Nachbarn 15/2 AG, SO, bB

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Aargau – Solothurn – beider Basel

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Nachbarn

Solidarisch sein Jährlich setzen Menschen in der Schweiz über eine halbe Milliarde Stunden ihrer Freizeit für das Gemeinwohl ein und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zu einer solidarischen Schweiz


Inhalt

Inhalt Editorial

der Geschäftsleitenden Caritas Aargau – Solothurn – beider Basel

Kurz & bündig

News aus dem Caritas-Netz Persönlich

Eine gute Tat am Tag Sechs Antworten

Regional

Flüchtlinge brauchen unsere Solidarität Caritas Aargau

Beratung für Asylsuchende ist unerlässlich Caritas beider Basel

Solidarität ist die Basis eines harmonischen Zusammenlebens in der Gemeinscha

Kindern Zeit schenken Caritas Solothurn .

Schwerpunkt

Bringen Sie die Schweiz zum Leuchten

Solidarisch sein

Caritas Aargau, Caritas Solothurn, Caritas beider Basel

Solidarität muss nicht spektakulär sein, es nicht in eine Schlagzeile oder an eine Hauswand schaffen. Doch ist sie mehr als nur eine Worthülse. Solidarität ist spür- und erlebbar, vor allem in der Freiwilligenarbeit. Jährlich leisten 1,5 Millionen Menschen in der Schweiz über 600 Millionen Stunden unentgeltlich zum Wohle unserer Gesellschaft. Zwei davon sind Petra Felder und Gabi Holenstein. Die beiden Frauen erzählen, wie und weshalb sie sich für Familien engagieren, denen es schlechter geht. Und sie machen deutlich, dass jeder von uns einen Beitrag zu einer solidarischen Schweiz leisten kann.

Kiosk

«Wie kann ich mich für Armutsbetroffene engagieren?» Gedankenstrich

«Das bin ich»

ab Seite

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Editorial

Liebe Leserin lieber Leser Ăœblicherweise zitieren wir in diesem Heft den Papst eher selten. Aber diese Nummer widmet sich dem Themenschwerpunkt ÂŤSolidaritätÂť, und da ist Papst Franziskus Experte. In seinem apostolischen Schreiben ÂŤEvangelii gaudiumÂť schreibt er, das Wort ÂŤSolidaritätÂť habe sich ein wenig abgenutzt und werde manchmal falsch interpretiert. Es erfordere mehr als einige gelegentliche grossherzige Taten, nämlich eine neue Mentalität, ÂŤdie in den Begriffen der Gemeinschaft und des Vorrangs des Lebens aller gegenĂźber der Aneignung der GĂźter durch einige wenige denktÂť. Deshalb mĂźsse die Solidarität als die Entscheidung gelebt werden, dem Armen das zurĂźckzugeben, was ihm zustehe.

Kurt Brand Geschä sleiter Caritas Aargau Regula Kuhn-Somm Geschä sleiterin Caritas Solothurn

Wir als Caritas und Sie als Spenderin, Freiwillige oder Sympathisant, wir alle versuchen in unserem Alltag ein StĂźck weit solidarisch zu sein. Aber dies ist eine schwierige Aufgabe, weil das Leid gross ist und die GĂźter ungleich verteilt sind. Und so werden wir vermeintlich nie fertig mit der Solidaritätsarbeit. Zum GlĂźck hat die Solidarität auch eine lustvolle Dimension – nämlich das Leben von Gemeinschaft. Das Spenden von Geld oder Naturalien gibt uns ein gutes GefĂźhl, das Leben von Gemeinschaft, die Begegnung mit Menschen, schenkt uns Beziehungen. SchĂśn, wenn daraus gar Freundschaften werden. Es wird in unserer Gesellschaft viel Ăźber Armutsbetroffene und FlĂźchtlinge berichtet und analysiert. Das tun wir auch in diesem Magazin. Viel zu selten kommt es aber zu Begegnungen und damit zum Miteinander. Franziskus ist uns auch hier ein Beispiel – kaum jemand geht so offen auf Menschen in Not zu wie er.

Be ina Zeugin Geschä sleiterin Caritas beider Basel

ÂŤNachbarnÂť das Magazin der regionalen Caritas-Organisationen erscheint zweimal jährlich Gesamtauage Ex Auage AG BS SO Ex Redaktion Karin Sarafoglu Be ina Zeugin Kurt Brand Regula Kuhn-Somm regional Bojan Josifovic national Gestaltung und Produktion Urs Oderma Cyrille Massaux Druck Stämpi AG Bern

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Kurz & bĂźndig

Verantwortungsvoll haushalten

EnergiesparCheck FĂźr Haushalte mit knappem Budget lanciert Caritas Aargau ein neues Projekt. Freiwillige EnergiesparCoachs machen kostenlose Hausbesuche. Mit dem Energiespar-Check verhilft Caritas Aargau Menschen mit wenig Einkommen zu einer Energieberatung. Sie lernen, wie sie Ăśkologisch sinnvoll lĂźften, stromsparend kochen und sorgsam mit Wasser umgehen kĂśnnen. Der Energiespar-Check läuft in einer Pilotphase von 2015 bis 2017 im Bezirk Baden und versteht sich vor allem als Bildungsprojekt. Die betroenen Haushalte leisten einen wichtigen Beitrag zur Schonung unserer Umwelt und entlasten gleichzeitig ihren Geldbeutel. Die wichtigsten Projektpartner sind Freiwillige, die vorgängig eine Schulung durchlaufen. Als Energiespar-Coachs nehmen sie Stromrechnungen, Haushaltsgeräte und Heizungen unter die Lupe, geben Tipps und montieren Soforthilfen wie Sparlampen und wassersparende Duschbrausen. Das Projekt wird mit Beiträgen von Bund, Kanton, der Stadt Baden, der Umweltarena Spreitenbach, der ABB und den Elektrizitätswerken der Region unterstĂźtzt. www caritas-aargau ch/ energiesparcheck

Neue Wege in der Arbeitsmarktintegration

Caritas scha Perspektiven Im Kanton Bern sollen FlĂźchtlinge und vorläufig Aufgenommene rascher in den Arbeitsmarkt integriert werden. Caritas Bern hat den Zuschlag fĂźr ein entsprechendes Pilotprojekt erhalten. FlĂźchtlinge und vorläuďŹ g Aufgenommene (VAs) werden im Kanton Bern nur unzureichend in den Arbeitsmarkt integriert. Auf Initiative der Privatwirtschaft hat deshalb die Kantonsregierung ein Pilotprojekt lanciert, das von Caritas Bern nun umgesetzt wird und den Namen ÂŤCaritas PerspektiveÂť trägt. Ziel: Die FlĂźchtlinge und VAs sollen schneller in den ersten Arbeitsmarkt gelangen. Dies, indem man die betroenen Personen direkt im Arbeitsmarkt platziert und sie mittels eines Job-Coachings begleitet, welches Ăźber die reine Einarbeitungsphase hinausgeht. Dabei lässt Caritas Bern die eigene langjährige Erfahrung im Bereich der Arbeitsintegration einiessen und berĂźcksichtigt die BedĂźrfnisse der Arbeitgeber. Das Besondere an ÂŤCaritas PerspektiveÂť ist, dass der Kanton Bern die Ziele vorgibt sowie misst, das Pilotprojekt aber von der Privatwirtschaft ďŹ nanziert und von Caritas Bern umgesetzt wird. Werden die Ziele erfĂźllt, proďŹ tieren alle Beteiligten. Im anderen Fall mĂźssen die Geldgeber und Caritas Bern mit einem begrenzten Kapitalverlust rechnen. Claudia Babst, Geschäftsleiterin von Caritas Bern: ÂŤEine solche Finanzierungsvereinbarung ist ein Novum fĂźr uns. Wir zeigen damit aber, dass uns das Projekt und dessen Ziele ernst sind.Âť www caritas-bern ch

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Kurz & bĂźndig

Stellenabbau bei Caritas Luzern

Asylau rag verloren Der Kanton Luzern hat der Caritas Luzern den Asylauftrag auf Ende 2015 gekĂźndigt. Das hat fĂźr das Hilfswerk einschneidende Folgen. 30 Jahre lang war die Caritas Luzern fĂźr die Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden zuständig. Ab 2016 Ăźbernimmt dies der Kanton Luzern in Eigenregie und kĂźndigte deshalb den bisher an Caritas Luzern vergebenen Asylauftrag. Das Hilfswerk muss in der Folge 54 Mitarbeitenden kĂźndigen und aufs kommende Jahr hin die Organisation um einen Viertel verkleinern. Caritas Luzern hot, dass die zum Teil langjährigen Mitarbeitenden mit ihrem Fachwissen und ihrer grossen Erfahrung im Umgang mit Asylsuchenden beim Kanton eine Anstellung ďŹ nden. Integration bleibt ein Schwerpunkt-Thema bei der Caritas Luzern. Auch in Zukunft setzt sie sich fĂźr die beruiche und soziale Integration von Armutsbetroenen, Stellensuchenden und die MigrationsbevĂślkerung ein. Dank ihrer GrĂśsse, guter Vernetzung und viel Erfahrung kann sie diese Aufgaben auch wahrnehmen. So bleibt sie im FlĂźchtlingsauftrag tätig, fĂźhrt den Dolmetschdienst Zentralschweiz und engagiert sich in weiteren Integrationsprojekten. Ebenso verfĂźgt Caritas Luzern Ăźber eine Sozial- und Schuldenberatung und betreibt Hilfsprojekte fĂźr Armutsbetroene, Bildungsangebote zur Begleitung in der letzten Lebensphase und eine Fachstelle fĂźr Freiwilligenarbeit. Nicht zuletzt bietet sie eine breite Palette von Programmen zur beruichen und sozialen Integration von versicherten Erwerbslosen und Personen mit wirtschaftlicher Sozialhilfe. Mehr Infos im Online-Jahresbericht: www caritas-luzern-jb ch

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NEWS KulturLegi fĂźr den Kanton Thurgau Die KulturLegi soll neu auch den Thurgauerinnen und Thurgauern den Zugang zu verbilligten Angeboten im Bereich Bildung und Kultur ermĂśglichen Bereits konnten Partner/innen gefunden werden aus Bereichen wie Kino Theater Bibliotheken oder Fitnessstudios Ebenfalls haben einige Supporter/innen die ďŹ nanzielle UnterstĂźtzung zugesichert Zum jetzigen Zeitpunkt werden weitere Partner und Supporter gesucht Das Ziel ist der Start der KulturLegi Thurgau im FrĂźhjahr www caritas-thurgau ch

Finanzielle Bildung durch Caritas Schweiz Caritas Schweiz hat fĂźr Lehrpersonen Hilfsmi el zum Thema Budget entwickelt Dabei erfreuen sich die Materialien zu den ÂŤ goldenen Regeln im Umgang mit GeldÂť einer hohen Nachfrage Caritas wird bei der Verbreitung der Hilfsmi el unterstĂźtzt durch den Berner Bildungsverlag hep sowie durch iconomix das Lehrangebot der Schweizerischen Nationalbank SNB Die Mi el kĂśnnen hier kostenlos heruntergeladen werden www caritas ch/ďŹ nanzkompetenz

mit mir bei Caritas Solothurn Neu gibt es das Patenscha sprojekt mit mir auch bei Caritas Solothurn Das Projekt soll freiwillige Patinnen und Paten mit Kindern aus belasteten Familien zusammenbringen Das Projekt fÜrdert die soziale Integration und entlastet armutsbetroene Familien im Alltag www caritas-solothurn ch/patenscha

Neues Angebot Zßrich unbezahlbar Zßrich zählt zwar zu den teuersten Orten der Welt doch bietet die Stadt erstaunlich Vieles umsonst KulturLegi Kanton Zßrich lanciert den Online-Stadtfßhrer Zßrich unbezahlbar Dieser bßndelt kostenlose Kultur- Sport- und Freizeitangebote beispielsweise Freibäder Openair-Konzerte Lesungen Leihfahrräder Stadtfßhrungen Freilu kinos oder Ausstellungen Damit wird Menschen mit knappem Budget der Zugang zu abwechslungsreichen Aktivitäten ermÜglicht www zuerichunbezahlbar ch


Rubrik

Solidarität heisst Hilfesuchenden unter die Arme zu greifen damit sie bald wieder auf eigenen Beinen stehen können

Ein Leben in Armut bringt Eltern an den Rand der Verzweiflung und lässt Kinderträume platzen


Schwerpunkt

Solidarität zwei Frauen ein Anliegen Sich solidarisch zeigen durch Handeln: Wir haben mit Petra Felder und Gabi Holenstein zwei Frauen getroffen, die freiwillig bei Caritas mitarbeiten. Wir wollten von ihnen wissen, wie sie sich von den tiefen Einblicken in das Leben anderer abgrenzen und was Solidarität im Alltag für sie bedeutet. Text Karin Rechsteiner Bilder Zoe Tempest in Zusammenarbeit mit Barbara Rusterholz

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ls wir an diesem Montag in Escholzmatt ankommen, läuten die Kirchenglocken und ein warmer Sommerabend bricht an. Pünktlich fährt der Zug weiter, es bleibt die ländliche Stille. Zu sehen sind einzig zwei Syrer, die sich leise unterhalten, während in der Schweiz hitzig darüber debattiert wird, was man mit diesen Menschen, den Flüchtlingen, tun soll. Petra Felder ist 42 Jahre alt und Lehrerin von Beruf. Sie arbeitet Teilzeit und wohnt mit den beiden Kindern und ihrem Mann in Escholzmatt. Für sie ist klar: Diesen Menschen soll man helfen. Und das sagt sie nicht nur, sie tut es auch.

Alltag statt Ausnahmezustand Seit fast zwei Jahren begleitet Petra für Caritas eine vierköpfige Flüchtlingsfamilie aus Syrien. Der Anfang war streng, gibt Petra offen zu. Während Vater Hakim* bereits sehr gut Deutsch konnte, sprach die Mutter Alima* nur gebrochen, der Austausch fiel schwer. Pet-

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ra gab nicht auf und hielt an den wöchentlichen Treffen fest. Sie versuchte ihr neues Engagement und ihren Umgang mit der syrischen Familie so natürlich wie möglich zu gestalten und in ihren Alltag zu integrieren. Der gegenseitige Respekt, sich zu achten und zu unterstützen, ist ihr wichtig – denn das ist es, was Petra unter Solidarität versteht. Und so kommen Alima und ihre beiden Söhne einfach mit, wenn Petra mit ihren Kindern in die Bibliothek geht. Sie hilft den dreien beim Lesen und bei der Bücherauswahl, erzählt und erklärt, wie die Bibliothek und die Schweiz funktionieren. Am Wochenende besuchen die beiden Familien manchmal gemeinsam die Fussballturniere der Kinder. Sie sind für Hakim und Alima eine Chance, neue Kontakte zu knüpfen.

Wenn Unwissen schmerzt Die beiden Söhne von Alima und Hakim sind im Dorf integriert. Sie kommen in der Schule mit, lernen fleissig Deutsch und spielen im Fussballclub mit. Etwas schwerer fällt es den Eltern. Hakim arbeitet 80 Pro-


Schwerpunkt

zent, aber die Arbeitszeiten sind unregelmässig, der Arbeitsweg ist lang. Ihn unterstützt Petra bei der kräftezehrenden Suche nach einer Vollzeitstelle in der Nähe. Alima versucht ebenfalls neue Leute kennenzulernen und ihr Deutsch zu verbessern. Sie geht zum Beispiel regelmässig in den Damenturnverein. Ihre Eltern und Brüder, die Menschen, die ihr am nächsten wären, leben jedoch in Syrien. Manchmal hat sie tagelang keinen Kontakt zu ihnen. Das ist nicht einfach auszuhalten – auch für Petra nicht. «Ich muss mich abgrenzen», sagt sie. «Ich wertschätze jetzt unser Leben bewusster, obwohl ich auf früheren Reisen schon vieles gesehen habe. Wir diskutieren in der Familie darüber und ich hoffe, ich kann meinen Kindern etwas mitgeben.» Ist sie sich bewusst, dass sie solidarisch handelt? «Am Anfang ja, aber das ist inzwischen in den Hintergrund gerückt.» Aus einer Aufgabe, verbunden

mit einem leisen Pflichtgefühl, wurde eine Freundschaft. Und es ergaben sich viele gute Gespräche im Zusammenhang mit ihrem freiwilligen Engagement, denn sie entschied sich bewusst, über ihre Erfahrungen zu sprechen. «Auch als Lehrerin möchte ich meine Schüler teilhaben lassen. Ich stelle immer wieder fest, dass wir nicht aufgeklärt sind. Viele denken, die Flüchtlinge seien faul, und vergessen dabei, dass sie oftmals gar nicht arbeiten dürfen, dass sie von einem Ort zum nächsten geschoben werden.» Die gemeinsame Zeit mit der syrischen Familie empfindet sie als schön und lehrreich. Und empfehlen würde sie einen solchen Einsatz ohne Vorbehalt jedem.

Vom Schreibtisch in den Verkauf Wir treffen Gabi Holenstein am Bahnhof Bern, quasi auf der Durchreise. Denn die 77-Jährige war am Tag zu-

Wir alle geraten in Situationen in denen wir auf Hilfe angewiesen sind Gut wenn wir auf hilfsbereite Menschen zählen dürfen

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Schwerpunkt

vor an der Expo in Mailand, und morgen geht’s nach ZĂźrich, wo sie eine krebskranke Freundin besucht. Gabi Holenstein wurde 1938 in Ostpreussen als Tochter von Auslandschweizern geboren. Die Familie ßchtete am Ende des Zweiten Weltkrieges in die Schweiz, wo Gabi Holenstein als ältestes von acht Kindern aufwuchs. Zuletzt arbeitete sie als PersonalcheďŹ n in einem Bundesbetrieb. Seit 16 Jahren ist sie pensioniert und hat heute mehr zu tun als damals, als sie noch berufstätig war. Gabi Holenstein lief im Dezember 2006 zufällig am Caritas-Markt in Bern vorbei und dachte zuerst, es sei ein neues Tearoom, schliesslich stand da ein einladender Tisch draussen. Sie betrat neugierig den Laden und fragte spontan, ob sie mithelfen kĂśnne. Seither arbeitet sie zwei Mal im Monat mit. Solidarität bedeutet fĂźr sie, dass man sich fĂźr andere einsetzt, sie mitträgt, fĂźr sie da ist. Deshalb fĂźllt sie im Caritas-Markt Regale auf, packt Backwaren in Plastiksäcke ab, räumt um und ein, bĂźschelt das GemĂźse, putzt.

Kein Markt der unbeschränkten MĂśglichkeiten Gabi Holenstein erhält Einblicke in fremde Leben und Kulturen. Ihre Kunden kommen nicht nur aus der Schweiz, sondern aus der ganzen Welt. ÂŤDie meisten sind sehr herzlich und offen. Wenn ich länger nicht da war, fragen sie, wo ich war, wie es mir geht.Âť Und wenn aus der Kaeepause eine Deutschstunde wird, gerade wenn die Mitarbeitenden aus dem Arbeitsintegrationsprogramm da sind, gibt es viel zu lachen. Aber nicht nur. Wer im Caritas-Markt einkauft, kämpft mit ďŹ nanziellen Problemen. Dazu gehĂśren BezĂźgerinnen und BezĂźger von Ergänzungsleistungen, Arbeitssuchende oder Working Poor. Ăœber die jeweiligen Lebensumstände wird nicht viel gesprochen. Manches schmerzt aber auch ohne Worte. Es fällt schwer, zu sehen, wie Kunden ihr Geld genau abzählen – und auch mal Einkäufe wieder zurĂźcklegen. ÂŤDas holt mich auf den Boden der Realität zurĂźck und es tut mir Leid. Ich versuche jedoch, mich abzugrenzen und die Erlebnisse nach Feierabend im Laden zu lassen.Âť Warum aber macht sie das, sie, die zeit ihres Lebens berufstätig war? MĂśchte sie sich nicht einfach entspannen? ÂŤEs geht mir gut und dafĂźr bin ich dankbar. Und solange ich noch kann, mĂśchte ich mich denen gegenĂźber solidarisch zeigen, die meine Hilfe brauchen kĂśnnen. Die Zeit totschlagen kann ich später.Âť

ORTE DER MENSCHENLIEBE Ich setze meine eigenen BedĂźrfnisse vor die meiner Mitmenschen Bin ich deshalb ein schlechter Mensch? Ăœberhaupt nicht denn es heisst ja immer noch ÂŤLiebe deinen Nächsten wie dich selbst Âť Auf die BedĂźrfnisse anderer einzugehen trägt in sich die grosse Gefahr sich selber auszubeuten andere abhängig oder mit der Hilfe ProďŹ t zu machen Erst durch das Au anken eigener Energie wird es mĂśglich diese Kra weiterzugeben Auch ich kenne Zeiten in denen ich mich zurĂźckziehen muss um auf mich zu schauen und innezuhalten bevor ich wieder auf andere zugehe und meine Hilfe anbiete

ÂŤUnser Alltag ist geprägt von Abhängigkeiten.Âť Unser Leben ist geprägt von We bewerb Kommt da die Gemeinscha zu kurz? Ob in der Schule bei der Arbeit oder auf dem Fussballplatz Menschen schaen Räume wo zwar We bewerb entsteht aber auch gemeinscha liches Leben erst mĂśglich wird Unser Alltag ist nicht nur von We bewerb sondern vor allem von Abhängigkeiten geprägt Wir leben eine Freiheit in Bezogenheit Diese Bezogenheit aufeinander formt unsere Gemeinscha und lässt Orte von Menschenliebe entstehen Jeder von uns kann einen Beitrag zu einer solidarischen Schweiz leisten indem wir uns darauf besinnen dass unser uneigennĂźtziger Einsatz fĂźr die Allgemeinheit notwendig ist Welchen Stellenwert hat die diakonische Arbeit in der Schweiz? Mit ihren Räumen an bester Lage sind Kirchen Orte der Gastfreundscha und des Schutzes fĂźr FlĂźchtlinge Benachteiligte und Hilfesuchende Mit ihren Freiwilligen in der Schweiz stellen Kirchgemeinden und Pfarreien ein Reservoir zivilgesellscha licher Kra dar ohne die das Pegen von Betagten und Benachteiligten sowie das Hegen von Kultur und Natur gar nicht mĂśglich wären

Christoph Sigrist ist Pfarrer am Grossmßnster Zßrich und Dozent fßr Diakoniewissenscha an der theologischen Fakultät der Universität Bern

* Namen zum Schutz der Personen geändert

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Schwerpunkt

Gelebte Solidarität Jährlich setzen Menschen in der Schweiz über eine halbe Milliarde Stunden ihrer Freizeit für das Gemeinwohl ein. Auch aus eigennützigen Interessen. Text Theres Arnet-Vanoni Präsidentin BENEVOL Schweiz Illustration Achilles Greminger

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er Begriff «Solidarität» bezeichnet das starke Gefühl von Menschen, zusammenzugehören, sei es als Familie, als Gemeinde oder gar als Nation. Das solidarische Zusammenleben ist in der Schweizer Gesellschaft tief verankert und besonders in der Freiwilligenarbeit spürbar, wo sich Bürgerinnen und Bürger unentgeltlich für ihre Mitmenschen einsetzen. Dabei gestaltet sich deren freiwilliges Engagement sowohl vom Umfang als auch von der Art her so vielfältig, wie es unsere Gesellschaft ist. Es gibt keine «typischen

Freiwilligen». Die Bandbreite reicht vom Studenten, der via Internet kostenlose Aufgabenhilfe leistet, über die Mutter, die sich im Sportverein des Sohnes engagiert, bis hin zum Versicherungsfachmann, der Geld für den Tierschutz spendet, und zur jungen Frau, die sich für Kinder in Armut starkmacht.

Grundpfeiler unserer Gesellschaft Wir unterscheiden zwischen zwei Formen des freiwilligen Engagements: Geld- und Zeitspenden. Gemäss Bundesamt für Statistik spenden fast 75 Prozent der

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Schwerpunkt

Wunschkerze Schweizer Bevölkerung Geld oder Naturalien. Noch eindrücklicher: Jährlich leisten 1,5 Millionen Menschen in der Schweiz 665 Millionen Stunden freiwillig und unentgeltlich zum Wohle unserer Gesellschaft. Dies entspricht etwa der Anzahl Stunden, die in der Landwirtschaft und in der öffentlichen Verwaltung jährlich gearbeitet werden. Zum einen engagieren sich die Personen durchschnittlich 13 Stunden pro Monat für formelle, institutionalisierte Freiwilligenarbeit in Bereichen wie Sport, Kultur, Bildung oder Politik, in kirchlichen oder sozialen Projekten. Zum anderen erbringen sie nochmals so viele Stunden für Hilfeleistungen an Nachbarn, Freunde und Bekannte. Die Freiwilligenarbeit hat in der Schweiz folglich einen hohen Stellenwert. Sie bietet den Freiwilligen eine Plattform, sich für die Gemeinschaft einzubringen und diese mitzugestalten. Diverse empirische Studien belegen zudem, dass das freiwillige Engagement der Bürgerinnen und Bürger die Armut reduziert, die Gesundheit und das subjektive Wohlbefinden verbessert, die ökonomische Produktivität erhöht und die politische Partizipation fördert.

Zunehmende Professionalisierung Seit fünf Jahren nimmt das ehrenamtliche Engagement der Menschen in der Schweiz stetig zu. Gleichzeitig sind auch die Ansprüche an die Organisationen, Projekte oder Vereine gestiegen. Basierte früher die Motivation der Freiwilligen auf Selbstlosigkeit oder Pflichtgefühl, treten heute verstärkt auch eigene Interessen in den Vordergrund: Die freiwillige Tätigkeit soll Spass machen, Sinn stiften, Kontakte mit Menschen und individuelle Weiterentwicklung ermöglichen. Einsatzorganisationen sind zunehmend gefordert, die Freiwilligenbegleitung zu professionalisieren, um das Potenzial der Freiwilligen auszuschöpfen. Dies bringt für alle Beteiligten Vorteile. So entwickeln Organisationen Angebote, deren Reichweite sie mithilfe von Freiwilligen multiplizieren. Ein konkretes Beispiel: Caritas betreibt seit einigen Jahren das Patenschaftsprojekt «mit mir». Die Führung des Projekts liegt bei Caritas, doch sind es die zahlreichen Freiwilligen, die letztlich benachteiligten Kindern Zeit und Aufmerksamkeit schenken. Caritas kann auf motivierte Freiwillige zählen; diese wiederum profitieren von sinnvollen Engagements und die betroffenen Familien von solidarischer Unterstützung.

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Am Samstag, 12. Dezember 2015, bringen wir die Schweiz zum Leuchten. Im Rahmen der Aktion «Eine Million Sterne» lassen wir Plätze, Brücken und Gebäude an vielen Orten der Schweiz im Kerzenmeer erstrahlen. Gross und Klein findet zusammen, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Jede Kerze ist ein Bekenntnis für eine Schweiz, die sich für Schwache und Benachteiligte einsetzt.

Ihr persönlicher Wunsch Auf www.wunschkerze.ch erzählen ab November Armutsbetroffene und Freiwillige, die sich für benachteiligte Menschen einsetzen, von ihrem Alltag, ihren Herausforderungen und Wünschen. Weiter können Sie direkt auf der Webseite Ihren Liebsten einen persönlichen Wunsch hinterlassen. Diesen schreiben wir auf eine Wunschkerze und stellen diese dann am 12. Dezember an einem von Ihnen ausgewählten «Eine-Million-Sterne»Veranstaltungsort auf.

Weiterführende Informationen «Eine Million Sterne» Tausende Kerzen leuchten am Dezember als Zeichen für eine solidarische Schweiz Veranstaltungsorte in Ihrer Nähe www einemillionsterne ch BENEVOL BENEVOL Schweiz und die regionalen Fachstellen stehen für Qualität in der Freiwilligenarbeit ein definieren Standards und bieten Beratung im Bereich Freiwilligenarbeit an www benevol ch


PersĂśnlich

Nihada aus Winterthur Ich fahre gerne Inlineskates Vor ein paar Wochen hat mir ein Mädchen dabei zugeschaut wie ich meine Runden drehe Nach einiger Zeit habe ich sie gefragt ob sie auch fahren will Sie ha e aber keine eigenen Inlineskates Also habe ich ihr meine geliehen Sie war sehr glßcklich Das hat mich irgendwie auch frÜhlich gemacht 

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Persönlich

«Eine gute Tat am Tag» lautet das Credo der Pfadfinder Was war Ihre letzte gute Tat? Antworten von Passantinnen und Passanten aus der Deutschschweiz.

Kim Mai Nangsa Mangtshang, Sechstklässlerin, Zürich Ein paar Buben aus meiner Klasse hänselten gestern auf dem Pausenplatz ein Mädchen aus der 1. Klasse, das eine Behinderung an den Händen hat. Das fand ich so fies. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen sofort damit aufhören, und habe das Mädchen dann getröstet. Sie hat sich bei mir bedankt und mich angelächelt.

Beate Brodkorb, ehemalige Finanzangestellte, Faulensee Ein sehr guter Freund hatte schwere Bandscheibenprobleme und musste sich deswegen mehrmals operieren lassen. Dann hat sich sein Gesundheitszustand massiv verschlechtert und er befand sich während mehrerer Tage in Lebensgefahr. Ich bin in dieser Zeit seiner Frau zur Seite gestanden und habe sie stark unterstützt.

Gabi Mayer, Pflegefachfrau, Herisau Ich war eine Woche als Küchenhilfe in einem Blauring/Jungwacht-Lager. Weil dort nicht die Erwachsenen den Takt vorgaben, entstand ein organisiertes Chaos. Mich hat beeindruckt, wie selbstverständlich die Grossen die Kleinen unterstützt haben und wie zwanglos die verschiedenen Altersgruppen miteinander umgegangen sind. Es war ein Privileg, dabei zu sein.

Rebar Muhamad, Hilfswerkvertreter, Kreuzlingen Ich habe Kleider aus einer Sammelaktion der Caritas Thurgau erhalten und sie zum Empfangsund Verfahrenszentrum Kreuzlingen gebracht. Die Leute haben sich sehr darüber gefreut. Ich setze mich dort auch für Minderjährige ein, sobald ich sehe, dass sie unzureichend betreut werden. Anderen zu helfen, gibt mir ein gutes Gefühl und ebensolches Gewissen.

Dominik Portmann, Treuhänder, Lohn-Ammannsegg Ich führe unter anderem für gemeinnützige Stiftungen die Buchhaltung. Nebenbei bin ich Präsident eines Fussballvereins. Aufgrund dieser beiden Tätigkeiten habe ich vor kurzem ein Mitglied unseres Vereins, welches sich in einer Notlage befand, an eine dieser Stiftungen weitergeleitet, wo sein Problem professionell angegangen und ihm geholfen wurde.

Noel Wartmann, Schüler, Emmenbrücke In meiner Nachbarschaft wohnt eine ältere Frau, die nicht mehr gut laufen kann. Einmal in der Woche gehe ich zu ihr, dann kaufen wir zusammen ein. Ich schaue, dass sie nichts vergisst und helfe ihr beim Tragen. Und manchmal essen wir auch ein Zvieri zusammen, da erzählt sie mir dann von damls, als sie selbst noch in die Schule ging.

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Caritas Aargau – Solothurn – beider Basel

Flßchtlinge brauchen unsere Solidarität Die Flßchtlingsberatung von Caritas Aargau hat stetig steigende Fallzahlen. Freiwillige Mitarbeitende sind da eine grosse Hilfe. Text Karin Sarafoglu Bild Karin Sarafoglu

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amrawit Emaha ist vor bald vier Jahren aus Eritrea in die Schweiz gekommen und wird seit einem Jahr von der FlĂźchtlingsberatung Caritas Aargau betreut. Sie wohnt in einer grossen Wohngemeinschaft, welche auf drei Stockwerke eines Hauses verteilt ist. FĂźr

Eine Art sich freiwillig zu engagieren Die administrative UnterstĂźtzung von Caritas Aargau wird jeden Donnerstagnachmi ag rege besucht

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Caritas Aargau – Solothurn – beider Basel

ihr bescheidenes Zimmer zahlt sie 690 Franken. In einer Sprachschule hat sie sehr gut Deutsch sprechen gelernt, und doch sieht sie die einzige Schwierigkeit in der Sprache: «Erst mit Deutsch bekommt man vielleicht eine Arbeit», sagt sie. Obwohl sie in Eritrea während zehn

Jahren in einem Militärspital als Krankenschwester gearbeitet hat, muss sie ein Schweizer Diplom nachholen. Anouk Lehner, Leiterin der Flüchtlingsberatung (FLB), bestätigt: «Was in der Schweiz zählt, sind Schweizer Diplome, obwohl Samrawit Emaha schon in ihrer Heimat eine entsprechende Ausbildung absolviert hat.» Im August hat Samrawit Emaha einen Kurs in Pflegehilfe begonnen; dazu gehört ein anknüpfender Deutschkurs mit Fachvokabular speziell für Pflegehelfende und schliesslich ein Praktikum. Sie ist sehr dankbar für die Begleitung und Unterstützung. Im Juli 2015 zählte die FLB neun Mitarbeitende und begleitete insgesamt 549 anerkannte Flüchtlinge. Der grösste Teil von ihnen kommt aus Eritrea, Tibet und Afghanistan. Sie benötigen Integrationshilfen, psychosoziale Betreuung und oft materielle Sozialhilfe. Freiwillige Begleitpersonen leisten zusätzlichen Einsatz, um die Neuankömmlinge mit der hiesigen Kultur vertraut zu machen. Integration findet in vielen Bereichen statt: Arbeit, Wohnen, Schule, Finanzen, Gesundheit und mehr. So sind es auch viele Anspruchsgruppen, mit welchen die FLB in ihrer täglichen Arbeit zu tun hat. Darunter sind Ärzte, Lehrer, Freiwillige, Arbeitgeber und Vermieter. Anouk Lehner betont: «Wir sind auf gute Zusammenarbeit mit diesen verschiedenen Vertretern angewiesen. Das Thema Wohnen ist immer wieder schwierig, denn günstige Wohnungen sind Mangelware.» Die grösste Herausforderung sieht sie in den sich rasch ändernden Flüchtlingszahlen. «Wir müssen

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sehr flexibel sein und schnell auf steigende Flüchtlingszahlen reagieren. Es kann vorkommen, dass es acht Neuanmeldungen an einem Tag gibt.» Anouk Lehner findet, die Solidarität in der Gesellschaft ist zentral und wichtig: «Die Reaktionen in Leserbriefen und Kommentaren in den Medien zeichnen zum Teil ein eher düsteres Bild. Die Aussagen basieren schlicht auf Unwissen. Wenn ich in meinem Umfeld sage, dass ich mit Flüchtlingen arbeite, kommen zum Teil komische Fragen. Ich merke dann, dass gewisse Leute ein verzerrtes Bild von der Flüchtlingsthematik haben. Ich wünsche mir mehr Offenheit und Neugierde gegenüber Flüchtlingen.» Doch in der konkreten Praxis, zum Beispiel bei den Freiwilligen, welche die Flüchtlinge im Alltag begleiten, erlebt sie immer wieder eine grosse Verbundenheit. Auch, wenn sie sieht, wie Flüchtlinge Kontakt zu Nachbarn knüpfen. So berichtet auch die Eritreerin Samrawit Emaha von einem türkischen Nachbarn mit grossem Herzen: «Er hat mir immer geholfen, zum Beispiel, um etwas mit seinem Auto zu transportieren. Er arbeitet bei der Migros und hilft vielen Flüchtlingen. Einmal war er bei uns zu Hause und sah, dass uns Kaffeetassen fehlten. Als er das nächste Mal vorbeikam, schenkte er uns gleich ein paar.»


Caritas Aargau – Solothurn – beider Basel

Beratung fĂźr Asylsuchende ist unerlässlich Das Heimatland befindet sich im Krieg, der Fluchtweg war lange und strapaziĂśs – wenn Asylsuchende bei uns ankommen, sind sie in einer sehr verletzlichen Situation. Deshalb brauchen sie starke UnterstĂźtzung und Rechtsbeistand. Ein Interview mit Michael Meier von der Beratungsstelle fĂźr Asylsuchende der Region Basel (BAS). Interview Be ina Zeugin Bild Be ina Zeugin

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err Meier, wie schätzen Sie die aktuelle Situation im FlĂźchtlingsbereich ein? Die Beratungsstelle fĂźr Asylsuchende der Region Basel (BAS) ist ein Seismograph fĂźr die Krisensituationen der Welt. Nach einem Kriegsausbruch geht es ein bis zwei Jahre, bis Menschen aus den Krisenregionen in die Schweiz gelangen und von uns rechtlich beraten werden. Wir rechnen jetzt schon damit, dass in ein paar Monaten die ersten FlĂźchtlinge aus Jemen in Basel eintreen werden. Seit FrĂźhling 2015 haben wir viele Familien aus Syrien in der Beratung. Auch viele Einzelpersonen aus Syrien sind hier, deren FamilienangehĂśrige im Libanon oder in der TĂźrkei zurĂźckgeblieben sind. Es ist immer so, dass nur wenige FlĂźchtlinge aus Krisengebieten in die Schweiz oder nach Europa gelangen. Die Mehrheit bleibt in der Herkunftsregion. Wenn keine Massnahmen ergriffen werden, kommen noch mehr FlĂźchtlinge nach Europa. Menschen mĂźssen Sicherheit und eine Lebensperspektive haben, um in ihrer Heimat bleiben zu kĂśnnen. Alle FlĂźchtlinge, die hierherkommen, haben ihre berechtigten BeweggrĂźnde, sonst wĂźrden sie die Stra-

pazen einer solchen Reise nicht auf sich nehmen. Nur werden hier nicht alle Motive asylrechtlich anerkannt. Problematisch ist zudem, dass viele Konikte aus dem Ruder laufen und es in vielen Ländern keine absehbare friedliche LĂśsung gibt. Das verschärft die Situation langfristig.

Wie gehen Sie mit den schwierigen Schicksalen der FlĂźchtlinge um? Es gibt immer wieder Schicksale, die mir sehr nahegehen. Trotzdem ist professionelle Distanz unbedingt nĂśtig. FĂźr unsere Tätigkeit ist die gute Zusammenarbeit im Team sehr wichtig. Hier kĂśnnen nur Menschen arbeiten, bei denen die Arbeit fĂźr die FlĂźchtlinge im Vordergrund steht. Interne Meinungsverschiedenheiten gibt es natĂźrlich, aber unsere Arbeit muss immer im Zentrum stehen. Wir haben 2014 mit drei Vollzeitstellen Ăźber 8500 Beratungen durchgefĂźhrt. Dies ist nur dank der Mitarbeit von zwĂślf Freiwilligen Ăźberhaupt machbar. Das Asylgesetz ist wieder in Ăœberarbeitung. Weshalb braucht es eine Rechtsberatung im Asylverfahren? Auf diese Frage gibt es eine einfache RĂźckfrage: Sie wären sicher auch froh um einen Rechtsbeistand,

wenn Sie zum Beispiel in Sri Lanka wären und weder Sprache noch System kennen wĂźrden. Die Schweiz ist ein Rechtsstaat. Damit Asylsuchende nicht als Menschen zweiter Klasse behandelt werden, benĂśtigen sie einen Rechtsbeistand. Auch trit das zuständige Bundesamt fĂźr Migration manchmal Fehlentscheide. Wir kĂśnnen in begrĂźndeten Fällen gegen diese vorgehen. Zudem benĂśtigen auch abgewiesene Asylsuchende UnterstĂźtzung und Beratung in ihrer oft extrem schwierigen Situation. Rechtsberatung ist deshalb dringend nĂśtig. Sollte das beschleunigte zentrale Asylverfahren tatsächlich eingefĂźhrt werden, ist die gleichzeitige Verankerung des Rechtsschutzes im Gesetz unabdingbarer Bestandteil.

Sie gehen im Herbst 2016 in Pension. Werden Sie auch weiterhin im FlĂźchtlingsbereich aktiv bleiben? Zunächst werde ich sicherlich eine längere Pause einlegen. Dann mĂśchte ich mich aber politisch engagieren. Ich freue mich darauf, dann frei sprechen zu kĂśnnen – ohne RĂźcksichtnahme auf Geldgeber und andere Sensibilitäten. Viele Politikerinnen und Politiker meinen, sie wĂźssten genau Ăźber den Asylbereich Bescheid. Fachper-

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Caritas Aargau – Solothurn – beider Basel

sonen werden dann oft als «Gutmenschen» abgekanzelt. Mir ist es wichtig, dass die Flüchtlingsthematik nicht für politische Interessen missbraucht wird.

Beratungsstelle für Asylsuchende Zusammen mit der HEKS-Regionalstelle beider Basel und dem Schweizerischen Roten Kreuz Kanton Basel-Stadt trägt Caritas beider Basel die Beratungsstelle für Asylsuchende der Region Basel BAS Die Mitarbeitenden der BAS informieren und beraten über die Chancen und das sinnvolle Vorgehen im Asylverfahren Nach individueller Prüfung des Einzelfalles übernehmen sie gegebenenfalls die Rechtsvertretung für Personen im Asylverfahren Auch in den Kantonen Aargau und Solothurn gibt es Rechtsberatungsstellen für Asylsuchende Weitere Informationen auf www bas-basel ch www heks ch/schweiz/aargausolo thurn/rechtsberatungsstelle-fuerasylsuchende-solothurn www heks ch/schweiz/ aargausolothurn/rechtsberatungs stelle-fuer-asylsuchende-aargau Michael Meier hat schon Menschen aus der ganzen Welt beraten

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Caritas Aargau – Solothurn – beider Basel

Kindern Zeit schenken Kinder aus benachteiligten Familien treffen Gotten oder Göttis und bekommen Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt. Das Projekt lebt vom Engagement jener, die etwas Gutes tun möchten und denen das Wohl der Kinder am Herzen liegt – nun auch im Kanton Solothurn. Text Karin Sarafoglu Bilder Urs Siegenthaler

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it mir» vermittelt Patenschaften zwischen Kindern und freiwilligen Patinnen und Paten. Das Patenschaftsprojekt will die soziale Integration von Kindern aus Familien in einem Engpass fördern. Der Engpass kann finanzieller Natur sein, wie zum Beispiel bei Working Poor. Aber auch für Kinder aus Familien, deren Eltern durch eine Krankheit sozial benachteiligt sind, will Caritas Solothurn eine Patin oder einen Paten suchen. «mit mir» möchte Kindern eine zusätzliche Beziehungsperson vermitteln und Eltern entlasten. Immer weniger Kinder wachsen in traditionellen Familienstrukturen auf. Oft sind die Grosseltern und andere Verwandte weit weg, und neue soziale Kontakte aufzubauen, fällt nicht jedem leicht. Kinder aus Familien in schwierigen Situationen geraten so leicht in eine Isolation. Vielfach leiden sie still und können mit niemandem darüber sprechen. Mit einer Patenschaft lernen sie andere Lebensformen und Perspektiven kennen. Und vor allem erhalten sie volle Aufmerksamkeit. Ein bis zweimal pro Monat treffen sich der

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Caritas Aargau – Solothurn – beider Basel

GĂśtti oder die Gotte mit dem Kind und unternehmen gemeinsam etwas wie Backen, Spielen, Basteln oder Ausßge in die Natur. Der Fokus soll bewusst auf konsumarme Aktivitäten gerichtet werden.

Freiwillige Gotten und GÜttis gesucht AurÊlie Payrastre, die Projektleiterin von mit mir, bringt viel Erfahrung mit, denn sie ist bereits fßr Caritas Aargau seit 2013 fßr das Projekt mit mir zuständig. Dort besteht das Projekt bereits seit neun Jahren und zählt zurzeit rund 75 Patenschaften. Payrastre freut sich auf eine spannende Zeit: Die sozialen Dienste und Fachstellen im Kanton Solothurn warten schon lange auf die Realisierung dieses Projekts. 2015 legt Caritas Solothurn den Fokus auf die Bekanntmachung des Projekts, während AurÊlie Payrastre die regionalen Vermittlerinnen rekrutiert. Diese werden verantwortlich sein fßr die Vermittlung und Begleitung der Patenschaften vor Ort. Dazu fßhren sie mit den Familien sowie den Patinnen und Paten Gespräche. Wer

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sich als regionale Vermittlerin fĂźr ÂŤmit mirÂť engagieren will, muss einige Voraussetzungen erfĂźllen. ÂŤEin pädagogischer Hintergrund ist von VorteilÂť, so Payrastre. Zudem braucht es ein Flair fĂźr organisatorische und administrative Arbeiten sowie eine gute Vernetzung in der Region. Aktuell werden je zwei Vermittlerinnen fĂźr die Bezirke Olten und Solothurn gesucht. 2016 sollen bereits Patenschaften entstehen. Dazu braucht es freiwillige Gotten und GĂśttis, die einem benachteiligten Kind Zeit schenken wollen. Sie erhalten im Gegenzug die Chance, ein Kind zu begleiten und an seiner Entwicklung teilzunehmen. Der Rotary-Club Solothurn hat sich fĂźr die Realisierung des Projekts bei Caritas Solothurn eingesetzt. ÂŤDas Patenschaftsprojekt erfĂźllt eine sozial sehr wichtige und sinnvolle AufgabeÂť, so Kommissionspräsident Jwan Dornbierer. ÂŤWir wollen dem Projekt nachhaltige UnterstĂźtzung geben, vielleicht ďŹ ndet sich in unserem Club und seinem Umfeld der eine GĂśtti oder die andere Gotte.Âť Vorerst ist ÂŤmit mirÂť noch auf

Spendengelder angewiesen. Eine Vision wäre, dass mit der Zeit der Kanton und die Gemeinden einen Teil der Finanzierung ßbernehmen.

Caritas Solothurn sucht Freiwillige fĂźr das Projekt ÂŤmit mirÂť MĂśchten Sie sich freiwillig engagieren bei ÂŤmit mirÂť? Sie kĂśnnen sich als Pate oder Patin einbringen oder als regionale Vermi lerin Mehr Infos gibt es unter www caritassolothurn ch/patenscha Das Projekt wird unterstĂźtzt von RotaryClub Solothurn Pro Juventute Kanton Solothurn Winterhilfe Kanton Solothurn und Adolf-Schläi-Fonds AurĂŠlie Payrastre Projektleiterin ÂŤmit mirÂť Caritas Solothurn a payrastre@caritas-solothurn ch Tel Caritas Aargau ap@caritas-aargau ch Caritas beider Basel info@caritas-beider-basel ch


Bringen Sie die Schweiz zum Leuchten Text Kurt Brand Bilder Claude Giger zvg

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ie Augen von Luca und Laura, 5 und 7 Jahre alt, leuchten erwartungsfroh. Dann, um Punkt 16 Uhr, nach dem vierten Glockenschlag, geht es los. Ihre Grossmutter zündet den Enkeln die beiden langen, weissen Kerzen an – und voller Eifer machen sie sich an die Arbeit und entflammen eine Kerze nach der andern. Es braucht manchmal zwei bis drei Anläufe, denn im Verlaufe des Nachmittags ging ein kurzer Schneeregen nieder und manche Dochte sind noch feucht. Gut zwei Dutzend Männer, Frauen und Kinder lassen sich davon nicht beirren und schaffen es, jede der über 1 000 Kerzen anzuzünden. Nach knapp 15 Minuten leuchtet ein riesiges Herz aus Kerzen auf

dem Bahnhofplatz und setzt damit ein Zeichen der Solidarität. Dies spiegelt sich in der friedlichen Stimmung. Manche Passantinnen bleiben einen Moment stehen, informieren sich oder trinken einen Punsch. Die Aktion «Eine Million Sterne» bringt jedes Jahr in der Adventszeit die Schweiz zum Leuchten. Durchgeführt wird sie von den regionalen Caritas-Organisationen und zahlreichen Projektpartnern. Mit der Aktion setzen sie gemeinsam ein Zeichen für eine solidarische Schweiz, deren Stärke sich am Wohl der Schwachen misst. Jedes Licht ist ein Bekenntnis für eine Schweiz, die Schwache stützt und in Not Geratenen hilft.

Die 15 regionalen, unabhängigen Caritas-Organisationen in der Schweiz haben in den letzten Jahren die Zusammenarbeit vertieft, nutzen Synergien und leisten so möglichst effizient Hilfe. Caritas setzt sich für armutsbetroffene Menschen in der Schweiz ein, unabhängig von ihrer Nationalität und Weltanschauung. Damit leistet sie einen wesentlichen Beitrag zur sozialen Integration. Denn die Zahl der Menschen, die sich allein, verloren und ausgegrenzt fühlen, wächst auch in der Schweiz – ob ausgegrenzte Kinder und Jugendliche, Erwerbslose, ältere Menschen oder Flüchtlinge. Die Aktion «Eine Million Sterne» ist nicht primär eine Spendenaktion. Wer aber seine

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ÂŤEine Million SterneÂť Die Aktion ÂŤEine Million SterneÂť ďŹ ndet am Samstag Dezember sta Noch ist der Anmeldeschluss fĂźr die Projektpartner nicht abgelaufen Ab November kann auf der Website www einemillionsterne ch nachgeschaut werden wo in diesem Jahr Illuminationen sta ďŹ nden Solidarität mit einer Spende ausdrĂźcken will, kann das gerne tun.

In der Nordwestschweiz Seit zehn Jahren ďŹ ndet die Aktion ÂŤEine Million SterneÂť auch in der Nordwestschweiz statt, immer am zweitletzten Samstag vor Weihnachten. Vielerorts hat sich seither eine Tradition entwickelt. Im Dezember 2014 wurden in den vier Kantonen an 34 Orten Illuminationen durchgefĂźhrt. Jede davon hat einen eigenen Charme ausgestrahlt. So prangte etwa in Baden Ăźber einem riesigen Stern aus 1500 Kerzen das Wort ÂŤSolidaritätÂť, ebenfalls aus Kerzen zusammengestellt. In Aarau leuchtete ein Herz auf dem Bahnhofplatz und in Basel fĂźllte

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ein grosser Kreis den Marktplatz. Am Mutschellen hingegen blies die Bise so stark, dass das Organisationsteam vollauf damit beschäftigt war, die ausgeblasenen Kerzen ständig neu anzuzßnden. Fast ßberall sind es Pfarreien, die mit Caritas zusammenarbeiten und die Anlässe organisieren. Oft werden Firmgruppen oder Jugendgruppen in die Aktionen miteinbezogen. Denn es gibt viel zu tun: Planung, Aufbau, das Betreiben eines Standes mit Tee und Punsch sowie der Abbau erfordern viele freiwillige Hände. Aber die Tätigkeit bereitet vor allem Spass und Freude daran sich mit andern zusammen fßr eine solidarischere Schweiz einzusetzen.

Zum zweiten Mal kĂśnnen im Rahmen der Aktion im Internet unter www wunschkerze ch virtuelle Wunschkerzen angezĂźndet werden siehe Seite FĂźr die Aktion suchen die Caritas-Organisationen in der Nordwestschweiz Freiwillige fĂźr einen Einsatz am Dezember Haben Sie Interesse? Melden Sie sich per Mail bei Caritas Basel Be ina Zeugin info@caritas-beider-basel ch Caritas Solothurn Gian SpĂśrri einemillionsterne@caritassolothurn ch Caritas Aargau Gian SpĂśrri einemillionsterne@caritas-aargau ch


Kiosk

Liebe Caritas, wie kann ich mich als Freiwillige/r fßr Armutsbetroene engagieren?

AGENDA Netzwerk Sozialer Aargau

Vielen Dank, dass Sie uns bei unserem Einsatz fßr armutsbetroffene Menschen in der Schweiz unterstßtzen wollen. Grundsätzlich gibt es drei MÜglichkeiten, wie Sie diesen Menschen direkt oder indirekt helfen kÜnnen:

Seit September ist die Website des Netzwerks Sozialer Aargau aufgeschaltet Das Netzwerk will die Stimmen seiner Mitglieder dort bßndeln und verstärken wo gemeinsame sozialpolitische Interessen und Anliegen zu vertreten sind

1. Engagieren Sie sich freiwillig fßr Familien, die besonders auf Hilfe angewiesen sind. Schenken Sie ihnen Zeit und Aufmerksamkeit. Sie erhalten Einblicke in andere Lebenswelten und erfahren Wertschätzung fßr Ihr Engagement. Je nach CaritasOrganisation gestalten sich die Einsätze fßr Freiwillige unterschiedlich: vom punktuellen Anpacken an Anlässen ßber eine Patenschaft im Rahmen des Projekts mit mir bis zur regelmässigen Aushilfe im Caritas-Markt. Mehr dazu erfahren Sie auf der Webseite der Caritas-Organisation in Ihrer Region.

Das Netzwerk Sozialer Aargau pegt und fĂśrdert die Vernetzung mit SchlĂźsselpersonen und Entscheidungsträgern und publiziert gemeinsame Vernehmlassungen oder Stellungnahmen zu sozialpolitischen und sozialplanerischen Fragestellungen zehn Non-ProďŹ t-Organisationen aus dem Aargau sind im Netzwerk vertreten die Koordination liegt bei Caritas Aargau www netzwerk-sozialer-aargau ch

2. Oder unterstĂźtzen Sie uns mit einer Spende. Diese iesst in Hilfsprojekte, mit denen wir Armutsbetroenen unter die Arme greifen. Mit Ihrer Spende ermĂśglichen Sie uns, Familien auf dem Weg aus der Armut zu begleiten und die Lebensbedingungen aller Familienmitglieder dauerhaft zu verbessern. 3. An mehreren Standorten in der Schweiz betreibt Caritas Secondhand-Läden und Caritas-Märkte. Ihre Kleider-, Sachoder auch Warenspenden nehmen wir gerne entgegen. In welcher Form wir diese benĂśtigen, wie wir sie weiterverwenden und wem sie letztlich zugutekommen, erfahren Sie auf www caritas-markt ch oder auf der Webseite der CaritasOrganisation in Ihrem Kanton. Haben Sie eine Frage an uns? Senden Sie diese per E-Mail an nachbarn@caritas-zuerich ch Gerne beantworten wir diese in der nächsten Ausgabe

Caritas Aargau Laurenzenvorstadt Aarau Tel www caritas-aargau ch PC - -

Caritas beider Basel Lindenberg Basel Tel www caritas-beider-basel ch PC - -

Spendenlauf Oktober Solothurn Die Jugendorganisation MKAS Majlis Khuddam-ul-Ahmadiyya Schweiz organisiert einen Spendenlauf um die Aare Die Spendeneinnahmen gehen an soziale Organisationen im Kanton Solothurn unter anderem auch an Caritas Solothurn Anmeldung und Infos bei Herrn Tarnutzer oder khidmat-e-khalq@khuddam ch

Caritas Solothurn Niklaus-Konrad-Strasse Solothurn Tel www caritas-solothurn ch PC - -

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Gedankenstrich

Das bin auch ich A

rnold Schwarzenegger färbt sein ProďŹ lbild auf Facebook in Regenbogenfarben ein, die PaziďŹ stin Simone Weil geht 1936 in den Spanischen BĂźrgerkrieg, um fĂźr die kämpfenden Franco-Gegner zu kochen, Menschen reisen ans Mittelmeer, um Frontex zu Ăźberwachen, andere zĂźnden auf dem Bundesplatz Kerzen an, um sich mit den ermordeten Mitarbeitenden von ÂŤCharlie HebdoÂť zu solidarisieren. Aber was heisst das genau: sich solidarisieren? FĂźr mich hat es immer bedeutet, sich neben jemanden zu stellen, an ihre oder seine Seite, jemanden oder einander zu stärken. Nicht aus PichtgefĂźhl oder Erbarmen, sondern aus einer gleichberechtigten Verwandtschaft heraus, im Sinne einer ZusammengehĂśrigkeit, die letztlich mit jedem fĂźhlenden Wesen empfunden werden kann. Manchmal ist diese ZusammengehĂśrigkeit deutlicher: Solidarität mit dem streikenden Supermarktpersonal, Solidarität mit Menschen, die wegen ihres Geschlechts diskriminiert werden, Solidarität mit von Ausschaffung bedrohten Nachbarn. Aber auch, wenn die Nähe hinsichtlich GeograďŹ e und Lebenssituation geringer

ist, kann man ZusammengehĂśrigkeit fĂźhlen: Solidarität mit den zu Tode Verurteilten in den USA, mit den kolumbianischen Blumenarbeiterinnen, den Wohnungslosen in Griechenland, mit den Inuit, denen der Lebensraum wegschmilzt. Solidarität muss nicht spektakulär sein, es nicht in eine Schlagzeile oder an eine Hauswand schaen. Ich war erst ein paar Monate an einer Arbeitsstelle, da bemerkte ich, dass es der Firma schlecht ging, dass LĂśhne zurĂźckgehalten und Beiträge an die beruiche Vorsorge nicht eingezahlt wurden. Nachdem ich den Chef damit konfrontiert hatte, begann er mich zu schikanieren, bis hin zum Vorwurf, ich hätte ihn bestohlen, und schliesslich der Drohung mit KĂźndigung. Meine beiden Kolleginnen stellten sich – trotz der unsicheren Lage – hinter mich. Wenn sie gehen muss, gehen wir auch. Wir blieben alle nicht mehr lange, aber diese Erfahrung hat mich weit Ăźber die Situation hinaus gestärkt. Es ist nicht leicht, Solidarität abzugrenzen von Nächstenliebe und MitgefĂźhl oder von Protektion, Seilschaft, Interessengemeinschaft. Aber man kann sie fĂźhlen. Sie sagt: Das kĂśnnte ich sein. Das bin auch ich.

Ulrike Ulrich lebt als freie Schri stellerin in ZĂźrich Nach den Romanen ÂŤfern bleibenÂť und ÂŤHinter den AugenÂť ist im Sommer ihr erster Erzählband ÂŤDraussen um diese Zeit“ erschienen Sie ist Mitherausgeberin der Anthologie ÂŤ Jahre Menschenrechte – literarische TexteÂť und engagiert sich fĂźr Schri steller/innen die staatlichen Repressionen ausgesetzt sind www ulrikeulrich ch

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Solidarisch sein – sich freiwillig engagieren Caritas sucht Freiwillige für das Patenschaftsprojekt «mit mir» mitmit@caritas-aargau.ch 062 837 07 42 www.caritas-aargau.ch

mitmir@caritas-solothurn.ch 062 837 07 42 www.caritas-solothurn.ch

info@caritas-beider-basel.ch 061 691 55 55 www.caritas-beider-basel.ch


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