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Reifegradmodell zur Identifikation von Veränderungspotenzialen

Die Vielzahl von Themen, individuelle Lösungsansätze und die fehlende standardisierte Vorgehensweise stellt die Bankenwelt und insbesondere die Entscheider und Entscheiderinnen vor erhebliche Herausforderungen. Einen Blueprint für den Wandel gibt es nicht, zu hoch sind die individuellen Organisationsstrukturen und kulturellen Ausprägung in der Bankenwelt.

Hinzu kommt, dass speziell in Banken die Berücksichtigung der Mitarbeiter*innen oftmals noch eine untergeordnete Rolle im Transformationsprozess spielt. Eine Anpassung der Schriftlich fixierten Ordnung und einer Rundmail reichen längst nicht mehr aus, um den heutigen Anforderungen und Bedenken der Belegschaft gerecht zu werden. Zu hoch ist das Risiko, dass Neuerungen auf Ablehnung stoßen und damit erhebliche Effizienzverluste entstehen.

Das von uns entwickelte Reifegradmodell zur Identifikation von Veränderungspotenzial basiert auf den Ansätzen der Business Engineering Landkarte 3.0 sowie langjährigen Erfahrungen in Transformationsprozessen und liefert die notwendige Orientierung. Das Modell ist nicht nur eine Vorlage zur Erhebung der aktuellen digitalen Reife, es stellt parallel die Menschen in der Organisation in den Mittelpunkt und ermöglicht somit das Aufdecken von Effizienzverlusten und blinden Flecken.

Mit seinen sieben Dimensionen und 44 Elementen der einzelnen Reifegrade bietet es eine verlässliche Richtschnur im Transformationsprozess für die schrittweise Umsetzung und verortet die Organisation in einer der vier Reifegradstufen. Die integrierte Effizienzmessung bietet eine praktische

Möglichkeit zur kontinuierlichen Überprüfung und Weiterentwicklung des Erreichten und liefert eine Antwort auf Kernfragen, wie mit bestehenden Ressourcen und Möglichkeiten ein bestmögliches Ergebnis erreicht werden kann und liefert darüber hinaus die benötigte Transparenz.

Zur Ermittlung der Reifegradstufen wird ein umfangreicher Kriterienkatalog entlang der Dimensionen und Elementen verwendet, der eine Unterteilung der Elemente in notwendige und hinreichende Bedingungen vorsieht. Die Dimensionen orientieren sich an den relevanten Handlungsfeldern der Digitalisierung und stammen aus einer Vergleichsanalyse mit 12 Reifegradmodellen und der explorativen Forschung. Die Herleitung des Reifegrades auf Unternehmensebene basiert auf einem gestuften Modell sowie dem Stage­GateAnsatz. Anhand der erreichten Reifestufe können Handlungsempfehlungen zur Erreichung der höheren Stufe identifiziert werden.

Der in der Bewertung gewählte Stage­Gate­Ansatz bildet die Grundlage für die Effizienzmessung, was die Identifikation von Veränderungspotenzial ermöglicht. Hierfür ist eine detaillierte Ermittlung der Reifegradbewertung auf Dimensions und Elementebene notwendig. Die Effizienzmessung konzentriert sich auf die Mitarbeiter*innen der Bank und ermöglicht mittels subjektiver Bewertung, den Effizienzgrad von einzelnen Elementen zu ermitteln. Anhand der Ergebnisse werden die Veränderungspotenziale sichtbar und zeigen mögliche Effizienzverluste auf. Hierdurch wird die Bank befähigt, auf extreme Abweichungen direkt zu reagieren und notwendige Handlungen zur Steigerung der Effizienz einzuleiten.

Skizze zum Vorgehen

Rahmenwerk der Durchführung

1. Planung der Reifegraderhebung

2. Durchführung der Reifegradmessung

3. Durchführung der Effizienzmessung

4. Ergebnisverdichtung und Auswertung

Quelle: Eigene Darstellung

Vorgehensbesprechung der Datenerhebung und Definition von Rahmenbedingungen in einem Kick­Off mit relevanten Stakeholdern

Informationserhebung anhand definiertem Assessment (Selbstbewertung, unterstützende Bewertung, zertifizierte Bewertung)

Informationserhebung anhand einer digitalen Befragung mit einer 6­stufigen Likert­Skala

Ermittlung von relevanten Handlungsfeldern und bestehenden Effizienzverlusten

Mehrwert der Reifegradbewertung für die Bank/Anwendende:

· Befähigung zur systematischen Umsetzung der digitalen Transformation auf einem wissenschaftlichen Ansatz

· Aufzeigen des Status quo und Schaffung eines einheitlichen Verständnisses

· Identifikation von relevanten und notwendigen Handlungsfeldern für den Wandel

Exkurs: Business Engineering als Basis

· Ableitung von strategischen Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz

· Einbeziehung der gesamten Organisation und Steigerung der Akzeptanz

· Möglichkeit zur Erstellung der Umsetzungsroadmap auf faktenbasierter Basis

Unter Business Engineering wird ein Managementmodell zur strukturierten, transparenten, methodischen und professionellen Durchführung des Transformationsprozesses verstanden. Der Fokus liegt auf der ganzheitlichen Betrachtung der strategischen, organisatorischen und technologischen Unternehmensebene. Hierbei besteht jederzeit ein starker Bezug zum notwendigen Changemanagement und zu externen Wirtschaftseinflüssen. Business Engineering wird auch als interdisziplinärer Ansatz bezeichnet. Sein Vorteil ist die detaillierte Auffächerung von Problemstellungen und die damit verbundene Reduzierung der Komplexität im Transformationsprozess.2 Business Engineering berücksichtigt alle sensiblen Bereiche des Unternehmenswandels und bündelt sie in einem methodischen Ansatz.3

Die dazugehörige St. Galler Business Engineering­Landkarte 3.0 erhöht nicht nur die Nachvollziehbarkeit im Transformationsprozess, sondern dient ebenfalls als strukturierte Vorgehensweise. Die vier fachlichen Ebenen: Unternehmensstrategie, Geschäftsprozesse, Informations­ und Kommunikationssysteme und Unternehmenskultur werden von den zwei Themen Steuerung der Transformation sowie Umwelt flankiert.

2 Vgl. Österle, H., Winter, R., Business Engineering (2003): S. 10 ff.

3 Vgl. Steimel, B., Digitaler Wandel der Organisation (2017): S. 42.

Business Engineering-Landkarte 3.0

Auf der Ebene der Unternehmensstrategie wird die strategische Ausrichtung im Zielmarkt unter Berücksichtigung des Wettbewerbes und der Unternehmenskompetenzen analysiert. Folglich bildet die Unternehmensstrategie den Ausgangspunkt der Transformation und definiert die angestrebte Marktpositionierung, die Ausprägung der Leistungserbringung sowie die Geschäftsfelder.4

Auf der Ebene der Geschäftsprozesse erfolgt die strukturierte Umsetzung der Unternehmensstrategie. Zur Sicherung der Unternehmenstransformation sind die kontinuierliche Anpassung und Steigerung der Prozessqualität relevant.

Informations- und Kommunikationssysteme liefern die notwendige technische Unterstützung für die ganzheitliche Umsetzung der Geschäftsprozesse. Diese erfordert Aktivitäten wie beispielsweise Anpassungen der bestehenden IT­Lösungen und der IT­Architektur.5 Hierzu gehört die Aufrüstung der Hardware des Unternehmens, entsprechende neue

Softwarelösungen, eine angepasste Applikationsarchitektur sowie ein umfassendes WorkflowManagement.

Die Unternehmenskultur muss in allen Ebenen berücksichtigt werden und bildet letztendlich die notwendige Basis für eine erfolgreiche digitale Transformation. Die digitale Transformation wird immer scheitern, wenn die Menschen für den Transformationsprozess nicht offen beziehungsweise bereit sind.

Neben den fachlichen Ebenen, die den Blick auf die Organisation selbst richten, berücksichtigt die Business­Engineering­Landkarte 3.0 die Steuerung der Transformation sowie die Umwelt. Das ökonomische Umfeld, Veränderungen der gesellschaftlichen Werte, Innovationen und Trends sind relevante und nicht zu vernachlässigende Faktoren, die von außen auf das Unternehmen einwirken.6

4 Vgl. Winter, R., Navigator (2011): S. 29.

5 Vgl. Jung, R., Digitaler Hype (2014): S. 50.

6 Vgl. Baumöl, U., Jung, R., Business Engineering­Landkarte (2014): S. 47.

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