Freisamkeit

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Weißt du, wie schwierig es ist, anzufangen? Ich glaube zu wissen, wie schwierig es ist, anzufangen. Schon den Tag anzufangen fällt schwer. Das zieht sich vom ersten Schritt des Tages zum Aufsetzen des Teewassers über den Anfang der Arbeit (die ich scheinbar jeden Tag neu erfinde) bis zum Beginn der Nacht, der mir neuerdings fast genauso schwer fällt, wie das Anfangen des Tages. Das Schwierige am Anfangen scheint mir der Übergangszustand: Wer anfängt, oder besser gesagt: wer anfangen will, der verlässt das Hier und Jetzt, um einen Schritt Richtung Zukunft zu machen. Diese Zukunft ist dabei schon wieder veraltet, denn sie entspricht einer Vorstellung aus der Vergangenheit. Man fängt also an, meint dabei nach vorne zu blicken und schaut doch zurück. Das Schlimme am Anfangen ist, dass man das Jetzt – eigentlich der einzige mögliche Seinszustand – aus den Augen verliert, um Vorstellungen aus der Vergangenheit gerecht zu werden. Anzufangen ist also Quatsch. Jedes »Jetzt fange ich an« führt einen weg aus dem Jetzt und statt etwas anzufangen fängt und sperrt man es ein. Jedes Jetzt trägt das Anfangen an sich in sich. Jeden Moment fangen wir an, den Moment anzufangen (ohne ihn einzufangen!). Ganz von allein. Schön eigentlich. 141


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