich als aktives Gedankenwesen. Das Nichts der ersten Übung ist schon konkreter geworden. 1

Dadurch entstehen die Erkenntnisgrenzen von Kant.

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3. Übung Einleitung

Durch die beiden Übungen, die wir kennen gelernt haben und in vielen eigenen Variationen üben können, haben wir uns die Grundlage geschaffen, auch die Sinneswahrnehmungen anders zu erleben. Die Grundlage ist die Fähigkeit aus der inneren Stille, mit dem hellwachen, hochaktiven Bewusstsein ohne äussere und innere Ablenkung etwas gegenwärtig wahr zu nehmen. Wenn wir mit den Sinnen – Prozessen im Materiefeld – Objekte beobachten, haben wir auch beim sinnlichen Wahrnehmen das Zusammenwirken zweier Feldprozesse zu berücksichtigen. Das G-Feld, das Begriffsfeld, durchdringt die Objekte, die ja auch als Prozesse im Materiefeld aufgefasst werden können. Ebenso durchdringt das V-Feld das Materie-Feld. Beim Wahrnehmen im schlafenden Alltagswachbewusstsein verbinde ich meine Vorstellungsbilder (die in meiner Egostruktur verankert sind und diese auch aufbauen) mit den Objekten im Materiefeld. Erst durch das Zusammenwirken beider Vergangenheitsstrukturen (V-Feld-Vorstellungen und Materiefeldstrukturen) ergibt sich ein mir sichtbares Objekt. Wenn ich keine Vorstellung eines Objekts in mir habe, sehe ich das Objekt nicht oder nur unvollständig. Beispiele: Wenn ich keine Vorstellung vom Sternbild des grossen Bären in meiner Vergangenheitsstruktur habe, sehe ich nur Sterne. Wenn ich keine Vorstellung der Marke Ford habe, sehe ich nur ein Auto, keinen Ford. Wenn ich keine Vorstellung von Gotik habe, sehe ich nur eine Kirche, keine gotische Kathedrale. Wenn ich aus der Sicht eines Adlers keine Vorstellung von Kirche habe, sehe ich nur einen Felsen, der sich als Nistplatz eignen würde, keine Kirche. 56


Übung

Zuerst begebe ich mich in die Stille der ersten Übung. Nun beobachte ich eine Blume mit voller Hingabe so lange wie möglich. Was sehe ich nun?

Beobachtungen

Ich durchdringe das Objekt Blume nicht wie üblich mit meiner Vergangenheitsvorstellung der Blume, sondern mit dem im G-Feld lebendigen, gegenwärtigen Begriff der Blume. Meine Wahrnehmung wird wie neu sein. Die Farben werden leuchtender, die Blume sagt mir etwas, was ich noch nie gesehen habe. Ihre Formen werden zu sprechenden Gesten. Da ich im G-Feld bin, fühle ich mich auch in der Blume. Ich bin eins mit ihrem Wesen, mit ihrem Begriff, geworden. Ich habe mich mit ihrem ewigen Teil2, der nicht verwelkt, verbunden. Diese Wahrnehmung dauert nur so lange, wie ich aktiv meinen hellwachen Bewusstseinszustand aufrechterhalten kann. Beim Absturz ins Alltagsbewusstsein sehe ich wieder meine «Alltagsblume», wie ich sie schon tausendmal gesehen habe. Gelingt die Übung nicht, muss man die ersten zwei Übungen vertiefen, um nicht beim Wahrnehmen zu stark von allen Reizen abgelenkt zu werden und in den alten Vorstellungen «kleben» zu bleiben. Zusammenfassung Wenn ich mit der inneren, hochaktiven Stille der ersten Übungen ein Objekt beobachte, erfasse ich das Objekt in seiner Wirklichkeit. Ich sehe das erste Mal, das in allen Objekten wirkende G-Feld. Das Objekt wirkt wie neu. Frische Farben leuchten mir entgegen. Ich bin im Feld mit dem Objekt vereint. Ganz andere, tiefe Gefühle werden in mir aktiviert. 2

Goethes Urpflanze

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Was ist im Nichts? Durch die Übungen habe ich ein Bewusstsein von meiner im G-Feld existierenden Geist-Seele erhalten. Ich habe aus der Perspektive der Gegenwart in meine Vergangenheitsstrukturen oder in die Vergangenheitsstrukturen der Sinneswelt geblickt. Ich habe in meinen Seelenleib oder auf Objekte der Aussenwelt geblickt. Will ich nun zu Beobachtungen im G-Feld kommen, muss mir bewusst sein, dass es in diesem Feld keine Objekte geben kann, die Vergangenheitsstrukturen aufweisen. Für mein Alltagsbewusstsein bin ich im Nichts. Es gibt auch keine Sinnesorgane, die mich bei der Wahrnehmung unterstützen. Die Wahrnehmung muss eine produzierende, aktive Wahrnehmung sein. Ich nehme nur wahr, solange ich aktiv bin. Was mir erscheinen kann, sind Gegenwartsaktivitäten anderer Gegenwartswesen, die mir ähnlich sind. Letztlich existieren im G-Feld nur die Geist-Seelen der andern Menschen oder mir ähnliche, schöpferische IchWesen, die noch nicht, nicht mehr oder nie in die Vergangenheitsstrukturen der Seelen- und Materiefelder gefallen sind. In der zweiten Übung habe ich erlebt, dass ich im G-Feld Gedanken durch innere Aktivität wahrnehmen kann, die noch nicht materiell tangiert sind. Diese Gedanken sind die Begriffe oder ewigen Ideen Platos. Ein Bereich des G-Felds ist deshalb ein immaterielles, überphysisches Begriffs- oder Ideenfeld. Durch aktives Denken, nicht zu verwechseln mit der Beobachtung der Gedankenstrukturen, komme ich ins G-Feld und erlebe mich gestaltend im Ideennetz, das die Welt durchdringt. Die Aktivitätswesen, die ich durch eigene Aktivität wahr58


nehmen kann, offenbaren sich in einer ersten Stufe als lebendige, gegenwärtige Gedanken. Dieses Denken ist Hirn unabhängig. Die gedachten Gedanken – die Gedankenstrukturen – sind die toten Produkte meiner vom G-Feld aus angeregten Hirntätigkeit.

Im Sprung über den Abgrund, über das Nichts, wechsle ich von der Vergangenheit in die Gegenwart.

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Die biologische Evolution Die Natur und die V-Felder entwickelten sich in der biologischen Evolutionsstufe der Menschheit ohne Bewusstsein des Einzelnen durch die Gemeinschaft in den Sippen, Völkern und Rassen. Diese leiblichen und seelischen Strukturen wurden auch vererbt und sind heute noch vorhanden. Die Individualität des Menschen war im G-Feld noch nicht so ausgeprägt wie heute. Die individuelle Entfaltung des Einzelnen war noch nicht möglich. Der Einzelne lebte als Glied seiner Familie, Sippe, seines Volks und seiner Rasse. Wichtig war die Entwicklung der Gruppenstrukturen. Die wenigen, die schon eine individuelle Geist-Seele im G-Feld ausgebildet hatten, waren die Priester und Könige, die ihre Stammesgemeinschaften führten. Diese waren schon fähig, ein individuelles Bewusstsein im G-Feld zu erreichen und waren dadurch fähig, ihrem Volk sinnvolle Strukturen zu geben, die in den V-Feldern der Menschen weiterlebten. Mit anderen Worten wirkten vor allem die Gruppenstrukturen der Vergangenheitsfelder. Die Einbindung der Stämme in eine rituelle Gliederung des Jahres, das Leben nach religiösen Vorschriften und alles, was aus der Tradition der alten Kulturen bekannt ist, dienten dazu, die V-Felder so zu strukturieren, dass die Gemeinschaft sich entwickeln konnte. Der Einzelne störte durch sein Verhalten selten. Der Sohn des Bauern wurde selbstverständlich auch Bauer, die Frau hatte ihre klar umrissenen Aufgaben. Da die Menschen in den V-Feldern ihres Volkes miteinander verbunden lebten, konnten sie problemlos geführt werden. Der einzelne Mensch lebte, geführt durch seinen König, 60


der ein Bewusstsein des G-Felds hatte. In den täglichen Abläufen war er geführt von seinen V-Feldstrukturen, die gleichzeitig auch die Strukturen seines Volks, seiner Sippe, seiner Familie waren. Seine individuelle Geist-Seele war noch nicht aufgewacht und forderte noch keine individuellen Wege für sich. Sein G-Feld durchdrang seine V-Feldstruktur noch kaum. Die Durchdringung des V-Feldes mit dem G-Feld begann erst zu Beginn der Neuzeit. Die grossen Entdecker und Erfinder (Kolumbus, Galilei, Leonardo da Vinci usw.) waren die Ersten, die nicht mehr blind ihren vorgegebenen Denkstrukturen und Handlungsstrukturen folgten. Sie ergriffen ihr Leben als Individuen, die vieles neu dachten und gegen den Widerstand ihrer Zeit, unabhängig von Papst und Kaiser, ihre Ideen umsetzten.

Die biologische Evolution ist die Kindheitsstufe der Menschheit.

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Die postbiologische Evolution Wie schon erwähnt, entwickelt sich in der postbiologischen Evolution nichts mehr automatisch weiter. Der Mensch kann aus eigener Aktivität die Evolution des Bewusstseins weitertreiben. Auf Grund der Erkenntnisse seines Gegenwartsbewusstseins, könnte er das Zusammenleben der Menschen auf der Erde neu gestalten. Heute will die Mehrheit der Menschen ihr Leben individuell gestalten und ist nicht mehr bereit, einem Führer zu folgen. Dies ist auch ein Zeichen, dass die postbiologische Evolution schon begonnen hat. Die Zeit der Möglichkeit individuell frei zu handeln, ist angebrochen. Die alten Strukturen prägen jedoch das Leben weiterhin mit grosser Kraft. So kann man sich auch das Phänomen des Führerkults in der Politik und in diversen Sekten erklären. Wenn etwas nicht mehr zeitgemäss ist, wirkt es zerstörerisch. Die letzten hundert Jahre zeigten dies deutlich! In die Sprache der Felder übersetzt, sind wir heute in der folgenden Lage: Im G-Feld wachen immer mehr Menschen in ihrer individuellen Geist-Seele auf und wollen ihre VFeldstrukturen individuell ergreifen. Nicht mehr das von der biologischen Evolution und der Gesellschaft programmierte Vergangenheitsfeld soll das Leben bestimmen, sondern die aufgewachte, individuelle Geist-Seele möchte ihre eigenen Ziele auf der Erde erreichen. Da dieser Aufwachprozess seit etwa hundert Jahren von den meisten verschlafen wurde, fühlen sich die Menschen in ihren Vergangenheitsstrukturen unwohl. Sie erleben sich in den alten Strukturen unbewusst hilflos gefangen, spüren im Überbewusstsein ihrer Geist-Seele Hoffnungslosigkeit, da sie ihrem Leben keinen tieferen Sinn geben können. Die 62


Folgen sind oft Suizid oder lange depressive Phasen. Diese treten zunehmend bei Jugendlichen auf. Die Probleme der heutigen Zeit spitzen sich zusätzlich zu, da die Strukturen in den Vergangenheitsfeldern von der Gesellschaft und in den Familien nicht mehr weiterentwickelt und -gepflegt werden. Das Bewusstsein für klare Strukturen wie Jahresfeste, Essensrhythmen, moralische Strukturen und vieles mehr ist verschwunden. Das individuelle Bewusstsein, das sich aus dem G-Feld neue zeitgemässe Strukturen geben könnte, ist noch nicht Allgemeingut geworden. In dieser Lage wächst die Sehnsucht nach den alten, klar strukturierten Zeiten. Der Fundamentalismus in allen Spielarten nimmt deshalb weltweit zu. Überall, wo ermöglicht wird, dass das individuelle Bewusstsein aus dem G-Feld zur Wirkung in den V-Feldern kommen kann, verhält man sich zeitgemäss, d.h. man nimmt die Entwicklungsmöglichkeiten in der Zeit der postbiologischen Evolution ernst.

Der Beginn der postbiologischen Evolution ist das Verlassen der Kindheitsstufe der Menschheit.

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Die Felder bei den ADS-Kindern Da die ADS-Kinder durch ihr Wesen Vorkämpfer der postbiologischen Zeit sind, zeigen sich bei ihnen die Gesetze der postbiologischen Evolution noch viel deutlicher als bei den noch schlafenden Normalbürgern. Die Trennung der verschiedenen Felder geht bei ihnen noch viel leichter vor sich. Im Feinen können wir alle Phänomene, die nun geschildert werden, auch bei uns selbst – auch wenn wir keine ADSMenschen sind – beobachten. Können ADS-Kinder in einer Umgebung aufwachsen, die ihrem Bewusstseinszustand entspricht, wird ihr V-Feld von ihrem G-Feld durchdrungen. Ihr individueller Geist dirigiert die von ihm und der Umwelt geprägten Strukturen. Das ADS-Kind ist ein hellwaches, liebenswürdiges Geschöpf, das mit grosser Hingabe seine Projekte verwirklichen will. Es macht keine Kompromisse mit der Wahrheit. Es befolgt nur Regeln, die Sinn machen. Das Kind weigert sich etwas zu tun, weil man es so macht, weil es für den Erfolg im Beruf wichtig ist, weil man mit Halbwahrheiten besser durchs Leben kommt, weil die Nachbarn oder die Lehrer es so wollen. Es lässt sich nicht mit starren Lehrmethoden und veralteten Lehrplänen unterrichten. Diese andere Art Schwerpunkte zu setzen und ohne Rücksicht auf die Strukturen des alten Denkens zu handeln, ist für die Mitmenschen – sofern sie noch von den alten Strukturen geprägt sind – äusserst schwierig. Diese Schwierigkeiten sind nicht den ADS-Kindern anzulasten. Sie sollten uns dazu bringen, selbst aufzuwachen und nach Wegen zu suchen, die für uns und die Kinder möglich sind. Ein ganz anderes Bild zeigt sich, wenn das ADS-Kind ermüdet ist, durch zu grosse Sinnesreize überfordert wird, durch seine eigenen hohen Ansprüche frustriert oder durch 64


unmenschliche Forderungen geschockt wird. Nur ein Faktor genügt, dass es sich aus dem V-Feld zurückzieht. So durchdringt sein G-Feld den Seelen-Leib und Leib nicht mehr. Das V-Feld kommt nun ohne Korrektur durch das G-Feld zum Vorschein. Nun steht uns nicht mehr das sympathische, bewegliche, hoch moralische Wesen gegenüber. Ganz im Gegenteil können wir nun ein Kind erleben, das uns mit den gröbsten Ausdrücken beschimpft, das primitivste Verhaltensweisen seines Umfelds zeigt, das uns bedroht, das uns raffiniert mit unseren eigenen Waffen schlägt. In diesem Zustand kann das ADS-Kind auch zum ADHS-Kind mutieren. Es wird hyperaktiv und ist nicht mehr zu halten. Was liegt nun vor? Die Individualität des Kindes, die wir im ersten Zustand sehr schätzen, hat sich zurückgezogen. Das Negative, das wir nun erleben, ist der negative Spiegel unserer Gesellschaft, der Schule oder der Familie. Dieses Verhalten ist für die Umgebung äusserst schmerzhaft, da es uns einen Spiegel unserer ins Negative gerutschten Vergangenheitsstrukturen vorhält. Dieses Verhalten können wir nachhaltig nur verbessern, wenn es uns gelingt, die Kinder so zu erziehen, dass sie sich nicht aus den oben genannten Gründen in ihr Umkreisbewusstsein «zurückziehen» müssen. Ein anderer Weg wäre, unsere Vergangenheitsstrukturen so zu ändern, dass sie erträglich werden, wenn sie uns von den ADS-Kindern gespiegelt werden. In der Praxis wird es sich darum handeln, eine sinnvolle Kombination beider Wege anzustreben. Die dritte Möglichkeit, diese Kinder mit Medikamenten ruhig zu stellen und unser gewohntes Leben im wachen Schlafzustand weiter zu führen, ist sicher der bequemste Weg, bringt uns und die Gesellschaft jedoch nicht weiter, sondern immer näher an den Abgrund. 65


Mit Drogen ins G-Feld? Zum hundertsten Geburtstag Albert Hofmanns, dem Erfinder von LSD, wird das Thema der Bewusstseinserweiterung durch Drogen wieder aktuell. LSD soll den modernen Menschen den Weg in die ausserkörperlichen Felder ermöglichen. Führt dieser Weg auch ins G-Feld und kann LSD die innere Arbeit zur Aufmerksamkeitssteigerung ersetzen? Um Klarheit zu bekommen, ob ich mich nach der Einnahme von Drogen im G-Feld befinde, muss ich mir folgende Frage stellen: Kann ich jederzeit in Freiheit den neuen Bewusstseinszustand verlassen und ins Alltagsbewusstsein zurückkehren? Wie unzählige Studien belegen, ist dies nicht möglich. Auch Albert Hofmann konnte seine Trips nicht jederzeit beenden. Es ist ja die Wirkung der Droge, die eine Bewusstseinsveränderung ohne Eigenaktivität des Konsumenten herbeiführt. Die Länge des Aufenthalts im neuen Bewusstsein wird von der Dosis bestimmt. Materieprozesse ersetzen die eigene geistige Aktivität. Die Droge bringt mich noch tiefer in die leibabhängigen Vergangenheitsfelder! Dies gilt auch für Bewusstseinsänderungen durch technische Manipulationen (TV, Computerspiele, Meditationselektronik und viele Neuerfindungen). Die Technik arbeitet in den untermateriellen V-minusFeldern. Das Bewusstsein wird in ihnen in noch tiefere Schlafzustände geführt, die Manipulation des Menschen wird noch undurchschaubarer und grösser!

Freies Ergreifen des Seelischen oder Zwang im Seelischen?

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Wie wirkt Ritalin? Ritalin und ähnliche Produkte sind von der Substanz her kokainähnliche Drogen. Da diese Produkte chemische Substanzen sind, wirken sie über das Materiefeld ins V-Feld. Beim Normalbürger wirken sie aufputschend, aktivierend, die Wachheit im Körperbewusstsein fördernd. Sie erzeugen in den Vergangenheitsfeldern der Seele und des Leibes das Zerrbild der Wirkung des G-Feldes. Folgendes Beispiel soll die Wirkung des G-Feldes im SeelenLeib und Leib erklären: Wenn ich ohne Droge mit meiner Geist-Seele durch waches Interesse, durch grosse Aufmerksamkeit an einer bestimmten Tätigkeit, meinen Seelen-Leib und meinen Leib durchdringe und ergreife, kann ich meine Müdigkeit überwinden, bleibe weiterhin leistungsfähig und drifte nicht in schlafähnliche Zustände ab, in denen nur noch meine Vergangenheitsstrukturen dominieren. Der Sprachgenius spricht nicht zufällig von der Be-geist-erung. Begeisterung, Freude an der Tätigkeit, Aktivität, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, haben ohne Drogeneinwirkung einen ähnlichen Effekt wie die Drogen. Einen Effekt, der aber selbst gesteuert und nicht süchtig machend ist. Ein Effekt, der den Körper nicht schädigt. Drogen «ent-geist-ern» und setzen ihre Wirkung an Stelle des individuellen Geistes. Nicht umsonst spricht man vom Weingeist im Wein. Die Wirkung des Weingeistes ist allen bekannt. Das ADS-Kind durchdringt sein Materie-Feld und sein VFeld nicht so intensiv mit seinem G-Feld wie wir. Besonders im Zustand, der für die Umwelt und das Kind problematisch wird, meistens, wenn es ermüdet ist, löst sich das GFeld aus den Leibesfeldern. Es kann aus eigener Kraft das 67


labile Gleichgewicht der Felddurchdringungen, die für ein menschliches Verhalten nötig sind, nicht mehr aufrechterhalten. Falls nun eine andere vom ADS-Kind geliebte Individualität die Aufmerksamkeit des Kindes wieder in den Seelen-Leib und die Sinnesbezirke führen kann, stabilisiert sich das Verhalten des Kindes wieder. Ist niemand anwesend, der diese menschliche Stütze geben will, kann durch Ritalin eine Pseudostütze gegeben werden. Das ADS-Kind wird durch die starke Einwirkung der Droge nicht aufgeputscht, sondern in seinen Leibstrukturen besser verankert. Sein Leib-Seelengefüge braucht im Vergleich mit Menschen, in denen die postbiologische Konstitution noch nicht so ausgeprägt ist, die starke Pseudostütze durch die Droge, um ohne Eingreifen der eigenen Geist-Seele konventionell «funktionieren» zu können. Die Droge hält die stets schnell auseinander driftenden Strukturen zusammen. Viele Eltern erleben ihr Kind nach der Medikamenteinnahme depressiv oder seelenlos. Sie erleben, dass nicht die Individualität des Kindes zurückgekehrt ist, sondern die Wirkung der Droge. Die Frage, die sich jeder Betroffene selbst beantworten muss, ist folgende: Ist es für das Kind und die Betroffenen besser, den Ausbruch der Vergangenheitsstrukturen zu erleiden oder ist das Medikament im Sinne einer Notfallmassnahme einzusetzen? Klar ist sicherlich, dass das Medikament keine Dauerlösung sein sollte. Wenn wir unsere Familien- und Schulstrukturen nicht ändern wollen, bleibt uns jedoch nur noch die Variante Ritalin und das Wegsperren der Kinder in Extremsituationen.

Die Kraft des Individuums oder die Kraft der Substanz?

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Das schwierige Leben von ADS-Kindern Wenn die ADS-Kinder im Zustand der körperzentrierten Präsenz leben, sind sie gleichzeitig auch im Umkreis, im G-Feld bewusst. In dieser für sie gesunden und normalen Phase überfordern sie ihre Mitmenschen oft mit ihrer Kreativität, mit ihrer Ehrlichkeit und mit ihrer Klarsicht für die Seelenstrukturen der anderen. Die Lehrer sind überfordert, weil sich diese Kinder oft weigern, wenn sie üben sollten. Ausserdem lösen sie die Aufgaben auf ihre oft geniale Art, welche die Lehrer oft im ersten Nachdenken nicht nachvollziehen können. Prüft man sie auf das vom Lehrplan geforderte Wissen, versagen sie meistens. Hört man ihnen zu, was sie sich selbst angeeignet haben, staunt man oft. Es gibt kleine Ingenieure, Biologen, Physiker usw. unter ihnen. Sie lassen sich nicht in ein von der Gesellschaft gefordertes Schema einordnen. Mit Druck, also auch Leistungsdruck, erreicht man selten sein Ziel. Die ADS-Kinder sehen nicht ein, weshalb sie Vergangenheitsstrukturen in ihrem Vergangenheitsfeld einschleifen sollten. Sie leben ja in der schöpferischen Gegenwart des G-Felds. Sie können deshalb nicht nachvollziehen, dass Wissen (Vergangenheitsstrukturen) und Übungsabläufe wichtig sind, um in der Zukunft einen Beruf zu erlernen. Sie leben mit dem unbewussten Gefühl, dass ihre Fähigkeit, gegenwärtig zu sein, ihnen helfen wird, die Probleme in der Zukunft zu lösen. Auf die Aufforderung des Lehrers, das Kind solle rechnen üben, damit es einmal eine Berufslehre beginnen könne, antwortete ein zehnjähriges ADS-Kind: «Ich muss keinen Beruf erlernen, in der Zukunft werde ich meine Ideen verkaufen!»

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Wie die Eltern durch die grossen Begabungen ihres Kindes überfordert werden, wird im Film «Vitus» von Fredi Murer (2006) exemplarisch gezeigt. Da im G-Feld keine Vergangenheitsstrukturen, sondern Fähigkeitspotenziale, freies lebendiges Denken, Aufmerksamkeitskräfte und Sympathiekräfte das Geschehen bestimmen, lehnen die Kinder alle Arten von Zwang und Fremdbestimmung extrem ab. Lieblose kalte Logik, Stress, Forderungen, die für sie keinen Sinn machen und Anweisungen von schlafenden Zeitgenossen schnüren ihnen den Atem ab und lassen sie störrisch werden. Wenn der Erwachsene in einer stressfreien, liebevollen Stimmung dem Kind hilft, seine Aufgabe zu erledigen, wird das Kind problemlos mitarbeiten. Da diese Kinder unsere Seelenstrukturen mit einem erkennenden Fühlen abtasten, sind sie erst dann bereit, unsere Anweisungen zu befolgen, wenn sie an uns erleben, dass wir eine innere Bereitschaft zeigen, uns selbst auch zu ändern. Die Kinder erwarten nicht, dass wir perfekt werden, sie erwarten nur unsere Bereitschaft, uns zu wandeln oder mit anderen Worten, unsere Bereitschaft aufzuwachen. Ihre Ehrlichkeit wird oft als Taktlosigkeit oder Frechheit empfunden. Die Negativreaktionen der Betroffenen sind für die ADS-Kinder schmerzhaft. Sie können nicht verstehen, weshalb die anderen so reagieren, wenn sie doch nur die Wahrheit sagen. Versuchen Therapeuten diese Kinder zu heilen, verweigern sie die Therapie oft. Diese Kinder müssen eigentlich erst dann therapiert werden, wenn sie durch jahrelange Fehlreaktionen ihrer Umwelt wirklich krank geworden sind. Die ADS-Kinder werden oft in die Isolation getrieben und es besteht die Gefahr, dass sie sich unverstanden fühlen und zu Einzelgängern werden. Andererseits gibt es auch Kinder, 70


die sich allein sehr gut fühlen, da sie ja in den Feldern ohnehin mit den andern verbunden sind. So fühlte sich ein ADS-Kind, das in der Klasse nicht mehr unterrichtet werden konnte, im Einzelunterricht nicht einsam. Es genügte ihm, seine Klasse einige Minuten zu Beginn des Einzelunterrichts zu sehen. Der Kontakt mit den Kindern der Klasse bestand für das ADS-Kind auch im Einzelunterricht weiter. Das Kind fühlte sich nicht ausgeschlossen oder isoliert, da es im Feld mit seinen Klassenkameraden verbunden war. Da die Körpersysteme der ADS-Kinder durch die Gegenwärtigkeit des G-Feldes anders reagieren, wird das Verständnis für unsere Wahrnehmung der Welt für sie noch schwieriger. Ihre Nerven, Sinne, Atmung, Herz und Verdauung reagieren anders. Ihre Wahrnehmung entspricht nicht unserer «normalen» Wahrnehmung. Ihre Sinne sind viel feiner und empfindlicher. Ihr Denken und Fühlen ist komplexer und für uns oft unverständlich. In Stresssituationen flüchten sie ins Umkreisbewusstsein und überlassen ihre Leiber den V-Strukturen. Nun übernimmt der Autopilot das Ruder. Da der Autopilot von dem veralteten Programm der Vergangenheitsstrukturen und den Negativstrukturen der Umwelt gesteuert wird, beginnt das Leiden der ADS-Kinder sich zu potenzieren. Wenn sie wieder zu sich kommen, realisieren sie, was sie alles zerstört haben, wie sie gewirkt haben und fühlen sich schuldig und flüchten noch weiter in die Isolation. Auch die Eltern isolieren sich mit ihrem Kind immer mehr, da sie das Unverständnis der Bekannten und Verwandten fürchten. Wie es diese Kinder auch machen, es ist immer falsch. Leben sie ihre Begabungen aus, stören sie, zeigen sie uns unsere Schwächen, sind sie untragbar!

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Delta Dynamik: Das Umsetzen der Felderkenntnis Die Voraussetzung um Sicherheit im Erkennen der verschiedenen Felder zu bekommen, ist die Fähigkeit jedes Menschen, die seelisch-geistigen Vorgänge in der eigenen Seele beobachten zu können. Diese wichtige Fähigkeit ist das letzte Produkt der biologischen Evolution. Sie ermöglicht die postbiologische Evolution. Man kann diese Fähigkeit so schulen, dass man diese seelisch-geistigen Vorgänge mit naturwissenschaftlichen Methoden beobachtet (Steiner, 1992). Somit kann jeder geschulte Beobachter die Resultate nachvollziehen! Der Unterschied zu den Methoden der heutigen Wissenschaft besteht darin, dass man die Beobachtungen am Seelisch-Geistigen des Mitmenschen mit Liebe und Achtung durchführen sollte. Ausserdem sind die beobachteten Objekte immaterielle Strukturen von Feldern. Der Beobachter muss sich selbst aktivieren und seine subjektiven Einflüsse, die aus der Egostruktur kommen, ausschalten. Dieses bewusste Beobachten der Felder soll Delta Dynamik in den Feldern genannt werden. Der erste Schritt ist das Aufwachen in der obersten Seelenschicht der Vergangenheitsfelder – in der Schicht, die ans Gegenwartsfeld angrenzt. Aus dieser Perspektive kann man die eigene Vergangenheit, das Gedachte, das Gefühlte und das Gewollte beobachten. Dadurch bekommt man auch das Verständnis für die Vergangenheitsstrukturen der Mitmenschen. Man kann sehen, auf welcher Stufe der Mitmensch sich im Moment bewegt1. Fühlendes Erkennen in den Gegenwartsfeldern, das beim Beobachten des ADS-Kindes nötig ist, wenn es sich aus 1

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Siehe weiterführende Schrift «Das Deltagramm – Der Schlüssel zum Menschen»


dem leibzentrierten Bewusstsein zurückzieht, ist eine Fähigkeit, die eine viel grössere Aufmerksamkeit fordert. Alle Beobachtungen sind nur durch die innere Aktivität des Beobachters möglich. Die Wahrnehmung dauert nur so lange an, wie die Denkaktivität, der Denkwille, die helle Aufmerksamkeit des Beobachters anhält. Diese Aktivität ist die treibende Kraft der postbiologischen Evolution. Delta Dynamik ist keine neue Theorie. Grundlage der Delta Dynamik ist die Eigenaktivität und die Aufmerksamkeitssteigerung des interessierten Menschen. Alle Schriften, die zum Thema etwas beitragen wollen – auch diese Schrift – , sollen aus der wachen Gegenwärtigkeit des Lesers beobachtet und hinterfragt werden. Sich stützen auf Autoritäten und intellektuelles Kombinieren von Theorien – auch eine Form der biologischen Evolutionsstufe – sind heute im Bereich der Menschenerkenntnis nicht mehr zeitgemäss. Eigene Erkenntnisse durch vorurteillose, gegenwärtige Beobachtungen aus dem G-Feld sind die Alternative! Folgende Tipps sind als Hinweise für die eigene Beobachtung gedacht. Sie bilden die Grundlage für jede menschliche Pädagogik und Methodik.

Im G-Feld gibt es keinen Autopiloten!

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Tipps Tipp 1

Die Delta Dynamik ist eine Methode und kein Rezeptbuch! Wichtig ist die Schulung der eigenen Aufmerksamkeit und Flexibilität.

Tipp 2

Seien Sie aufmerksam auf die Phase, in der das Kind mit seiner Aufmerksamkeit das körperzentrierte Bewusstsein verlässt und in die Felder abdriftet.

Tipp 3

In der Anfangsphase des Abdriftens können Sie das Kind durch Ihre liebevolle Aufmerksamkeit wieder zurückholen.

Tipp 4

Alle bewährten und vernünftigen Regeln der konventionellen Pädagogik (konsequentes Handeln, Regeln einhalten, Zielvereinbarungen, Verträge mit dem Kind, Ansprechen der Vernunft, …) sind auch beim ADS-Kind in der körperzentrierten Phase1 sinnvoll und nötig.

Tipp 5

Wenn das Kind sein Bewusstsein ins G-Feld, d.h. nach «draussen» verlagert, müssen Sie ihm ins G-Feld folgen. Die Regeln, die im körperzentrierten Bewusstsein zum Erfolg führen, sind nun nicht mehr wirksam. Ganz im Gegenteil beschleunigt das Pochen auf diese Regeln das Abdriften ins Umkreisbewusstsein.

1

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Wenn sich das G-Feld, das V-Feld und das Materie-Feld gut durchdringen.


Tipp 6

Im G-Feld gelten unter anderem folgende Regeln: Leben Sie in einer liebevollen, entspannten Aufmerksamkeit für Ihr Kind. Lassen Sie sich unter keinen Umständen unter Druck setzen. Geben Sie Ihre Vorstellungen auf, wie man sich nun verhalten muss, wie man konventionell auf diese oder jene Situation reagieren muss! Beobachten Sie Ihr Kind genau. Oft zeigt uns das Kind selbst, was es nun braucht. In einer Gruppe kann die Lösung auch von andern Kindern kommen, die sich oft besser in die Situation ihres Kindes einfühlen können.

Tipp 7

Seien Sie gegenwärtig, lebendig und fühlen Sie sich im G-Feld wie auf dünnem Eis. Wenn Sie einbrechen, sind Sie wieder im körperzentrierten Bewusstsein, in der Vergangenheitsstruktur gelandet.

Tipp 8

Wenn in Ihrem Kind die Vergangenheitsstrukturen wirken, bleiben Sie ruhig und seien Sie sich bewusst, dass Sie nun Einblick in die Negativstrukturen der Familie (also auch in Ihre eigenen Negativstrukturen!), der Gesellschaft, des Volkes, der weltweiten Strömungen bekommen. Machen Sie nicht Ihr Kind für dieses Negativverhalten verantwortlich. Stempeln Sie es nicht als Sündenbock ab.

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Tipp 9

Versuchen Sie Ihr Kind durch ihre Präsenz, Ihre innere Kraft in schwierigen Situationen zu stärken. Sie können durch Ihre hellwache Aktivität im G-Feld auch die Vergangenheitsstrukturen Ihres Kindes zur Ruhe bringen. Als Folge davon hat das Kind die Möglichkeit, sich selbst zu ergreifen und wieder präsent zu sein.

Tipp 10

Tauschen Sie Ihre Erfahrungen mit den Menschen aus, die an der Erziehung Ihres Kindes beteiligt sind. Wecken Sie das Bewusstsein für die Art Ihres Kindes bei den Erwachsenen. Bilden Sie Selbsthilfegruppen. Die Hilfe kann auch bei diesen Problemen nicht nur von aussen kommen. Auch in diesem Bereich der Erziehung ist eigene Aktivität nötig. Seien auch Sie ein Mensch der postbiologischen Evolution!

Tipp 11

Vergessen Sie den guten Kern – die Geist-Seele – Ihres Kindes auch in Extremsituationen nie. Besonders wenn Methoden angewendet werden müssen, die dem sanften Weg der G-Felder widersprechen. Versuchen Sie, sobald es wieder möglich ist, die Tipps 1-10 zu berücksichtigen.

Du bist der Spezialist!

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Teil II Delta Dynamik in der Praxis



Delta Dynamik in der Praxis Pädagogik und Methodik Als Pädagogik ist Delta Dynamik eine Methode, mit der man die Voraussetzung schafft, Kinder wieder menschlich unterrichten und erziehen zu können. Lehrer und Eltern müssen dazu ihr Alltagsbewusstsein mit dem Gegenwartsbewusstsein ergänzen. So lernen Lehrer und Eltern das Zentrum des Kindes anzusprechen, indem sie ihr eigenes Zentrum entdecken. Entdecke das Delta in Dir! Auch methodisch entsprechen die Leitsätze der Delta Dynamik dem Menschen. Sie ermöglichen einen der menschlichen Natur gemässen Unterricht. Delta Dynamik ist ein Prozess, den jeder Mensch ohne Zwang von aussen täglich nach folgendem Motto einleiten kann:

Entdecke das Delta in Dir!

Alle Beschreibungen, die nun folgen, können durch Aufmerksamkeitssteigerung und durch das Studium der aktuellen Forschungsergebnisse der Naturwissenschaft von jedem selbst überprüft werden. Eine Hilfe dazu kann meine Schrift «Das Deltagramm» sein. Ich beschränke mich hier nur auf die Schilderung und Anwendung der Phänomene.

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Das Delta Dynamik Logo besteht aus zwei graphischen Elementen. Eine Dreiecksform ist von einem Quadrat eingerahmt.

Es sind die Urgegensätze, die das menschliche Leben bestimmen: Die irdische Vier und die spirituelle Drei.

Alltags- oder Gegenstandsbewusstsein Im Gegenstandsbewusstsein zeigen sich: Das Geschaffene, die Vergangenheitsstrukturen, die in der Gegenwart sichtbar werden und die Vergangenheit repräsentieren; alles Gewordene, alles Strukturierte; Materiestrukturen, aber auch überphysische, nicht materielle Emotions- und Gedankenstrukturen, die an die Hirnstrukturen gebunden sind. Es ist die Ebene des materiellen und psychosomatischen Menschen. Die Ebene des Menschen als Geschöpf, die Ebene der Egostruktur. Auf dieser Ebene lebt der Mensch in Unfreiheit. Er denkt, fühlt und handelt auf Grund seiner Hirnstrukturen und seiner übermateriellen Seelenstrukturen, die immer eng mit den Hirnstrukturen verbunden sind. Emotionen und Gedankenassoziationen lösen immer Hirnmuster aus, prägen neue Gehirnareale. Ebenso lösen Gehirnreaktionen Emotionen und Assoziationen aus. Es besteht ein ewiges Hin und Her zwischen messbaren Materiefunktionen und unmessbaren, nur in der menschlichen Egostruktur wahrnehmbaren Emotions- und Gedankenmustern, die auch als sichtbare Handlung wahrgenommen werden können. 82


Der Mensch lebt in seinem Alltagsbewusstsein oder Gegenstandsbewusstsein. Er glaubt den Materieprozessen ausgeliefert zu sein und fühlt sich, wissenschaftlich «bestätigt», als letztes Glied der Säugetiere oder auf Englisch als Human Animal. Er realisiert nicht, dass sein Gegenstandsbewusstsein ihm nur Bilder der Vergangenheit liefert. Denn sobald ein Gegenstand auf Grund der Hirnstrukturen erfassbar, wahrnehmbar wird, ist er aus dem lebendigen Prozess ausgeschieden. Wir sehen nur die toten Bilder unserer Umgebung, die uns nur eine Teilwahrheit des unsichtbaren Ganzen zeigen.

Das Deltabewusstsein Die heutige Kultur hat durch die fast ausschliessliche Beschäftigung mit der irdischen Vier, mit den Vergangenheitsstrukturen, die spirituelle Drei fast vergessen. Hinweise auf die spirituelle Drei geben alle Religionen und Menschen, die ein Gegenwartsbewusstsein entwickelt haben. Falls es mir gelingt durch die Steigerung meiner Aufmerksamkeit mich nicht mehr von den Vergangenheitsstrukturen bestimmen zu lassen, lebe ich mit meinem Bewusstsein im Gegenwartsfeld. Ich bin ganz präsent. Ich lebe in den gegenwärtigen Prozessen. Ich habe meinen ewigen, spirituellen Kern gefunden. Ich habe das Delta in mir entdeckt. Da ich mich in einem überphysischen Feld, dem Gegenwartsfeld, befinde, lebe ich ohne alte Strukturen. Ich bin ganz präsent ohne Vorurteile. Ich erlebe den andern Menschen nicht in seiner Egostruktur. Ich bin eins geworden mit dem andern. Ein Innen und Aussen gibt es nur in den Vergangenheitsstrukturen. Zeit und Raum, die ja Strukturen sind, haben aufgehört zu existieren. Ich erlebe die 83


noch unstrukturierte Gegenwart. Ich erahne meine ewige Individualität und die des andern Menschen. Mein Gegenwartsbewusstsein kann ich nur durch innere Aktivität aufrechterhalten. Ich sehe nicht mehr Gegenstände, sondern die immateriellen seelischen und geistigen Prozesse. Der andere Mensch ist für mich ein sich aus eigener Kraft weiter entwickelndes Wesen, nicht mehr ein Vergangenheitsprodukt aus Vererbung und Erziehung. Ich erlebe die sich entwickelnde Individualität des Menschen. Ich bin zum Kern des Menschen vorgestossen. Ich erlebe mich als ein unsterbliches Ich-bin-Wesen im Gegensatz zu meiner im Alltagsbewusstsein erfahrbaren Egostruktur, die eng an meinen Körper gebunden und somit auch sterblich ist. Meine Individualität ist ein schöpferisches Wesen, das sein Leben in Freiheit immer wieder neu gestalten kann. Sie kann jedoch nicht alles neu machen, denn sie lebt ja in einem Leib und in Beziehungen, die so sind, wie sie eben sind. Die Einstellung, wie sie mit der jeweiligen Situation umgeht, kann jedoch voll und ganz von der Individualität bestimmt werden. Leben wir im Gegenwartsbewusstsein, können wir den Verlauf unseres Lebens mitbestimmen. Wir stehen nicht mehr unter dem unerbittlichen Zwang unserer Vergangenheitsstrukturen. Wir sind ein schöpferisches Wesen mit den Einschränkungen, die aus unserer Vergangenheit kommen, geworden.

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Biologische und postbiologische Evolution Wenn wir vom Vergangenheitsbewusstsein in den Vergangenheitsfeldern zum Gegenwartsbewusstsein im Gegenwartsfeld wechseln, sind wir zu den Mitschöpfern der postbiologischen Evolution geworden. In der biologischen Evolution sind wir leiblich durch lange Zeiträume zum höchsten Säugetier aufgestiegen, das durch seine Egostruktur ein an den Leib gebundenes Selbstbewusstsein erlangt hat. Im Selbstbewusstsein leuchtet nun der innere Aktivitätspol – «das Delta in mir» – auf. Entdecke ich mich nun als Aktivitätswesen im Gegenwartsfeld, beginnt der Anfang einer neuen Evolution. Der Mensch als Mitgestalter seines Lebens steht am Ende der biologischen und am Anfang der postbiologischen Evolution, in der nichts geschieht, wenn der Mensch nicht innerlich aktiv wird. Mit seinem hellwachen Bewusstsein treibt der Mensch die Evolution einen Schritt weiter! Die Evolution hört nicht im Physischen auf. Die Bewusstseinsevolution des Menschen gehört dazu. Der Mensch darf in Freiheit Mitschöpfer der neuen Evolution sein. Sie beginnt heute, mit deinen Bemühungen um dein Deltabewusstsein!

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Praktische Übungen: Entdecke das Delta in Dir! Veränderung muss bei jedem Einzelnen beginnen. Menschen der postbiologischen Evolution können Ziele erreichen, die man mit dem Gegenstands- oder Vergangenheitsbewusstsein nicht erwarten würde. Will man als Eltern oder Lehrer besser auf die modernen Kinder eingehen können, muss man sich selbst verwandeln und gegenwärtiger werden. Die vier Leitsätze und die drei Ideale der Delta Dynamik helfen mir bei der Verwandlung meines Bewusstseins. So werde ich interessanter und glaubwürdiger für meine Kinder. Ich werde so ein umgänglicher Mensch, der sein eigenes Leben ergreift. Da ich mit den modernen Kindern in der Normgesellschaft einen schwierigen Stand habe, ist es auch wichtig, dass ich in mir selbst ruhe und mich nicht von jeder negativen Bemerkung aus dem Gleichgewicht bringen lasse. Kurz: Ich verändere mich nicht nur für die Kinder, sondern auch für mich selbst. Menschheitlich gesehen gehöre ich auch zur immer grösser werdenden Minderheit, die bewusst die postbiologische Evolution einleitet.

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Das Delta als Viereck: 4 Leitsätze fürs tägliche Leben 4. Mein ICH bestimmt meine jetzige Situation.

Ich bin nicht mehr von meiner Egostruktur geleitet. Ich mache aus allem das Beste. Ich handle lichtvoll. Ich bin Schöpfer jeder Situation. Ich bin ein Ich-bin-Wesen.

3. Meine Individualität ist gegenwärtig. Ich bin präsent. Ich bin aufmerksam und liebevoll. Ich bin ganz für den anderen da. Ich ströme seelische Wärme aus.

2. Ich fördere das sozialen Leben.

Ich mache jemandem eine Freude. Ich fördere jemanden oder eine Gruppe. Ich fördere das Leben.

1. Ich spiele mit Chaos und Strukturen.

Ich spiele. Ich gleite nicht ins Chaos ab und verhärte nicht in den Strukturen. Ich verfalle nicht den Kräften der Materie.

Wenn ich täglich die vier oben genannten Leitsätze verwirkliche, komme ich in eine Grundstimmung, die sich in folgenden drei Idealen für die Zukunft ausdrücken lässt. Ich kann die Aufgabe des Menschen in der postbiologischen Evolution erahnen, die sich durch folgende Ideale formulieren lässt: 87


Das Delta als Dreieck: 3 Ideale fürs tägliche Leben 1. Hebe dich immer wieder mit der Kraft des Denkens aus deiner Egostruktur und lebe im Gegenwarts-Feld als Individualität. Ich bin präsent. Ich habe keine Vorurteile. Ich kann immer neu beginnen. Ich habe mich aus dem Hirndenken abgekoppelt.

2. Erwache an der Individualität des anderen. Erfahre das Geheimnis des Menschen. Ich erlebe die nichtmaterielle Qualität des Andern. Ich erlebe die Fähigkeiten und die Talente des Mitmenschen. Ich erlebe den unsterblichen Menschen jenseits des Geschlechts und des sozialen Status.

3. Im Gegenwarts-Feld sind alle Menschen eins. Wenn es andern schlecht geht, kann ich nicht glücklich sein. Ich fühle mich als Weltbürger. Alles, was auf der Erde geschieht, geht mich etwas an. Ich weiss, dass alles, was ich tue, seine Wirksamkeit für alle zeigt.

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Transformation des Bewusstseins Wenn die vier Leitsätze zur täglichen Praxis und die drei Ideale zur Grundstimmung des Lebens werden, bin ich Glied der neuen Evolution. Dieser Prozess, der ein Bewusstseinsprozess geworden ist, kann nur vom innerlich aktiven Menschen am Leben erhalten werden. Der Mensch muss aus dem Alltagsschlaf aufwachen und sein Bewusstsein um eine Stufe anheben (Steiner, 2005). Diese Steigerung des Bewusstseins erfolgt nicht automatisch. Wenn ich aber innerlich aktiv bleibe, geschieht während der Dauer der inneren Aktivität Folgendes: Ich werde ein wahrer Mensch. Ich bin kein Human Animal mehr. Ich lebe die Delta Dynamik.

Konkrete Anwendung Wende die Leitsätze zuerst auf dich an. Sei liebevoll aufmerksam auf dich selbst. Nur liebevolle Aufmerksamkeit kann die wilden Emotionen und die belastenden, ewig kreisenden Gedankenmuster zur Ruhe bringen. Ergreife dich selbst nach der liebevollen Betrachtung. Ermögliche deinem «Delta in dir» einige schöne Momente. Suche die Ruhe. Lebe in der Gegenwart. Deine Egostruktur musst du nicht pflegen. Sie wird in unserer Gesellschaft täglich gepflegt. Bemühe dich, dass dein Delta wachsen kann. Betrachte mit der Aktivität deines Deltas, wie das Chaos oder deine Strukturen aus den Vergangenheitsfeldern dein Leben dominieren wollen. Bringe mit der Kraft des Del89


tas Ordnung ins Chaos. Lasse auf liebevolle Art, mit der liebevollen Aufmerksamkeit deines Deltas, nicht zu, dass die chaotischen Emotionen die Macht über dich erlangen. Bestrahle ebenso mit dem warmen, liebevollen Gegenwartslicht deines Deltas die ewig kreisenden Gedankenmuster, die dich immer wieder in die Vergangenheit zwingen wollen. Zukunftsängste als Projektionen aus der Vergangenheit, welche die Zukunft nicht fassen können, kannst du durch das Leben in der nicht strukturierten Gegenwart überwinden. Ebenso lösen sich depressive Stimmungen im Gegenwartslicht auf. Alle Leitsätze sollten immer miteinander angewendet werden. Ein Leitsatz sollte jedoch im Bewusstsein dominieren. Die andern sollten im Hintergrund auch im Bewusstsein bleiben. Oder anders gesagt, sollten wir die Geistesgegenwart besitzen, uns auf alle vier Ecken des Quadrats gleichzeitig zu konzentrieren. Falls uns dies durch tägliche Übung gelingt, entsteht die Grundstimmung für die drei Ideale des Deltadreiecks. Das offenbare Geheimnis der Delta Dynamik besteht darin, dass das «Delta in Sich» mit Hilfe der 4 Leitsätze seine Wirksamkeit mit vollem Bewusstsein im physischen Leib entfalten kann. Es geht nie darum, im Gegenwartsfeld den Bezug zur Realität auf unserer Erde zu verlieren. Im Gegenteil geht es immer darum, die Qualität des Deltas in den Vergangenheitsstrukturen unseres menschlichen physischen Körpers zu entfalten. Delta Dynamik ist die bewusste Aktivierung der überphysischen menschlichen Individualität auf der Erde. Als Folge der Arbeit mit den vier Leitsätzen und drei Idealen wird sich die eigene positive Wirkung auf Kinder und Erwachsenen extrem steigen. Man wird einen ganz andern Zugang zu den Kindern finden. Das Verständnis für ihre 90


Situation wird sich vertiefen. Man wird mit feinen Massnahmen viel erreichen. Man wird jedoch auch an der heutigen Gesellschaft mehr leiden als vor der Bewusstseinsarbeit. Doch ist dieses Leiden die Folge der Bewusstwerdung. Das frühere Leiden war das unbewusste Leiden an der Egostruktur. Durch die Deltadynamik wird der Mensch in seinem täglichen Leben menschlicher und lebenstüchtiger. Das wahre Wesen des Menschen, das im Schlamm der Egostrukturen unterzugehen droht, kann wieder ans Licht kommen und seine Aktivität entfalten. Dieser Prozess kann jedoch nie erzwungen werden. Er muss bewusst in Freiheit von jedem einzelnem selbst täglich aktiviert werden. Dazu können die vier Leitsätze und drei Ideale eine Hilfe sein.

Meine Individualität ist gegenwärtig. Dieser Leitsatz ist der zentrale Satz und bildet mit dem vierten eine Einheit. Meine überphysische Individualität bildet mit meinem Ich-Bin-Wesen eine seelisch-geistige Einheit. Mein seelisches Wesen, nicht zu verwechseln mit meiner Egostruktur, die aus Emotionen und Assoziationen besteht, ist der eigentliche Mensch. Ich kann mit meiner wachen Seele die Muster meiner überphysischen Egostruktur betrachten, ich kann mich jedoch auch der Kraft meines Ich-Bin-Wesens öffnen. Der dritte Leitsatz beschreibt die liebevolle Aktivität meiner Individualität im Gegenwartsfeld. Ich wache auf und erlebe die Kraft meines «Deltas in Mir». Ich bin aus mir selbst heraus aktiv. Die Scheinaktivitäten der Egostruktur sind mit dieser inneren Kraft, mit diesem inneren, liebevollen Licht nicht zu verwechseln! Der intellektuelle Teil meiner Egostruktur 91


handelt auch lichtvoll, ist auch aufmerksam. Sein Licht ist jedoch kalt, seine Aufmerksamkeit ist oberflächlich und lieblos. Ein Wissenschaftler, der im Bewusstsein der biologischen Evolution lebt, muss sein Experiment genau und objektiv beobachten, nicht liebevoll. Wenn der Mensch jedoch das Experiment ist, braucht es die liebevolle Aufmerksamkeit des Experimentators. Beim Beobachten des Menschen kann man nur durch liebevolle Aufmerksamkeit mit der Aktivität seiner Individualität – nicht mit der Passivität der kalten Egostruktur – Schlüsse ziehen, die das Leben des Menschen fördern. Beobachtungen mit dem kalten, lieblosen Teil der Egostruktur führen immer zur kalten, lieblosen Behandlung des Menschen, unter der wir alle leiden. Beobachtungen des Menschen mit dem warmen, chaotischen Teil der Egostruktur, der von der Wissenschaft zu Recht zurückgedrängt wird, um die Objektivität zu wahren, führen auch nicht zu einem menschlichen Zusammenleben. Alle schwärmerischen, fundamentalistischen Bewegungen betrachten den Menschen auf diese Weise. Die Alternative zum schwärmerischen Fundamentalismus ist aber nicht die kalte, lieblose materialistische Wissenschaft, es ist die liebevolle Aufmerksamkeit der Delta Dynamik. Wenn sie fehlt, erleben wir täglich die Folgen in den Tierfabriken, beim Klimawandel, in der kalten Spekulationswirtschaft, um nur einige zu nennen. Setzen wir doch den echten Menschen, das «Delta in mir» ins Zentrum. Machen wir doch den Schritt in die postbiologische Evolution. Beginnen wir nochmals beim inneren Kern des dritten Leitsatzes: liebevolle Aufmerksamkeit. Wenn wir mit liebevoller Aufmerksamkeit, ganz wach der Welt begegnen, strömen wir unser eigentliches Wesen aus. Wir müssen nur innerlich ein bisschen aufwachen und sind 92


dann fähig, mit dem warmen Seelenlicht die Umgebung zu beleuchten. Wir richten unser Seelenlicht, das immer nur gegenwärtig strahlen kann – es kommt ja aus dem Gegenwartsfeld – auf die überphysischen Vergangenheitsstrukturen. Diese werden dadurch erkannt und in ihrer Kraft geschwächt. Es wird Freiraum geschaffen, dass das Delta sich besser entfalten kann. Dies gilt für mich selbst und für den anderen. Die erste Präsenz, das erste Aufwachen betrifft immer meinen Seelenkern. Wenn das erste Aufwachen, die erste innere Aktivierung sich durch das liebevolle Leuchten zeigt, kann man zum zweiten Aufwachen übergehen. Ich kann meine Individualität noch mehr aktivieren und komme dann zum vierten Leitsatz:

Mein ICH bestimmt meine jetzige Situation Ich erlebe, dass mein Ich-Bin-Wesen, meine wahre Individualität, ein Schöpferwesen ist und jede Situation im Seelischen so formen kann, wie sie es möchte. Meine wahre Individualität ist stärker als jede Egostruktur. Meine wahre Individualität muss sich nicht von den Energien anderer Egostrukturen beeinflussen lassen. Ich bin es selbst, der meine Situation jederzeit seelisch gestalten kann.

Beispiele:

1. Ich kann das schlechte Wetter nicht ändern, aber ich kann meine Einstellung zum schlechten Wetter ändern. Ich kann meine Kleidung dem schlechten Wetter anpassen und gut geschützt dem schlechten Wetter seine Schönheiten abgewinnen. 2. Ich kann meine finanziellen Verhältnisse nicht sofort 93


ändern. Ich kann jedoch die Gewichtung der Finanzen ändern. Ich kann neue Ideen entwickeln, die sich auf das Finanzielle auswirken können. 3. Ich kann meine Gesundheit nicht sofort ändern. Ich kann jedoch das Umfeld meines Lebens ändern, so dass auch meine Gesundheit sich ändert. Ich kann aber auch meine Gesundheit anders werten. Ich bin mir bewusst, weshalb meine Gesundheit leidet, und nehme dies zu Gunsten meiner Lebensaufgabe bewusst in Kauf. Gegenwärtigkeit heisst, dass ich mich auch mir selbst mit liebevoller Aufmerksamkeit zuwende. Wenn ich mich in zu viel Arbeit verliere oder depressiv meine innere Leere erleide, sollte ich, bevor ich anderen meine Aufmerksamkeit schenke, mir selbst dieses Geschenk machen. Wenn mein Delta sein warmes Aufmerksamkeitslicht in meine Egostruktur leuchten lässt, verurteilt es nicht, was sichtbar wird. Es zwingt mich nicht, anders zu werden. Es versteht mein Leiden. Durch seine Aktivität, die ja die Aktivität meiner echten Individualität ist, werden die negativen Kräfte der Egostruktur geschwächt. Ich bekomme Raum zum seelisch Atmen. Ich kann mich selbst besser aktivieren. Wie es einen Teufelskreis in der Egostruktur gibt, der mich in Selbstvorwürfen an Ort drehen lässt und der mich meiner Individualität immer mehr entfremdet oder anders gesagt, der mich immer mehr zum Gefangenen meiner Vergangenheitsstrukturen macht, gibt es auch den «göttlichen Kreis». Der «Gotteskreis» stabilisiert mich in dem Masse, wie ich es schaffe, mit intensiver, liebevoller Aufmerksamkeit in mich zu schauen. Der erste und wichtigste Schritt ist folgender: Wie kann ich mich aus dem eigenen Sumpf ziehen? Ich bin ja nicht der Baron von Münchhausen, der sich am eigenen Haarschopf aus dem Sumpf zog! Und doch besitze 94


ich eine Kraft in mir, die unabhängig von meinen inneren Strukturen wirkt. Meine Vergangenheitsstrukturen halten mich ja automatisch in der Schwere. Es ist die Kraft meines gegenwärtigen Deltas. Die Kraft meiner wahren Individualität. Sobald ich sie aktivieren kann, beginnt sie zu wirken und hilft mir das Unmögliche möglich zu machen. Sie hebt mich aus den Gehirn gesteuerten Strukturen heraus. Sie hat ihren Anker im gegenwärtigen Sein meiner Individualität. Intellektuelle Spekulationen können uns nicht aus den Vergangenheitsmustern unserer Egostruktur heben. Sie sind ja ein Teil der Egostruktur. Der Teufelskreis der Egostruktur kann nicht mit den Kräften der Egostruktur verlassen werden. Es braucht die Kraft des «Deltas in Mir», die ihre Existenz im übermateriellen Gegenwartsfeld hat. Auf der Erde bin ich meine physische Materiestruktur, die mit meiner überphysischen Vergangenheitsstruktur eine Einheit bildet. Diese Einheit nenne ich Egostruktur. Sie ist der Mensch der biologischen Evolution, der in seinem alltäglichen Gegenstandsbewusstsein in der Vergangenheit lebt. Diese Zweiheit ist der Mensch als Human Animal. Es ist die belebte Egostruktur. Der erste und zweite Leitsatz beziehen sich auf sie. Der dritte und vierte Leitsatz knüpfen an unserem Seelischen an, das einerseits seine Einflüsse aus der Egostruktur beobachten kann, andererseits vom Geist oder seinem Ich-Bin-Wesen durchstrahlt wird. Der Mensch als ganzer Mensch ist ein komplexes Wesen. Er ist nicht eine Einheit. In ihm spielen die physischen und überphysischen Vergangenheitsstrukturen, sein belebter und durchseelter Leib, mit seinem überphysischen Gegenwartspotential zusammen. Das unfassbare Gegenwartspotenzial kann man «das Delta in mir» nennen. Das Delta wirkt jedoch nur, wenn ich in95


nerlich aktiv bin, wenn ich innerlich aufwache. Es kann von mir nur in Freiheit und Liebe aktiviert werden. Zuerst muss es jedoch entdeckt werden. Sobald ich durch innere Aktivität mein Bewusstsein heller, gegenwärtiger mache, entdecke ich das «Delta in mir» als inneres Gegenwartswesen. Ich erlebe meine überphysische Individualität, die liebevoll aufmerksam meine eigene Egostruktur betrachten kann.

Wie werde ich liebevoll präsent? Kurz gesagt, muss ich mein Delta, mein Dreieck, in mein Quadrat bekommen. Sobald das Dreieck vom Quadrat umschlossen ist, befindet sich mein Delta in mir, in meiner Egostruktur und meinem Leib. Mein Wirken als Mensch beginnt erst, wenn mein Dreieck, das im Gegenwartsfeld lebt, sich im Quadrat der Vergangenheitsfeldern zentriert und die Vergangenheitsfelder durchdringt und ergreift. In meinem noch unveröffentlichten Buch «Das Deltagramm» beschreibe ich die Reise ins Gegenwarts- oder Deltabewusstsein. Das Wichtigste ist immer die Aufmerksamkeitssteigerung. Seien Sie liebevoll, interessiert am Gegenüber, an der Welt. Erleben Sie ihre innere Kraft, wenn Sie ganz gegenwärtig sind. Verlassen Sie ihr Gedankenkarussel (Lauterbach, 2004) und Ihre Emotionswogen! Ich kann vereinfacht beim Erwachsenen und Kind drei Zustände unterscheiden:

Das Delta ausser sich Mein Delta befindet sich ausserhalb des Quadrats irgendwo im Gegenwartsfeld. Es hat eine ganz schwache Verbindung zum eigenen Körper und seiner Egostruktur. Der Mensch 96


ist Abbild seiner Egostruktur. Er denkt, fühlt und handelt wie seine Egostruktur will. Er hört die Stimmen seiner Egostruktur. Ist er gut erzogen, wirken die Impulshemmungen – sein Über-Ich – aus dem Frontallappen und regeln das menschliche Zusammenleben. Er ist Abbild seiner Erziehung und Vererbung und befindet sich auf der Stufe des Geschöpfs. Weil die Egostruktur ihren materiellen Pol im Gehirn und Körper hat, stirbt dieser Mensch mit seinem Leib. Er ist sterblich. Sein Delta hat kein Bewusstsein von seiner eigenen Existenz. Die Egostruktur leugnet seine Existenz, weil sie selbst nur im Wechselspiel mit der Materie des physischen Körpers existiert. Das moderne Kind landet in diesem Bewusstseinszustand, wenn es ermüdet, gestresst oder gelangweilt ist. Es wird zum «Egostruktur-Roboter». Nur ein Mensch, der sich selbst zentrieren kann, hat die Möglichkeit das Kind, mit liebevoller Aufmerksamkeit wieder heranholen.

Das Delta zum Teil in sich Mein Delta ragt über das Quadrat hinaus. Dies ist der Zustand des Menschen, der sein Leben bewusst führen will. Er ahnt, dass in ihm noch mehr steckt als die Wissenschaft behauptet. Seine Egostruktur kommt ihm aber immer wieder in die Quere und will ihm dies ausreden. Trotzdem handelt er gegen die Logik seiner Egostruktur doch immer wieder menschlich. Er weigert sich, die kalte Brutalität der Wissenschaft vollumfänglich im Leben anzuwenden. Als Arzt hilft er einen alten, schwerkranken Menschen zu pflegen, obwohl die kalte Logik ihm sagt, dass dieser Alte zu nichts mehr gut ist, schon lange gelebt hat und die Krankenkasse finanziell enorm belastet. Als Heilpädagoge kümmert er sich liebevoll um ein behindertes Kind. Er lässt sich nicht 97


vom kalten Gedanken anstecken, dass es für das Kind und die Gesellschaft besser sei, wenn es endlich sterben könnte. Das Delta klopft bei diesem Menschen immer deutlicher an seine Türe. Ein schwerer Unfall, eine tiefe Depression oder eine andere Krankheit könnten dem Delta in seiner Egostruktur Einlass verschaffen. In diesem labilen Zustand lebt das moderne Kind im Normalfall. Es kann sehr schnell ausser sich kommen und wird zum Egostruktur-Roboter. Ein Teil der Kinder versinkt in seiner Egostruktur und wird depressiv, ruhig. Ein anderer Teil wird hyperaktiv und bringt mit den Wünschen und negativen Eigenschaften seiner Egostruktur die Umwelt zur Verzweiflung. Diese Kinder werden dadurch in vielen Institutionen sehr schnell untragbar.

Das Delta in sich Wenn das Delta sich nun zentriert im Quadrat befindet, steht ein Mensch vor mir, der von der Kraft seiner Gegenwärtigkeit voll durchdrungen ist. Er ist ein kreativer, besonnener Mensch, der das Leben meistert. Eventuell hat er auch äusseren Erfolg. Er muss aber kein klares Bewusstsein von seinem Zustand haben. Sein Erfolg verhindert vielleicht, dass er mit vollem Bewusstsein erkennt, wie sein Delta seine Strukturen durchdringt. Eine ganz andere Situation ergibt sich, wenn ein Mensch, der sich normalerweise im Zwischenstadium befindet, sich mit innerer Aktivität zentriert. Er hebt sich bewusst vom zweiten Zustand in den dritten. Seine Zentrierung ist nicht Natur gegeben. Er ist zum Bewusstsein seines «Deltas in sich» gekommen und versucht so häufig wie möglich selbst 98


als wacher, zentrierter Mensch sein Leben zu gestalten. Dieser Zustand ist anzustreben, wenn man den dritten Leitsatz ernst nehmen will. In diesem Zustand ist mein Delta, meine Gegenwart, in meiner Egostruktur und übernimmt von den Vergangenheitsstrukturen die Zügel. Meine Gegenwart, meine Individualität, ergreift nun mein Leben. Ich habe einen Menschen aus mir gemacht, der das Wechselspiel zwischen dem Egostruktur gesteuerten Human Animal und dem von seinem Delta ergriffenem Körper ein klares Bewusstsein hat. Er weiss aus Erfahrung, was die Qualität der Vergangenheitsstrukturen und die Qualität der Gegenwärtigkeit ist. Er lebt im Zustand der Zentrierung als unsterbliches Gegenwartswesen. Er ist sich seiner göttlichen Schöpferqualität bewusst. Er ist unsterblich geworden und greift ins tägliche Leben wohltuend ein. Er kann mit vollem Bewusstsein vom Gegenstandsbewusstsein seiner Egostruktur zum Gegenwartsbewusstsein seines Deltas wechseln. Wenn ein modernes Kind zentriert ist, kann es stundenlang ruhig spielen. Es kann an den Lippen des Lehrers oder seiner Mutter hängen, wenn diese eine Geschichte erzählen. Es kann ganz vertieft ein Experiment machen oder ein Buch lesen. Es ist dann ein begabtes, interessiertes, oft hochbegabtes Kind.

Wo bin ich im Deltabewusstsein? Im Gegenwarts- oder Deltabewusstsein befinde ich mich nicht in tiefer Meditation. Ganz im Gegenteil lebe ich hellwach mein tägliches Leben. Ich befolge Leitsatz 3 und 4 und habe Leitsatz 1 und 2 im Hintergrund. Ich wechsle auch schnell zwischen dem fürs Leben nötigen Gegen99


standsbewusstsein und meinem Deltabewusstsein hin und her. Mein Deltabewusstsein durchdringt mein Gegenstandsoder Vergangenheitsbewusstsein. Ich sehe die Vergangenheitsstrukturen in einem neuen Licht. Man kann beide Bewusstseinsstufen sich überlagern lassen. Die helle Wachheit sieht auch die normale Verschlafenheit. Ich verliere nichts, ich gewinne etwas dazu!

Ich spiele mit Chaos und Strukturen Das Chaos finde ich nicht nur aussen, sondern auch in mir als vulkanische Triebe der Egostruktur. Sie tauchen ungefragt auf und beeinflussen mein Bewusstsein. Sie erzeugen oft Chaos in meinem Leben. Im Allgemeinen werden sie durch meine Erziehungsstrukturen und die mich prägenden Gesellschafts- und Religionsstrukturen im Zaume gehalten. Es findet in mir ein permanenter Dialog zwischen Chaos und Struktur oder zwischen Emotionen und Denkautomatismus statt.

Beispiel:

Meine Emotionen und Triebe bewegen mich, viel und gut zu essen. Die innere Stimme meines Denkautomatismus entgegnet: «Zu viel Essen macht dick und endet oft mit einem Herzinfarkt. Stopp!» Einmal siegt der Trieb, was oft auch in der Körperfülle sichtbar wird. Siegt der Gedankenroboter, sehen wir eventuell einen durchtrainierten Körper. Ein übergewichtiger Mensch ist auf dieser Ebene nicht freier als ein hagerer Mensch, der sich täglich zwingt, 20 km auf dem Trottoir neben der Hauptstrasse zu joggen. In unserer heutigen Kultur wird der Trieb zur Selbstkasteiung durch Sport hoch 100


geschätzt. Ein durchtrainierter Manager entspricht den Vorstellungen eines leistungsfähigen Managers viel mehr als ein übergewichtiger Chef. Das soll nun aber bei diesem Beispiel nicht heissen, dass das Übergewicht die bessere Lösung ist. Mit hartem Willen sich selbst zu quälen ist nicht besser, als sich willenslos dem Fresstrieb zu überlassen. Wenn ich das «Delta in mir» entdecke und aktivieren kann, ist an erster Stelle die innere Aktivität des Deltas ausschlaggebend. Die innere Kraft des Deltas wird zwischen warmen Trieben und kaltem intellektuellen Denken die Balance halten. Sie wird spielerisch mit beiden Polen umgehen. Sie wird einen Weg zwischen Übergewicht und ausgemergeltem Körper, zwischen schlaffem sich Treiben lassen und fanatischem Training suchen. Dieses Beispiel kann man auf alle andern Triebe und inneren Antistimmen ausdehnen. Folgen wir den Trieben, sind wir Sklaven unserer Triebe, folgen wir unseren inneren «Moralstimmen», die immer auftauchen, wenn ein Trieb will, werden wir von den inneren Strukturen in Unfreiheit gehalten. Erst wenn unser Delta mit beiden Polen spielerisch, nicht verkrampft umgehen kann, sind wir wirklich freie Menschen. Chaos und Struktur entsprechen dem Emotions- und dem Gedankenautomatismus unserer Egostruktur. Beide Strukturen sind Vergangenheitsstrukturen und machen uns unfrei, da sie vergangenheitsabhängig sind. Sie haben als Grundlage gewisse Gehirnareale, die immer besser erforscht werden. So haben die Hemmstimmen im Frontallappen (Spitzer, 2005) ihre Grundlage. Der innere Dialog, der uns leitet, ist also gehirngestützt. Wenn wir unser Delta aktivieren, gelingt dies nur durch innere Aktivität. Sobald es mit mildem liebevollen «Blick» beginnt, wahrzunehmen und zu stabilisieren, wirke ich aus meinem innersten Kern. Dieser ist in den Gehirnstrukturen nicht zu finden. Er 101


kann jedoch auf die Hirnstrukturen einwirken. Das «Delta in mir» spricht nicht in Worten. Es ist das wahre Sein in mir. Es ist die liebevolle Aufmerksamkeit, welche die Schwächen der Egostruktur versteht und nicht verurteilt. Es weiss auch, dass die Egostruktur zum Menschen gehört. Es weiss, dass der Mensch ohne Egostruktur nicht Mensch werden könnte. Aufwachen, gegenwärtig werden, ist nur in der Materie möglich! Das «Delta in mir» wird sich seiner selbst nur bewusst, wenn es an der Materie des Gehirns «anstösst». Nur im Beobachten des inneren Dialogs der Egostruktur, wird sich mein Delta bewusst, welche Kraft aus der Gegenwart strömt und nicht gehirngestützt ist. Die Stimme des Deltas spricht nicht in Worten. Worte wären ja wieder hirngestützt. Sie spricht durch ihr liebevolles Sein und ihre Aktivität. Sie kann durch ihre Wirkung im Leben verstanden werden. Sie ist stärker als die Hirnsteuerung, falls der Mensch nicht an seine Trieb- und Gedankenstrukturen zu stark gefesselt ist.

Ich fördere das sozialen Leben Jeder Mensch ist eingebettet in das soziale Leben seiner Gesellschaft und das allgemeine Leben auf der Erde. Obwohl das Leben wissenschaftlich nur als komplexes Zusammenspiel der Moleküle definiert wird, zeigt uns der gesunde Menschenverstand heute immer klarer, dass wir in gigantische Lebensströme eingebunden sind, die mehr als ein komplexes Zusammenspiel der Moleküle sind. Diese Lebensströme sind universell. Sie durchströmen die Pflanzen, die Tiere und uns Menschen. In der Gaia-Theorie wird sogar vermutet, dass die ganze Erde ein belebtes Wesen ist. Am Anfang ist immer das Leben und nicht der Tod. 102


Aus toten Molekülen wird nie Leben. Das Leben kann aber zerstört und geschwächt werden. Mit unserem hektischen Lebensstil, mit der Erzeugung des Elektrosmogs, mit der Verschiebung oder Zerstörung der Lebensrhythmen schwächen wir unser Leben immer mehr. Der zweite Leitsatz hilft uns, diese Lebenszusammenhänge nicht zu vergessen. Ein wichtiger Teil ist unser soziales Leben. Es macht einen Unterschied für unsere Lebensenergie, ob wir z.B. alleine essen oder in Gemeinschaft mit anderen Menschen. Wenn wir uns überlegen, welche Freude wir einem Mitmenschen machen können und sie auch tatsächlich machen, haben wir das soziale Leben gefördert. Es sind unmessbare Werte, die aber offensichtlich wirken. Eine Freude kann auch menschliche Zuwendung sein. Schon Friedrich der Zweite hat in einem tragischen Experiment gezeigt, dass Säuglinge, die alles ausser menschliche Zuwendung bekommen, nicht überlebensfähig sind. An diesem extremen Beispiel sieht man, wie wichtig der Kontakt unter den Menschen ist (Bauer, 2005). Unsichtbare Lebensströme werden permanent untereinander verstärkt oder zerstört. Wenn man nun bewusst dem anderen positive Lebensenergie – z.B. durch eine kleine Aufmerksamkeit – schenkt, trägt man zur Verstärkung des allgemeinen Lebens bei. Ein in seinen Lebensenergien gestärkter Mensch kann die Lebenskräfte der anderen Lebewesen besser stärken als ein geschwächter. Dieser Leitsatz kann umso besser verwirklicht werden, je grösser meine Aufmerksamkeit, meine liebevolle Betrachtung des anderen ist. Eine ideale Kombination ist also Leitsatz drei und zwei. Auch hier zeigt sich die Regel, dass man nie einen Leitsatz isoliert betrachten soll.

Moralgesetze 103


Moralische Gesetze wurden immer von den Religionsgründern, z.B. von Buddha, durch die innere Aktivität ihres Deltas aus dem Gegenwartsfeld «geholt». Werden diese jedoch Jahre oder Jahrhunderte immer wieder wiederholt und gepredigt, werden sie zu Strukturen, die in den Frontallappen der Gehirne ganzer Völker ihr Abbild finden. Aus dem gegenwärtig, lebendig wirkenden Delta eines Menschen, wurde ein totes «Hirnprogramm», das die Menschen fremdbestimmt. Diese Fremdstrukturen sind immer noch wichtig im Zusammenleben der Menschen. Sie machen den Menschen – frei nach Pestalozzi – zum gesellschaftlichen Menschen. Zum freien Menschen kann der Mensch sich jedoch nur durch die Aktivierung seines «Deltas in sich» machen. Nur der Mensch, der aus der Kraft der Gegenwart lebt, ist ein freier Mensch. Er wird von den Hirnstrukturen, die nicht den unbewussten Lebensfunktionen dienen, unabhängig. Er kann immer wieder neu beginnen. Er wird vom Geschöpf zum Schöpfer.

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Die drei Ideale 1. Ideal: Hebe dich immer wieder mit der Kraft des Denkens aus deiner Egostruktur und lebe im Gegenwarts-Feld als Individualität!

Im Gegenwartsfeld lebe ich in einem strukturlosen Bereich. Da es keine Vergangenheitsstrukturen gibt, habe ich auch keine Vorurteile. Man kann alles ohne Vorurteile – «so hat man es immer gemacht» – neu betrachten. So werden Erkenntnisse möglich, die man bisher aus lauter Angst vor den Autoritäten, welche die Vergangenheit bewahren wollen, nicht machen durfte, wollte oder konnte. Menschen, die Neues denken und durchführen lebten immer schon gefährlich. Früher wurden sie von der Kirche als Ketzer verbrannt. Heute verliert man seinen Job oder den Ruf als ernst zu nehmender Wissenschaftler. Wenn ich alles gegenwärtig und somit neu betrachte, kommen aus dem Gegenwartsfeld Inspirationen, die im Gestrüpp der Vergangenheitsfelder nicht möglich waren. Ich kann jede Situation, sei sie auch äusserlich unwichtig, neu fassen. Ich werde mir meiner Schöpferqualität bewusst. Darauf wies Christus mit seiner Bemerkung «Ihr seid Götter!» hin. Diese Feststellung wird ihm noch heute von allen, die ausschliesslich in den Vergangenheitsstrukturen leben, Übel genommen. In diesem Bewusstsein sind wir Menschen auch Brüder, nicht Untergebene von Christus. Auch in der jüdischen Kabbala wird man sich der Schöpferqualität des Menschen bewusst, heisst doch der Titel des Buchs des Kabbalisten M. Berg «Werden wie Gott» (Berg, 2005). Menschen, die das erste Ideal unbewusst oder bewusst ernst nehmen, haben meistens inneren oder äusseren Erfolg. Neue Erkenntnisse brauchen jedoch ihre Zeit, um sich durchzusetzen. 105


2. Ideal: Erwache an der Individualität des anderen! Erfahre das Geheimnis des Menschen.

Wenn man sich dem Delta des anderen Menschen nähert, erlebt man das Göttliche im Andern, das meinem eigenen Götlichen ähnlich ist. Ich kann tief beeindruckt oder sogar erschüttert vom eigentlichen Wesen des Mitmenschen sein. Dieses Erlebnis kann man mit den Worten der Egostruktur nur schlecht beschreiben. In meinem Gegenüber erfahre ich die lebendige Präsenz des individuellen menschlichen Geistes, der von gleicher Qualität mit dem Geist Gottes ist. Da ich mich bei diesem zentralen Erlebnis im strukturlosen Gegenwartsfeld befinde, erlebe ich wahre religiöse Stimmungen ohne religiöse Strukturen. Die alten Kirchen und Gemeinschaften spielen keine Rolle mehr. Jeder Mensch kann ohne Vermittlung der Religionsgemeinschaften und der heiligen Schriften direkt vom Geist Gottes im Menschen berührt werden. Auf dieser Ebene herrscht kein Kampf mehr zwischen den Religionen. Wir sind nicht mehr an die Schriften, die überlieferten Strukturen und Autoritäten gebunden. Man erlebt im liebevollen Gegenwartsbewusstsein die Realität der anderen Dimensionen des Menschen. In dieser Stimmung versuche ich mich an den echten Bedürfnissen des andern Menschen auszurichten. Ich wende mich voll und ganz dem Andern zu. Ich bin präsent, ich mache dem andern eine Freude, begegne dem Andern als ein mit Kraft erfülltes Ich-Bin-Wesen. Mit dieser «Kraft» versuche ich auch das Gleichgewicht zwischen Chaos und Struktur zu wahren. So habe ich das zweite Ideal mit den vier Leitsätzen verbunden. Genau genommen schwingen die andern Ideale auch mit. Denn ohne innere Aktivität kann ich mich nicht aus der Egostruktur heben - erstes Ideal- . Auch das dritte Ideal klingt an, wie ich unten zeigen werde. Wenn ich mit Hilfe der vier Leitsätze die Wirkung mei106


ner Individualität im täglichen Leben bewusst machen und erleben kann, so helfen die drei Ideale, das Delta des Mitmenschen zu erleben. Der Wechsel von den Leitsätzen zu den Idealen ist der Wechsel vom ICH zum DU und zum Ankommen im WIR. Die ganze Menschheit ist ein riesiges WIR-WESEN, das aus lauter ICH-WESEN besteht, die sich im Gegenwartsfeld durchdringen und wahrnehmen. Störend auf das gegenseitige Durchdringen und Wahrnehmen wirken alle Egostrukturen in der Menschheit. Denn jede Egostruktur vereinzelt den Menschen und lässt die Menschen aus dem grossen WIR-WESEN fallen. Positiv formuliert, ermöglicht jede Egostruktur dem menschlichen Delta in und an der Struktur des «Quadrats» aufzuwachen und sich seiner Existenz im Gegenwartsfeld bewusst zu werden. Im Gegenwartsfeld sind wir eins und doch individuell. Denn jeder Mensch hat sich auf seine einmalige Art in seinen Strukturen im irdischen Leben individualisiert. Das Leben in der Egostruktur, solange man «Herr im Haus» bleibt, ist der anstrengend, schöne Weg zum freien Menschen. Er ist der Weg der postbiologischen Evolution. Machen wir uns auf den Weg!

3. Ideal: Im Gegenwarts-Feld sind alle Menschen eins! Ich kann nicht glücklich sein, wenn es andern schlecht geht.

Wie oben erwähnt leben wir in unserem Delta ausser Raum und Zeit im Gegenwartsfeld. Deshalb kann man sagen, dass alle Menschen sich in ihrem Delta durchdringen. Alle sind im gleichen Bewusstsein, da es widersinnig ist vom gleichen Ort ausser dem Raum zu sprechen. Wenn ich erwacht, bewusst in dieser Bewusstseinssphäre lebe, erlebe ich auch die feinen Gefühle der Andern. Ich kann nicht mehr glücklich sein, wenn andere Menschen unglücklich sind. 107


Da die Menschen im Gegenwartsfeld eine Einheit bilden, leidet die Einheit, wenn es einem Teil nicht gut geht. Es n체tzt nichts mehr, wenn man sich wie fr체her hinter hohen Mauern vom Elend der Welt abschirmt. Materielle Mauern oder Distanzen trennen uns nicht mehr von Menschen, die das Lebensnotwendige nicht besitzen. Ein Mensch, der erwacht im Gegenwartsfeld zu leben beginnt, hat immer einen globalen Impuls, den Andern zu helfen. Unter Hilfe ist prim채r langfristige Hilfe zur Bewusstseinsentwicklung gemeint, die jedoch jedoch bei akutem Mangel punktuelle materielle Hilfe nicht ausschliesst.

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Die drei Ideale: Beispiele aus dem Leben M. Yunus: Banker für Mikrokredite Unter dem Gesichtspunkt der drei Ideale soll nun das Werk des Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus (Spiegel, 2006) aus Bangladesch betrachten werden. Er hat die Grameenbank gegründet, die mit Mikrokrediten Millionen armer Frauen ermöglichte und immer noch ermöglicht, eigene Minifirmen zu gründen. Die Idee wurde in allen Erdteilen erfolgreich umgesetzt. Die drei Grunderlebnisse von Yunus entsprechen dem Impuls der drei Ideale.

Hebe dich immer wieder mit der Kraft des Denkens aus deiner Egostruktur und lebe im Gegenwarts-Feld als Individualität!

Yunus erlebte, dass er sein Denken aus den alten Denkstrukturen losreissen muss. Nach dem alten Denken gibt eine Bank nur Menschen mit Sicherheit Geld. Die Grameenbank gibt Menschen nur Geld, wenn sie absolut arm sind, also keine Sicherheiten haben. Es klappt, weil die grössten Sicherheiten der menschliche Wille zum Überleben und die Kreativität sind. Nach dem alten Denken muss der Mensch zur Bank gehen, um Kredite aufzunehmen. Die Grameenbank geht zu den Menschen aufs Land. Sie engagiert sich, die Kreditnehmer im Dorf zu Verantwortlichkeitsgruppen zu formen. Sie hilft mit den Krediten, dass sich die Menschen weiter entwickeln. Nur ein Mensch, der nicht stehen 109


bleibt ist auch ein guter Kunde, der alles zurückzahlt. Nach dem alten Denken muss man den Armen mit Entwicklungshilfe helfen. Sie bekommen Almosen vom reichen Westen. Yunus zeigt, dass die Armen mit Almosen träge werden und ihren Stolz verlieren. Wenn man den Armen Kredite gibt, können sie sich selbst helfen und brauchen Almosen nur noch in Notfällen.

Erwache an der Individualität des anderen. Erfahre das Geheimnis des Menschen.

Yunus erlebte, dass die besten Professoren, um die Probleme der Armen zu lösen, die armen Frauen selbst sind. Er lernte von den betroffenen Menschen und erlebte eine riesige Kreativität bei den so genannt einfachen und ungebildeten Menschen. Er erwachte am Delta der armen Frauen und realisierte, dass in jedem Menschen eine verborgene Fähigkeit steckt, die sich mit den Mikrokrediten entfalten kann. Geld ist ein wichtiges Mittel, um Fähigkeiten auf der Erde zum Ausdruck zu bringen. Die armen Frauen sind hervorragende Managerinnen und Geschäftsfrauen geworden.

Im Gegenwarts-Feld sind alle Menschen eins! Ich kann nicht glücklich sein, wenn es Andern schlecht geht.

Yunus war als reicher Professor tief bewegt, als er sah, dass es nur wenig Geld brauchte, um die Menschen aus dem Elend zu bringen. Er konnte nicht mehr glücklich im Reichtum leben, solange die Probleme der Armen nicht gelöst sind. Yunus befragte die Dorfbewohner, wie gross der Kredit sein müsste, damit sie überleben können. Es erschütterte ihn tief, als er hörte, dass 50 Dollar für ein Dorf genügen würden. Dies war der Impuls, der zur Gründung der Grameenbank führte. Er wollte solidarisch und nachhaltige 110


Arbeit leisten. Er gab damit auch einen neuen Impuls in die von Eigeninteressen geleitete Markwirtschaft. Er zeigte, dass die Marktwirtschaft auch funktioniert, wenn man die Kreativität der armen  Menschen mit Krediten fördert. Die grösste Sicherheit ist das Vertrauen und das solidarische Bürgen füreinander. Nicht der Konkurrenzkampf in der Wirtschaft bringt den grössten Erfolg, sondern das solidarische Tragen der Verantwortung.

J. Yokoyama: Fischmarktbesitzer in Seattle Ein weiteres Beispiel für die Wirksamkeit der drei Ideale ist das Leben des Fischmarktbesitzers John Yokoyama in Seattle (Yokoyama, 2005). Er begann die Bedürfnisse seiner Kunden Ernst zu nehmen und interessierte sich für den Kunden als Menschen. Der Kunde als Fischkäufer war sekundär. In der ersten Phase begann er alles anders als bisher zu machen. So nahm er auch mit seiner neuen Optik seine Mitarbeiter als kreative Menschen wahr. Auf diese Weise wurde sein Markt ganz nebenbei zum erfolgreichsten Markt weltweit. Heute ist Yokoyama weltweit mehr in der Bewusstseinsschulung für Mitarbeiter von diversen Firmen, als in seinem ursprünglichen Geschäft tätig. Obwohl er sich schon längst zur Ruhe setzen könnte, möchte er seinen Impuls weiterhin umsetzen helfen, denn die Bewusstseinsentwicklung zum wahren Menschen ist ihm inzwischen das Wichtigste geworden. Auch er erlebt die Menschheit als Ganzes.

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B. Richner: Kinderarzt in Kambodscha Der zürcher Kinderarzt Beat Richner behandelt in seinen Spitälern heute über neunzig Prozent der Kinder Kambodschas. Auch er ging ganz andere Wege, als man in der Entwicklungshilfe normalerweise einschlägt. Er löste sich von den alten Denkstrukturen, «erwachte» am Elend der Kinder und Eltern. Er sah ein, dass er nur helfen konnte, wenn er die Korruption ausschalten konnte. So sind bis heute alle Leistungen kostenlos. Er bezahlt seine Spitalangestellten mit Existenz sichernden Löhnen. Das Geheimnis seines Erfolgs ist, die Armen mit den Methoden, Geräten und Medikamenten der Reichen zu behandeln. Für ihn sind alle Menschen gleich. Gemäss dem dritten Ideal kann er seinen Reichtum in Zürich nicht mehr geniessen, wenn es andern schlecht geht. Er will sein Spitalmodell im Sinne echter und positiver Globalisierung in die ganze Welt tragen (Richner, 2003). Die Wirksamkeit der drei Ideale zeigt sich im Wirken eines Menschen, der in der islamischen Kultur zu Hause ist (Yunus), im Wirken des Japan-Amerikaners (Yokoyama) und eines Arztes aus dem europäischen Kulturraum (Richner). Alle drei sind bewusst oder unbewusst vom universellen Impuls der drei Ideale getragen und wirken für alle Menschen im Sinne der Menschheit als ein unteilbares Ganzes. Bei allen bekannten und unbekannten Personen, die für den Menschen wirken, können die Impulse der drei Ideale gefunden werden. Es sind von allen Religionsstrukturen befreite Ideen. Es sind die Ideen der postbiologischen Evolution, die alle Menschen verbinden, wenn sie nur wollen.

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Farbige Hüte und Bewusstsein Jede Position des Deltas im Quadrat entspricht einer Schicht der Egostruktur oder der irdischen Seele. Ordnet man jeder Seelenschicht einen farbigen Hut zu, kann man die verschiedenen Bewusstseinsstufen folgendermassen beschreiben:

Leben mit dem roten Hut Mein Delta befindet sich im Gegenwartsfeld. Ich bin nicht zentriert. Es besteht nur eine ganz schwache Verbindung zum eigenen Körper und der dazugehörigen Egostruktur. Der Mensch steht ganz unter dem Einfluss seiner Egostruktur. Er denkt, fühlt und handelt wie seine Egostruktur es will. Es ist vor allem die unterste Schicht, die Schicht seiner Emotionen, die dominiert. Die unterste Schicht steht ganz unter dem Einfluss des physischen Körpers. Die Befriedigung seiner Körpertriebe steht im Vordergrund Der Mensch ist Spielball seiner Emotionsmuster. Er ist immer egozentriert und in keiner Weise mehr objektiv. Er kann sich nicht mehr in die Gefühle und Bedürfnisse des andern Menschen versetzen. Wichtig ist nur noch seine Triebbefriedigung. Das Bewusstsein ist dunkel. Er ist seelisch blind für die Belange der Anderen. Sein Leben läuft im Seelenchaos ab. Er ist hin und her gerissen. Diesen Bewusstseinszustand bezeichne ich: «Leben unter dem roten Hut».

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Leben mit dem grünen Hut Dies ist der Zustand des Menschen, der sein Leben bewusst führen will. Er hat dank seiner Fähigkeit zur Gedankenbildung gelernt, sich von der Welt zu distanzieren. Er folgt nicht mehr jedem Trieb. Er ist auch zu einer gewissen Objektivität fähig. Sein Delta ist ja schon zum Teil in sich. Da er jedoch noch nicht ganz zentriert ist, spielt ihm seine Egostruktur immer wieder einen Streich, indem sie die Gedanken vor allem benutzt, um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Die Gedanken folgen immer alten Mustern. Das Neue wird immer mit dem Alten verglichen. Es besteht kein Bewusstsein von etwas wirklich Neuem. Das Denken wird gebraucht, um die alleinige Existenz der Materie zu beweisen. Da die Egostruktur nur dank des physischen Körpers existiert, klammert sie sich so sehr an ihn. Das Delta ist für sie eine abstrakte Idee. Sie hält dem «wissenschaftlichen Diskurs» nicht stand. Dies stimmt, wenn man unter Wissenschaft die materialistische Naturwissenschaft versteht. In der postbiologischen Evolution muss man den Wissenschaftsbegriff auch auf die über- und unterphysischen Felder ausdehnen. Der Intellekt in diesem Zustand wird sehr oft zynisch. Er ist voller Verachtung für «Gefühlsmenschen», oft für die Frauen, da der Intellekt mit den fraulichen Intuitionen nichts anzufangen weiss. Er hasst alles, was man nicht mit Apparaturen beweisen kann. Er dient meistens der Durchsetzung der eigenen Interessen und verliert seine Objektivität ohne es zu merken. Er ist von Macht und Geld fasziniert. Er hat keinen Begriff von liebevoller Zuwendung. Für ihn gilt nur die kalte Logik. Mitgefühl ist ihm fremd. Er ist bestrebt, den Anderen zu erniedrigen, um selbst höher zu stehen. 114


Der Mensch ist wirklich ein Human Animal, das seinen Gedankenmechanismus gut einsetzen kann. Diesen Bewusstseinszustand bezeichne ich «Leben unter dem grünen Hut». Da sich die oben erklärten Zustände oft abwechseln, sich vermischen und oft gar nicht zu trennen sind, kann man auch sagen, man lebt unter dem «braunen Hut».

Leben mit dem gelben Hut Wenn sich das Delta nun zentriert im Quadrat befindet, steht ein Mensch vor mir, der von der Kraft seiner Gegenwärtigkeit voll durchdrungen ist. Er ist ein kreativer, besonnener Mensch, der das Leben meistert. Er hat durch bewusste Aufmerksamkeitssteigerung sein Delta gefunden. Mit liebevollem, hellem Bewusstsein nähert er sich der Welt. Er lebt im Gegenwartsfeld, solange er seine innere Aktivität aufrechterhalten kann. Das Gegenwartsfeld ist ein Feld der Liebe, der Menschlichkeit, des hellen Bewusstseins. Die Egostruktur kann dieses Feld nicht erreichen. Der Mensch lebt verbunden mit den Deltas aller Menschen im Gegenwartsfeld. Die meisten Menschen haben jedoch kein Bewusstsein davon. Durch die Beschäftigung mit den drei Idealen wächst das Bewusstsein für diese Tatsache. Liebevolle, sanfte und stille Aufmerksamkeit ist die Grundlage, um im Gegenwartsfeld zu bleiben. Man erlebt eine höhere Logik als die Logik des kalten Intellekts. Das Denken im Gegenwartsfeld ist nicht mehr das «Rattern» der Hirnzellen. Es ist die Kraft des Deltas, die fruchtbar ins Leben eingreifen kann. So kann sie beispielweise ein Kind, das ausser sich ist, zentrieren helfen. Diese Kraft nähert sich dem Andern immer in einer liebevollen Grundhaltung. 115


In diesem Zustand ist mein Delta, meine Gegenwart, in meiner Egostruktur und lässt sich nicht mehr von den alten Strukturen stören. Meine Gegenwart, meine Individualität ergreift nun mein Leben. Ich habe einen Menschen aus mir gemacht, der vom Wechselspiel zwischen dem Egostruktur gesteuerten Human Animal und dem von seinem Delta ergriffenem Körper ein klares Bewusstsein hat. Er kann mit vollem Bewusstsein vom Gegenstands- oder Vergangenheitsbewusstsein seiner Egostruktur zum Gegenwartsbewusstsein seines Deltas wechseln. Diesen Bewusstseinszustand bezeichne ich: «Leben unter dem gelben Hut».

Der Geist in der Materie.

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Delta Dynamik in der Schule und im Elternhaus Delta Dynamik ist eine neue Methode mit Kindern zu arbeiten. Das Kind wird nicht mehr nur statisch betrachtet. Die meisten Kinder können nicht mehr als stabile Erscheinungsformen, die sich über Monate ähnlich verhalten und berechenbar sind, betrachtet werden. Ein Kind ist nicht nur intelligent, brav, aufmerksam, frech, liebenswürdig, ehrlich, verlogen, fleissig, faul usw. Durch das komplexe Zusammenspiel der Feldwirksamkeiten, die von Minute zu Minute wechseln können, ist es möglich, dass das gleiche Kind innerhalb einer Lektion im Wechsel fleissig und faul, ehrlich und verlogen, liebenswürdig und frech, intelligent und dumm ist. Wir müssen den ganzen Menschen dynamisch betrachten und immer prüfen, in welchem Zustand der Zentrierung sich das Kind befindet. Es ist wichtig zu sehen, ob der Fähigkeitspol, die Talente, der gegenwärtige begabte und interessierte Mensch, seine Potenziale wirken können oder ob die Reaktionen des Kindes von den oft negativen Strukturen bestimmt werden. Da durch die Zentrierung die Potenziale des Kindes wirken können, haben wir beim zentrierten Kind oft ein ganz anderes Kind vor uns als beim Kind, das aus dem Zentrum gleitet. Je weiter das Kind schon von seinem Zentrum entfernt ist, desto mehr ist es seinen alten Strukturen überlassen. Je nach Strukturen haben wir ein fleissiges, gut erzogenes oder ein freches, chaotisches, willensschwaches Kind vor uns. Die Delta Dynamik als neue Unterrichtsmethodik kann in jeder Schule und auch zu Hause eingesetzt werden. Sie ist ein Werkzeug der postbiologischen Evolution.

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Die vier Stufen der Delta Dynamik Folgende Schritte sollten mit jedem Kind gegangen werden, um mit ihm fruchtbar arbeiten zu können: 1. Statisch: Beobachten und kennen lernen der Strukturen des Kindes. Was wirkt, wenn das Kind nicht zentriert ist? (Es kommen die guten und schlechten Strukturen der Eltern, des Volkes, der heutigen Welt, des Umfelds usw. zum Vorschein.) 2. Statisch-dynamisch: Beobachten und kennen lernen des gegenwärtigen Kindes. Was wirkt, wenn es zentriert und aufmerksam ist? (Es kommt nun die echte Individualität des Kindes zum Vorschein. Seine Potenziale, seine Fähigkeiten, sein Interessen zeigen sich.) 3. Dynamisch: Beobachten der drei Phasen der Felddurchdringung: Delta ausser sich, Delta teilweise in sich, Delta in sich. 4. Sehr dynamisch: Entsprechendes Handeln des Erwachsenen, um die Zentrierung des Kindes zu erhalten oder wieder herzustellen. Im einem ersten Schritt sollten wir sehr aufmerksam alles aus der Vergangenheit des Kindes kennen lernen, um ein gutes Verständnis für seine Strukturen zu bekommen. Wir dürfen das Kind jedoch nicht auf seine Strukturen beschränken. Es ist ja erst der erste Schritt. Im zweiten Schritt müssen wir uns beim Beobachten des gegenwärtigen Kinds selbst dynamisieren. Auch wir müs118


sen gegenwärtig sein, wenn wir etwas über das gegenwärtige Wesen des Kinds erfahren wollen. Im dritten Schritt muss ich noch dynamischer, d.h. gegenwärtiger werden, um die Phasen der Felddurchdringung objektiv beobachten zu können. Ich muss selbst hellwach und zentriert sein. Ich muss innerlich stabil und liebevoll sein, um beim Beobachten von Negativstrukturen des schlecht zentrierten Kinds nicht von Antipathie und Zorn ergriffen zu werden. Ich muss objektiv beobachten, sonst greife ich durch meine innere Haltung in den eventuell labilen Zustand des Kinds ungünstig ein. Im letzten Schritt ist der Erwachsene gefordert. Der Lehrer oder die Eltern sind nicht mehr diejenigen, die von aussen das Kind auf die gute Bahn bringen wollen. Kind und Erzieher stehen immer in einem dynamischen Prozess der gegenseitigen Zentrierung oder des gegenseitigen Wegdriftens aus dem Zentrum. Nur ein bewusster, wacher, und zentrierter Erwachsener kann dem Kind helfen, seine Zentrierung wieder herzustellen. Erziehung und Unterricht wird zum dynamischen Gleichgewicht zwischen Kind und Erwachsenen. Dieses Gleichgewicht kann jederzeit gestört werden und muss dann wieder hergestellt werden. In einer Gruppe ist das Gleichgewicht noch viel komplexer. Es ist viel schwieriger zu halten. Jedes Gruppenmitglied, Lehrer, Erzieher und Kinder, kann zur Störung und Zentrierung der Mitglieder beitragen.

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Feedbackgespräche mit Jugendlichen Zur Harmonisierung des Tagesablaufs, besonders in Schullagern, empfiehlt es sich, mehrmals täglich mit den Schülerteams Feedbackgespräche durchzuführen. Wichtig ist die strikte Einhaltung der untenstehenden Regeln, sonst werden die Gemüter nicht beruhigt sondern angeheizt. Achtet man immer auf die Farbe der Hüte im Gespräch, kann man das Gespräch in andere Bahnen lenken. Auch Jugendliche sind fähig blitzschnell zu realisieren, wenn der gelbe Hut mit dem braunen vertauscht wird.

Regeln

1. Der Sprechende spricht nur mit dem gelben Hut, d.h. liebevoll, aufmerksam, fair usw. Er versucht alte Denkmuster und Vorurteile abzulegen. Er bleibt in der Gegenwart. 2. Man spricht den Anderen direkt an: «Kevin, Dein Eisatz beim Geschirr abwaschen war sehr gross.» 3. Sobald der Sprecher zum braunen Hut wechselt, d.h. aggressiv, gemein, emotional, zynisch, hinterhältig, heuchlerisch oder lügnerisch wird, gibt es einen Punkt Abzug beim Gespräch. 4. Das Gespräch beginnt immer mit der Schilderung des Positiven (gegenwärtiger Mensch) der Gruppenmitglieder.

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5. Das Negative (alte Strukturen) wird mit gelbem Hut geäussert. Der Betroffene antwortet mit dem gelben Hut und sagt, wie er sich verbessern kann. 6. Die andern Gruppen hören aufmerksam zu und bewerten mit Hilfe des Lehrers das Gespräch.

Feedback mit gelben Hut baut auf.

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Deltadynamischer Beobachtungsbogen Mit folgendem Beobachtungsbogen kann man sich dem komplexen Wesen des Kindes nähern. Man darf nie vergessen, dass ich mit dem Kind auch mich selbst beschreibe. Ich bin nicht der Richter über das Kind. Ich darf nicht vergessen, dass ich mit dem Kind auch mich selbst beschreibe. Ich bin selbst im Prozess integriert. Der Beobachtungsbogen kann selbstverständlich auch für Familien angewendet werden. Er ist als Kopiervorlage gedacht und darf vervielfältigt werden. Im Internet unter www.deltadynamik.com kann der Bogen auch als pdf-Dokument heruntergeladen werden.

Deltadynamischer Beobachtungsbogen Datum: Name:

Klasse:

Alter:

Lehrer (Vater, Mutter):

1. Stufe: Beobachtung der Strukturen

Statisch: Beobachten und kennen lernen der Strukturen des Kindes. Was wirkt, wenn das Kind nicht zentriert ist? (Es kommen die guten und schlechten Strukturen der Eltern, des Volkes, der heutigen Welt, des Umfelds usw. zum Vorschein.) ............................................................................................................

2. Stufe: Beobachten des gegenwärtigen Menschen

Statisch-dynamisch: Beobachten und kennen lernen des gegenwärtigen Kindes. Was wirkt, wenn es zentriert, auf-

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merksam ist? (Es kommt nun die echte Individualität des Kindes zum Vorschein. Seine Potenziale, seine Fähigkeiten, sein Interessen zeigen sich.) ............................................................................................................

3. Stufe: Beobachtung der Zentrierung

Dynamisch: Beobachten der drei Phasen der Felddurchdringung (zentriert, d.h. G-im V-Feld; Übergangsstadium; V ohne G-Feld ).

1. ________ % 2. ________ % 3. ________ % Prozent im Unterricht (zu Hause): Total: 100%

4. Stufe: Handeln des Erwachsenen

Wie zentriert bin ich als Lehrer (Eltern) bei Auseinandersetzungen und Bemühungen um dieses Kind? Nr. ____ (Bitte Nummer einschreiben) Sehr dynamisch: Entsprechendes Handeln des Erwachsenen, um die Zentrierung des Kindes zu erhalten oder wieder herzustellen. Nummer 1 wäre nötig! ............................................................................................................

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12 Fragen: (Antwort: Stimmt zu x %) 1. Das Kind kann unter Stress keine Leistungen erbringen: ___ % 2. Das Kind zweifelt an seinen Fähigkeiten:

___ %

3. Das Kind will nicht üben:

___ %

4. Das Kind löst die Aufgaben mit eigenen, kreativen Ideen:

___ %

5. Das Kind ist blockiert, wenn es viele Reize verarbeiten muss: ___ % 6. Das Kind bringt sich durch seine Ehrlichkeit in Schwierigkeiten: ___% 7. Das Kind sträubt sich gegen unklare Vorschriften:

___%

8. Das Kind schweift oft ab:

___%

9. Wenn die Lehrkraft zentriert neben dem Kind steht, arbeitet es besser:

___ %

10. Das Kind «rastet» oft aus.

___ %

11. Das Kind ist zentriert äusserst sensibel, aufmerksam, liebevoll

___ %

12. Das Kind fühlt alle Stimmungen der Klasse (der Familie) und des Lehrers (der Eltern) mit. ___% 124


Auswertung Total: Total dividiert durch 12:

___ % ___ %

0 bis 20%: Das Kind hat eine stabile Feldkonstitution, lebt oft im «G- im V-Feld» Stadium. Der Lehrer (Erzieher) kann auch mit eigener ungenügender Zentrierung gut mit dem Kind arbeiten.

20 bis 50%: Das Kind lebt viel im Übergangsstadium. Gute Zentrierung der Lehrkraft (Erzieher) stabilisiert das Kind.

Über 50%: Das Kind ist viel im «V- ohne G-Feld» Besondere Zentrierung der Lehrkraft (Erzieher) nötig.

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Strukturen und Rituale für moderne Kinder Methodisch sollte ich im Unterricht oder beim Arbeiten mit den Kindern zu Hause die beiden Pole (Chaos und Strukturen) immer im Bewusstsein haben. Neige ich zu unstrukturiertem Chaos, sollte ich mehr Strukturen in meine Arbeit bringen und umgekehrt. Ich spiele mit den beiden Polen. Da die modernen Kinder oft im unstrukturierten Gegenwartsfeld leben, ist bei ihnen die Schaffung von Strukturen sehr wichtig. Habe ich jedoch kein Bewusstsein vom Gegenpol, weigern sich diese Kinder sehr schnell, meine Strukturen einzuhalten. Ich muss bewusst die Strukturen wieder auflösen können und neue, andere Strukturen schaffen. Eine wichtige Struktur für die modernen Kinder ist das Ritual. Die Begrüssung am Morgen, die Geschichte vor dem Einschlafen, die Gestaltung der Jahreszeiten, die religiösen Feste, der Beginn des Schultages usw. Ein Ritual kann über Jahre hinweg gestaltet werden. Die Wiederholung, wenn sie nicht ohne Gefühl zum Sterben gebracht wird, ist extrem wertvoll. Das Kind erhält ein seelisches Gerüst, an dem es sich halten kann. Wenn man sich nicht mehr an die eventuell schon toten Rituale der Religion halten will, ist das eigene «Delta in mir» angesprochen, lebendige Rituale zu finden.

Rituale geben Halt im Leben

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Vertiefung und Ausblick Bewusstseinsstufen bis zum DeltaBewusstsein Beobachtung am Morgen beim Aufwachen:

Ich liege im Bett, bin schon am Aufwachen, habe ein intensives Traumerlebnis hinter mir und höre eigenartige Piepstöne. Ich bin ratlos, was tönt. Einen Bruchteil einer Sekunde erlebe ich die eigenartige Situation, dass ich wach bin und mit Hilfe meiner Ohren Töne höre und doch nicht weiss, was diese erzeugt. Ich bin mir sicher, dass diese Töne keine traumerzeugten Töne sind. Ich ringe mit mir, was diese Töne erzeugt, bin hilflos, wie bei einer Mathematikaufgabe, die ich nicht lösen kann. Ich konzentriere mich mehr auf die sinnliche Wahrnehmung der Töne und kurz darauf habe ich die Lösung: Handy-Töne. Ich öffne meine Augen und sehe meine Frau neben mir, die ein SMS schreibt. Bei jedem Tastendruck piepst das Handy.

Beobachtung mit erster Erklärung:

Im Schlaf liegt mein sichtbarer Körper mit seiner Egostruktur für meine Frau sichtbar im Bett. Mein Bewusstsein ist im Tiefschlaf ausgeschaltet. Ich kann mit meinen Sinnen, obwohl sie noch vorhanden sind, nichts mit vollem Bewusstsein wahrnehmen. Diese Tatsache kann nicht an den Sinnen liegen, da sie ja von einem Betrachter als Teil des Körpers gesehen werden können. Sie sind vorhanden! Auch die Egostruktur muss im Bett liegen. Alle hirngestützten Vorstellungen der Egostruktur, der gesamte Erfahrungsschatz des physischen Lebens müssen noch im Bett vor127


handen sein, ohne dass ich ein Bewusstsein davon habe. Kurz gesagt: Mein Hirn ist intakt hinter der Schädeldecke. Ebenso sind alle Lebensfunktionen intakt. Der Leib atmet, bewegt sich hin und wieder, Hirnstrommessungen würden unterschiedliche Hirnwellen anzeigen, andere Wellen als beim bewussten Vorstellen. Wäre der bewusste Mensch nur der belebte Leib mit seiner Egostruktur oder seinem Gehirn, das oft mit dem Ego gleichgesetzt wird, müsste eigentlich alles normal «funktionieren». Es fehlt nichts und doch war ich in dieser 1. Phase ohne Bewusstsein! Das Bewusstsein erwachte erst in der Übergangsphase, in der ich Piepstöne hörte, und doch noch nicht wusste, was sie bedeuteten. Diese Übergangsphase ist extrem interessant. Ich nahm wahr, ohne das Bewusstsein meiner selbst zu erleben. Wie im Traum hörte ich in einem abgedämpften Bewusstsein mit meinen physischen Sinnen die Töne. Ich war in einem Vakuum. Ich hatte schon ein Bewusstsein der Piepstöne, konnte dieses aber nicht auf mich beziehen, weil ich noch kein Bewusstsein meiner selbst hatte. Etwas nahm mit den physischen Sinnen Töne wahr, ohne Selbstwahrnehmung. Erst im nächsten Moment erwachte meine Selbstwahrnehmung, als ich verzweifelt nach einer Erklärung suchte. Ich erlebte mich verzweifelt, weil ich keine Erklärung gefunden hatte. Ich erlebte meine «Suchbewegungen», die ins Leere «tappten». Die Instanz, welche die Piepstöne beurteilen sollte, um Klarheit zu bekommen, ist sich durch das erste Fehlschlagen ihrer Selbst bewusst geworden. Die Suchaktivität war die Grundlage des Bewusstwerdens des «Deltas in mir». Bei den nächsten Versuchen, eine Erklärung zu finden, ein Urteil zu fällen, glückte es. Ich wusste schlagartig, ohne die Erkenntnis aus zu formulieren, dass es die Piepstöne des Handys meiner 128


Frau waren. Im Delta-Bewusstsein gibt es noch keine hirngestützten Wortvorstellungen und doch ist der «Inhalt» der Wörter, ihr Begriff, blitzartig klar. In diesem Moment war ich voll da, ich war im Delta-Bewusstsein aufgewacht, hatte die Augen noch geschlossen, war aber noch nicht in mein Alltagsbewusstsein eingetreten. Danach schlug ich die Augen auf und verifizierte mein vom Sehsinn unabhängig gefälltes Urteil. Selbstverständlich lag meine Frau mit ihrem Handy neben mir. Dieses zweite Urteil war wirklich überflüssig. Es wurde nun ohne ein Bewusstsein der Delta-Tätigkeit gefällt, wie jedes Wahrnehmen im Alltagsbewusstsein überbewusst erfolgt. Das Alltagsbewusstsein kann ja nur die Ergebnisse wahrnehmen. Der Prozess, der zur Bildwahrnehmung führt, ist nur im Delta-Bewusstsein möglich. Ich war aber nun endgültig in mein gespiegeltes Gegenstandsbewusstsein eingetreten. Ich konnte meine nun überbewusste «Suchbewegung» nicht mehr erleben, die mir zum Ergebnis der Handypiepstöne verhalf. Ich erlebte mich als Hanspeter Diboky, der im Jahr 2007 aufgewacht war, und die Welt als gegenständliche Welt erlebte. Solche Momente erlebt jeder Mensch tausendfach. Was meistens nicht bewusst wird, sind die feinen Übergänge, die man nur durch die Steigerung der Aufmerksamkeit beobachten kann. Ohne Aufmerksamkeitssteigerung wache ich auf und sage vielleicht, ich sei vom Handy geweckt worden. Das Problem ist somit beendet und klar. Die Egostruktur hat kein Interesse an einer subtileren Beobachtung, sonst würde sie ja die Existenz des «Deltas in sich» bemerken und ihre absolute Wichtigkeit verlieren. Sie würde akzeptieren müssen, dass ihr Bewusstsein nur eine Vorstufe des Delta-Bewusstseins ist und seine Egoismen verlieren müsste, wenn es sich um das Delta-Bewusstsein erweitern möchte. Ich durchlebte im Zeitraum von einigen Sekunden unbe129


wusst und bewusst verschiedene Bewusstseinsstufen und ihre Übergänge, die besonders interessant sind. So kann man durch Selbstbeobachtung ergänzt mit den Fakten der Wissenschaft auf vier plus eine Bewusstseinsstufe kommen, von denen ich mir direkt oder indirekt ein genaues Bild machen kann. Wenn ich vier Stufen beobachten kann, muss noch ein Bewusstsein da sein, das beobachtet. Dieses Bewusstsein ist nicht irgendein Bewusstsein. Es ist ein Bewusstsein, das über den vier Stufen steht und zu mir gehört: Es ist die fünfte Stufe, mein Delta-Bewusstsein. Es kann sich durch seine Tätigkeit seiner selbst bewusst werden. Im Alltag kann es sich der Sprache und der Logik des normalen Selbstbewusstseins bedienen. So sind auch seine Erlebnisse mit dem normalen sich selbstbewussten Gegenstandsbewusstsein der Egostruktur nachvollziehbar. Der gesunde Menschenverstand kann jedoch die Beobachtungen nur nachvollziehen, sofern die Egostruktur nicht zu stark in wissenschaftlich, materialistische Vorurteile verstrickt ist. Die reinen, noch ohne materialistische Interpretation geschilderten Fakten der exakten Wissenschaft sind wie erweiterte eigene Wahrnehmungen zu gebrauchen. Folgende Interpretationen des Aufwachmoments sind auf der Grundlage der Delta Dynamik entstanden und nur in groben Strichen skizziert. Ausführlichere und genauere Erklärungen sind in meinem nächsten Buch «Das Deltagramm» gegeben.

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Bewusstseinsstufen der biologischen Evolution Die irdische Vier Die Trennung in vier Bewusstseinsstufen sollen der Verständlichkeit dienen. Bei der Selbstbeobachtung erlebt man jedoch viele Übergangsstufen. So ist es schwierig zu sagen, wo das Traumbewusstsein aufhört und das Pseudowachbewusstsein beginnt. Da in allen Stufen das Delta-Bewusstsein überbewusst tätig ist und der Mensch seine innere Aktivität in unendlich feinen Stufen zwischen überbewusst, halbbewusst und vollbewusst erleben kann, ist es auch schwierig zu sagen, wo die vierte Stufe aufhört und die fünfte beginnt. Bewusstseinsveränderungen sind ja Helligkeitsveränderungen oder Aktivitätsveränderungen. Es wird kontinuierlich heller, man wird kontinuierlich aktiver. Andererseits darf man auch nicht ausser Acht lassen, dass das Licht nach einem Gewitter plötzlich durch die Wolken brechen kann. Dies würde einem Bewusstseinssprung entsprechen. Diese feinen Übergänge sind auch in der Praxis der Medizin eine Grauzone. Wann ist der noch lebende Körper, zweite Bewusstseinsstufe, in den toten Körper, ersteBewusstseinsstufe, übergegangen? Dies ist eine wichtige Frage bei Organtransplantationen. Auch an diesem Beispiel kann man erkennen, das letztlich alles Bewusstseinsfragen sind. Die wichtigsten Fragen im Leben sind die Fragen nach dem Bewusstsein. Wovon habe ich schon ein Bewusstsein und wovon nicht. Wenn man den Schritt vom Pseudowachbewusstsein ins Delta-Bewusstsein gemacht hat und sei er auch noch so klein, liegt eine unendliche Weiterentwicklung noch vor uns. Wir erleben das Göttliche in unserem Bewusstsein. Wir werden nur noch von unserer eigenen Passivität gebremst. 131


1. Stufe: Mineralbewusstsein Bewusstsein mit schwarzem Hut Im Selbstbeobachten haben wir kein Bewusstsein des Bewusstseins des physischen Körpers. Nur ein Aussenstehender kann den schlafenden Körper sehen. Aus den vielen Beobachtungen der Wissenschaft kann er wissen, dass der physische, materiell sichtbare Leib mit einem Nervensystem ausgestattet ist, das als das komplexeste Gebilde im Weltall bezeichnet werden kann. Alle Zellen im physischen Leib müssen von einem intelligenten Bewusstsein durchdrungen sein, das sich bewusst ist, wozu die einzelnen Zellen dienen und in welche komplexen Funktionen sie eingebunden sind. Auch in leblosen Körpern herrschen Gesetze. So sind Edelsteine nach den Gesetzen der Platonischen und Archimedischen Körper aufgebaut. Ohne Bewusstsein wäre dies nicht möglich. Dieses tiefgründige oder hohe Bewusstsein ist dem heutigen menschlichen Bewusstsein im Allgemeinen nicht zugänglich.

2. Stufe: Schlafbewusstsein Bewusstsein mit grauem Hut Auch in den schlafenden lebendigen Körpern laufen die Lebensprozesse, wie z.B. die Verdauung, für den Menschen ohne Bewusstsein ab. Lebensprozesse gehorchen komplexen Gesetzen, die ohne Bewusstsein nicht wirken könnten. So verdaut sich der Magen nicht selbst, verdaut aber Fleisch, das ähnlich wie der Magen ist. Die Lebensprozesse in der Sonnenblume bilden Blüten, die wunderschöne Spiralmuster aufweisen, die nach dem Grundgesetz der FibonacciFolge aufgebaut sind. Es muss auch hier ein Bewusstsein 132


vorhanden sein, das die Gesetze der Fibonacci-Folge und weitere den Menschen noch nicht bekannte Zusammenhänge kennt und für ein intelligentes Bewusstsein sichtbar macht. Die Prozesse des lebenden Leibs sind für den Menschen in tiefes Schlafbewusstsein getaucht. Mit dem Alltagsbewusstsein berühren wir nur ihre Oberfläche. Die Wissenschaft ist noch nicht fähig, Leben hervorzubringen. Sie manipuliert nur schon bestehendes Leben.

3. Stufe: Traumbewusstsein Bewusstsein mit rotem Hut Das Traumbewusstsein und alle andern Bewusstseinsstufen habe ich als Bewusstseins-Schicht erst, wenn ich träume oder so genannt wach bin. Im Traumbewusstsein im Aufwacherlebnis vom Kapitelanfang hörte ich die mir fremdartigen Töne mit physischen Ohren im Übergangszustand zwischen Wachen und Schlafen. Ich hörte sie, war aber zunächst nicht ins Geschehen einbezogen, da ich noch kein Selbstbewusstsein hatte, das alle Sinneserlebnisse unbewusst auf dem Hintergrund der Egostruktur erlebt. In diesem Übergangszustand entsteht die Möglichkeit, das Traumbewusstsein ohne das Eingreifen des Egobewusstseins zu beobachten. Im Wachzustand ist der Lärm der Egostruktur so gross, dass die Traumbewusstseinsstufe nicht erkannt wird. Wenn man sie einmal erlebt hat, kann man sie unschwer im Gefühlsleben wieder erkennen. In meinen Gefühlen besteht nie absolute Klarheit, die ich mir beim Denken mit der Egostruktur gewohnt bin. Meine Emotionen kommen und gehen, ohne dass ich weiss, woher sie kommen, warum sie kommen und wohin sie ge133


hen. Es ist ein abgedämpftes Bewusstsein. Es spielt immer in die vierte Bewusstseinsstufe hinein. In unserem ganzen Leben wogen die Emotionen herauf und stören oder bereichern die glasklaren Gedanken der vierte Stufe. Man kann sogar bemerken, dass die Assoziationsketten und der Gedankenautomatismus letztlich im Traumbewusstsein leben. Falls in den tiefen Schichten des Körpers und der Lebensprozesse etwas nicht in Ordnung ist, kann ich im Traumbewusstsein etwas davon ahnen. Es kann aber nicht zu klaren Wahrnehmungen und Erkenntnissen kommen, weil es keine Instanz gibt, die Klarheit schaffen kann.

4. Stufe: Pseudowachbewusstsein Bewusstsein mit grünem Hut Beim Beobachten der Klingeltöne habe ich vorerst die 4. Stufe übersprungen. Ich habe durch die «Suchtätigkeit» meines Deltas mein Delta erlebt. Ins Pseudowachbewusstsein bin ich erst eingetaucht, als ich die Augen öffnete und meine Frau beim SMS-Schreiben sah: Ich sah die Gegenstände unseres Zimmers, hörte die Geräusche der Umgebung. Alles war so wie wir es gewohnt sind. Die Egostruktur verschaffte mir mit Hilfe meines überbewusst wirkenden Deltas die Übersicht. Die Welt war vor mir ausgebreitet. Ich musste mich nicht einmal anstrengen, um sie entstehen zu lassen. Ganz im Gegenteil hatte ich gar keinen Grund zu glauben, dass sie in der gegenständlichen Form, wie ich sie sah, erst durch meine überbewusste Tätigkeit meines für mich im Normalfall überbewussten Deltas entstanden war. Der Tisch war doch auch als Tisch im Zimmer, als ich noch schlief. Die äussere Welt erscheint für das Bewusstsein der Ego134


struktur als materielle, gegenständliche Welt. In der vierten Stufe erlebe ich die feinen Untertöne der Welt noch nicht. Sie ist wie eine Vorstufe zur «Menschwerdung». Sätze wie « […] , dass die Erfahrung im Augenblick, wo sie gemacht wird, oft gar nicht bemerkt wird. Wenn sie ihre revolutionäre Wirkung entfaltet und dafür sorgt, dass ein Leben in ein ganz neues Licht getaucht wird und eine vollkommen neue Melodie bekommt, so tut sie das lautlos, und in dieser wundervollen Lautlosigkeit liegt ihr besonderer Adel.» werden aus der Sicht der vierten Stufe als wesenlose emotionale Schnörkel empfunden. Die Tiefe dieser Sätze kann erst wirklich empfunden werden, wenn im Leser selbst das eigene Delta erwacht. Sie sind im Roman «Nachtzug nach Lissabon», (P. Mercier, 2006) nachzulesen, der von den für physische Sinne unhörbaren Untertönen lebt. In diesem Roman schildert Pascal Mercier, wie das Delta in vielen Personen erwachen möchte. Tragisch wird es immer dann, wenn die Gewalt der alten Strukturen siegt. Wenn das Delta die Führung übernimmt, geschieht immer ein Akt der Freiheit, da der Geist sich nicht mehr von der Materiewirkung der Egostruktur unterdrücken lässt. Im Roman werden wir an die Grenze zur fünften Stufe geführt. So ist dieser Roman nicht nur auf Grund des Erscheinungsdatums, sondern auch durch das Ringen des Autors um das Bewusstsein der postbiologischen Evolution im wahrsten Sinn des Wortes modern.

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Bewusstseinsstufen der postbiologischen Evolution Die spirituelle Drei: Das Delta-Bewusstsein Das Delta-Bewusstsein ist immer ein aktives Bewusstsein, das nur auf Grund der inneren Aktivität aufrecht erhalten werden kann. Es ist ein Bewusstsein, das auf die Materie des Gehirns nicht angewiesen ist. Mit diesem Bewusstsein erlebt man, dass Materie das Bewusstsein dämpft. Die lebendigen Prozesse werden abgelähmt.

5. Stufe: Hellwachbewusstsein Delta-Bewusstsein mit gelbem Hut Beim Aufwachen habe ich erlebt, wie mein Delta aktiv war. Seine Aktivität war die Grundlage, dass ich seine Existenz erlebte. Es war keine Spekulation meiner Egostruktur, da ich mich noch kaum auf sie stützen konnte. Ich befand mich im Aufwachzustand, in dem sich mein Delta noch gar nicht intensiv mit meiner Egostruktur verbunden hatte. Im Delta-Bewusstsein erlebte ich die sonst überbewusste Urteilsbildung. Ich bin als mein Delta die «Suchbewegung», die in der Struktur den physischen «Abdruck» in der Egostruktur suchte, den meine letzte «Deltabewegung» beim Wahrnehmen der Handy-Töne hinterlassen hat. Im DeltaBewusstsein wird mir das Überbewusste der vierte Stufe bewusst. Ebenso erkenne ich das Unterbewusste der vierte Stufe. Die Gründe meiner unterbewusst gesteuerten Taten werden sichtbar. Auch die Negativstrukturen der anderen 136


werden leichter durchschaubar. Der Prozess der Gegenstandsentstehung wird erlebbar. So kann man auch sagen, dass das Delta-Bewusstsein in der 5. Stufe ein Bildeprozessbewusstsein ist. Es erlebt, wie die Gegenstände in unserem Pseudowachbewusstsein entstehen. Ein Gegenstand im Gegenstandsbewusstsein wird ja dadurch zum Gegenstand, dass ich unzählige Urteile überbewusst und blitzschnell gefällt habe: er klingt, ist hart, ist aus Holz, hat eine Quaderform, er riecht nach Tannenharz. Dann sehe ich ihn und erlebe ich ihn als Gegenstand, vorher verschwimmt alles in unerkannten Prozessen. Der Gegenstand ist eine Überlagerung von vielen Sinneswahrnehmungen oder Erinnerungsvorstellungen die alle Spuren in der Egostruktur zurückgelassen haben.

6. Stufe: Klangbewusstsein Delta-Bewusstsein mit weissem Hut Man spricht ja oft vom inneren Menschen, dass er eine bestimmte Melodie in seinem Leben lautlos erklingen lässt und meint damit den Klang seiner geistigen Seele. Man kann diesen Klang nicht fassen. Er ist jedoch für sensible Menschen mit der Wachheit ihres Delta-Bewusstseins vernehmbar.

7. Stufe: Wesensbewusstsein Auf dieser Stufe erlebe ich, dass ich eins mit allen Wesen bin. Ich kann auch bewusst erleben, dass ich eins, mit einem andern Menschen bin. Es gibt keine äusserliche Trennung mehr. Die einzigen Schranken sind die Bewusstseinsschran137


ken. Andererseits bin ich eins und doch noch mich selbst. Ich erlebe mit vollem Bewusstsein, das ICH BIN. ICH BIN ein ICH-BIN-WESEN.

Vom Ego zum Erleben des Deltas Es gibt zwei Arten des Aufwachens: Das Aufwachen am Morgen in der Egostruktur und das Aufwachen aus der Egostruktur durch die Tätigkeit meines Deltas. Beim ersten Aufwachen ist mein Delta überbewusst in der Urteilsbildung tätig. Es ist die Kraft, welche die Kräfte des Chaospols zurückdrängt und das Vorstellungsleben, das Denken der Egostruktur, dadurch möglich macht. Es ist auch die Kraft, die im Frontallappen als physische Basis die Formpolstrukturen aufbaut und den Überblick über die Egostruktur hat. Dies zeigt sich physisch in der Vernetzung und Steuerung im Frontallappen. In ihm werden die Hirnareale vernetzt und überbewusst bewertet. Die moralische Stimme wird in der Egostruktur hörbar. Das zweite Aufwachen die Bewusstwerdung des Deltas durch die eigene Aktivität in der Egostruktur. Gelingt es mir, die Eigenaktivität so zu erhöhen, dass die automatische Tätigkeit der Egostruktur verlangsamt wird, erlebe ich meine eigene geistige Tätigkeit bewusst. Sobald ich mit meiner Aktivität nachlasse, dominiert wieder der Automatismus der Egostruktur. Anders gesagt kann ich durch innere Anstrengung gegenwärtig werden und sehe dann die gegenwärtigen Prozesse und die Vergangenheitsstrukturen oder ich falle in das Alltags-Vergangenheitsbewusstsein zurück, das mir die Welt statisch, als Welt der Gegenstände, zeigt. Ich sehe dann die Objekte, bin mir aber nicht mehr bewusst, dass ich die Objekte in meinem Bewusstsein durch meine 138


eigene überbewusste Tätigkeit zum Vorschein bringe. Es gibt aber auch zwei Arten des Einschlafens: Die erste Art ist das Einschlafen oder überbewusst Werden der eigenen Geisttätigkeit, wenn der Geist in die Egostruktur eintaucht und das Alltagsbewusstsein die Oberhand gewinnt. Das Bewusstsein der Egostruktur ist so laut und grob gegenständlich, dass es die feinen Klänge und Bildprozesse des Deltas übertönt und zudeckt. Der heutige Egostrukturmensch hört und sieht nur noch den Lärm und die so genannt materiellen Gegenstände und vergisst sein eigenstes Wesen. Er befindet sich im Schlafzustand in Bezug auf sein seelisch-geistiges Wesen, auf sein Delta. Das zweite Einschlafen geschieht, wenn das geistig-seelische Wesen des Menschen, das Delta in mir, am Abend die Egostruktur verlässt. Eine vom Delta nicht mehr durchdrungene Egostruktur verliert ihr Alltagsbewusstsein, da die überbewusste Tätigkeit, die das Vorstellungsleben erst ermöglicht, nicht mehr wirkt. Da das Erleben der eigenen Delta-Tätigkeit heute noch nicht stark ist, verliert man auch das Bewusstsein des Deltas. Der Mensch schläft auf der physischen und geistigen Ebene.

Von der Ich-Vorstellung zum Erleben des Ich-bin-Wesens Den Übergang vom Egostrukturbewusstsein zum DeltaBewusstsein kann folgendermassen beschrieben werden. Im Egostruktur-Bewusstsein lebt man in inneren Bildern oder Erinnerungsvorstellungen. Diese Vorstellungen sind das Ergebnis der überbewussten Deltatätigkeit. Alle Vorstellungsbilder brauchen immer als Grundlage ihres Er139


scheinens die materielle Grundlage der Egostruktur. Wenn das Gehirn vom Delta im Schlaf oder Koma nicht aktiviert wird, oder extremer formuliert, wenn das Gehirn im Tod nicht mehr vorhanden ist, kann man keine Vorstellungen mehr haben. Es gibt zwei Vorstellungsarten: 1. Die Vorstellungsbilder, die durch die Tätigkeit der Sinne und die überbewusste Delta-Aktivität entstehen. Einfach gesagt: das Erleben der Welt durch die Sinne. 2. Das Erleben der Welt in den Erinnerungsvorstellungen. Durch das direkte Erleben der Welt entstehen im Gehirn Strukturen, die beim Erinnern vom Delta «abgescannt» werden und das Vorstellungsbild durch die überbewusste Deltatätigkeit etwas blasser als das Original entstehen lassen. Die Delta-Aktivität wird meistens übersehen. Ein Hinweis, dass man die Delta-Aktivität nicht ausser Acht lassen kann ist der Schlafzustand. Im Schlaf kann man ja weder sehen noch erinnern, weil sich die Delta-Aktivität nicht mehr im Leib abspielt. Wie und wo genau die Egostruktur strukturiert wird, kann man beispielweise bei Spitzer,und Bauer nachlesen. Allgemein ist heute bekannt, dass die Egostruktur, die materielle Grundlage des Erinnerns und Denkens sich nur durch permanente Übung gebildet und erhalten bleibt. Kurz: Use it or loose it! Die Frage, wer übt und wer die Egostruktur formt, wird leider in der Wissenschaft selten oder gar (noch) nicht gestellt. Der Impuls zum Üben und das Interesse an der Welt sind sicher nicht im Gehirn zu finden, weil er aus dem überphysischen Delta kommt. Beide Vorstellungsarten entstehen also durch die überbewusste Aktivität des Deltas in Kombination mit der Ego140


struktur. Sobald sie im Innern wahrnehmbar werden, sind sie Vergangenheit geworden. Die Welt, die ich so genannt gegenwärtig wahrnehme, ist im innern Bild auch schon Vergangenheit. Im Alltag nehme ich ja auch so wahr, dass die Anregung von aussen sofort, automatisch, ein altes Erinnerungsbild von Innen entstehen lässt. Ich nehme nicht die Tanne vor meinen Augen wahr, sondern ein Erinnerungsbild einer anderen Tanne. Bemühe ich mich die Tanne vor meinen Augen wahrzunehmen, muss ich verhindern, dass sich irgendein Erinnerungsbild einer Tanne in mir automatisch auftaucht. Dies ist nur unter erhöhter innerer Aktivität möglich. Das Wahrnehmen der echten Gegenwart ist immer ein Prozess der bewussten Delta-Aktivität in der Egostruktur. Ein bewusstes Durchdringen der Körpersinne mit der bewussten Aktivität des Seelisch-geistigen des Menschen. Selbstverständlich gibt es auch eine Überlagerung der beiden Bewusstseinszustände. So kann die Tanne zum grössten Teil als alte Erinnerungsvorstellung und gleichzeitig ein bestimmter Tannenzapfen relativ gegenwärtig wahrgenommen werden. Der Mensch ist ja das einzige Wesen, das mit seinem Delta in der materiellen Egostruktur die Welt erleben und wahrnehmen kann. Er ist weder nur Säugetier noch ein überphysischer Engel. Wie wir gesehen haben sind die inneren Vorstellungen mit Ausnahme einer einzigen alle von aussen, von der Welt, angeregt und haben ihre physische Grundlage im Gehirn. Welche Vorstellung ist nun nicht von aussen angeregt, hat seine Grundlage aber auch im Gehirn? Es ist die Ich-Vorstellung. Nur ich kann «Ich» zu mir ich sagen. Alle andern Iche sind für mich ein Du! Meine Ich-Vorstellung kann also nicht von aussen angeregt sein. Dass meine Ich-Vorstellung ihre physische Grundlage im Gehirn hat, zeigt sich durch 141


folgende Überlegung: Meine Ich-Vorstellung verschwindet, wenn ich schlafe. Mein Ich-Bin-Wesen, das auch bei meiner Ich-Vorstellung, wie bei allen andern Vorstellungen überbewusst tätig wird, ist dann nicht mehr in der Egostruktur tätig. Die Ich-Vorstellung wird auch mit dem Tod, dem Ende der physischen Egostruktur, verschwinden, da sie die Grundlage im Gehirn besitzt. Die menschliche Ich-Vorstellung ist demnach nur solange erlebbar, solange die Egostruktur ein Bewusstsein aufrecht erhalten kann. Die Ich-Vorstellung ist also nur das Spiegelbild des Ich-Bin-Wesens. Es ist nicht der ewige Geist des Menschen selbst. Sie ist aber auch nicht nur das Produkt des Hirns. Das Hirn ist zwar wie bei allen Vorstellungen die notwendige Basis. So wie der Mensch ohne Hirn kein Vorstellungsbild eines Apfelbaums in sich hat, kann er auch ohne Hirn keine Ich-Vorstellung haben. So wie der Apfelbaum auch ohne menschliches Gehirn in der Natur wächst, existiert auch das Ich-Bin-Wesen, das Delta, ohne menschliches Gehirn. Das Delta durchdringt im Wachzustand die Egostruktur, ist aber nicht mit der Egostruktur zu verwechseln. Die Egostruktur repräsentiert den irdischen Menschen, der als Bürger mit Namen und Adresse erfasst werden kann. Dieser Bürger wird überbewusst von der Tätigkeit seines Deltas im Laufe seines Lebens individuell geprägt. Sein Delta ist seine wahre Individualität, die über den Tod hinaus weiter lebt. Wie kann man nun das Bewusstsein des Deltas beschreiben? Das Ich-Bewusstsein stützt sich auf die Egostruktur. Es entsteht das bildhafte Gegenstandsbewusstsein, das immer auch ein Selbstbewusstsein ist. Dieses Bewusstsein der Egostruktur leugnet auch oft seine Quelle, sein Ich-BinWesen. Es vertraut seiner materiellen Basis mehr als seinem überbewussten Delta. 142


Das Delta Bewusstsein ist zunächst überbewusst, also vom Ich-Bewusstsein nicht wahrnehmbar. Es besitzt keine physische Grundlage, in der es sich spiegeln könnte, sonst würde es ja selbst zum Ich-Bewusstsein. Das Delta-Bewusstsein, das Bewusstsein des Geistes, funktioniert nicht automatisch wie das Egostrukturbewusstsein. Jeder Mensch erhält durch die biologische Evolution, sofern er gesund ist, sein Egobewusstsein. Sein Delta-Bewusstsein muss sich der Mensch der postbiologischen Evolution selbst erschaffen. Wenn der Mensch innerlich aktiv ist, wenn er ganz gegenwärtig, aufmerksam ist, erlebt er sich in seiner inneren Aktivität. Er braucht nun keinen Spiegel, um Bewusstsein zu entwickeln. Seine eigene Tätigkeit gibt ihm die Basis für sein DeltaBewusstsein. Je grösser seine Aufmerksamkeit, je gegenwärtiger er ist, desto grösser wird sein Delta-Bewusstsein. Das Erleben unserer inneren Aktivität gibt uns ein Bewusstsein über unser materieunabhängiges Sein. Dieses Bewusstsein ist kein Spiegelbewusstsein, es wird auch zum Sein. Ich bin ein bewusstes Ich-Bin-Wesen geworden. Das Delta-Bewusstsein ist in seiner Qualität ein göttliches, schöpferisches Bewusstsein. Wir sind in unserer schöpferischen Qualität Gottes Ebenbild geworden. Wir sind das einzige Wesen, das in einem physischen Leib ein Gottesbewusstsein entwickeln kann. In Realität sind bei den meisten Menschen, die danach streben, die bewussten Erlebnisse des Ich-Bin nur von kurzer Dauer. Es ist aber schon viel erreicht, wenn man bewusst zwischen Ego-Bewusstsein und Delta-Bewusstsein abwechseln kann oder aus dem DeltaBewusstsein das Ego-Bewusstsein beobachten kann. Das mittelfristige Ziel der Delta Dynamik ist, dass wir mit dem Delta-Bewusstsein unsere Egostruktur durchschauen lernen und die bewusste Führung unseres Lebens übernehmen können. Unser Delta dirigiert die vielfältigen Stimmen und 143


Kräfte unserer Egostruktur. Delta Dynamik soll uns lebenstüchtiger machen und nicht als Hilfe zur Flucht aus der Egostruktur dienen. Ohne Egostruktur könnten wir unser Delta-Bewusstsein nicht entwickeln! Das bewusste Leben in unserer Egostruktur ist der Weg zu Gott. Das zu frühe Verlassen der Egostruktur verhindert unsere Gottwerdung. Das zu lange Absacken in ihr ebenso. Unbewusstes Leben in der Egostruktur kann in der Zeit der postbiologischen Evolution gefährlich werden. Wenn wir in unserer Egostruktur nicht aufwachen sind wir den negativen Kräften der Struktur hilflos, d.h. ohne Bewusstsein, ausgeliefert. Die Struktur übernimmt dann die Führung und wir werden zum kalten Intelligenzroboter, zum schwärmerischen Emotionsmenschen, der die Materie verachtet, oder zum Menschen, der zwischen beiden Extremen hin und her gerissen ist und sein Zentrum nicht finden kann.

Bild zum Ego-Bewusstsein und Delta-Bewusstsein In der Zeit als ich mich mit dem Problem des Unterschieds zwischen Ich- und Delta-Bewusstsein intensiv beschäftigte, war ich auf einer riesigen Autofähre und wollte am frühen Morgen den Sonnenaufgang auf dem Deck geniessen. Ich wanderte auf dem Oberdeck hin und her. Ich musste mich gegen den Sturm durchkämpfen. Im Osten sah ich einen Lichtstreifen hinter den Wolken. Die Morgendämmerung kündigte sich schon an. Die Gischt der hohen Wellen spritzte mir ins Gesicht. Bald war vom Sturm unterkühlt und wusste, dass es noch mindestens eine Stunde dauern würde, bis die Sonne sich im Osten erheben würde. Diesen Moment wollte ich nicht verpassen und begab ich mich in 144


die Schiffsbar, wo einige Nachtschwärmer sassen und sich einen Drink genehmigten. Die Bar war im Innern der Fähre der schönste Raum, da die Aussenwand aus riesigen Glasfenstern bestand, die den Blick auf die Weiten des Meeres frei gaben. Dort erlebte ich die Lösung meines Problems als Bild. Wider Erwarten sah ich im Dämmerlicht der Barbeleuchtung den Morgenhimmel und die Wogen des stürmischen Meers nicht. Die schwache Beleuchtung der Bar machte aus der riesigen Fensterfront einen gigantischen Spiegel, der mir den ganzen Innenraum der Bar, inklusive mich und die anderen Gäste spiegelte. Im ersten Moment war ich enttäuscht und wollte die Bar verlassen. Doch dann realisierte ich, dass ich mich am besten Ort des Schiffs befand, um eine bildliche Lösung für meine Bewusstseinsfragen zu erhalten.

Erste Interpretationsstufe Die Autofähre entspricht einer riesigen Vergangenheitsstruktur. Sie schwimmt auf den Wogen der gegenwärtigen Realität und wird vom gegenwärtigen Wind umströmt. Wasser und Luft waren immer schon Bilder des Geistes. Die Fähre als Konstruktion des Menschen bildet einen Innenraum, der aus komplizierten Vergangenheitsstrukturen gebildet wird. Die voll klimatisierten Schlafräume, die Motoren, die Restaurants usw. Diese Struktur ermöglicht dem Menschen das Meer mit seinem Auto sicher zu überqueren. Im Innern der Fähre kann der Mensch ein spannendes Leben führen. Er kann andere Menschen kennen lernen, einkaufen, lesen, Filme schauen, essen, Geschäfte abwickeln. Viele Stimmen aus den Lautsprechern oder von anderen Menschen, die sich auch auf der Fähre befinden, beein145


flussen ihn. Die einen wollen ihn in Illusionen festhalten, die anderen wecken im Casino seine Geldgier. Er kann im Schiffskino von Emotionen gepeitscht werden oder in kalter Logik beim Berechnen seiner Gewinne mit dem PC erstarren. Auf dem Schiff sind unsere inneren Stimmen der Egostruktur reale Menschen oder Stimmen aus Lautsprechern. Das Schiffsinnere ist eine eigene Welt. Wir können im Schiff leben wie wir in unserer Egostruktur leben. In der Egostruktur haben wir aber selten das klare Bewusstsein, dass wir in einer durch die Evolution entstandenen Vergangenheitsstruktur abgesondert vom realen Leben des Geistes leben. Im Schiff erinnern uns die harten Schläge der Wogen, der Sturm, der übers Deck fegt, die Sonne, die durch die Fenster scheint, an das reale Leben, das gegenwärtig stattfindet. Im Leben der Egostruktur können wir jedoch auch in seltenen Momenten ans reale «Geistesmeer», in dem wir unsere echte Heimat finden könnten, erinnert. Dies ist der Fall, wenn wir durch Glück und vor allem Unglück «geschüttelt» werden: Bei der Liebe zu einem andern Menschen oder bei Unfällen und Todesfällen. Unser Egobewusstsein ist wie ein Mensch, der im Innern des Schiffs sitzt, sich weigert durch ein Fenster aufs Meer zu schauen, und behauptet, das reale Leben, das reale Meer, die realen Stürme, die reale Sonne existieren nicht. Für ihn ist nur die Struktur des Schiffs real. Er glaubt auch, dass die Realität draussen, wenn sie doch existieren würde, vom Menschen nie erlebt werden könnte. In unserem Bild könnten die Passagiere niemals aufs Oberdeck gehen und die Realität – die Sonne, den Wind und die Gischt – erleben. Die Vorstellung, dass die Passagiere mit vollem Bewusstsein, ohne ins Nichts zu fallen, das Schiff sogar verlassen könnten und ohne Schiff ein komplexeres, eventuell sogar erfüllteres Leben führen könnten, ist ihm gänzlich fremd. Für die Egostruktur gilt: Ohne Schiffstruktur gibt es keine Existenz. 146


Zweite Interpretationsstufe Zurück zur riesigen Fensterfront, die mir das Spiegelbild der Bar zeigte und dadurch den Blick aufs Meer verwehrte. Im Bild war ich ein Mensch, der Sehnsucht nach der Realität des Lebens hatte und das «Geistesmeer» sehen wollte. Ich wusste, dass draussen die Realität des Meeres existiert, wollte aber aus der Struktur des Schiffs, aus meiner Egostruktur, den Blick auf die Realität werfen. Im Dunkel der Nacht verwehrte mir die Struktur des Schiffs, in diesem Fall eine Scheibenfront, den Blick. Auf dem Schiff gab es drei Möglichkeiten die Sonne zu sehen: 1. Ich hätte mich wieder an die obere Grenze der Schiffsstruktur aufs Oberdeck begeben und von dort aus den Sonnenaufgang betrachten können. Beim Anschauen der vollen Sonne hätte ich mich geblendet wieder in die Schiffsstruktur flüchten können. 2. Ich hätte warten können, bis die Sonne durch die Fensterfront scheint und ich schliesslich vom Sonnenlicht geblendet weder den Innenraum noch das Meer sehen würde. 3. Ich hätte mit einer starken Taschenlampe durch die Scheibe leuchten können und so einen Blick auf die Aussenwelt werfen können. Möglichkeit eins bedeutet in Realität, dass ich mit irgendwelchen Methoden an die Grenze meiner Struktur gehe und geblendet vom Licht der geistigen Sonne wieder in meine Struktur, meinen Leib, zurückkehre. Dieses geblendet Sein erleben alle Menschen (beispielsweise Goethes Faust, als er den Erdgeist beschwört), die sehr schnell und unvorbereitet den Geist erleben wollen. Wenn man geblendet ist, sieht man nichts. Im Extremfall verlasse ich meinen Körper, fin147


de nicht mehr zurück und sterbe. Möglichkeit zwei könnte bedeuten, dass die Spiegelschicht meiner Struktur durch extrem starke Einwirkung des Geistes von aussen verschwindet und der Geist überwältigend erlebt wird. Dies haben Menschen erlebt, die durch Krisen oder Unfälle aus der Struktur ihres Leibes katapultiert wurden. Generell spricht man dann von Nahtoderlebnissen. Diese Erlebnisse geben der betreffenden Person die Sicherheit, dass die wahre Realität die Realität des Geistes ist. Möglichkeit drei ist für unsere Überlegungen der wesentliche Erkenntnisschritt. Wir können hier direkt ans Kapitel «Von der Ich-Vorstellung zum Erleben des Ich-bin-Wesens» anknüpfen. Die Spiegelwirkung der Scheiben entspricht der Spiegelwirkung der Egostruktur, die wie oben beschrieben die Welt der strukturbedingten Spiegelvorstellungen erzeugt. Die gespiegelte Welt der Bar ist die Welt der Vergangenheitsstrukturen in der Egostruktur. Ich sehe im Spiegel alles in der Bar und könnte mir vorstellen, das Bar das ganze Leben sei. Mit der Zeit vergesse ich das Meer und die Sonne draussen. Ich bin mit dem Leben in der Egostrukturspiegelung so zufrieden, dass ich mich daran klammere und das echte Leben draussen verdränge. Dies ist der Zustand der meisten Menschen heute. Dieser Zustand ist der notwendige Zwischenschritt, um das reale Leben draussen als individueller Mensch mit vollem Bewusstsein wahrzunehmen und bewusst zu leben. Durch die überbewusste Erzeugung der Spiegelwelt in der Egostruktur habe ich mich vom Allgeist emanzipiert. Ich gehe nach dem Tod nicht mehr im Allgeist auf und verliere meine Individualität nicht mehr. Wenn ich jetzt schon im Leben auf der Erde in der Egostruktur zusätzlich mein helles, gegenwärtiges Delta148


Bewusstsein erleben kann, das sich nur auf meine innere Tätigkeit «stützt», und nicht mehr als Spiegelbild durch die Egostruktur erzeugt wird, werde ich ein individuelles geistiges Wesen mit Bewusstsein. Das Delta-Bewusstsein hört auch nach dem Tod nicht auf, da es auf dem Erlebnis der rein geistigen Aktivität beruht. Diese Tätigkeit wird nach dem Verlust des Leibes frei von materiellen «Bremsmanövern». Das Bewusstsein wird noch heller. Man darf aber auf keinen Fall vergessen, dass man durch das Zurückdrängen der Egostruktur im irdischen Leben, die Kraft entwickelte, das Delta-Bewusstsein zu entfalten. Unser Geistbewusstsein können wir nur in der Materie ausbilden. Die Erde ist der Ort, wo wir erleben können, was der Unterschied zwischen dem automatischen Bewusstsein der Egostruktur und dem Bewusstsein durch geistige Eigenaktivität ist. Haben wir das Delta-Bewusstsein einmal entwickelt, besteht es auch ohne Materie fort. Die Egostruktur ist die Basis zur Gottwerdung des Menschen. Das unbewusste Leben in der Egostruktur führt uns immer weiter vom Gegenwartsbewusstsein Gottes weg, Unsere Egostruktur oder unser irdisches, sterbliches Ich ist ein zweischneidiges Schwert. Es kann uns geistig töten oder ermöglichen, dass wir ein unsterbliches, göttliches Wesen werden. Ohne eigene Aktivität bleibt der Mensch ein Menschentier oder ein Human Animal,

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Der Egostrukturspiegel Wie kann ich durch den Spiegel hindurch schauen? Welche Taschenlampe erzeugt das Licht, das die Aussenwelt (die Welt ausserhalb der Egostruktur; die geistige Welt) sichtbar macht. Um eine Antwort geben zu können, muss man sich klar werden, wie die Spiegeloberfläche in der Egostruktur entsteht. Es ist die Schicht der Vorstellungsbilder, die sich vor die Realität schiebt. Je differenzierter meine Vorstellungen werden, desto weniger ist der innere Blick frei, um die Realität erleben zu können. Die Asketen ziehen aus dieser Tatsache den Schluss, dass sie den Leib und damit die Egostruktur durch Hunger und Selbstzüchtigung schwächen, um das Geistige erleben zu können. Gewisse Yogis ziehen sich in die Einsamkeit des Himalayas oder ins Kloster zurück, um vom Alltag nicht abgelenkt zu werden. Mit diesen Wegen kann man im heutigen modernen Leben nicht lebenstüchtig werden. Heute kann man den Weg gehen, der das innere Licht oder anders gesagt, die innere Aktivität verstärkt. Das selbst verstärkte Licht ist stärker als das unbewusste, schwache Licht der Egostruktur, das den Spiegel erzeugt. Weil man das Delta-Licht selbst aktiviert, wird man von der Realität des Geistes nur so viel sehen, wie man erträgt. Umgekehrt muss man sich klar sein, dass die Emotionsschicht der Egostruktur sich ebenfalls vor die Spiegeloberfläche schiebt. Sie trübt den Spiegel, verzerrt auch die Vorstellungswelt und verhindert den Blick durch den Spiegel nach aussen in die geistige Welt. Daraus können wir schliessen, dass man auf dem modernen Weg zum Delta-Bewusstsein auch seine Emotionsstrukturen glätten und auflösen sollte. Die Stärkung des inneren Lichts und das Glätten der Emotionsstrukturen kann man im täglichen Leben jederzeit üben. Wendet man die vier Leitsätze täglich 150


an, ist man auf dem besten Weg. Dazu ergänzend sind auch kurze Meditationen hilfreich. Es genügt täglich einige Minuten zu meditieren, wenn man durch seine familiäre und berufliche Situation wenig freie Zeit hat. Weiter ist auch eine sachlich, nüchterne Art des Bildens der Vorstellungen hilfreich, damit man keinen Zerrspiegel bildet. Ein reiches Innenleben, komplexe Vorstellungen, ein guter Spiegel hilft uns, individuell zu werden. Gleichzeitig haben wir dadurch keinen natürlichen Ausblick ins Land des Geistes mehr. Da ein Delta-Bewusstsein nur für ein individuell gewordenes geistiges Wesen Sinn macht, müssen wir beide äusserlich in sich widersprüchliche Wege gehen. Wir können ein reiches Leben in der Egostruktur pflegen, ein erfülltes irdisches Leben anstreben und gleichzeitig das irdische Leben in der Egostruktur mit der Kraft des Delta durchleuchten. Wir müssen uns nicht der Logik des «Entweder-oder-Oders» beugen. Dieser «Widerspruch» wird zum modernen Weg, das Delta-Bewusstsein auf der Erde zu entwickeln. Das Dreieck liegt nicht mehr wie beim griechischen Tempel auf dem Quadrat, sondern im Quadrat. Dies ist der tiefere Sinn des Logos der Delta Dynamik!

Der Geist in der Egostruktur führt zu Gott.

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Tägliches Training für mein Delta-Bewusstsein Nach diesen anspruchsvollen Ausführungen soll der Leser mit einigen praktischen Tipps zur täglichen Lebensführung unter dem Motto: «Entdecke das Delta in Dir!» entlassen werden. Der wichtigste Leitsatz ist der dritte: «Meine Individualität ist gegenwärtig». Er entspricht der echt menschlichen Dimension meines Deltas. Er kann auch so umschrieben werden: «Sei liebevoll aufmerksam!» Wenn ich mich bemühe, in meinem täglichen leben liebevoll und aufmerksam zu den Andern zu sein ohne immer an die verschiedenen Bewusstseinsstufen zu denken, werde ich den Tag für viele zu einem besonderen Tag machen. Der andere Mensch, fühlt sich wahr und ernst genommen. Ich merke, was dem Mitmenschen fehlt und kann es ihm vielleicht geben. Ich habe ihm eine Freude gemacht und somit auch den zweiten Leitsatz – «Ich fördere das soziale Leben» – umgesetzt. Wenn ich mich selbst liebevoll, aufmerksam betrachte, nehme ich war, wie der Chaospol in mir den Strukturpol unterdrückt oder umgekehrt. Ich beginne mit Bewusstsein mit den beiden Kräften meiner Egostruktur zu spielen. Ich habe mich von der Gewalt meiner Egostruktur befreit. Auch meine Umwelt wird diese Befreiung bewusst oder unbewusst bemerken. Somit kam auch der erste Leitsatz – «Ich spiele mit dem Chaos und den Strukturen» – zur Anwendung. Wenn ich nun meine liebevolle Aufmerksamkeit nach «innen-oben» wende, erfahre ich, wie mein Ich-Bin-Wesen mich erfüllt. Ich erlebe die Kraft meines Geistes und bin nun fähig im Sinne des vierten Leitsatzes zu leben. «Ich bestimme meine jetzige Situation.» 152


Bemüht man sich in diesem Sinn, lebt man im Delta-Bewusstsein. Mein Delta durchdringt mich und führt mein Leben mit Bewusstsein. Abstürze in meine Egostruktur sind natürlich und selbstverständlich. Wichtig ist nur, dass ich mein Bewusstsein immer wieder in die Sphäre meines Deltas erhebe. Der Weg ist das Ziel und nicht eine perfekte Lebensführung. Habe Mut, beginne schon heute! Eine Hilfe auf dem Weg kann eine Feedbacktabelle sein. Ich führe jeden Tag Buch, welche Leitsätze ich bewusst und mit welchem Erfolg angewendet habe.

Feedback-Tabelle Diese Tabelle kann man sich beliebig kopieren und seinen Bedürfnissen gemäss anpassen. Wichtig ist, dass man sich an jedem Tag mindestens einen Leitsatz vornimmt und Bilanz zieht. Der Weg ist das Ziel. Perfektion ist nicht nötig. Man sollte aber mit seinen Bemühungen nicht aufhören. Die Tabelle kann auch unter www.deltadynamik.com heruntergeladen werden. Leitsatz

Datum

Bemerkungen

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Teil III Das Bildungswesen in der postbiologischen Evolution



Die Zukunft ist die Br端cke aus der Zeitlosigkeit in die Gegenwart. * Die Zukunft ist die noch nicht geformte Gegenwart. * Zukunft ist Potenzial.



Einleitung Möchte man den Kindern des postbiologischen Zeitalters – unserer Zeit – Lebensbedingungen schaffen, die ihnen ermöglichen, ihre besonderen Talente in die Gesellschaft einzubringen, muss der Wandel im Elternhaus beginnen. Die Familien, die sich durch die Erkenntnis der Verhältnisse des postbiologischen Zeitalters oder als Folge ihres Leidens ihre Kinder zeitgemäss erziehen, müssen auch Schulen finden, die den Kindern ein geeignetes Umfeld bieten wollen und können. Diese Schulen sind wiederum auf einen Wandel des Bildungssystems und letztlich der Gesellschaft angewiesen. Das Thema ADS-Kinder ist das Thema der Gesellschaft. Da die ADS-Kinder die Kinder der postbiologischen Evolutionsstufe sind, kann man auch fragen: Wollen wir auch als Gesellschaft die postbiologische Stufe ernst nehmen oder wollen wir mit den Konzepten der biologischen Evolution die Zukunft der Menschheit weiterhin verhindern? Um die heutigen Kinder nicht mit einem falschen Negativbegriff zu bezeichnen, schlage ich vor, diese Kinder schlicht als Kinder zu bezeichnen. Eine Anomalie besteht in Zukunft erst, wenn ein Kind keine Affinität zum G-Feld besitzt.

Im Elternhaus beginnt die Zukunft

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Das neue Bildungswesen Heutige Jugend Nehmen wir doch als typische Menschen der postbiologischen Evolution die ADS-Kinder oder ganz allgemein die heutigen Kinder und Jugendlichen. Sie geraten immer mehr mit dem alten Bildungssystem der biologischen Evolution in Konflikt und gehen daran selbst zu Grunde oder stören das System so, dass ganze Klassen, Lehrer und Eltern unter ihrem Verhalten leiden. Holzschnittartig zeigen sich folgende Symptome: • Unter Zwang lassen sich diese Schüler und Schülerinnen in kein altes System eingliedern. Zwingt man sie dennoch, werden sie krank und können die Schule nicht mehr besuchen oder bleiben zu Hause und verweigern die Schule. • Fühlen sie sich als wache Menschen von wachen Lehrerinnen und Lehrern in ihrem innersten Wesen angesprochen, kommen sie freiwillig mit Begeisterung in die Schule. Sie sind nicht mehr zu stoppen. • Sie wollen die Form ihres Lebens schon als Kinder mitgestalten. • Sie sind absolute Verfechter der Wahrheit. Sie gehen keine faulen Kompromisse mit einer Gesellschaft ein, für die ängstliches Anpassen an die bestehenden oft unmenschlichen Verhältnisse zur Routine geworden ist. 160


• Sie lassen sich nicht mehr von anonymen Machtstrukturen führen. Man kann beobachten, dass sich die Zahl dieser modernen Menschen exponentiell steigert. Das Bewusstsein der äusserlich immer noch angepassten Menschen bewegt sich auch schon heute in diese Richtung. So ist es eine Forderung der Entwicklung, dass wir unser Bildungswesen in Zukunft so gestalten sollten, damit sich der Mensch frei entfalten kann. Unsere Zukunft ist das Potenzial jedes Menschen. Das volle Potenzial des Menschen kommt jedoch erst zum Tragen, wenn er aufwacht und aus seinem Ich-Kern handelt. Handeln in Freiheit, Aufwachen, Herz- und Kopfkräfte-Entfalten kann man nicht staatlich verordnen. Der Staat kann nur die Rahmenbedingungen schaffen, die nötig sind, damit wache Menschen ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen können. Wie sehen solche Rahmenbedingungen aus?

Das Bildungswesen muss das Wesen der heutigen Jugend fördern. * Das Wesen der heutigen Jugend muss der Massstab für das Bildungswesen sein. * Evolution oder Kollaps des Bildungswesens.

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Die Aufgabe des Staates Wie wir gesehen haben, lassen sich die heutigen Menschen weder von staatlichen Institutionen noch von rein wirtschaftlichen Interessen leiten. Sie wollen von Menschen gefördert werden, die keine Rücksicht auf Forderungen des Staates oder der Wirtschaft nehmen müssen. Die Aufgabe des Staates muss sich darauf beschränken, den gesetzlichen Rahmen zu schaffen, dass ein von Staat und Wirtschaft unabhängiges Bildungswesen entstehen kann. Die Ideen, was gut für die Bildung des heutigen Menschen ist, können nicht mehr von Politikern kommen, die heutzutage meistens Partei- oder Wirtschaftsinteressen vertreten müssen. Die Spezialisten für den Unterricht, der aus den wachen Herz- und Kopfkräften menschlich gestaltet werden sollte, sind die Lehrkräfte der Zukunft. Sie müssen die Möglichkeit bekommen, ihr Bildungswesen durch und durch selbst gestalten zu können. Dazu brauchen sie einen funktionierenden, demokratischen Rechtsstaat, der die Finanzierung so sichert, dass keine negative Einflussnahme der verschiedenen Interessengruppen möglich wird. Ebenso muss der Staat die Rechte der Kinder sicherstellen. Menschen, die in einem freien Bildungswesen ausgebildet worden sind, werden auch mündige Bürger, die auf demokratischem Weg die Zukunft der Gesellschaft verantwortungsvoll mitgestalten werden. Etwas Besseres kann sich eine echte Demokratie gar nicht wünschen! Die Ängste, dass der Staat an Einfluss verliert, sind unbegründet. Es geht ja nicht um den Staat als abstrakten Begriff. Der demokratische Staat wird ja erst durch seine Bürger gebildet. Selbstverständlich wird sich ein Staat, der von wachen Bürgern, die nach den oben erwähnten Grundsätzen leben wollen, anders entwickeln als wir es heute sehen. Hoffentlich! 162


Die Aufgabe der Wirtschaft Auch die Wirtschaft sollte interessiert sein, dass ihre zukünftigen Mitarbeiter unabhängig von wirtschaftlichen Zwängen neue Ideen entwickeln können und kreative, eigenständige Persönlichkeiten werden. Nicht die Wirtschaft muss bestimmen, welche Art Menschen sie braucht. Die Menschen müssen die Wirtschaft nach ihren Bedürfnissen gestalten. Wie es im Rechtsleben nicht um den abstrakten Begriff «Staat» geht, so ist auch im Wirtschaftsleben nicht der Begriff «Wirtschaft» massgebend. Die Wirtschaft entsteht aus den Bedürfnissen und Fähigkeiten der zusammenarbeiteten Menschen. Die Tendenz, dass immer häufiger die Konzerne bestimmen, was für die Wirtschaft – nicht für den Menschen – gut ist, führt zur Gewinnmaximierung, von der nur eine Minderheit profitiert. Der grösste Teil der Menschheit leidet an der daraus entstehenden Unmenschlichkeit. Die Wirtschaft muss selbstverständlich Gewinne erzielen, um investieren zu können. Ebenfalls muss das Bildungswesen und der schlanke Staat aus den erwirtschafteten Überschüssen bezahlt werden können.

Mit kreativen Menschen blüht die Wirtschaft.

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Vorteile eines unabhängigen Bildungswesens Zusammenfassend kann man sagen: Von einem dynamischen, unabhängigen Bildungswesen profitieren alle: • Der Mensch kann sich selbst als waches, aktives Wesen entfalten. Er kann sein Schicksal mit den anderen selbst gestalten. Er ist nicht mehr Spielball fremder Interessen. Er kann in Würde leben. Er wird in der sich globalisierenden Welt Wege finden, die eine für alle lebenswerte Zukunft ermöglichen. • Der Staat bekommt wache, mündige Bürger, die auf demokratischem Weg verhindern, dass sich die Demokratie schleichend oder durch Umsturz in eine unmenschliche Diktatur einer Minderheit verwandelt. • Die Wirtschaft bekommt wache, kreative Mitarbeiter, die den wirtschaftlichen Erfolg steigern können und fähig sind, auch die wirtschaftlichen Prozesse menschlich zu gestalten.

Im Bildungswesen beginnt die Zukunft.

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Veränderung beginnt im Denken des Einzelnen Nehmen wir den Wechsel zur postbiologischen Evolution ernst, müssen wir vom statischen Denken in ein dynamisches Denken wechseln. Starre Strukturen, Objekte müssen als Prozesse aufgefasst werden. Die Grundlage aller zukünftiger Entwicklung ist der wache, innerlich aktive Mensch, der sich nur in dynamischen Prozessen begreifen lässt. Alles ist im Fluss. Starre Institutionen im Staat und in der Wirtschaft, die nicht mit dem heutigen Menschen rechnen, werden verschwinden. Dieser Prozess ist nicht mehr aufzuhalten. Es geht heute darum, diesen Prozess mit wachen Menschen bewusst zu formen und sich nicht schlafend vom schon strömenden Prozess mitreissen zu lassen, ohne zu wissen, was mit der Welt geschieht. Die Grundsätze der Veränderung sind durchschaubar und können relativ schnell begriffen werden. Zur konkreten Umsetzung braucht es die Kraft der Kreativität, Mut im gemeinsamen Ergreifen der Aufgaben und Klarheit, was wir wollen. Falls die Menschen kraftlos, feige und im Dunkel des Schlafes bleiben, wird das Aufwachen, das dann nicht mehr aus innerer Aktivität, sondern durch äussere Katastrophen erfolgen wird, schrecklich sein. Heute haben wir in vielen Demokratien die Chance unser Leben aus Freiheit so zu gestalten, dass es dem Bewusstseinswandel entsprechen kann. Bei der konkreten Umsetzung der im Allgemeinen als richtig erkannten Ideen beginnen bekannter Weise die grossen Probleme. Nun prallen die Meinungen der so genannten «Praktiker» auf die Ideen der «Idealisten». Menschen, die im Bewusstsein der alten biologischen Evolution denken, 165


sehen sofort unüberwindliche Hindernisse bei der Umsetzung. Sie denken mit ihrer Egostruktur, die – wie bekannt – eine vom Egoismus und Emotionen geprägte Vergangenheitsstruktur ist. Mit den Argumenten des statischen, toten Denkens der Egostruktur wird Mögliches unmöglich gemacht. Mit dem dynamischen, lebendigen Denken des gegenwärtigen Ichs wird Unmögliches möglich werden. Diesen Kampf kann jeder wache Mensch auch in sich erleben. Wenn wir der Logik unserer Egostruktur folgen, verunmöglichen wir auch in unserem Leben Vieles, was möglich wäre. Ebenso können wir aus der Kraft des gegenwärtigen Ichs Prozesse in Gang setzen, von denen wir kaum ahnen können, welches Veränderungspotenzial sie enthalten. Im Inneren wie im Äusseren sind Veränderungen möglich, die uns ganz neue Welten erschliessen. Wenn nun viele Menschen neue Prozesse in Gang setzen, entsteht nicht die Summe aller Prozesse, sondern ihre Potenz. Da im G-Feld alle Menschen weltweit verbunden sind, ist schon der Bewusstseinswandel eines Menschen für alle andern eine meist überbewusste Realität. Es genügt, wenn eine gewisse Anzahl Menschen die Kraft ihrer Ideen im GFeld potenziert, um weltweite Veränderungen zu bewirken. Heute besitzen genügend Menschen die Voraussetzungen, um aufzuwachen und die so bitter nötigen Veränderungen einleiten zu können. Wir haben die Aufgabe, die alten Strukturen aufzubrechen und die Ideen für die Zukunft zu denken. Die Jugend wird in der Zukunft ihre Welt selbest gestalten können. Die Vorurteile der Egostruktur, welche die Unmöglichkeit der Verwirklichung der skizzierten Ideen postulieren, werden keine Basis mehr haben, da sich die Grundlagen des Zusammenlebens durch die neuen Prozesse sehr schnell 166


verändern werden. Man kann nicht von den heutigen Umständen des Zusammenlebens der Menschen ausgehen, die vor allem von ihren Egostrukturen geprägt sind, um eine Zukunft zu beurteilen, die von dynamischen, gegenwärtigen Ich-Menschen gestaltet werden sollte. Die Frage drängt sich jedoch auf, wo und wie man konkret ansetzen kann, um den Start zur Veränderung zu ermöglichen. Die folgenden Ideen sind schon hundert Jahre alt. Die Zeit ist aber erst heute reif, um sie erfolgreich im Leben umsetzen zu können.

Egostrukturdenken macht Mögliches unmöglich. * Gegenwärtiges Ich-Denken macht Unmögliches möglich.

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Konkrete Lösungsansätze • Jeder Mensch kann jederzeit bei sich beginnen. Das Wichtigste ist das Aufwachen im gegenwärtigen Ich und das Durchschauen der Hindernisse, die primär aus der eigenen Egostruktur kommen. Keine Macht der Welt kann uns hindern, unser Ich-bin-Wesen zu aktivieren. Wenn wir ins G-Feld der lebendigen Ideen eintauchen können, werden sich die zukünftigen Schritte zeigen. Im G-Feld haben wir einen Überfluss von Ideen. Man muss nur noch die konkrete Phantasie entwickeln, um diese Ideen im Leben fruchtbar zu machen. Die toten Gedankenstrukturen der Egostruktur helfen uns im Sozialen nicht mehr weiter. Sie haben unsere grandiose Technik hervorgebracht, die uns viele Bereiche des Lebens erleichtert und uns ermöglicht, global wahrzunehmen und zu handeln. Sie sind jedoch kein Werkzeug, um das Zusammenleben der Menschen menschlich zu gestalten. • Jede Lehrkraft kann in ihrem Schulzimmer die lebendigen Impulse aus dem G-Feld umsetzen. Man kann auch den vorgeschriebenen Schulstoff lebendig und wach weitergeben. Auch hier sind keine Grenzen vom System gesetzt. • Jedes Lehrerteam kann das Leben mit den Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern wach und kreativ gestalten. Delta Dynamik ist keine Religion, sondern eine Methode um ins lebendige Denken und menschliche Handeln zu kommen. 168


• Nicht staatliche, autonome Schulen sind schon heute in der Lage, im Sinne der neuen Anforderungen zu handeln • In der Schweiz könnte ein Kanton, der sein ganzes Bildungswesen dynamisieren möchte, mit folgenden radikalen, aber einfach einzuführenden Massnahmen beginnen: Die Schulpflicht – ein Relikt aus der Zeit, als man die Kinder vor Kinderarbeit schützen musste – wird abgeschafft. Dafür wird das Recht auf den Besuch aller staatlichen und nicht staatlichen Schulen, die das Wohl des Kindes garantieren, eingeführt. Die heute übliche Schülerpauschale in teilautonomen Schulen wird in Form eines Bildungsgutscheins auch an die Schüler der nicht staatlichen Schulen ausgerichtet.

Argumente contra Bitte schreiben Sie hier kurz Ihre Gedanken und Gefühle auf, die Ihnen bei der Lektüre der vorangegangenen Absätze durch den Kopf gegangen sind: ………………………………………………………… ………………………………………………………… ………………………………………………………… ………………………………………………………… ……………………………………………………….. . . .

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So könnten Mögliche Antworten aussehen: Blödsinn; unmöglich; Chaos bricht aus; nichts für unreife Menschen (gemeint ist: ich könnte es schon, aber die andern sind noch nicht so weit.); Angst vor Änderung; wer soll das bezahlen? Der Staat hat heute schon zu wenig Geld; ohne Schulpflicht geht niemand in die Schule; die Wirtschaft bekommt keine ausgebildeten Menschen mehr; ohne Zwang funktioniert nichts mehr; niemand beginnt sich zu aktivieren; es ist zu mühsam; Konsumieren ist einfacher; die Lehrer wollen nicht noch mehr Arbeit; etc. Es wird auch Ihnen nicht schwer gefallen sein, unzählige Emotionen, tote Gedanken und Vorurteile zu finden oder exakter gesagt, in Ihrer Egostruktur zu beobachten. Jeder Zeitgenosse besitzt durch seine Lebenserfahrung eine Egostruktur, die Gegenargumente fast automatisch auftischt. Unsere Egostrukturen, die ja im V-Feld miteinander verbunden sind, zeigen sich als Meister im Finden von Argumenten, die zeigen sollen, dass Veränderung unmöglich ist. Unsere Egostrukturen sind durchsetzt mit Ängsten. Veränderung könnte ja unsere materielle Grundlage gefährden. Es gilt das Motto: Die bekannte, schlechte Struktur gibt mir mehr Halt als die noch entstehende bessere. Leben im G-Feld, in innerer Aktivität, ist mühsam. Im V-Feld, in den erstarrten Strukturen, lässt es sich im Moment besser leben, auch wenn die Katastrophe schon sichtbar wird.

Argumente pro Bitte schreiben Sie nun konkrete Lösungsansätze unter dem Aspekt des gegenwärtigen, lebendigen Denkens auf: ………………………………………………………… ………………………………………………………….. 170


Am Anfang wird die Schwierigkeit darin bestehen, dass man sich vom Strom der Negativität, der weiter fliesst, irritieren lässt. Erst wenn man seine Gedanken aus den Vorurteilsstrukturen der Egostruktur losreissen kann, beginnt der lebendige Strom der G-Feldgedanken zu fliessen. Es ist in vielen Fällen besser, die lebendigen Gedanken nicht sofort durch Aufschreiben erstarren zu lassen. Versuchen Sie, diese Gedanken nicht zu pressen. Bewegen Sie diese Gedanken in Bewegung, zum Beispiel während eines Spaziergangs. Warten Sie einige Nächte ab, bis Sie die lebendigen Gedanken scharf formulieren können. Beobachten Sie die Gefühle, die als Folge dieser lebendigen Gedanken in Ihren Seelenraum einstrahlen. Auch lebendige Gedanken müssen wir nach einer gewissen Zeit als klar formulierte Ideen, die dann auch im V-Feld auskristallisiert sind, ausdrücken. Wichtig ist jedoch, dass wir sie mehr beschreibend, auch offen lassend, zu Papier bringen. Der Leser sollte sie immer wieder selbst verflüssigen und so zum Leben erwecken können. Mit anderen Worten muss jeder Mensch durch seine innere und äussere Aktivität, mit seiner eigenen schöpferischen Phantasie, die neuen Ideen im Leben der aktuellen Situation gemäss umsetzen. Abstrakte Grundsätze, die man bequem als Programm weitergeben kann, führen zu keinen neuen Sozialformen. Ohne Menschen, die tagtäglich durch innere Aktivität das Neue im Fluss halten, wird auch das beste Neue sofort erstarren und mit der Zeit schädigend wirken. Wir müssen zu Produzenten der neuen Ströme werden. Bleiben Sie weiterhin im Delta-Bewusstsein, wenn Sie nun die folgenden Ergänzungen lesen: Was sollte die Menschen dazu bringen, sich selbst zu aktivieren? Wenn man die Grenzen des Genusses und der Bequem171


lichkeit, die der Egostruktur dienen, ausgelotet hat, bleibt immer eine innere Leere zurück. Materiell kommt man in unserer Wohlstandsgesellschaft schnell an die Grenzen des sinnvollen Genusses. Diese Grenzen kann man durch den Wechsel ins G-Feld sprengen. Wer einmal die tiefe Befriedigung und die beglückenden Gefühle erlebt hat, die beim Eintauchen oder beim Berühren des G-Feldes möglich sind, wird seine Selbstaktivierung, auch wenn sie mit innerer Anstrengung verbunden ist, immer wieder von Neuem versuchen. Das Bewusstsein in Freiheit zwischen G- und V-Feld wählen zu können macht uns erst zu Menschen, die sich selbst den Sinn im Leben geben können. Das Leben in der Egostruktur und im Körper verwandelt sich unter dem Einfluss des G-Feldes ebenso. Man lernt die Materie umso mehr zu schätzen, wenn man sie geistdurchleuchtet erlebt. Der innerlich aktive Mensch greift auch viel aktiver in die irdische Welt ein. So wird das Leben nicht nur als sinnloser Kampf gegen das Alter und den Tod erlebt, sondern bekommt den Sinn, der sich jeder Mensch selbst gibt.

Lebendiges Denken ist das Tor zu einer menschlichen Zukunft.

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Recht auf Bildung statt Schulpflicht Lassen wir uns nochmals die Symptome des Verhaltens der heutigen Jugend in der Extremform vor unserem inneren Auge vorbeiziehen. Wir werden sofort bemerken, dass diese jungen Menschen das Recht auf Bildung in einer Bildungseinrichtung brauchen, die ihrem Wesen entgegenkommt. Mit Zwang werden sie seelisch ruiniert. Die Schulpflicht verstellt den Blick auf das Recht auf Bildung. Sie schadet heute mehr als dass sie nützt. Man sollte die Schulpflicht abschaffen! Treffen die heutigen jungen Menschen auf wache Zeitgenossen, die nicht mehr durch die Zwänge des staatlich verordneten Bildungssystems blockiert werden, sind sie hoch motiviert und leisten mehr als der Staat je verlangen könnte. Auch ohne Schulpflicht würden die jungen Menschen eine Schule besuchen, sofern sie ihnen die nötige geistige und seelische Nahrung bieten kann. Auch heute fallen immer mehr Jugendliche durch alle Maschen des Schulsystems, obwohl die Schulpflicht immer noch gilt.

Bildung ist attraktiv.

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Finanzierung des unabhängigen Bildungswesens Wenn man jedem Kind mit einem Bildungsgutschein die Schule seiner Wahl finanzieren würde, entstünden nur geringe Mehrkosten. Man könnte die Schulgelder der von den Eltern finanzierten Privatschulen nicht mehr einsparen, aber der Staat würde alle Kinder und Eltern gleich behandeln, wie es dem Ideal einer Demokratie entspricht. Die staatlichen Schulen hätten auch weiterhin eine wichtige Aufgabe. Sie müssten sich jedoch von teilautonomen zu autonomen Schulen wandeln und in eine echte Konkurrenz mit den nicht staatlichen Schulen treten. Da die staatlichen Schulen sehr schnell flexibler und besser würden, müssten sich auch die Privatschulen wandeln. Nur private Schulen, die echte Innovationen bieten, werden weiterhin attraktiv bleiben. Diejenigen, die nur wegen der heutigen Schwerfälligkeit der staatlichen Schulen existieren, werden eingehen oder sie werden neue Ideen entwickeln müssen. Der Bildungsgutschein und die innere Aktivierung der Lehrer und Eltern wird zu einer neuen, vielfältigen Bildungslandschaft führen. Die staatliche Monokultur und die privaten Gärtchen werden einer neuen Kulturlandschaft Platz machen.

Das unabhängige Bildungswesen ist nicht teurer als das bestehende.

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Globale Perspektiven • Wenn sich in einem Kanton das unabhängige Bildungswesen bewährt hat, könnten weitere Kantone nachziehen und das sich in der Praxis als erfolgreich erwiesene Modell übernehmen. • Dynamische Bildung macht nicht an der Grenze halt. Das dynamisierte Bildungswesen wird sich europa- und weltweit mit anderen dynamisierten Bildungswesen verbinden. Es entsteht ein weltweites Netzwerk unabhängiger Bildungseinrichtungen, die der Ausbildung und Förderung der Menschen dienen. • Wenn sich dieser Prozess vernetzt, wird er auch das Rechts- und Wirtschaftsleben erfassen. Man wird dann auch die Probleme der Steuererhebung, der Arbeitslosigkeit, der Absicherung bei Krankheit und im Alter neu überdenken müssen (Werner, 2006). • Denkt man diese Entwicklung weiter, werden weltweit vernetzte, unabhängige Bildungssysteme entstehen. Diese werden letztlich von den Überschüssen einer globalisierten Wirtschaft finanziert werden können. Die alten Nationalstaaten werden nur noch Rechtsgemeinschaften sein, die ein demokratisches Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen ermöglichen. Bildung und Wirtschaft zeigen uns schon heute, dass sie nicht an den Grenzen Halt machen. Erfolgreiche 175


Ideen werden schon heute weltweit kopiert und umgesetzt. Die heutigen Staaten oder Zusammenschlüsse von Staaten (EU, USA) werden nicht mehr eine von Machtpolitikern und Interessenvertreten geführte labile Gebilde sein, denen immer mehr der Absturz in getarnte oder offene Diktaturen droht. Die Politiker müssen und dürfen sich nicht mehr in die Belange der Bildung und Wirtschaft einmischen. Sie können sich ausschliesslich der Führung des schlanken Rechtsstaates widmen. Sie können echte Volksvertreter werden, die ihren vom Volk demokratisch bestimmten Auftrag für ihr Volk umsetzen. • Staaten werden erstens Räume werden, wo sich die weltweit fliessenden geistigen Ströme der Wissenschaft, der Kunst und Religion treffen und verständigen und befruchten können. Zweitens werden in ihnen die weltweit hergestellten Warenströme konsumiert und teilweise produziert. Drittens wird in diesen Räumen lokal durch demokratische Prozesse bestimmt, unter welchen Voraussetzungen und mit Hilfe welcher Gesetze das Leben der Menschen gestaltet werden soll. • Der statische Einheitsstaat wird zu einem Raum, in dem Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben voneinander unabhängig und dynamisch – den Menschen fördernd – zusammenwirken (Steiner, 1919). Man kann den Staat nicht mehr statisch denken. Der dynamische Staat besteht aus drei selbständigen Bereichen, die national und international im gegenseitigen Austausch 176


stehen. Jeder Mensch ist Teil dieser Bereiche. Er soll im Geistesleben (Wissenschaft, Religion und Kunst) Freiheit erhalten, im Rechtsleben gleiche Rechte wie alle bekommen und im Wirtschaftsleben als Konsument und Produzent mit den begrenzten Ressourcen fair und nachhaltig umgehen. • Das alle Systeme verbindende und ordnende Glied ist jeder einzelne Mensch. Jeder Mensch hat das Potenzial mit seinen Gegenwartskräften ordnend und aufbauend zu wirken und ist somit auch Glied des Geisteslebens. Er erlebt als Bürger die Folgen des Rechtslebens und kann bei Fehlentwicklungen auf demokratischem Weg korrigierend eingreifen. Als Produzent und Konsument ist er auch im Wirtschaftsleben integriert und bestimmt durch sein Konsumverhalten das Schicksal aller Menschen direkt oder indirekt mit.

Unabhängige Bildungswesen werden sich weltweit vernetzen. * Sie sind der Keim einer Globalisierung, die allen dient.

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Zusammenfassung Die Zeit ist reif, dass die Menschheit ihr Schicksal nicht mehr den blinden Marktkräften, den Politikern und neodarwinistischen toten Ideen überlässt. Alle aufgewachten, aus der Kraft der Gegenwärtigkeit lebenden Menschen können gemeinsam beginnen, die zerstörerischen Kräfte unserer Egostrukturen zu verwandeln. Aufbauende, das Leben fördernde Kräfte sind im G-Feld im Überfluss vorhanden und warten nur darauf ins tägliche Leben einfliessen zu können.

Bodenschätze sind beschränkt. * Die Energie im G-Feld ist grenzenlos. * Wache Menschen werden sie für alle nutzen.

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Literaturhinweise Zum Thema Aufwachen K端hlewind, G. (1998). Aufmerksamkeit und Hingabe. Stuttgart: Freies Geistesleben. K端hlewind, G. (2005). Vom Normalen zum Gesunden. Stuttgart: Freies Geistesleben. Steiner, R. (1992). Die Philosophie der Freiheit. Dornach: Rudolf Steiner. Tolle, E. (2004). Jetzt! Die Kraft der Gegenwart. Bielefeld: Kamphausen.

Zum Thema postbiologische Evolution Pearce, J. C. (2005). Die magische Welt des Kindes und der Aufbruch der Jugend. Freiamt: Arbor.

Zum Thema Felder Lazarev, S. N. (2004). Karma-Diagnostik. Berlin: Karma. Sheldrake, R. (2003). Der siebte Sinn des Menschen. Bern: Scherz. Steiner, R. (1986). Theosophie. Dornach: Rudolf Steiner.

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Zum Thema Hochbegabung Murer, F. (Regie). (2006). Vitus [Film]. Zürich: Frenetic.

Zum Thema Delta Dynamik in der Praxis Bauer, J. (2006). Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. Hamburg: Hoffmann und Campe. Berg, M. (2005). Werden wie Gott. Freiburg: HansNietsch. Lauterbach, U. (2004). Raus aus dem Gedankenkarussell. München: Kösel. Mercier, P. (2004). Nachtzug nach Lissabon. München: Hanser. Richner, B. (2003). Hoffnung für die Kinder von Kantha Bopha. Zürich: NZZ. Spiegel, P. (2006). Muhammad Yunus, Banker der Armen. Freiburg: Herder. Spitzer, M. (2006). Vorsicht Bildschirm! München: dtv. Steiner, R (2005). Was macht der Engel in der Seele des Menschen? München: Archiati. Yokoyama, J. (2005). Wenn Fische Fliegen lernen. Frankfurt: Redline Wirtschaft. 182


Zum Thema neues Bildungswesen Werner, G. W. (2006). Ein Grund f端r die Zukunft: Das Grundeinkommen. Stuttgart: Freies Geistesleben. Steiner, R. (1961). Kernpunkte der sozialen Frage. Dornach: Rudolf Steiner.

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Der Autor Hanspeter Diboky 1957 in Bern geboren. Oberstufenlehrer, Vater von vier Kindern. Seit 1976 intensive Weiterbildung in Pädagogik, Philosophie, Psychologie und Meditation. 1980–1990:

Sekundarlehrer phil. II in der staatlichen Schule; Mitarbeiter am Lehrplan des Kantons Zürich.

1990–1997:

Lehrer in einer nicht-staatlichen Schule.

Bildungspoltische Tätigkeit als Gründer und Präsident des Initiativkreises für Freiheit im Bildungswesen (IFB).

1997:

Gründung der Delta Schule in Zürich; seither Lehrer und Schulleiter an der Delta Schule.

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Delta Dynamik Die Schrift «ADS-Kinder – Die Zukunft der Menschheit» ist das Produkt eines fünfundzwanzigjährigen Ringens um die Erkenntnis der Gesetze der postbiologischen Evolution und ihre Anwendung in der Erziehung und Schulung der Kinder. Der Inhalt jedes Kapitels ist zusätzlich im Leben als Familienvater, Lehrer, Schulgründer und Schulleiter durch Freude und Leid auf seine Praxisnähe «geprüft» worden.

www.deltadynamik.com Für Buchbestellungen, Veranstaltungen, Fragen zum Inhalt, weitere Informationen zum Thema Aufwachen, ADS, ADHS, Asperger Autismus etc.

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Hanspeter Diboky

Das Deltagramm Der Schlüssel zum Menschen Auf der Reise ins Innere des Deltagramms folgen wir unserer Lichtspirale. Wir durchqueren die Materiefelder unseres physischen Leibes und lernen die Vergangenheitsfelder unserer überphysischen Seelenstruktur kennen. Spannend wird der Moment, wo wir den Sprung von den V-Feldern ins Gegenwartsfeld wagen. Mit innerer Aktivitätssteigerung gelangen wir hellwach ins Zentrum des Deltagramms. Mit den Kräften des Zentrums können wir unser Deltagramm, das heisst unsere alten Strukturen bewusst machen und verwandeln. Das verwandelte Deltagramm ist unser Werkzeug, mit den Kräften der Gegenwärtigkeit den Alltag im zwischenmenschlichen Bereich neu und menschlich zu gestalten. Das Deltagramm beschreibt den Weg zum Delta-Bewusstsein. «Das Deltagramm – Der Schlüssel zum Menschen» ist die ideale Ergänzung und Weiterführung des Buchs «ADS-Kinder – Die Zukunft der Menschheit». Ab 2008 im Handel erhältlich.

CMD PUBLISHING

www.deltadynamik.com www.cmdpublishing.ch



Hanspeter Diboky

Das Deltagramm

Ein Schl端ssel zum Menschen Eine Leseprobe

Delta Dynamik



Vorwort Dieses Buch wird aus drei Quellen gespeist. Diese Quellen werden zu Wasserläufen, die zuerst unabhängig voneinander durch die Landschaft fliessen. Mit der Zeit verweben sich die drei Wasserströme zu einem Ganzen. Jeder Strom trägt zum Verständnis des andern etwas bei. Der erste Strom nähert sich dem Deltagramm auf gedanklichem Weg. Der Zweite will die Gefühlsebene ansprechen und der Dritte will den Willen, die Eigenaktivität, des Lesers anregen. Natürlich sind in allen drei Ströme, Denken, Fühlen und Wollen, wichtig. Jeder Strom soll eine der drei Seelenkräfte besonders betonen. So wie der Mensch nur durch eine harmonische Pflege von Denken, Fühlen und Wollen ganz Mensch wird, sollen die drei Ströme ein vollständiges Deltagramm entstehen lassen. Das Rätsel des Deltagramms wird sich am Ende des Buchs von selbst lösen. Die drei Quellen sind Quellen, die in jedem Menschen sprudeln. Alles, was im ersten Teil beschrieben wird, ist vom Autor selbst beobachtet und erlebt. Und kann auch vom Leser durch die Beobachtung seines eigenen Denkens, Fühlens und Wollens bei genügender Aufmerksamkeitsschulung nachvollzogen werden. So bildet der erste Teil ein in sich abgeschlossenen Ganzes, welches das Leben des Menschen in den Vergangenheits- und Gegenwartsfeldern zeigt. Die Basis sind die verschiedenen Bewusstseinsstufen des Menschen und ein methodisches Vorgehen, das auch in der Naturwissenschaft üblich ist. Die Inhalte sind immaterielle Beobachtungsresultat des menschlichen seelischen und geistigen Lebens. Die Schlussfolgerungen sollten dem Alltagsbewusstsein, das sich durch die Suggestivkraft der materialistischen Naturwissenschaft oder jeder Spielart des 191


dogmatischen religiösen oder esoterischen Fundamentalismus nicht blenden lässt, verständlich sein. Für wissenschaftlich interessierte Leser ist der zweite Teil geschrieben worden. Hier wird der Zusammenhang zwischen den neusten Erkenntnissen der Naturwissenschaft, die den Dogmen des Materialismus nicht verfallen ist, und den eigenen Beobachtungen aufgezeigt. Im dritten Teil wird auf die Fruchtbarkeit des Deltagramms in verschiedenen theoretischen und praktischen Lebensbereichen hingewiesen. Im vierten Teil werden Antworten auf die im Text gestellten Fragen und Beobachtungen gegeben. Man sollte sich jedoch auch ohne Antworten aus dem vierten Teil durch den ersten Teil arbeiten. Unbeantwortete Fragen können anregender sein als von andern beantwortete Fragen!

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Einleitung Physische Welt ist erforscht

Seit die Möglichkeit besteht, die Erde und das All vom Space Shuttle aus zu filmen und auszuwerten, hat die Menschheit die Geheimnisse, die mit physischen Augen und mit dem analytischen Denken des physischen Gehirns ergründet werden können, zum grössten Teil gelüftet. Es gibt keinen Ort mehr auf der Erde, der nicht bekannt ist. Ebenso sind die Grundstrukturen des Weltraums erforscht. Die klassische Physik erklärt uns die Gesetze, die im Raum und in der Zeit wirken. Sie ermöglichten uns, das Space Shuttle zu bauen und die Kameras zu konstruieren, die uns unsere Erde in allen Varianten zeigen. Diese Kameras können auch für unsere physischen Sinne Unsichtbares aufdecken. Infrarot-, Wärme- und Radarbilder können mit unserem analytischen Verstand gedeutet und durch im Computer generierte Farben auch für unsere Sinne sichtbar gemacht werden. So können auch für unsere Sinne unsichtbare Welten sichtbar gemacht werden und zur Erweiterung unseres Wissens beitragen.

Wissen der überphysischen Welt ist nicht Allgemeingut Mit Ausnahme einiger spiritueller Lehrer der Vergangenheit und Gegenwart hat die Menschheit kein klares Wissen von den inneren Welten des Menschen. Die offizielle Wissenschaft hat noch kein Space Shuttle konstruiert, mit dem man die Tiefen der Innenräume des Menschen erkunden kann. Die analytische Methode des Denkens kommt an ihre Grenze, wenn es sich um Phänomene handelt, die ausser Raum und Zeit ablaufen, die im Weltbild der klassischen Physik unmöglich sind und doch existieren. 193


Es gibt keine Erkenntnisgrenzen, es gibt nur Grenzen des Hirndenkens

Jeder Mensch besitzt die Kameras, die Unsichtbares im Menschen beobachten können. Es fehlt nur das Bewusstsein für den Schlüssel, der die Kameras aktiviert. Das Deltagramm ist der Schlüssel, mit dem man die Kameras aktivieren kann. Es ist eine Methode, die uns unsere inneren Welten sichtbar macht. Dazu muss man das analytische Denken ersetzen. Das analytische Denken macht uns ja mit Hilfe der physischen Sinne die Vergangenheitsstrukturen der Materie sichtbar und erfasst die in diesen Strukturen wirkenden Gesetze. Man muss nun dieses Denken durch ein gegenwärtiges, lebendiges Denken ersetzen. Dieses kann die für unsere Sinne unsichtbaren Strukturen der Welt der Emotionen und Gedanken beobachten. Man hat nach diesem inneren Vorgang des gegenwärtigen Beobachtens die Möglichkeit, mit Hilfe des analytischen Denkens das Erlebte in unser Alltagsleben einzuordnen. Alles, was man mit Hilfe des gegenwärtigen, lebendigen Denkens an unsichtbaren Strukturen und Vorgängen wahrgenommen hat, kann man im Nachhinein mit dem analytischen Denken so beschreiben, dass es mit dem gesunden Menschenverstand begriffen werden kann.

Sprung ins Nichts

Das analytische Denken, das geschult ist, sinnlich sichtbare Vorgänge der physischen Welt zu beschreiben, kommt jedoch beim Beschreiben der überphysischen Welten oft an seine Grenze. Die Grenze kann durch für das analytische Denken absurde Vergleiche ein bisschen verschoben werden.

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Beispiele

Ich bin nicht mein Körper, weil ich einen Körper habe. Ich bin real, weil ich unsichtbar bin. Ich bin unsterblich, weil mein Körper sterblich ist. Nichts ist Alles. Will man ein tiefes Verständnis für die unsichtbaren menschlichen Innenwelten entwickeln, kommt man nicht darum herum das eigene Denken zu verwandeln. Man muss den Sprung vom hirngebundenem Vergangenheitsdenken zu einem Wahrnehmen in der Gegenwart wagen. Das Wahrnehmen in der Gegenwart geschieht mit derselben Kraft, die unbewusst gebraucht wird, um von Gedanken zu Gedanken im normalen hirngebundenem Denken zu gelangen. Der Unterschied bei der Anwendung dieser Denkkraft besteht darin, dass sie bewusst durch die Steigerung der Aufmerksamkeit eingesetzt wird. Wahrnehmen in der Gegenwart ist zunächst ein Sprung ins Nichts, ein Sprung in unbekannte Sphären. Man sollte den Sprung aus den festgefahrenen Hirnstrukturen in das Nichts immer wieder versuchen. Das Nichts wird sich dann immer mehr zum Alles verwandeln. Viele Menschen haben die Sehnsucht, diesen Sprung zu wagen, haben aber das Sprungbrett noch nicht gefunden. Drogen oder andere Manipulationen am menschlichen Körper schleudern uns nicht in die Region, wo wir hellwach, mit gesteigertem Bewusstsein, unsichtbare Innenwelten beobachten können. Sie führen uns in Regionen, wo wir in Unfreiheit, für die Sinne Unsichtbares in einem abgedämpften Bewusstseinszustand erleben. Diese Erlebnisse können auch nicht mit dem analytischen Denken verarbeitet werden. Das echte Sprungbrett hat jeder Mensch in sich. In den ersten Kapiteln werden wir das Sprungbrett kennen lernen. Die eingestreuten Beo195


bachtungsübungen sind die Sprungübungen. Jeder Mensch kann springen. Wie oft und wie intensiv er springt, ist jedem einzelnen überlassen.

Eigene Erfahrung

Ich empfehle den Lesern so oft wie möglich selbst zu springen. Nur zu schauen, wie andere Springen, ist zwar interessant, lässt einem die Realität der unbekannten Welten nicht selbst erleben. Eigene Erfahrung lässt sich auch in diesem Gebiet durch nichts ersetzen. Ich kann auch hier nicht andere für mich Sport treiben, essen, reisen usw. lassen. Ich muss es selbst tun, um zu wissen, wie es ist. Misslungene Sprünge sind absolut harmlos. Man landet im alltäglichen Bewusstseinszustand des Alltagsdenkens.

Die Zeit ist reif

So können das Wissen und die Gesetze der inneren Welten Allgemeingut werden. Die Zeit ist reif, dass alle Menschen die Grundtatsachen der inneren Welten beobachten können und über diese so Bescheid wissen wie über die äussere Welt.

Der gesunde Menschenverstand

Es besteht jedoch heute ein grundlegendes Problem. Die toten Strukturen des analytischen Denkens prägen die meisten Menschen so stark, dass die Lebendigkeit des gesunden Menschenverstandes stark beeinträchtigt ist. Das Deltagramm ist auch ein Weg, der den lebendigen, gesunden Menschenverstand wieder aus dem Netz der materiellen, toten Gedankenstrukturen befreit.

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Einzige Voraussetzung: Aufmerksamkeit und gesunder Menschenverstand

Der Inhalt dieses Buchs setzt nur die eigene Aufmerksamkeit voraus. Alles, was beschrieben wird, kann selbst nachvollzogen werden.

Neue Beweise aus der Quantenphysik

Für wissenschaftlich Interessierte soll darauf hingewiesen werden, dass man auf dem Weg in die menschlichen Innenräume Gesetzen begegnet, die in der klassischen Physik ungültig sind. Diese Gesetze entsprechen jedoch auf verblüffende Art den Gesetzen, die in der Quantenphysik gefunden wurden. Zwei Beispiele, die von den Quantenphysikern bewiesen wurden und somit zum modernen wissenschaftlichen Grundlagenwissen gehören: • Informationen können ohne Zeitverlust ausgetauscht werden. D.h. der Austausch findet ausser Raum und Zeit statt und erfolgt schneller als mit Lichtgeschwindigkeit. • Der Beobachter verändert das Beobachtete. D.h. es gibt keine ausserhalb des Beobachters existierende objektive Welt. Alles ist miteinander verwoben und folgt einer höheren Logik als der Logik des analytischen Denkens. Nun wollen wir zur ersten Beobachtungsaufgabe schreiten. Wenn Sie diese Beobachtungen selbst nachvollziehen und nicht nur theoretisch zur Kenntnis nehmen, werden Sie auf dem Weg zum gesunden Menschenverstand grosse Fortschritte machen. Weiter im Buch «Das Deltagramm». . .

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Die biologische evolution der Körper wird von der evolution des menschlichen Bewusstseins abgelöst. Die Phänomene dieser Bewusstseinsevolution zeigen uns die ADS- und ADHS-Kinder, Autisten, die legastheniker und Kinder mit Dyskalkulie, sowie Kinder mit Hochbegabungen. Diese Kinder sind nicht Heilige oder eingeweihte, wie sie oft unter dem Modebegriff der indigokinder beschrieben werden. Sie sind jedoch auch keine kranken und hirngeschädigten Kinder, wie sie aus der Sicht der Wissenschaft und der heutigen Medizin beurteilt werden. in diesem Buch soll eine Brücke zwischen den Ansichten der modernen Medizin und den Schilderungen über die indigokinder gebaut werden. eine Brücke, die sich jeder interessierte Mensch durch Steigerung seiner Aufmerksamkeit, selbst bauen kann. es wird ein Weg aufgezeigt, wie man zum Delta-Bewusstsein gelangt, um in der Praxis zu Hause und in der Schule die neue Generation von Kindern erziehen zu können. Weiter werden ideen zur Umstrukturierung unseres Schulsystems und unserer Gesellschaft formuliert, die helfen können, alte Strukturen dem entwicklungsstand der modernen Kinder anzupassen.

«eine neue Verständnisgrundlage für eltern, Pädagogen und Psychologen zum Phänomen der ADS-Kinder. »

CMD PUBLISHING

Zweite, stark erweiterte Auflage


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