Im Gespräch mit Andreas Schwienhorst
PERSÖN LIC H
Der Bürgermeister im nahen Rerik schätzt den Schaden für seine Stadt auf drei Millionen Euro pro Jahr. Sie haben entdeckt, dass ein Großteil der Flugzeuge gar keine Flugerlaubnis hat. Auf einen Tipp aus Fliegerkreisen hin haben wir recherchiert und Gesetzesbrüche auf allen Ebenen entdeckt. So waren Flugzeuge mit polnischer und russischer Kennung stationiert, die nach Auskunft der dortigen Behörden weder registriert waren noch eine Flugerlaubnis besaßen. Und wir fanden Belege dafür, dass – neben vielen weiteren Verstößen – die Betriebsgenehmigung des Flugplatzes insgesamt ungültig ist.
Direkt am Salzhaff, einem der schönsten Küstenabschnitte der deutschen Ostsee, ist seit drei Jahren eine BUND-Ortsgruppe aktiv. Und das ist gut so: Denn hier, in direkter Nähe zum EUVogelschutzgebiet »Küstenlandschaft Wismar-Bucht«, liegt ein kleiner Flugplatz. Wie es dank akribischer Recherche und engagierter Öffentlichkeitsarbeit gelang, diesen Fremdkörper zu entschärfen, weiß der Leiter der Gruppe, Andreas Schwienhorst. Herr Schwienhorst, Sie leben nahe am Salzhaff. Was verbindet Sie mit dieser Landschaft? Als Biochemiker hat es mich – wie bei Wissenschaftlern heute üblich – viele Jahre durch die ganze Welt gepustet. Irgendwann habe ich es einrichten können, hierher zu ziehen. Mich erinnert hier viel an meine Kindheit im Münsterland, eine wunderbar ruhige Gegend. Auch Hobbyflieger sind lieber über schöner Landschaft unterwegs. Was führt am Salzhaff zu Konflikten? Die Umwidmung des einstigen Agrarflugplatzes Zweedorf in einen Zivilflugplatz geht auf einige Lokalgrößen zurück, die nach der Wende hofften, mit Großprojekten das schnelle Geld zu machen. Die Startbahn des Flugplatzes zielt direkt auf das Örtchen Roggow und das Vogelschutzgebiet. Wir haben Akten eingesehen und ermittelt, dass es vor der Wende an höchstens sechs Wochentagen im Jahr insgesamt maximal 300 Flugbewegungen gab. Im letzten Jahr waren es dagegen 2 800. Das widerspricht der Landesplanung, die 1991 vorgeschrieben hatte, dass der neue Flugplatz die Umgebung nicht stärker belasten darf als der alte. BUND-Ortsgruppe Salzhaff-Rerik, c/o Andreas Schwienhorst, Tel. (038294) 1 53 65, www. bund-salzhaff.de
Die Belastung aber ist eindeutig gestiegen? Allerdings. Der Flugbetrieb konzentriert sich auf die Sommerwochenenden. Startende Flugzeuge überfliegen das Schutzgebiet oft in nur hundert Meter Höhe, was viele brütende Wasservögel veranlasst, ihre Nester aufzugeben. Für die ganze Urlaubsregion ist das fatal:
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BUNDmagazin [4-11]
Wie haben die Behörden auf die Missstände reagiert? Mit Schweigen und Untätigkeit. Lange ließen die Luftfahrtbehörden auf Landes- und Bundesebene unsere detaillierten Recherchen und Belege unbeantwortet. Schließlich schalteten wir die Staatsanwaltschaft ein und richteten – auf Anregung eines BUND-Anwalts – Petitionen an Landtag und Bundestag, um das Verkehrsministerium und die Ämter zu bewegen, endlich an die Arbeit zu gehen. Dazu kam Pressearbeit. Und, ganz wichtig: Einige unserer Aktiven, Bürgerinitiativen und die Freie Wählergemeinschaft Zweedorf demonstrieren seit bald zwei Jahren fast jede Woche vor dem Schweriner Verkehrsministerium. Schließlich hat sich zumindest das Luftfahrtbundesamt bequemt, unsere Fakten zu prüfen. Mit dem Ergebnis, dass nicht nur bei uns, sondern bundesweit wohl einige Hundert Flugzeuge ohne gültige Registrierung aus dem Verkehr gezogen wurden. Auch die betroffenen Maschinen in Zweedorf wurden stillgelegt, der Flugbetrieb ist seitdem stark zurückgegangen. Zudem kooperieren wir jetzt mit der Deutschen Flugsicherung, um mit deren gerichtsfesten Radardaten Tiefflieger zu überführen. Weitere Aktivitäten folgen. Ernten auch andere Ihrer Anliegen so viel Widerstand? Zum Glück nein. So ist es dank einer schönen Initiative sämtlicher Wassersportvereine der Region gelungen, den Wassersport in der Wismar-Bucht in naturverträgliche Bahnen zu lenken. Besonders wurde um ein Regelwerk gerungen: Wo sind wann welche Aktivitäten erlaubt, welche sensiblen Bereiche bleiben ausgeklammert? All das wird heute gut kommuniziert, auch wir beteiligen uns an der Kontrolle. Es ist nun an der Landesregierung, die Regeln in die Landesverordnung über die Europäischen Vogelschutzgebiete aufzunehmen. Weiterhin so viel Erfolg! Interview: Severin Zillich