BIG Business 1/13

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www.big.at Ausgabe Nr. 13 • Juni 2013

Das Magazin der Bundesimmobiliengesellschaft

Universität der Zukunft

Die neue WU im Prater ist ein architekto­ nisches Ausnahmeprojekt. Die Übergabe ­erfolgt im Sommer. Auch die Kosten halten.

Vorzeigemodell

Die Entwicklung des BIG-Konzerns gilt europaweit als vorbildhaft. Mehrere Staaten sind interessiert, dem Beispiel zu folgen.

BIG Business Nr. 13 • Juni 2013 • www.big.at


Inhalt

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Foto: Alexander Arnberger

BIG Business Inhalt

Impressum

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Foto: anastasios71 – Fotolia.com

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Zeitraffer

Ereignisse oder Bauvorhaben, die den BIG-Konzern in den vergangenen sechs Monaten bewegt haben oder in Zukunft beschäftigen werden.

Ein „inspirierendes Modell“

Die Wirtschafts- und die Euro-Krise gehen auch an den staatlichen Immobiliengesellschaften Europas nicht spurlos vorüber. Der all­ gemeine Trend lautet: verkaufen. In Österreich wird die Beteiligung eines oder mehrerer Investoren an der neu gegründeten ARE ­Austrian Real Estate überlegt.

24 Bühne frei für den Campus WU

Die größte heimische Bildungsbaustelle geht ins Finale: Auf dem neuen WU-Campus im Wiener Prater laufen die letzten Vorbereitungen für die Übergabe auf Hochtouren. Im Oktober starten rund 24.000 Studierende und 1.800 Mitarbeiter in den sechs Gebäudekomplexen in das Wintersemester 2013 – und damit in eine neue Ära.

Foto: 2013 BOANET.AT

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„Dicke Luft“ im Container

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Den Zahn der Zeit versiegelt

Foto: Harald A. Jahn

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Staub, Lärm und Schutt sind bei Sanierungen unvermeidbare Begleit­ erscheinungen, die aber von den Mietern eher gering geschätzt werden. Eine beliebte Fluchtmöglichkeit: der Container. Die Erfahrungen damit sind durchwachsen. Besonders heikel sind Schulen.

Vom Universitätsschandfleck zur hypermodernen Zahnklinik: Nach sieben Jahren Bauzeit und Investitionen in Höhe von ca. 80 Millionen Euro ist die Bernhard-Gottlieb-Universitätszahnklinik im historischen Garnisonsspital in Wien-Alsergrund nun fertig. Eine Reportage über eine gelungene Metamorphose.

52 Flugdächer und Kioske zu verschenken

Mit dem Schengen-Beitritt der osteuropäischen Länder im Jahr 2007 wurden auch die Grenzstationen auf österreichischer Seite nutzlos. Bis Jahresende sollen alle Kioske, Flugdächer und Schrankenanlagen entlang der Grenzen des Burgenlands und Niederösterreichs verschwinden.

Foto: Harald A. Jahn

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Wunschkonzert

Bei der Sanierung und Erweiterung der „business academy donaustadt“ haben die Lehrer und Schüler federführend mitgeplant. Ein Novum im ­öster­rei­chischen Schulbau. Aber sind Partizipations­ prozesse auch ein Modell für künftige Bauvorhaben? Das Ergebnis in der Polgarstraße überzeugt jedenfalls auf ganzer Linie.

Impressum Ausgabe: Nr. 13/2013 Herausgeber: Bundesimmobiliengesellschaft mbH, Hintere Zollamtsstraße 1, 1031 Wien, T 05 02 44-0, F 05 02 44-1199, office@big.at, www.big.at Geschäftsführung: Wolfgang Gleissner, Hans-Peter Weiss Chefredaktion: Ernst Eichinger Redaktion: ­Franz Hubik, Elisabeth Kleedorfer, Alexandra Galle, Eduard Platzenteig Produktion und Artdirektion: Martin Jandrisevits, Hans Ljung Lektorat: Paul Zöchbauer Foto Titelblatt & U4: 2013 BOANET.AT Druck: Grasl Druck & Neue Medien GmbH, 2540 Bad Vöslau

Dieses Druckwerk zeichnet sich durch eine nachhaltige und ressourcenschonende Produktion aus und wurde klimaneutral gedruckt. Das Papier dieses Produkts stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern sowie kontrollierten Quellen und ist somit PEFC-zertifiziert. PEFC steht synoym für nachhaltige Waldbewirtschaftung. Die Zertifizierung der gesamten Verarbeitungskette vom Wald bis zum Endprodukt garantiert, dass die Holzherkunft unzweifelhaft nachvollziehbar ist und geprüft wurde. Durch unabhängige, renommierte Zertifizierungsgesellschaften wird sichergestellt, dass die Wälder nach hohen PEFC-Standards bewirtschaftet werden. PEFC-Zertifikationsnummer: HCA-CoC-0249. Klimaneutral drucken bedeutet, die CO2Emission für die Herstellung eines Druckprodukts durch den Erwerb anerkannter Umweltzertifikate auszugleichen.

PEFC zertifziert Das Papier dieses Produktes stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen www.pefc.at


Foto: Suzy Stöckl

Editorial

BIG-Geschäfts­ führer: Hans-Peter Weiss (links) und Wolfgang Gleissner.

Liebe Leserinnen und Leser!

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as Internet hat in den vergangenen 20 Jahren unzweifelhaft massiv zur Beschleunigung der Kommunikation beigetragen. Damit sind auch die Abläufe in den Geschäftsprozessen deutlich schneller geworden, die wiederum rasche, kurzfristige Entscheidungen erfordern. Umso mehr bedarf es ­eines langfristigen strategischen Ansatzes, der es erlaubt, Ziele nie aus den Augen zu verlieren. Für die konsequente Weiterentwicklung des BIG-Konzerns ist das genau das Entscheidende. In manchen Phasen geht dieser Fortschritt eher langsam vonstatten, in anderen wiederum mit rasender Geschwindigkeit. Wichtig ist dabei: Die Evolution der BIG ist in den mehr als 20 Jahren ihrer Existenz hoch­ ­konsistent. Seit Gründung der BIG im Jahr 1992 ist ein roter Faden klar erkennbar. Der Weg ist dabei gleichzeitig das Ziel: die konsequente Professionalisierung der Bewirtschaftung ­eines großen Immobilienvermögens. Die Struktur des Konzerns wird dem laufend angepasst. So haben wir im letzten Jahr die auf Büroimmobilien und Entwicklungsliegenschaften spezialisierte ARE Austrian Real Estate gegründet. Mit der seit Jahreswechsel operativ tätigen ARE sollen explizit auch Auftraggeber und Mieter aus dem privaten Bereich als Kunden gewonnen werden. Nicht nur der heimische Mitbewerb beobachtet diesen neuen „BIG-Player“ genau – die staatlichen Immobiliengesellschaften aus ganz Europa verfolgen diese Entwicklung. Aus diesem Grund haben wir mit einem Blick über die österreichischen Grenzen herauszufinden versucht, unter welchen Rahmen­bedingungen die anderen Länder des alten Kontinents ihr Immobilienvermögen bewirtschaften. Der Titel Nr. 13 | 2013 | www.big.at

„Ein ,inspirierendes Modell‘ “ – die ganze Geschichte lesen Sie ab Seite 18 – fasst den Inhalt zusammen. Selbstverständlich können oder wollen nicht alle so sein wie wir. Es erfüllt uns aber durchaus mit Stolz, für einige Republiken als „Leuchtturm“ zu fungieren, der die Richtung vorgibt. Die einzelnen Schritte auf diesem Weg werden bei uns aber nicht nur auf einer hoch aggregierten Ebene gesetzt. Laufend versuchen wir in unserem spezifischen Handeln gleichsam die Evolution des Unternehmens voranzutreiben. Dazu gehören auch „revolutionäre“ Versuche gemeinsam mit unseren Partnern. So wurden erstmalig die wesentlichen Planungsgrundlagen für die Handelsakademie in der Wiener Polgarstraße unter Einbeziehung aller Beteiligten erarbeitet. Das Ergebnis – siehe Geschichte ab Seite 58 – lässt durchaus Raum für weitere Projekte dieser Art. Nicht zuletzt ist auch die neue Wirtschaftsuniversität Wien im Prater ein Superlativ. Etwa wegen ihrer architektonischen Gestaltung und aufgrund ihrer Größe. In erster Linie aber, weil ein ganzer Universitätscampus zeitgerecht und exakt im Kostenrahmen realisiert wurde. Das ist die Professionalität, die wir mit dem Konzern anstreben. Viel Spaß beim Lesen wünschen Ihnen

Wolfgang Gleissner

Hans-Peter Weiss

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Zeitraffer Universität Wien

Flüchten auf hohem Niveau

Fotos: Alexander Arnberger

In der Regel wollen Universitäten ihre Studenten zumindest bis zum Studienabschluss halten. In Ausnahmefällen sollen sie aber auch flüchten dürfen. Nämlich wenn es brennt.

Die Innenhöfe ­wurden ­„aufgeräumt“: Sie waren vollgestellt mit ­parkenden Autos sowie Müllcontainern und waren damit ein ­beträchtliches ­Sicherheits­risiko.

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Die blaue, spacige Beleuchtung des Panoramalifts neben dem neu errichteten Fluchtstiegenhaus in Hof vier mag so manchen an „Star Trek“ erinnern. Verantwortlicher Planer für die Sanierung ist Architekt Palme.

und fünf Jahre lang wurde das historische Hauptgebäude der Universität Wien am Universitätsring brandschutztechnisch auf den letzten Stand gebracht. Sollte irgendwann in Zukunft Feuer ausbrechen, ist die Flucht gleichzeitig eine Reise in die Architektur – auch wenn im ­Bedarfsfall wahrscheinlich niemand ein Auge dafür haben wird. Im Zuge der umfangreichen Brandschutzsanierung wurden zwei moderne Stiegenhäuser errichtet, die mit dem Altbau harmonieren. „Über vier Geschoße ist jede der Glas-Stahl-Konstruktionen mit dem Bestandsgebäude verbunden und ermöglicht ein rasches und sicheres Verlassen des Hauses“, sagt der für das Projekt zuständige Objektmanager der BIG, Manfred Bauer. Die direkt daneben eingebauten gläsernen Pano­ramalifte gewährleisten die notwendige Barrierefreiheit. Durch diese – gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt erarbeitete – Lösung werden nun die heutigen Sicherheitsbestimmungen erfüllt. Da jedoch so wenig wie möglich in die historische Bausubstanz eingegriffen werden durfte, musste ein Kompromiss gefunden werden. Jedes Stiegenhaus ist deshalb nur an einer Seite mit dem Altbestand verbunden statt an zwei. Auch im Gebäudeinneren hat sich viel getan. Die Stiege neun wurde samt Aufzug komplett abgebrochen, um Platz Nr. 13 | 2013 | www.big.at


Universität

Wien

Für den Bau einer neuen ­Cafeteria wurde einer der ­Innenhöfe entsprechend ­umgebaut und mit einer Glas-Stahl-Konstruktion überdacht. Auf rund 245 ­Quadratmetern entstand in rund einem halben Jahr ein neuer, attraktiver ­Aufenthaltsbereich für die Studierenden.

War ein Bereich von der Sanierung betroffen, z. B. Sanitäranlagen, Treppenabsätze oder Hauseingänge, so wurde er – wenn es der Denkmalschutz erlaubte – barrierefrei ­gestaltet.

für ein neues, breiteres Stiegenhaus zu schaffen. ­Moderne Akzente finden sich in den Gängen nun auch an den ­Decken. Dort sorgen neue Leuchten nicht nur für mehr Licht als ihre Vorgänger. Sie sind zudem mit Brandmeldern und Lautsprechern ausgestattet.

Im Boden versenkt

Den aktuellen Brandschutzbestimmungen angepasst wurden auch die historischen Gangfenster. „Motoren kippen die Fenster automatisch, sobald die Brandmelder anschlagen, damit Rauch so rasch wie möglich abziehen kann“, so Bauer. Zusätzlich wurden in die Deckenbögen Glaselemente eingesetzt – sogenannte Rauchschutzschürzen, die verhindern, dass auf­steigender Rauch sich weiter ausbreitet und über die ­Stiegenhäuser nach oben zieht. Eine der umfangreichsten Sanierungsmaßnahmen ist für die Augen der Studierenden, Lehrenden und Bediensteten jedoch jetzt nicht mehr sichtbar. Jahrelang wurde da­ ran ­gearbeitet, die Elektroinstallationen, EDV-Leitungen, Brandmeldeleitungen sowie Hydranten in den Gängen im Boden zu versenken. Dafür wurden die alten Fußböden ­herausgerissen, die Leitungen in neuen Kabeltrassen verlegt, und darüber kamen teils die historisch erhaltenen, teils eigens nachgebildete Fliesen. Nr. 13 | 2013 | www.big.at

Die neuen Lampen erleuchten nicht nur die Gänge. Sie sorgen auch für Sicherheit. Außerdem wurden sämtliche Türen ausgetauscht und durch Brandschutztüren e ­ rsetzt – optisch sind sie den historischen Türen ­nachempfunden.

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Zeitraffer Eigentumswohnungen in Graz

Den 2012 durchge­ führten Architektur­ wettbewerb zur ­Planung der beiden Wohngebäude konnte die mehr­ fach ausgezeichnete Gangoly & Kristiner Architekten ZT GmbH für sich ­entscheiden.

Leben am Fuße des Rosenbergs Bis Ende 2015 entstehen in Graz über 50 neue Eigentumswohnungen.

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Direkt neben einem architektonischen Highlight der BIG, dem Zentrum für molekulare Bio­ medizin, entstehen ­Eigentums­­­wohnungen mit ­hervor­ragender Infra­struktur.

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ten Wohn- und Essbereiche ein ruhiges Wohnumfeld. Im nahen Umkreis befinden sich unter anderem Nahversorger, Banken und Kindergärten. Auch das schnell erreichbare Radwegenetz und der öffentliche Verkehr sprechen für die Lage der Wohnungen. Erfolgt der Baubeginn wie geplant im April 2014, können die Wohnungen Ende 2015 den künftigen Eigentümern übergeben werden.

Fotos: Gangoly & Kristiner Architekten ZT GmbH

inen Steinwurf entfernt vom Naherholungsgebiet ­Rosenhain und trotzdem in städtischer Lage errichtet die ARE Development zwei neue Wohnhäuser im gehobenen Segment. Die 54 Eigentumswohnungen sind zwischen 50 und 150 Quadratmeter groß und alle mit Balkon oder Loggia geplant. Die eigene Tiefgarage ist durch Lifte direkt mit den Wohngeschoßen verbunden. Das Projekt bietet durch die Sackgasse und die zum Innenhof orientier-

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Eigentumswohnungen in

Salzburg

Der Entwurf für das Ensemble aus zeitgenössischer und moderner Architektur in zentraler Lage stammt aus der Feder der Salzburger Architekten Maria Flöckner und Hermann Schnöll.

Fürstlich wohnen in Salzburg

Die ARE Development errichtet 19 frei finanzierte Eigentumswohnungen im Grünen.

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Fotos: Maria Flöckner und Hermann Schnöll

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n der Salzburger Fürstenallee werden ab Anfang nächsten Jahres 19 Eigentumswohnungen errichtet. Bauherr ist die ARE Development gemeinsam mit der Raiffeisen evolution. Auf dem Areal der ehemaligen Kavalleriekaserne Nonntal werden nahezu alle Gebäude bis auf das sogenannte „Po­ lierstöckl“ abgerissen. Die unter Denkmalschutz stehende „Gestüthalle“ hat bereits seit Längerem einen neuen Eigentümer. Dort wird die Galerie Weihergut einziehen. Seit Kurzem liegen die behördlichen Genehmigungen vor. Die Wohnungen werden alle Wünsche nach Komfort befriedigen und mit Terrassen oder Balkonen ausgestattet sein. Das „Polierstöckl“ ist für gemeinsam genutzte Flächen wie Sauna oder Fitnessbereich reserviert.

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Zeitraffer

Fotos: Harald A. Jahn

BG/BRG Schwechat

Die Brücke zum Altbau ist „überirdisch“: Ein gläserner Gang führt in das andere Schulgebäude. Verantwortlicher Generalplaner war Peter Schwinde Architekt BDA.

Brücke zwischen Alt und Neu Mit Beginn des Sommersemesters 2013 übersiedelten 16 Klassen in den Erweiterungsbau des Gymnasiums. Der Bestand ist saniert, barrierefrei gestaltet, und auch der Brandschutz entspricht den neusten Standards.

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ine gelungene Verbindung von alter Bausubstanz und moderner Architektur wurde bei der Sanierung und Erweiterung des BG und BRG Schwechat in der Ehren­ brunngasse geschaffen. Auf der gegenüberliegenden Stra­ ßenseite des Bestandsgebäudes wurde ein rund 4.000 Quadratmeter umfassender Neubau errichtet, der sich mit seinen großflächigen Glaselementen samt Lamellen und Sichtbetonsäulen optisch deutlich unterscheidet. Mit dem Beginn des zweiten Semesters startete der Betrieb des neu­ en Gebäudes, das über eine Brücke über die Ehrenbrunn­ gasse mit dem Altbau verbunden ist. Der neue Standort be­ inhaltet nicht nur 16 zusätzliche Klassenräume, sondern

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ebenso zwei Turnsäle im Untergeschoß, die mittels flexi­ bler Trennung auch in eine große Veranstaltungshalle ver­ wandelt werden können, eine komplett neue Bibliothek, ­einen Speisesaal sowie einen Aufenthaltsraum für Tages­ schulheimkinder. Geplant ist, dass jeweils die Schüler der ersten und der zweiten Klassen im Neubau ihr Zuhause er­ halten – „damit jeder einmal in den Genuss kommt“, sagt ­Direktor Richard Dech. Im Außenbereich stehen den Schülern und Lehrern nun 72 Fahrradabstellplätze und neun Parkplätze zur Verfü­ gung. Die BIG investierte rund zehn Millionen Euro in die Sanierung und Erweiterung. Nr. 13 | 2013 | www.big.at


BG/BRG

Schwechat

Im Erdgeschoß sind die Zentral­bibliothek, das Schulbuffet mit ­Aufenthaltsbereich s­ owie Pausen­freiflächen unter­ gebracht. In den b ­ eiden Obergeschoßen finden 16 neue Stammklassen Platz. ­Unterirdisch befinden sich der neue Doppelturnsaal samt U ­ mkleiden sowie die Haus­technik. Das neue Schul­gebäude erreicht Niedrigenergiestandard und ist, ­genauso wie der ­Bestand, an die F­ ernwärme angeschlossen.

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Zeitraffer Schloss Wolfpassing

Abgeschlossene Wettbewerbe BORG EGG

Fotos: Aufsichten.com

AO-Architekten ZT aus Tirol hat den ge­ ladenen, einstufigen Realisierungswett­ bewerb für die Erweiterung und Funktionssanierung des BORG Egg in Vorarlberg gewonnen. Gegenstand des Wettbewerbs war eine Funktionssanierung des Bestandsgebäudes und eine den Erfor­ dernissen entsprechende Erweiterung. Derzeit werden rund 300 Schülerinnen und Schüler am BORG unterrichtet, nach der Fertigstellung des Projekts sollen es rund 60 Schülerinnen und Schüler mehr sein. Die Investitionen betragen rund 4,5 Millionen Euro. Das niederösterreichische Schloss Wolfpassing im Bezirk Scheibbs war über Jahrhunderte der Sitz verschiedener Adelsgeschlechter. Derzeit werden dort noch bis zum Ende des Semesters Schüler unterrichtet. Danach übernimmt der neue Schlossherr das geschichtsträchtige Gebäude.

Neuer Schlossherr in Wolfpassing

Verkauf an österreichischen Investor – Übergabe der Liegenschaft Mitte Juli. ■  Das Schloss Wolfpassing in Niederöster­ reich hat seit dem Frühjahr einen neuen ­Eigentümer. Der Verkauf ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Über Details der Trans­ aktion wurde daher Stillschweigen verein­ bart. Die Liegenschaft soll spätestens Mitte Juli übernommen werden. Das Problem: Der­ zeit befinden sich noch eine Schule und ein Kindergarten in dem Objekt. Der Käufer hat definitiv kein Interesse an einer Vermietung und beharrt auf einer bestandsfreien Über­ gabe. Spätestens nach Ende des Semesters könnte die Liegenschaft daher gerichtlich ge­ räumt werden. Dazu sollte es aber nicht kom­ men, bestätigte Schulbetreiber Georg Lang doch mehreren Medien gegenüber, konkrete Überlegungen bezüglich ­eines Ersatzstand­ orts zu haben (bei Redaktionsschluss waren die Pläne des Schulbetreibers noch nicht klar). Der Mindestkaufpreis im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung für das 75.000 Quadratmeter große Areal betrug 1,8 Millio­ nen Euro. Der einstige Herrschaftssitz, der später die Bundesmilchwirtschaftsanstalt mit Labors und Produktionsstätten beher­ bergte, erstreckt sich mit mehreren Gebäu­ den auf 75.000 Quadratmetern.

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Tourismusschule St. Johann Der EU-weite, offene Realisierungswett­ bewerb für die Erweiterung und Funktionssanierung der HBLA für Tourismus in St. Johann in Tirol ist abgeschlossen. Aus insgesamt 63 Einreichungen ging wies­ flecker-architekten ZT aus Tirol als Gewinner hervor. Das rund 6.700 Quadratmeter große Bestandsgebäude wird ­saniert und ­erweitert. Das Konzept ermöglicht, den Bestand ohne wesentliche Umbauten zu erhalten und die Baumaßnahmen bei laufendem Betrieb durchzuführen. Die Investitionen betragen rund sechs Millionen Euro.

Ferrarischule Innsbruck Die sogenannte „Ferrarischule“ wird saniert und erweitert. Der EU-weite, einstufige Realisierungswettbewerb zur Findung einer architektonischen Lösung ist abgeschlossen. Der Sieger­ entwurf kommt von den Architekten Brigitte Huber-Theissl und Georg ­Huber aus Salzburg. Bei dem Projekt wird das Bestandsgebäude neben dem Palais um ein drittes Obergeschoß mit ca. 1.500 Quadratmetern Nettoraumfläche aufgestockt. Im bestehenden Schulgebäude werden die Räumlichkeiten des Internats generalsaniert. Um die Energiekosten zu senken, erhält die HBLA eine neue Gebäudehülle. Die Investitionen betragen rund 7,7 Millionen Euro.

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LFU

Innsbruck

Foto: Fridolin Schuster

Im Zuge der thermischen Sanierung ­erhält das Institutsgebäude eine neue Fassade mit einer DreiScheiben-­Wärmeschutzverglasung und einer d ­ avor liegenden Sonnenschutz­verglasung.

BIG modern Das Bauingenieursgebäude ist Teil des Programms „Haus der Zukunft Plus“, eines Forschungs- und Technologieprogramms des Bundes­ ministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Es wird im Auftrag des BMVIT von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft gemeinsam mit der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) abgewickelt.

Mehr als nur ein Facelifting

Die Architektur- und Baufakultätsgebäude der LFU Innsbruck werden saniert.

D Fotos: ATP Planungs GmbH

ie in die Jahre gekommenen Häuser der Fakultät für Architektur und Bauingeni­ eurwesen der Universität Innsbruck in der Technikerstraße werden nach der Sanierung optisch kaum wiederzuerkennen sein. Das Ge­ samtprojekt beinhaltet neben der Erneuerung der Gebäudehüllen die thermische, haustech­ nische, elektrotechnische, brandschutz- und flucht­wegtechnische Sanierung inklusive Um­ setzung aller Auflagen des Arbeitsinspektorats. So werden beispielsweise alle Gebäude mit Sprinkler- und Brandmeldeanlagen ausgerüstet, zusätzliche Treppenhäuser und ein Feuerwehr­ lift im Hochhaus eingebaut. Die Barrierefreiheit wird mit der Erneuerung der Aufzugsanlagen und einem taktilen Leitsystem gewährleistet. Und über allem steht die Energieeffizienz. Das innovative Highlight sind eigens für dieses Pro­

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jekt entwickelte Senkklappfenster, die in Som­ mernächten für eine automatische Kühlung des Gebäudes sorgen sollen. Sogenannte „Überström­ öffnungen“ gewährleisten den Luftaus­tausch zwischen den Gängen und den Büros. Die Erneu­ erung der Haustechnik und ein Grundwasser­ brunnen garantieren zusätzlich eine nachhaltige und zeitgemäße Nutzung des Gebäudes. ­Darüber hinaus werden die Gebäude mit einem tages­ licht- und präsenzgesteuerten Beleuchtungssys­ tem ausgestattet. All diese Maßnahmen sollen zu einer erheblichen Reduktion des Endenergie­ bedarfs beitragen. Angepeilt ist die Senkung auf ein Viertel des Verbrauchs. Nach Fertigstellung des Bauvorhabens im Herbst 2014 wird ein zweijähriges Monitoring zur Überprüfung der Energieeinsparung durch­ geführt.

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Zeitraffer

Foto: marksykes – Fotolia.com

Kollegienkirche

Insgesamt sechs Marmor­ platten waren „verdächtig“, eine weitere Gruft zu über­ decken. Unter keiner wurde etwas gefunden.

s o l g l o f r e n r i H h c a n e h Suc

Am 6. Juli wird die Kollegienkirche feierlich wiedereröffnet. Zum Abschluss der Arbeiten warfen die Restauratoren einen Blick hinter die Kulissen bzw. unter die Böden. Die Suche nach dem Hirn von Erzbischof Ernest Thun von Hohenstein war leider nicht von Erfolg gekrönt.

Z

um Abschluss der Sanierungsarbeiten ließ die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) auch die Gruften unter der Kirche öffnen. Der Grund: Einst hatte Erzbischof Ernest Thun veranlasst, dass sein Hirn in der Universitätskirche beigesetzt werden solle. Unter seiner Ägide war die Kirche von 1696 bis 1707 errichtet worden. Ende März hoben dann Arbeiter eine Bodenplatte, unter der Historiker eine Gruft vermuteten. Unter dem massiven Marmor blickten allerdings alle in eine leere Nische. Christian Wallisch-Breitsching von der Erzdiözese hatte das Hirn eigentlich in der großen Rektorengruft vermutet, doch auch dort konnte die Marmorkiste mit den Überresten nicht gefunden werden.

Öffnung der Rektorengruft

Die Rektorengruft gewährte dennoch Einblicke in das Innenleben der Kirche, die sich dem Kirchen­ besucher normalerweise nicht bieten. In der Gruft wurden alle Rektoren der Universität bis zur Auflösung im 19. Jahrhundert begraben. Die Rektoren waren damals auch alle Geistliche. Insgesamt hat die BIG damit bis heute rund 7,4 Millionen Euro in die Kirche investiert. Inklusive der erneut zugesagten Million wird die BIG dann von den Gesamtkosten in der Höhe von 11,8 rund 8,4 Millionen Euro und damit rund drei Viertel der Belastung getragen haben.

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Kollegien

Kirche

In der Rektorengruft wurden keine Geister beschworen. Ein statisches Modell und Photo­ shop wirken am Bild Wunder.

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Fotos: Chris Hofer

Von außen ist die Kollegien­ kirche schon lange saniert. Nach wie vor ein großes Thema in Salzburg ist der Umgang mit den Marktständen davor.

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Zeitraffer Bezirksgericht Bruck an der Mur

Fotos: Markus Kaiser, Graz

Das Architekturbüro Pittino & Ortner war für die Planung dieses Vorzeige­ projekts verantwortlich.

Nicht nur Fassade E Direkt am Fluss in Bruck an der Mur steht das Vorzeige­ projekt des BIG-Konzerns zum Thema Nachhaltigkeit. Die Mustersanierung des Bezirksgerichts soll zu neuen Erkenntnissen führen, wie der Gebäudebestand sinnvoll aus der Vergangenheit in die Zukunft gebracht werden kann.

Foto: ARE

Die alte Hülle des „Amtsgebäudes“ war nicht nur energetisch wenig attraktiv.

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ine leitende Staatsanwältin, der man durchaus zugestehen würde, einen profunden Überblick zu haben, verlieh Bruck an der Mur bis vor ­Kurzem die wenig charmante Auszeichnung, das „hässlichste Gericht Österreichs“ zu beherbergen. Dieses Urteil fällt nun deutlich gnädiger aus. Mehr noch: Fast mischt sich ein bisschen Stolz in ihre Erzählungen über das Haus. Zu Recht. Denn nach fast eineinhalb Jahren Bauzeit ist das Gebäude, in dem das Bezirksgericht, das Finanzamt und das Vermessungsamt eingemietet sind, kaum wiederzuerkennen. Die Fassade ist in hellem Grün gehalten. Der Vorplatz wurde mit Sitzgelegenheiten und Grünflächen neu gestaltet. Ein taktiles Leitsystem sorgt dafür, dass alle an ihr Ziel kommen. Das Bürogebäude hat sich aber nicht nur optisch verwandelt. Der aus den 1960erJahren stammende Altbau spielt vor allem im Bereich der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz in einer eigenen Liga. Das gesamte Gebäude mit einer Fläche (NGF) von rund 6.200 Quadratmetern wartet nun mit einer Biomasse-Fernwärme-Heizung, einer Photovoltaikanlage und einer in­no­ vativen Solarwabenfassade auf. Der Luftpolster in den Solar­ wabenelementen reagiert auf den Sonnenstand: Bei niedrig stehender Wintersonne heizt sich die Luft in den Waben auf – bei hohem Einstrahlungswinkel der Sommersonne verschatten die Waben und haben dadurch einen kühlenden Effekt auf den Luftpolster im Element. Nr. 13 | 2013 | www.big.at


Bezirksgericht Bruck

An der Mur

Foto: Fotodienst-Sandro Zangrando

Daten, Fakten, Zahlen

Schlüsselübergabe an die Nutzer (v. l. n. r.): BEVPräsident Wernher Hoff­ mann, Finanzamtsvorstand Alfred Brunnsteiner, AREGeschäftsführer Hans-­ Peter Weiss, Bezirks­ gerichtsvorsteher ­ ­Christian Haider.

• Photovoltaikanlage mit einer Nenn­ leistung von 24 kW Peak; 22.500 kWh jähr­licher Ertrag • Biomasse-Fernwärmeanschluss • Eine Büroraumlüftungsanlage versorgt sämtliche Büros mit frischer Zuluft. Der Energieverbrauch wird durch ­Wärmerückgewinnung (ca. 80 %) stark reduziert. • Wärmepumpenanlage, gespeist aus fünf Tiefensonden mit je ca. 100 m Bohrtiefe • automatisierte Nachtkühlung im ­Sommer in den frühen Morgenstunden • sensorgesteuerte Jalousien • sensorgesteuerte Bürobeleuchtung für Helligkeit und Anwesenheit Die Sanierung des Bürogebäudes Bruck an der Mur wurde als Teil des Forschungsund Technologieprogramms „Haus der ­Zukunft“ durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit), die Forschungsförderungsgesell­ schaft (FFG), das Austria Wirtschaftsser­ vice (aws) und die Österreichische Gesell­ schaft für Umwelt und Technologie (ÖGUT) gefördert.

Der Trakt des Bezirksgerichts wurde um rund 875 Qua­ dratmeter erweitert und aufgestockt und erstrahlt auch ­innen in neuem Glanz. Helle Farben und Glaselemente ­prägen das Erscheinungsbild im Eingangsbereich, auf den Gängen, in den Büros und Verhandlungssälen.

Genaue Prüfung

Für rund ums Jahr angenehme Temperaturen im Bezirks­ gericht sorgt das Zusammenspiel der bis zu 100 Meter in die Erde reichenden Tiefensonden mit der Wärmepumpe und dem Nachtlüftungssystem. Sensoren an Jalousien und Bürobeleuchtung gestalten automatisch optimale Licht­situa­ tionen in den Räumen. Für eine kontinuierlich gute Luftqualität in den Büros und Verhandlungssälen sorgt die mechanische Belüftung, die Frischluft einbläst, bevor ein zu hoher CO2-Gehalt erreicht wird. Sämtliche Maßnahmen bewirken, dass der Nutzenergiebedarf um rund 60 Prozent und die CO2-Emissionen um rund 75 Prozent gesenkt werden. Über ein entsprechendes Monitoring werden nun die ­nötigen Daten gesammelt, um Fehler rasch zu erkennen und ein umfassendes Bild über die Lebenszykluskosten zu erhalten. Ziel ist, neue Erkenntnisse für künftige Sanierungen zu gewinnen. Insgesamt wurden rund 8,5 Millionen ­Euro seitens der ARE in die Sanierung und Erweiterung investiert. Nr. 13 | 2013 | www.big.at

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Zeitraffer Eslarngasse | Boltzmanngasse

Metamorphose: Vom Internat zur Luxuswohnung

Fotos: Harald A. Jahn

Abschluss einer erfolgreichen Projektentwicklung – alle Einheiten noch vor Fertigstellung verkauft.

Zur Freude der ­ rojektentwickler P übersteigt die Nachfrage das Angebot bei Wohnungen ­derzeit deutlich.

■  Wer eine der 32 Wohnungen in der Eslarngasse 16 in Wien-Landstraße erworben hat, wohnt in einem Stück Wiener Geschichte. Der Gründerzeitbau, zuletzt Schulinternat, wurde zu schicken Eigentumswohnungen umgebaut. Wo nun auf hohem Niveau gewohnt und gelebt wird, logierten einst Offiziere der k. u. k. Armee, die sich in der Grundausbildung befanden. Nach

dem Ende der Monarchie wurde das Haus als Schulinternat genutzt. Im Jahr 2011 startete der Umbau durch die ARE Development gemeinsam mit Projektpartner Raiffeisen evolution. Die 32 Wohnungen in Stadtruhelage nahe dem Arenbergpark und dem Botanischen Garten verteilen sich auf vier Obergeschoße und das Dachgeschoß mit insgesamt 3.300

Quadratmetern Wohnnutz­fläche. Das mit Fingerspitzengefühl moderni­sier­ te Gebäude bietet seinen Eigen­tü­ mern zudem eine Sauna mit Ruhe­ areal sowie einen Fitnessraum im ­Erd­geschoß. Darunter befinden sich ­Kellerabteile, ein Fahrradabstellraum und die Tiefgarage. Nach Fertigstellung Ende 2012 sind bereits alle Wohnungen verkauft.

Keine Chance für Einbrecher

Fotos: Harald A. Jahn

Wenn die Polizei im Erdgeschoß des Hauses ist, sollten Diebe entweder sehr vorsichtig oder schnell sein.

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Umwandlung vollzogen: Ehemalige Büros sind nun attraktive Wohnungen. ■  In der Boltzmanngasse in WienAlsergrund hat die ARE ein im Jahr 1893 errichtetes Amtsgebäude zu gehobenen, modernen Mietwohnungen und einer Bürofläche umgebaut. Der Altbau besteht aus einem viergeschoßigen Straßen- und einem fünfgeschoßigen Hoftrakt. Das Bundesministerium für Inneres ist mit der Polizeiinspektion zur Gänze im Erdgeschoß beider Gebäudeteile sowie im Keller eingemietet – das bietet ein zusätzliches Sicherheitsgefühl. Im ersten und teilweise zweiten Obergeschoß zur Straßenseite hat die Christian Doppler Forschungsgesell-

schaft ihre Büros eingerichtet. Auf die übrigen Obergeschoße verteilen sich seit Kurzem zehn Mietwohnungen zwischen 63 und 170 Qua­dratmetern Wohnfläche. Beinahe alle Wohnungen verfügen über Balkon oder Terrasse inklusive Blick über die österreichische Hauptstadt. Die Altbauwohnungen zeichnen sich durch die typisch hohen Räume und Flügeltüren, gepaart mit moderner Ausstattung in Küche und Bad ­sowie je nach Wohnungslage ­Grünoder Weitblick, aus. Alle Wohnungen sind zu Redaktionsschluss bereits vermietet. Nr. 13 | 2013 | www.big.at


Triiiple

Fotos: ZOOMVP

Drei Türme mit drei Nutzungsformen im dritten Wiener Gemeindebezirk sind Namensgeber für den Projekttitel „Triiiple“.

Drei Türme für Wien-Erdberg

Die Projektentwicklung „Triiiple“ soll schon bald den dritten Bezirk deutlich beleben.

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as ehemalige Hauptzollamt in Erdberg ist derzeit nicht gerade ein Magnet für Touristenströme aus ­aller Welt. Der in die Jahre gekommene Bau soll aber schon bald einem modernen Gebäudekomplex weichen. Drei Türme für Erdberg – diese Konstellation war ausschlaggebend für den Namen, den die Are Development gemeinsam mit der Soravia Group für ihr jüngstes Wohnprojekt gewählt hat: „Triiiple“. Wobei das Projekt genau genommen eigentlich aus vier Objekten besteht, denn neben den drei Türmen soll zusätzlich ein niedrigerer Flachbau primär Büros beheimaten. Nr. 13 | 2013 | www.big.at

Überzeugen sollen Wohn-, Arbeits- und Gewerbeflächen mit faszinierender Aussicht in bester Lage. Die Infrastruktur ist das zentrale Argument: Das Naherholungsgebiet Prater liegt in Fahrradnähe, das Stadtzentrum ist mit der ­U-Bahn und der Flughafen Schwechat mit dem Auto schnell erreichbar. Neben Büros werden auch 800 bis 1.000 Wohnungen in allen Preisklassen gebaut. Von klassischschlicht bis zum großzügigen Loft. Insgesamt entstehen in den kommenden Jahren rund 70.000 Quadratmeter Nutzfläche. Die Widmung wurde ­bereits eingereicht.

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Zeitraffer

Fotos: Harald A. Jahn

BSZ Tulln

Klare Struktur nach Umbau Eine verbesserte Raumaufteilung, mehr Platz und eine zusätzliche Dreifachsporthalle – das Bundeschulzentrum (BSZ) Tulln ist ordentlich gewachsen und erstrahlt nach der Sanierung in neuem Glanz.

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aren die Schüler des Gymnasiums (BG/BRG) und der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaft­ liche Berufe (HLW) früher bunt gemischt, herr­ schen nach rund zweieinhalb Jahren Bauzeit jetzt klare Verhältnisse. Durch die Neustrukturierung sind die beiden Schulen nun räumlich deutlich stärker voneinander ge­ trennt. Die zentral im Erdgeschoß gelegene Aula und der Mehrzweckraum werden aber nach wie vor von beiden Schulen genutzt. Ein rund 1.600 Quadratmeter großer, L-förmiger Zubau für die HLW wurde direkt an das Bestandsgebäude ange­ bunden. Er beherbergt auf zwei Geschoßen 14 Stamm­ klassen. Auch Sport wird im BSZ Tulln großgeschrieben – es gibt insgesamt zwei Dreifachsporthallen. Die beste­ hende bekam sowohl außen als auch innen eine frische

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Optik verpasst. Die neue, rund 3.000 Quadratmeter große Sporthalle ist über eine Verbindungsbrücke an den zuge­ bauten Schultrakt angeschlossen. Sie wird auch von der Gemeinde Tulln genutzt und punktet mit großen Fenster­ bändern, in hellem Holz gehaltenen Sitztribünen und Sichtbeton sowie dunklen Steinböden in den Gängen und Nebenräumen. Neben der Erweiterung und den neuen Raumstrukturen war auch die thermische Sanierung ein wesentliches Ele­ ment des Projekts. Sowohl das bestehende Schulgebäude als auch die bestehende Dreifachsporthalle bekamen neue Fenster und eine Dämmung der Fassade sowie der Flach­ dächer. Zudem wurden Brandabschnitte geschaffen und in den Nassbereichen die Installationen erneuert. Insgesamt wurden 25 Millionen Euro in das Projekt investiert. Nr. 13 | 2013 | www.big.at


BSZ Tulln

Das Konzept von P ­ eter Schwinde ­Architekt BDA schafft mit Sicht­beton, dunklen Steinböden und Glaselementen ein modernes Erscheinungsbild im Zubau der HLW. Der entstandene Pausenhof zwischen dem bestehenden und dem neuen Bauteil ist mit Sitzgelegenheiten samt einer Pergola ausgestattet und ist ein beliebter Treffpunkt der Schülerinnen und Schüler.

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Thema im Rampenlicht

Ein „inspirierendes Modell“ Die Wirtschafts- und die Euro-Krise gehen auch an den staatlichen Immobiliengesellschaften Europas nicht spurlos vorüber. Der allgemeine Trend lautet: verkaufen. In Österreich wird die Beteiligung eines oder mehrerer Investoren an der neu gegründeten ARE Austrian Real Estate überlegt. Von Eduard Platzenteig

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Foto: miklav – Fotolia.com

ie Euro-Krise, die den europäischen Kontinent seit Jahren fest im Griff hält, hat längst auch voll die staatlichen Immobiliengesellschaften der einzelnen Länder erfasst. Das Modell der Bundes­ immobiliengesellschaft (BIG) gibt es noch in etlichen anderen Staaten – mit durchaus unterschiedlichen Strukturen, Aufgabengebieten und Kompetenzen. Vor allem in den südlichen „Krisenländern“ Europas, die gegen eine hohe Staatsverschuldung und beständig drohende Zinsaufschläge auf Staatsanleihen ankämpfen, kommt der staatliche Immobilienbereich zusehends unter Druck. Bestes Beispiel ist die Agenzia del Demanio, das italienische Pendant der BIG, das trotz einer grassierenden Immobilienkrise samt enormem Preisverfall ihre Immobilien zur Budgetkon­so­ lidierung verkaufen muss. Laut Medienberichten beträgt der Wert jener Immobilien, die den italienischen Behörden ­gehören, aber nicht oder kaum genutzt werden, stolze 42 Milliarden Euro. Die italienische Regierung will daher einen Teil dieser Gebäude veräußern – in einer ersten Phase stehen 350 Immobilien zum Verkauf, berichtet die Agenzia del Demanio. Unter den Filetstücken dieses Veräußerungsprogramms finden sich auch jede Menge historische Palazzi – etwa der Palazzo Diedo in ­Venedig oder der Palazzo Bolis Gualdo im Mailänder Modedistrikt. 1,5 Milliarden Gesamterlös erhofft sich die Agenzia del Demanio von dieser ersten Tranche. Darüber hinaus gibt es zahl­lose weitere Objekte, die sich zum Verkauf anbieten. So ver­ waltet die Agentur etwa auch prachtvolle ­Villen, die zuvor in Besitz von Mafiabossen standen und beschlagnahmt wurden.

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Nicht unter Wert verkaufen

Diego Rossano, Manager für Strategie in der Agenzia del Demanio, spricht gegenüber „BIG BUSINESS“ von einer ­aktuell schwierigen Situation, mit der jedoch auch andere Staaten zu kämpfen hätten: „Es ist derzeit kein guter ­Moment, um Liegenschaften zu Geld zu machen, denn der Immo­

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bilienmarkt liegt am Boden, und die Gefahr ist groß, ­unter Wert zu verkaufen“, sagt er. Jetzt gelte es, gemeinsam mit privaten Investoren zusammenzuarbeiten und einen Ausweg zu finden, damit die geforderten Ziele erreicht werden. „Das ist natürlich nicht leicht, aber dennoch machbar“, bekundet Rossano. Darüber hinaus muss die „Agenzia“ wie andere Ressorts ein von Rom verordnetes Sparprogramm fahren: „Sowohl kurz- als auch langfristig konzen­trieren sich unsere Anstrengungen darauf, Ausgaben zu beschneiden“, so Rossano. Zugleich werde hart daran gearbeitet, Strategien und Geschäftsprogramme zu entwickeln, damit Immobilienwerte gesteigert werden können, um den Profit für das wirtschaftliche und soziale Wachstum einzusetzen.

Kein Kontakt mehr

Noch schlimmer ist die Situation freilich in Griechenland, wo die Euro-Krise ihren Ausgang genommen hatte. Die staatliche Immobiliengesellschaft KED wurde wegen der Krise quasi liquidiert und wieder dem Wirtschafts- und Finanzministerium einverleibt. Für die Immobilien sucht der griechische Staat verzweifelt Käufer – wobei es dabei laut „Spiegel“ enorme Probleme gab und gibt, weil die wahren Besitzverhältnisse der Liegenschaften nicht selten unklar seien. Ausgeschieden sind die Griechen auch aus dem gemein­ samen europäischen Netzwerk der staatlichen Immobiliengesellschaften namens Purenet (Public Real ­Estate Network), das als wichtige Austauschplattform gilt, wiewohl die Hellenen dort sogar im bedeutenden Steuerungsgremium vertreten waren und als wichtiger Inputgeber fungierten. „Unser Ansprechpartner aus Griechenland wurde entlassen, wir haben jetzt keinen Kontakt mehr“, berichtet Rossano. Anders stellte sich bisher die Krise in Deutschland dar, das trotz hoher Haftungen für Rettungsschirme zumindest von extrem niedrigen Zinsen auf Staatsanleihen profitierte. Doch auch die staatliche Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ­(BIMA) spricht von deutlichen Einschränkungen Nr. 13 | 2013 | www.big.at


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Karikatur: Much

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So wie in Österreich reagierte auch die Bundesrepublik aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation: „Ganz beim Ausbruch der Krise mit einem Feuerwerk an Kongenerell gibt es wegen der schwierigen Wirtschaftslage ein junkturprogrammen, die auch maßgeblich über die öffentInvestitionsproblem, weil die Banken mit Krediten zurückliche Bauwirtschaft und damit über die BIMA führten. „Wir haltender werden“, sagt BIMA-Manager Robert Erfen. Mit wurden von der Politik mit zudiesem europaweiten Finanziesätzlichen Mitteln ausgestattet, rungstrend, wonach die Banken «Unser Ansprechpartner was letztlich wesentlich den immer höhere Anforderungen Markt belebt hat“, schildert für Investitionen stellen würaus Griechenland wurde ­Erfen. Dabei habe man sogar den, hätte der Markt zu kämpentlassen, wir haben jetzt Liegenschaften anpacken könfen. Wenngleich bei Verkäufen nen, für die vorher kein Geld da von Top-Lagen immer noch ankeinen Kontakt mehr.» gewesen sei. Mittlerweile ist sehnliche Preise zu erzielen seiDiego Rossano, Agenzia del Demanio zwar nicht das große Sparen anen, wie etwa der Verkauf einer gesagt, aber zumindest stehe attraktiven Staatsliegenschaft deutlich mehr das Kostenbeim Zentrum Berlins, wo ein growusstsein im Vordergrund – oder wie es Erfen salopp ausßes Einkaufszentrum samt Wohnungen geplant ist, beweidrückt: „Die Finanzlage ist nicht so rosig, dass wir das Geld se, so Erfen. Allerdings ist die 2005 gegründete BIMA nicht mit beiden Händen rausschmeißen könnten.“ So würde die unmittelbar von den Kräften des Finanzmarkts abhängig, Wirtschaftlichkeit jedes einzelnen Projekts nun noch exakda sie – anders als die BIG – ihr Geld direkt aus dem Finanzter geprüft: „Unser Auftrag ist es, für die Kunden auch ministerium erhält: „Wir bekommen die Mittel aus dem ­genau den Markt zu sondieren und dann auf Basis der BeBundeshaushalt per Darlehen zur Verfügung gestellt und rechnungen die günstigste Variante herauszufinden. Dabei › müssen diese dann natürlich wieder zurückführen.“ Nr. 13 | 2013 | www.big.at

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dürfe aber nicht die Vermittlung eines Eigenobjekts der ­BIMA im Vordergrund stehen“, betont der Immobilienmanager. „Wir wollen sparsam mit der Ressource Immobilie umgehen und natürlich auch mit dem Geld. Es kann daher auch sein, dass man einmal zu dem Ergebnis kommt, keine Immobilie der Bundesanstalt zu nehmen und stattdessen auf dem freien Markt anzumieten.“ Dann würde man sich von der Immobilie des dann Ex-Nutzers trennen und diese eben verkaufen, so Erfen.

Streng gekoppelt

Auch beim nördlichen Nachbarn, der Republik Tschechien, ist das dortige Pendant der BIG ständig bemüht, sich strukturell den aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Da die OGRPA (Office of the Government Representation in Property Affairs) streng an das staatliche Budget gekoppelt ist, musste in den vergangenen Jahren ein ­radikales Sparprogramm umgesetzt werden, wie OGRPA-­ Manager Karel Louck´y erklärt: „Die gesamten Betriebsaufwendungen wurden 2010 und 2011 jeweils um 24 Prozent

«Der jetzige Schritt der BIG, ein Teil-Portfolio in einer ­eigenen Tochter nach Kriterien des privaten Immobilienmarkts zu bewirtschaften und parallel zu den Infra­ strukturimmobilien zu ­behalten, ist völlig neu.» Kaj Hedvall, Senate Properties

gegenüber dem Vorjahr gekürzt. Die Arbeitskosten wurden zunächst um sieben, später um zehn Prozent gesenkt.“ Zugleich wurden geplante Investitionen verschoben, mit Ausnahme jener für ein neues EDV-System. Die Anzahl der dezentralen Büros, die in tschechischen Bezirksstädten vorhanden sind, wurde von 65 auf 62 gekürzt – was auch den Abbau von Mitarbeitern zur Folge hatte. Außerdem stehen viele bestehende Objekte punkto Raumkonzept und Kostenstruktur auf dem Prüfstand – was letztlich zu weniger Raumbedarf und geringeren Betriebskosten führen soll, erklärt Louck´y. „Das Finanzministerium erwartet zudem von uns, dass wir die Einnahmen aus den Vermietungen ebenso wie jene aus den Immobilienverkäufen steigern. Beides wird allerdings immer schwieriger, weil sich der Immobi­ lienmarkt in einer Krise befindet. Die OGRPA kann daher möglicherweise nur die Mieten steigern“, meint Louck´y.

Effiziente Flächenverwertung

Nicht ganz so schlimm scheint die Situation im hohen ­Norden zu sein, doch auch bei den Finnen ist längst Sparen angesagt. Bei der ­Senate Properties gilt es als größte ak­ tuelle Herausforderung folgende Zielvorgabe umzusetzen: „Unsere Ausgaben müssen heruntergefahren werden, ­wobei gleichzeitig unser wirtschaftliches Ergebnis im Vergleich zu den früheren Jahren gleich gehalten werden soll“, erklärt Kaj Hedvall, Manager für Strategie und Geschäfts-

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entwicklung. Gelingen soll das in dem Mitgliedsland der Euro-Zone unter anderem durch eine effizientere Flächenverwertung und den Verkauf ungenutzter Liegenschaften. Strukturänderungen bei der Senate Properties sind zumindest nicht ausgeschlossen, lässt Hedvall durchblicken: „Wir können nicht vorhersagen, dass unsere Struktur aufgrund der Euro-Krise reorganisiert wird.“ Umso wichtiger scheint in turbulenten Zeiten wie diesen der internationale Zusammenhalt der einzelnen staatlichen Immobiliengesellschaften zu sein – im Netzwerk Purenet sind derzeit 15 Staaten vertreten: Außer Österreich sind dies Belgien, Tschechien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Norwegen, die Slowakei, Spanien, Schweden, Holland und England. Vertreter der BIG in diesem illustren Zirkel ist Peter Höflechner. Er berichtet, dass sich in jüngster Zeit aufgrund der derzeitigen Situation allgemein „Unruhe in den Gesprächen“ breitmache. Nicht zuletzt wurden ja in etlichen euro­ päischen Staaten die Regierungen weggespült, was für die staatlichen Immobiliengesellschaften nicht folgenlos geblieben sei: „Mit jedem Regierungswechsel wird auch über eine neue Organisationsform beziehungsweise Ausgliederung oder Verkauf der Staatsimmobilien nachgedacht“, berichtet Höflechner. Außerdem seien de facto alle angehalten, ihre bisherigen Strukturen grund­legend zu überdenken. „Denn oft sind Verwaltungsappa­rate nach NeuÜbernahmen staatlicher Agenden aufgebläht“, berichtet Höflechner. Im internationalen Vergleich nimmt die BIG dabei durchaus eine Sonderrolle und in vielen Bereichen sogar eine Vorreiterrolle ein. Jedenfalls gebe es eine Gesellschaftsform, die sich wie jene der BIG durch eine echte Ausgliederung auszeichne, sonst nur in Estland und Finnland. Insgesamt geht Höflechner davon aus, dass der Weg einer Ausgliederung in der momentanen Situation für die einzelnen Staaten nicht mehr so lukrativ ist: „Durch die geänderten Richtlinien von Eurostat werden auch die Schulden ausgegliederter Unternehmen in die Gesamtverschuldung einbezogen. Damit ist dieses Modell nicht mehr so interessant“, erörtert Höflechner.

Mehrere Schritte voraus

Mit der neu gegründeten ARE Austrian Real Estate GmbH, einer Tochter der BIG, die seit Anfang des Jahres voll operativ am heimischen Immobilienmarkt tätig ist, verfügt Österreich über ein absolutes Unikat in Europa. Die Alpen­ republik ist damit mehrere Schritte voraus. In dem neu gegründeten Unternehmen sind alle marktfähigen Immobilen gebündelt, während die BIG weiter Schulen, Universitäten und Justizanstalten bewirtschaftet. Die ARE hat ein klares Ziel: die substanzielle Hebung des „privaten“ Mieteranteils. Über diese vom Eigentümer klar kommunizierte Ausrichtung und die Erreichung der Vorgaben sollen auch die Verbindlichkeiten – optimalerweise des gesamten Konzerns – aus den Staatsschulden herausgehalten werden. „Der Zugang der BIG, das Portfolio zu segmentieren, könnte eine sehr effektive Strategie sein. Der Rest von Nr. 13 | 2013 | www.big.at


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Foto: Harald A. Jahn

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Europa wird dies mit Interesse beobachten“, sagt die Britin Bridget Hardy von Integrans Consulting. Die österreichischen Pläne gehen sogar einen Schritt über die straffe Gliederung des Bestands hinaus. So wurde im Frühjahr seitens des Eigentümers eine (Teil-)Privatisierung der ARE angedacht. In Finnland, wo die Senate Properties innerhalb des Staatsgefüges eine ganz ähnliche Rolle einnimmt wie die BIG und ähnlich organisiert ist, werden die jüngsten Aktivitäten in Österreich ganz genau beobachtet. Denn: „Die BIG gilt im Europavergleich als staatliche Immobiliengesellschaft mit einer der modernsten Strukturen“, sagt „Senate“Manager Hedvall. Explizit als vorbildhaft erwähnt er dabei das Mietsystem und das Verhältnis zu den Kunden. In der Bundesrepublik denkt man derzeit nicht an Strukturänderungen, wiewohl man sehr genau beobachte, ­welchen Weg die Kollegen in Wien einschlagen, beteuert ­BIMA-Manager Erfen. Derzeit verfolge man aber eher die Strategie, private Investoren bei einzelnen Projekten an Bord zu holen: „In bestimmten Fällen sind öffentlich-private Partnerschaften sinnvoll, dazu wurde bei uns die so ­genannte ,Partnerschaften Deutschland‘ neu geschaffen.“ Dieses unabhängige Beratungsunternehmen berät und beNr. 13 | 2013 | www.big.at

gleitet öffentliche Auftraggeber in der Frühphase von möglichen öffentlich-privaten Partnerschaften (Public Private Partnerships – PPP). So werde derzeit gemeinsam mit privaten Partnern der Neubau des Bildungs- und Forschungs­ ministeriums in Berlin umgesetzt, berichtet Erfen. „Wir

«Der Zugang der BIG, das Portfolio zu segmentieren, könnte eine sehr effektive Strategie sein. Der Rest von Europa wird dies mit Interesse beobachten.» Bridget Hardy, Integrans Consulting

prüfen aber immer sehr genau, wo PPP günstiger als herkömmlicher Eigenbau ist.“ Keine derartigen Tendenzen gibt es aktuell in Tschechien: Für Privatbeteiligungen via Spin-off-Gesellschaften ­gebe es schlicht keine Rechtsgrundlage, betont OGRPA-Manager Louck´y. Allerdings wird von der dezentral organisierten OGRPA das Modell BIG als „gutes Beispiel für künftige ›

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Thema im Rampenlicht

­ eränderungen in der Tschechischen Republik“ angesehen: V „Dieses Modell ist sehr inspirierend für uns“, so Louck´y. ­Dazu bräuchte es freilich durchaus radikale Gesetzesänderungen, für die es aktuell und wohl auch in nächster Zeit keine politische Mehrheit in Prag gibt, wiewohl es in den vergangenen Jahren eine rege Diskussion über eine Neuaufstellung der OGRPA gegeben hat, erzählt der Immobilienmanager. Derzeit ist die 2002 gegründete OGRPA im Finanz­ministerium als Dienststelle für Immobilien angesiedelt. „Aber wir sehen Systeme wie jenes der BIG als eine moderne, effektive Lösung an, die von mehr und mehr euro­päischen Ländern angestrebt wird.“

Kostenbewusstsein

Aktuell sei das praktizierte Mieter-Vermieter-System der BIG „sehr interessant“ für andere Staaten, registriert auch Höflechner. Ein ähnliches Modell existiert übrigens auch in Deutschland, allerdings mit einigen Abstrichen: „Anders als in Österreich dürfen wir keine Kredite auf dem freien Markt aufnehmen. Wenn ich mit den österreichischen Kollegen

«Wir stehen im Wettbewerb. Dadurch sind wir gezwungen, die entscheidenden weiteren Schritte von einer modernen Verwaltung zu einem perfekt aufgestellten Unternehmen zu gehen.» Hans-Peter Weiss, BIG-Geschäftsführer

spreche, bin ich immer wieder erstaunt, wie frei sie am Markt operieren können. Bei uns wird allerdings ebenfalls überlegt, dass wir die Finanzierung auf andere Füße stellen und auf Eigenfinanzierung übergehen können“, sagt BIMAManager Erfen. Die Mittel stammen derzeit direkt aus dem Bundeshaushalt – wobei vor Gründung der BIMA 2005 noch jedes Ressort die Bauwerke selbst verwaltete und auch im Grundbuch stand. „Jetzt werden im Haushalt für jedes Ressort die Mietkosten berücksichtigt. Diese Mieteinnahmen führen wir dann wieder dem Haushalt zu. In diesem Kreislauf verdienen wir nichts“, sagt ­Erfen. Zugleich gebe es auch einen 15-prozentigen Aufschlag für Rücklagen, der für Arbeiten im Inneren wie ­Äußeren, Schönheitsreparaturen und Bagatellschäden bestimmt ist. Diese Umstellung sei aber nicht bloß strukturell gewesen, sondern habe sehr wohl auch ein konkretes Ziel verfolgt – das mit diesen „fiktiven Mieten“ durchaus auch erreicht worden sei: „Der positive Effekt ist nun, dass damit ein Kostenbewusstsein geschaffen wurde. Denn erstmals wurde transparent, was eine Liegenschaft kostet. Vorher waren ja nur die Betriebskosten sichtbar, nun ist es jeder Quadratmeter“, erklärt ­Erfen. Dadurch gebe es bei den ­Bundesmietern nun verstärkt das Verlangen, die Mietkosten zu verkleinern und nicht benötigte Flächen zurückzugeben. Der gravierendste Unterschied zur BIG ist also: Während die BIG Eigentümer der Liegenschaften ist und hinter den

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Mieten nicht nur Excel-Listen, sondern reale Zahlungs­ flüsse stehen, ist das deutsche Modell theoretischer Natur. Die Auswirkungen dessen musste die BIG allerdings schon mehrmals schmerzlich zur Kenntnis nehmen: Alle Bundesstellen sind verpflichtet, auf die BIMA zurückzugreifen, und dürfen daher am „freien Markt“ keine Verträge abschließen. „Wir sind der zentrale Dienstleister. Die Öster­ reicher hingegen sind ja nur ein Anbieter unter mehreren, wo sich die Dienststellen dann bedienen können, aber nicht müssen“, vergleicht Erfen. Hans-Peter Weiss, Geschäftsführer der BIG, sieht gerade diese Herausforderung dagegen sportlich: „Genau das ist der Punkt. Wir stehen im Wettbewerb. Dadurch sind wir gezwungen, die entscheidenden weiteren Schritte von einer modernen Verwaltung zu einem perfekt aufgestellten Unternehmen zu ­gehen“. Solche und ähnliche Entwicklungen werden laufend auf Purenet-Tagungen oder in Netzwerkgruppen („Working Tables“) diskutiert. So gibt es unter anderem Gruppen zu ITLösungen, Strategie und Portfoliomanagement, zum Umgang mit Kulturerbe oder zum Komplex Nachhaltigkeit. Einmal im Jahr findet dann eine große Konferenz mit allen Purenet-Mitgliedsländern statt. Und wo liegt nun der konkrete, im operativen Bereich sichtbare Nutzen dieses Netzwerks? Höflechner nennt spontan den Sektor Energiebedarf: „Es geht um die Frage, wie man mit kreativen PPP-Modellen, Contracting oder durch große Ausschreibungen Energie und Strom verbilligen kann. Durch die internationalen Kontakte wissen wir, dass eine Ersparnis von zehn bis 15 Prozent möglich ist.“

Erfahrungsaustausch

Auch bei den südlichen Nachbarn hebt man die Vorteile des Netzwerks hervor, da es sich mit den täglichen betrieblichen wie strategischen Problemen am staatlichen Immobiliensektor befasse: „Daher hat Purenet einen unglaub­ lichen Nutzen, was Einsparungspotenziale betrifft. Bei jährlichen Kosten von nicht mehr als 6.000 Euro – inklusive Reiseausgaben – bekommt man hochinteressante Informationen über Projekte und Erfahrungen anderer. Keine Consulting-Firma kann das zum selben Preis abliefern“, meint „Agenzia“-Manager Rossano. Dass sich die derzeit so freundschaftlich verbundenen Immobiliengesellschaften einmal wirtschaftlich in die Quere kommen könnten und das ausgeplauderte Knowhow zum Bumerang wird, das glaubt derzeit niemand. ­„Eine Konkurrenzsituation kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Und da die Akquise ausländischer Investoren im Hintergrund steht, werden wir uns nicht ernsthaft ins Gehege kommen“, erklärt Erfen. Zumal auch niemals Unternehmensgeheimnisse verraten würden. Nachsatz: „Ich wüsste aber auch nicht, wo ich einmal eine Information nicht an die Kollegen preisgegeben hätte.“ Ähnlich sieht es Peter Höflechner von der BIG: „Die Konkurrenz spielt absolut keine Rolle. Nur wenn plötzlich alle auf Investoren­ suche gehen müssten, könnte es zu so einer Situation kommen. Jetzt profitiert jeder vom anderen.“ ‹ Nr. 13 | 2013 | www.big.at


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„Nicht nur reden, sondern auch umsetzen“ Unternehmensberater David C. Lottenbach hat Einblick in mehrere staatliche Immobilienunternehmen oder Agenturen Europas. Sein Fazit: Systematisch eingesetzter Mut lohnt sich. Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein schadet auch nicht.

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Der Betriebswirt und ehemalige Vice President Marketing bei Swiss Air, David C. Lottenbach (53), unterstützt als freier Berater Vorstände beim Thema Geschäftsmodelle. Zu seiner Klientel zählen auch (staat­liche) Immobilien­ unternehmen in ­Europa.

Fotos: BIG

■ Wie sehen Sie die Entwicklung der Bun­ desimmobiliengesellschaft im europäischen Vergleich? Lottenbach: Die BIG ist sehr mutig und baut Strukturen auf, über die die anderen reden, die sie aber nicht umsetzen. Vor allem, wenn man sich den Schritt mit der Gründung der ARE ansieht, würde ich da auch von keinem Einzelfall reden. Das hat schon System. Welche Unterschiede sehen Sie konkret? Lottenbach: Es gibt meines Erachtens mindestens zwei dominante Glaubensrichtungen. Die BIG ist Vorreiter des Paradigmas, die Immobilien primär als Geschäft zu betrachten. Die Überlegung ist, dass die harte, aber faire Auseinandersetzung mit dem freien Markt zu hoher Effizienz und zu innovativen Lösungen führt. Für die baltischen Länder ist das jedenfalls sehr interessant. Andere Länder wiederum können oder wollen dieses Modell nicht eins zu eins umsetzen. Die andere Schule ist, den öffentlichen Immobiliensektor in einer Mischform weder als reine Politik noch als gewinnorientiertes Geschäft zu betrachten. Dabei wird versucht, geschäftsmäßige Prozesse einzuführen und den Professionalisierungsgrad zu erhöhen, um „Public Real Estate“ als Kom­ petenzzentrum und Transmissionsinstrument für staatliche Vorgaben einzusetzen. So ­haben beispielsweise die Kollegen aus Skan­ dinavien klare Kostensenkungsvorgaben, nicht nur den eigenen Betrieb, sondern den gesamten öffentlichen Immobiliensektor betreffend. Sie durchleuchten jetzt mehrere Staaten und deren Umgang mit ihrem Immobilienvermö­ gen und ihren öffentlichen Kunden. Wie be­ urteilen Sie generell das Spannungsfeld zwi­ schen politischen Entscheidungswegen und unternehmerischem Handeln? Lottenbach: Wo die Politik Eigentümer ist, wird es immer einen gewissen Einfluss geben – wobei das ja auch grundsätzlich Privileg jedes Eigentümers ist. Die Frage, wie groß

der Einfluss ist oder wie er kanalisiert werden kann, hängt sehr stark von der Professionalität des Managements und der Struktur des Unternehmens ab. Bei der BIG sehe ich schon eine klare Linie. Was fasziniert Sie an dem Gebiet? Lottenbach: Ich beschäftige mich parallel zum Privatsektor auch mit Unternehmen im staatlichen Bereich, die sich trotz des politischen Umfelds eine Professionalisierung ­ihrer Strategie und ihrer Prozesse auf die Fahnen geschrieben haben und diesbezüglich mit den Privatunternehmen gleichziehen wollen. Unter diesen Rahmenbedingungen

die richtigen Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen, ist schon eine erweiterte Herausforderung und macht die Sache auch sehr spannend. Welchen weiteren Weg würden Sie der BIG empfehlen? Lottenbach: Ich empfehle der BIG, auch weiterhin strategische Zugänge und Wege offen zu diskutieren und sie in innovativen Geschäftsmodellen konsequent umzusetzen. Das ist ja noch keine besondere Empfehlung. Sind solche Diskussionen in Unternehmen nicht normal? Lottenbach: Die BIG ist trotz der Stringenz ­ihrer Modelle schon mutig und vor allem konsequent. Nicht mutiger als private Unternehmen, aber im Vergleich zu den anderen europäischen Immobilienagenturen schon deutlich offener und unternehmerischer. Nachdem Sie mit der BIG in keiner längerfris­ tigen Vertragsbeziehung stehen, gehe ich da­ von aus, dass Ihre positive Sicht auf die Ent­ wicklung der BIG auch Ihrer ehrlichen Mei­ nung entspricht. Nicht immer ist man in der BIG auch von sich selbst so überzeugt. Woran könnte das liegen? Lottenbach: Das gleiche Phänomen habe ich in anderen öffentlichkeitsnahen Unternehmen auch schon erlebt. Ein Beispiel sind die Schweizer Bundesbahnen. Das Bild der Kunden von den Dienstleistungen ist überwiegend positiv, das eigene Bild eher schlecht: konservativ, entscheidungsschwach, ungenügende Kommunikation. Das hat aus meiner Sicht damit zu tun, dass sich diese staatsnahen Betriebe ihrer Einbettung in die Politik und deren Restriktionen sehr bewusst sind, und alles, was nicht so gut läuft, wird darauf reduziert. Demgegenüber stellen sie sich die freie Welt so vor, dass dort alles einfacher, weil strikt marktorientiert ist. Man entscheidet aber fast nirgends sehr schnell oder nur rational. Man ist in der Privatwirtschaft einfach deutlich selbstbewusster und macht sich selbst nicht immer so schlecht. ‹

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Selbst der Brand vor mehr als einem Jahr in dem Gebäude für Wirtschaftsjuristen kann an der fristgerechten Fertigstellung nichts ändern. Die Holzlamellen für den Sonnenschutz prägen das äußere Erscheinungsbild. Für die Architektur verantwortlich ist CRABstudio Architects aus London.

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Bühne frei für den Campus WU Die größte heimische Bildungsbaustelle geht ins Finale: Auf dem neuen WU-Campus im Wiener Prater laufen die letzten Vorbereitungen für die Übergabe auf Hochtouren. Im Oktober starten rund 24.000 Studierende und 1.800 Mitarbeiter in den sechs Gebäudekomplexen in das Wintersemester 2013 – und damit in eine neue Ära.

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Foto: 2013 BOANET.AT

Alexandra Galle berichtet von der Baustelle


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etritt man die „Bühne“ des Campus, erhält man einen perfekten Gesamteindruck der neuen Wirtschaftsuniversität. Von dem erhöht und über Stufen erreichbaren Platz mit dem klin­ genden Namen direkt vor dem Library and Learning Center (LLC) lassen sich alle sechs Neubauten und der Boulevard erfassen. „Ein Platz zum Sehen und Gesehenwerden“, be­ schreibt Maximilian Pammer, Geschäftsführer der gemein­ samen Projektgesellschaft Wirtschaftsuniversität Wien Neu GmbH, die „Bühne“. Dabei dient die Erhöhung nicht nur der Aussicht, sondern wird sozusagen beidseitig ge­ nutzt – denn unter dem Platz können 75 Fahrräder abge­ stellt werden. Steigt man die Stufen hinab, erstreckt sich nach links und rechts der Boulevard, der durch den gesam­ ten Campus führt. Er wurde im Mai und Juni noch gepflas­ tert. „Der Campus ist etwas Einzigartiges. Wir pflastern hier ­etwa 18.000 Quadratmeter Fläche. Dabei sind wir auch von den anderen Gewerken ­abhängig “, berichtet ein Stein­ setzer aus der Steiermark.

Eine Geruchsfrage

Die Fußgängerzone, wo übrigens Fahrradfahren verboten sein wird, bietet Gelegenheit zum „Chillen“. Wasserflächen, Sitzgelegenheiten, Biergarten, Wiesen und Ginkobäume prägen diesen Freiraum. Einiges davon ist beim BIG-Busi­ ness-Lokalaugenschein im Finale der größten heimischen Universitätsbaustelle schon zu erkennen, lädt aber ange­ sichts von Baumaschinen, herumliegenden Materialien und dem dauernden Lärm vom Bohren derzeit nur bedingt ein, entspannte Minuten in der Sonne zu verbringen. Da­ mit das schöne Grün und der Schatten, den die Bäume spenden, in Zukunft auch genossen werden können, müs­ sen nicht nur die Baumaschinen abfahren, es wird auch da­ rauf geachtet, ausschließlich über 200 männliche Ginkos zu pflanzen. Das Geschlecht ist nämlich olfaktorisch von entscheidender Bedeutung. Weibliche Früchte des Ginkos duften keineswegs betörend, sondern eher abstoßend. Da­ mit würde der eine oder andere lebenslustige Student an „den Morgen danach“ erinnert, wenn die bereits am Vor­ abend konsumierte Nahrung aufgrund unverhältnismäßi­ gen Alkoholgenusses unverdaut zu Tage gefördert wurde und der entsprechende Geruch noch in der Nase hängt. ­Eine Restunsicherheit bleibt allerdings, ist das Geschlecht der Ginkos doch erst nach rund 15 Jahren wirklich erkenn­ bar. Frühestens dann liegt der Unterschied in der Luft. ›

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Normalerweise ist Rost auf oder in Gebäuden eher unerwünscht. Hier ist er gewollt. Die von BUSarchitektur eingesetzte Cortenstahlfassade schützt nämlich das Hörsaalzentrum mit der Mensa vor Wind und Wetter. Bild unten: die „Bühne“ vor der Bibliothek.

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Normalerweise werden die beschreibenden Texte der Architekten selten der Realit채t gerecht. Im Fall des Learning and Library Center 체bertrifft die Wirklichkeit jedes geschriebene Wort von Zaha Hadid.

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Generell hat der harte Winter den Projektmanagern ei­ nen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Bepflanzung der Außenanlagen hinkt noch hinterher und wird bis An­ fang Juli fertiggestellt. Die Freiflächen wie auch sämtliche Erdgeschoße aller sechs Gebäude, mit Buchhandlungen, Cafés, Restaurants, Supermarkt, Seminarräumen und Auf­ enthaltsbereichen, sind ab Oktober öffentlich zugänglich.

Raumschiff-Aula und „Tetris“-Fassade

Innen wie außen ist jedes der sechs neuen WU-Gebäude für sich ganz speziell und lässt die Handschrift der im Wett­ bewerb siegreichen internationalen Architekten erkennen. Zaha Hadids Library and Learning Center ist lichtdurch­ flutet und durch schräge Wände und viele Rundungen ge­ prägt. Was optisch gut aussieht, macht jedoch den Arbei­ tern zu schaffen. So dauert das Maßnehmen an den runden Wänden für den Einbau der Lampen doppelt so lange wie die Montage selbst, berichten etwa die Handwerker. Das bestätigt auch Dariuss Klyta, der für den Einbau der Glas­ elemente zuständig ist. Trotz der aufwendigen Arbeit stellt der Pole ein positives Urteil aus: „Das Gebäude sieht aus wie ein Schiff. Ich bin schon viel herumgekommen, aber so etwas habe ich noch nicht gesehen.“ Im typisch bayrischen Dialekt bezeichnet ein Glas-Obermonteur das Projekt als eine „ganz heiße Baustelle“. „Es ist eine große Herausforde­ rung, hier ist nichts gerade, jede Glasscheibe ist einzeln ge­ fertigt. Passt eine nicht, muss eine neue in der Fabrik zuge­ schnitten und hergeschickt werden“, erklärt der Deutsche. Nicht nur die Bauweise, auch die verwendeten Materialien sind speziell: Der Sichtbeton wurde in Holz geschalt und hat somit die Struktur des Baumes, wie beispielsweise die Nr. 13 | 2013 | www.big.at

Astlöcher, angenommen. Bis der perfekte Sichtbeton her­ gestellt werden konnte, bedurfte es allerdings einiger Übung. Das ist noch im Untergeschoß zu erkennen, wo die Anfangselemente verarbeitet wurden. Damit der Beton in der Fertigstellungsphase nicht versehentlich als unfertig beurteilt und angestrichen wird, weisen überall Schilder darauf hin, dass es sich um Sichtbeton handelt und dieser somit unberührt bleiben muss. Andernfalls droht den Misse­tätern der Verweis von der Baustelle. Auch neben der Aula – künftig Forum genannt –, die von einigen gar als Raumschiff bezeichnet wird, befindet sich ein besonderes Highlight am neuen Campus: Die Biblio­ thek bietet eine fantastische Aussicht auf den grünen Pra­ ter. „Ich freue mich schon auf die neue Bibliothek. Super ist, dass sie ganztags und die ganze Woche geöffnet haben wird“, meint die WU-Studentin Bettina Richter, die von BIG Business am bald alten Standort in der Augasse angetrof­ fen wird. Aus persönlichem Interesse ist sie auch schon neugierig, wie sich der Biergarten präsentieren wird. „In Marketing haben wir ein Konzept für das Bierlokal erstellt, und ich bin gespannt, ob etwas davon umgesetzt wird.“

Platz für Sport

Links vom LLC sticht aber auch die „Tetris“-Fassade des be­ nachbarten Departmentgebäudes von Carme Pinós ins ­Auge. Die Seminarräume und Büros wurden bereits An­ fang Juni fertiggestellt, wodurch schon mit der Einrichtung begonnen werden konnte. Auch die Spezialbibliothek für Sozialwissenschaften findet hier Platz. Rund um die Gebäu­ de des Campus können bei Basketball und Tischtennis die Studienpausen sportlich genutzt werden. Wer sich weiter ›

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Fotos: 2013 BOANET.AT

Der Campus wird pünktlich übergeben, die Kostenvorgaben werden eingehalten.

Computerspiele der ersten Stunde wie „Tetris“ könnten für die Architektin Carme Pinós beim Design der Fassade eine Anregung gewesen sein.

auspowern möchte, findet ganz im Osten des Campus Gymnastikräume und einen Turnsaal im Universitätssport­ ins­titut vor, wo auch die Österreichische Hochschüler­ schaft (ÖH) untergebracht sein wird. Ganz im Westen glänzt die ganz in Schwarz gehaltene Executive Academy. In diesem „Würfel“ befinden sich unter anderem ein Café und ein Restaurant mit Aussichtsterras­ se sowie Büros und Seminarräume für Postgraduate-Lehr­ gänge wie zur Erlangung des Titels MBA. Hohe Räume im Seminarbereich, viel Glas und Sichtbeton charakterisieren den Bau von No.MAD Arquitectos. Farbe gibt hier nur der Teppich. Das Apfelgrün erinnert wiederum an den neuen Science Park in Linz. Erst kurz vor Übergabe wird aber die Besonderheit des Plans von Eduardo Arroyo sichtbar: Die innen liegenden, zu den Fenstern gerichteten Wände wer­ den mit Spiegeln versehen, in denen sich die Fenster­ elemente der Fassade, der Außenraum wie auch die Besu­ cher spiegeln und die somit für ein spezielles Raumgefühl­ sorgen werden.

Im Farbrausch

Ein farblicher Blickfang ist jedenfalls das Department­ gebäude samt Administration und Rektor-Büro vom Archi­ tekturbüro CRABstudio aus London. Wer den Gebäudekom­ plex mit Farbverlauf von gelb bis rot schon von außen bunt findet, wird im Inneren erneut überrascht. Während der

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Verlauf außen von oben nach unten intensiver wird, ver­ hält es sich im Inneren genau umgekehrt. Daneben sind die Gänge auch einmal grün oder türkis. Die gesamte Farb­ palette wurde aber erst in der Spezialbibliothek für Wirt­ schaftsjuristen verwendet. Hier stehen Kojen, sogenannte Pods, als Rückzugsorte zum Lesen in Pink, Lila oder Grün be­ reit. Zur Abwechslung sind die Bücherregale blau. Ob sich der beißende chemische Farb­geruch bis zum Herbst ver­ flüchtigt haben wird, bleibt an­gesichts der Farbmengen ­allerdings fraglich. Doch beim Rundgang wird nicht nur ausgemalt, auch der Teppich wird gerade verlegt. Das ­Design – grau mit gelben Tupfen – lässt die Meinungen auseinandergehen. Projektleiter Pammer weist darauf hin, dass es sich um ein typisch englisches Gebäude handelt. Für einen Laien ist das nicht festzustellen. „Engländer las­ sen die Technikinstallationen an den Decken oft frei sicht­ bar, während Rohre und Kabel sonst meistens hinter abge­ hängten Decken versteckt werden“, klärt Pammer auf. Auch die Holzbretter vor den Fenstern lassen auf den ers­ ten Blick auf ein in Bau befindliches Gebäude schließen, wo erst das Gerüst abgebaut werden muss. Die Hölzer aus ro­ buster Weißtanne werden allerdings bleiben und sollen als Sonnenschutz dienen. Als Kontrast dazu präsentiert sich Hitoshi Abes Departmentgebäude mit Seminarräumen und Büros ganz spartanisch in Schwarz und Weiß. Dies ist jedoch noch kein Beleg für Funktionalität oder elegantes Design. „Die schwarze Wandfarbe wird bei der kleinsten Berührung sofort wieder schmutzig – außerdem sieht es aus wie in der Geisterbahn“, meinen die Maler mit einem Schmunzeln. Schwung gibt dem Gebäude die Wellenform, die auch im Inneren in den lichtdurchfluteten Gängen sichtbar ist. Im „rostigen“ Hörsaalzentrum von Master­ planer BUSarchitektur kann mit großen Dimensionen für die vielen Studierenden aufgewartet werden. Hier befin­ den sich unter anderem die Mensa mit rund 1.000 Sitzplät­ zen, wo etwa 2.500 Essen pro Tag auf den Teller kommen, und das Audimax für ungefähr 650 Personen.

Zeit und Kosten im Plan

Für ein Projekt dieser Dimension scheint es eine Spitzen­ leistung aller Beteiligten zu sein, dass der Campus in der ohnedies knapp kalkulierten Zeit de facto pünktlich über­ geben und zeitgerecht in Betrieb genommen werden kann. Zu kurzen Rückständen führten der aufsehenerregende Brand im Mai 2012, der harte Winter sowie der Konkurs ­einer Firma, was mit einer Lieferverzögerung für Fassaden­ teile des LLC einherging. Die Kosten für das derzeit größte Projekt der BIG konnten mit 492 Millionen Euro ebenfalls eingehalten werden. Nicht nur dank präziser Kalkulationen › Nr. 13 | 2013 | www.big.at


Campus WU

Die Executive ­Academy ist eine Aus­bildungsstätte für fertige Akade­ miker. Das Gebäude von Eduardo Arroyo von No.MAD Arqui­ tectos ist das ­einzige auf dem Campus, in dem nach Abschluss der Planung fast nichts mehr verän­ dert wurde (Fotos oben und links). Die „Welle“ von Hitoshi Abe ist innen wie außen schwarz-weiß. Für Farbe werden die künftigen Nutzer sorgen (Fotos links).

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Thema Campus WU

und Ausschreibungen, sondern auch durch sogenannte ­Abwurfpakete: Dabei musste jedes Architekturbüro Ele­ mente einplanen, die bei Überschreitung der Kosten pro­ blemlos weggelassen werden konnten. Ein Beispiel dafür sind die Glasschwerter im Haus von Carme Pinós. Dabei handelte es sich selbstverständlich nicht um Waffen, son­ dern um Glasstreifen neben den Bürotüren, die Licht von den Büros in die Gänge werfen sollten. Stattdessen wurden nun deutlich günstigere Türsysteme mit bereits integrier­ ten Glaselementen eingebaut.

Wenn die Außenanlagen fertig sind, wird das Flanieren auf dem Campus-Gelände nicht nur für Architekturinteressierte ein einmaliges Erlebnis.

Probebetrieb ab Mitte Juli

Nachdem im Mai und Juni Komplettierungsarbeiten wie Bödenverlegen, Ausmalen und der Einbau von Leuchten und Sanitäranlagen durchgeführt wurden, werden aktuell die technischen Anlagen wie Aufzüge, Brandschutztüren und Brandrauchentlüftung sowie auch die Dichtheit der Gebäude auf Herz und Nieren getestet. „Die Brandrauch­ entlüftung ist ein wichtiger Faktor für die Sicherheit im Brandfall, da die Gebäude offen gestaltet sind. Sie saugt den Rauch an und führt ihn nach außen ab“, erklärt Pam­ mer. Doch die meiste Technik versteckt sich unter den Ge­ bäuden: Dazu gehören vor allem die Anlagen für Heizung, Kühlung, Lüftung und Sanitär. Beinahe endlos verlaufen hier Kabel und Rohre. Techniker Andreas Büttnel hat schon viel Erfahrung: „Man muss sich aber in jede Anlage hinein­ leben, keine ist gleich. Vor allem wird hier viel Wert auf Energie durch Grundwassernutzung gelegt. Wir stellen die Anlagen ein, optimieren sie und führen Messungen durch. Außerdem werden wir für den weiteren Betrieb das Faci­ lity-Management der BIG einschulen“, erklärt der Experte. Erst im Anschluss an die Selbsttests erfolgt dann die rund drei Wochen dauernde Abnahme des gesamten Campus durch die Prüfstellen. Schließlich wird vor der offiziellen Übergabe der Gebäude an den Nutzer, die Wirtschafts­ universität Wien, ein dreiwöchiger Probebetrieb durch­ geführt.

Countdown läuft

Sind Abnahmen, Mängelbehebung, Übergabe sowie die umfangreiche Einrichtung und Übersiedelung abgeschlos­ sen, heißt es im Oktober 2013 Bühne frei für den Campus WU als neues architektonisches Wahrzeichen in Wien und als eines der größten und modernsten Universitätsbau­ projekte in der Europäischen Union. In der Aula am be­ stehenden Standort am Alsergrund läuft derweil auf einer Ins­tallation bereits der Countdown. In digitalen roten ­Ziffern werden die Tage bis zum Semesterstart auf dem neuen Campus gezählt. Während dies für viele Studierende ­bis­lang die einzige Information ist, gibt es einige, die durch Eigenrecherche schon mehr wissen. Wie etwa ­Nina ­Dolezal – sie hat sich bereits die Fotos im Internet angese­ hen: „Ich freue mich, dass ein neuer, moderner Campus kommt.“ Andere würden die Studienzeit angesichts der neuen Uni beinahe gerne verlängern. „Sieht geil aus, ich werde aber nicht mehr lange in den Genuss kommen“, ­bedauert etwa ein Student im achten Semester. ‹

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Foto: 2013 BOANET.AT

Campus WU

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Thema Container

Fotos: BIG

Eine der ersten Assoziationen bei dem Wort „Container“ ist wahrscheinlich „Baustelle“. Von außen zeigen sie dabei nicht sehr oft, dass es innen durchaus nicht nur zweckmäßig, sondern sogar gemütlich sein kann.

„Dicke Luft“ im Container Staub, Lärm und Schutt sind bei Sanierungen unvermeidbare Begleiterscheinungen, die aber von den Mietern eher gering geschätzt werden. Eine beliebte Fluchtmöglichkeit: der Container. Die Erfahrungen damit sind durchwachsen. Besonders heikel sind Schulen. Von Ernst Eichinger

S

o richtig salonfähig wurden „Container“ im deutschen Sprachraum mit „Big Brother“. Dabei sperrte das Privatfernsehen nach der Jahrtausendwende eine Handvoll exhibitionistisch veranlagte Menschen in eine provisorische Behausung am Studiogelände. Deren einzige Aufgabe war, authentisch zu bleiben. Begeisterte Massen konnten dann mehrere Wochen ausgewählten, aber weitgehend begabungsfreien Durchschnittsbürgern vor den TV-Schirmen beim Zähneputzen, Kochen oder Saubermachen zusehen. Spannende Diskurse wurden in einem scheinbar „normalen“ Wohnzimmer geführt. Tatsächlich aber kamen all diese Höhepunkte menschlichen Zusammenlebens aus einem in rund einer Woche fertig aufgebauten und eingerichteten „Containerdorf“. Und das steht heute noch. Container haben nämlich je nach Qualität und Ausführung eine Lebens­

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dauer von rund 15 Jahren. Und das macht sie für diverse Nutzungen attraktiv. Aufgrund der Modulbauweise sind fast keine Grenzen gesetzt: In Schritten von rund 14 Qua­ dratmetern Fläche ist nämlich jederzeit – auch nachträglich – eine Erweiterung oder Reduzierung möglich. Tatsächlich haben die Varianten eines Gebäudes wenig mit dem gemein, was man als Abbild eines tristen Baucontainers im Kopf hat. Eine „Einheit“ ist maximal 2,5 Meter breit, denn breitere Elemente dürfen von einem Lkw nicht transportiert werden. Die Länge liegt bei drei bis neun Metern. Die Basisausstattung besteht immer aus Fenstern, einer Türe, Elektrik und Heizung. Analog zum Auto gibt es bei Sonderausstattungen kein Limit. Für „besondere Bedürfnisse“ existieren eigene Sanitärausführungen. Außer für Baucontainer, Schulbauten oder Bürogebäude gibt es auch etliche ausgefallene Einsatzbereiche an den unmöglichsten Orten: Der österreichische Marktführer CONTAINEX, eine Tochtergesellschaft von LKW Walter, ­etwa hat auf 3.000 Meter Seehöhe im Skigebiet Ischgl ­einen Bürocontainer für schweizerische und österreichische Zollbeamte aufgestellt; auch eine Forschungsstation in der Antarktis trägt den Schriftzug der österreichischen Firma; und in Naturkatastrophengebieten wie Haiti oder Pakistan sind ganze Krankenhäuser für die notleidende Bevölkerung errichtet worden. Dort, wo es Dauerlösungen gibt – zum Beispiel im Sportbereich mit Umkleidekabinen und Nass­ räumen –, werden die Container nicht selten ­attraktiver Nr. 13 | 2013 | www.big.at


Karikatur: Much

Container

­gestaltet: mit Holzfassaden, Sekundärdächern oder angebauten Terrassen, berichtet Wolfgang Lang, ­Geschäftsführer von CONTAINEX. Auch die BIG hat ein besonderes „Schmankerl“. In Wien-Alsergrund befindet sich eine Einrichtung, die man nicht zwangsläufig mit Containern in Verbindung bringen würde: ein sogenanntes L3-Hochsicherheitslabor für die Entwicklung biologischer Impfstoffe.

«Wenn ich die Fenster nicht öffne, darf ich mich auch über schlechte Luft nicht wundern.» Huber Scherl, BIG-Objektmanager

Übersiedlungsstress

Im Regelfall werden Container aber als temporäre Quar­ tiere bei Generalsanierungen genutzt. Die „Ersatzraum­ beschaffung“ spart in erster Linie Zeit. Denn wird ein Haus genutzt, muss während der Projektrealisierung mühsam hin- und hergesiedelt werden. Das wiederum behindert die Arbeiten. Abgesehen davon ist es nur bedingt vergnügungssteuerpflichtig, sein Büro alle zwei Monate zu wechseln. Alle, die so eine „Reise nach Jerusalem“ mehr als einmal mitgemacht haben, wissen, dass der heutzutage so wichtige „Fun-Faktor“ indirekt proportional zur Häufigkeit der Umzüge abnimmt. Darüber hinaus ist konzentriertes Arbeiten bei Stemmarbeiten im Nachbarzimmer nur eingeschränkt möglich. Jedenfalls ist darüber hinaus das Thema Sicherheit entscheidend. Während man bei Erwachsenen grundsätzlich ein Mindestmaß an Vernunft voraussetzen können sollte, steht nicht umsonst auf jeder Baustelle die Hinweistafel „Betreten verboten, Eltern haften für ihre Den eigentlichen Sinn erfüllen Sportplätze damit zwar nicht, aber sie bieten genau das, was Kinder“. Das Hantieren mit Bohrhammer, Flex und Stark- › Ersatzquartiere brauchen: nämlich Platz. Nr. 13 | 2013 | www.big.at

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Thema Container

strom ist zwar ein willkommener Pausenfüller, für Kinder aber doch mit einem erheblichen Gefahrenpotenzial verbunden. Wenn möglich, wird daher vor allem bei Schulen im Falle einer Generalsanierung auf mobile Raumlösungen zurückgegriffen.

Keine Freudensprünge

Auf den ersten Blick ein ganz normales Klassenzimmer. Auch auf den zweiten. Mit einer Einschränkung: Der richtige Betrieb ist hier noch wichtiger als in „normalen“ Gebäuden.

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Insgesamt befinden sich österreichweit derzeit weit über 1.500 BIG-Container im Einsatz. Auch wenn sie viel Ärger ersparen, sind die Übergangslösungen insgesamt nicht uneingeschränkt beliebt. Die Reaktionen sind also unterschiedlich. „Vielfach können Nutzer in freudiger Erwartung auf den Neubau oder die Sanierung auch eine Übersiedlung in Ersatzräume aus Containermodulen ohne ­Kritik ertragen. Freudensprünge vollführt aber auch keiner“, analysiert BIG-Objektmanager Bernhard Paradeiser. Vor allem bei Bildungsbauten werden Techniker zu Diplomaten: „Eltern sehen Container als minderwertige Unterbringung ihrer Kinder an. Wir bezeichnen diese Klassen daher als ,Ausweichquartier in Modulbauweise‘. Das kommt grundsätzlich besser an“, sagt BIG-Objektmanager Gerhard Baumgartner.

Ungeliebtes Containerdorf

Dieser Kunstgriff in die rhetorische Trickkiste zerschellte allerdings wirkungslos an der Innsbrucker Nordkette. In der Tiroler Landeshauptstadt wurde vor mittlerweile über vier Jahren der Container-Super-GAU eingeleitet. Damals stand das Gebäude der HAK Innsbruck in der Karl-Schönherr-Straße unmittelbar vor seiner Sanierung und Erweiterung. Die Pläne waren fertig. Bagger standen am Start. Nr. 13 | 2013 | www.big.at


­Allerdings gab es zu diesem Zeitpunkt noch keinen unterschriebenen Zusatzmietvertrag mit dem Bundesministe­ rium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK), der die ­Refinanzierung der BIG-Investitionen sicherstellen sollte. Und ohne ein solches Papier gibt es prinzipiell keinen Baubeginn. Gleichzeitig entstand organisatorisch das „Fünfte Gymnasium“, damals noch eine Art „Briefkasten“-Schule ohne Raum. Also ein paar Schüler und Lehrer, die quasi auf der Straße standen. Wie gut, dass die BIG bereits im Vorfeld ein ganzes Containerdorf, bestehend aus rund 330 Raummodulen, aus Wörgl in die Tiroler Hauptstadt transportiert hatte. Mit nur einer Handvoll Klassen hatte dort das Fünfte Gymnasium somit freie Platzwahl. Im Einvernehmen mit der BIG wurde dann vom Landeschulrat eine folgenschwere Entscheidung getroffen. Das Fünfte Gymnasium tauschte mit der HAK Platz – der Baubeginn stand ja unmittelbar vor der Tür. Eine Rochade, die sich in der Retrospektive als unterdurchschnittlich wertvoll erweisen sollte. Hintergrund der Idee: Die Sanierung und Erweiterung der Schule sollte traktweise erfolgen, die wenigen Klassen des Fünften Gymnasiums sollten dementsprechend während der Bauarbeiten wandern. Das wäre mit den über 1.000 Schülerinnen und Schülern der HAK undurchführbar gewesen – somit saßen diese ab Anfang 2007 in den Containern. Ein«Eltern sehen Container als minderwertige ziger Schönheitsfehler des Konzepts: Der Mietvertrag als Unterbringung ihrer Kinder an. Wir ­Basis für die Sanierung wurde auch in den Folgemonaten nicht unterschrieben. Im „Ausweichquartier in Modulbaubezeichnen diese Klassen daher als weise“ sorgte das – nachvollziehbarerweise – für wenig ,Ausweichquartier in Modulbauweise‘.» ­Begeisterung. Nach einem Jahr „Leben im Container“ – Gerhard Baumgartner, BIG-Objektmanager ­ohne absehbaren Baubeginn der eigentlichen Schule – entlud sich der Ärger. Nichts eignete sich dazu besser, als die › Nr. 13 | 2013 | www.big.at

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Fotos: Robert Frankl

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Thema

Fotos: Günter Richard Wett

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Flexible Raummodule als Ersatzfläche haben sich österreichweit etabliert.

Die HAK Innsbruck in der KarlSchönherr-Straße. Mittlerweile sind alle Lehrer und Schüler sehr zufrieden.

­ ualität der Räume in Frage zu stellen: im Winter zu kalt, Q im Sommer zu warm – Feuchtigkeit, Schimmel, schlechte Luftqualität. Angeblich explodierten die Krankenstände. Gefahr für Leib und Leben wurde konstatiert. Daraufhin investierte die BIG sukzessive mehrere hunderttausend Euro in den Ausbau der Containeranlage. Allerdings konnten bessere Dämmung, zusätzliche Radiatoren im Winter oder Klimaanlagen für den Sommer die erhitzten Gemüter nur unwesentlich abkühlen. Waren die aktuellen „Mängel“ behoben, gab es sofort wieder dicke Luft. In weiterer Folge seien laufend die CO2-, die Feuchtewerte und die Raumtemperaturen kontrolliert worden, so BIGObjektmanager Hubert Scherl. Gravierende Probleme gab es nicht. Ruhe wollte allerdings auch nicht einkehren. Mitte Mai 2010 – der Zubau der HAK Innsbruck war fertiggestellt – verkündete der Landesschulrat für Tirol eine rasche und „einvernehmliche Lösung“. Die HAK sollte vorzeitig – rein theoretisch wäre das möglich gewesen – zurückübersiedeln. Die Schule lehnte aber ab und blieb noch ein halbes Jahr länger in den Ersatzräumen, bis auch das Stammgebäude saniert war. „Offensichtlich war doch nicht alles so schlecht, wie in unzähligen Zeitungsartikeln beschrieben“, resümiert Scherl: „Da entluden sich Spannungen, die mit der Immobilie selbst nichts zu tun hatten.“ Viele ­Urgenzen konnten schlicht nicht nachvollzogen werden: „Wenn ich die Fenster nicht öffne, darf ich mich auch über schlechte Luft nicht wundern“, so Scherl. Nichtsdestotrotz habe man versucht, auf jede Beschwerde adäquat zu rea­ gieren. Genützt hat es wenig.

Aufwärtstrend trotz Imageproblem

Nicht immer sind die Erfahrungen mit den Ausweichquartieren so negativ. „Kurios war die HTL in Perg. Hier hat ein ganzer Maturajahrgang die Schulzeit absolviert“, sagt BIGObjektmanager Klaus Puchberger. Vom Direktor bis zu den Schülern waren alle hochzufrieden. Ähnlich sieht man – wenig überraschend – die Sache bei der Firma CONTAINEX: „Die Bürocontainer der neuen Generation stehen Fest­

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bauten heute um nichts nach“, sagt Wolfgang Lang. Das bisher größte gemeinsame Projekt mit der BIG wurde aus insgesamt 330 Container-Raummodulen errichtet. Galt es in Wörgl/Tirol durchaus noch als Vorzeigeprojekt, stand das Containerdorf in Innsbruck – wie zuvor beschrieben – allerdings im Kreuzfeuer der Kritik. Diese zwischenzeitigen Irritationen brechen laut Lang aber nicht den Trend. „FlexiMehr als zehn Millionen Euro ble Raummodule als Ersatzfläche bei Gebäudesanierungen wurden in den Ausbau und oder bei temporären Erweiterungen haben sich österreichdie Sanierung der HAK weit etabliert, und der Bedarf steigt kontinuierlich an“, Innsbruck investiert. Die meint der CONTAINEX-Geschäftsführer. Verbindung alter Substanz mit neuen Flächen sorgt für Wichtig sei die richtige Qualität für den jeweiligen Einbesonderes Flair. satzzweck – schließlich sei es ein erheblicher Unterschied, ob ein Container auf einer Baustelle als Pausenraum für Arbeiter genutzt wird oder ob er Schüler ganzjährig als Klassenraum dienen soll. Er verweist darauf, dass bei CONTAINEX die Raummodule von temporären Schulräumen den österreichweit gültigen OIB-Richtlinien (Österreichisches Institut für Bautechnik) in Hinblick auf den Kälte- und Wärmeschutz sowie Schallschutz entsprechen: „Isolierungsmaterial und -stärke können darüber hinaus so gewählt werden, dass sogar Niedrigenergiestandard erreicht wird.“ Mögen die Fakten noch so eindeutig auf dem Tisch liegen, das subjektive Wohlbefinden ist eben eine eigene ­Sache. ­Gerade bei Schulen ist die BIG aber bei Weitem nicht die einzige Firma, der bei Ausweichlösungen stürmischer Gegenwind ins Gesicht bläst. So spitzte sich im Winter 2011 vor ­allem in Wien der Konflikt massiv zu, Oppositionspolitiker wie Schülerverbände machten gegen die Klassen im Metallmantel mobil. Ein Container sei gewiss kein „angemessener Arbeitsplatz“. Auch hier bekannte Vorwürfe: Im Sommer sei es mitunter zu heiß, im Winter hingegen zu kalt. Tatsächlich gibt es in Wien bereits an jedem achten Schulstandort diese baulichen Lösungen: An 46 öffent­ lichen Schulstandorten (von insgesamt 376 Wiener öffentlichen allgemein- und berufsbildenden Pflichtschulen) sind aktuell mehr als 200 Mobilklassen in unterschiedlicher Bau­weise aufgestellt. › Nr. 13 | 2013 | www.big.at

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Thema Container

vor allem hinsichtlich Hygiene, Gesundheit, Umweltschutz und Nutzungssicherheit, betont das Bauressort im Rathaus. Und auch im Wiener Bildungsressort widerspricht man der geäußerten baulichen Kritik: Befragungen hätten ergeben, dass sich die Schüler „sehr wohl“ fühlen und das zusätz­liche Raumangebot positiv annehmen würden. Außerdem: „Es sind viele Klassen in Metallbauweise ausgeführt, weshalb diese nicht reparaturanfällig sind.“

Foto: BIG

Beinhart kalkuliert

Auch im nieder­ österreichischen Francisco Josephinum in Wieselburg wurden viele ­Schüler in Ausweichquartieren ­unterrichtet.

Analog zu den BIG-Hausverwaltern können auch die offiziellen Stellen der Stadt Wien zumindest die bauliche Kritik an den Containern, die strenge Auflagen zu erfüllen hätten, nicht nachvollziehen. „Weder bei der MA 37 (Baubehörde) noch bei der MA 34 (Bau- und Gebäudemanagement) sind Beschwerden über Container-Klassen eingegangen“, heißt es aus dem Büro des zuständigen Wohnbaustadtrats ­Michael Ludwig. Genehmigt werden solche Schulgebäude laut Wiener Bauordnung großteils als „Bauten des vorübergehenden Bestandes“ (§ 71 BO für Wien) mit Befristung auf zehn Jahre, so wie in den meisten anderen Bundesländern auch. Damit sei es relativ einfach, eine passende und rechtlich einwandfreie Abstellfläche in der Nähe der eigent­ lichen Schule zu finden (Grünfläche, Sportplatz, Schulhof etc.).

Container werden grundsätzlich wie alle anderen Bauwerke behandelt. Sämtliche Bewilligungen und anderen notwendigen „Behördenwege“ sind ident.

Zugleich verlangt die Stadt Wien, dass alle Vorschriften der OIB-Richtlinien eingehalten werden – vor allem hinsichtlich des baulichen und organisatorischen Brandschutzes. „Im Zuge der Einreichung ist auch ein Nachweis über den Wärme- und Schallschutz – einschließlich Energieausweis – von einem Ziviltechniker beizulegen“, so das Ludwig-Büro. Zudem sei eine barrierefreie Erschließung des Gebäudes notwendig. Auch was die verwendeten Materi­ alien betrifft, soll es in diesen Schulklassen keinen Anlass zu Kritik geben: Die eingesetzten Baustoffe und Bauteile müssen dem Stand der Technik entsprechen – auch und

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Container werden grundsätzlich wie alle anderen Bauwerke behandelt. Sie einfach vom Lkw zu heben und auf die grüne Wiese zu stellen, wäre also ein kurzes Vergnügen. Unweigerlich würde das einen handfesten Konflikt mit der Baubehörde nach sich ziehen. Denn errichtet wird nach der jeweiligen Landesbauordnung. Sämtliche Bewilligungen und anderen notwendigen „Behördenwege“ sind ident. Auch die laufenden Aufwendungen sind durchaus mit denen eines „massiven“ Bauwerks vergleichbar. „Die Betriebskosten bewegen sich um rund 1,2 bis 1,8 Euro pro Quadratmeter. Aufgrund der mangelnden Komplexität der Objekte insbesondere hinsichtlich der haustechnischen Ausstattungen sind die Wartungskosten oftmals geringfügig niedriger als bei Bestandsobjekten. Dazu kommen allerdings zumeist etwas höhere Heizkosten“, sagt BIG-Objektmanager Bernhard Paradeiser. Die Errichtungskosten liegen gegenüber herkömmlichen Gebäuden laut CONTAINEX nur bei rund einem Viertel. Der Ankauf rechnet sich ab einer „Behaltedauer“ von mehr als drei Jahren. Darunter wird im Normalfall gemietet.

Duftendes Dämmmaterial

Gelegentlich werden aber Provisorien zu Dauereinrichtungen. Eine solche steht beispielsweise am Kai der Salzach in der Mozartstadt. Vor mehreren Jahren als Ausweichquartier für das Bezirksgericht gedacht, haben Salzburger Juristen die dreigeschoßige Anlage mittlerweile lieb gewonnen. Verständlich – wie bei anderen Immobilien gilt auch hier: Lage, Lage, Lage. Und die ist am Fluss unübertroffen. ­Zusätzlich gibt’s, im Gegensatz zu den altehrwürdigen ­Bestandsimmobilien, eine Klimaanlage. Als absolutes Highlight gelten aber die Parkplätze, die ja in der Salzburger Innenstadt eher dünn gesät sind. Zwischenzeitlich geriet diese harmonische Beziehung aber in Schieflage. Es regnete. Und zwar nicht nur draußen. Die Freude darüber hielt sich naturgemäß in Grenzen. „Generell sind wir mit dieser Anlage sehr zufrieden. In solchen Momenten muss man aber schon aufpassen, dass die Stimmung nicht kippt“, sagt Landesgerichtspräsident Hans Rathgeb. „Wenn es feucht ist, beginnt auch noch das Dämmmaterial zu duften“, so Rathgeb. Dann ist auch in Salzburgs Containern dicke Luft. Mittlerweile ist aber alles saniert, denn die dreigeschoßige Containeranlage muss jedenfalls noch bis zum Abschluss der Sanierung des Landesgerichts durchhalten. Und bis dahin werden vermutlich noch fünf Jahre vergehen. ‹ Nr. 13 | 2013 | www.big.at


Container

Fotos: Chris Hofer

Das Gerichts­ gebäude an der ­Salzach besteht aus flexi­blen Modulen. Bis auf einzelne ­Urgenzen ist die Zufrieden­heit grund­sätzlich hoch.

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Thema

Fotos: Harald A. Jahn

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Den Zahn der Zeit versiegelt Vom Universitätsschandfleck zur hypermodernen Zahnklinik: Nach sieben Jahren Bauzeit und Investitionen in Höhe von ca. 80 Millionen Euro ist die Bernhard-Gottlieb-Universitätszahnklinik im historischen Garnisonsspital in Wien-Alsergrund nun fertig. Eine Reportage über eine gelungene Metamorphose. Von Eduard Platzenteig

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er Schmerz bohrt sich pochend durch alle ­Fasern des Körpers, der kalte Schweiß perlt schon auf der Stirn, die nackte Angst vor dem Zahnarzt und seinen Folterinstrumenten bringt Geist und Körper an ihre ultimativen Grenzen. Und wenn man dann auch noch mit einer desolaten Bausubstanz konfrontiert ist, mit verschlissenem Interieur, überhitzten Räumen und einem merklich gestressten Personal, möchte man am liebsten fliehen. Und statt das Bohren und Ziehen und ­Reißen über sich ergehen zu lassen, doch lieber die Schmerzen zu ertragen und wegzudenken versuchen. „Oh ja, Schmerzen! Seit Tagen habe ich sie, aber heute in der Nacht sind sie unerträglich geworden. Es hat nichts mehr geholfen“, erzählt der 42-jährige Ali Reza. An Flucht denkt er, im Eingangsbereich der Bernhard-Gottlieb-Universi­täts­zahn­ klinik in Wien-Alsergrund stehend, aber ganz und gar nicht. Es gibt auch keinen Grund dazu: Denn von den oben beschriebenen Zuständen, mit denen die wichtigste hei­ mische Ausbildungsstätte für Zahnmediziner jahrelang zu › Nr. 13 | 2013 | www.big.at


Zahnklinik

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Das neue, großzügige Entrée der Zahnklinik in der Sensengasse mit den zahnförmigen Stützmauern (oben). Die Zentrale Aufnahme (links) erinnert mehr an einen Flughafen denn eine Klinik.

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Fotos: Harald A. Jahn

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Der fußballfeldgroße Innenhof bietet unter hohen Bäumen CampusFlair und schafft eine Verbindung ins Alte AKH.

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kämpfen hatte, ist absolut nichts mehr zu erkennen. Im ­Gegenteil – tritt man erst einmal durch die Drehtür des neuen Komplexes, muss man zwei Mal hinsehen, um zu entdecken, dass man sich in einer medizinischen Einrichtung befindet. Eher herrscht in dem Eingangsbereich so ­etwas wie Flughafenatmosphäre: Hoch reckt sich der neue Glaszubau in den Himmel und flutet das Gebäude mit Licht; der Empfang der zentralen Aufnahme erinnert mit seinen schwebend wirkenden Digitalanzeigen („Allgemeine Ambulanz“) und seinem einladend breiten Empfangsdesk mehr an einen Check-in-Schalter als an eine unpersönliche Krankenhaus-Aufnahmestation. Und auch die Farbauswahl soll den Patienten Spital-Atmosphäre und Schmerzen gleichermaßen vergessen machen: Statt strengem Weiß dominieren im Inneren bunte Farbtöne nach ­einem Farbkonzept des Grafikers Oskar Putz. Schon im Außenbereich ist man mit diesen Farbtupfern konfrontiert: Vier knallig orange beziehungsweise blaue Stützmauern fassen das sogenannte Stadtwäldchen an der Sensengasse ein – wohl nicht zufällig in Form von Zähnen. Etwas eingezwickt zwischen diesem botanischen Relikt, das die Böschung zum historischen Garnisonsspital bildet, und einem Studentenheim befindet sich jetzt auch der

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­ xtra breit angelegte und nunmehr repräsentative Zue gangsbereich zur Zahnklinik, der vom Hinterhof-Flair hinter dem Josephinum an der Wäh­ringer Straße zur Adresse Sensengasse 2a gewandert ist.

Neubau wurde Ende 2010 fertig

Sieben lange Jahre wird an den weitläufigen historischen Baukörpern nun schon gewerkt. Sieben lange Jahre, in denen die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) als Bauherr durchaus Höhen und Tiefen erlebte, ebenso wie die ­gesamte Belegschaft der Universitätszahnklinik, da die schwierigen Sanierungsmaßnahmen bei laufendem Betrieb stattfinden mussten. Doch nun ist eines der größten und herausforderndsten innerstädtischen Bauprojekte Wiens fertig gestellt. Dass an manchen Stellen bis zuletzt fieberhaft gearbeitet wird, davon bekommt der einzelne Patient schon längst nichts mehr mit: Denn das Herzstück der neuen Zahnklinik, der mit der alten Bausubstanz in Richtung Garnisonshof durch eine glasüberdeckte Halle verbundene viergeschoßige Neubau mit zweischaliger Glasfassade, in dem vor allem die Zahnbehandlungs­ einheiten untergebracht sind, ist schon seit Ende 2010 in Betrieb. Diesen Komplex durchwandert nun auch Herr Nr. 13 | 2013 | www.big.at


Zahnklinik

Neu

Milde Pastelltöne dominieren im Wartebereich der Ambulanz (links). Der große unterirdische Hörsaal (unten) bietet 200 Studenten Platz und ist mit Tageslicht versorgt.

Ali Reza, der bass erstaunt ist, als nur wenige Sekunden nach seiner Ankunft in der Radiologie-Wartezone auf ­einem an der Wand montierten Flatscreen sein Name aufscheint. Nun wird sein schmerzender Eckzahn im Unter­ kiefer erst einmal geröntgt. Erstaunen ist tatsächlich eine häufige Reaktion, welche die Mitarbeiter der Zahnklinik jetzt bei ihren Kunden registrieren. Besonders bei jenen, die noch die Zustände der ­alten Klinik kannten. „Es ist immer noch erstaunlich, wie die damaligen Zustände von allen ertragen wurden“, sagt Zahnklinik-Geschäftsführer Benedikt Wildner. Wobei die jahrelange Baustelle im und um das Haus noch das geringere Übel gewesen sei: „Der Baulärm war beispielsweise gar nicht so arg für uns, weil er nicht so wahrgenommen wurde. Wir haben immer gesagt: Auf dieser Seite wird gebohrt, und bei uns wird auch gebohrt.“ „Heute ist es schön zu sehen, wie die Leute große Augen machen, wenn sie ins Haus kommen“, weiß Assistenz-Arzt Nikolaus Budas zu berichten. Große Augen gab es in den Jahren vor dem Umbau freilich auch schon, aber aus den ­beschriebenen negativen Gründen: Nachdem die BIG 2001 vom Bund die Universitätsgebäude übernommen hatte und gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium einen › Nr. 13 | 2013 | www.big.at

«Wir sind jetzt absolut herzeigenswert. Wir haben zwar ein altes Gebäude, sind aber innen topmodern.» Benedikt Wildner, Geschäftsführer der Zahnklinik

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Thema zahnklinik Neu

­ anierungsplan diskutierte, stand die Zahnklinik ganz oben S auf der Wunschliste. Dabei hatte es schon in den 1970er-Jahren Diskussionen über einen Um- oder Neubau an einem gänzlich anderen Standort gegeben, die jedoch mehr oder minder auf der Stelle traten, ehe schließlich 1999 das Büro Nehrer + Medek und Partner als Sieger aus einem europaweit ausgeschriebenen Planungswettbewerb hervorging.

Fotos: Harald A. Jahn

Zahnarzt-Schmiede stand vor der Schließung

In den Units der Ambulanz (oben) kommt modernste Zahntechnik zur Anwendung. Besonders die Hygiene spielt im Klinikbereich nun eine bedeutende Rolle.

Bestechend an dem später umgesetzten Entwurf sei die Idee gewesen, den unter der Erde befindlichen Hörsaal (für 200 Personen) sowie die Seminarräume durch eine Geländeabsenkung mittels begrünter Wände mit Tageslicht zu versorgen, erklärt BIG-Projektleiter Thomas Breitsching. Erst im Universitätssanierungsplan der damaligen Ministerin Elisabeth Gehrer wurden die finanziellen Mittel im Jahr 2005 fixiert. Zu diesem Zeitpunkt stand die anerkannte Institution allerdings längst auf der „Watch List“: Nicht nur Medien hatten die grenzwertigen Zustände kritisiert und sogar Vergleiche mit Moldawien angestellt, auch das Arbeitsinspektorat hatte bereits gedroht. „Der Schub für das Sanierungsprojekt war sicherlich unsere Ausgliederung von der Medizin-Universität zu einer gemeinnützigen GmbH im Jahr 2004“, erzählt Wildner. Denn nur wenige Wochen nach dieser Umstrukturierung, die auch Änderungen bei Haftungsfragen brachte, seien schon die Inspektoren im Haus gestanden und hätten die Verhältnisse als „absolut unzureichend“ klassifiziert – etwa auch die Fluchtwegsituation betreffend. Nur aufgrund entschlossener Zusagen zum neuen Projekt habe man damals den Betrieb überhaupt weiterführen können, so Wildner. Tatsächlich wurde dann auch von der BIG nicht mehr lange gefackelt und im Sommer 2006 mit den ersten vorgezogenen Baumaßnahmen begonnen – ein durchaus zweischneidiges Schwert: „Wir wollten natürlich zeigen, da geht etwas weiter, da muss rasch etwas passieren. Blöd war dann nur, dass dann wieder länger nichts mehr war, weil eine abermalige Planungskorrektur erforderlich wurde – und sich dann natürlich viele gefragt haben, was da los ist“, sagt Breitsching.

Zahnarzt kommt nun zum Patienten

Die jahrelange Planungsdauer brachte aber auch einen Vorteil, weil die Verantwortlichen das über Jahrzehnte etablierte Betriebssystem grundlegend hinterfragen konnten: So entschied man sich letztlich, auf ein „Unit“-System umzustellen, was sich im Nachhinein als goldrichtig erwiesen hat. „Damit ist jetzt der Betrieb völlig neu organisiert: Der Patient nimmt in einer Unit Platz, und dann kommt der Arzt zum Patienten – und nicht umgekehrt“, so Klinikvorstand Andreas Moritz. Früher seien Patienten von Arzt zu Arzt über das verzweigte Areal hin- und hergeschickt worden, teilweise sogar mit Röntgenbildern bei Regen über den Hof. „Mich wundert immer noch, dass die Leute das mitgemacht haben …“, sagt Wildner mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen. Doch nicht nur für den Ambulanzbetrieb hat das neue System Vorteile, auch in der Ausbildung der Jungmediziner

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Zahnklinik

erfolgte ein Umdenken: Es kommt nun der Arzt zum Studierenden und sieht diesem gleichsam über die Schulter, wenn er einen Patienten behandelt – und nicht umgekehrt. Womit sich die angehenden Zahnärzte viele Wege ersparen: „Für uns war das immer eine einzige Herumlauferei. Jetzt ist alles kompakt an einem Ort, das spart Zeit und Energie“, befindet Budas, der von 2006 bis 2010 in der Zahnklinik studiert hat und nun selbst auf 24 Studenten „aufpasst“. „Die Stimmung ist jetzt positiver und der Stress bei der täglichen Arbeit viel weniger, auch weil es ­intimer geworden ist“, so Budas, dessen Großvater ebenfalls schon Zahnarzt war. Zumal es in der alten Großraumambulanz wie in einem Bienenstock zuging und der hohe Lärmpegel die so wichtige Konzentration massiv störte. Die mit 1,6 Meter hohen Wänden abgetrennten 36 UnitKojen sind nun fix an Studenten zugewiesen, in jeder zweiten Einheit gibt es zusätzlich ein Mikroskop, das bei heikleren Behandlungen eingesetzt werden kann. „Diese einzelnen Einheiten sind sicherlich ein Quantensprung für uns“, sagt Wildner. Doch auch was die Zahnarzttechnik betrifft, spielt die Zahnklinik nun alle Stücke: Die Beleuchtung des Zahnarztstuhls etwa besteht aus modernsten LEDs; insgesamt ist die Innenbeleuchtung so ausgerichtet, dass das Auge des Behandelnden keinen folgenschweren Helligkeitsunterschieden ausgesetzt ist, zumal die Ambulanz­ zeile zum hellen Innenhof ausgerichtet ist. Bei Sonne schließen sich die Jalousien automatisch, ansonsten hat der Patient während der Behandlung Ausblick in den grünen Innenhof mit seinen hohen Bäumen. Nicht das Schlechteste, wenn ­einem ein Zahn schmerzhaft angebohrt wird. „Und für unsere Patienten ergibt sich der Vorteil, dass wir immer auf dem letzten Stand der Technik sind. Das können Zahnarzt-Ordina­tionen natürlich nicht immer bieten“, sagt Wildner. Die neue Einrichtung war natürlich auch nicht ganz billig: Die Bruttokosten betrugen 14 Millionen Euro, allein zehn Millionen wurden nur für die Medizintechnik aufgewendet. ­Allerdings: „Durch EU-weite Ausschreibungen und dadurch, dass wir ein renommierter Vorzeigebetrieb sind, konnten äußerst wirtschaftliche Preise erzielt werden“, erklärt Wildner.

Alles nur noch elektronisch

Noch keine Bekanntschaft mit der neuen Technik hat Ali Reza gemacht. Mit einer Handvoll anderer Patienten wartet er jetzt gespannt auf den stylishen Sitzmöbeln vor der Ambulanz. Aber es geht schnell – im Minutentakt poppen, begleitet von einem Digital-Dong, die Namen der Patienten, die eintreten sollen, auf. Warum er nicht zu seinem niedergelassenen Zahnarzt gegangen ist? „Der hat erst am Nachmittag Ordination. Und ohne Termin müsste ich dort sicher lange warten, falls ich überhaupt drankäme.“ Von einem Bekannten habe er dann erfahren, dass es in der Zahnklinik relativ rasch gehe und man sich nicht telefonisch voranmelden müsse. Aber das Wichtigste sei, dass er bald etwas gegen die Schmerzen bekomme, damit er heute noch arbeiten gehen könne. „Ich arbeite ja selber in einem Wiener Spital, dort geht es leider nicht ganz so modern zu“, Nr. 13 | 2013 | www.big.at

Neu

meint er lächelnd. Und schon wird der Ottakringer mit persischen Wurzeln via Flatscreen aufgerufen. Eine der Neuerungen in der Zahnklinik ist der Umstieg auf den elektronischen Krankenakt: „Wir haben bereits völlig umgestellt. Und das System ist so konzipiert, dass es gleichsam mitdenkt und weiß, wo der Patient nach einer Behandlung jetzt sein müsste“, erläutert Wildner. Und dann sollte der Name eben automatisch am Monitor aufscheinen – statt dass die Namen wie früher laut über den Gang gerufen werden müssen.

Nur 80 Studenten schaffen es pro Jahr

Wer auf der Bernhard-Gottlieb-Universitätszahnklinik studiert, darf sich durchaus glücklich schätzen, nicht nur wegen der nun idealen Studienbedingungen: Denn auf jeden Zahnarzt-Ausbildungsplatz kommen in Österreich sieben Personen, die es nicht schaffen – weil sie den etwas modi­ fizierten Mediziner-Aufnahmetest nicht schaffen. Außer Wien, wo pro Jahr 70 bis 80 Studenten aufgenommen werden und insgesamt 140 bis 160 Studierende im 72-StundenBetrieb im Einsatz sind, gibt es noch (etwas kleinere) Kliniken in Graz und Innsbruck. Durch die Neuorganisation des Studiums auf EU-Ebene kann sich seit 2001 jeder angehende Zahnarzt direkt ausbilden lassen, ohne vorher eine komplettes Medizinstudium absolvieren zu müssen. „Der Studierende bekommt die Praxis für die Zahnmedizin direkt bei uns. Statt wie früher nach dem ­Medizinstudium eine zusätzliche Facharztausbildung machen zu müssen, gibt es nur einen Turnus – und der ist hier“, erklärt Moritz. Bevor die Studenten auf die hilfesuchenden Patienten in der Ambulanz „losgelassen“ werden, heißt es allerdings viel lernen: Nach sechs Semestern Theorie folgen zwei Semester in der Vorklinik, wo an „Zahn-Dummies“ (Phantomköpfe) herumexperimentiert wird – erst wer hier sehr gut arbeitet, darf von Semester neun bis zwölf an lebenden Patienten arbeiten. Und damit nun ­niemand Angst haben muss: ›

Historie der Wiener Universitätszahnklinik 1821: Kaiser Franz I. erteilt Dr. Georg Carabelli die Erlaubnis, an der Universität Wien ­außerordentliche Vorlesungen über „Zahnarzneykunde“ zu halten. 1890: Eröffnung des „Kaiserlich Königlichen Zahnambulatoriums der Universität Wien“ in der Garnisongasse 8. 1927: Verlegung des Instituts ins ehemalige Garnisonsspital in der Währinger Straße 25a, dem derzeitigen Standort. 2004: Die Medizinische Universität Wien wird gegründet und ist von nun an der Rechtsträger der Universitätszahnklinik, die im selben Jahr zur gemeinnützigen GesmbH wird. 2005: Umbenennung in Bernhard-Gottlieb-Universitätszahnklinik – in Anerkennung der herausragenden wissenschaftlichen Leistungen des aus Galizien stammenden Altösterreichers Bernhard Gottlieb (1885–1950), der in den 1930er-Jahren als Spezialist für Parodontose zu den weltweit bedeutendsten Zahnärzten gehörte. 1938 wurde er aus „rassischen Gründen“ von der Universität ausgeschlossen und emigrierte in die USA (Dallas/Texas), wo er nach erfolgreicher wissenschaftlicher Karriere 1982 in die Hall of Fame am Baylor College of Dentistry in Dallas aufgenommen wurde.

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Thema zahnklinik Neu

Jeder Zahnarzt an der Klinik sieht jeweils drei Studenten in der Ambulanz genau auf die Finger und prüft die Korrektheit der Zahnbehandlung nach. „Bei dieser Vidierung durch den Ausbildner kann es dann durchaus auch sein, dass am Ende herauskommt, die gesamte Behandlung muss noch einmal gemacht werden“, berichtet Moritz. Wer ein guter Zahnarzt werden will, muss schließlich aus seinen Fehlern lernen können.

Zahl der Besucher steigt stetig

Dieser Umstand bedingt dann allerdings auch, dass – anders als die „normalen“ Spitalsambulanzen – die Zahnklinik nicht von Patienten mit allerlei kleinen Wehwechen gestürmt wird. „Diese längere Behandlungszeit gegenüber niedergelassenen Zahnärzten wird immer unser Regulativ bleiben“, sagt Wildner, der sich freilich auch über einen an-

Bei der behutsamen Sanierung wurden alle Schritte mit dem Denkmalamt abgestimmt und unter anderem 100 Barockfenster renoviert.

sehnlichen Patientenzuwachs in den vergangenen Jahren freuen darf. „Wir haben jetzt 450 Patienten pro Tag und mehr als 25.000 Patienten pro Jahr, Doppelbesuche nicht eingerechnet“, zählt Wildner auf. 2003 waren es noch 17.000 pro Jahr. „Wir konnten unsere Patientenzahlen also trotz des schwierigen Umbaus steigern. Und nun spricht sich natürlich schnell die tolle Qualität unseres Hauses ­herum.“ Selbstverständlich bleibe weiterhin das oberste Ziel, eine Top-Ausbildung zu bieten. Allerdings herrscht an Wochenenden, wenn die Ordinationen geschlossen sind, in der Sensengasse mitunter reger Betrieb, denn die Klinik hat auch dann von acht bis 13 Uhr geöffnet. Wie in jedem Spital brauchen Patienten auch in der Zahnklinik ihre E-Card; aber wie in jedem Spital gilt auch

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der medizinische Grundsatz, dass jedem Hilfe geleistet wird, wenn er diese akut benötigt – selbst wenn er nicht dafür aufkommen kann. „Für uns gilt natürlich schon das Prinzip: Was nichts kostet, ist nichts wert“, erörtert Wildner. Und der Großteil der Besucher sei mit den Leistungen auch zufrieden, denn gerade einmal bei fünf Fällen pro Jahr sei letztendlich keine Zahnbehandlung möglich. „Meist, weil der Patient nörglerhaft oder schlicht unzufrieden ist“, erzählt Wildner. Wer sich seinen persönlichen Zahnarzt aussuchen will, kann dies übrigens oberhalb der Ambulanz machen, wo eine eigenen Etage für Privatpatienten eta­ bliert wurde.

Das WC, das immer rinnt

Auch punkto Hygiene ist bei der Zahnklinik kein Stein auf dem anderen geblieben: Die einst stickigen Ambulanzen sind nun nach modernster Technik be- und entlüftet – und zwar jede Unit für sich. Dabei strömt die Luft von oben nach unten, wo es einen Auslass gibt, damit Bakterien sofort aus der Behandlungsunit entfernt werden. Aus diesem Grund wurde für die massiven Lüftungsrohre unter den historischen Gebäuden sogar ein eigener Tunnel gegraben – im rückwärtigen Hof enden sie an der Oberfläche. Zudem wurde die Sterilisation zentralisiert, in den Ambulanz-Kojen gibt es eine strikte Trennung von Rein und Unrein bei den Materialien, und jedes einzelne Winkelstück (sprich Bohrer) ist digital erfasst. Ein besonderes Highlight ist die permanente Wasserspülung in der Ambulanz: „Das Wasser fließt über eine Hauptleitung und bindet die einzelnen Units an. Damit es an den Wochenenden, wenn länger kein Betrieb ist, hier nicht zur Keimbildung kommt, endet die Leitung im WC – wo selbst außerhalb des Betriebs immer etwas Wasser abgelassen wird“, erklärt Friedrich Stauffer, der als Dozent für Hygiene an der Med-Uni schon während der Bauphase für die Überwachung der Hygiene an der Zahnklinik beauftragt wurde. Schließlich war es das Um und Auf, während des Umbaus den Klinikbetrieb und die Baustelle im wahrsten Sinne des Wortes sauber zu trennen. So richtig flüssig lief der Umbau aus Sicht der BIG freilich nicht ganz: Leider war es notwendig, nach der ersten Bauphase aus den Verträgen mit der örtlichen Bauaufsicht und der Elektrofirma auszusteigen, berichtet BIG-Projektleiter Breitsching. Die daraus resultierenden gerichtsanhängigen Angelegenheiten sind derzeit in Bearbeitung. Außerdem mussten durch verschiedenste Umstände Bauverzögerungen in Kauf genommen werden. „Den Rucksack, den wir aus der ersten Bauphase mitbekommen haben, mussten wir die restliche Zeit mitschleppen“, sagt Breitsching. Daher konnte auch das Jahr 2011 als Fertigstellungstermin nicht gehalten werden. Die knapp eineinhalb Jahre Verzögerung seien Nr. 13 | 2013 | www.big.at


Zahnklinik

Neu

Bei all dem Lernen darf auch die Muße nicht zu kurz kommen: Die neue Cafeteria im Innenhof ist ein Ort der Kontemplation.

Sorge um Betriebskosten

Was die Höhe der Betriebskosten anlangt, hat die Zahn­ klinik allerdings „ein wenig Sorge“, wie Wildner offen gesteht. Zwar wuchs die eigentliche Betriebsgröße durch den Zubau nur moderat von 10.000 auf 13.000 Quadratmeter an, dennoch erfuhr die Klinik durch den Umstand, dass ein Drittel der Gesamtfläche aus sechs Meter hohen Gängen besteht, eine wesentliche Grundflächenmehrung, wobei diese Gänge natürlich bestmöglich zu reinigen und zu heizen sind. „Wir haben durch den Parallelbetrieb von Alt und Neu noch keine fixen Zahlen, aber die Reinigung ist sicher ein Posten, den man im Auge behalten muss.“ Auch nicht zu unterschätzen sei der Kühlbedarf in dem hoch aufgeschossenen Glastrakt, wenn sich dieser sommers aufheizt – schließlich dürfe nunmehr das Temperaturmaximum von 26 Grad nicht mehr überschritten werden (früher war bei 30 Grad noch nicht Schluss). „Wir stellen aber positiv fest, dass die Heizkosten durch die Erneuerung der Fenster und die damit wesentlich verbesserte Isolierung gleich geblieben sind“, erklärt Wildner. Die Fenster sind übrigens ein gutes Beispiel, wie sensibel die Sanierung des einstigen, 1784 erbauten Garnisonsspitals vonstatten ging. Die rund 100 noch vorhandenen Barockfenster mussten nämlich Stück für Stück nach den Vorgaben des Bundesdenkmalamts renoviert werden, bevor sie wieder eingesetzt wurden. Zugleich wurde raumseitig hinter den historischen Fenstern ein modernes, hochdämNr. 13 | 2013 | www.big.at

Fotos: Harald A. Jahn

aber auch den von Anfang an zu optimistischen Einschätzungen der Bau- und Übersiedelungszeiten geschuldet, so Breitsching. Außerdem sei das Projekt letztlich noch wesentlich erweitert worden – was unter anderem auch für höhere Kosten gesorgt habe. De facto war das durchgezogene Projekt letztlich alternativlos, obwohl laut dem BIG-Projektleiter aufgrund der vorhandenen Bausubstanz entsprechende Kompromisse gemacht werden mussten.

mendes Alufenster zur Erfüllung der aktuellen Wärmedämmvorschriften montiert. Allein die Sanierung durch Spezialtischler hat sich mit über einer halben Million Euro zu Buche geschlagen. „Unser Ziel war es, das Bestandsgebäude in enger Abstimmung mit Elisabeth Hudritsch vom Bundesdenkmalamt in seiner Grundsubstanz zu erhalten beziehungsweise zurückzuführen. Und das ist uns gelungen, obwohl jetzt überall moderne Technik installiert wurde“, sagt Breitsching. Die ursprünglichen Natursteinböden wurden gesichert und im Bereich der Vorklinik wiederverwendet, die nun längst wieder glänzt wie zu Kaisers Zeiten; und auch das Dach, das nun randvoll mit Haustechnik ist, wurde restauriert respektive so belassen, wie es war – bis zu den in der Dachfläche integrierten Lüftungsschlitzen. Doch auch im weitläufigen, nach dem Abriss eines Zubaus aus den 1970er-Jahren nunmehr fußballfeldgroßen Hof, der nicht nur durch die Terrasse der neuen Cafeteria echtes Uni-Campus-Feeling schafft, war die Bauzeit stets von Kompromissen und Verhandlungen geprägt: Hieß es zunächst, die 30 gefällten Bäume müssten nur im Ausmaß von 1:1 ersetzt werden, verlangte das Stadtgartenamt nach einer neuerlichen Begutachtung eine Vielzahl an (teuren) ›

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Thema zahnklinik Neu

Ersatzpflanzungen. „Letztlich wurden als Kompromiss ­etwa 100 Hainbuchen als ,Grüne Wand‘ bei der Geländeabsenkung vor den Seminarräumen gepflanzt“, erinnert sich Breitsching. Highlight im Hof ist übrigens eine Schwarznuss, von der es in Wien nur noch ganz wenige Exemplare gibt. Der Hof, der beim Narrenturm einen Ausgang zum ­Alten AKH bietet, ist werktags bis 17 Uhr geöffnet, laut Wildner könnte später auch eine Wochenend-Öffnung erfolgen. „Wir müssen aber sehr vorsichtig wegen Vandalismus sein, schließlich haben wir hier viele Glasflächen.“ Die Cafeteria ist übrigens im Gegensatz zur neuen Mensa/Kantine öffentlich zugänglich.

Kindergarten und Festsaal

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Gesichert für die übernächste Generation

International gesehen spielt die Wiener Zahnklinik laut dem langjährigen Klinikvorstand Georg Watzek nun in der allerhöchsten Liga mit (siehe Interview Seite 49). Sein Nachfolger Moritz unterstreicht dies: „Das Ziel der Uni­ versitätszahnklinik ist die Internationalisierung von Forschung und Lehre. Das neue Gebäude hilft uns dabei ungemein. Wir haben bereits internationale Kongresse veranstaltet und Erasmus-Austauschprogramme gestartet. Alle Gäste sind von der neuen Klinik beeindruckt.“ Wildner ist zwar vorsichtig mit Superlativen, sagt aber deutlich: „Wir sind jetzt absolut herzeigenswert. Wir haben zwar ein altes Gebäude, sind aber innen topmodern.“ Und auch aus Sicht der BIG ist dieses historische Objekt nun für die nächste und übernächste Generation gesichert. Der Zahn der Zeit an der Zahnklinik ist also versiegelt. Und auch Herr Ali Reza ist mittlerweile von seinen Zahnschmerzen befreit: Lächelnd tritt er aus der Ambulanz und berichtet ­erleichtert von der erfolgreich durchgeführten Wurzelbehandlung. „Jetzt ist es gut, ich bin sehr zufrieden!“ Für eine Einlage musste er 20 Euro bezahlen, die Nachbehandlung obliegt nun aber seinem Zahnarzt. „Schade, ich wäre gerne wiedergekommen. Es hat nicht einmal eine Stunde gedauert – da hab’ ich woanders schon viel länger gewartet“, sagt er freudig. ‹ Foto: Harald A. Jahn

Der neue – offen gestaltete – Festsaal der MedizinUniversität mit der beeindruckenden Dippelbaumdecke.

Bald wird auch Kindergeschrei über den Richtung Währinger Straße gelegenen Kräuterhof der Zahnklinik hallen: Im finalen dritten Bauteil des Großprojekts wurde nämlich auch ein Betriebskindergarten für Mitarbeiter der Med-Uni integriert – inklusive eines Spielplatzes im Freien. Im Inneren finden ab Herbst auf 600 Quadratmetern 60 Kinder in drei Gruppen Platz, Betreiber sind die Kinderfreunde. Im selben Trakt, der zuvor Jahrzehnte leer stand und wo daher der Zahn der Zeit besonders erbarmungslos am Gemäuer nagte, wird auch der neue Festsaal der Med-Uni eingerichtet, die bis dato noch auf die Alma Mater am Ring ausweichen musste. Der Saal steht künftig für Veranstaltungen aller Art – Sponsionen, Konferenzen, Festvorträge – zur Verfügung, kann aber auch von externen Interessenten gemietet werden. Wegen der Gebäudekonzeption ist der Festsaal eine Art langer Schlauch mit einer Länge von 40 Metern bei 8,5 Metern Breite. Um dennoch Atmosphäre zu schaffen, wurden die Tore zum Gang einfach freigeschla-

gen, um für mehr Offenheit und Tiefe zu sorgen. Eye­catcher ist aber die „Dippelbaumdecke“, die großteils aus Baumstämmen des 18. Jahrhunderts besteht, die runderneuert von oben her alles überstrahlt. „Bei der Untersuchung der Bäume fand das Denkmalamt durch eine Studie der Universität für Bodenkultur heraus, dass ein Baum sogar aus dem historisch bedeutsamen Jahr 1492 stammt“, berichtet Breitsching. Welcher es ist, ist allerdings nicht extra ausgeschildert – die Besucher dürfen aber durchaus raten. Und schließlich wird im Sockelgeschoß ­eine eigene Klinik für Kinderzahnheilkunde eingerichtet – durchaus eine Novität in Österreich. „Hier gibt es einen großen Bedarf“, erklärt Moritz, „denn dabei geht es oft um sehr anspruchsvolle Fälle von Zahnbehandlungen für kleine Kinder.“ Noch offen ist, was mit dem früheren Eingangsgebäude geschehen soll, wo als letzte Einheit noch die Prothetik unter den alten Bedingungen untergebracht ist und spätestens im Sommer umziehen wird; angedacht ist dort jedenfalls eine medizinische Nutzung. Schon seit Kurzem in Betrieb sind hingegen der neben dem Narrentum angesiedelte OP-Trakt sowie der Forschungs­bereich.

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Neu

„International im Spitzenbereich“ Der langjährige Leiter der Zahnklinik (1987–1989 und 1998–2012), Georg Watzek, über den Stellenwert des neuen Hauses, seine Lieblingsplätze und das lange Ringen um den Neubau.

Foto: privat

weil sich die Techniken rasend weiterent­ ■ Herr Prof. Watzek, Sie waren 16 Jahre wickeln? Oder ist Wien nun international lang Vorstand der Zahnklinik und haben gesehen ganz vorne dabei? die Transformation bis 2012 an vorderster Watzek: Ich kenne wirklich viele Zahn­ Front miterlebt. Was würden Sie sagen: Ist kliniken auf der Welt, von China bis in die das jetzige Ergebnis eine Art bauliches USA oder im zentraleuropäischen Raum, Wunder oder haben Sie sich die neue Zahn­ und ich möchte ausdrücklich festhalten, klinik ganz genau so vorgestellt und im­ dass ich heute keine schönere und effizimer gewusst, dass alles auch so umgesetzt entere Zahnklinik weltweit kenne. Natürwerden wird? lich entwickelt sich, wie wir alle wissen, Watzek: Natürlich sehe ich das jetzige Erdie Technik rasant weiter. Wir haben gebnis als eine Art bauliches Wunder an, ­jedoch meines Erachtens die Voraus­ haben wir doch so ungefähr 30 Jahre um setzungen geschaffen, dass auch neue diesen Neubau gerungen. Das nun vorlieGeorg Watzek, der langjährige technische Entwicklungen in den jetzt gende Ergebnis entspricht nun wirklich Chef der Zahnklinik, erinnert sich fertig ­gestellten Neubau integriert werallen Vorstellungen und Erwartungen. an das Ringen um den Neubau. den können. Ich bin überzeugt, dass die Wie oft hatten Sie die Hoffnung auf ein neue Zahnklinik von vielen ausländigutes Ende aufgegeben? schen Besuchern aufgesucht werden wird, und ohne ZweiWatzek: Ich habe in meiner Karriere insgesamt drei Neufel be­findet sie sich international im absoluten Spitzen­ bauplanungen miterlebt. Die zweite war eigentlich schon bereich. bis in kleine Details fertig ausgeführt. Man kann sich daWie würden Sie denn das Verhältnis zur Bundesimmobilien­ her vorstellen, dass die Stimmungslage nach der Absage gesellschaft beschreiben? Hat sich mit der Übernahme der eines Neubaus jeweils natürlich im Keller war. Umso besLiegenschaft durch die BIG Ihrer Ansicht nach Entscheiden­ ser ist es jetzt, dass alles zu einem wunderschönen Ende des verändert? gekommen ist. Watzek: Mein Verhältnis zu BundesimmobiliengesellWie realistisch war damals wirklich eine Betriebssperre? Und schaft war immer ausgezeichnet. Natürlich war ich als was hätte man dann getan? ­medizinischer Leiter nicht so stark in die ­Verhandlungen Watzek: Vor dem Start des jetzigen Neubaus war angeeingebunden wie der kaufmännische Leiter, und selbstversichts des baulichen Zustands des Altbaus eine Betriebsständlich gab es manchmal hitzige Diskussionen. Ich glausperre wirklich eine realistische Gefahr. Die bauliche Si­tu­ be jedoch, dass das zu einem Neubau wie diesem einfach ation war derart desolat, dass eine Fortführung des Bedazugehört. Entscheidend ist hier wohl das Re­sultat. triebs nur unter großen Einschränkungen möglich war. Wenn Sie im Nachhinein nun alles Revue passieren lassen: Nur durch die endgültige Zusage eines Neubaus konnte daWar es global gesehen die richtige Entscheidung, die Zahn­ mals auch die Bewilligung zur Fortführung des Betriebs klinik an diesem Ort um- und auszubauen, oder wäre es von von diversen Kontrollinstanzen erwirkt werden. vornherein sinnvoller gewesen, sie gänzlich neu, woanders Gibt es so etwas wie einen Lieblingsplatz in der neuen Zahn­ und vielleicht rascher zu errichten? klinik oder einen Ort, der für Sie ganz besonders inspirierend Watzek: Ich muss zugeben, dass ich am Anfang mit der geist? gebenen Wahl des Ortes für den Neubau nicht sehr glückWatzek: Hier möchte ich zwei Areale nennen: Auf der eilich war. Dies deshalb, weil einfach ideell gesehen die nen Seite sind die Forschungsflächen der neuen Zahnklinik ­Distanz zur Allgemeinmedizin (AKH) doch beträchtlich ist. wirklich beispielhaft und großzügig, auf der andere Seite Verstärkt wurde dieses Gefühl der räumlichen Distanz ist die Cafeteria mit der dort eingebundenen Gartenfläche durch die Einführung eines neuen, vom Studium der Allgesicher ein Ort, an dem man sich gerne niederlässt. meinmedizin abgetrennten Zahnarztstudiums. In der ZwiWo hätten Sie sich eine andere, bessere Lösung vorgestellt? schenzeit hat sich jedoch die MUW auch mit anderen EinWatzek: Ich habe an der derzeitigen Lösung wirklich nichts richtungen rings um das Allgemeine Krankenhaus weiter zu kritisieren. Die Vorstellungen aller Beteiligten wurden verbreitet, und ich sehe nun die Zahnklinik gut in die vermeines Erachtens umgesetzt. schiedenen Institutionen der Medizinischen Universität Muss man durch die lange Baudauer nicht befürchten, dass Wien eingebettet. ‹ die Zahnklink – kaum ist sie fertig – schon wieder veraltet ist, Nr. 13 | 2013 | www.big.at

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Thema Grenzstationen

Grenzwertig:

Flugdächer und Kioske zu verschenken Mit dem Schengen-Beitritt der osteuroBregenz päischen Länder im Jahr 2007 wurden Dornbirn auch die Grenzstationen auf österreichiFeldkirch scher Seite nutzlos. Die notwendigen Instandhaltungen der leeren Gebäude Lech Bludenz kosten Geld. Bauliche Anlagen behindern den Verkehr. Nun wird reiner Tisch gemacht. Bis Jahresende sollen alle Kioske, Flugdächer und Schrankenanlagen entlang der Grenzen des Burgenlands und Niederösterreichs verschwinden. Danach werden die Gebäude verkauft. Von Ernst Eichinger

Imst

Seefeld

Innsbruck Landeck

Fotos: Erich Gromek

Ein Foto aus der Vergangenheit. In Klingenbach ist das Flugdach mittlerweile abgebaut, mehrere Tonnen Stahl wurden einge­schmolzen.

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Wattens


Grenz

Litschau

Waldkirchen

Nagelberg

Drosendorf

Gmünd

Horn

Zwettl Freistadt

Weigetschlag

stationen

Haugsdorf

Laa

Schrattenberg

Drasenhofen

Krems

Schärding Braunau

Tulln

Linz Wels

Vöcklabruck

Steyr

Baden

Amstetten

Klingenbach

Leoben

Schladming

Rattersdorf-Liebing

Oberwart

Bad Gastein

Lienz

Kapfenberg

Liezen

Radstadt

Judenburg

Heiligenkreuz

Wolfsberg Spittal

Thörl-Maglern

Minihof Liebau

St. Veit

Lavamünd

Villach

Riegersdorf Unterbergen/Rosental

er burgenländische Ort Klingenbach hat zweifelsohne zu jeder Zeit seine Reize. Ende März 2013 sind selbige allerdings nicht für jedermann gleich erkennbar. Es ist ein verdammt langer Winter. Trotz Plusgraden liegt immer noch Schnee. Der Wind fegt eisig über die Felder. Irgendwie muten die Bedingungen in den Weiten des östlichsten Flachlands noch viel härter und trostloser an als anderswo. Auf der Bundesstraße 16 in Richtung Grenze werden Erinnerungen an mehrmalige Sopron-Besuche in der Jugend wach. Damals, gefühlte 100 Jahre früher, war das Fortkommen bis zum Schlagbaum allerdings eher zäh. Das ehemalige Fabrik­ gelände war der sichere Vorbote für Stau. Denn spätestens ab dort ging es die zwei, drei fehlenden Kilometer im Schritttempo voran. Davon ist jetzt nichts mehr zu spüren. Zügig fährt man auf der mehrspurigen, komfortabel ausgebauten Straße Richtung Zollamt. Dann taucht plötzlich das riesige Flugdach auf – eine von Weitem erkennbare Barriere. Ein mulmiges Gefühl entsteht, wurden doch wir WestNr. 13 | 2013 | www.big.at

Güssing

Graz

Klagenfurt

D

Deutschkreutz

Mürzzuschlag

Bad Aussee

Zell am See

Nickelsdorf

Wr. Neustadt Bad Ischl

Saalfelden

Berg

Gmunden

Salzburg

Kitzbühel

Wien

St. Pölten

Mureck

Bad Eisenkappel

europäer seit unserer Kindheit vor dem Bösen der kommunistischen Systeme gewarnt. In seiner unheimlichen Hässlichkeit wirkt das Flugdach selbst nach Verlust sämtlicher „hoheitlicher“ Funktionen einschüchternd. Unter diesem baulichen Ungetüm haben jahrzehntelang zahlreiche schwer bewaffnete Zöllner und Polizisten den Übergang von Österreich nach Ungarn scharf kontrolliert. Heute – ­Ende März 2013 – ist das graubraune Monster nur mehr ein Schatten seiner selbst. Gras oder Unkraut wuchert an exponierteren Stellen. Sogar die Natur erobert sich diesen Raum teilweise zurück. Die Kioske sind vollkommen desolat. ­Gelegentlich dienen sie der Grenzpolizei noch als Unterstand. Das Flugdach darüber hat seine besten Zeiten lange hinter sich. Längst schützt es kaum mehr vor Wind und Wetter. Die Regenrinnen sind geborsten. Kabel hängen aufgrund der ausgebauten Elektronik für Schlagbäume oder Ampelschaltungen scheinbar willkürlich aus Mauern. Es ist ein bedrückendes Bild der Verwahrlosung, einfach nicht schön. Jüngere Menschen sehen vermutlich nur mehr das ›

BIG Business

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Thema

Fotos: Erich Gromek

Grenzstationen

Diese Stiegen führen schon lange nirgends mehr hin. Trotz der Durchzugsstraße irgendwie ein verlassener Ort.

Ergebnis seit Langem fehlender Instandhaltung. Sie verbinden damit keine Geschichte. Für „die Jugend von heute“ ist das einfach nur Schnee von gestern. Die Kioske und Flugdächer stehen im Weg, behindern den Verkehrsfluss und sind darüber hinaus nicht gerade ein architektonisches Highlight. Sie müssen also weichen.

Verlassener Ort

Eigentümer vieler dieser optischen und physischen Barrieren ist die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Ein ungeliebtes Erbe der Republik. Denn schon lange sind fast alle Liegenschaften, die zuvor vom Bundesministerium für Inneres gemietet waren, gekündigt. Sie bringen also nicht nur kein Geld, sondern stören auch den Verkehr und sind daher seit geraumer Zeit ein Klotz am Bein der BIG. Die nahe­liegende Idee, die baulichen Anlagen einfach zu ent­

fernen, war aber bis vor rund einem Jahr praktisch undurchführbar. Der Grund: Bei vielen Grenzliegenschaften gibt es mehrere Eigentümer. Und das macht die Sache nicht einfacher. Neben der BIG sitzt jedenfalls das jeweilige Bundesland am Verhandlungstisch. Oft sprechen auch Gemeinden oder die ASFINAG mit. Zuerst mussten die genauen Eigentumsverhältnisse bestimmt werden. Erst danach konnte man den künftigen Straßenverlauf festlegen. Das wiederum erforderte in vielen Fällen Grundstücksteilungen, Abtretungen oder Tauschgeschäfte. Alles Rechtsvorgänge, die ihre Zeit dauern. Nach hartem Ringen war es bereits Anfang des Jahres 2012 im Burgenland so weit. Ein Grundsatzvertrag, in dem klar geregelt wurde, wer wofür zuständig ist, konnte abgeschlossen werden. Nach einer kleinen, durch interne Umstrukturierungen bedingten Schaffenspause erging knapp ein Jahr später ein unmissverständlicher Auftrag der BIGGeschäftsführung an die zuständigen Assetmanager: Die Flugdächer müssen weg. Der Abbruch aber kostet Geld. In den Schubladen lagen schon Kostenschätzungen. Insgesamt rund 300.000 Euro sollte die bezahlte Entfernung der Grenzanlagen alleine im Burgenland kosten.

Grenzen in Aktion

Ende März wurde daher die PR-Aktion „Grenzen zu verschenken“ gestartet. Der ORF sendete direkt aus Klingenbach. Insgesamt sechs Flugdächer entlang der burgenländisch-ungarischen Grenze sollten den Eigentümer wechseln. Dankbar griffen viele andere Medien dieses Thema österreichweit auf. „Die Resonanz war gewaltig. Mehr als 50 Unternehmen haben sich bei uns gemeldet“, sagt Thomas Styrsky, Leiter des BIG-Assetmanagement-Teams Spezialimmobilien. Diese Zahl reduzierte sich dann gewaltig, als die Unterlagen verschickt wurden. Darin musste sowohl die Kompetenz für den Abbruch nachgewiesen als auch die Verpflichtung zur Hinterlegung einer Kaution

Verkaufte Grenzliegenschaften

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KV vom

Projektbezeichnung

KV vom

Projektbezeichnung

Dez. 2012

Rattersdorf-Liebing, ehem. Grenzzollamt

Nov. 2010

Bad Radkersburg, ehem. Grenzzollgebäude

Dez. 2012

Deutschkreutz, Grenzübergang

Okt. 2012

Schrattenberg, Zoll-Wohngebäude und Grenzstation

Aug. 2010

Feldkirch, ehem. Zollamt

Okt. 2012

Wullowitz, ehem. Grenzübergang

März 2012

Deutsch-Jahrndorf, Polizei-Wohnhaus

Juli 2010

Hardegg a. d. Thayabrücke, ehem. Zollhaus

Jän. 2012

Bad Radkersburg, ehem. Zollamt

Okt. 2011

Eibiswald, ehem. Zollamt Radlpass

Okt. 2011

Minihof-Liebau, ehem. Zollhäuschen (SÄ)

Juli 2011

Hörbranz, ehem. Zollamt Unterhofsteg

Juli 2011

Mogersdorf, Zollamtshäuschen

Juni 2011

Kötschach-Mauthen, Straßenzollamt

Mai 2011

Bad Radkersburg, ehem. Zollamt und Garagengebäude

Dez. 2010

Gmünd, ehem. Grenzzollamt

Dez. 2004

Dez. 2010

Mörbisch am See, Grenzgebäude (Rad- und Fußgängerübergang)

Juli 2002

BIG Business

Sept. 2010 Juli 2010

April 2010 Jän. 2010

Okt. 2009 Mai 2007

März 2006 Sept. 2005 April 2005 Jän. 2004

Leutschach, ehem. Grenzzollamt (Inselabfertigung) Neuhaus am Klausenbach, ehem. Zollhäuschen Koblach, ehem. Zollhaus

Strem, Zollpostenhäuschen

Braunau am Inn, ehem. Gemeinschaftszollamt Schwarzenberg, ehem. Inselzollamt Haibach, ehem. Zollamt Achleiten

Gries am Brenner, Zollwachgebäude

Gartenau-St. Leonhard, Zollamt „Hangendenstein“

Niederndorf, ehem. Zollamt und Speditionsgebäude Obernberg am Inn, ehem. Zollamtsgebäude Pamhagen, ehem. Zollgrenzhaus

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Grenz

stationen

Unter einer grünen Grenze wird land­ läufig wohl etwas anderes verstanden. Für diesen natur­ belassenen Über­ gang braucht man mittlerweile einen Geländewagen.

­ estätigt werden. Letztendlich kristallisierte sich ein Partb ner für die Aktion heraus. Ein tschechischer Konzern mit Zweigniederlassung in Österreich baut alle sechs Anlagen ab. Die Demontagroup. Der Entscheidung ging allerdings ein hartes Rennen um die Rohstoffe in Nickelsdorf voraus. Zwei Unternehmen, Demonta und eine österreichische Baufirma, lieferten sich ein Match um das größte Flugdach. Das Höchstgebot für den Abbruch – die Bewerber konnten in den Formularen auch einen zu zahlenden Preis für die jeweilige Grenzstation angeben – lag bei 30.000 Euro. Das zweithöchste Gebot, abgegeben von Demonta, befand sich dagegen im überschaubaren dreistelligen Euro-Bereich. Ein enormes, vor allem unerwartetes Delta. Angesichts dieses plötzlichen Geldregens knallten in der BIG die Sektkorken. Zweifel wurden durch die Freude des Erfolgs verdrängt.

«Die Resonanz war gewaltig. Mehr als 50 Unternehmen haben sich bei uns gemeldet.» Thomas Styrsky, Leiter des BIG-Assetmanagement-Teams Spezialimmobilien

Formalfehler

Eine Woche später saß man einander gegenüber. Höflichkeiten wurden ausgetauscht. Dann ging es zur Sache. Sämtliche Details waren rasch geklärt. Zum Schluss blieb nur mehr das Thema Geld offen. Nachdem der Geschäftsführer des mittelständischen Bauunternehmens das Angebot auch höchstpersönlich ausgefüllt und unterfertigt hatte, ließ er es sich auch nicht nehmen, seine Delegation anzuführen. Meistens sind die Finanzen Chefsache. Folgerichtig wollte er dann wissen, wann mit der Überweisung zu rechnen sei. Diese Frage wurde zunächst mit einem ungläubigen Erstaunen seitens der BIG-Verhandler quittiert, gleich danach aber mit der Gegenfrage gekontert, wann denn die BIG das Geld für den Abbau am Konto vorfände. Damit war die Katze aus dem Sack. Die Lage so weit geklärt. Ein klassisches Missverständnis. Mit Brief und Siegel unterschrieben. „Ein juristisches Nachspiel hätte in diesem Fall keinen Sinn gemacht. Der Vertrag wäre wohl wegen Irrtums anfechtbar und ein langwieriger Prozess die Folge gewesen“, sagt Katharina Kohlmaier, Leiterin der BIG-RechtsabteiViele Straßenschilder sind bereits abmontiert. Nur mehr die Halterungen weisen auf lung. Zu diesem Zeitpunkt war klar: Demonta sorgt für den › ehemalige Informationen für Autofahrer hin. Nr. 13 | 2013 | www.big.at

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Thema Grenzstationen

Nicht gerade geräuschlos: Das Blechdach in Deutschkreuz wurde von einem Bagger mit Gewalt entfernt.

Abbruch der sechs Flugdächer in Nickelsdorf, Klingenbach, Rattersdorf, Bonisdorf, Deutschkreutz und Heiligenkreuz. Sehr zur Freude des Geschäftsführers Robert ­Riepl: „Das Projekt rechnet sich nur in seiner Gesamtheit. Ohne Nickels­dorf wäre es problematisch gewesen.“ Mitte Mai war es dann so weit. Das Flugdach in Deutschkreutz sollte als Erstes abgebaut werden. Am 16. Mai um 12 Uhr 30 sollte der historische Moment im Beisein mehrerer Fernsehkameras erfolgen. Die Vorarbeiten waren wie ver-

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Fotos: Erich Gromek

Bild oben: Nach Entfernung des Schriftzugs war die Bahn frei für die komplette Demontage. Bild rechts: Schon bald soll in dem ­Gebäude neben dem mittlerweile abgerissenen Flug­ dach eine Rot­kreuz­ station sein.

einbart erledigt, Genehmigungen eingeholt, die Straße ­gesperrt, Muttern gelöst, sämtliche Träger „angesägt“. Mit ­einem Mal sollte alles medienwirksam in sich zusammenfallen. „Ruiniert’s mir ja nicht die Straße“, warnte Manfred Kölly, Bürgermeister von Deutschkreutz und forderte mehr „Fingerspitzengefühl“ beim Abbruch. Mit Samthandschuhen wurden Beton, Stahl & Co. trotzdem nicht angefasst. Allein das Herausreißen des Blechdachs verursachte ohren­ betäubenden Lärm. Nachdem Kölly auch noch um die schonende Entfernung und Übergabe des Schriftzugs „ZOLLAMT DEUTSCHKREUTZ“ bittet, murmelte Riepl kaum hörbar mit einem leichten Lächeln: „Des Blechdachl hätt i braucht. Die Buchstaben muss ich hergeben. Wenn die so weitermachen, bleibt mir bald von der Grenz nix mehr übrig.“ Und genau das ist für Riepl essenziell. Die Kalkulation ist einfach. „Wir leben von der Rohstoffverwertung. Eisen und Stahl werden entweder in der Marienhütte in Graz oder bei der voestalpine in Linz geschmolzen. Die Kunst dabei ist, die Transportwege so kurz wie möglich zu halten“, sagt ­Riepl. Höhere Erlöse bringen Kabel oder Aluminium. Insgesamt rechnet Riepl bei der Aktion im Burgenland mit rund 600 Tonnen Schrott. Noch am selben Tag war der Abbau des Flugdachs in Deutschkreutz Geschichte. Übrig blieben mehrere Häuser entlang der Straße, die allesamt von der BIG um 25.000 ­Euro an die Gemeinde Deutschkreutz verkauft wurden.

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Grenz

stationen

Am Tag der Entfernung des Flugdachs wurde gleichzeitig auch der Vertrag an den Bürgermeister übergeben. „Wir planen hier die Errichtung einer Rotkreuzstation, einer Jugend­herberge und eines Golfclubs“, so Bürgermeister Manfred ­Kölly. Leider sei die Gesprächsbasis mit den ungarischen Amtskollegen nicht optimal: „Ich hätte so viele Ideen.“ ­Allerdings seien die Gebäude an der ungarischen Grenze in einem miserablen Zustand. „Die kann man nur wegschieben“, so Kölly. Daran denke aber derzeit auch noch keiner.

Aufräumen in Niederösterreich

Herausforderungen

Darüber hinaus können diese Transaktionen durchaus anstrengend sein, weiß Elisabeth Eder, zuständig für Verkäufe des BIG-Konzerns: „Das ist Bohren in dicken Brettern.“ Trotz guter Zusammenarbeit habe der Verkauf der Liegenschaft im oberösterreichischen Wullowitz mehr als zwei Jahre gedauert. Dabei ging es neben Widmungsfragen um die Einrichtung von Abstandsstreifen oder den Aufbau von Lärmschutzwänden. „Jetzt ist alles unter Dach und Fach“, sagt Eder. Neuer Eigentümer ist das Logistik- und Transportunternehmen Ziegler, dessen neuer Firmensitz sich mittlerweile bereits an der Grenze befindet. Damit befindet sich nur noch der Grenzübergang Weiget­ schlag im Land ob der Enns im Eigentum der BIG. Und das vermutlich auch noch länger. Denn nicht alle ziehen dort an einem Strang. Und ein als Straße gewidmetes Gebäude zu verkaufen, wäre schon ein Husarenstück. Ähnlich ist es in der Steiermark. Auch hier wurde fast alles an den Mann oder an die Frau gebracht. Einzig das Flugdach und das zugehörige Gebäude in Mureck leisten noch hartnäckig Widerstand, nachdem sich erst zu einem späteren Zeitpunkt herausgestellt hat, dass das Flugdach nicht der BIG, sondern der Republik gehört. Ebenso ist beim steirischen Nachbarn Kärnten noch nicht alles in trockenen Tüchern. Insgesamt sei die Vereinbarung mit dem Land erst in Ausarbeitung. Einzelne Vorboten im Verkauf deuten aber auf die gleichen Herausforderungen hin wie in den anderen Bundesländern. So will beispielsweise niemand den GrenzNr. 13 | 2013 | www.big.at

übergang in Thörl-Maglern. Das hat seinen Grund. „Dieser Teil der Grenze war für die Abfertigung von Lastkraft­wagen ausgelegt“, sagt Alexander Eichinger, zuständig für Verkäufe des BIG-Konzerns. Dumm nur, dass auf dieser Straße jetzt ein Lkw-Fahrverbot herrscht. Generell ist die Frequenz an diesem alten Grenzübergang eher schwach, was wiederum Kaffeehausbetreiber oder Gastronomen ­abschreckt. Für eine spezielle Nutzung wären die Objekte aber geradezu prädestiniert. In Italien herrscht „nämlich“ Rotlicht-Verbot. Mit einem entsprechenden Betrieb würde man also quasi per se für ausreichend Verkehr sorgen. Dumm nur, dass die Rundgänge alle notwendigerweise an einem großen Gebäude der Polizei vorbeiführen. Insgesamt drei Länder – ­Slowenien, Italien und Österreich – haben hier ihre Exekutivbeamten stationiert. Unter dem Strich ist es mit dem Verkauf der Grenzen also noch lange nicht vorbei. ‹

Nach den Flug­ dächern und Kiosken kommt der Verkauf der Häuser. Im Bild das Zollgebäude in Laa an der Thaya. In der Nähe von Retz steht der letzte Rest des Eisernen Vorhangs. Dort ­jedenfalls gibt es ­keine Zweifel mehr an der Alternativ­ losigkeit eines gren­ zenlosen Österreichs mitten in Europa.

Fotos: BIG

Auf österreichischer Seite ist die „Action“ umso größer. Gleich nach Deutschkreutz fuhren die Bagger nach Klingenbach weiter. Auch dieses Flugdach liegt bereits in seine Einzelteile zerlegt am Schrottplatz oder ist verflüssigt. Noch diesen Sommer sollen die Arbeiten im Burgenland abgeschlossen sein. Die Gedanken der BIG-Assetmanager kreisen bereits um die Grenzanlagen in Niederösterreich. Auch mit den neun Flugdächern Nagelberg, Litschau, Waldkirchen, Drosendorf, Haugsdorf, Laa, Drasenhofen, Schrattenberg und Berg wird heuer aufgeräumt. „Danach werden ­nahezu alle Gebäude verkauft, da sie bis auf zwei Ausnahmen, Nickelsdorf und Naglberg, unvermietet sind“, sagt BIG-Assetmanagerin Sandra Leo-Stickler. Plötzlicher Reichtum wird damit aber nicht ausbrechen, haben doch alle bisherigen Verkäufe (siehe Tabelle Seite 54) nur knapp mehr als 2,3 Millionen Euro in die Kassen der BIG gespült.

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Wunschkonzert Bei der Sanierung und Erweiterung der „business academy donaustadt“ haben die Lehrer und Schüler federführend mitgeplant. Ein Novum im ö ­ ster­rei­ chischen Schulbau. Aber sind Partizipations­prozesse auch ein Modell für künftige Bauvorhaben? Das Ergebnis in der Polgarstraße überzeugt jedenfalls auf ganzer Linie. Von Franz Hubik

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Schule muss nicht immer wie Schule aussehen. Nur der Schriftzug an der stylischen Fassade deutet darauf hin, dass das Gebäude keine Firmen­ zentrale ist.

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hristian Posad ist nicht zu stoppen. Der Mitt­ fünfziger redet wie ein Wasserfall. Im Sekun­ dentakt laufen Sätze vollgespickt mit Super­la­ti­ ven über seine Lippen: Einmalig sei das Projekt. Großartig die Umsetzung. Unglaublich das Engagement der Beteiligten. Dann ist erstmals kurz Pause. Zeit, um Luft zu holen und zu fragen, was den Direktor der Handelsschu­ le und Handelsakademie Polgarstraße in Wien-Stadlau derart ins Schwärmen bringt? Posad sitzt im Büro seiner nigelnagelneuen Schule, die Zunge ist wieder am Abzug. An sich sei eine Sanierung oder der Neubau einer Bildungsstätte ja nichts Außergewöhn­ liches. „Das Besondere an diesem Projekt ist aber, dass die Lehrer hier ihre eigene Schule mitgeplant haben“, sagt Posad. „Das ist ein Paradigmenwechsel im Schulbau, ein Jahrhundertprojekt.“ Was der Schuldirektor mit allerlei hochtrabenden Begriffen lobt, nahm vor mehr als vier Jah­ ren seinen Anfang. Es war der dritte Arbeitstag von Posad als Direktor der Polgarstraße – da trat das Unterrichtsministe­ rium an ihn heran und fragte, ob er sich vorstellen könne, Schule völlig neu zu denken. Er konnte.

Neue Wege in der Raumgestaltung

In einer Großgruppenmoderation, einem sogenannten Open Space, versammelte Posad mehr als 70 Lehrer, um Ideen zu sammeln. Damals war die Schule noch auf drei Standorte verteilt und sollte durch einen Zubau in der Pol­ garstraße vereint werden. Auf rund 300 Flipcharts skizzier­ ›

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Fotos: Harald A. Jahn

In konventionellen Schulgebäuden bleibt die Gangfläche oft ungenutzt. Dank des Cluster-Prinzips ist das vorbei: Stattdessen entstehen neue Räume der Begegnung.

ten die Pädagogen ihre Wünsche. Ein Kernteam von 14 ­Lehrern komprimierte die Vorstellungen dann in enger ­Abstimmung mit der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), dem Unterrichtsministerium sowie dem Stadtschulrat. 1.000 unbezahlte Arbeitsstunden und knapp fünf Monate später war das Pflichtenheft für die Architekten fertig. ­Darin beschreiben die Pädagogen auf 70 Seiten, wie sie sich ihre künftige Schule räumlich vorstellten – nämlich in ­Clustern. Hinter dem sperrigen Begriff „Cluster“ steht ein geniales Konzept, das sich Stockwerk für Stockwerk durch das gesam­ te Gebäude zieht. Jeweils drei Klassenräume sowie ein Com­ puterraum werden von einer Lerninsel umringt, die als freie Begegnungsfläche für alle dient. Anstatt der oft ungenütz­ ten Gangfläche entsteht so ein zusätzlicher Arbeitsraum, der perfekt in die Unterrichtsphilosophie der Schule passt.

Tote Fläche wird lebendig

„Lernen findet im Kopf der Schüler statt“, sagt Posad. ­„Lernen heißt nicht, dass der Lehrer 50 Minuten lang stur vor der Tafel stehen muss.“ Um Fachwissen zu vermitteln, sei zwar noch immer der Frontalunterricht die beste Lehr­

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methode, aber maximal für 20 Minuten. Dann sei es klug, die Unterrichtsform zu wechseln, in Kleingruppen zu ­ar­bei­ten oder die Jugendlichen selbstständig zu einem Themen­gebiet recherchieren zu lassen. Offene und kooperative Lernformen erfordern Platz und unterschiedliche Raumstrukturen. Deswegen wollten die Pädagogen unbedingt die klassische „Gefängnisarchitektur“ von Schulen vermeiden, bei der von einem schmalen Gang, Klassen wie Zellen abgehen. Aufgrund des beschränkten Platzangebots war das freilich nicht ganz einfach. Felix Silbermayr und seine Kollegen vom Architekturbüro SGLW haben in ihrem Siegerentwurf aber eine optimale ­Lösung für das Platzproblem gefunden. „Anstatt langer schlauchartiger Gänge haben wir offene Begegnungsräume geschaffen. Und das schlicht, indem wir die Gangflächen ­zusammengeklappt haben“, sagt Silbermayr. So wurde aus toter Gangfläche lebendige Arbeitsfläche. Es kommt nicht oft vor, dass sowohl die Kosten als auch die Bauzeit bei einer Sanierung und Erweiterung dieser Grö­ ßenordnung unterschritten werden. Beides war beim Zubau in der Polgarstraße der Fall. Hauptverantwortlich dafür war laut Architekt Felix Silbermayr eine solide Planung und Nr. 13 | 2013 | www.big.at


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­Organisation: „Die BIG hat den ganzen Prozess mit ihrer Er­ fahrung super gemanagt und klare Spielregeln vorgege­ ben.“ Für Silbermayr war dabei entscheidend, dass es zen­ trale Ansprechpartner gab, welche die verschiedenen Inter­ essen gebündelt haben. „Das war essenziell, um effektiv ar­ beiten zu können“, analysiert Silbermayr. Wenn die Kommunikation passe, man wertschätzend miteinander umgehe und alle an einem Strang ziehen, dann gelinge so ein Bauvorhaben auch, sagt Gottfried Flicker, der das Projekt für die BIG geleitet hat. Sein Resümee: „Ich hatte es hier so leicht wie schon lange nicht.“ Die Zusammenar­ beit der Beteiligten sei ausgezeichnet gewesen, da alle bereit waren, Kompromisse einzugehen. Einige technische Her­ ausforderungen gab es freilich trotzdem.

Sandiger Untergrund und dicke Luft

So war der Standort der Schule im 22. Bezirk Wiens bei der Fundierung nicht ganz unproblematisch. „In ganz Donau­ stadt haben wir es mit einem sehr sandigen Schwemm­ boden zu tun“, erzählt Flicker. Um die Tragfähigkeit des Baugrunds zu erhöhen, wurde die Erde deshalb mit einem Kalk-Zement-Gemisch vermengt und Schicht für Schicht Nr. 13 | 2013 | www.big.at

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mit Walzen verdichtet. „Das hat extrem gestaubt“, erinnert sich Flicker. „Der ganze Baubereich war kurzzeitig weiß.“ Dieses Verfahren sei aber deutlich schonender als die sonst übliche Rüttelstopfverdichtung, bei der Rohre in den Boden gerammt und mit Schotter aufgefüllt werden.

Schreckgespenst Brandschutz

Ein Thema, das bei allen Beteiligten ganz unterschiedliche Gefühle auslöst, wenn sie darauf angesprochen werden, ist der Brandschutz. Während Schuldirektor Posad und seine Lehrerkollegen den Brandschutz am liebsten zum „Unwort des Jahrhunderts“ wählen würden, hat er für Gottfried ­Flicker „seinen Schrecken längst verloren“. Klar ist: Je offe­ ner Grundrisse gestaltet werden, desto mehr Hirnschmalz muss dahingehend investiert werden. Zudem sind die Brandschutzvorschriften in den vergangenen Jahren noch­ mals verschärft worden. Architekt Felix Silbermayr meint aber: „Prinzipiell lässt sich alles durch technische Hilfsmittel lösen.“ Am einfachs­ ten wäre es wohl, die Schulen mit Sprinkleranlagen auszu­ statten. Aber aufgrund der Wartungsintensität ergeben sich hohe Folgekosten. Zudem kommt es in Schulen oft zu einem ›

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Deckenöffnungen und großzügige Verglasungen sorgen dafür, dass das futuristisch wirkende Atrium mit natürlichem Licht durchflutet wird. Die Folge: ein angenehmes und offenes Raumklima.

Fehlalarm, die automatischen Feuerlöschanlagen würden voraussichtlich mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. In der Polgarstraße wurden daher vorwiegend technische Brandschutzeinrichtungen installiert, wie beispielsweise zufallende Türen.

Legebatterie-Lehrerzimmer war gestern

Trotz Brandschutz, schwieriger Bodenverhältnisse und an­ derer kleiner und großer Herausforderungen ist in der Pol­ garstraße eine der modernsten Schulen Österreichs ent­ standen, um die Lehrer und Schüler gleichermaßen benei­ det werden. „Wir wollten eine Schule haben, die nicht wie

Foto: BIG

«Das Besondere an diesem Projekt ist, dass die Lehrer hier ihre eigene Schule mitgeplant haben.» Christian Posad, Direktor der HAK Polgarstraße

eine Schule aussieht, sondern eher wie ein modernes ­Firmengebäude“, sagt Monika Kases, Lehrerin für kauf­ männische Fächer. „Ich denke, das ist uns gelungen. Die ­Architekten haben unsere Vorstellungen zu 100 Prozent umgesetzt.“

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Kases sitzt auf einer Couch im selbst geplanten Lehrer­ zimmer und strahlt übers ganze Gesicht. Sie gehörte zum 14-köpfigen Team jener Lehrer, die hauptverantwortlich für das jetzige Raumkonzept sind. „In konventionellen Schulen sind die Lehrerzimmer meist große Räume, wo jeder Pädago­ ge gerade einmal einen Ordner breit Platz hat“, sagt Kases. Statt dieser Legebatterien wollten die Lehrer offene Räume, wo Austausch möglich ist, aber auch Bereiche, in denen man ungestört arbeiten kann. Die Lösung lag wieder im Cluster­ system: Ein großer, lichtdurchfluteter Begegnungsraum wird auf zwei Ebenen von abgetrennten Arbeitsräumen umschlossen.

Schüler am Werk

Die Lehrer haben aber nicht nur Raumkonzepte entwickelt, sondern auch einen Gutteil der Möbel mitentworfen. Größ­ ten Wert legten die Pädagogen dabei auf eine flexibel ver­ wendbare Einrichtung. „Wir haben Klassen mit normalen rechteckigen Tischen ebenso wie Klassen mit Tischen in Würfel- oder Trapezform“, erzählt Kases. „Indem wir zwei oder drei Tische verrücken, können wir zum Beispiel schnell eine Pressekonferenz inszenieren.“ Im Sinne der Nachhal­ tigkeit habe man ganz bewusst versucht, die Räume so zu gestalten, dass sie unterschiedliche Unterrichtskonzepte zu­lassen. Nicht nur das Gebäude und die Möblierung wurden auf basisdemokratischem Weg geplant. Auch die großzügigen Nr. 13 | 2013 | www.big.at


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und futuristisch wirkenden Außenanlagen sind in partizi­ pativen Prozessen zustande gekommen. Allerdings waren hier die Schüler federführend, die in einem Workshop ihre Ideen eingebracht haben. Das Ergebnis lässt keine Wünsche offen. Auf einer Tanzfläche können die Jugendlichen ihren Bewegungsdrang ebenso ausleben wie auf einer großen Sportfläche, die den Namen „Arena del Sol“ trägt. Zum Ent­ spannen laden zudem weitläufige Liegeflächen auf einer Holzterrasse ein.

Im Zentrum eine großzügige Aula

In dem 9.300 Quadratmeter großen Zubau hat nun auch endlich jeder Schüler bzw. jede Schülerin einen eigenen Spind. Das Zentrum des Gebäudes bildet eine lichtdurch­ flutete Aula, die als Kommunikations- und Veranstaltungs­ ort dient. Im Erdgeschoß wurden die Garderobe und das Buffet für die Schüler untergebracht sowie Räume für den naturwissenschaftlichen Unterricht, Stammklassen und der Turnsaal. Das rund 5.300 Quadratmeter große Bestands­ gebäude wurde binnen zwei Jahren umfassend ­saniert und durch einen Glas- und Stahlbau mit dem Neubau ver­ bunden. Auf drei Ebenen ist jetzt ein barrierefreier Über­ gang möglich. Es verwundert nicht, dass das Feedback der Lehrer, Schü­ ler und Eltern zu den baulichen Änderungen mehr als posi­ tiv ausfällt, auch wenn nicht mehr alle in vollem Umfang davon profitieren können: „Dadurch, dass ich jetzt in der Abschlussklasse bin, konnte ich die neuen Räume noch nicht wirklich nutzen“, sagt die Maturantin Michaela Reu­ mann. „Aber die Schule ist jetzt schon sehr viel attraktiver geworden“, ist sie sich mit ihrer Klassenkollegin Kristina Tumberger einig. Dass die Polgarstraße an Attraktivität gewonnen hat, merkt auch Schuldirektor Posad – vor allem an den neuen Schulanmeldungen: „Früher hatten wir im Schnitt vier An­ fangsklassen. Jetzt sind es schon fünf oder sechs.“ Die Schu­ le erfreut sich auch unter Pädagogen zunehmender Be­ liebtheit. „Auf zwei offene Lehrstellen hatten wir zuletzt sechs Bewerbungen“, erzählt Posad. Aber was können ­moderne und funktionelle Schulgebäude wie jenes in der ­Polgarstraße tatsächlich bewirken? „Ich bin davon überzeugt, dass sich unser Raumkonzept auch auf den Erfolg der Schüler niederschlägt“, sagt Lehrerin Monika Kases. Da die Kinder erst ab dem kommenden Schul­ jahr vollständig in den Genuss des neuen Gebäudes kom­ men, habe man aber noch keine Auswirkungen auf die ­Noten beobachtet. Bildungsexperte Andreas Salcher stellt im Interview (Seite 65) klar, dass zwar auch weiterhin die „Software“, also die Qualität des einzelnen Pädagogen, für den Lernerfolg der Schüler entscheidend sei, aber nur, wenn die Politik adäqua­ te Arbeitsmöglichkeiten schaffe, „werden die Lehrer und Schüler auch gerne in die Schule gehen“. Schuldirektor Posad sieht das ähnlich: „Sebastian Vettel konnte sogar im Toro Rosso einmal ein Rennen gewinnen. › Nr. 13 | 2013 | www.big.at

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In diese Schule geht man gerne

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Aber Weltmeister wurde er erst im Formel-1-Cockpit von Red Bull.“ Das soll wohl so viel heißen wie: Gute Lehrer können selbst in schlechten Schulen gut unterrichten. Aber um Spit­ zenleistungen erzielen zu können, müssen eben auch die Räumlichkeiten passen.

Basisdemokratischer Schulbau

Bei der Sanierung und Erweiterung der Schule in der Pol­ garstraße wurde eindrucksvoll bewiesen, dass die Einbin­ dung der späteren Nutzer in die Planungsphase zu über­ zeugenden Ergebnissen führen kann. Aber taugen basisde­ mokratische Modelle auch für andere Bauvorhaben im Bil­ dungsbereich? Und was gilt es bei partizipativen Modellen zu beachten? „Solche Beteiligungsmodelle sind eine große Chance“, sagt Felix Wagner. Der 19-jährige Bundesschulsprecher for­ dert, dass die Schüler „unbedingt“ in solche Prozesse mitein­ bezogen werden. Schließlich würden die Schüler mehr als die Hälfte ihrer Tageszeit in der Schule verbringen und selbst am besten wissen, was sie brauchen. „Oft reicht der Platz für

Kompromisse einzugehen, die etwa Brandschutz und Bau­ ordnung nötig machen. Den Planern dürfe vonseiten der Schule nicht nur ein „bunter Korb mit Wunschvorstellun­ gen“ übergeben werden, sondern man müsse auch ein ver­ ständliches und konzises Konzept vorlegen. Nur dann könn­ ten partizipative Prozesse auch erfolgreich enden.

Denkmalschutz spielt kaum eine Rolle

Das Gesamtprogramm des Unterrichtsministeriums für Sanierungen und den Neubau von Bundesschulen umfasst bis 2018 rund 1,6 Milliarden Euro. Allein das Investitions­ volumen der sieben Großprojekte, die 2013 anstehen, be­ trägt knapp 100 Millionen Euro. Österreichweit sind derzeit 37 Schulbauprojekte in Bau oder in Planung. Die BIG ist bei rund zwei Dritteln der Vorhaben das ausführende Unter­ nehmen. Insgesamt besitzt die BIG etwa 680 Schulgebäude an rund 320 Standorten, die an das Unterrichtsministeri­ um vermietet werden. Gottfried Flicker sitzt für die BIG im Arbeitskreis für Schul­ bau des Österreichischen Instituts für Schul- und Sport­ stättenbau (ÖISS) und weiß genau, woran basis­ demokratische Beteiligungsmodelle im Zweifel scheitern können. „Bevor man überhaupt eine Schule plant, müssen die Lehrer ein pädago­ gisches Konzept erstellen, um zu wissen, welche Bedürfnisse es gibt und wie das Haus in der Folge funktionieren soll“, sagt Flicker. Das gelte nicht nur für Neubauten, sondern auch für die Sanie­ rung von Altbauten. In dicht verbauten Gebieten in Wien oder Graz ist es zwar oft schwieriger, Konzepte wie offene Clustersysteme umzu­ setzen, aber unmöglich sei laut Flicker auch das nicht. Der Denkmalschutz spiele heute kaum noch eine Rolle, manche Maßnahmen würden sich nur stärker bei den Kosten bemerkbar ­machen.

Foto: Harald A. Jahn

Hohe Akzeptanz dank Einbindung

Bei der Gestaltung der Außenanlagen konnten auch die Schüler ihre Ideen einbringen. Dem Bewegungsdrang sind nun keine Grenzen gesetzt.

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einen Schüler gerade einmal vom linken bis zum rechten Sitznachbarn“, sagt Wagner. „Das ist als Lebensraum nicht zumutbar.“ Der Trend müsse daher dahin gehen, Formen des Rückzugs zu schaffen, wie zum Beispiel eine Couchecke. Helmut Moser, Sektionschef im Unterrichtsministerium, sieht in Partizipationsprozessen Chance und Gefahr in ei­ nem: „Das Ergebnis der Beteiligung ist nur so gut wie die Bei­ träge der Partner.“ Es müsse auch eine Bereitschaft zur Teil­ nahme und Teilhabe geben. „Der Lehrkörper ist aufgefordert, im Rahmen des vorgegebenen Flächenbudgets neue Struk­ turen für seine Arbeitswelt zu definieren und aus tradierten Vorstellungen auszubrechen“, sagt Moser. Die Schülerinnen und Schüler sollten ihre Anforderungen an die Schule kon­ kretisieren, und alle Beteiligten müssten bereit sein, jene

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Der junge Architekt Felix Silbermayr sieht in vorab durchgeführten Partizipationsprozessen große Vorteile: „Je konkreter die Nutzer ihre Vor­ stellungen formulieren können, desto besser ist es für uns Architekten.“ Die Akzeptanz bei den Betroffenen steige, wenn sie an dem Prozess beteiligt sind. Bei Projekten, wo man die Nutzer erst im Nachhinein infor­ miert und vor vollendete Tatsachen stellt, komme es oft zu Streit, was zu unnötigen Verzögerungen führe. Man müsse die Lehrer und Schüler aber auch fachkundig bei der Pla­ nung unterstützen und ihnen die Grenzen des Möglichen und Finanzierbaren aufzeigen. Beim Projekt Polgarstraße haben alle Faktoren perfekt zu­ sammengespielt. Aber nicht immer gelingen partizipative Prozesse so gut. Direktor Christian Posad ist trotzdem davon überzeugt, dass sein Modell Schule machen könnte. Er wür­ de alles wieder genau so machen. Oder fast alles. Denn: „Müsste ich nochmals alles organisieren, würde ich auch ein bis zwei Schüler in das Kernplanungsteam integrieren.“ ‹ Nr. 13 | 2013 | www.big.at


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„Kasernenbauweise ist völlig unbrauchbar“ Bildungsexperte Andreas Salcher erklärt, wie moderne Schulgebäude aussehen müssen und was dagegen spricht, Kinder à 25er-Gruppen in Klassen zu „pferchen“.

Foto: Ecowin Verlag

die mitunter denkmalgeschützt sind, ■ Wie sollen die Schulen in Zukunft bewerkstelligen? aussehen? Salcher: Das ist die große Herausfor­ Salcher: Es gibt nicht die eine Schule derung für die Architektur. Es ist klar, der Zukunft. Aber es gibt viele Model­ dass wir nicht alle rund 6.000 beste­ le. Und alle Modelle gehen davon aus, henden Schulen in Österreich neu dass der Raum der Pädagogik zu fol­ bauen können. Es muss uns gelingen, gen hat. Derzeit ist es aber umgekehrt: die bestehenden Raumstrukturen an Die Pädagogik muss sich dem Raum die Anforderungen moderner Pädago­ anpassen, und das ist grundfalsch. gik anzupassen. Und das mit einem Welche Anforderungen stellt die PädaAndreas Salcher (52) ist Mitbegründer der vertretbaren Kostenaufwand. Ein An­ gogik an Schulgebäude? Sir-Karl-Popper-Schule, Berater und Bestsellerautor. satz wäre, den Lehrern die Klassen zu Salcher: Das oberste Prinzip ist: Kinder geben und die Schüler pendeln zu las­ und Lehrer haben einen Körper. Unse­ sen. Das würde das Problem der teilweise unzumutbaren re Schulen sind aber nicht für Menschen mit einem Körper Lehrerarbeitsplätze lösen und erfordert nur geringe Um­ gebaut, sondern für Menschen, die einen großen Kopf bauarbeiten. Anstatt eines zentralen Lehrerzimmers, das ­haben, sich maximal sitzend bewegen und wenig frische allen Zufriedenheits- und Befindlichkeitsstudien wider­ Luft brauchen. In dem Augenblick, in dem wir wahrneh­ spricht, könnte man Erholungs- und Begegnungsflächen men, dass Kinder einen Körper haben, führt das unweiger­ schaffen. lich zu klaren Schlussfolgerungen darüber, wie Schulen Für den Lernerfolg der Schüler ist doch primär der Lehrer enträumlich gestaltet werden müssen. Es spricht alles dage­ scheidend. Was können moderne Schulgebäude tatsächlich gen, Kinder à 25er-Gruppen in Klassen zu pferchen. Kinder bewirken? brauchen großzügige Erholungs- und Begegnungsflächen. Salcher: Die Software ist natürlich das Wichtigste. Man Die Rolle des Lehrers ist heute eher die eines Herumwande­ muss erkennen, dass Kinder und Lehrer einen Körper ha­ rers als die eines stur vor der Tafel Stehenden. Die bei uns ben und dementsprechende Arbeitsmöglichkeiten schaf­ vorherrschende Kasernenbauweise ist für moderne Päda­ fen. Dann werden die Lehrer und die Schüler auch gerne in gogik v ­ öllig unbrauchbar. die Schule gehen. Von einer flächendeckenden Anwendung moderner RaumBeim Zubau der Handelsschule und Handelsakademie konzepte sind wir in der Praxis aber weit entfernt. ­Polgarstraße in Wien waren Lehrer und Schüler in den PlaSalcher: Man muss zur Ehrenrettung der Schulen sagen: nungsprozess involviert. Sind solche basisdemokratischen Selbst wenn fortschrittliche Lehrer oder Direktoren moder­ Modelle ein Konzept für die Zukunft? ne Raumkonzepte forcieren möchten, legt man ihnen un­ Salcher: Auf jeden Fall! Ich bin ein totaler Befürworter, die gemein viele Ziegelsteine in den Weg. Oft scheitern Ansät­ Nutzer und ihre Interessen von Beginn an miteinzubezie­ ze aufgrund der Brutalität, mit der Behörden an Verordnun­ hen. Das heißt ja nicht, dass man jeden Vorschlag sklavisch gen hängen. Die Brandschutzvorschriften in Österreich verfolgen muss. Mindestens ebenso wichtig wie die Betei­ werden zum Beispiel oft so rigide ausgelegt, dass es kaum ligung der Nutzer bei der Planung ist mir aber, dass man möglich ist, offene Flächen zu gestalten. sich erfolgreiche Best Cases anschaut. Man muss das Rad Beim Neubau von Schulen kann die Kasernenartigkeit leicht nicht immer neu erfinden. ‹ umgangen werden. Aber wie wollen Sie das bei Altbauten, Nr. 13 | 2013 | www.big.at

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Das Magazin der Bundesimmobiliengesellschaft

Universität der Zukunft

Die neue WU im Prater ist ein architekto­ nisches Ausnahmeprojekt. Die Übergabe ­erfolgt im Sommer. Auch die Kosten halten.

Vorzeigemodell

Die Entwicklung des BIG-Konzerns gilt europaweit als vorbildhaft. Mehrere Staaten sind interessiert, dem Beispiel zu folgen.

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