Magazin «umwelt» 2/2013 - Biodiversität erhalten

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Rote Listen

Stark gefährdete Arten im freien Fall Der Biodiversitätsverlust in der Schweiz ist immer noch nicht gestoppt. Die derzeit laufende Revision der Roten Liste der Pflanzen zeigt, dass die Verbreitungsgebiete und Bestandsgrössen vieler Arten in den vergangenen drei Jahrzehnten dramatisch geschrumpft sind. Der Handlungsbedarf ist enorm. Text: Gregor Klaus Unter den 350 Florawächtern der Schweiz herrscht oft Ernüchterung. Seit drei Jahren suchen sie systematisch frühere Fundorte von seltenen und bedrohten Pflanzenarten auf. Doch die ehrenamt­ lichen Feldbotaniker finden oft nicht das vor, was sie erwartet haben. Enttäuscht wenden sich viele an Andreas Gygax vom Nationalen Daten- und Infor­ mationszentrum der Schweizer Flora (Info Flora), der die Feldaufnahmen koordiniert. Wurde an der falschen Stelle gesucht? «Die meisten Fundorte sind gut lokalisierbar», erklärt der Botaniker. «Man kann kaum daran vorbeilaufen. Fehlt eine Zielart, müssen wir mit grosser Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sie am gesuchten Fundort ausgestorben oder zumindest sehr selten geworden ist.»

Massive Verluste Die Daten der Florawächter dienen dazu, die Rote Liste der gefährdeten Pflanzen aus dem Jahr 2002 zu revidieren. Die erste Hälfte der Feldarbeiten wurde im Herbst 2012 abgeschlossen. Eine erste Datenanalyse zeigt ein dramatisches Bild: Mehr als ein Drittel der Fundorte, auf denen vor 10 bis 30 Jahren seltene oder bedrohte Arten nachgewiesen worden waren, sind verwaist. «Dieses Resultat hatten wir in einer solchen Deutlichkeit nicht erwartet», sagt Stefan Eggenberg, Direktor von Info Flora. «Die Daten do­ kumentieren einen massiven Verlust an Biodiversität in der Schweiz in den letzten drei Jahrzehnten.» Je stärker eine Art in der Roten Liste 2002 als ge­ fährdet galt, desto grösser sind die nun festgestellten

VERWAISTE FUNDORTE VON PFLANZENARTEN VERSCHIEDENER GEFÄHRDUNGSKATEGORIEN

Bilder: Beat Bäumler

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100 % 90 % 80 % 70 % 60 % Anteil bestätigter Vorkommen

Im Rahmen der Revision der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen wurden in den Jahren 2010 bis 2012 Fundorte von rund 1000 Arten aus den 1980er- und 1990er-Jahren nochmals aufgesucht. Die Abbildung zeigt das Verhältnis von bestätig­ten (Bildanteile) zu nicht mehr bestä­ tigten Vorkommen. Arten, die in der alten Roten Liste von 2002 als «vom Aussterben bedroht» eingestuft worden waren, wurden viel seltener wieder­gefunden als nicht gefährdete Arten.

50% 40 % 30 % 20 % 10 % 0% Vom Aussterben bedrohte Arten (CR), z. B.

Stark gefährdete Arten (EN), z. B.

Verletzliche Arten (VU), z. B.

Potenziell gefährdete Arten (NT), z. B.

Nicht gefährdete Arten (LC), z. B.

Lathyrus hirsutus L.

Pulsatilla vulgaris

Agrostemma githago

Astragalus exscapus L.

Pulsatilla vernalis (L.) Mill.


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