Natur+Umwelt 1-2017

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Natur+Umwelt www.bund-naturschutz.de Heft 1-2017  99. Jahr  1. Quartal

Energiewende retten!


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JANDA+ROSCHER, Die WerbeBotschafter

Foto: iStockphoto.com

Lass die Sonne in dein Herz! Der BUND Naturschutz (BN) setzt sich seit vielen Jahren kontinuierlich und unabhängig für Erneuerbare Energien ein. Auch gegen mächtige LobbyInteressen. Damit das so bleiben kann, braucht der BUND Naturschutz viele Stimmen. Helfen Sie mit, Menschen für unsere gemeinsamen Ziele zu gewinnen.

Darum: Werben Sie Mitglieder für die gute Sache. Für jedes neue Mitglied sammeln Sie einen BN-Freundschaftspunkt, den Sie in attraktive Prämien eintauschen können. Nähere Infos bekommen Sie bei Ihrer Kreisgruppe oder im Internet. www.bund-naturschutz.de/ spenden-helfen/mitglieder-werben

Vielen Dank für Ihr Engagement!

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Natur + Umwelt 1-2017

Inhalt BUND Naturschutz Bayern 4/5 Intern

6 Leserbriefe

7 Porträt

8 Gut leben  Was tun nach der Schule?

9 Reise

10 – 22 Titelthema

23 Raus in die Natur  Das erste Schutzgrundstück des BN

24 Pflanzenporträt Seidelbast

25 Fotoseite

26/27 Naturschutz  Der Huchen

28 Natur in der Stadt Gut für die Gesundheit

29 Aktuell  Wie geht’s weiter mit CETA?

Rettet die Energiewende!

30/31 BN vor Ort aktiv  Im Einsatz gegen Flächenfraß 32/32 Ökospot

Inhalt BUND

34 – 41 Landesentwicklungsplan  und mehr Regionales

B1 Editorial und Inhalt

B2 Magazin  Natura 2000 gerettet

B4 Kommentar Energiewende zum Erfolg führen!

B6 Rettet unsere Böden!

42 Bildung

43 Service

Die deutsche Regierung bekennt sich zwar zu ihren Klimazielen, doch sie stellt die nötigen Weichen nicht, um diese Ziele zu erreichen. Die Energiewende muss ­beschleunigt statt ausgebremst werden. Seiten 10 – 22

B7 – B11 Zur Zeit  »Wir haben es satt!«-Demo, Mobilität und mehr Aktuelles B12/B13 Neustädter Binnenwasser B16/B17 Aktiv B18/B19 Friends of the Earth B20/B21 Junge Seite

Liebe Leser

B22 Persönlich  Sascha Maier

Dieser Ausgabe der Natur +Umwelt liegt eine Post­ karte an Ministerpräsident Horst Seehofer bei. Es ist eine Aufforderung, den bayerischen Alpenplan so zu lassen, wie er ist. Das würde bedeuten, dass am Riedberger Horn im Allgäu keine Skischaukel gebaut werden kann. Es würde auch bedeuten, dass die Bayerische Staatsregierung sich an geltende internationale Abkommen hält – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Bitte machen Sie mit; schicken Sie die Postkarte ab! Sagen wir dem Ministerpräsidenten, dass der Erschließungswahn vergangener Jahrzehnte endlich in die Mottenkiste gehört. Ihre Luise Frank, Redakteurin Natur+Umwelt

Lebensraum für den Huchen

An der Salzach setzen sich bayerische und österreichische Naturschützer grenzübergreifend dafür ein, dass der Fluss wieder natürlicher werden darf. Das schafft auch Lebensraum für den streng geschützten Huchen. Seiten 26 – 27

Flächenfraß verringern

Heimatminister Markus Söder will das Anbindegebot aus­ hebeln. Damit wäre einer ungebremsten Verbauung in ­Bayern Tür und Tor geöffnet. Eine nachhaltige Strategie wäre es, den Flächenfraß endlich zu bremsen. Seite 34

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Fotos: Kreisrguppe Bayreuth

Landesgartenschau war ein toller Erfolg

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Liebe Mitglieder

www.bayreuth. bund-naturschutz. de/landesgartenschau-2016.html

ie Bayerische Landesgartenschau fand 2016 in Bayreuth am Roten Main statt. Sieben Jahre zuvor war die Wahl auf die oberfränkische Stadt gefallen. Seit dieser Zeit be­ reitete sich auch die Kreisgruppe Bayreuth des BN auf dieses Ereignis vor. Ein Team aus sechs Mitgliedern erarbeitete den Auftritt des BUND Naturschutz. Dieser enorme Aufwand hat sich gelohnt: So nahmen 92 Schulklassen an Unterrichts­einheiten unter dem MottoRotmain-Safari teil. Dabei ging es um Kleinlebewesen im Wasser wie den Bachflohkrebs,

Neue Freunde und »alte Hasen«

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m vergangenen Jahr 2016 hat eine ganze Reihe brutalster terroristischer Anschläge wie in Nizza und Berlin die Welt verändert und uns alle tief erschüttert. Dass der Terror in die Mitte Europas vorgerückt ist, macht ihn nicht schlimmer, aber realer. Menschen, die diesem entkommen wollen, brauchen unsere Solidarität und unseren Schutz. Es ist deshalb wichtig, dass gerade auch wir als große Natur- und Umweltschutzorganisation verdeutlichen, dass es notwendiger denn je ist, durch eine nachhaltige Wirtschaftspolitik und eine faire Handelspolitik sowie durch Toleranz und Achtung vor anderen Regionen der Welt zu

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die Köcherfliegenlarve oder die Prachtlibelle und was sie über den Lebensraum Aue aussagen. Da im Juni und Juli gar nicht alle interessierten Klassen einen Termin erhalten konnten, soll es das Angebot der Rotmain-Safari auch 2017 für Schulen geben. Der Lebensraum Aue stand auch im Mittelpunkt von 139 Führungen für interessierte Besucher. Daran nahmen fast 2100 Besucherinnen und Besucher teil. Zudem wurde der Informationspavillon mit Ehrenamtlichen besetzt. Hierzu hatten sich 100 Freiwillige bereiterklärt. Diese große Zahl war wesentlich mitverantwortlich für den Erfolg des BN-Auftritts. Ermöglicht wurde dieser auch durch die gute Planung der Mitarbeiter im Kernteam, durch die

drei Pädagoginnen, die die Schulklassen führten, sowie durch zwei Frauen, die im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes fast alle Führungen für die interessierten Besucher durchführten. Großen Erfolg hatten auch Nisthilfenbauaktionen der Ortsgruppe Speichersdorf, die Hunderte Besucher anlockten. Ein weiteres Informationsan­ gebot bildeten zwei Tafeln, die Teil des Auenlehrpfads der Universität Bayreuth waren. Dieser Lehrpfad bleibt nach der Gartenschau erhalten und gibt Erklärungen zu verschiedensten Aspekten des Lebensraums Aue. Aus Sicht des Naturschutzes hervorzuheben ist die Renaturierung des Roten Mains, die vom Wasserwirtschaftsamt Hof ­auf einer Strecke von gut 500 Metern für die Gartenschau durchgeführt wurde. Der Main fließt dort jetzt wieder so gewunden wie im Jahre 1798. Auch bleibt der gesamte ­Bereich der Gartenschau den Menschen als Park erhalten.

einer gerechteren Welt zu kommen. Das heißt, wir müssen die Ursachen von Flucht, Vertreibung und Terrorismus beseitigen. Deshalb werden wir uns weiterhin gegen CETA und andere unfaire Handelsabkommen engagieren, denn diese würden nur den Interessen der Konzerne dienen und nicht den Interessen der Verbraucher oder der Umwelt. Sie würden zu noch mehr Ungerechtigkeit im globalen Handel führen. 2017 ist ein Jahr, in dem wichtige politische Weichenstellungen getroffen werden: Im Herbst finden Bundestagswahlen statt. Hier wird sich der BN zusammen mit seinem Bundesverband BUND engagieren und Umweltthemen in die öffent­ liche Wahrnehmung bringen. Einen Wahlkampf, der ein so zentrales Thema für die Zukunft unseres Lan-

des einfach ignoriert, soll es nicht mehr geben. Wir werden aufzeigen, wie die Parteien zu zentralen Fragen von Nachhaltigkeit, Umwelt- und Naturschutz stehen. Und natürlich wird sich der BUND Naturschutz auch außerhalb von Wahlkampf­ zeiten für die Natur stark machen: Unser Einsatz konzentriert sich in diesem Jahr ganz besonders darauf, die Energiewende zu retten (mehr dazu lesen Sie im Schwerpunkt­ thema) und Änderungen im Agrarsektor zu erreichen: weg von einer umweltschädlichen, Energie und Ressourcen verschwendenden ­Agrarindustrie hin zu einer bäuerlich-ökologischen Landwirtschaft. Es gibt aber durchaus auch Verordnungen und Gesetzeswerke, die die Natur schützen und an denen nichts geändert werden muss. Ein


BN im Gespräch mit Bauernverband

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m November besuchte eine Delegation des BUND Naturschutz die Geschäftsstelle des Bayerischen Bauernverbandes in München zu einer Gesprächsrunde. Themen waren unter anderem Handelsabkommen, Tierhaltung und Flächenverbrauch. BN-Landesvorsitzender Hubert Weiger überreichte dem BBV-Präsidenten Walter Heidl das 2016 erarbeitete Positionspapier zum Thema Landwirtschaft. Unser Bild zeigt von links nach rechts:

­ arion Ruppaner, BN AgrarreferenM tin, Alfred Enderle, BBV-Umweltpräsident, Martin Geilhufe, BN-Referent für politische Kommunikation, Walter Heidl, BBV Präsident, Hubert Weiger, BN Vorsitzender, Gerhard Stadler, BBV-Veredelungspräsident, Richard Mergner, BN-Landesbeauftragter, und Stephan Kreppold, Sprecher des BN Arbeitskreises Landwirtschaft.

Vorstandsmitglieder zu Besuch bei Minister Brunner

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er Landesvorstand des BUND Naturschutz war im Oktober 2016 bei Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner zu Gast. Im Gespräch wurden unter anderem Fragen erörtert wie Flächenverbrauch, Pestizideinsatz, Rahmenbedingungen für die Sicherung der bäuerlichen artgerechten Tierhaltung sowie Boden- und Klimaschutzmaßnahmen der Landwirtschaft. Minister Brunner hatte den BN-Landesvorstand nach seiner Rede auf der Delegiertenversammlung im Mai vergangenen Jahres in Deggendorf zu sich nach München eingeladen, um die offenen gebliebenen Fragen weiter zu diskutieren.

Beispiel dafür ist der Alpenplan. Er sorgt seit Jahrzehnten dafür, dass festgelegte Ruhezonen in den bayerischen Alpen vor Verbauung geschützt sind. Genau dieses Schutzinstrument will die Bayerische Staatsregierung nun aushebeln, damit am Riedberger Horn im Allgäu eine Skischaukel gebaut werden kann. Profitieren würden nur einige wenige Skiliftbetreiber und Hote­ liers vor Ort; die Natur und insbesondere eine der letzten Populationen des vom Aussterben bedrohten Birkhuhns würde unwiederbringlich geschädigt werden. Dieser Präzedenzfall wäre der Anfang vom Ende des Alpenplans. Sie finden in dieser Ausgabe der Natur+Umwelt eine Postkarte an Ministerpräsident Seehofer zu diesem Thema. Wir ­bitten Sie: Machen Sie mit und schi-

cken Sie die Postkarte ab. Verdeutlichen Sie dem Ministerpräsidenten, dass Sie mit diesem Ausverkauf von Bayerns Naturschätzen nicht einverstanden sind. Trotz politischer Krisen, trotz Terror und Unsicherheit wächst die Zahl der Menschen, die den Umweltschutz wichtig finden und sich dafür einsetzen möchten: Der BUND Naturschutz ist stark wie nie in das Jahr 2017 gestartet mit einem neuen Rekord von rund 225 000 Mitgliedern und Förderern. Das ist ein Zuwachs von rund 16 000 »Freunden der Erde«! Wir möchten uns an dieser Stelle herzlich bei den vielen Menschen bedanken, die sich in den vergangenen Jahren dem BUND Naturschutz angeschlossen haben, aber natürlich ebenso bei allen »alten Hasen«, die

zum Teil schon seit Jahrzehnten durch ihre Beiträge und Spenden sowie ihr ­ehrenamtliches Engagement die Anliegen des BN unterstützen. Die breite Aktivität vor Ort ist die Voraussetzung dafür, dass der Verband überall in Bayern so viel ­erreichen konnte. Lassen sie uns ­gemeinsam in diesem Sinne weiterarbeiten!

Ihr Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des BN Ihre Doris Tropper, stv. Vorsitzende des BN Ihr Sebastian Schönauer, stv. Vorsitzender des BN

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Erfindung der gesetzlich vorgeschriebenen Hygieneverpackung? Susanne Zenter, Landsberg

Wir freuen uns auf Ihre Meinung: BN-Magazin »Natur+Umwelt«, Dr.-JohannMaier-Str. 4, 93049 Regensburg, oder an nu@bundnaturschutz.de Leserbriefe können gekürzt werden. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

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Hochwasser Zur Meldung »Unwetter 2016 – Zeichen des Klimawandels« in N+U 4/2016: Die Hochwasserprobleme einiger Regionen, insbesondere in Niederbayern, sollten uns Bürger und deren gewählte Vertreter noch nachdenklicher stimmen. Man kann doch nicht aufs Neue Hilfspakete fordern und die Ursachen der Hochwasserproblematik ungenügend beachten. Unglaublich, dass dies in der Hochwasserdiskussion so wenig Berücksichtigung findet. Es hat sich in kurzen Zeitabständen gezeigt, wie Wasserläufe und Flüsse zu einer zerstörerischen Flutwelle werden können. Die weitere Versiegelung in flussnahen Bereichen schränkt die natürliche Rückhaltefunktion sowie

Foto: Georg Kestel

Schreiben Sie uns!

Müll vermeiden Zum Titelthema in Natur+Umwelt 4/2016: Ich selber bin ein sehr großer MüllVermeider. Unsere gelbe Tonne geht erst nach 8 Wochen statt nach den üblichen 4 auf die Straße und ich freue mich immer, wenn sie auch dann noch nicht voll ist. Also achte ich bereits beim Einkaufen darauf, möglichst wenig Verpackung mit­ zunehmen, vermeide kleine Mengen mit viel Abfall drum herum usw. Allerdings habe ich fast wöchentlich Streit beim Metzger. Ich verlange alles mit möglichst wenig Verpackung. Und jedes Mal wird mir erklärt, dass es gesetzliche Regelungen zur Hygiene gibt. Jetzt habe ich den Eindruck, dass in der neuen Ausgabe sehr viel über Recycling gesprochen wird, aber viel besser als das Wiederaufarbeiten wäre doch das Vermeiden. Ich als Einzelperson habe kaum Einfluss auf den Verpackungswahnsinn und muss Dinge oft kaufen, obwohl ich nur den Inhalt möchte, aber nicht den Müll drum herum. Kann nicht eine hoffentlich einigermaßen einflussreiche Organisation wie der BUND sich dafür einsetzen, dass man nicht gesetzlich dazu gezwungen wird, den Müll zu kaufen, obwohl man dies ausdrücklich nicht wünscht? Ich denke, man muss unbedingt die Politik dafür begeistern. Und viel mehr Verpackung als bei den Metzgereitüten fällt sowieso anderswo an. Sie erwähnten ja bereits die überflüssigen Coffee-to-go-Becher. Und die sogenannte Hygiene: Warum werden wir dazu gezwungen, wenn das weitaus größere Problem unser aller Gesundheit und der Natur Müll ist? Wie hat die Menschheit bloß überlebt bis zur

Klimaschutz Zum Beitrag über den Klimaschutzvertrag von Paris in N+U 4/2016: Statt über den mangelhaften deutschen Klimaschutz zu meckern: konstruktiv sein. Es sollten die örtlichen BUND-Gruppen unverbindlich ortsnahe Firmen empfehlen, die zum Beispiel Wärmedämmungen, Solaranlagen herstellen. Oft ist dann je Wohnung eine Tonne CO2Ersparnis je Jahr möglich. Auch durch das Verbieten des menschenverachtenden Nur-Durchfahrverkehrs werden Städte und Gemeinden gesünder. Zusätzlich verringert dies die Neigung zu klimaschädigenden Fernreisen. Karl Ross, Würzburg

die Sicker- und Verdunstungsmöglichkeiten unvertretbar weiter ein. Flächennutzungspläne müssen ­deshalb neu bewertet und den natürlichen Gegebenheiten angepasst werden. An dieser Tatsache kommt keine Kommune vorbei, denn gerade in diesem Entscheidungsfeld ­ gibt es auch eine überregionale Verantwortung. Gegenmaßnahmen in Form eines immer gewaltigeren technischen Hochwasserschutzes sind der Beleg für eine jahrelange, verfehlte Wohnbebauung im Umfeld von Flüssen. Trotz Warnungen wird unbelehrbar in diesen sen­ siblen Bereichen weiter geplant und gebaut. Unsummen von Steuer­ geldern werden aufgebracht. Deshalb sind die Bestandsschutzmaßnahmen kein Freibrief für noch mehr flussnahe Bebauung. Das Hase-und-Igel-Spiel gegen die Natur mit immer noch kostenträchtigerem Hochwasserschutz ist keine nachhaltige Lösung. Ein Lösungs­ ansatz wäre die konsequente Tabuisierung von weiterer Bebauung im Umfeld von Flüssen. Ebenso (wo möglich) ein tendenzieller Rückbau in kritischen Überschwemmungsbereichen. Entschädigungszahlungen (wo sie berechtigt erscheinen) wären mittelfristig klüger als weiter so wie bisher. Man darf das Problem nicht nur wahrnehmen, man muss es auch angehen. Michael Krämer, Kolbermoor In der Natur+Umwelt 4/2016 hat sich der Fehlerteufel eingeschlichen: In unserem Beitrag »Vordenker in ­Sachen Recycling« ist von der Gemeinde Gsteinach im Nürnberger Land die Rede. Richtig ist aber, dass Gsteinach ein Ortsteil der Gemeinde Schwarzenbruck ist. Wir bitten dies zu entschuldigen. Die Redaktion


Michael Stöhr

Foto: Margarete Moulin

Ein Kämpfer und Schlichter

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ie Wintersonne scheint über die gelben Sandhügel, die grünen Kiefern und den blauen See in der Nähe von Hiltpoltstein in Franken. Zwei Eisvögel zischen über die Wasserfläche. Ein Wimpernschlag – und weg sind sie. Ein Reiher kreist über dem Schilfufer. An einer Sandsteilwand sieht man dunkle Löcher: Brutröhren der Uferschwalbe. Ist hier ein Vogelschutzgebiet? ­Mitnichten. Hier ist eine Sandgrube in vollem Betrieb. Ein Kipplaster rumpelt vorbei, ein Radlader schaufelt Sand, ein Saugbagger brummt. Michael Stöhr, der drei Jahrzehnte lang Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Roth war, steht an diesem Wintertag am Ufer des Baggersees, die Hände in den Taschen vergraben, und erzählt: »Als ich anfing, war das hier ideologisches Kampfgebiet.« In den 80er-Jahren standen sich waldliebende Umweltschützer und waldrodende Sandabbauer gegenüber. »Aber geredet haben die nicht miteinander«, erinnert sich der heute 70-Jährige. Er rief als frisch gekürter Kreisvorsitzender einen Runden Tisch ins Leben und brachte die verfeindeten Seiten zusammen. »Denn wir hatten erkannt, dass sich durch den Sandabbau Biotope auf Zeit bildeten, genau richtig für viele Vögel, aber auch Amphibien und Insekten.« Um eine Koexistenz von Tier und wirtschaftendem Mensch zu erreichen, musste man die sechs Firmen ins Boot holen. Es klappte. Jetzt berät ein Biologe die Unternehmen. »Die achten seither auf Brutzeiten und graben der Kreuzkröte auch mal einen neuen Tümpel.« Aktion für gesundes Bio-Pausenbrot Gesellschaft mitgestalten – das ist etwas, das Stöhr will und kann. Politisiert in der Studentenbewegung von 1968, trat er als junger Berufsschullehrer 1972 der SPD bei. Weil in einer seiner Klassen an der Nürnberger Berufsschule 16 von 20 Schülern bei der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann aktiv waren, entwickelte er eine Wanderausstellung zum Thema Faschismus, die in den städtischen Schulen gezeigt wurde. Und als

30 Jahre lang war Michael Stöhr Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Roth. Sein besonderes Talent: unter­schiedliche Menschen und Meinungen an einen Tisch bringen. Jetzt hat er das Amt abgegeben.

er sah, dass seine Schüler in der Pause »nur Schrott« aßen, organisierte er in den 80er-Jahren die Aktion Biopause, eine vegetarische Mahlzeit aus regionalen Produkten, die es bis heute gibt. Stöhrs Talent ist es, Menschen für eine Idee, nicht für ein Lager zu gewinnen. Unter seiner Leitung initiierte die Kreisgruppe viele Arbeitskreise und Bündnisse. »So konnten wir auch Leute erreichen, die mit dem BUND Naturschutz nichts am Hut hatten«, erklärt er. Beim ­Arbeitskreis Landwirtschaft zur Förderung des ökolo­ gischen Landbaus, seinem ersten »Baby«, machen sogar Bauern und Jäger mit. Dann gibt es die »Zivilcourage«, das Bündnis für einen gentechnikfreien Landkreis. Ein jüngerer Erfolg ist das »Energiebündel RothSchwabach«, ein Zusammenschluss aller 16 Gemeinden und örtlichen Parteien mit dem Ziel einer autarken Energieversorgung des Landkreises bis 2030. Den einen oder anderen Kampf hat er auch verloren, so den gegen die ICE-Trasse München – Nürnberg. Dafür verhinderte die Kreisgruppe, dass mitten in die bäuerliche Landschaft ein Fahrsicherheitszentrum und das Verteilzentrum einer Supermarktkette gepflanzt wurden. So viel Engagement verdient Auszeichnung. 2010 bekam Michael Stöhr die Landkreisverdienstmedaille, 2013 die Bayerische Naturschutzmedaille, 2015 verlieh ihm die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf den »Grünen Engel«. Nun hat er den Kreisvorsitz abgegeben. Von seiner Wohnung in dem 250 Jahre alten Forsthaus in Stauf kann er weit über das Land blicken, bis zur Thalach, wo Feuchtwiesen dank des BN geschütztes Bibergebiet sind. Als Biberberater wird Michael Stöhr weitermachen. Und dann sind da noch seine vier Heidschnucken und die Obstbäume im Garten, aus denen sein berühmter, exzellenter Apfelschnaps entsteht. Er lacht: »An Beschäftigung wird es mir nicht fehlen!« Margarete Moulin

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Die Wogen glätten … … und Lösungen suchen – das ist das Talent von Michael Stöhr, auch als es darum ging, Arten­ schutz und Sand­ abbau zu vereinbaren.


Monate). Teilnehmen kann, wer nicht mehr schulpflichtig und maximal 26 Jahre alt ist. Gezahlt werden circa 150 bis 350 Euro pro Monat. Ein FÖJ beginnt meist am 1. September, manchmal am 1. August. Bewerben kann man sich ab Jahresbeginn. Ergänzt wird der Dienst durch Seminare. Urlaub gibt es auch: 24 Tage pro Jahr, der gesetzliche Mindestanspruch.

Illustration: Valentin Hoff

Bundesfreiwilligendienst (BFD) Der BFD ist eine Art Zivildienst auf freiwilliger Basis, er steht anders als früher der Zivildienst auch Frauen und älteren Menschen offen. Seine Dauer, Aufwandsentschädigung und Urlaubsanspruch entsprechen denen des FÖJ. Dagegen sind die Bewerbungsfristen meist ­flexibler: Die Einsatzstellen sind rund ums Jahr aktiv. Auch ist die Dienstzeit – sechs bis 18 Monate – individuell vereinbar. Die Freiwilligen dürfen sich ihr Seminarprogramm oft selbst gestalten (zum Beispiel beim BUND).

Freiwilligendienste

Was tun nach der Schule? Der Abschluss so gut wie in der Tasche – doch was dann? Das fragen sich jedes Jahr viele Schulabgängerinnen und Schulabgänger. Wir geben einen Überblick für alle, die sich für Natur und Umwelt einsetzen möchten.

E Die Autorin Victoria Munten­ dorf betreut die Zentralstelle des BUND für den BFD.

rst mal schauen, wohin es überhaupt gehen soll im Leben. Vielleicht die Welt bereisen und per »Work and Travel« Eindrücke sammeln? Oder doch lieber einen zeitlich begrenzten Freiwilligendienst leisten? Etwa 90 000 Menschen tun dies jedes Jahr im Bereich Soziales, Kultur, Umwelt, Sport, Katastrophenschutz oder Entwicklungshilfe. Die Nachfrage ist überall groß, man sollte sich rechtzeitig bewerben. Wer sich für den Schutz von Umwelt und Natur einsetzen will, hat folgende Möglichkeiten: Freiwilliges ökologisches Jahr (FÖJ) Dieses Bildungsjahr bietet jungen Menschen Mitarbeit und Orientierung im Umwelt- und Naturschutz. Einsatzorte sind die Landschafts- und Forstpflege, der Ökolandbau oder die Umweltbildung. Auch beim BUND und der BUNDjugend gibt es FÖJ-Plätze. Ein FÖJ dauert meist ein Jahr (mindestens 6, höchstens 18

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Europäischer Freiwilligendienst Ermöglicht es, für sechs bis zwölf Monate ins europäische Ausland zu gehen. Über die gemeinnützige Arbeit lernt man den Lebensalltag des Gastlandes kennen. Neben ökologischen Angeboten gibt es auch soziale, kulturelle oder sportliche Einsatzmöglichkeiten. Mitmachen kann, wer 18 bis 25 Jahre alt ist (ausnahms­ weise 16 bis 30). Der EFD wird von der EU gefördert und ist für die Freiwilligen kostenlos. Daneben gibt es diverse internationale entwicklungspolitische Freiwilligendienste wie »weltwärts« oder »kulturweit«. Work and Travel Wer sich nicht in einen vertraglich geregelten Freiwilligendienst begeben möchte, kann sich einige Monate Auszeit nehmen. Wie wäre es damit: die Welt kennenlernen und gleichzeitig Arbeitserfahrung sammeln? »Work and Travel« bedeutet, für ein Gehalt oder für Kost und Logis zu arbeiten und beliebig lange herumzureisen. Das können Interessierte selbst planen. Weil aber viele Details bedacht werden wollen (Versicherungen, Visa etc.), raten wir, auf »Work and Travel« spezialisierte und zertifizierte Anbieter zu nutzen. Die wichtigsten Kontakte ▶ Mehr zum BFD im Umweltbereich: → www.bund. net/bfd-stellen, www.freiwillige-im-naturschutz.de oder oeko-bundesfreiwilligendienst.de ▶ Über Anbieter eines FÖJ informiert → www.foej.de ▶ Freiwilligendienst in Entwicklungs- oder Schwellenländern: → www.weltwaerts.de ▶ Die deutsche UNESCO-Kommission bietet sechsbis zwölfmonatige Einsätze in der auswärtigen ­Kultur- und Bildungspolitik: → www.kulturweit.de ▶ Guter Überblick zu »Work and Travel«: → www.auslandsjobs.de; auf Bauernhöfen: → www.wwoof.de ▶ Über → www.travelworks.de findet man direkt Jobs im Ausland. Die Organisation unterstützt und berät bei rechtlichen und organisatorischen Fragen. Victoria Muntendorf


Natur- und Kulturreise ins Baltikum

Drei Länder und ein Meer Estland, Lettland, Litauen: wo Dünen und Meer eine ganz eigene Landschaft prägen, wo es alte Städte und Naturschätze zu entdecken gibt. Die Reise ins Baltikum garantiert unvergessliche Erlebnisse. öwen schreien, und ein salziger Wind weht uns um die Ohren. Wir stehen an der Reling, nach einer Nacht und einem Tag auf See wollen wir nichts von der Hafeneinfahrt ins litauische Klaipeda verpassen. Da ist die Kurische Nehrung mit ihrer Riesendüne, dem Haff! Wir legen an. Jetzt beginnt unser Abenteuer Baltikum. Wir wollen Litauen, Lettland und Estland kennenlernen – Naturschätze, Menschen und Kultur. Wir wollen den nordischen Sommer erleben mit seinen langen, hellen Abenden. Lebendige Städte erwarten uns und eine Landschaft, die vom Wasser geprägt ist, vom Meer und Stränden, von Seen und Mooren. Am Vorabend sind wir mit der Fähre von Kiel aus losgefahren, haben Meerblick und Sonnenuntergang genossen. Begleitet werden wir von einem versierten Gebietskenner, BN-Landesgeschäftsführer Peter Rottner, sowie einheimischen Reiseführern. Ein Bus bringt uns nach Lettland, wo wir durchs ­Kemeru-Moor im Nationalpark Kemeri wandern, eine Welt aus Grasmooren, Sümpfen und Kiefern, ein Rastgebiet für Zugvögel. Weiter geht es nach Riga, wo wir die Altstadt mit ihrer Backsteinarchitektur und farbigen Jugendstilästhetik, ihrer mittelalterlichen Stadtmauer und Kirchen entdecken. Auf der Insel Saaremaa besuchen wir den Nationalpark Vilsandi, der hundert vogelreiche Inseln, Seehundbänke, Laichgebiete für Fische und Strände umfasst. Ein Skipper fährt uns hinaus aufs offene Meer. Wir wollen die Kegelrobben sehen, die sich hier im Sommer eine Speckschicht anfressen. Wie anrührend, diesen wendigen, pelzigen Tieren mit ihren Kulleraugen so nahe zu kommen. Den Glanz der Hanse in Tallin erleben Zurück auf dem Festland, staunen wir über das Meteoritenkraterfeld Kaali und schlendern dann durchs verwinkelte Tallin, eine der besterhaltenen Hansestädte der Ostseeküste und UNESCO-Weltkulturerbe. Es bezaubert uns mit seinen Gassen, Kaufmannshäusern, Gewölben und Speichern. Nahe Tallin liegt Lahemaa, der älteste Nationalpark Estlands. Es gibt Traumbuchten, aber auch Hochmoore, schattige Waldwege und die wunderschönen einstigen Herrensitze der deutsch-baltischen Adligen zu sehen. Tags darauf wartet noch eine wunderbar in die Natur gebettete Stadt auf uns: Pärnu, die 750 Jahre alte Sommerkapitale Estlands: Bäder­architektur, Holzhäuser und ein weißer Traumstrand. Endlich ein Bad in der Ostsee! Ein Kontrastprogramm dazu ist der Gauja-Nationalpark in Lettland. Diese »lettische Schweiz« prägen dichter Wald, Sandsteinfelsen, Burgen und die Gauja,

Fotos: Jaanus Siim, Kaupa Kalda

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Natur- und Kulturschätze entdecken Das Baltikum bietet wunderschöne alte Städte wie Tallin und unberührte Natur wie die Hochmoore in Estlands ältestem Nationalpark Lahemaa.

die sich durch ihr tief eingegrabenes Flusstal schlängelt. Wir besuchen rekonstruierte Bauernhäuser des 17. und 18. Jahrhunderts und erkunden die ehemalige Bischofsburg Turaida. Unsere Route führt via Riga zurück zur Kurischen Nehrung. Thomo Manno, so heißt Thomas Mann auf Litauisch, hatte auf der Nehrung in Nida ein Ferienhaus, das wir besuchen. Es bietet einen fantastischen Blick auf das Kurische Haff, den der Schriftsteller »seinen Italienblick« nannte. Das Haff beherbergt viele gefährdete Arten, die uns ein lokaler Biologe erklärt. Mit ihm erklimmen wir die steilen Wanderdünen. Wind­ zerzauste Wolken treiben über einen hohen Himmel, unter uns schäumen die Wellen auf den Sand. Noch einmal haben wir Zeit zum Baden in der Ostsee oder zum Müßiggang am Meer, bevor uns die Fähre heimwärts trägt. Lucia Vogel

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Diese Reise war kurz vor Redaktionsschluss ausgebucht. Wenn Sie sich für eine Reise ins Baltikum in den kommenden Jahren interessieren, erhalten Sie Informationen bei BUND-Reisen, ReiseCenter am Stresemannplatz, Stresemannplatz 10 90489 Nürnberg Tel. 09 11- 5 88 88-20 www.bund-reisen.de


Foto: blickwinkel/McPHOTO

Energiewende retten!

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Foto: Jorg Farys

Schneller als jedes andere internationale Abkommen zuvor trat im November der Pariser Klimavertrag in Kraft: Deutlich unter zwei Grad, besser bei 1,5 Grad wollen 195 Staaten die globale Erwärmung des Klimas stoppen. Selbst die USA und China stimmten zu – weil man auf Freiwilligkeit setzte. Die Rahmenbedingungen für eine weltweite Klimapolitik, die auf Vernunft und Problembewusstsein basiert, sind mit dem neuen US-Präsidenten nicht besser geworden. In Deutschland bekennt sich die Regierung zwar zu ihren Klima­ zielen. Doch verweigert sie die nötigen Schritte, um diese Ziele zu erreichen. Nun wird im Herbst auch bei uns gewählt. Zu den wich­tigsten Forderungen des BUND an die neue Regierung zählt, mit einem raschen Kohleausstieg die Energiewende zu beschleu­nigen. Warum tut die Politik so wenig für eine Energiever­sorgung mit Zukunft? Und wo muss sie ansetzen – nicht erst im Herbst nach der Wahl? Lesen Sie dazu unser Titelthema.

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Deutschlands Energiepolitik

Wann wieder auf Klimakurs?

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er stetig wachsende Anteil Erneuerbarer Energien hat in den vergangenen Jahren den Eindruck vermittelt: Es geht voran. Seit der Katastrophe in Fukushima stellt auch die CDU den Atomausstieg nicht mehr (laut) infrage. Und auf internationalem Parkett gilt Deutschland heute als Vorreiter des Klimaschutzes. Alles auf Kurs also? Mitnichten. Die Kluft zwischen klimapolitischer Verpflichtung und aktueller Energiepolitik in Deutschland ist riesig. So wie die Bundespolitik und einige Bundesländer zuletzt die Weichen ausgerichtet haben, dürfte die Energiewende in den nächsten Jahren ernsthaft in Schwierigkeiten geraten. Das ist umso schlimmer, als die Wende gerade erst begonnen hat – und eine große Mehrheit der Deutschen sie unterstützt. Die Energiewende ist kein Selbstzweck. Sie erlaubt uns, unabhängig von der Atomkraft und fossiler Energie zu werden.

Foto: Toni Mader

Noch zuviel Kohlestrom Der Stromsektor ist schon mitten im Wandel. Fast jede dritte verbrauchte Kilowattstunde ist heute er­neuerbar. Dieser Erfolg verdankt sich maßgeblich dem Stromeinspeisungsgesetz von 1990 (ab 2000 Erneuerbare-Energien-Gesetz): Die Erneuerbare Energie wurde verlässlich gefördert und abgenommen. Weil aber der Emissionshandel in Europa versagt, blieb auch der be­sonders klimaschäd­liche Kohlestrom rentabel – und wird nun verstärkt exportiert: Ein Zehntel seines Stroms führt Deutschland inzwischen aus, das ist Rekord in Europa. Dies torpediert unsere Klimaziele und behindert den Umbau des Energiesystems. Der fehlende Kohleausstieg bleibt der große Makel der Stromwende. Viel Energie benötigen wir zudem, um Wärme zu erzeugen, und für den Verkehr. Hier dominieren immer noch fossile Energieträger, ob im Verbrennungsmotor oder in der Heizung. Künftig wird für Wärme und Verkehr viel erneuerbarer Strom zum Einsatz kommen. Auch dafür müssen Wind- und Sonnenenergie deutlich rascher ausgebaut werden als bisher ge­plant. Die Maßnahmen der Großen Koalition hierfür bleiben weit hinter dem zurück, was klima­politisch notwendig wäre. Den vermehrten Bedarf im Verkehrs- und Wärmesektor ignoriert sie komplett. Die Autoren Herbert Barthel ist der Energiereferent des BUND Natur­ schutz in Bayern, Carl-Heinz Christi­ ansen betreut den Arbeitskreis Energiewende in Schleswig-Hol­ stein.

Verbrauch halbieren Allein auf erneuerbare Energie umzustellen, wird nicht genügen. Gefragt sind neue Konzepte etwa für unsere Mobilität – mehr Schiene und weniger motorisierter Individualverkehr. Und vor allem dürfen wir die Energie nicht weiter so verschwenden! Der BUND fordert, den Verbrauch bis 2050 zu halbieren. Das ist der zentrale Ansatzpunkt, um die Kosten der Energiewende und den Landschaftsverbrauch zu begrenzen – und damit auch die Konflikte mit dem

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Schutz der Natur. Bislang passiert viel zu wenig, und das Wenige zu langsam. Die Bundesregierung verfehlt hier – wie beim Klimaschutz – ihre eigenen Ziele. Sie muss die Energiewende ehrgeiziger und konsequenter mit Maßnahmen zum Energiesparen begleiten. Aus für Energie in Bürgerhand? Ein geringerer Verbrauch ist aber nicht die einzige Bedingung dafür, dass die Energiewende langfristig zum Erfolg wird. Der BUND setzt sich seit Jahren für eine schnelle und dezentrale, verbrauchsnahe Energiewende ein, geschultert von vielen vor Ort: Mag die Re­ gierung auch bremsen, wir machen die Wende selbst! Zu Tausenden haben Menschen hierzulande in Erneuerbare investiert, rund die Hälfte aller Anlagen ist in Bürgerhand. Das hat enorm beigetragen zur Demokratisierung der Energieversorgung, zur Umverteilung und zur Wertschöpfung gerade in strukturschwachen Regionen. Neue Rahmenbedingungen erschweren es, diese ­Vision weiter zu verfolgen. Mit der letzten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist die Regierung auf die Bremse getreten. Und hat die Bürgerenergie faktisch kaltgestellt. Bislang waren nie harte Obergrenzen für den Ausbau definiert. Gerade die Windenergie an Land übertraf die Ausbauziele jedes Jahr deutlich – und glich die Defizite beim Ausbau der Solarenergie aus. Ab sofort müssen Windenergie- und große Fotovoltaikanlagen wettbewerblich ausgeschrieben werden. Die Ausbaumenge einer politisch festgesetzten elektrischen Leistung darf nicht mehr überschritten werden. Diese reicht bei Weitem nicht aus, um die Energiewende maßgeblich voranzubringen.


Beispiel Schleswig-Holstein Das trifft nicht nur, aber besonders Schleswig-Holstein, wo die Windkraft traditionell besonders stark ist und besonders viele Bürgerwindparks errichtet werden. Mit der Zahl der Anlagen haben auch die Konflikte zu­ genommen. Doch wo Bürger die Projekte tragen und umsetzen, ist die Akzeptanz groß. Gerade weil im Norden schon so viele Windkraft­ anlagen stehen, ist eine gute Auswahl der Standorte ­geboten. Die Landesregierung hat die Vorrangflächen für die Windenergie neu bestimmt und anhand eines umfang­reichen Katalogs mit harten und weichen Tabukriterien zwei Prozent der Landesfläche als solche ausgewiesen. Allerdings steht nun rund ein Drittel der Anlagen jenseits davon (und darf nicht mehr erneuert werden), andernorts darf erstmalig gebaut werden. Auch wenn das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, führt das zu Unruhe vor Ort und bei den betroffenen Betreibern. Grundsätzlich aber kann nur ein solch transparentes Vorgehen die Akzeptanz der Windkraft langfristig sichern und dafür sorgen, dass Mensch und Natur möglichst wenig beeinträchtigt werden. In vielen anderen Bundesländern ist es damit noch nicht weit her – oder man weicht immer wieder von der eigenen Planung ab, was neue Konflikte heraufbeschwört. Beispiel Bayern Planung und Vorgaben auf Landesebene spielen also eine wichtige Rolle. Negativ zeigt sich das in Bayern, wo man jahrzehntelang auf die Atomkraft setzte. Nach der Katastrophe von Fukushima wendete sich das Blatt kurzzeitig: So startete Bayern 2011 eine vorbildliche Regionalplanung zur Windenergie und wurde zum Spitzenreiter bei deren Ausbau. Doch der Rückenwind für die Energiewende endete 2014 jäh. Die Staatsregierung beschloss: Stehen Wind­räder näher als das Zehnfache ihrer Höhe zur nächsten Wohnbebauung, gelten sie als nicht mehr privilegiert gemäß Baugesetzbuch. Sie müssen dann in der kommunalen Bauleitplanung verankert werden – was wegen der Stimmungsmache der Windkraftgegner kaum mehr gelingt. Neue Windräder werden in Bayern deshalb nicht mehr geplant. Ursprünglich als Alternative zum »Atomstaat Bayern« gedacht, entstand in Niederbayern – auf Initiative der BN-Kreisgruppe Landshut – die bundesweit höchste Dichte an Fotovoltaikanlagen. Noch ist das Potenzial da längst nicht ausgeschöpft. Doch wegen der neuen Förder­bedingungen auf Bundesebene ist der weitere Ausbau nicht mehr attraktiv. Auch Biogas spielte in Bayern eine große Rolle. Aus ökologischen Gründen (Stichwort »Vermaisung«) ist

sei­ne Menge jedoch begrenzt. Und: Richtig wäre, das Biogas so einzusetzen, dass es die schwankenden Mengen an Wind- und Sonnenstrom ergänzt. Initiativen dazu hat die Landesregierung allerdings begraben. Fazit: Die Energiewende ist in Bayern lahmgelegt. Auf Klimakurs bringen Die Energiewende schreitet also längst nicht überall in Deutschland voran. Die Große Koalition hat in dieser Legislaturperiode vor allem daran gearbeitet, der alten Energiewirtschaft mehr Zeit zu verschaffen. Damit die sich doch noch ein großes Stück vom Kuchen sichern kann, den sie so lange als ungenießbar abgetan hat. Der BUND wird die nächste Regierung drängen, die Energiepolitik wieder auf Klimakurs zu bringen. Die un­gebrochen große öffentliche Zustimmung zur Energiewende macht Mut. Und zeigt, dass unsere guten Argumente weiter viel Gehör finden. Herbert Barthel und Carl-Heinz Christiansen

Foto: Fotolia/fotobi

Ausschreibungen bedeuten zugleich ein hohes finanzielles und planerisches Risiko, das gerade kleine Akteure wie Genossenschaften kaum eingehen können. So werden Bürgerenergieprojekte – bisher die Regel in Deutschland – bald die große Ausnahme sein. Steuert die neue Bundesregierung im Herbst nicht rasch nach, entfällt ein zentraler Baustein für den dynamischen, breit akzeptierten Umbau unseres Energiesystems.

Wie den fluktuierenden Strom aus Erneuerbaren besser nutzen?

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er Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung nimmt zu. Bläst der Wind und scheint die Sonne stark, steht deshalb viel erneuerbarer Strom bereit. Derzeit kann dieser Strom noch kaum gespeichert und flexibel nutzbar gemacht werden. Eine Lösung wäre es, den Strom umzuwandeln in stoffliche Energieträger wie das gasförmige ­Methan (bekannt als Energieträger in Erdgas) oder auch Benzin. Grundsätzlich ist das möglich – doch welche kombinierten Technolo­ gien eignen sich perspektivisch am besten: ökologisch, ökonomisch und gesellschaftlich? Diese Frage beleuchtet das neue Kopernikus-Projekt Power-to-X, eines von vier Energiewende-Projekten, die das Forschungsministerium seit 2016 fördert. Der BUND vertritt in diesem Projekt die Zivilgesellschaft. Wir sehen unsere Aufgabe besonders darin, die ökologischen und gesellschaftlichen Aspekte bei der Entwicklung neuer Technolo­ gien mitzuverfolgen. Denn die Energiewende erfordert einen gesellschaftlichen Wandel, der mindestens so bedeutsam ist wie die technischen Umwälzungen bei der Erzeugung und Nutzung Erneuerbarer Energie. Mehr zu dem Projekt: → www.bund.net/power-to-X Kontakt: Caroline Gebauer, BUND-Energieteam, Tel. 0 30-2 75 86-4 94, caroline.gebauer@bund.net

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Interview

Kosten und Nutzen Gegner der Energiewende thema­ tisieren gern die angeblich hohen Kosten für den Ausbau Erneuer­ barer Energien. Und unterschlagen dabei, welchen Preis der Abbau ­fossiler Energieträger und die Atomkraft langfristig haben. BUNDExpertin Tina Löffelsend sprach mit Professor Uwe Leprich, Leiter der Abteilung Klimaschutz und Energie im Umweltbundesamt.

Es heißt, die Kosten der Energiewende laufen aus dem Ruder. Die Bundesregierung meinte deshalb den Ausbau der Erneuerbaren deckeln zu müssen. Ist das denn wahr? Das ließe sich nur im Vergleich einschätzen, was es kosten würde, ein konventionelles System mit Kohleund Kernkraftwerken zu erneuern und weiterzuführen. Doch dieser Vergleich wäre unzulänglich, da wir ja das Klima schützen und CO2 einsparen wollen. Wir müssen also Kosten und Nutzen ana­lysieren: Lassen sich unsere Ziele mit weniger Geld er­reichen? Sind die Kosten für CO2-freien Strom zu hoch? Ich denke: Sie sind es nicht. Wir haben im Laufe der Jahre eine unglaubliche Kostenminderung erfahren bei Wind- und Solarenergie. Eine Diskussion, die zentral um die Gesamtlast von 20 oder 25 Milliarden Euro zur Finanzierung der Erneuerbaren kreist, ist viel zu verkürzt und absolut nicht aussagekräftig. Müssen wir uns auf weiter steigende Kosten ­einstellen? Die Politik hat beschlossen, die Erneuerbaren vor allem dort auszubauen, wo sie bislang relativ teuer sind – nämlich bei der Windkraft offshore. Deshalb werden die Kosten noch etwas steigen. Doch dank der guten Lernkurve auch hier werden sich die Kosten bald zurückentwickeln. Vergleichen wir die Systeme, so werden die Erneuerbaren samt ihrer Infrastruktur in ab­ sehbarer Zeit kostengünstiger sein als das alte System mit Kohle- und Atomkraftwerken. Sind die Strompreise für alle Verbraucher gleich? Nein, wir haben drei große Gruppen – Industrie, Gewerbe und Haushalte. Die Industrie wird vielfach entlastet, während Kleingewerbe und Haushalte praktisch die Gesamtlast der Steuern und Abgaben tragen. Bei den Haushalten unterscheiden wir, wer beim Grundversorger geblieben ist und mehr als nötig zahlt; und wer den Wettbewerb der Versorger genutzt hat.

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Warum ist die EEG-Umlage zum Jahresbeginn erneut leicht angestiegen? Hauptgrund dafür war in den letzten Jahren ganz klar der Verfall des Börsenstrompreises. Die EEG-Umlage gleicht die Differenz zwischen der staatlichen Vergütung der Erneuerbaren und dem Börsenpreis aus. Würde weltweit zum Beispiel die Kohle plötzlich knapp und demzufolge der Strompreis an der Börse steigen, hieße das: Die EEG-Umlage sinkt. Ist diese Umlage denn noch ein sinnvolles Instrument, um die Kosten zu verteilen? Ich finde schon, dass der Stromverbraucher die Kosten der Energiewende tragen sollte und nicht der Steuer­ zahler. Gerechter wäre es sicher, die Industrie beim Strompreis nicht derart stark zu privilegieren. Und in dem Maße, wie Strom künftig in den Wärmesektor oder in die Elektromobilität fließt, sollten die Abnehmer dort an der Finanzierung der Erneuerbaren beteiligt werden. Warum steigen auch die Netzentgelte an? Der starke Ausbau der Erneuerbaren in ländlichen Regionen hat sicher dazu beigetragen, dass dort die Stromnetze ausgebaut werden mussten. Damit steigen dort die Netzentgelte – auch, weil oft über Jahrzehnte kaum investiert wurde und nun schlicht eine Modernisierung ansteht. Könnten Kunden im Norden und Süden künftig ­unterschiedliche Strompreise bezahlen? Der Ökonom würde sagen: Ja klar, Preise müssen die Wahrheit sagen. Tatsächlich wurden für Süddeutschland schon höhere Preise diskutiert, da hier zu wenig Strom erzeugt wird. Aber ich wäre da sehr vorsichtig, das ist ja auch eine industriepolitische Entscheidung. Wie lassen sich die Energiekosten für alle senken? Unsere Energierechnung ist das Produkt aus Preis und Menge. Ist der Preis gegeben, müssen wir an der Menge drehen. Der Schlüssel ist hier die Energieeffizienz. Ich bin ein großer Anhänger der Ökodesign-Richtlinie: Die Bundesregierung sollte sie noch weiter schärfen, um sehr ineffiziente Geräte schnell wieder aus dem Markt zu nehmen. Unterfüttern kann man das mit Förder­ programmen, die sozial schwachen Haushalten helfen, alte Stromschlucker durch sparsame neue Geräte zu ersetzen. Auch könnten wir, wie das andere Länder schon probiert haben, die Energieversorger zu Einsparungen verpflichten; damit diese ebenfalls dazu beitragen können, die Effizienzziele zu erreichen. Was kann jeder selbst tun? Einen günstigeren – und bevorzugt »grünen« – An­bieter wählen, 40 Prozent der Kunden sind immer noch im teuren Tarif der Grundversorger. Und natürlich den eigenen Verbrauch senken, indem man sich jenseits von Sparlampen und effizienten Küchengeräten fragt: Was brauche ich wirklich? Da kann man doch klein anfangen und zum Beispiel mal den Zweitfernseher vom Netz nehmen ...


Foto: danielschoenen/fotolia.com

Energie sparen

Schluss mit der Verschwendung Nur mit deutlich weniger Energieverbrauch wird die Energiewende umweltverträglich und relativ kostengünstig gelingen. Seit Jahren fordert der BUND deshalb eine langfristige und verbindliche Strategie, um Energie zu sparen. Die Politik ist diese bis heute schuldig geblieben.

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b es die Waschmaschine mit A+++ ist oder die effiziente ­Be­leuchtung – für immer mehr Haushalte, Unternehmen und Kommunen ist energiesparende Technik selbstverständlich. Dazu beigetragen haben Förder- und Beratungsprogramme von Bund, Ländern und Kommunen sowie gesetzliche Effizienzstandards für Gebäude und Produkte. Dennoch wird das Energie­ sparziel für 2020 mit großer Sicherheit verfehlt: Sechsmal mehr Strom als in den vergangenen Jahren müsste dafür eingespart werden! Dieses politische Versagen bringt die Energiewende stark in Gefahr. Effizienz zuerst Immerhin entwickelt das Bundeswirtschaftsministerium nun eine langfristige Strategie unter dem Motto »Efficiency First«. Die sauberste und günstigste Energie sei die, die nicht erzeugt werden muss. Energieeffizienz müsse politisch mehr Priorität eingeräumt werden. So weit, so BUND-Position – Energiesparen hat für uns schon immer höchste Priorität. Seit Langem fordern wir, mit Gesetzen, Förderung und Beratung Er-

neuerbare Energien und Energiesparen besser zu verzahnen. Eine Wärmepumpe etwa ist nur dann klimafreundlich, wenn sie höchsten Effizienzanforderungen genügt und die von ihr erzeugte Wärme nicht durch ungedämmte Wände entweicht. Für unerlässlich halten wir auch ein Spargesetz mit verbindlichen Zielen. Sinkt Deutschlands Energieverbrauch nicht wie geboten, muss die Politik zügig nachsteuern. Auch müssen Anreize zur Energieverschwendung systematisch gestrichen werden. So kann die Tatsache, dass Unternehmen energieintensiver Branchen von der EEG-Umlage befreit sind, manche Geschäftsführung dazu verleiten, den Verbrauch hoch zu halten, um die Befreiung nicht zu verlieren. Nicht auf die Politik warten An sich ist der Vorstoß des Wirtschaftsministeriums lobenswert. Doch wie er mit Leben gefüllt werden soll, hat die Politik noch nicht gesagt. Pläne zum Energie­ sparen entpuppten sich bisher oft als Papiertiger. Auch ist noch nicht geklärt, wie »Efficiency First« verhindern kann, dass das »Größer, Schneller, Weiter« (siehe SUVBoom) die Effizienzgewinne wieder auffrisst. Umso dringender müssen wir alle die »Energie­ wende von unten« durch Energiesparen vorantreiben. Manche tun das schon in größerem Stil und investieren gemeinschaftlich in Projekte wie die energetische Sanierung von Schulen. Etliche BUND-Gruppen beraten und helfen Unternehmen und Haushalten beim Energiesparen. Weiter so und mehr davon! Schließlich können wir auch daheim zu Energiewende und Klimaschutz beitragen. Indem wir effiziente Alternativen im Heizungskeller oder beim Lampenkauf wählen. Oder indem wir systematisch hinterfragen, was wir für ein gutes Leben wirklich brauchen – vom Fassungsvermögen der Waschtrommel bis zu unserer Wohnfläche. Irmela Colaço

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Sonne als Energielieferant Häuser mit Solar­ zellen in einer ­ Freiburger Wohn­ siedlung.

Die Autorin Irmela Colaço ist die BUND-Expertin für Energieeffizi­ enz. Mehr dazu unter → www. bund.net/Energie­ sparen, mit vielen Spartipps für zu Hause und der BUND-Position zur Energieeffizienz bei Strom und Wärme.


Foto: Arno Burgi/dpa

Ausstieg jetzt!

Countdown für die Kohle Deutschland hängt am Tropf der Kohlekraftwerke, immer noch. In den vergangenen zwei Jahren hat sich der Streit über die Nutzung der Kohle zwar zugespitzt. Doch wirklich passiert ist fast nichts.

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nvermindert liefert die Kohle einen Großteil unsres Stroms, 43 Prozent sind es derzeit. Deutschland fördert bis heute weltweit die meiste Braunkohle. Da sie besonders klimaschädlich ist, sinkt unser CO2-Ausstoß seit Jahren nicht mehr.

Einstieg in den Ausstieg Verändert hat sich indes die Debatte. Von den KonzernDie Autorin spitzen zu den Kohlekumpeln und auf allen politischen Tina Löffelsend ist Ebenen reift die Er­kenntnis: Mit der Kohle kann es die Energieexpertin nicht ewig weitergehen. Es sei – so heißt es inzwischen der Bundesge­ oft – nicht mehr die Frage, ob, sondern nur noch, wann schäftsstelle. Deutschland sich von der Kohle verabschiedet. Dieses »wann« allerdings entscheidet wesentlich darüber, ob Deutschland beim Klimaschutz erfolgreich sein wird. Und ob wir unsere Klimaziele werden einhalten und das Klimaabkommen von Paris umsetzen können. Der erste Meilenstein hierbei ist das so wichtige Klimaziel für 2020: 40 Prozent weniger Treibhausgase als

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1990. Nur mit konsequentem Klimaschutz werden die Emissionen wie nötig bis 2050 auf fast Null sinken können. Der Stromsektor muss dabei vorangehen, sich von allen fossilen Energieträgern trennen und vollständig erneuerbar werden. Der Hauptbrocken dabei ist die Kohle. Klimapolitisch heißt das: Der Kohleausstieg ist nicht alles – doch ohne Kohleausstieg ist alles nichts. Doch statt den Kohlestrom wirksam zu drosseln, hat sich Wirtschaftsminister Gabriel mit der Kohlelobby verständigt, lediglich acht uralte Kraftwerksblöcke stillzulegen – und die Konzerne dafür noch zu entschädigen. Als Konsequenz droht das Klimaziel für 2020 weiter deutlich verfehlt zu werden, wie die Bundes­ regierung selbst zugibt. Das muss Folgen haben. Einzig die Stilllegung weiterer Kohlekraftwerke kann das Klimaziel noch retten. Was die Regierung kürzlich als »Klimaschutzplan 2050« verabschiedet hat, bringt zwar insgesamt nicht viel. Immerhin gibt sie damit erstmals allen Sektoren (wie Ver-


Hat hoffentlich bald ausgedient Ein Dinosaurier, nicht nur seiner Größe wegen: das Schaufelrad eines Braunkohlebaggers.

Kein Selbstläufer Nach der Bundestagswahl muss die neue Regierung sofort die Weichen für einen geordneten Kohleausstieg stellen. Wichtiger als die Frage, wie der umgesetzt wird – etwa mithilfe einer Kommission oder über ein wirk­ sames Instrument –, ist, dass er sich an dem in Paris fixierten Klimaziel orientiert. Für die deutsche Kohle bedeutet das: Der Ausstieg muss deutlich vor 2030 ge­ schafft sein. Besonders auf die hiesige Braunkohlewirtschaft und die Reviere in Ost und West kommen also große Veränderungen zu. Der nötige Strukturwandel muss sozial abgefedert werden. Mit den Betroffenen vor Ort gilt­ es, nachhaltige wirtschaftliche Perspektiven zu entwickeln. Positiv ist: Auch wichtige Teile der Gewerkschaften setzen sich inzwischen für einen sozialen Ausstieg und Wandel ein. Die Bundesregierung hat erstmals Mittel für die Regionen bereitgestellt. Protest nimmt zu Bis aber der Ausstieg beschlossen ist, werden für die Braunkohle weiter Tag für Tag Landschaften und Dörfer geopfert. Derzeit droht ein Grundstück des BUND für den Tagebau Hambach enteignet zu werden, die Bagger sollen sich noch tiefer in den so wertvollen Ham­bacher Forst fressen. Das aber ist für immer weniger Menschen nachvollziehbar, die Proteste werden lauter und massiver und vor der Bundestagswahl und der Bonner Klimakonferenz sicher noch zunehmen. Auch der BUND wird seinen Einsatz dieses Jahr verstärken – um den Kohleausstieg bald nach der Wahl über die Zielgerade zu schieben. Tina Löffelsend

BRAUNKOHLE: ¾ MÜSSEN IM BODEN BLEIBEN Klimaziel 2050: 95% weniger CO2 Das heißt: 0,8 bis 1,3 Mrd. t max. nutzbar

4,5 Mrd. t* geplanter Abbau

Foto: Thomas Frey

kehr, Landwirtschaft etc.) eigene Klimaziele bis 2030 vor. Für den Stromsektor bedeutet das nichts anderes als den raschen Einstieg in den Kohleausstieg.

Atomausstieg: gerichtlich bestätigt, aber …

Abschalten! BN-Aktion vor dem Atomkraftwerk Gund­ remmingen, dessen Block B zum Jahres­ ende vom Netz muss.

S

ie wollten Milliarden an Schadensersatz vom Staat: Die Betreiber der deutschen Atomkraftwerke hatten gegen den Atomausstieg von 2011 geklagt. Vor dem Bundesverfassungsgericht sind sie nun ge­scheitert. Die Richter bestätigten den Ausstieg grundsätzlich. Die Politik habe das Recht, das atomare Risiko jederzeit neu zu bewerten und daraus Konsequenzen zu ziehen. Dies umso mehr, als die Atomkraft eine Hochrisikotechnologie sei – und die Lagerung des Atommülls bis heute ungeklärt. Nur Detailregelungen müsse der Gesetzgeber nachbessern. Ob die Atomwirtschaft am Ende überhaupt Schadensersatz erhält, ist noch offen. Der Atomausstieg ist also verfassungsgemäß. Doch vollzogen ist er noch lange nicht. Noch laufen acht deutsche Reaktoren, teilweise bis 2022. Der BUND hat mit einer Studie auf die Sicherheitsprobleme der Meiler hingewiesen und ihre sofortige Abschaltung gefordert. Als nächstes müssen Gundremmingen B (Ende 2017) und Philippsburg 2 (2019) vom Netz. Viel zu spät versuchte die Bundesregierung ­letztes Jahr, die Rückstellungen der Atomkonzerne für die nuklearen Folgekosten zu sichern. Dieser Versuch mündete in einen – vom BUND scharf kritisierten – Deal zulasten der Allgemeinheit: Indem sie knapp 24 Milliarden Euro in einen öffentlich-rechtlichen Fonds zahlten, konnten sich die Atomkonzerne von weiterer Haftung freikaufen. Mit ­Sicherheit reicht dieses Geld nicht aus, um die ­Lagerung des Atommülls dauerhaft zu finanzieren. Da wird dann der Staat einspringen müssen, sprich: wir alle. Folgerichtig übernimmt eine neue staatliche Gesellschaft ab 2019 alle Castor-Zwischenlager. → www.bund.net/atomkraft

Quelle: Öko-Institut für BUND (2015)

* Stand: Anfang 2015, in genehmigten Braunkohleplänen

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Ausbau des Stromnetzes

Die Bundesregierung plant, unser Stromnetz massiv auszubauen. Der BUND sieht dies kritisch. Stellen wir uns damit gegen die Energiewende? Im Gegenteil.

Foto: blickwinkel/S. Ziese; Tony Hegewald/pixelio.de (Würfel)

Unverzichtbar oder überzogen?

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er BUND kämpft für eine dezentrale Energiewende ohne Atomkraft und für einen raschen Abschied von der Kohle. Noch ist unser Stromnetz auf zentrale Großkraftwerke ausgerichtet. Um den Strom aus künftig Zehntausenden von Windkraft- und Millionen von Fotovoltaikanlagen da­hin zu bringen, wo er verbraucht wird, muss das Netz umgebaut werden – das ist klar. Doch auf welchen Spannungsebenen und mit wie vielen neuen Leitungen? Die Regierung plant, das Stromnetz stark auszubauen. Der BUND kritisiert das scharf.

Problem für die Energiewende? An Weihnachten 2016 lieferte die Windenergie satte 85 Prozent des deutschen Stroms. Der Verbrauch war niedrig, es wehte viel Wind. Für die Stromnetze war das Die Autoren kein großes Problem. Die zu diesem Zeitpunkt unrenThorben Becker tablen Kohlekraftwerke wurden weit heruntergefahren. leitet die Atompoli­ Problematisch war dagegen, dass 2015 in Schleswigtik der Bundes­ Holstein 14,4 Prozent des möglichen Stroms aus Erneugeschäftsstelle, erbarer Energie wegen Engpässen im Netz nicht abgeWerner Neumann ist der Sprecher nommen wurde. Die Anlagen mussten abgeregelt, ihre des Bundesarbeits­ Betreiber mit 295 Millionen Euro entschädigt werden. kreises Energie. Ein klarer Beleg dafür, dass fehlender Netzausbau zum Problem wird? Nein. Die Engpässe entstehen nämlich vor allem dadurch, dass zu viele alte, unflexible Kohleund Atomkraftwerke die Netze verstopfen. Wobei der deutsche Kohlestrom vor allem exportiert wird, 2016 mit fast 50 Milliarden kWh so viel wie noch nie.

Mehr zum Thema: www.bund.net/ stromnetze

Ausbaupläne überdimensioniert Der vom Bundestag beschlossene Bedarfsplan für den Netzausbau erfüllt weder die Klimaschutzziele noch das Stromsparziel der Bundesregierung. Der Ausbau

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wird so dimensioniert, dass neben Erneuerbarem Strom auch der Kohlestrom transportiert werden kann. Und das ergibt für die Energiewende keinen Sinn! Sinnvoll ist dies nur für die Betreiber der Stromnetze, denen derzeit eine Rendite von über neun Prozent auf ihr Eigenkapital beim Ausbau der Netze garantiert wird. Für alternative Lösungen gilt dies nicht. Netzplanung geht auch anders Ein Erfolg des BUND ist die Vorschrift einer »Strate­ gischen Umweltprüfung« bei der Netzplanung, um Al­ ternativen zu testen, die den Ausbau reduzieren können. Bisher findet dies in der Praxis aber nicht statt. Künftig muss der Ausbau endlich transparenter geplant werden. Der BUND fordert, Bürger und Umweltverbände in die Lage zu versetzen, eigene Ansätze und Modelle der Netzplanung durchzurechnen. Strom verbrauchsnah erzeugen Neue Studien zeigen, dass eine dezentrale und verbrauchsnahe Stromerzeugung sowie ein Mehr an KraftWärme-Kopplung den Bedarf gerade von Hochspannungsleitungen deutlich senkt. Optimierungen im (110 kV-)Verteilnetz können den Ausbau auf der Höchstspannungsebene mindern, und Stromspitzen mit der »Power-to-Gas«-Technik abgefangen werden. Fazit: Ein anders organisierter Strommarkt würde den Netzausbau und seine Folgen für Mensch und Na­ tur deutlich mindern. Dazu müssen wir die Rahmen­ bedingungen für Strommarkt und Netzplanung ändern. Der BUND wird der nächsten Bundesregierung hierzu detaillierte Vorschläge unterbreiten. Thorben Becker und Werner Neumann


Energiewende und Naturschutz

Gefragt – Geantwortet Energiewende und Naturschutz: Beides ist wichtig, eines ohne das andere nicht denkbar. Dennoch gibt es an einigen Stellen Zielkonflikte. Hier ein kompakter Überblick über die Argumente des BUND – in Form von Antworten auf fünf Fragen, die uns häufig gestellt werden. Plus Links zum Weiterlesen.

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Können wir uns rein mit Erneuerbarer Energie versorgen, ohne Natur und Landschaft zu zerstören? Für die Energiewende gibt es weltweit keine Alternative, die vor künftigen Generationen zu verantworten wäre. 100 Prozent Erneuerbare und der Klimaschutz sind ein wichtiger Beitrag zum Schutz der Natur. Naturverträglich gelingt die Energiewende, wenn wir das nötige Minimum an Energie möglichst effizient nutzen. Konflikte mit dem Naturschutz lassen sich weitgehend verhindern, wenn man klug plant, auf Basis aller verfügbarer Informationen über die Natur. Dabei sollte man alles bekämpfen, was weltweit die Biodiversität bedroht, zum Beispiel Agrarindustrie oder Raubbau natür­licher Ressourcen.

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Wie sehr bedroht Windkraft Vögel und Fledermäuse? An falschen Standorten geplante und betriebene Windkraftanlagen können bestimmte Arten schädigen. Der BUND hat klare Kriterien, wo gebaut werden kann und wo nicht – und hat bei fachlichen Mängeln schon wiederholt Klage erhoben. Vor Ort müssen die Auswirkungen im Einzelfall sorgfältig geprüft werden. Hierbei PlanetErde2_Anzeige_BUND Mag_RZ.qxp_Layout 1 10.01.17 17:17 muss der Bau von Windkraftanlagen mit wirksamen

Maßnahmen zur Kompensation und zum Artenschutz verbunden werden. So lassen sich Konflikte lösen. Besonders sensible Bereiche sind streng zu schützen.

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Wie viel naturverträglichen Ausbau der ­Windkraft benötigen wir voraussichtlich noch? Die Menge der noch benötigten Windanlagen hängt sehr vom Energieverbrauch ab. Gelingt es, unseren Verbrauch zu halbieren (wie der BUND fordert), könnten die Erneuerbaren bis 2040 den gesamten Strom liefern. Da aber mittelfristig auch Teile der Wärmeversorgung und vor allem der Verkehr elektrisch erfolgen werden, muss der naturverträgliche Ausbau gestärkt werden.

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Wie steht der BUND zum Thema Biogas? Die Erzeugung von Biogas muss mit den Zielen des Natur-, Boden- und Gewässerschutzes vereinbar sein. Vielerorts ist sie das nicht, sondern führt zur großflächigen »Vermaisung« der Landschaft. Das vom BUND unterstützte »Grünes-Gas-Label« legt detailliert fest, wie man Biogas erzeugen kann, nämlich vorrangig aus Reststoffen, ohne Natur und Grundwasser zu gefährden.

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Kann die Wasserkraft zur Energiewende ­beitragen? Der BUND hält den Ausbau der Wasserkraft in Deutschland für ökologisch nicht vertretbar und für unnötig, um die Energiewende zum Erfolg zu führen. Bestehende Wasserkraftwerke müssen geprüft werden: Erfüllen sie die ökologischen Mindestanforderungen? Nur dann können sie zur Energiewende beitragen. Ökologie und Naturschutz müssen Vorfahrt haben auf frei fließenden Seite 1 Flüssen.

Mehr zu Argumenten und Positionen des BUND finden Sie unter → www. bund.net/energiewende sowie direkt unter /windkraft, / wasserkraft und → www.gruenerstromlabel.de/ gruenes-gas

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Landesarbeitskreis Energie und Klima

Foto: Stefan Maurer

den. Da sowohl bei der Wärmeversorgung als auch bei der Mobilität in Zukunft vermehrt Strom eingesetzt werden wird, wird dies dazu führen, dass trotz Einsparungen der Strombedarf insgesamt steigt oder zumindest konstant bleibt.

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Foto: GT Systembau

m BUND Naturschutz ist ein hochkarätig besetzter Arbeitskreis (AK) Energie und Klimaschutz aktiv. Gegründet wurde er 1986 anlässlich der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Der Sprecher war seinerzeit Dr. Ludwig Trautmann-Popp, der damalige Referent des BN für Klima und Energie. Abgelöst wurde er 2004 von Karin Wurzbacher. Seit Januar 2015 ist Heide SchmidtSchuh aus der BN-Kreisgruppe Mühldorf Sprecherin. Derzeit sind ungefähr 15 bis 20 Mitglieder aktiv. Unser Bild zeigt AK-Mitglieder bei der Besichtigung eines mittelständischen Unternehmens für innovative Speicherkonzepte. In den vergangenen Jahren hat der AK in den Foren von »Energie Innovativ« (2012) und in den Bayerischen Energiedialog des Wirtschaftministeriums (2014/2015) die Forderungen nach Energieeinsparungen, Dezentralität und »Power-to-gas« eingebracht. Im Mittelpunkt der AK-Treffen standen Themen wie Erzeugung, Speicherung und Transport von Strom. Die Energieverbräuche in Deutschland müssen in allen drei Sektoren Wärme, Strom und Mobilität insgesamt halbiert wer-

Speichertechnologie rückt in den Fokus Richtungsweisend sind Ergebnisse aus Simulationen des stellvertretenden AK-Sprechers Professor Wilfried Attenberger (BN Landshut). Er überprüfte, unter welchen Voraussetzungen Deutschland zu 100 Prozent mit Strom aus Erneuerbaren Energien versorgt werden kann. Das Ergebnis: Deutschland benötigt einen dynamischen Zubau von Fotovoltaik und Windenergie – deutlich mehr als die Bundesregierung heute plant. Vor allem ist ein Ausbau der Verteilnetze in der Nieder- und Mittelspannung notwendig. Hier sind sowohl die Verbraucher als auch die Einspeiser Wind und Sonne angesiedelt. Ein Zubau von neuen Pumpspeicherwerken ist hingegen nicht sinnvoll. Notwendig sind im Wesentlichen zwei Arten von Stromspeichern: zum einen schnelle kleine und mittlere Batterie-Speicher, die in sehr kurzer Zeit mit hohen Leistungen be- und entladen werden können. Diese müssen nah am Erzeuger platziert werden. Zum anderen große stoffliche Speicher, geeignet ist hier das Erdgasnetz, in das Wasserstoff oder Methan eingespeist werden, die aus Wasser, Kohlendioxid und Strom aus Wind und Sonne erzeugt werden. Konsequent dezentrale Struktur machen neue Höchstspannungsleitungen weitgehend überflüssig, vor allem auch, wenn nach Abschalten von Atom- und Kohlekraftwerken das Höchstspannungsnetz entlastet wird.

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Die beste Lösung: Erneuerbarer Strom aus der Region rauchen wir für die Energiewende große, überregionale »Stromautobahnen« in Deutschland? Dies war eine der zentralen Fragen einer Fachtagung, zu der im Oktober 2016 N-ERGIE AG (vormals Stadtwerke Nürnberg) gemeinsam mit dem Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) in Bayern und dem BUND Naturschutz nach Nürnberg eingeladen hatten. Das Motto: »Energiewende – dezentral und regional«. Aktueller Hintergrund war, dass sas Bundeswirtsministerium die Alternativenprüfung eines dezentralen Energiekonzepts für Deutschland verweigert. Der BN fordert eine solche Prüfung als Grundlage einer Netzentwicklungsplanung für die Übertragungsnetze. Große internationale Investoren blicken mit wirtschaftlichem Interesse auf gut verzinste zentralistische Infrastrukturmaßnahmen wie Tausende Kilometer geplanter neuer Höchstspannungs-Gleichstrom-Leitungen (HGÜ) – am Besten als Erdverkabelung, das erhöht die Investitionsvolumina. Das Wirtschaftsministerium argumentiert, dass regionale Lösungen zu teuer seien. Dies aber kann eine ­Studie der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg gemeinsam mit Prognos, widerlegen. Wie Arbeiten der Professorin Veronika Grimm, Volkswirtschaftlerin an der FAU, darlegen, bieten regionale Modelle durchaus Kostenvorteile und Wohlfahrtsgewinne in einer volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung. Die Ergebnisse der Studie wurden auf der Tagung diskutiert. Der BN sieht sich durch diese wissenschaft-

Foto: N-ERGIE/Claus Felix

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lichen Erkenntnisse bestätigt. In diesem Jahr wird der Verband sich im Bundestagswahlkampf dafür einsetzen, dass die Energiewende dezentral, regional und kommunal geplant und auch umgesetzt wird. Der BN fordert, Stromleitungen als Daseinsfürsorge zu betrachten und nicht nur als Investitionsprojekt! Mehr Informationen unter → https://www.bund-naturschutz.de/energie/energiepolitik.html

Bürgerenergie? Jetzt erst recht!

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ie Kreisgruppe Regensburg des BUND Naturschutz ist seit Langem in Sachen dezentrale Energiewende aktiv. 2012 hat sie Gründung der »Bürgerenergieregion Regensburg« (BERR eG) aktiv unterstützt. Bis 2016 hat die Genossenschaft 21 Fotovoltaikanlagen in Stadt und Landkreis Regensburg in Betrieb genommen mit einem jährlichen Stromertrag von rund 990 000 Kilowattstunden. Walter Nowotny, Schatzmeister der Kreisgruppe Regensburg und stellvertretender BERR-Vorsitzender, erklärt die neue Entwicklung: »Seit Dezember 2015 bieten wir in Verbindung mit der Bürger Energie Bayern e. V. regional den Grünstrom unter dem Namen Bava­ riastrom an.« So wird der Strom dort verbraucht, wo er produziert wird. Die Genossenschaft hat derzeit über 250 Mitglieder, die mehr als 750 000 Euro Eigenkapital einbezahlt haben. Mit den Pilotausschreibungen ab 2015 und der Novellierung des EEG 2017 ist die Situation für Energie-

genossenschaften wie der BERR aber sehr viel schwieriger geworden. Diese müssen jetzt bei Ausschreibungen mit internationalen Anbietern mithalten – leichter gesagt als getan! Bei der BERR hat man aber nach dem Motto »Jetzt erst recht!« die Beteiligung an einer Ausschreibung angepackt und war trotz vieler Hindernisse und Schwierigkeiten erfolgreich. Inzwischen ist eine Freiflächen-Fotovoltaikanlage im Landkreis Regensburg fast fertig (siehe Bild). Die Oberpfälzer Genossenschaftler sind entschlossen, sich auch weiterhin dafür einzusetzen, dass Energieerzeugung in Bürgerhand möglich bleibt. Weitere Informationen unter → www.berregensburg.de

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Bundestagsabgeordneter Josef Göppel im Interview

Strom in Bürgerhand

Er gilt als das »grüne Gewissen« der CSU: der Bundestag­s­ab­geordnete Josef Göppel. Der 67-Jährige macht sich seit Langem für Erneuer­ bare Energien stark. Im Interview mit Natur+Umwelt erklärt der Parlamentarier die Bedeutung einer dezentralen Energiewende.

Natur+Umwelt: Strom aus Erneuerbaren Energien und Stromerzeugung in Bürgerhand – das sind zwei Themen, die Sie antreiben. So haben Sie eine ­Initiative zur regionalen Stromvermarktung mit ins Leben gerufen. Wozu dient diese? Josef Göppel: Allein im Landkreis Ansbach gibt es rund 26 000 Stromerzeuger! Die Regionalstrom Franken Genossenschaft hat dafür ein einfaches Geschäftskonzept anzubieten: Kleinerzeuger sollen nach Ablauf der 20-jährigen EEG-Vergütung die Möglichkeit bekommen, ihren Strom zu einem guten Preis zu verkaufen. Das geht aber nur, wenn die Kleinerzeuger ihr Angebot bündeln. Durch den Energiemix aus Solar, Wind und Biogas kann ein bedarfsgerechtes Angebot abgegeben werden. Die Stadtwerke Nürnberg zum Beispiel rechnen damit, schon 2030 die Hälfte des Strombedarfs aus dem Umland zu decken. Mein Motiv, mich dafür einzusetzen, war, die regionale Stromversorgung in den Händen der Bürger zu halten. 2017 kann es nicht mehr darum gehen, ob den Erneuerbaren Energien die Zukunft gehört, sondern die Frage ist, ob die alten, zentralen Großkonzerne die Stromerzeugung wieder in die Hand bekommen.

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Natur+Umwelt: Stichwort EEG: Wie ist Ihre Meinung zum derzeitigen EEG? Wie würden Sie das Gesetz gestalten? Josef Göppel: Das EEG 2017 ist ein Kompromiss widerstreitender Meinungen. Die Bremser haben sich vor allem beim Ausbaukorridor durchgesetzt. Wenn wir ­Erneuerbare Energien auch in Wärme und Mobilität bringen wollen, ist dieser Korridor zu eng gefasst. Aber eine Gruppe von Abgeordneten der Großen Koalition hat günstige Bedingungen für Bürgerenergie verankern können – konkret einen gesicherten Zuschlag in der Ausschreibung zum jeweiligen höchsten Gebotspreis. Außerdem ist jetzt klar definiert, was Bürgerenergie ist: Bei Bürgergesellschaften müssen mindestens 51 Prozent der Anteile Bürgern aus dem Standortlandkreis der Anlage gehören. Kein Anteil darf größer als zehn Prozent sein. Weiterhin gibt es im neuen EEG eine Herkunftsbezeichnung für regionalen Strom im Umkreis von 50 Kilometern. Ein weiterer Pluspunkt: Im neuen EEG ist verankert, dass Strom, der auf Mietshäusern erzeugt wird, für Mieter zu Eigenverbrauchskonditionen nutzbar sein muss. Natur+Umwelt: Was tut sich in Sachen Energiewende eigentlich auf EU-Ebene? Josef Göppel: Wir haben jetzt die kuriose Situation, dass durch Vorschläge der EU-Kommission Brüssel einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren ermöglicht, als Berlin dies zulässt. Konkret: Brüssel schafft einen Rechtsanspruch aller Stromverbraucher zu eigener Stromerzeugung und besondere Vergünstigungen für lokale Gemeinschaften. Diese neuen Vorschläge sind im sogenannten »Paket 2017« enthalten, das im Frühjahr im EU-Parlament behandelt wird. Ich rechne damit, dass diese Punkte nicht verwässert, sondern sogar noch schärfer gefasst werden. Die Rückkehr zur alten Energiewirtschaft in Großkonzernen wird dadurch unmöglich gemacht. Natur+Umwelt: Zur diesjährigen Bundestagswahl werden Sie nicht mehr kandidieren. Was haben Sie sich für die Zeit nach Ihrer parlamentarischen Karriere vorgenommen? Josef Göppel: Ich hab da noch was vor: Ich werde mich ehrenamtlich um ein großes Projekt kümmern, das die Nutzung Erneuerbarer Energien nach Afrika bringen soll. Natur+Umwelt: Danke für das Gespräch, Herr Göppel!


Fotos: Winfried Berner, Moni Nunn

Gerettete Landschaften entdecken

Das erste Schutzgrundstück Heute, da der BN eine Vielzahl von Schutzgrundstücken besitzt, ist ein Ankauf Routine: Schutzwürdigkeit bestimmen, Vertrag aushandeln, Hubert Weiger zum Notar schicken – fertig. Doch der Ankauf des ersten Grundstücks war ein Meilenstein der Verbandsgeschichte und bietet noch heute Grund zur Freude – besonders im späten Frühjahr, wenn die Weinbergtulpen blühen.

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icht in Oberbayern, wo der BUND Naturschutz 1913 gegründet wurde, fand der erste Ankauf eines Schutzgrundstücks statt, sondern in Mittelfranken, in Bad Windsheim. Dort gab es schon nach dem Ersten Weltkrieg eine sehr aktive Bezirksgruppe. Ihr damaliger Vorsitzender, der Studienprofessor Dr. Robert Weinmann, hatte eine gefährdete Art sozusagen vor der eigenen Haustür entdeckt, nämlich Tulipa sylvestris, die Wilde Tulpe oder Weinbergtulpe. Kurzerhand kaufte er an der Kiliansleite nördlich von Bad Windsheim auf eigene Faust und Rechnung für 150 Reichsmark ein Hanggrundstück an, auf dem die Weinbergtulpe wuchs. Erst 1933 ging es endgültig in das Eigentum des BN über. Doch mit dem Ankauf ist es nicht getan: Wenn man solche Flächen sich selbst überlässt, verbuschen sie und werden zu Wald. Davon zeugen die vielen Schlehen- und Wildrosenschösslinge, die auf der Kiliansleite wachsen und sie zum Teil schon zurückerobert haben. Das sieht zwar auch schön aus, aber es wäre das Ende der wilden Tulpe: Sie braucht Licht und lockere Böden – nicht umsonst heißt sie Weinbergtulpe. Deshalb hegt und pflegt die Ortsgruppe ihr Grundstück – seit mittlerweile 90 Jahren! Ausgangspunkt: Wanderparkplatz »Lochbrunnen« unterhalb der Kiliansleite (an der Kreisstraße NEA 40 von Bad Windsheim nach Oberntief) oder vom Bahnhof Bad Windsheim durch den Kurpark und die Hans-Schmotzer-Allee nach Norden, bis zur Kreisstraße und dann 600 Meter auf der Straße zum Parkplatz am Lochbrunnen (etwa 3 Kilometer) Länge: kürzeste Variante ca. 2 Kilometer, auf bis zu 11 Kilometer erweiterbar Höhenunterschied: circa 60 Meter Wegcharakter: Feldwege, Steige, Nebenstraßen Einkehr: Bad Windsheim

Die Umrundung und Erkundung der Kiliansleite ist ein kurzer Weg, jedenfalls wenn man von dem Wanderparkplatz unterhalb des Hangs startet: Wir gehen einfach in den Feldweg hinein, der von der Kreisstraße nach Westen abzweigt, und nutzen nach wenigen ­Metern den Grünweg, der nach rechts zum Hang der Kiliansleite abzweigt. In diesem Hang wächst sie, die Tulipa sylvestris, und der Hangstreifen links von dem Streuobstbestand ist unser erstes Schutzgrundstück. Aber auch der Streifen rechts der Obstbäume wurde inzwischen dem BN geschenkt und steht zur Entbuschung an. Das Vorkommen der Wilden Tulpe erkennt man vor allem an den vielen blütenlosen Tulpenblättern in den Hecken. Um auch die Blüten zu sehen, muss man sich Ende April, Anfang Mai weiter nach links in Richtung des kleinen Weingartens bewegen. »Um zum Blühen zu kommen, dürfen die Zwiebeln nicht zu tief liegen«, erklärt Bruno Täufer, der langjährige Vorsitzende der Ortsgruppe. »Das Hacken der Weinstöcke befördert sie nahe genug an die Oberfläche.« Bei trockenem Wetter können wir unterhalb des Hanges nach links gehen, bis wir auf einen Weg treffen, in den wir nach rechts einschwenken. Er führt den Hang hinauf und trifft oben auf einen Feldweg. Wenn wir ihm entlang der Hangkante nach rechts folgen, treffen wir nach 700 Metern auf die Kreisstraße, auf der wir zum Parkplatz zurückkommen. Schwenken wir stattdessen nach links und gehen dann bei nächster Gelegenheit hinauf auf die nächste Hangkante, können wir in östlicher Richtung über die Kreisstraße hinweg einem Weg folgen, der uns eine wunderbare Aussicht über die ganze Windsheimer Bucht ermöglicht. Von dort können wir entweder über Feldwege und Nebenstraßen nach Bad Windsheim zurückgehen, oder wir kehren auf dem Weg, den wir gekommen sind, zur Kiliansleite zurück. Winfried Berner, Ulrike Rohm-Berner

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An der Kiliansleite Bei Bad Windsheim kann das erste Schutzgrundstück des BN »erwan­ dert« werden. Be­ sonders schön ist die Wanderung zur Blütezeit der Wein­ bergtulpe.

Die Autoren Winfried Berner, Mitglied des Lan­ desvorstandes, hat mit seiner Frau ­Ulrike Rohm-Ber­ ner den Wander­ führer »Gerettete Landschaften« ­verfasst. 14,90 Euro, im Buchhan­ del oder bei der BN Service GmbH, Tel. 0 91 23- 9 99 57 20


Zeichnung: Claus Caspari; aus »Der BLV Pflanzenführer für unterwegs«, BLV Buchverlag

Porträt

Gewöhnlicher Seidelbast Unbeirrt von Kälte, manchmal sogar über schneebedecktem Boden, präsentiert der Gewöhnliche Seidelbast (Daphne mezereum) als einer der ersten Frühlingsboten seine purpurroten, stark und lieblich duftenden Blüten.

Foto: privat

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Die Autorin Dr. Gertrud Scherf hat mehrere ­P flanzenbücher verfasst.

ie Blüten stehen zu dreien in den Achseln vor­ jähriger Blätter und scheinbar direkt an den noch unbelaubten, graubraunen Zweigen des höchstens 1,5 Meter hohen Strauchs. Für überwinternde und zeitig im Frühjahr fliegende Schmetterlinge wie Zitronenfalter, Kleiner Fuchs oder Tagpfauenauge, auch für Bienen und Hummeln sind die Blüten eine willkommene ­Nahrungsquelle. Die Namen Seidelbast und Zeyland sind wahrscheinlich vom Zeidler (Imker) abgeleitet. Erst nach der Blüte kommen die länglich-lanzettlichen Blätter hervor. Im Hochsommer erscheinen zunächst grüne, später rote beerenartige Steinfrüchte, die Vertreter einiger Vogelarten anlocken und so für die Ausbreitung des Holzgewächses sorgen. Achtung! Alle Pflanzenteile sind für den Menschen (und viele Tiere) sehr stark giftig. Sie können schon in geringer Dosis tödlich wirken und bereits bei Berührung Entzündungen hervorrufen. Das macht die Pflanze für den Garten nur bedingt geeignet. Der Volksname Kellerhals beruht auf dem mittelhochdeutschen »kellen« (quälen) und den bei Vergiftung berichteten brennenden Halsschmerzen. Früher wurden Zubereitungen aus der Rinde äußerlich gegen Schmerzen und Hautleiden eingesetzt. Die Giftpflanze hat in moderner Phytotherapie und Volksmedizin ­keinen Platz mehr. In der Homöopathie ist das durch Potenzierung entstandene Mezereum ein häufig verwendetes Mittel. Früher gegen Hexen und böse Geister verwendet »Der Zeiland blüet im frueling von stundan / ehe vnd die bletter herfür kommen. Ist ein gewechß lustig an­ zusehen / vnnd reücht wol.« Sogar der nüchtern-sachliche Kräuterbuch-Autor Leonhart Fuchs kann 1543 seine Freude über die sinnenhafte Wahrnehmung des

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kleinen Strauchs im vorfrühlingshaften Wald oder ­Garten nicht verbergen. Wie von manch anderen Duftpflanzen hieß es auch vom Seidelbast, man könne damit Hexen und böse Geister abwehren. Eine Legende erzählt, der Seidelbast sei einst ein großer Baum gewesen. Aber nachdem aus seinem Holz Christi Kreuz gezimmert worden war, schwand er immer mehr dahin und wurde zum kleinen Strauch. Der Gewöhnliche Seidelbast wächst an Waldrändern, in Wäldern und Gebüsch. Er bevorzugt nährstoffreichen, kalkhaltigen Boden und gilt als Basenzeiger. In Bayern ist der Strauch nicht gefährdet, er steht aber in den Roten Listen einiger Bundesländer. Durch die Bundesartenschutzverordnung ist er besonders geschützt, ebenso die anderen heimischen (ebenfalls sehr giftigen) Daphne-Arten – Gestreifter ­Seidelbast (D. striata), Alpen-Seidelbast (D. alpina), Rosmarin-Seidelbast (D. cneorum) und der in Deutschland nur in besonders mildem Klima vorkommende Lorbeer-Seidelbast (D. laureola). Früher wurde der Gewöhnliche Seidelbast nicht ­selten durch Gartenfreunde ausgegraben. Heute setzen ihm vielleicht eher Standortveränderungen zu wie die durch menschlichen Einfluss verstärkte Versauerung der Böden. Ursachen dafür sind Ammoniak (Produk­ tion und Ausbringung von Düngemitteln), Stickoxide (Autoverkehr und andere Verbrennungsvorgänge) und – seit 1990 stark zurück­gehend – Schwefeldioxid (Verbrennung von Kohle und Heizöl). Versauerte Böden verursachen eine Abnahme der Biodiversität, beeinträchtigen Bioorganismen und schränken die Verfügbarkeit von Nährstoffen ein. Gegen die Versauerung nützen Energiewende, Verkehrswende und Agrarwende, die der BUND Naturschutz fordert und deren Rea­ lisierung er mit praktischen Vorschlägen fördert.


Gerettete

Landschaften

Foto: Klaus Leidorf

Tag für Tag verschwindet mehr Natur unter Asphalt und Beton. Seit seiner Gründung wehrt sich der BUND Naturschutz gegen den stetigen Flächenfraß, vielfach mit Erfolg. So konnte die BN-Kreisgruppe Traunstein den Bau einer Skischaukel und Sommerrodelbahn am »Blumenberg« Geigelstein verhindern. Der Gipfel wurde 1991 unter Schutz gestellt – nicht zuletzt dank des bayerischen Alpenplans. Der BUND Naturschutz setzt sich dafür ein, dass dieser auch künftig erhalten bleibt.

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Der Fluss, das Geschiebe und der Huchen

Foto: Hannes Höfer

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it 225 Kilometern ist die Salzach der längste und wasserreichste Nebenfluss des Inns. Von der Mündung aufwärts darf sie über 60 Kilometer hinweg ungestaut fließen – eine Seltenheit in Bayern. Kraftwerke konnten die engagierten bayerischen und österreichischen Naturschützer der Aktionsgemeinschaft Lebensraum Salzach (ALS) bisher erfolgreich verhindern. Doch natürlich ist der »technische Fortschritt« auch an der Salzach nicht spurlos vorübergegangen. Strömte der mächtige Alpenfluss früher teilweise auf über einem ­Kilometer Breite dahin, wurde er ab Ende des 19. Jahrhunderts nach und nach auf 113 Meter eingeengt. Daraufhin tiefte er sich ein, verlor seine Kiesbänke und seinen kiesigen Gutes Team ­Untergrund ebenso wie seinen Hannes Augustin Fischreichtum. (li.) und Erich So ist die Salzach heute ein bayePrechtl kämpfen risch-österreichischer Fluss mit seit 30 Jahren er­ Wunden und dennoch immensem folgreich für eine naturnahe Salzach. ökologischen Potenzial. Der seltene Huchen kommt dort noch vor. Wir fragten Erich Prechtl vom BUND Naturschutz und Hannes Augustin vom Österreichischen Naturschutzbund, welche Zukunft sie für Salzach und Huchen sehen. Die beiden Naturschützer sind seit 1987 Sprecher der ALS.

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Natur+Umwelt: Die ALS feiert dieses Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Wie ist da die Gefühlslage: optimistisch, frustriert, kämpferisch? Erich Prechtl: Also, frustriert sind wir überhaupt nicht. Und kämpferisch …? Mei, wir kämpfen nur, wenn’s sein muss. Im Grunde ist es ja immer in unsere Richtung gelaufen. Wir haben zwar Rückschläge ­erlebt, weil die Kraftwerksbetreiber immer wieder kommen, aber wir haben die europäische Gesetz­ gebung im Rücken. Die FFH-, die ­Vogelschutz- und die Wasserrahmenrichtlinie sprechen für unser Anliegen. Damit können wir gut ­argumentieren und wenn es hart auf hart kommt, wahrscheinlich auch alles durchsetzen. Natur+Umwelt: Dann ist die europäische Gesetzgebung tatsächlich wirksam in Bayern? Erich Prechtl: Ja freilich ist die wirksam. Die Salzach muss laut euro­ päischer Wasserrahmenrichtlinie bis 2027 einen guten ökologischen Zustand erreichen und damit sind Wasserkraftwerke nicht vereinbar. Trotzdem will die bayerische ­Landesregierung im Tittmoninger Becken jetzt wieder drei Kraftwerke bauen. Unsere Regierung schert sich im Vorfeld immer sehr wenig um die europäischen Gesetze, man muss sie erst darauf hinweisen. Also gehen wir wieder Klinken putzen bei den Politikern, damit es nicht auf eine große Konfrontation hinausläuft. Eine große Auseinan­ dersetzung braucht viel Energie, die kann man auch gleich für was Gscheids einsetzen. Mit einer Re­

Foto: Erich Prechtl

Eigentlich geht es auf diesen Seiten um den Huchen. Aber über diesen großen, urbayerischen Fisch lässt sich nicht berichten, ohne über seinen Lebensraum, den Fluss, zu schreiben. Noch enger als so manches Landtier sind Wasserwesen an ihr Biotop gebunden. Und so ist die Geschichte des Huchens auch jene der großen bayerischen Flüsse – in diesem Fall der Salzach.

naturierung der Salzach wurde ja bereits begonnen. Wir kämpfen jetzt dafür, dass auf weiten Strecken die Uferverbauungen entfernt werden und der Fluss sich wieder natürlich entwickeln darf. Natur+Umwelt: Wie steht es um die Wasserqualität? Hannes Augustin: Die hat sich ­dramatisch verbessert. Wir hatten früher ab der Papierfabrik Hallein Güteklasse drei bis vier, das bedeutet stark verschmutzt. Mittlerweile sind wir dort bei Güteklasse zwei, also mäßig bis gering belastet. Natur+Umwelt: Und haben sich die Fischbestände schon erholt? Erich Prechtl: Das wäre zu positiv ausgedrückt. 2009 hat ein Gutach-

Huchen (Hucho hucho) Ordnung: Lachsartige (Salmoni­ formes) Familie: Lachsfische (Salmonidae) Gattung: Hucho Status: weltweit stark gefährdet Schutz: durch Anhang II der FFHRichtlinie geschützt (das heißt, es müssen Schutzgebiete für die Art ausgewiesen werden)


Foto: Herbert Frei

Der Huchen

Hoffnung Wo die Saalach in die Salzach mün­ det, entstehen durch die Renatu­ rierung neue Laich­ plätze für den im­ posanten Huchen.

ten im Tittmoninger Becken elf ­Kilogramm Fischbiomasse festgestellt, normal wären etwa 100. Von einem guten ökologischen Zustand spricht die europäische Wasser­ rahmenrichtlinie bei 50 Kilogramm. Da muss also noch Einiges passieren. Aber partiell gibt es möglicherweise schon Verbesserungen. An der Saa-l­­­achmündung in Freilassing wurden auf 1,4 Kilometern die ­Uferbefestigungen entfernt. Da entstehen jetzt Kiesbänke und Laichplätze. 2016 haben wir dort erstmals Jungfische entdeckt – vor allem Äschen, das wichtigste Beutetier des Huchen. Natur+Umwelt: Was muss ­weiterhin passieren? Erich Prechtl: Wir brauchen solche Verbesserungen auf der ganzen Strecke. Es fehlt das Geschiebe und damit das kiesige Flussbett, das die Kieslaicher für die Fortpflanzung benötigen, es fehlen Unterstände für die Fische und Kiesbänke. Bei Hochwasser werden die Fische ­abgetrieben, weil sie in dem trapezförmig eingeschnittenen Flussbett nicht ausweichen können. In die Seitengewässer können sie auch nicht mehr flüchten, weil durch die

Eintiefung der Salzach unüberwindbare Stufen entstanden sind. Hannes Augustin: Wenn wir erreichen, dass das Renaturierungs­ konzept fortgeführt wird, dann wird die Salzach auf jeden Fall wieder ein guter Lebensraum – sowohl für ­Fische als auch für die Vogelwelt, die Amphibien, die Schmetterlinge und viele andere Organismen. In den Salzachauen hat man jetzt schon über 500 Schmetterlingsarten nachgewiesen. Erich Prechtl: Und damit würden sich dann auch andere Konflikte erledigen, denn an einem renaturierten Fließgewässer haben sowohl die Fische als auch Kormorane und Gänsesäger eine Lebensgrundlage. An einem begradigten Fluss haut dieses Zusammenleben nicht hin, weil sich die Fische nicht verstecken können. Deshalb arbeiten wir an der Salzach auch gut mit den Fischern zusammen. Wir kämpfen für das gleiche Ziel: einen intakten Fluss, an dem jede Art ihr Auskommen hat. Text und Interview: Heidi Tiefenthaler

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er Huchen (Hucho hucho) ist der größte Vertreter der Lachsfische (Salmonidae) in Bayern. Seine natürliche Verbreitung ist in Deutschland auf das Einzugsgebiet der Donau beschränkt. Der »Donaulachs«, wie er auch genannt wird, kann bis zu 1,65 Meter lang, über 25 Kilo schwer und bis zu 15 Jahre alt werden. Als Raubfisch steht er in seinem Lebensraum an der Spitze der Nahrungskette und erbeutet mit Vorliebe Nasen oder Barben. Der langgestreckte Fisch mit dem kupferfarbenen bis grünlichgrauen Rücken und den dunklen Tupfen gehört zu den sogenannten Kieslaichern, das heißt, er ist auf Flüsse mit kiesigem Untergrund angewiesen. Zwar legt der Wanderfisch keine so großen Strecken wie Aal oder Lachs zurück, aber auf der Suche nach seichten, kiesigen Flussabschnitten wandert er zur Fortpflanzungszeit immerhin bis zu 100 Kilometer. In selbst geschlagene Laichgruben legt das Weibchen zwischen März und April bis zu 10 000 Eier ab und bedeckt diese mit Kies. Nach dem Schlüpfen wachsen die Larven dort im Schutz der Steine heran. So war das früher. Heute kann sich der Huchen fast nirgendwo mehr natürlich fortpflanzen. Be­ gradigung und Stauung haben dazu ­geführt, dass viele bayrische Flüsse kaum mehr ­Geschiebe (Kies und Steine) mit sich führen. Der Flussboden verschlammt und Kieslaicher finden keine geeigneten Plätze mehr zur Eiablage. So sind heute nur noch weniger als fünf Prozent der Ge­wässer im Donaueinzugsgebiet als Lebensraum für den Huchen geeignet. Daher setzen sich Fischer und andere Naturschutzverbände seit vielen Jahren gemeinsam und in lokalen Flussallianzen verstärkt für den Schutz und die Renaturierung von Flüssen ein. Der Huchen ist in Österreich und Deutschland stark gefährdet, in der Schweiz ist er bereits ausgestorben. 2015 hat das Bundesamt für Naturschutz den bedrohten Wanderfisch zum Fisch des Jahres gewählt. Laut Landesamt für Umweltschutz (LfU) kommt der Huchen an 67 Stellen in Bayern noch gesichert vor. Derzeit darf der Huchen in Bayern noch befischt werden.

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Foto: Fotolia/Satori

Natur in der Stadt

Grün in unseren Städten und Gemeinden

Gut für die Gesundheit Bäume, Hecken und Parks sind ein schönerer Anblick als Asphalt und Beton. Darüber hinaus leisten Sie auch einen wichtigen Beitrag zum ­Klimaschutz. Der BUND Naturschutz engagiert sich deshalb verstärkt für mehr Natur in der Stadt. Mit einer kleinen Serie stellen wir Aktivi­täten rund um dieses Thema vor. Zum Auftakt informieren wir über die positiven Auswirkungen von Stadtgrün auf die Gesundheit.

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Foto: Fotolia/Coldwaterman

chon Erich Kästner wusste: »Vom Pflastertreten wird die Seele krumm.« Sein Ausspruch entstammte eher dem Empfinden als medizinischen Erkenntnissen. Inzwischen wissen wir mehr: Grün in der Stadt hat ­nachweisbar einen positiven Effekt auf die körperliche­ und geistige Gesundheit der Anwohner. Ein wichtiger

Raus in den Park! Der Aufenthalt im Grünen tut nach­ weisbar der Ge­ sundheit gut. Auch Kinder profitieren davon: Je grüner ihr Wohnumfeld, desto mehr Bewe­ gung im Freien haben sie.

Grund mehr, sich den Erhalt und die Neuanlage von Bäumen und Grünanlagen in Städten stark zu machen. So sind Bäume dank ihrer großen Blattoberfläche gute Luftfilter und sorgen gerade an Straßen und im Stadtzentrum für bessere Luftqualität. Sie filtern Grobund Feinstäube, aber auch giftige Stickoxide aus der Luft. Als grüner Schallschutz können sie auch das größte Gesunheitsrisiko im städtischen Bereich, die Lärmbelastung, mindern. In Zeiten des Klimawandels wird die Bedeutung von Stadtbäumen als grüne Klimaanlage immer wichtiger. Großkronige Laubbäume können das Entstehen von Hitzeinseln in Stadtzentren mindern, weil sie Hausfassaden und Straßen großflächig beschatten. So heizen sich diese Flächen weniger auf.

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Zudem verdunsten große Laubbäume an heißen Sommertagen bis zu 400 Liter Wasser pro Tag und entziehen dabei der Luft Wärme. Schon der Blick ins Grüne wirkt positiv In der jüngeren Vergangenheit konnte durch zahlreiche Studien aber noch mehr nachgewiesen werden: Der Aufenthalt im Grünen, ja selbst der Anblick eines Parks oder einer Grünfläche hat einen positiven Effekt auf die körperliche und seelische Gesundheit. So haben amerikanische Forscher belegt, dass Bewohner von Stadtvierteln mit mehr Bäumen sich im Durchschnitt gesünder und körperlich jünger fühlen. Sie leiden auch weniger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Bei Kindern sorgt der Aufenthalt in Parks und Grünflächen für mehr Bewegung. 2008 wurde nachgewiesen: Der Body-Maß-Index von Kindern ist umso geringer, je grüner ihr Wohnumfeld ist. Einen Spaziergang im Park empfinden Menschen als angenehm und erholsam. Forscher konnten belegen, dass schon fünf Minuten spazieren gehen im Grünen stressreduzierend wirken und einen positiven Effekt auf die geistige Gesundheit haben. Wer im Grünen joggt, fühlt sich erholter als jemand, der die gleiche Zeit mit Joggen im Fitness-Studio verbracht hat. Allein der Anblick auf städtisches Grün hat positive Effekte, kann den Herzrhythmus verlangsamen und den Blutdruck senken. Büroangestellte, die aus dem Fenster auf einen Park blicken, haben weniger krankheitsbedingte Fehltage als Kollegen, die Betonfassaden und asphaltierte Straßen vor dem Fenster haben. Sogar Patienten im Krankenhaus genesen im Schnitt schneller, wenn sie einen Ausblick ins Grüne haben. Die Investition in Stadtgrün und Stadtbäume tut also nicht nur Geist und Körper gut, sie macht sich auch volkswirtschaftlich bezahlt. (lf) Ansprechpartner für BN-Kreis- und Ortsgruppen, die sich für Natur in der Stadt engagieren möchten: Helmut Schultheiß, Mail: helmut.schultheiss@bund-naturschutz.de


CETA verzögert, TTIP im Gefrierschrank

Foto: Aktionsbündnis Volksbegehren gegen CETA

Für einen Neustart in der Handelspolitik

In Sachen Handelsabkommen herrscht derzeit viel Verunsicherung: Ist CETA schon in Kraft ­getreten? Und wird der neue ­US-Präsident Donald Trump die TTIP-Verhandlungen abbrechen? Tatsache bleibt: Beides wären Abkommen, die vor allem ­Konzerninteressen bedienen, und beide können nach wie vor Realität werden.

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er BUND Naturschutz hat in den vergangenen Jahren zusammen mit einer großen zivilgesellschaft­ lichen Bewegung gegen TTIP und CETA Protestgeschichte geschrieben. Mehr als 3,5 Millionen Bürger haben in ganz Europa gegen die Abkommen unterschrieben. Hundertausende sind auf die Straßen gegangen und tausende Kommunen in ganz Europa, davon rund 100 in Bayern, haben parteiübergreifend Resolutionen gegen TTIP und CETA verabschiedet. Lokal haben sich Bündnisse zusammengefunden und auf Initiative des BUND Naturschutz wurde ein Landesbündnis für einen gerechten Welthandel gegrün­det. TTIP liegt mittlerweile »im Gefrierschrank«, wie Cecilia Malmström, europäische Handelskommissa­ rin, im Herbst sagte. Erste Eindrücke der Politik des neuen US-Präsidenten Donald Trump legen den Schluss nahe, dass die USA sich in den kommenden Jahren eher abschotten werden. Wie geht es mit CETA weiter? Die anhaltenden Proteste von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sowie Gewerkschaften gegen CETA haben zu Zusatzerklärungen geführt, die Verbesserungsvorschläge aufgreifen. Ihre juristische Wirksamkeit ist jedoch umstritten. Fest steht, dass an dem ursprünglichen, völlig geheim verhandelten Text des ­Abkommens zwischen der EU und Kanada nichts geändert worden ist. Die inhaltliche Kritik besteht daher unverändert. Der BN fordert die Nichtratifizierung durch Deutschland. Aktuell beraten die Ausschüsse des Europaparlaments; im Februar stimmt das EU-Parlament über die vorläufige Anwendung ab (Stand bei Redaktions-

schluss). Der Ausschuss für Soziales im Europa­ parlament hat im Dezember eine Ablehnung empfohlen. Das endgültige CETA-Ratifizierungsverfahren wird jedoch in ganz Europa mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Gemeinsam mit unserem Bundesverband BUND appellieren wir an die EU-Abgeordneten, CETA abzulehnen. Im vergangenen Sommer wurden in Bayern über 80 000 Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt, das die Staatsregierung zur Ablehnung von CETA im Bundesrat verpflichten soll. Das Verfassungsgericht hat über die Zulassung des Volksbegehrens kurz vor ­Erscheinen dieser Natur+Umwelt entschieden. Ein Ergebnis lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Dennoch wird im Windschatten von TTIP und CETA weiterverhandelt. Die EU plant mit Japan ein umfäng­ liches Abkommen. Das geplante Dienstleistungsabkommen TiSA, welches auch eine Bedrohung für öffentliche Dienstleistungen wie die kommunale Trinkwasserversorgung darstellt, ist weit gediehen. Ebenso ist bei dem Umweltgüterabkommen (EGA) von einem zeitnahen Abschluss die Rede. Neustart der Handelspolitik Ein gerechter Welthandel, der sowohl die Menschenrechte wie auch die ökologischen Grenzen unseres ­Planeten beachtet, benötigt einen Neustart der EUHandelspolitik. Dies wird auch ein Schwerpunkt der Verbände im Jahr der Bundestagswahl sein. Am Ende bleibt der zentrale Erfolg, dass künftige Abkommen nicht mehr geheim verhandelt werden ­ können. Richard Mergner, Martin Geilhufe

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Foto: Toni Mader

Eine Wand aus Ablehnung In 96 Kartons aus 71 Landkreisen und 25 kreisfreien Städten befinden sich die Unterschriften für ein Volksbegehren gegen CETA. Sie wurden im Oktober an das bayerische Innenministerium übergeben.

Die Autoren Richard Mergner der Landesbeauf­ tragte des BUND Naturschutz, Martin Geilhufe ist der BN-Referent für politische Kom­ munikation.


Apell an die Bayerische Staatsregierung Der BN übergibt 10 000 Unterschriften für einen besseren Flächenschutz.

Im Einsatz gegen Flächenfraß

Foto: BN

Ehrenamt im BUND Naturschutz

Flächenverbrauch, Landesentwicklungsprogramm, ­Anbindegesetz – das klingt nach staubigen Ordnern voll Zahlen und Tabellen, nach unverständlichem Bürokratendeutsch. Erst wenn eine geliebte Landschaft – die ­ eigene Heimat – bedroht ist, füllen sich diese Worte mit Leben. Dann treiben sie Menschen an, sich nicht ins scheinbar Unvermeidliche zu fügen. Von Volker Eidems und Heidi Tiefenthaler

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as Landschaftsschutzgebiet rund um den Bayerischen Landtag zeigt sich grau an diesem ver­ regneten Novembertag. Auf dem Sackkarren bringen BN-Aktive eine sperrige Kiste ins Münchner Maxi­ milianeum. Sie ist eingehüllt in die Bayernfahne und enthält ein nicht minder sperriges Thema: 10 000 Unterzeichner wenden sich mit dieser Massenpetition gegen die geplante Änderung des bayerischen Landesentwicklungsprogramms. Heute sollen die Unterschriften der Landtagspräsidentin Barbara Stamm überreicht werden. Mit dabei ist Erich Jörg, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Lindau. Erich Jörg ist ein großer Mann, der seinen Kopf immer ein wenig zu seinem Gegenüber neigt. Er wirkt in sich gekehrt und setzt sich doch seit Jahrzehnten gegen den hohen Flächenverbrauch in Bayern ein, »einfach, weil ich ein Freund der Landschaft bin«, erzählt der 68-Jährige. Sein aktueller Fokus: das Gewerbegebiet »Auf der Au« im Argental, das von fünf Kommunen gemeinsam geplant wird. Bisher konnten die Naturschützer rund um Jörg den Bau abblocken, aber: »Wenn Minister Söder das sogenannte Anbindegesetz wie geplant ändert, ist das Gewerbegebiet im Argental nicht mehr zu verhindern«, berichtet er. Erich Jörg richtet jetzt das Wort an Präsidentin Stamm: Er sieht im Gewerbegebiet Argental einen

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möglichen Präzedenzfall, den es zu verhindern gilt. Dass das Thema nur schwer zu vermitteln ist, weiß Erich Jörg. »Das Bewusstsein für den Flächenverbrauch ist in der Bevölkerung noch nicht genug aus­ geprägt – die Menschen gewöhnen sich leider an die sichtbare Zerstörung«, bedauert er. In die Suppe gespuckt Szenenwechsel: Etwa eine Woche später im tiefsten Allgäu. Jetzt, mitten im November, sind die Wiesen dort immer noch grüner als anderswo. Nur die angezuckerten Berge lassen ahnen, dass Winter ist. Als ich eine Viertelstunde zu früh in Röthenbach eintreffe, ist Erich Jörg schon da: Cordhose, beiger Parka, SherlockHolmes-Hut, eine Ledermappe fest unter den Arm ­geklemmt. Wir fahren zusammen nach Gestraz, wo das Gewerbegebiet entstehen soll. Ratlos schauen wir hinunter auf eine große Wiese, einen Wirtschaftsweg,

Auf der Seite »BN aktiv« berichten wir über unsere Aktiven und ihre vielseitigen Naturschutzaktionen in ganz Bayern. vereinzelte Obstbäume, einen benachbarten Hof – mehr gibt es hier nicht. Warum gerade hier ein Gewerbegebiet entstehen soll? Jörg ist überzeugt, dass die Bürgermeister sich ein »Zeugnis ihres Wirkens« wünschen. »Gestraz ist schuldenfrei, Röthenbach ebenso und außerdem herrscht hier Vollbeschäftigung«, sagt er. Das von Heimatminister Söder und Kommunal­ politikern gerne vorgebrachte Arbeitsplatzargument zieht also nicht. Dann wird es Zeit, in Richtung Argenhalle aufzu­ brechen. Um 18 Uhr soll Horst Seehofer dort eintreffen. Sein Kabinett hat heute im nahen Lindau getagt und


Foto: Olaf Winkler

Einsatz für das Anbindegebot Um die 100 Demonstranten erwarten Horst Seehofer im Allgäu.

Foto: Thomas Frey

ganz nach dem Motto »näher ran ans Volk« wird der bayerische Landesvater abends in Gestraz sprechen. Erich Jörg reibt sich die Hände: »Des freit’ mi diebisch, dene bissel in die Suppe zu spucken mit unserer ­Demonschtration«, sagt er. Als wir ankommen, ist es schon dunkel. Pärchen in Sonntagsdirndl und Lederhosen eilen auf die Halle zu. Auch Erich Jörg hat als verdienter Ehrenamtler eine Einladung für den Empfang bekommen. Ob er hingeht? »Ah nee. Viel Gred und schlechte Kässpätzle – was soll i denn da?«, winkt er ab. Die örtliche Blasmusik hat sich schon formiert. ­Alphornbläser schleppen ihre Instrumente über den Platz, Polizisten und Security-Leute demonstrieren breitbeinig Präsenz. Rechts vom Eingang ist ein kleiner Bereich mit rotweißen Hütchen und Kletterseil abgetrennt. Dort dürfen die Gewerbegebietsgegner demonstrieren. Wir schlüpfen unter der Abtrennung durch und fühlen uns ein bisschen wie in Quarantäne. Nach und nach treffen mehr Mitstreiter ein, überwiegend Menschen um die 60 mit Strickmützen, Anoraks, selbstgeschriebenen Plakaten, Laternen und Bayernfahnen. »Bewahrt Bayerns Schönheit«, das ist ihre zentrale Botschaft. Erich Jörg und ein paar andere haben

Botschaft angekommen? Der Lindauer BN-Kreisvorsitzende Erich Jörg im Gespräch mit Horst Seehofer.

sich BUND-Naturschutz-Fahnen vor den Bauch gebunden. Als ein Fernsehteam der Sendung »quer« kommt, muss sich Jörg in die Blumenrabatten stellen und weit übers Seil beugen, um in die Puschelmikro­ fone zu sprechen. Beethovens Neunte umgedichtet Kurzes Aufatmen, als das Interview »im Kasten« ist. »Also, des wundert mich jetz scho, was des für Kreise zoge hat«, murmelt Jörg. Doch die größte Aufregung steht ihm noch bevor: Als Seehofers schwarze Limousine auf den Vorplatz rollt, kommt Bewegung in den Protesttrupp, der mittlerweile auf etwa 100 Personen angewachsen ist. Kuhglocken werden geschüttelt und Plakate hochgereckt. Seehofer steigt aus und geht schnurstracks auf Erich Jörg zu. Der stellt sich wieder ins Blumenbeet und beugt sich zum Landesvater hinüber. Was dann gesprochen wird, geht im Schmettern der Kapelle unter. Nur Seehofers abschließendes ­Versprechen, das haben alle gehört: »Wir werden den Standort noch einmal sehr genau prüfen, das ver­ spreche ich Ihnen.« Sagt’s und entschwindet Richtung Argenhalle. Die Demonstranten stimmen jetzt Beethovens Neunte an. »Heimat, das ist Grund und Boden. Heimat stirbt unter Beton…«, haben sie gedichtet. Erich Jörg steht wieder mitten unter ihnen, wirkt aber etwas abwesend. Ein Interview fürs Fernsehen, ein Gespräch mit dem bayerischen Ministerpräsidenten – für heute hat Erich Jörg genug erlebt. Er sieht geschafft aus, aber glücklich. »Bah, das war jetzt …«, sagt er. Und setzt neu an: »Und dann das schöne Lied noch …« Ich kann mir vorstellen, was ihn jetzt bewegt. Er hat es mir vorhin, als wir in der schönen Allgäuer Landschaft standen, gesagt: Gegen Niederlagen muss man gewappnet sein. Was zählt ist: »Wir haben alles versucht, alles ge­ geben.«

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Erste Spur im Fall der Luchsmorde m Dezember ergab sich endlich eine erste Spur im Fall der Luchsmorde im Bayerischen Wald: In der Nähe von Lohberg durchsuchte die Polizei das Haus eines Jägers, der als tatverdächtig im Fall der zwei illegal getöteten Luchse gilt, von denen man im Mai 2015 vier abgetrennte Beine gefunden hatte. Bei dem Mann entdeckte die Polizei nach Informationen des Bayerischen Rundfunks offenbar ein abgeschnittenes Luchsohr. Luchsohren gelten als begehrte Trophäe, da die Tiere für ihre Pinselohren bekannt sind.

Foto: LVDESIGN/fotolia.com

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Bayern ist Vorletzter bei umweltfreundlicher Mobilität

Foto: jarrycz/fotolia.com

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Der BUND Naturschutz begrüßt diesen Fortschritt – der allerdings nicht den bayerischen Ermittlungsbehörden, sondern hoch engagierten Journalisten zu verdanken ist. Diese haben anscheinend erfolgreich mit einem verdeckten Ermittler zusammengearbeitet. Genau dieses Vorgehen wäre die Aufgabe der vom BN geforderten eigenständigen staatlichen Ermittlungseinheit gewesen. Der BUND Naturschutz betont deshalb nochmals die Notwendigkeit einer solchen Polizeieinheit, wie es sie in Österreich, Italien oder auch Nordrhein-Westfalen längst erfolgreich gibt. Mehr zum Luchs: → www.bund-naturschutz.de/luchs

u diesem Ergebnis kommt der »Bundesländerindex Mobilität & Umwelt 2016/17«, ein wissenschaftlicher Vergleich aller 16 Bundesländer. Am besten schneidet Thüringen ab, Bayern belegt den unrühmlichen vorletzten Platz. Lärmminderung, Flächensparen, Klimaschutz und Verbesserung der Luftqualität werden in der bayerischen Verkehrspolitik bisher nicht umgesetzt. In diesem Zusammenhang kritisiert der BN-Landesbeauftragte und Verkehrsexperte Richard Mergner auch die 25 Meter langen Riesen-Lkw auf Bayerns Straßen: »Es ist skandalös, dass Ministerpräsident Horst Seehofer und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt noch mehr überlange Laster auf Bayerns überfüllte Straßen schicken wollen. Sie schaden damit der Bahn und verhindern effektiven Klimaschutz im Güterverkehr.« Bayern braucht eine grundsätzliche Verkehrswende mit Vorrang für die Schiene! Die Studie kann man herunterladen unter → www.bund-naturschutz.de/mobilitaetsstudie

25 Jahre Donaukongress er vom BUND Naturschutz organisierte internationale Donaukongress in Niederalteich feierte Anfang Dezember sein 25-jähriges Jubiläum. Und auch dieses Mal war der Kongress mit etwa 50 Teilnehmern gut besucht. Im Laufe der Jahre wurde hier der besondere ökologische Wert der frei fließenden Donau in Bayern und Europa herausgearbeitet und die Auseinandersetzung um den Ausbau des Flusses zur Wasserstraße begleitet. Zum Jubiläum blickten die Teilnehmer auf die Geschichte des Kampfes um die Donau zurück und bestimmten den aktuellen Stand der Dinge. Nach dem erfreulichen Aus für die Staustufenkanalisierung ist heute das zentrale Anliegen, wie der flussregulierende Ausbau möglichst naturnah gestaltet werden kann. Ein Novum war dabei das Referat eines Vertreters der Rhein-Main-DonauWasserstraßen-Gesellschaft (RMD). Bei einer Podiumsdiskussion erörterten der BN-Vorsitzende Hubert Weiger, Hans Ritt (CSU), Rita Hagl-Kehl (SPD), Dr. Georg Meiski (Freie Wähler), Rosi Stein-

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Foto: Wolfgang Willner

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berger (Grüne) und Prof. Klaus Buchner (ÖDP) insbesondere­ den Hochwasserschutz. Eine einstimmig beschlossene Resolution des Donaukongresses gibt es unter → www.bund-naturschutz. de/25-jahre-donaukongress


Riedberger Horn: Jetzt unter­ schreiben für den Alpenschutz!

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as Riedberger Horn im Allgäu ist eines der ökologisch wertvollsten und zugleich labilsten Gebiete des bayerischen Alpenraums. Es beherbergt eines der größten Vorkommen des Birkhuhns und gilt als einer der schönsten Skitouren- und Wanderberge in Bayern. Die Staatsregierung will dem Riedberger Horn jetzt seinen Schutzstatus entziehen, um dort eine Skischaukel errichten zu können – was die Zerstörung des ökologischen Kleinods bedeutet. Zu diesem Zweck plant das Kabinett, die bisherige Schutzzone einfach zu »verschieben«. Ein skandalöses Vorgehen: »Wenn eine Schutzzone immer dorthin verschoben wird, wo sie gerade keine Erschließung stört, ist Sinn und Zweck einer Schutzzone völlig verfehlt. Der Freistaat macht sich beim Alpenschutz lächerlich«, kritisiert der BN-Vorsitzende ­Hubert Weiger. Zudem hebelt die Regierung mit ihrem Vorgehen den Alpenplan, das wirkungsvollste Instrument des Naturschutzes im ­Alpenbereich, nach über 40 Jahren mit einem Präzedenzfall aus. Es droht ein Dammbruch mit unabsehbaren Folgen für den gesamten bayerischen Alpenraum. Das nehmen wir nicht hin! Protestieren Sie mit uns und schreiben Sie an Ministerpräsident Horst Seehofer. Eine vorbereitete Postkarte finden Sie in diesem Heft.

Foto: Patrick Helfrich/fotolia.com

Verwirrende Berichte über Gerichtsurteil zu Atomausstieg

ach der im Dezember verkündeten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Beschwerden der Betreiber von Atomkraftwerken in Sachen Atomausstieg gab es missverständliche Berichte. »Konzernen steht angemessene Entschädigung für Atomausstieg zu«, wurde berichtet. Es gehe um Gesamtforderungen in Höhe von »rund 19 Milliarden Euro«. So entstand der Eindruck, als hätten die Energiekonzerne ihre Klage gewonnen und die Bundesregierung müsse nun wegen eines überhasteten Atomausstiegs enorm hohe Entschädigungszahlungen leisten. Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen, denn im Kern hat das Gericht die Beschwerden der Konzerne abgelehnt und den Atomausstieg bestätigt. Um Milliarden hätte es nur dann gehen können, wenn das Gericht die Rücknahme der Laufzeitverlängerungen von 2011 grundsätzlich für verfassungswidrig erklärt hätte. Das hat es aber nicht getan. Lediglich »in Randbereichen« muss das entsprechende Gesetz jetzt nachgebessert werden. Voraussichtlich geht es noch um einige hundert Millionen Euro Schadensersatz. Fraglich ist zudem, ob die AKW-Betreiber am Ende überhaupt etwas bekommen.

Foto: BN/Thomas Stephan

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Zweidrittel-Mehrheit für Nationalpark Steigerwald

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ine deutliche Mehrheit von zwei Dritteln der Bewohner in der Region Steigerwald befürwortet einen Nationalpark. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen TNS Emnid-Umfrage, die der BUND Naturschutz (BN), der WWF Deutschland und der Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Auftrag gegeben haben. Bisher war das Hauptargument der Nationalparkgegner die abwehrende Haltung der Bevölkerung vor Ort. Das ist so nicht mehr haltbar. »Die Umfrageergebnisse zeigen, dass es in der Steigerwaldregion fast dreimal so viele Menschen gibt, die den Nationalpark begrüßen, wie Menschen, die ihm noch kritisch gegenüberstehen«, erklärt der BN-Vorsitzende Hubert Weiger. Im Hinblick auf die Suche nach dem dritten Nationalpark in Bayern halten es 65 Prozent der Befragten in der Region und 55 Prozent der Befragten in den Kommunen rund um den diskutierten Nationalpark für falsch, dass die Staatsregierung den Steigerwald ausschließt. Die Bewohner wollen den Nationalpark und erwarten von der Staatsregierung und den Landräten, dass sie den Weg frei machen, damit der Steigerwald in den Suchprozess für den dritten Nationalpark aufgenommen werden kann.

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Anbindegebot schützen statt schwächen!

Bayern oder Amerika?

Foto: Klaus Leidorf

In den USA sind Wohn- und Gewerbeansiedlungen auf der grünen Wiese die Regel. Erreichbar sind diese meist nur mit dem Auto. In Bayern ist das anders – noch. Wenn es nach Heimat­­minister Markus Söder geht, wird die bayerische Kulturlandschaft bald zur Verbauung freigegeben.

Foto: Toni Mader

Foto: Roggenthi

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Die Autoren Doris Tropper ist die stellvertreten­ de Vorsitzende, Richard Mergner der Landesbeauf­ tragte des BUND Naturschutz.

s gehört zu den vorrangigen Aufgaben von Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts, (…) kennzeichnende Ortsund Landschaftsbilder zu schonen und zu erhalten.« So steht es in Artikel 141 der bayerischen Verfassung. Der erlebbare Wechsel von offenen Landschaften und kompakten, dörflichen oder städtischen Siedlungen charakterisiert Bayern genauso stark wie seine Berge und Seen. Um diesen Verfassungsartikel umzusetzen, wurde als zentrales Instrument das sogenannte »Anbindegebot« in das bayerische Landesentwicklungsprogramm aufgenommen. Es besagt: Neue Baugebiete dürfen nur in Anbindung an bestehende Siedlungen ausgewiesen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass durch den Schutz und die organische Weiterentwicklung der historisch gewachsenen Siedlungsstruktur die freie Landschaft bewahrt wird. Um sich zu vergewissern, dass das Anbindegebot sinnvoll ist, ge-

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Die Zukunft unserer Landschaft? So könnte es bald an vielen Orten in Bayern aussehen: Wenn das Anbin­ degebot gelockert wird, sind riesige Gewerbegebiete auf der grünen Wiese leichter möglich. Im Bild ein BMW-Logistikzentrum an der A 92 bei Landshut. Überbaute Fläche: 25 Hektar.

nügt ein Blick nach Österreich oder Norditalien. Dort erblickt man zersiedelte Landschaften, soweit das Auge reicht. Diese sind nicht nur hässlich anzuschauen, sondern führen auch zu Flächendumping und zu Abhängigkeit von fossiler Mo­ bilität. Die Wege sind weit und guter öffentlicher Nahverkehr kaum zu organisieren.

Dörfer bluten aus Nun hat die Bayerische Staatsregierung beschlossen, das Anbindegebot noch weiter zu lockern. Gewerbegebiete dürften dann generell an Abfahrten von vierspurigen Straßen gebaut werden. Wenn zwei Gemeinden zusammenarbeiten, dürften sie auch irgendwo auf der grünen

Wiese Gewerbegebiete ausweisen. Und auch Tourismusprojekte dürften künftig in die Landschaften ­gebaut werden, deren Schönheit Grund für die meisten Urlauber ist, eine Region zu besuchen. Wieder einmal darf an dem Ast gesägt werden, auf dem die Tourismuswirtschaft sitzt. Leider wurden auch in der Vergangenheit schon viele Ausnahmen für das Anbindegebot zugelassen. Deshalb kann man heute schon beobachten, was künftig noch weiter zunehmen wird: Gewerbegebiete an den großen Straßen, parallel das Ausbluten der Dörfer und Städte. Gerade kleinere Gemeinden abseits der großen Straßen, die ohnehin im Wettbewerb um Gewerbebetriebe schon benachteiligt sind, werden es in Zukunft noch schwerer haben. Eigentlich, so sollte man meinen, wäre es die Aufgabe von Heimat­ minister Markus Söder, schwächere ländliche Gemeinden vor diesem ruinösen Konkurrenzkampf zu bewahren.

Vorrang für Innenentwicklung Ein breites Bündnis aus zahlreichen Fachverbänden wie der bayerischen Architektenkammer, der bayerischen Akademie für Städtebau und Landesplanung, dem BUND Naturschutz und anderen hat daher im Rahmen der Öffentlichkeitsbetei­ ligungsphase im Herbst 2016 noch mal eindringlich vor weiteren Ausnahmen beim Anbindegebot gewarnt. Doch bisher hat Heimat­ minister Markus Söder auf diese Kritik nicht einmal reagiert. Der BN fordert Staatsregierung und Landtagsabgeordnete auf, zum Schutz der einzigartigen Landschaft Bayerns das Anbindegebot zu stärken statt zu schwächen. Das Landesentwicklungsprogramm soll um konkrete Ziele einer nachhaltigen und flächensparenden Siedlungsstruktur ergänzt werden. Ziel muss Innenentwicklung statt weiterer Zersiedelung sein. Das ­aktuelle Vorhaben taugt eher dazu, die Reste intakter bayerischer ­Kulturlandschaft dem ruinösen Wettbewerb der Kommunen um Gewerbeansiedlungen zu opfern. Doris Tropper, Richard Mergner


Kreisgruppen Lindau, Oberallgäu, Ostallgäu und Unterallgäu

Blühendes Allgäu und Bodenseeland Bienen, Hummeln, Wespen, Schmetterlinge und Käfer sind wichtige Bestäuberinsekten. Dass sie zunehmend gefährdet sind, bedroht nicht nur das ökolo­ gische Gleichgewicht, sondern auch den landwirtschaftlichen ­Ertrag. Ein Pilotprojekt unter ­Beteiligung des BUND Naturschutz setzt hier an.

Heide in Gefahr: Die BN-Kreis-

gruppe Augsburg kämpft derzeit um die letzten Reste der Augs­ burger Flugplatzheide. Von dem ursprünglich 200 Hektar großen Heidegebiet in der Nähe des Lechs sind nur noch rund acht Hektar übrig. Dort will der Freistaat Bay-

Umso wichtiger ist die »Blühbildung« durch öffentliche Aufklärung. Hier engagiert sich der BN in der Ausbildung von »Blühbotschaftern«. Die kostenlose Schulung richtet sich an alle Naturfreunde, die dazu beitragen wollen, dass es in Gärten und Landschaft weiterhin blüht, flattert und brummt. An vier Samstagen werden Grundlagen vermittelt und insektenfreundlich gestaltete Gärten besichtigt, begleitet von Fachleuten aus Gartenbau, Imkerei und Biologie. Der Lehrgang findet 2017 an verschiedenen Orten im Unter­

ern jetzt circa 80 Wohnungen bauen. Ein Gutachten von Dr. Klaus Kuhn und Bernhard Uffinger von der BN-Ortsgruppe Augsburg hat ergeben, dass in dem Gebiet mindestens 62 Tier- und Pflanzenarten vorkommen, die nach der Roten Liste als gefährdet eingestuft sind. Schmetterlinge wie den Himmelblauen Bläuling und den Idasbläuling (siehe Foto) kann man dort noch prachtvoll fliegen sehen, und man hört das spektakuläre Schnarren der Blauflügeligen Ödlandschre-

allgäu statt und schließt mit einer Exkursion nach Vorarlberg. Julia Wehnert (as) Blühbotschafter-Termine 2017: 29. April, 13. und 27. Mai sowie 24. Juni Das Detailprogramm können Sie auf www.nez-allgaeu.de einsehen oder anfordern: Naturerlebnis­ zentrum Allgäu, AlpSeeHaus, Tel. 0 83 23-9 98 87 40, julia.wehnert@ nez-allgaeu.de,

cke. Der BN fordert, dass das Heidegebiet unter Schutz gestellt und nicht bebaut wird. Eine Petition an den Bayerischen Landtag ist eingereicht, eine Klage wird geprüft. Im Fluss der Zeit: Unter diesem

Titel organisierten die »Wertachfreunde«, ein Zusammenschluss der BN-Ortsgruppen Türkheim und Bad Wörishofen und weiterer Naturschutzorganisationen, eine Ausstellung im Schloss Türkheim im November letzten Jahres. Die Wertach mit ihren 140 Kilometern Länge war einmal ein frei fließender, lebendiger Fluss, wie zahlreiche Fundstücke, Fotos und Dokumente der Ausstellung zeigen.

Aufgeblüht Bienen spielen eine zentrale Rolle bei der Bestäubung von Blütenpflan­ zen. Naturgemäßes Imkern und insek­ tenfreundliche Gärten helfen den fleißigen Sammle­ rinnen.

Heute fließt sie begradigt, verbaut und kanalisiert durch das Unterallgäu, bevor sie bei Augsburg in den Lech mündet. Hoffnung macht der ­dritte Abschnitt der Schau: Unter der Überschrift »Die Wertach morgen – Visionen eines naturnahen ­Flusses« zeigte die Ausstellung auf, wie der Wertach ihr Lebensraum, ihre Lebendigkeit und die Artenvielfalt im Wasserund im Ufer­bereich zurückgegeben werden kann. Landrat HansJoachim ­Weirather und Türkheims Bürgermeister Christian Kähler unterstützen bereits öffentlich eine ­Renaturierung des Flusses.

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NATURNOTIZEN AUS SCHWABEN

Foto: Eberhard Pfeuffer

it dem Projekt »Blühendes Bodenseeland« will die internationale Bodenseeregion in den nächsten Jahren mehr Lebens­räume und ein größeres Nahrungsangebot für heimische Bestäuberinsekten schaffen. Das Naturerlebniszentrum Allgäu (NEZ) des BN ist mit den vier Allgäuer Kreisgruppen ein aktiver Projektpartner. Rund 80 Prozent unserer Wildund Kulturpflanzen sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Europaweit wird ihre Bestäubungsleistung auf einen ökonomischen Gegenwert von jährlich rund 22 Milliarden Euro geschätzt. Doch die Lebensbedingungen der blütenbesuchenden Insekten verschlechtern sich schleichend und zunehmend: Rund 50 Prozent aller Wildbienen- und Schmetterlingsarten Deutschlands stehen bereits auf der Roten Liste.

Foto: Simone Kern

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Fotos: Gabriele Schneider

Aktiv für das Löffelkraut Da das Löffelkraut in Bayern ende­ misch ist, liegt die Verantwortung für den Erhalt der Art ausschließlich beim Freistaat. ­Infotafeln an sen­ siblen Standorten wie hier bei der Wallner-Alm in Vagen weisen auf den ­nötigen Schutz der Bestände hin.

Kreisgruppen Ebersberg, München und Rosenheim

Gute Chancen für Löffelkraut und Co.

Das Bayerische Löffelkraut ist eine Rarität. In den vergangenen fünf Jahren hat sich der BUND Naturschutz im Rahmen eines Bio­diversitätsprojekts um die seltene Art gekümmert. Die Abschluss­ bilanz ist positiv, doch es bleibt viel zu tun.

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Wasserkraft: Wer schon einmal

mit dem Zug nach Berchtesgaden fuhr, kennt die wildromantische Tristramschlucht im Bischofswieser Ortsteil Stanggaß, durch die die Strecke führt. Die Gleise verlaufen entlang der Bischofswieser Ache. Nun soll am Wildbach neben der Bahnstrecke ein Kleinwasserkraftwerk errichtet werden. Obwohl nicht einmal das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist, wurden im Vorfeld ohne Genehmigung eine Bauhütte, eine Zufahrtsstraße und ein Durchlass unter der Bahnlinie errichtet. Diese Schwarz­bauten sollen zusammen mit der Erlaubnis für das Kraftwerk »nachgenehmigt« werden.

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und langfristig sichern (wir berichteten). Finanziell gefördert wurde es durch das Bundesprogramm Biologische Vielfalt und den Bayerischen Naturschutzfonds, die Trägerschaft lag beim BN. Zum Projektende stellte die oberbayerische Projektbetreuerin, die Biologin Gabriela Schneider, im Dezember 2016 in Feldkirchen-Wester-

Zudem genehmigte das Landrats­ amt bereits den Einbau von Spundwänden. Dagegen läuft seit Herbst letzten Jahres eine Klage vor dem Verwaltungsgericht München. Der BN unterstützt den ­Kläger, damit Reisende auch künftig noch den beeindruckenden

Foto: Rita Poser

NATURNOTIZEN AUS OBERBAYERN

Weitere Informationen: www.loeffelkraut.de

ochlearia bavarica ist eine in Bayern endemische Art mit zwei getrennten Verbreitungsgebieten in Oberbayern und Schwaben. Sie wächst in Quellgebieten und steht damit für Biotope, die durch Siedlungsdruck und Intensivlandwirtschaft stark gefährdet sind. Das 2011 gestartete Projekt »Löffelkraut & Co.« sollte die Bestände stabilisieren

Natur + Umwelt BN-Magazin [1-17]

ham die Ergebnisse vor: Die Vorkommen des Löffelkrautes wurden systematisch erfasst und gezielte Pflegemaßnahmen ausgearbeitet, die gemeinsam mit Landschaftspflegeverbänden, Landwirten und Naturschutzbehörden umgesetzt wurden. Acht Standorte sind heute in Oberbayern bekannt. Die Biologin untersuchte auch die Ursachen für die Gefährdung der seltenen Art. »Viele Quellgebiete leiden an den Folgen früherer Eingriffe, dies führt zu schleichendem Bestandsverlust«, so Gabriela Schneider. Daher legte der BN Wert auf die individuelle Betreuung der Wuchs­ orte und baute dafür ein Netzwerk ehrenamtlicher Helfer auf. Diese wurden geschult und können sich nun selbständig um die LöffelkrautVorkommen kümmern. So ist auch nach Projektende eine Minimal­ betreuung gesichert. Zusätzlich sind aber fachliche Supervision, ein ­regelmäßiges Monitoring und natürlich Schutz und Renaturierung der Quellgebiete unabdingbar, damit das Bayerische Löffelkraut auch langfristig eine Chance hat. Christine Margraf (as)

Blick auf den Wildbach genießen können. Deponie: In Babensham bei

­ asserburg am Inn soll auf einer W bereits verfüllten Kiesgrube eine Mülldeponie für Haus- und Industrieabfälle der Klasse 1 (DK1) errichtet werden. Im ­Dezember 2016 hatten die Bürger die Wahl zwischen einem Bürgerbegehren gegen und einem Ratsbegehren pro Deponie. In der Stichwahl setzte sich das Bürgerbegehren knapp durch. Die Gemeinde ist nun ver-

pflichtet, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die ­Deponie zu verhindern. Die letzte Entscheidung liegt jedoch bei der Regierung von Oberbayern. Zuvor hatten bereits im Oktober 2016 die Mitglieder des BN-Landesarbeitskreises ­Abfall den Standort besucht und gemeinsam mit der BNOrtsgruppe Wasserburg, der Kreisgruppe Rosenheim und der ­»Bürgerinitiative zur Erhaltung von Umwelt und Lebensqualität im Wasserburger Land« vor der Presse nochmals ihre Einwände dargelegt, darunter der ungeeignete Standort, mangelnder Bedarf und das Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung.


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Datenbahn statt Autobahn: Unter

diesem Motto demonstrierten Mitte Oktober 2016 rund 60 Bürger in Ebermannstadt gegen den Neubau der B 470 durchs Wiesenttal, das im EU-Schutzgebiet Natura 2000 der Fränkischen Schweiz liegt. Die südliche Umgehung von Forchheim per Ostspange würde laut der vom BN mitgetragenen

Kreisgruppe Wunsiedel

Baggern für die Artenvielfalt

Foto: Wolfgang Willner

Die BN-Kreisgruppe Wunsiedel hat vergangenen Sommer auf zehn Biotopgrundstücken 33 größere und kleinere Tümpel mit einem Moorbagger gestaltet. Zahlreiche Artengruppen profitieren von den neuen Lebensräumen.

und Weißstorch. Außerdem siedeln sich auch seltene Pflanzenarten wie Sumpfblutauge, Wasserschlauch, Moosbeere oder Sonnentau an. »Unser Dank gilt all den Schulen, die uns bei unserer jährlichen ­Sammelaktion tatkräftig unterstüt-

»Bürgerinitiative Pro Wiesenttal ohne Ostspange« (BIWO) zu einem erheblich höheren Verkehrsaufkommen in Ebermannstadt führen. Heimatminister Markus Söder, der auf dem Weg zur Inbetriebnahme eines neuen Breitbandprogramms von den Demonstranten aufgehalten wurde (siehe Bild), möchte sich nach ­eigenen Worten zwar für den Erhalt der Heimat einsetzen, betont jedoch auch, dass eine gute Verkehrsanbindung notwendig sei.

zen und solche Projekte erst ermöglichen«, so Fred Terporten-Löhner, Vorsitzender der Kreisgruppe ­Wunsiedel. Die Gesamtsumme des Projekts bezifferte er auf 12 000 Euro. Karl Paulus (ht)

Nichtsdestotrotz rief die Stadträtin aus Reuth, Edith Fießer, die Bewohner auf, sich gegen die Umweltzerstörung zu wehren. Insgesamt befürwortet die BIWO unter dem BN-Kreisvorsitzenden Heinrich Kattenbeck umweltfreund­ lichere und günstigere Lösungen, wie beispielsweise einen Ausbau des öffentlichen Personennah­ verkehrs. Erfreulich: Mitte Oktober 2016 vo-

tierten 62 Prozent der wahlberechtigten Bürger von Hochstadt am Main für eine gemeindliche Klage gegen die geplante Umfahrung im Zuge der B 173 neu. Am Bürgerentscheid hatten sich 69 Prozent be-

Auf Futtersuche Der Schwarzstorch freut sich über reichlich Nahrung in artenreichen Kleingewässern.

teiligt. Damit wird sich der geplante, auch vom BN wegen seines ­gigantischen Flächenverbrauches kritisierte Neubau einer vierspu­ rigen Südtrasse östlich von Lichtenfels weiter verzögern. Der BN fordert, auf die sogenannte Hörnchenlösung (mit ortsnahen Umfahrungen unter teilweiser Nutzung der bestehenden B 173) auszuweichen und die Planung auf zwei Spuren mit wechselnder Überholspur (2+1) abzuspecken. Die ursprünglich geplante Trasse mitten durch ein Vogelschutz­ gebiet im Maintal hatte der BN im Jahr 2002 erfolgreich vor dem ­Bundesverwaltungsgericht zu Fall gebracht.

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NATURNOTIZEN AUS OBERFRANKEN

Foto: Stefan Braun

er BUND Naturschutz betreut im Landkreis Wunsiedel viele Kleingewässer. Diese verlanden im Laufe der Jahre, wodurch wertvolle Lebensräume für gefährdete Arten verlorengehen. Deshalb hat der BN ein umfangreiches Biotopgestaltungsprojekt auf verbandseigenen Flächen durchgeführt. »Wir haben insgesamt 33 größere und kleinere Tümpel neu gestaltet und wiederhergestellt. Vier weitere Teiche wurden teilweise entlandet«, erklärt der BN-Kreisgeschäftsführer Karl Paulus, der für die Planung und Bauleitung verantwortlich zeichnete. Er zeigte sich froh und dankbar, dass die komplexe Maßnahme aufgrund des trockenen Wetters bautechnisch optimal gelaufen sei. Eine ganze Reihe von Artengruppen profitiert nun von dem Großprojekt: So sind gefährdete Arten wie Kammmolch, Moorfrosch und Knoblauchkröte auf Gewässer angewiesen; seltenen Moorlibellen wie Nordischer Moosjungfer, Großer Moosjungfer und Torfmosaikjungfer sichern Kleingewässer das Überleben. Auch Wasser- und Sumpfvögel wie Stockente, Krickente, Bekassine, Rohrsänger, Teichhuhn und Wasserralle werden die neuen Tümpel besiedeln. Für Kleinfische, Muscheln und Sumpfschnecken entstehen neue Lebensräume sowie Nahrungshabitate für Schwarzstorch


Kreisgruppe Dingolfing-Landau

Kein Platz für Kiebitz und Brachvogel Im unteren Isartal soll an der A 92 ein weiteres großes Industrie- und Gewerbegebiet entstehen. Dabei reihen sich hier bereits jetzt neue Betriebs- und Logistikhallen aneinander. Der BUND Naturschutz will das Vorhaben notfalls gerichtlich verhindern.

Fotos: Franz Meindl

Protest vor Ort Die geplante In­ dustrieansiedlung bei Großköllnbach ­bedroht Wiesen­ brüter wie den ­Kiebitz. Dagegen protestierten ­Naturschützer aus Landau im Novem­ ber auf dem vor­ gesehenen Areal, unter ihnen auch Alois Aigner und Franz Meindl vom BN.

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angesiedelt werden. Genau dies ist für das 20 Hektar große Areal geplant. Bei einem Ortstermin im ­November 2016 sprachen sich die Vertreter von BN und Landesbund für Vogelschutz klar gegen das ­Projekt aus. Das betroffene Gebiet ist mit seinen Äckern, Feuchtwiesen, Mager-

Symbolträchtig: Der Winterlinde,

Baum des Jahres 2016, galt das ­Interesse zahlreicher Waldbauern und Naturfreunde bei einem Waldspaziergang im Oktober letzten Jahres. Eingeladen hatten die Forstverwaltung, die Waldbesitzervereinigung (WBV) und die BNKreisgruppe Landshut. An mehreren Stationen wussten die Referenten über die Merkmale der Winterlinde, ihre Holzqualität, ihre Bedeutung für die Landeskultur, die Waldwirtschaft und den Artenschutz sowie über Kurioses und Mythologisches zu berichten. ­Bildhauer Klaus Wiedmann vom BUND Naturschutz erläuterte die Rolle des Lindenholzes für die

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Foto: Fred Leidenberger

NATURNOTIZEN AUS NIEDERBAYERN

erzeit läuft in der Gemeinde Pilsting die Planung für ein neues Gewerbe- und Industriegebiet an der Autobahnausfahrt Großköllnbach. Das Anbindegebot an bestehende Flächen wurde dabei umgangen, denn es gilt nicht, wenn Betriebe mit besonders hohen Emissionen an Lärm und Abgasen

­ erühmten Schnitzkünstler verb gangener Epochen: »Lignum sacrum«, »heiliges Holz«, nannte man im Mittelalter die Linde, weil so gut wie alle Heiligenfiguren daraus gefertigt wurden. Die Waldbegehung war Teil der Veranstaltungsreihe, die Forstverwaltung, WBV

Natur + Umwelt BN-Magazin [1-17]

rasen, Hecken, Feldwegen und Gräben noch sehr naturnah und weist eine hohe Vielfalt an Arten auf. So lebt in den Kopfweiden beispielsweise der »Eremit«, eine europaweit gefährdete Käferart. Auch die geschützte Zauneidechse und vor allem seltene Vogelarten sind dort nachgewiesen, darunter Kiebitz, Großer Brachvogel, Flussregen­ pfeifer, Feldlerche und Wiesenschafstelze. Anders als Käfer lassen sich Vögel jedoch nicht einfach auf Ausgleichsflächen umsiedeln, zumal diese mit nicht einmal zehn Hektar dürftig ausfallen und an ­ungeeigneter Stelle liegen. Für Kiebitz und Brachvogel ist der Landkreis Dingolfing-Landau eines der wichtigsten Verbreitungsgebiete in Bayern. »Da diese Arten weit überschaubare Flächen zum Brüten brauchen, gehen für sie außer der Industrie­fläche noch weitere 50 Hektar im Umland als Brutgebiet verloren«, beklagt Franz Meindl, Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Landau. Die Naturschutzverbände prüfen derzeit, ob und wie gegen das Vor­haben Klage vor Gericht erhoben werden kann. Kurt Schmid (as)

und BN 2016 unter dem Titel »Zukunftsfähiger Wald im ­Zeichen des Klimawandels« gemeinsam organisiert hatten. Fortbildung: Die BN-

Kreisgruppe Deggendorf veranstaltete im Herbst 2016 in Ko­ operation mit dem Schulamt eine Lehrerfortbildung zur MitmachAusstellung »Lebendige Donau in Bayern und Europa« für Schulkinder. In der Maria-Ward-Realschule lernten die Lehrkräfte das Programm aus Schülerperspektive kennen und hatten dabei jede

Menge Spaß. Vollen Einsatz zeigten sie bei der Donau-Gymnastik, bei der die Dynamik des Flusses am eigenen Körper erspürt wird. Konrektor Klaus Kirchberger freute sich, dass Tiere, Pflanzen und Auen der Donau in seiner Schule »lebendig« wurden und bedankte sich bei den Referenten Jürgen Gill und Irene Weinberger-Dalhof für die informative und kurzweilige Fortbildung. Neben dem Umweltbildungsschiff »Takatuka« und der »Schatzkiste Donau« können ­Kinder nun durch die Ausstellung die frei fließende Donau ganzjährig erleben. Weitere Infos: www. deggendorf.bund-naturschutz.de


Baumriesen Am Teichelberg können Bäume noch alt werden und vielen Tierarten ­Lebensraum bieten.

Kreisgruppe Tirschenreuth

Unterwegs im bedrohten Urwald

chon seit fast 40 Jahren existiert das Naturwaldreservat »Gitschger«, in dem keine reguläre Holznutzung mehr stattfindet. Hier stehen Buchen, Ahorne, Eschen und Linden, die bis zu 250 Jahre alt sind und Stammumfänge von mehr als drei Meter haben. BN-Waldreferent Ralf Straußberger hat diese »Perle der Naturwälder« schon vor 15 Jahren erforscht und stieß auf Arten, die in ganz Deutschland bereits als ausgestorben galten. Mit seinem einzigartigen Artenspektrum ist der Teichelberg nicht nur bayernweit unersetzlich, sondern sogar von ­nationaler Bedeutung.

Brutale Rodung: Ohne Rücksicht

auf eine ausstehende Gerichtsentscheidung hat die Stadt Roding versucht, mit der Rodung von 1,6 Hektar im biotopkartierten Flechtenkiefernwald »Sanddickicht« vollendete Tatsachen zu schaffen. Bei einer Protestaktion vor Ort machten Vertreter der BN-Kreisgruppe Cham ihre Empörung über

Leider wurde 1996 eine 26 Hektar große Fläche des Waldgebiets zum Basaltabbau freigegeben. Im Gegenzug wiesen die Behörden die verbliebene Fläche als Naturschutzgebiet und 2006 als europäisches Schutzgebiet (FFH-Gebiet) aus. Dieser Kompromiss wurde 2011 durch die Basalt AG und den dahinterstehenden Werhahn-Konzern aufgekündigt, indem sie den Abbau auf weiteren 37 Hektar beantragten. »Bei einer Genehmigung würde die gesamte Kuppe des Berges mit ihrem Urwald den Baggern zum Opfer fallen«, so der Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Tirschenreuth,

diese Vorgänge deutlich (siehe Bild). Dabei wurde auch die unrühmliche Rolle der Bayerischen Staatsregierung kritisiert, die die Waldfläche an die Stadt verkauft und damit diesen Teil des »Bürgerwalds« der Zerstörung preisgegeben hat. Der BUND Naturschutz hatte gegen den Bebauungsplan geklagt, der dort die Schaffung eines Gewerbegebiets vorsieht. Ein Urteil, das den Rest des Waldes retten könnte, steht noch aus. Erfolg: Einen wichtigen

­ rfolg gegen MassentierE haltung konnte ein Schwandorfer Bündnis, Foto: BN

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Josef Siller. Und dies, obwohl sich das Schutzgebiet als Teil der Bayerischen Staatsforsten im Eigentum des Freistaats Bayern befindet. Daher bezeichnete es Ralf Straußberger als einen handfesten Skandal, dass die Bayerische Staats­ regierung sich noch immer nicht dazu bekannt hat, ihr eigenes Naturschutzgebiet vor der Zerstörung zu bewahren. Er bekräftigte, dass der BN kämpfen werde, denn: »Würde der Teichelberg fallen, dann wäre kein Naturschutzgebiet mehr sicher.« Reinhard Scheuerlein (ht)

dem auch die BN-Kreisgruppe angehört, Mitte September feiern: Das Bürgerbegehren gegen einen Bebauungsplan »Sondergebiet Geflügelmast« fand die Zustimmung von über 70 Prozent der teilnehmenden Bürger. Gleichzeitig wurde auch das Quorum in Höhe von 20 Prozent aller Wahlberechtigten erreicht. Zuvor hatte der Stadtrat eine Planung befürwortet, die zwei Hallen mit jeweils 200 Metern Länge für 300 000 Masthähnchen mit einer Kapazität von rund drei Millionen Tieren im Jahr ermöglicht hätte. Klimaschutz: Regensburg hat sich

Einiges vorgenommen, was den

Klimaschutz betrifft. Doch die Stadt wolle dafür keine Ziele festlegen, wie der zuständige Bürgermeister Jürgen Huber (Grüne) ­bekanntgab. Für den Regensburger BN-Vorsitzenden Raimund Schoberer ist diese Haltung unverständlich. »Als dynamische und innovative Stadt sollte Regensburg die bundesweiten Ziele auf die kommunale Ebene herunterbrechen. Denn ohne Kompass bleibt alles im Beliebigen«, so Schoberer. Um Erfolgskontrollen und ver­ antwortungsvollen Umgang mit begrenzten Ressourcen zu ermöglichen, seien für diese große Aufgabe konkrete Reduktionsziele ­unabdingbar, kritisierte er.

[1-17] Natur + Umwelt BN-Magazin

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NATURNOTIZEN AUS DER OBERPFALZ

Foto: Wolfgang Bönisch

Über 100 Teilnehmer kamen zu einer Führung des BUND Naturschutz über den herbstlichen Teichelberg in der nördlichen Oberpfalz. Der BN stellte dabei einen besonderen Naturschatz vor, der allerdings durch Gesteinsabbau akut in Gefahr ist.


Kreisgruppe Ansbach

Punktsieg für Gegner der Umfahrung Dinkelsbühl

Foto: Kreisgruppe Ansbach

Ende Oktober hat der Erörterungstermin für die Umfahrung von Dinkelsbühl stattgefunden. Etwa 50 Teilnehmer brachten dort ihre gut begründeten Einwände gegen die Planungen vor. Der BN und die Bürgerinitiative Mutschachfreunde zogen nach dem Termin ein insgesamt positives Resümee.

Unwiederbringlich Die geplante Trasse würde diese ­schöne Allee durchschneiden.

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Linde gepflanzt: Zum 40-jährigen

Bestehen der Kreisgruppe FürthLand pflanzte der BN-Landesvorsitzende Hubert Weiger gemeinsam mit verschiedenen Honora­ tioren eine Linde in Veitsbronn. Bei der anschließenden Feier in der vollbesetzten Zenngrundhalle ließ die Kreisgruppenvorsitzende Sabine Lindner vier Jahrzehnte BN-Arbeit Revue passieren, vom Kauf der »Strobl-Grube« über die Rettung des heutigen Naturschutzgebietes Hainberg bis zu den im vergangenen Jahr geretteten 10 083 Kröten. Auf der Veranstaltung wurden außerdem neun Personen für ihre vierzigjährige Mitgliedschaft und die Geschäftsführerin

40

andere Lösung: »Wir sind mehr denn je davon überzeugt, dass die von uns vorgeschlagene bahn­ parallele Trasse auf brachliegenden Flächen der Bahn möglich ist und dadurch das Naherholungsgebiet Mutschach gerettet werden kann«,

der Kreisgruppe, Gudrun Zwanziger-Bleifuß, für ihre unermüdliche Arbeit geehrt.

len und fairen Zutaten. Die Veranstaltungsreihe wurde von Karin Holluba-Rau vom Schwabacher BN ins Leben gerufen und wird nun von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Eine-Welt-Laden Schwabach, Zivilcourage Roth-Schwabach und der BN-Kreisgruppe getragen. Termine und weitere Infos: www. bund-naturschutz-schwabach.de

Faires Filmfrühstück: Im Januar

2017 startet die 11. Runde des Schwabacher Fairen Filmfrühstücks. Wie immer werden konsumkritische, vorausschauende und umweltpolitische Filme gezeigt. In der kommenden Reihe sind » Vergiftete Geschenke – wie die EU A ­ frika in die Armut treibt«, »Gift im Acker – Glyphosat, die unterschätzte Gefahr« oder »Sand, die neue Umweltbombe« und »Population Boom« vorgesehen. Vor dem Film gibt es ein gemeinsames Frühstück mit gesunden, regiona-

Natur + Umwelt BN-Magazin [1-17]

Streuobstaktion 2016: Auch in die-

sem Jahr hat die Kreisgruppe Ans-

Foto: Walter Würfel

NATURNOTIZEN AUS MITTELFRANKEN

ie geplante, bis zu sieben Meter breite Neubautrasse würde auf 3,4 Kilometern Länge über Felder und Wiesen verlaufen, meist in unmittelbarer Nähe zum Waldgebiet Mutschach. Der BN und die Bürgerinitiative (BI) fordern hingegen eine

so Paul Beitzer, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Ansbach. BN, BI und Privateinwender ­hatten renommierte Rechtsanwälte und Gutachter aufgeboten, um nachzuweisen, dass die geplante Ostumfahrung zu einer unnötigen Zersplitterung und Bebauung von über 20 Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen, erheblichen Biotopverlusten und starker Entwertung der Mutschach als Naherholungs­ gebiet führen würde. Als Grundproblem sehen BN und BI das vom staatlichen Bauamt formulierte Ziel der »Leichtigkeit des Verkehrs«. Diese überholte Zielsetzung sollte längst keine Rolle mehr spielen. Wenn überhaupt, muss es bei Umfahrungen um die Entlastung der Bevölkerung von Lärm und den Erhalt von landwirtschaftlicher Fläche gehen. Mindestens 23 Grundstückseigentümer und Pächter sind nicht bereit, ihre Grundstücke für die Trasse abzugeben und lassen sich anwaltlich vertreten. Wenn das so bleibt, käme es zu einem in Bayern außergewöhnlich heftigen Konflikt um Enteignungen. Mit einem schnellen Bau ist also nicht zu rechnen. »Wir bleiben dran, um eine umweltfreundliche und zukunfts­ fähige Lösung für die Dinkelsbühler Bürger zu erreichen«, so Stefan Klein von den Mutschachfreunden. Tom Konopka

bach Streuobst-Annahmestellen organisiert. In Schnelldorf, Rothenburg-Bettenfeld und Unternbibert nahmen BN-Mitglieder und weitere freiwillige Helfer 45 Tonnen Äpfel und 5,5 Tonnen Birnen nach dem sogenannten Grünspecht-Aufpreismodell entgegen (siehe Bild). Nach diesem Modell liegt der Preis für ungespritztes Obst von Streuobstwiesen 3,60 Euro pro Doppelzentner über dem marktüblichen Tagespreis. Streuobstbestände haben einen besonders hohen ökologischen Wert und tragen zum ­Erhalt der fränkischen Kulturlandschaft und der Artenvielfalt bei.


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Bauschuttdeponie: In einem Stein-

bruch bei Winterhausen (siehe Bild) sind im Zuge der bisherigen Nutzung viele neue Lebensräume streng geschützter Tierarten entstanden – unter anderem für Schlingnatter, Bienenfresser und Gelbbauchunken. Obwohl diese Flächen im europaweiten Biotopverbundsystem Natura 2000 besonderen Schutz genießen, sollen dort fast 425 000 Kubikmeter Bau-

Foto: Kurt Langer

Foto: Roland Günter

Jubilare und Gratulanten Mehrere Bürgermeister aus dem Landkreis gratulier­ ten der BN-Kreisgruppe zum Jubiläum.

Kreisgruppe Haßberge

Wildbienenschutz Die Mohnbiene ­gehört zu den ­faszinierendsten Schützlingen der Kreisgruppe Haßberge.

40 Jahre vor Ort aktiv Seit vier Jahrzehnten beweist die Kreisgruppe Haßberge, wie vielseitig sich Ehrenamtliche für Natur und Umwelt einsetzen können. Auf der Agenda der Aktiven stehen Artenschutz für Wildbienen, Fledermäuse und Amphibien ebenso wie Abfallwirtschaft oder Landschaftsschutz. führer Andreas Kiraly wird von nun an den Posten des stellvertretenden Vorsitzenden bekleiden. Neu in den Vorstand kamen Karin Thaumüller als Schriftführerin sowie Daniela Berninger und Andrea Zech als Beisitzerinnen sowie Barbara Ullmann als Delegierte. Besonderer Dank

schutt abgelagert werden. Der BN forderte deshalb Mitte November 2016, dafür statt einer einfachen Planänderung zumindest ein reguläres Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung und umfassender Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Nur so können die drohenden ­Eingriffe und die potenziellen Belastungen für die umliegenden Gemeinden ermittelt und fachlich geprüft werden. Vorstandswahlen: Bei der Jahres-

hauptversammlung der Kreisgruppe Bad Kissingen Mitte November 2016 ist Franz Zang als Vorsitzender im Amt bestätigt worden. Neu

wurde dem bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden Ludwig Rehm für sein langjähriges Engagement im Kreisgruppenvorstand ausgesprochen. Klaus Mandery, Helmut Schultheiß (ht)

in den Vorstand gewählt wurde unter anderem Ingo Queck als sein Stellvertreter. Besonderer Dank gilt den bisherigen Vorstandsmitgliedern Marc Baumgart (stellv. Vorsitzender) und Eva ReichertNelkenstock (Beisitzerin) für ihren engagierten Einsatz vor Ort. Erfreulich: Gleich über zwei große

Erfolge durfte sich die Kreisgruppe Aschaffenburg Anfang Dezember 2016 freuen: Nach massivem öffentlichem Druck – auch durch den BN – hat die Verwaltung die im Obernauer Mainbogen geplante Gewerbegebietsausweisung von über 17 Hektar zurückgenommen. Nahezu gleichzeitig konnte der BN

seine Präsenz vor Ort durch die Gründung der neuen Ortsgruppe Aschaffenburg-Stadt (1. Vorsitzender: Dominik Träger) wesentlich verstärken. Jubiläum: Die BN-Ortsgruppe

­ iesentheid hat im Herbst 2016 W ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert. Die Aktiven dort engagieren sich für die Pflanzung und Pflege von Obstbäumen, Hecken und Gehölzen ebenso wie für den Vogel- und Fledermausschutz und die Umweltbildung. Dass 1989 der geplante »Centerpark« bei Wiesentheid gestoppt werden konnte, zählt ­sicher zu den größten Erfolgen der Ortsgruppe.

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NATURNOTIZEN AUS UNTERFRANKEN

Foto: Günther Maak

nde Oktober 2016 feierte die Kreisgruppe Haßberge zusammen mit Hubert Weiger und zahlreichen Gästen in Ebern ihr 40-jähriges Bestehen. Die BN-Mitglieder im Landkreis haben in diesen Jahrzehnten engagiert gekämpft, etwa gegen die drohende Landschaftszerstörung durch den Bau der Maintalautobahn oder für die Einführung der Biotonne. Ein spezieller Arbeitskreis kümmert sich bereits seit 1988 mit großem Erfolg um den Schutz der Fledermäuse und ihrer Quartiere. Im Fokus der Artenschützer stehen zudem seit vielen Jahren auch Wildbienen, Amphibien und Streuobstwiesen. Dass heute in Bayern alljährlich ein GEO-Tag der Artenvielfalt durchgeführt wird, gehört ebenso zu den Verdiensten der Kreisgruppe wie die Umwandlung des ehemaligen Bundeswehrübungsplatzes bei Ebern in wert­ volle Artenschutzflächen. Die Leistungen der vielen Aktiven wurden nicht nur von Hubert Weiger gewürdigt, auch Kommunalpolitiker etlicher Parteien gratulierten dem BN zu seinem langjährigen erfolgreichen Wirken vor Ort. Mitte November stand dann die Jahreshauptversammlung mit den Vorstandswahlen in der Kreisgruppe Haßberge an. Klaus Mandery wurde dabei als Vorsitzender im Amt bestätigt. Der bisherige Schrift-


Energiewende lernen

Ornithologische Tage für Kinder

Alle meine Entchen schwimmen auf dem See – aber wer kann sie heute noch benennen? In diesem dreitägigen Ferienseminar lernen Kinder und Jugendliche die heimische Vogelwelt kennen. Höhepunkte sind neben Exkursionen an Ammer- und Starnberger See ein Besuch im Max-Plank-Institut für Ornithologie. Ein neuer thematischer Aspekt ist die weltweite Gefährdung der Vögel durch Plastikmüll. ▶ Wartaweil am Ammersee: 1. – 3. März 2017, Anmeldung: Naturschutz- und Jugend­

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zentrum Wartaweil, Tel. 0 81 52 -  96 77 - 08, wartaweil@bundnaturschutz.de

Herausforderung ­Starkregen

An die Bilder aus Simbach werden sich Viele noch erinnern. Starkregen als Ursache für eine verwüstete Innenstadt, zerstörte Häuser, überschwemmte Plätze. Was können und müssen Wasserwirtschaft und Kommunalpolitik tun? Welche Antworten gibt es aus der Sicht des Natur- und Umweltschutzes? Bei dieser Veranstaltung kann man sich Informieren und mitdiskutieren.

Natur + Umwelt BN-Magazin [1-17]

Wege in eine lebenswerte Zukunft

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elche konkreten Schritte können die Menschen eines Landkreises für ein zukunftsfähiges Leben unternehmen und gleichzeitig ihre Lebensqualität damit verbessern? Wo gibt es Beispiele, die Mut machen? Was können wir für unsere Gemeinden und Landkreise lernen von Gemeinden wie zum Beispiel dem energieautarken Ascha im Bayerischen Wald oder der Zukunftsgemeinde Buttenwiesen bei Dillingen? Was wäre möglich, wenn alle Ideen und Initiativen einer nachhaltigen Lebensführung umgesetzt würden? Diesen und anderen Fragen wird das Forum Zukunft auf Schloss Blumenthal am ersten Wochenende im April nachgehen. Zusammen mit Fachreferenten, erfahrenen Praktikern und in gemeinsamen Workshops wollen wir gemeinsam ausloten, welche Wege in eine lebenswerte Zukunft ein bayerischer Landkreis mit all seinen Akteuren gemeinsam gehen kann. Die Lebensgemeinschaft Schloss Blumenthal bietet dafür nicht nur die geeigneten Räume – sie ist ein Praxisbeispiel in Sachen zukunftsfähig und nachhaltig leben und wirtschaften. ▶ Schloss Blumenthal, 1. und 2. April 2017 Informationen: Kreisgruppe Aichach-Friedberg, www.bn-aic.de, Tel. 0 82 33 - 84 91 71, mail@bn-aic.de

▶ Passau, April 2017, Kontakt: Kreisgruppe Passau, Karl Haber­ zettl, Tel. 01 60 - 7 81 91 90, info@bn-passau.de

Tierhaltung mit Zukunft

Seit 2001 haben in Bayern rund 60 000 Bauern ihre Tierhaltung aufgegeben. Doch die Erzeugung steigt und die Exporte nehmen zu. Wie kann eine

Tierhaltung mit Zukunft aus­ sehen, die den Bauern, den Verbrauchern und unseren Böden gut tut? Die Reihe wird fortgesetzt mit einem Angebot zur Streitfrage Gentechnik auf unseren Äckern. ▶ München, 18. März 2017, Kontakt: Marion Ruppaner, Tel. 09 11 - 8 18 78 20, marion.ruppa­ ner@bund-naturschutz.de

Foto: Fotolia/karepa

BEOBACHTEN UND MITREDEN

ir haben uns auf den Weg gemacht zu einer nachhaltigen Lebensweise. Mit einem umfangreichen Bildungsangebot begleiten die Ökostationen, das Bildungswerk und die BN-Kreisgruppen diese Transformation. So informiert das Ökohaus Würzburg (siehe Bild) am 8. März über die Grundlagen zum Bau eines Passivhauses, Plusenergiehauses und Sonnenhauses und am 2. März über Energiespeicher für Photovoltaik und Elektromobilität. Das »Energiespardorf Bayern« des BN bietet allen Schularten von der Grundschule bis zur Berufsschule eine ideale Lernplattform. Wieviel Fläche braucht eine Gemeinde, um sich selber mit Energie zu versorgen? Was passiert, wenn wir Stromfresser gegen Spar-Modelle austauschen? Diese Fragen werden im Stromspardorf in einem Rollenspiel diskutiert und sofort am Modell umgesetzt. Schulklassen und andere interessierte Gruppen erwartet ein aufschlussreicher Einblick in die Chancen und Tücken der kommunalen Energiewende. Das Bildungswerk stellt voraussichtlich ab Herbst 2017 die große Ausstellung »Energie-3-Sprung« wieder zur Verfügung. Zwischen Lichtkästen und Hauswandmodellen, Heizungspumpen und Lernstationen finden alle Besucher nützliche Informationen rund ums Alltagsthema Energie. Ansprechpartner: ▶ Ökohaus Würzburg: Klaus Isberner, Tel. 09 31 - 4 39 72, info@bn-wuerzburg.de ▶ Energiespardorf Bayern, NJZ Wartaweil Birgit Geurden, Tel. 0 81 52 - 96 77 - 08, wartaweil@bund-naturschutz.de ▶ Ausstellung Energiewende: BN-Bildungswerk, Martina Graef, Tel. 09 41 - 2 97 20 17, Bildungswerk@ bund-naturschutz.de

Foto: Fotolia/mimadeo

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Ihre Ansprechpartner beim BN

BN-Studienreisen, Tel. 09 115 88 88 20, www.bund-reisen.de

Mitgliederservice (allgemeine Fragen zur Mitgliedschaft, Adressänderung) Tel. 09 41-2 97 20-65 mitglied@bund-naturschutz.de

Schneeschuhwandern in Südtirol Auf unserer Winterreise ins ursprüngliche Ultental erleben die Teilnehmer Natur, Kultur und Kulinarik. Tagsüber erkundet die Gruppe auf Schneeschuh- und Winterwanderungen das Tal, die Hochebenen und die Berge. Abends kann man in der Sauna ­entspannen und den Tag beim leckeren Abendessen ausklingen lassen. • Italien, 26. März – 2. April 2017

Spendenbescheinigungen Tel. 09 41-2 97 20-66 spenderservice@bund-naturschutz.de Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Redaktion Natur+Umwelt Referentin: Luise Frank Tel. 09 41-2 97 20-22 natur+umwelt@bund-naturschutz.de Beratung zu Spenden, Anlassspenden und Vermächtnissen Claudia Ciecior-­Bordonaro Tel. 09 41-2 97 20-34 claudia.ciecior@bund-naturschutz.de Haus- und Straßensammlung Ehrenamtlich aktiv werden Christine Stefan-­Iberl Tel. 09 41-2 97 20-11 christine.stefan@bund-naturschutz.de

Waldexpeditionen im Nationalpark Hainich Auf zu einer Entdeckungsreise in den mitteldeutschen Urwald! Auf geführten Wanderungen erfahren die Reisenden viel Wissenswertes rund um den Hainich. Ebenfalls auf dem Programm: das Wildkatzendorf Hütscheroda sowie die Wartburgstadt ­Eisen­­ach. Die Teilnehmer wohnen im idyllischen und autofreien WaldResort Hainich. • Deutschland, 15. – 21. April 2017 Wandern im Bregenzerwald Entdecken Sie die Faszination des Bregenzerwaldes auf wunderschönen Wanderungen und erfahren Sie Interessantes über die naturkundlichen sowie kulturgeschichtlichen Besonderheiten. Sie wohnen in der gemütlichen Pension Bals in Hittisau. • Österreich, 30. April – 4. Mai 2017

Herausgeber: BUND Naturschutz in Bayern e. V. (BN), vertreten durch Peter Rottner, Landes­ geschäfts­führer, Dr.-Johann-Maier-Str. 4, 93049 Regensburg, www.bund-naturschutz.de Leitende Redakteurin (verantw.): Luise Frank (lf), Tel. 09 41-2 97 20-22, Fax -31, natur+umwelt@ bund-naturschutz.de Redaktion: Holger Lieber (hl), Heidi Tiefenthaler (ht), Andrea Siebert (as) Mitglieder-Service: Tel. 09 41-2 97 20-65 Gestaltung: Gorbach GmbH, Utting a. Ammersee (Layout: Waltraud Hofbauer) Titelfoto: Fotolia/BlackMac Titelgestaltung: Gorbach GmbH Redaktion BUND-Magazin: Severin Zillich (verantw.), Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin, Tel. 0 30-27 58 64-57, Fax -40 Druck und Versand: Brühlsche Universitäts­ druckerei Gießen

Anzeigenverwaltung: Ruth Hansmann, Runze & Casper Werbeagentur GmbH, Tel. 0 30-2 80 18 -145, Fax -400, hansmann@runze-casper.de. Es gelten die Mediadaten Nr. 25. Verlag: BN Service GmbH, Eckertstr. 2, Bahnhof Lauf (links), 91207 Lauf an der Pegnitz, Tel. 0 91 23-9 99 57-30, Fax -99, info@service.bund-naturschutz.de Druckauflage 4-2016: 136.658 Bezugspreis: Für Mitglieder des BN im ­Beitrag ­ent­­halten, für Nichtmitglieder Versandgebühr ISSN 0721-6807 BN-Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft München, IBAN DE27 7002 0500 0008 8440 00, BIC: BFSWDE33MUE Mit Namen gezeichnete Artikel geben nicht unbedingt die ­Meinung der R ­ edaktion oder des BN wieder. Nachdruck nur mit Geneh­migung des BN. Für unver­ langt e ­ ingesandte Artikel oder Fotos keine Gewähr. Die Redak­tion behält sich das Recht vor, Leserbriefe zu kürzen. »Natur+Umwelt« wird auf 100 % ­Recycling­­­­papier gedruckt.

Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft Magische Wildnis an der Ostsee – nirgends sonst an der Ostsee darf Küstendynamik noch so aktiv sein. Durch den Nationalpark werden vielfältige Lebensräume und natürliche Prozesse geschützt. Reiseleiterin Annett Storm ist Geschäftsführerin des Fördervereins Boddenlandschaft e. V. und auf dem Darß zu Hause. • Deutschland, 7. – 14. Mai 2017 Wolfswoche im Wendland Auf der Wolfswoche im Wendland erfahren die Teilnehmer viel Wissenswertes rund um dieses spannende und aktuelle Thema. Zusammen mit einem ausgebildeten Wolfsberater unternehmen sie WolfsmonitoringWanderungen und erfahren viel Interessantes aus erster Hand – intensiver geht es kaum. • Deutschland, 18. – 25. Juni 2017

Foto: Kenners Landlust

IMPRESSUM

BN-Stiftung Christian Hierneis Tel. 09 41-2 97 20-35 christian.hierneis@bund-naturschutz.de

Foto: Annett Storm

BN-Bildungswerk Referentin: Ulli Sacher-Ley Tel. 09 41-2 97 20-42 ulrike.sacher-ley@bund-naturschutz.de

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ANLASSSPENDEN

Jubiläum? Taufe? Silberne Hochzeit? Geburtstag? Wünschen Sie sich doch zu Ihrem Fest eine Spende für die Natur. Jeder Euro, der gespendet wird, bringt die gute Sache voran.

Für 20 Euro kann der BN z.B. sechs Meter Amphibienschutzzaun kaufen.

50 Euro reichen z.B., um eine Sense für die Biotoppflege oder Becherlupen für eine Kindergruppe zu kaufen.

Für 100 Euro kann der BN z.B. 80 m2 wertvoller Moorfläche erwerben und renaturieren.

JANDA+ROSCHER, Die WerbeBotschafter

Fotos: BN-Archiv, fotolia

SIE MÖCHTEN SICH VON IHREN GÄSTEN EIN SPENDENGESCHENK FÜR DEN BN WÜNSCHEN? Setzen Sie sich für Ihr BUND Naturschutz-Lieblingsprojekt ein, indem Sie den Spendenzweck bestimmen. Auch die gesamte Arbeit des BUND Naturschutz kann gefördert werden. Fordern Sie unser Infopaket an. Ganz einfach und unverbindlich per Telefon oder E-Mail.

Ihre Ansprechpartnerin ist Claudia Ciecior-Bordonaro Tel. 0941/29720-34 claudia.ciecior-bordonaro@ bund-naturschutz.de

Nähere Infos finden Sie auch unter

www.bund-naturschutz.de/ spenden/anlassspenden

www.bund-naturschutz.de

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