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Die Zwischenräume …

Der Roman von Josef Roth* (1930), links in einer Aufführung der Münchner Kammerspiele, rechts in der Verfilmung von Michael Kehlmann, handelt von dem galizischen Juden Mendel Singer, der nach Amerika auswandert. Seine Familie erlebt ein Unglück nach dem anderen: Der jüngste Sohn Menuchim ist Epileptiker und wird bei der Auswanderung zurückgelassen; der älteste Sohn ist verschollen, der dritte fällt im Ersten Weltkrieg; die Tochter Mirjam bricht mit den Moralvorstellungen der Familie und wird schließlich psychisch krank. Als auch noch seine Frau stirbt, bricht Mendel in seiner Verzweiflung mit seiner Religion und wendet sich von Gott ab. Doch das »Wunder« geschieht: Der – inzwischen geheilte und als Musiker berühmt gewordene –Menuchim findet seinen Vater in Amerika und lässt ihn seinen Frieden finden.
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HIOB
O du Windrose der Qualen! Von Urzeitstürmen in immer andere Richtungen der Unwetter gerissen; noch dein Süden heißt Einsamkeit. Wo du stehst, ist der Nabel der Schmerzen.
Deine Augen sind tief in deinen Schädel gesunken Wie Höhlentauben in der Nacht die der Jäger blind herausholt. Deine Stimme ist stumm geworden, denn sie hat zuviel Warum gefragt.
Zu den Würmern und Fischen ist deine Stimme eingegangen. Hiob, du hast alle Nachtwachen durchweint aber einmal wird das Sternbild deines Blutes alle aufgehenden Sonnen erbleichen lassen.
NELLY SACHS*
Gedenkstein im ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen mit Hi 16,18

ADAMS ÄPFEL

Der mehrfach preisgekrönte groteske Film des dänischen Regisseur Anders Thomas Jensen handelt von einem »modernen Hiob«:
Der dänische Landpfarrer Iwan nimmt ehemalige Straftäter auf, um sie zu bekehren, so auch den aus dem Gefängnis entlassenen Neonazi Adam. Iwan lässt sich von allen Provokationen seiner Schützlinge nicht von seinem Glauben an das Gute im Menschen abbringen. Die zahlreichen Schicksalschläge, die er in seinem eigenen Leben erfahren musste (der frühe Tod der Mutter, die Misshandlung durch seinen Vater, der Suizid seiner Frau, die Behinderung seines Kindes und zuletzt ein tödlicher Gehirntumor), blendet er als vermeintliche Versuchungen des Satans einfach aus. Doch Adam, der in Iwans Bibel das Buch Hiob entdeckt hat, fordert ihn heraus, der Realität ins Auge zu sehen und (wie Hiob) Gott selbst für sein Unglück verantwortlich zu machen. Iwan verfällt in tiefe Depression, woraufhin Adam immer mehr Verantwortung in der Gruppe übernimmt. Zuletzt kommt es zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit den früheren Nazi-Freunden Adams und Iwan erleidet einen Kopfschuss, der ihn (wunderbarerweise) von seinem Tumor heilt.
Rezeptionen Des Hiobbuches
1. In diesem Kapitel sind Sie verschiedenen künstlerischen und literarischen Bearbeitungen der Hiobtradition begegnet; auf dieser Doppelseite finden Sie weitere Beispiele. Untersuchen Sie, auf welche Aspekte und Fragestellungen des Hiobbuches sich die einzelnen Bearbeitungen beziehen. Arbeiten Sie unterschiedliche Akzentsetzungen heraus und suchen Sie nach Gründen (z. B. historischer Kontext).
2. Informieren Sie sich über weitere Beispiele der Rezeption der Hiobtradition in Kunst, Musik und Literatur (ggf. Referate).
3. Vielleicht mögen Sie selbst kreativ werden und z. B. Hiobszenen inszenieren, einen Kurzfilm (Handyfilm) drehen, einen Rap dichten und vertonen, Textcollagen anfertigen, Bilder gestalten.
DIALOG ZWISCHEN ADAM UND IWAN
Adam: Und wenn es nicht der Teufel ist, der dich prüft?
Iwan: Wie meinst du das? […] Wenn es nicht der Teufel ist, wer ist es dann?
Gott.
Wie bitte?
Gott.
Ich verstehe nicht, was willst du sagen?
Was ist, wenn Gott dich geprüft hat und nicht der Teufel?
Wieso um alles in der Welt sollte er das tun?
Weil er dich so hasst, Iwan. Ich habe dieses Buch gelesen, das Buch Hiob – kennst du doch, oder?
Das hab’ ich leider nie geschafft. Es handelt doch von einem kleinen Krokodil, zumindest hab’ ich das gehört
Über ein Krokodil steht viel drin, aber auch viele andere Dinge [Adam erzählt aus dem Buch]. Sieh mich an, Iwan: Du weißt genau, dass Gott diesen ganzen Zirkus hier veranstaltet. […] Der Teufel denkt gar nicht daran, auch nur eine Sekunde an dich zu verschwenden.