Magazin «umwelt» 4/2017 - Auf gutem Grund

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umwelt 4/2017 > DOSSIER BODEN

UMFASSENDE BETRACHTUNG

Bodenqualität muss punkten Der Boden erfüllt vielerlei Funktionen. Angesichts immer knapper werdender Reserven an gutem Kulturland hätte seine Qualität weit mehr Augenmerk verdient, als die Raumplanung ihr widmet. In unseren Nachbarländern bewähren sich Karten, die die Eigenschaften der unterschiedlichen Böden abbilden. Text: Urs Fitze Bezüglich Bodenfunktionen fällt uns in der Regel als Erstes die landwirtschaftliche Produktion ein – entsteht unser täglich Brot doch aus Weizen, der aus der fruchtbaren Erde wächst. Auch in der Politik ist diese Sichtweise weit verbreitet. Daraus erklärt sich, dass 1992 der Sachplan «Fruchtfolgeflächen» (FFF) in Kraft gesetzt wurde. Er soll gewährleisten, dass sich die Schweiz selber ausreichend mit Lebensmitteln versorgen kann. Dazu stellt er 438 560 Hektaren Ackerland unter Schutz. Dies entspricht knapp einem Drittel der landwirtschaftlich nutzbaren Böden, und es obliegt den Kantonen, diese Flächen zu erhalten. Bis Ende 2017 solle nun eine Expertengruppe Vorschläge zur «Stärkung und Flexibilisierung» des Sachplanes ausarbeiten, berichtet Michael Zimmermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Agrarumweltsysteme und Nährstoffe des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW). Die Vorgaben seien indes nur wirksam, wenn sie von den Kantonen vollzogen würden. Den einen gelingt dies besser, den anderen weniger gut – und einige schaffen es kaum mehr, das vorgegebene Mindestmass an Ackerböden zu erhalten. «Bei den Fruchtfolgeflächen sind wir in einigen Kantonen schon jetzt am Limit und schweizweit innerhalb des nächsten Jahrzehntes, wenn wir so weitermachen», analysiert der Bodenfachmann Armin Keller von der Nationalen Bodenbeobachtung Schweiz (NABO). Nicht mehr nur Quantität schützen Dass landwirtschaftliches Kulturland zur Mangelware wird, ist in erster Linie der kontinuierlichen Ausdehnung der Siedlungen geschuldet. Zwar verankerte die Schweiz bereits im Jahr 1969 die «zweckmässige Nutzung des Bodens» und eine «geordnete Besiedlung des Landes» in ihrer Verfassung. 1980 trat das Bundesgesetz für Raumplanung (RPG) in Kraft, das diese Aufgabe primär den Kantonen zuwies. Dennoch wuchsen die Siedlungen zwischen 1985 und 2009 nahezu unvermindert weiter (siehe auch Seite 11 ff.).

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2014 wurden mit der ersten Etappe des revidierten Raumplanungsgesetzes die Weichen neu gestellt: Es besteht nun ein expliziter gesetzlicher Auftrag, dass die Siedlungsentwicklung nach innen zu erfolgen hat; Neueinzonungen sind seither zwar noch möglich, aber nur in eingeschränktem Ausmass. Das Wachstum der Siedlungsflächen dürfte sich damit etwas entschleunigen. Ein Problem aber bleibt bestehen: Der gesetzlich verankerte Schutz des Bodens fokussiert nahezu ausschliesslich auf Flächen – das heisst auf die Quantität – und lässt dessen Qualität weitgehend ausser Acht. Zudem misst sich die Bodenqualität bei Weitem nicht allein nach ihrer Eignung für die landwirtschaftliche Produktion. «Wir müssen uns bewusst werden, dass wir nicht nur Ackerflächen für die Lebensmittelproduktion verlieren, sondern Ökosysteme, die wichtige Leistungen wie Hochwasserschutz oder Klimaschutz erbringen», betont Michael Zimmermann. Denn wie auch Armin Keller bestätigt, wurde bisher «in der Raumplanung mit dem Sachplan Fruchtfolgeflächen lediglich die Funktion der Böden berücksichtigt».

«Wir müssen uns bewusst werden, dass wir nicht nur Ackerf lächen für die Lebensmittelproduktion verlieren, sondern Ökosysteme, die wichtige Leistungen erbringen.» Michael Zimmermann, BLW

Hohe Punktezahl für die Vielfalt an Funktionen Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass den meisten Kantonen bei der Planung zu wenige oder gar keine Bodenkarten als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stehen. Bei der Abwägung raumplanerischer Konflikte fallen deshalb wertvolle Bodenleistungen wie Hochwasserschutz oder Trinkwasserreinigung nicht ins Gewicht. «Es mangelt sowohl am Bewusstsein für die Wichtigkeit


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