B&E Magazin - Ausgabe Sommer 2012 - Bildung ganz cool – neue Medien in der Schule

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Über die Möglichkeiten moderner Medien in Bildung und Unterricht Torsten Larbig

Das Radio, so dachte Bertolt Brecht um 1930, könne dann sehr nützlich sein, wenn es sich von einer Technik der Informationsverbreitung hin zu einem Kommunikationsapparat verwandele. Brecht sprach von einem »Kanalsystem«, in dem jeder Informationen empfangen und senden könne. Er stellte den Menschen in den Mittelpunkt, der eine Stimme bekommt, nicht länger isoliert vor dem Radio sitzt, sondern in Beziehungen mit anderen treten kann. Brecht wollte, dass aus den Hörern Mitspieler würden, dass das Medium zu einem Wandel der Gesellschaft beitragen möge. Brecht erkannte die Möglichkeiten des Rundfunks, verwandelte seine Erkenntnisse in Visionen und in unserer Gegenwart sind diese Visionen Wirklichkeit geworden. Das „Kanalsystem“, in dem jeder Informationen empfangen und senden kann, ist das Internet. Wer auch immer Zugang zu diesem globalen Netzwerkk hat, hat die Möglichkeit, die eigene Stimme in gesellschaftliche Prozesse einzubringen. Aus Konsumenten können Mitspieler werden. Und mit dem Auftreten neuer politischer Kräfte, die konsequent auf digital vernetzte Strukturen setzen, um Entscheidungsfindungsprozesse basisdemokratisch zu gestalten, könnte sich schließlich auch noch Brechts Annahme als richtig erweisen, dass das Medium zu einem Wandel der Gesellschaft beitragen kann. Es wäre nicht das erste Mal. Gutenberg hat mit der Erfindung des Buchdrucks mithilfe von Setzkästen einen enormen gesellschaftlichen Wandel nicht nur begleitet, sondern ausgelöst. Es spricht mittlerweile vieles dafür, dass die Digitalisierung ebensolche gesellschaftlichen Veränderungen mit sich bringt, wie es der Buchdruck getan hat. Aus dem Zeitalter der Aufklärung geht das Zeitalter der Beteiligung hervor. Was Kant, Brecht und andere bereits beschrieben haben, ist Wirklichkeit geworden. Wie nun die Möglichkeiten digitaler Vernetzung so genutzt werden können, dass sie demokratische Prozesse zuverlässig abzubilden vermögen, daran arbeitet die Avantgarde der Gegenwart.

Bildungsprozesse und schulischer Unterricht haben sich mit dem Aufkommen des Buchdrucks massiv verändert. Bildungsprozesse und schulischer Unterricht verändern sich mit Aufkommen des Internets und der damit verbundenen Verfügbarkeit kompakter Endgeräte. Wir befinden uns mitten in diesem Prozess. – Wenn Immanuel Kant davon spricht, dass sich der Mensch des eigenen Verstandes bedienen müsse, um aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit herauszukommen, so steht heute Technologie zur Verfügung, die die verbliebenen Vermittlungs- und Kontrollinstanzen des Denkens radikal infrage stellt. Überall dort, wo der Zugang zum Internet frei verfügbar ist, hat jeder die Möglichkeit, sich mit anderen Menschen zu vernetzen. Das demokratische Potenzial des Internets testen und gestalten gegenwärtig Netzpolitiker vieler Parteien, wobei die Anziehungskraft der Piratenpartei wohl auch damit zu tun hat, dass sie dieses basisdemokratische Potenzial am weitesten vorangetrieben hat und bereits jetzt über ein Know-how in diesem Bereich verfügt, von dem andere profitieren können. Nie war es so einfach, sich des eigenen Verstandes nicht nur reflektierend, sondern vor allem auch aktiv zu bedienen, wie in der Gegenwart, so der Zugang zum Internet vorhanden ist. Manuel Castells sprach angesichts der sich abzeichnenden Veränderungen bereits um 2000 herum vom „Aufstieg der Netzwerkgesellschaft“. – Bildung und Unterricht sind Teil dieser Gesellschaft, die sich mehr und mehr zu einer »interaktiven Gesellschaft« (Manuel Castells) entwickelt. Wikipedia hat gezeigt, wie freiwilliges, nicht bezahltes, kollaboratives Zusammentragen von Wissen dieses Wissen frei verfügbar machen kann. Erstaunlich ist dabei aber nicht, dass diese Wissensbestände nun verfügbar sind, das waren umfassende Lexika auch. Der Mehrwert besteht darin, dass Kollaboration und Kooperation diesen Wissensschatz nicht nur hervorgebracht haben, sondern auch pflegen. Dabei haben Lernprozesse stattgefunden, die weit über die sichtbaren Bestände hinausgehen und vor allem mit Fragen der Qualitätssicherung zu tun haben.


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