StiftungsReport 2007

Page 68

Tendenzen im amerikanischen Stiftungswesen Die Vorreiterrolle der Vereinigten Staaten in der internationalen Stiftungslandschaft wird oft diskutiert und es gibt zahlreiche Vergleichsanalysen zwischen Deutschland und den USA.30 Ein Blick über den Atlantik kann Aufschluss darüber geben, in welche Richtung sich die deutsche Kultur der Philanthropie weiterent wickeln könnte. Einige Tendenzen im amerikanischen Stiftungswesen lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Während die Philanthropie deutscher Prägung ein starkes Vereinselement mit erheblichen staatlichen Zuschüssen aufweist, sind in den USA Stiftungen Hauptträger des Dritten Sektors. Von den in den USA 2006 gespendeten 260 Milliarden Dollar kamen 200 Milliarden von Privatpersonen und 30 Milliarden von Stiftungen.31 Ein Teil des hohen Spendenaufkommens dürfte der Tatsache zu verdanken sein, dass es in den USA keine Kirchensteuer gibt. • Großspenden im dreistelligen Millionen- oder gar im Milliardenbereich sind keine Seltenheit. Dem Ranking der 100 großzügigsten Spender in der Zeitschrift Business Week zufolge gaben die 20 größten Philanthropen in der Periode 2002-2006 jeweils über 450 Millionen Dollar.32 Bill Gates und Warren Buffet – die als die beiden reichsten Männer der Welt fast ihr gesamtes Vermögen einer gemeinsamen Stiftung vermachen – sind lediglich die Vorreiter dieser neuen Generation von Megastiftern.33 • Der amerikanische Stiftungssektor verfügt über eine komplexe Infrastruktur von spezialisierten intermediären Organisationen. Dies reicht von Beratern für unterschiedlichste Themenbereiche über Dachverbände, Stellenbörsen, diversen Zeitschriften und Internetplattformen bis zu Business-School-Kursen für „non profit management“ oder Institutionen, die die Arbeit von Stiftungen evaluieren. Diese Infrastruktur trägt erheblich zur Effizienz und Dynamik innerhalb des Stiftungswesens bei. • Dank der Tatsache, dass viele Stifter selbst erfolgreiche Unternehmer sind und dank des hohen Professionalisierungsgrades in der amerikanischen Stiftungslandschaft haben viele US-Stiftungen einen unternehmerischen Ansatz – sie sehen sich als Sozial-Unternehmen. Entsprechend große Rollen spielen Effizienz, Transparenz, messbare Resultate, Innovations- und Risikobereitschaft, Wettbewerb sowie die Anwendung von Managementmethoden aus dem Privatsektor. • Dank professionellen Finanzmanagements und unkonventioneller Anlageformen gelingt es vielen Stif tungen in den USA dauerhaft zweistellige Renditen zu erwirtschaften.34 Da sie per Gesetz jedes Jahr fünf Prozent ihres Vermögens für den Stiftungszweck ausgeben müssen, kann nur eine Rendite von mindestens sieben bis acht Prozent das dauerhafte Überleben einer Stiftung sichern, sonst wird das Kapital aufgezehrt.35 Mit dieser Anlagepolitik ist aber auch eine höhere Risikobereitschaft bei der Vermögensbewirtschaftung verbunden, die mancher Stiftung in schlechten Jahren erhebliche Substanzverluste einbrachte, was in Deutschland nicht mit dem Stiftungsrecht vereinbar wäre. • Das Stiftungswesen ist in der amerikanischen Gesellschaft allgegenwärtig. Unzählige Institutionen oder öffentliche Gebäude sind nach ihren Stiftern benannt (beispielsweise die Stanford- und Rockefeller-Universitäten, die Guggenheim- und Getty-Museen, New Yorks Carnegie Hall). Große Stifterinnen und Stifter werden von den Medien gefeiert, Corporate Social Responsibility gehört zum Unternehmensalltag und gemeinnütziges Engagement ist für den beruflichen und sozialen Aufstieg eine wichtige Voraussetzung.

3

66

StiftungsReport 2007


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.