können. Die unabhängige Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisiert in diesem Zusammenhang, dass eine medizinische Versorgung für die Asylsuchenden und Geduldeten aufgrund der bürokratischen Wege nicht unverzüglich erfolgen kann. Die notwendigen Behandlungsscheine werden zudem in den Sozialämtern durch fachfremdes Personal, welches sich nicht mit den Krankheitssymptomen und Diagnosen auskennt, ausgestellt und gemäß Paragraph 4 des AsylbLG vorgeprüft, so Pro Asyl in ihrer Broschüre mit dem Titel: Menschen wie Menschen behandeln!29. Diese Tatsache wird 2014 unter anderem auch auf dem 117. Deutschen Ärztetag in Düsseldorf thematisiert: „Der Deutsche Ärztetag kritisiert, dass medizinisch nicht qualifizierte Mitarbeiter des Sozialamts entscheiden, ob sie einen Krankenschein ausgeben oder nicht“30 Laut Montgomery, dem Präsidenten der Bundesärztekammer, dürfen Ärzte und Ärztinnen außerdem nicht zu „Sozialrichtern“ werden, weil sie aufgrund der Gesetze darüber entscheiden müssen, welchen Patienten sie wie behandeln (vgl. ebd.). Im Mai 2014 stellt der Ärztetag deshalb folgende Forderungen bezüglich der medizinischen Versorgungssituation von Asylsuchenden und Geduldeten an die Bundesregierung: –– Medizinisch-psychologische Untersuchungen bei Hinweisen auf Folter oder Traumatisierung nach den Voraussetzungen vom UN-Antifolterausschuss für Flüchtlinge im Asylverfahren. –– Gleiche Rechte für Asylbewerber*innen bei der Gesundheitsversorgung nach den Maßstäben der GKV. –– Einführung der bundesweiten Krankenversichertenkarte für Asylbewerber*innen31. Der Deutsche Ärztetag beschreibt zudem die häufigsten Erkrankungsbilder von Flüchtlingen und bemängelt eine generelle Unterversorgung durch professionelle Psycholog*innen der traumatisierten und auch besonders schutzbedürftigen Menschen32: „Untersuchungen haben gezeigt, dass ca. 40 Prozent der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden, ausgelöst
29 Vgl. Pro Asyl (2011), S. 17 ff. 30 Vgl. Dahlkamp und Popp (2014). 31 Einige Kommunen, wie beispielsweise Bremen, Hamburg und Rostock haben mit den Krankenkassen vor Ort einen Vertrag abgeschlossen, so dass Asylbewerber*innen über eine Krankenversicherungschipkarte mit den weiterhin eingeschränkten Leistungen nach § 4 AsylbLG verfügen. Sie können demzufolge ohne Umweg über das Sozialamt direkt in eine Arztpraxis gehen und dort entscheidet dann das medizinische Fachpersonal, ob eine akute Erkrankung vorliegt (vgl. Flüchtlingsinfo-Berlin 2008). Vgl. Bundesärztekammer (2014). 32 Gemäß EU-Richtlinie 2013/33/EU sind unbegleitete Minderjährige, Behinderte, Ältere, Schwangere, schwer Erkrankte, Menschen mit psychischen Störungen und Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern besonders schutzbedürftig und müssen von den aufnehmenden Staaten besonders berücksichtigt werden (vgl. Amtsblatt der Europäischen Union 2013).
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