Zwei Eisclows erobern die Welt

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Elias zu spüren. Zwar kann er wie erwähnt ins Bankhaus Frank eintreten, also ins wirtschaftliche Umfeld der Familie seiner Frau. Die ersten Jahre nach ihrer Hochzeit sind relativ sorgenfrei, wie die beginnenden Zwanzigerjahre in vielen europäischen Ländern und auch in Deutschland von wirtschaftlicher Prosperität geprägt sind. In Frankfurt wird 1924 Ludwig Landmann zum neuen Oberbürgermeister gewählt, er gehört der (kleinen) linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei an. Während seiner Amtszeit entwickelt sich die Stadt rasant, wird durch Eingemeindung der Stadtteile Höchst und Fechenheim zur flächengrössten Stadt der Republik und gehört nach Einwohnerzahl zu den grössten Metropolen des Landes. Auch gebaut wird viel in diesen Jahren: So wird 1925, im Geburtsjahr von Buddy, die grosse Fussballarena, das Waldstadion, fertiggestellt und mit einer ‹Arbeiter-Olympiade› feierlich eröffnet. Die Wahl Landmanns steht auch für die Emanzipation der jüdischen Minderheit der Stadt, die zu den grossen jüdischen Gemeinden Deutschlands gehört. Von gut einer halben Million Einwohnern sind um 1930 circa dreissigtausend jüdisch. Denn Landmann ist Jude, «seine Biographie wies einige Parallelen zu der Familiengeschichte der Franks» auf, wie Esther Alexander-Ihme im Ausstellungskatalog ‹«Früher wohnten wir in Frankfurt …». Frankfurt am Main und Anne Frank› berichtet. Auch Landmanns späteres Schicksal wird dem der Familie Frank leider nicht unähnlich sein: Von den Nazis 1933 zum Rücktritt gezwungen, kann er 1939 nach Amsterdam ausreisen, überlebt zwar Verfolgung und Not, aber stirbt bei Kriegsende an Entkräftung in Holland – ohne seine Heimatstadt Frankfurt je wieder gesehen zu haben. «Es war natürlich eine Legende, dass Frankfurt besondere Sympathien für seine jüdischen Bürger hätte. Sicher, es hat immer wieder kurze Zeiten der Harmonie gegeben. Aber die Nachfahren von Vinzenz Fettmilch, der im 17. Jahrhundert für das grosse Judenschlachten in Frankfurt verantwortlich war, wurden wieder aktiv und machten sich immer lauter und unverschämter bemerkbar.» Dies lässt Michel Bergmann in seinem Roman ‹Die Teilacher› einen Protagonisten sagen, und so spielen 1925 nicht nur ein paar Nazi-Jünglinge auf einer Burg irgendwo weit draussen auf dem Land mittelalterliche Ritterspiele, sondern während des ‹Deutschen Stahlhelmtages› marschiert die SA mitten durch Frankfurt – zum ersten, aber leider nicht zum letzten Mal. Als Erich Elias im Jahr 1929 in die Schweiz übersiedelt, wird in Frankfurt dem Ehepaar Otto und Edith Frank ihre Tochter Anne geboren, und Buddy verbringt dort seine ersten Lebensjahre, an 21


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