BUND Frankfurt Großstadtgrün, Ausgabe 2, "Streuobstwiesen"

Ausgabe II März 2015 BUND Frankfurt

Streuobstwiesen

groß stadt grün

2 Ă–konomie

1 Editorial

Liebe Freundinnen und Freunde des BUND Frankfurt am Main,

wir freuen uns, Ihnen unsere zweite Ausgabe unseres Magazins Großstadtgrün zum Thema Streuobstwiesen präsentieren zu können. Auf den Weg gebracht hat diese unsere ehemalige Geschäftsstellenmitarbeiterin Christiane Kretschmer.

Nach dem alt bewährten Konzept hat sie für Sie Experten aus dem Themenfeld Streuobstwiesen als Gastautoren eingeladen, die nun mit uns ihr vielfältiges Wissen teilen. So erzählt uns Josef Weimer, Pomologe und ehemaliger Gartenbaulehrer, einführend, wie wir überhaupt zu unserem heutigen Kulturapfel kamen. Monika Peukert, Diplombiologin und Spezialistin für seltene Obstarten in unserer Region, berichtet uns weiterhin, welche Entwicklungen Streuobstwiesen in Frankfurt durchgemacht haben und wie es um Schutz und Nutzung dieser wertvollen Biotope steht.

Natürlich legen wir als Naturschutzorganisation auch einen Fokus auf die Biodiversität. Von Speierling und Mispel haben Sie bestimmt schon gehört, aber wussten Sie, wie Bäume und Früchte aussehen, welche Verwendung sie im Frankfurter Raum fanden und wo sie heute noch vorkommen? Heinz Schaan, ehemaliger Gärtnermeister des Palmengartens Frankfurt, liegt weiterhin regelmäßig in seiner Freizeit mit seiner Kamera in Streuobstwiesen unserer Gegend auf der Lauer und hat so eine fantastische Sammlung an Fotos von Tieren und Pflanzen aufgebaut. Einen Auszug daraus, gemeinsam mit spannendem Hintergrundwissen war er bereit, in unserem Magazin vorzustellen. Die Fotos ziehen sich durch die gesamte Ausgabe, Sie finden sie aber primär in dem Artikel zur Biodiversität von Streuobstwiesen. Man mag es kaum glauben, dass Mäusebussard, Steinkauz oder auch Ringelnatter zu den Tieren Frankfurts zählen und die Bilder tatsächlich quasi vor unserer Haustüre entstanden sind. Und trotzdem sind sie auch ein Mahnmal für den stetigen Verlust unbebauter Flächen, die es an den Stadträndern noch gibt.

Das Foto vom Steinkauz auf der ersten Seite des Artikels zur »Äpplereule« hat uns aufgrund seiner Wirkung beinahe sprachlos gemacht und wir haben uns sehr gefreut, dass Naturfotograf Stefan Rosengarten damit einverstanden war, seine Werke in unserem Magazin zu veröffentlichen. Der Bericht von Ingo Rösler, ein versierter Vogelkenner und aktiver Vogelschützer, über die Steinkauzdame »Helgoland 4300032«, mag verwundern, wie gut wir heute in der Lage sind, die Lebensweise von Wildtieren zu erfassen und zeigt beispielhaft, was das Schwinden des Lebensraumes Streuobstwiese für unsere Biodiversität bedeutet. Abgerundet wird diese Kategorie zur Artenvielfalt durch einen Artikel von Paul Westrich zu Wildbienen auf Streuobstwiesen.

Paul Westrich ist Diplombiologe und Leiter des Instituts für Biologie und Naturschutz in Kusterdingen und besitzt Wissen über Wildbienen, wie kaum ein anderer.

2

3 Editorial

Im Weiteren wollen wir mit verschiedenen Artikeln auch gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Aspekte von Streuobstwiesen reflektieren. Eine Einleitung dazu erhalten Sie von Monika Krusch, die als zweite im Bunde des Redaktionsteams im Rahmen ihres Bundesfreiwilligendienstes die Entwicklung dieser Ausgabe maßgeblich mitbetreut hat.

Barbara Fiselius, Geschäftsführerin des Landschaftspflegeverbands Main-Kinzig-Kreis e.V. und Expertin in Sachen Naturschutz, zeigt im nachfolgenden Artikel, wie die Finanzierung von Maßnahmen zur Pflege von Streuobstwiesen über die Herstellung sogenannter Ökopunkte funktionieren kann. Markus Rösler, Sprecher des NABU-Bundesfachausschusses Streuobst und Landtagsabgeordneter der Grünen in Baden-Württemberg, liefert im Anschluss Beispiele dafür, dass faire Preise für Streuobst möglich sind und beweist gleichzeitig, dass der Apfel eben nicht weit vom Stamm fällt – entstammt er doch einer alten Obstbauerund Wengerte-Familie.

Wertholzproduktion aus Obstbäumen – ist das ein gangbarer Weg im Zusammenhang mit innovativen Wertschöpfungen aus Streuobstwiesen? Näheres dazu erfahren Sie von Rainer Luick, Professor für Naturschutz, Raumordnung und Landschaftsplanung an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR), Baden-Württemberg. Dass die Nachfrage nach Holz von heimischen Obstbäumen besteht, erläutert für uns Oneisin Könemund, Instrumentenbauer des Berliner Vereins Klangholz e.V., und er fragt in Zeiten von Klima- und Artenschutz, welche Verwendung von Holz sich die Musikinstrumentenbranche heute noch leisten kann.

Schließlich wollen wir Ihnen die »Frechen Früchtchen« und das Konzept der »Schülerfirma« des BUND Landesverbandes Niedersachsen vorstellen. Damit wollern wir zeigen, dass gerade Umweltbildung bei Kindern ein wichtiges Instrument dafür ist, die frühzeitige Entwicklung des Bewusstseins für den notwendigen Einsatz zum Erhalt von Streuobstwiesen zu fördern.

Sollten Sie nun Lust bekommen haben, sich einer Streuobstwiese anzunehmen, so ist die vierte Kategorie zur Praxis sicherlich spannend für Sie. Aus erster Hand erfahren Sie von uns, was es bedeutet, eine Streuobstwiese zu pflegen und erhalten gleichzeitig reichlich Informationen und Kontaktdaten rund um das Thema Streuobstwiese im Frankfurter Raum. Letztlich freuen wir uns besonders darüber, dass unser Magazin mit einem Gedicht des wunderbaren Heinz Erhardt einen gebührenden Abschluss findet und möchten uns – last but not least – bei allen bedanken, die uns dabei unterstützt haben, diese Ausgabe auf die Beine zu stellen.

Wir hoffen, dass es uns gelungen ist, einen spannenden Auszug aus dem unendlich erscheinenden Themenfeld »Streuobstwiese« zu geben, indem wir sowohl Expertenwissen aus der Region als auch Expertenwissen aus anderen Teilen der Bundesrepublik im Rahmen dieser Ausgabe gebündelt aufzeigen. Ein Anliegen ist es von uns natürlich, mit diesem Heft den Schutz von Streuobstwiesen ein klein wenig voranzubringen, in dem wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, unterhaltsam informieren und einen Ansporn geben aktiv zu werden. Denn nur gemeinsam können wir etwas erreichen!

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich die Dritte im Bunde der Redaktion und wünscht Ihnen viel Spaß mit unserem Magazin!

Ihre

4

M체cken-H채ndelwurz mit Schachbrettfalter (Melanargia galathea)

5

Inhalt

Geschichte rund um die Streuobstwiese: Vom Tertiär bis zum Berger Hang 60 Millionen Jahre Apfel 9 Obstbau in Frankfurt einst und jetzt 15

»Du stehst vorm Apfelbaum und tobst: Wie kommt die Made in das Obst?« – Biodiversität von Streuobstwiesen Hotspots der Artenvielfalt – Streuobstwiesen in Frankfurt 27 Speierling (Sorbus domestica) und Mispel (Mespilus germanica) – Zwei seltene Wildobstarten auf unseren Streuobstwiesen 33 Die Äpplereule – Ein Steinkauz macht Geschichte 39 Wildbienen der Streuobstwiesen 47

Gesellschaft, Politik und Wirtschaft: Die (monetäre) Fruchtbarmachung von Streuobstwiesen »Die Arbeit ist noch lange nicht getan« – Bedeutung und Schutz von Streuobstwiesen sowie Fördermaßnahmen am Beispiel der Region Frankfurt 55 Finanzierung von Maßnahmen im Streuobst über die Herstellung von Ökopunkten 61 Naturschutz, Landwirtschaft und Unternehmen Hand in Hand: Faire Preise für Streuobst sind möglich! 65 Wertholzproduktion aus Obstbäumen: Innovative Wertschöpfungen aus Streuobstwiesen 69 Warum nicht heimisch? Obstgehölze im Musikinstrumentenbau 81 »Freche Früchtchen« auf dem Stundenplan – Eine Nachhaltige Schülerfirma gründet sich auf der Streuobstwiese 85 Expertenmeinungen: Müssen Streuobstwiesen kommerzialisiert werden? 91

Angewandt: Streuobstwiesen in der Praxis Der BUND Frankfurt: Schutz und Nutzung von Streuobstwiesen 99 Edle Tropfen von der eigenen Wiese – Ein Besuch in der Schnapsbrennerei 107 Apfelgelee selbstgemacht: Ein Rezept, mit dem Sie garantiert nichts falsch machen können 112 Frankfurts Top 7 zum Thema Streuobstwiesen 115

Großstadtgrün-Humor Die Untermieterin – Ein Gedicht von Heinz Erhardt 121

6 Ă–konomie

Szenerie vom Berger Hang mit Schafen im Sommer.

7 Ă–konomie

Geschichte

8

9 Geschichte

60 Millionen Jahre Apfel

von Josef Weimer Das Lieblingsobst der Deutschen ist

im Kuchen oder in der Soße – der Apfel

fen oder auf einer Streuobstwiese

der Apfel. Das ist kein Wunder: Er ist

ist allgegenwärtig und das schon seit

stehen. Hier finden wir eine wesent-

gesund, vielseitig verwendbar, man

sehr langer Zeit. Aber ein Blick in die

lich größere Anzahl an unterschied-

kann ihn das ganze Jahr über kaufen

Obstregale zeigt: Irgendwie sehen sie

lichen Sorten, die in Form, Farbe und

und er ist relativ preiswert zu bekom-

alle gleich aus – groß, rund, glänzend,

Größe variieren, ganz abgesehen

men. Ob aus Deutschland oder Neu-

makellos. Dieses Bild ändert sich

natürlich von der größeren geschmack-

seeland, ob als Saft oder als Mus, ob

bereits, wenn wir im Bioladen einkau-

lichen Vielfalt. Aber wie kam es dazu?

Die Apfelsorten einer Streuobstwiese sind oft schon vor Jahrhunderten entstanden. Die Geschichte des Apfels (lateinisch Malus) an sich ist allerdings schon viele Jahre älter. Erste Ur-Formen entstanden bereits am Ende der Kreidezeit vor zirka 60 Millionen Jahren in Südostasien in einem kalten und trockenen Klima. Im Gebiet des Himalaja lassen sich diese Relikte noch heute bis in Höhen von 4000 m finden. Diese Ur-Formen hatten stark gegliederte, tief eingeschnittene Blätter und sehr kleine, oft nur kirschgroße Früchte. Nur das fünfsternige Kerngehäuse verrät die Zugehörigkeit zur Gattung Apfel.

Durch die Klimaerwärmung und die unterschiedlichen geografischen Bedingungen entwickelten sich diese frühen Formen der Wildapfelsorten in verschiedene geografische Richtungen. Als Stammvater unserer heutigen Kultursorten gilt die Art Malus sieversii. Sie entstand vor zirka 15.000 Jahren in Gebieten Zentralchinas, im Kaukasusgebiet und im heutigen Kasachstan. Malus sieversii steht am Übergang vom Wildapfel zum Kulturapfel und in seinen Markergenen findet sich bereits das ganze Spektrum unserer heutigen Kultursorten. Dieses Potenzial wurde später durch den Eingriff des Menschen freigesetzt und entwickelt.

Geschlossene und geöffnete Blüten von Malus sylvestris.

Abgeschlossen ist die Forschung zu diesem komplexen Themenbereich aber noch nicht. Neueste Studien bestätigen, dass unser Kulturapfel (Malus domestica) in Westeuropa in der Entwicklung einen deutlichen genetischen Einfluss durch Malus sieversii erfahren hat, jedoch konnte mittlerweile auch nachgewiesen, dass die Gene des Europäischen Wildapfels (Malus sylvestris) ebenfalls in dem Genom von Malus domestica zu finden sind. Somit nimmt letztgenannter eine größere Bedeutung ein, als bisher angenommen.

Den Weg nach Europa fanden die Ur-Äpfel auf verschiedenen Strecken. Malus sylvestris, der Europäische Wildapfel oder auch Holzapfel genannt, kam beispielsweise über die großen Handelswege, wie die Seiden- oder die Salzstraße, zu uns. Hier fanden immer wieder Völkerwanderungen statt und die Menschen brachten neben Urgetreidearten und den ersten Pflügen auch den Holzapfel mit, der sich dann in ganz Europa verbreitete.

Der andere Weg führte über den heutigen Iran, über Afghanistan und Armenien. Abbildungen auf Tontafeln lassen erkennen, dass bereits zirka 3000 vor Christus in diesem Teil der Welt mit Äpfeln gehandelt wurde. Von dort ging es weiter nach Griechenland und Italien. In Griechenland entstanden die ersten Schriften zum Thema Botanik und man beschäftigte sich intensiv mit dem Obstbau. Bereits zu dieser Zeit wurde das Veredeln konkret beschrieben. Aristoteles und sein Schüler Theophrast verfassten Bücher im Bereich der Wissenschaft der Gewächse und zeigten auf, wie sich ein Baum durch Feuer, Erde, Wasser und Luft (Elementenlehre) verändert.

10 Geschichte

1

2

4

3

In Italien nutzte man dieses griechische Wissen als Grundlage für eigene weitergehende Forschungen und neue Entwicklungen. Es entstanden Saat- und Pflanzschulen sowie Keltereien. Das Pfropfen von Obstbäumen wurde ebenso thematisiert wie deren Fortpflanzung und Zucht. Nachzulesen ist dies in der Enzyklopädie »Naturalis Historia« des römischen Gelehrten Plinius (23 bis 79 nach Christus). Er beschrieb in 37 Bänden – die alle bis heute erhalten geblieben sind – das naturkundliche Wissen der damaligen Zeit.

Nach und nach kam das römische Wissen über die Alpen nach Norden und verbreitete sich entlang des Limes. An dieser Grenze bauten die römischen Legionäre neben Getreide auch Obst an, und so trafen sich die ersten veredelten Sorten mit dem bereits zuvor erwähnten Holzapfel. In dieser Phase befinden wir uns etwa im Jahr 300 nach Christus. Bis dahin kannten die Germanen nur den kleinen, sauren und wenig farbvariablen Wildapfel, und mit den veredelten Sorten veränderten sich die Äpfel schließlich auch in ihrer Farbdiversität. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass jede Wildart auf ihrem Weg einen bestimmten Impuls für die Weiterentwicklung in Richtung Kulturapfel gegeben hat, wie beispielsweise der Malus floribunda, der von Natur aus ohne Schorf (eine Pflanzenkrankheit) ist. Er wurde in den letzten 30 Jahren häufig für Resistenzzüchtungen genutzt.

Nach dieser römischen Phase gab es in Europa weitere Förderer des Obstanbaus. Welche große Bedeutung dieser in früheren Jahrhunderten hatte, zeigt sich auch in der Gesetzgebung durch die verschiedenen Herrscher. Ob Karl der Große, die Merowinger oder Barbarossa: Sie unterstützten den Obstanbau durch verschiedene Gesetze. Zum Beispiel mussten für den Anbau keine Steuern gezahlt werden. Er war somit zehntfrei und es lohnte sich, Obstbäume zu pflanzen und zu pflegen. In vielen Regionen gab es darüber hinaus zum Beispiel das »Ehestandsbaum-Gesetz«. Jeder, der heiratete, musste sechs Obstbäume pflanzen und ein Leben lang pflegen. Landgraf Karl von Hessen ordnete schließlich 1746 an, dass jedes Dorf eine Baumschule unterhalten und einen Baumgärtner einstellen musste. Sogar im Strafrecht zeigte sich die Bedeutung der Bäume: Obstdiebe durften an den Pranger gestellt, eingesperrt oder sogar ausgepeitscht werden – drastische Strafen für ein aus heutiger Sicht eher geringes Vergehen.

Weiterhin waren es auch die Klöster, die den Obstanbau stark förderten. Im Kloster Reichenau ist nachzulesen, dass der Mönch Walafried Strabo bereits im Jahr 849 Aufzeichnungen zum Obstbau vornahm. Außerdem herrschte ein reger Austausch zwischen den Klöstern in verschiedenen Ländern. Man experimentierte mit unterschiedlichen Sorten, teilte Erfahrungen und gab neu erworbenes Wissen weiter. Ein Beispiel hierfür waren die Zisterzienser.

5

11

Bild: Sven Teschke

Schließlich ist der Höfische Obstbau zu nennen, der mit Beginn des 17. Jahrhunderts die Bedeutung des Obstbaus deutlich verstärkte. Er hatte seinen Ursprung in Frankreich, wurde von deutschen Höfen bald übernommen, wobei es anfangs primär um ästhetische Aspekte hinsichtlich der Gestaltung der Schlossgärten ging. Der Ertrag war noch nachrangig. Vorreiter beim Obstbaumschnitt waren die Gärtner von Schloss Versailles. 1690 erschienen hier erste Veröffentlichungen zu diesem Thema.

Bis Mitte des 17. Jahrhunderts fand der Obstanbau hauptsächlich in Hausnähe und in sogenannten Baumgärten rund um das Dorf statt. Die Verbreitung in der Landschaft war damals noch nicht üblich. Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg begannen die Menschen, Obstbäume außerhalb der Dörfer in verlassene Weinberge zu pflanzen. Damit eröffneten sich ganz neue Möglichkeiten des Anbaus. Waren in früheren Zeiten die Dörfer von Obstbäumen umsäumt, dehnten sich die Anbauflächen nun immer weiter aus. Zwischen Äckern und Feldern außerhalb der Dörfer entstanden Obstbaumreihen und entlang der Feldwege und Straßen wurden ebenfalls Bäume gepflanzt; so entwickelten sich lange Reihen von Dorf zu Dorf. Wichtige Punkte in der Landschaft wurden mit großen Bäumen markiert, oft Birne oder Nussbaum, wodurch Obstbäume somit immer stärker ein Teil dieser wurden.

1–3. Die Unterschiede zwischen unserem Kulturapfel und den Wildäpfeln sind prägnant: Hier (1) eine Frucht von Malus domestica in der Gegenüberstellung mit einer Frucht von Malus sylvestris. Bild 2 zeigt weiterhin einen behaarten Blütenstiel von Malus domestica und Bild 3 einen kahlen von Malus sylvestris, ebenfalls ein Unterscheidungsmerkmal von Wild- und Kulturapfel.

4. Links ein Laubblatt von Malus sylvestris, in der Mitte ein Hybrid aus Wild- und Kulturapfel und rechts ein Laubblatt von Malus domestica.

5. Der Korbiniansapfel, benannt nach dem bayerischen katholischen »Apfelpfarrer« Korbinian Aigner (*11. Mai 1885 in Hohenpolding; † 5. Oktober 1966 in Freising), der ihn im Konzentrationslager Dachau züchtete.

Er bezeichnete ihn deshalb als »KZ3«.

Zum 100. Geburtstag des Pfarrers wurde der Apfel offiziell Korbiniansapfel getauft.

1

12 Ökonomie

Es entwickelten sich allmählich immer mehr vorwiegend lokale Sorten, womit die Zeit der Obstsortenkunde, der Pomologie, begann. Manche Sortenkundler – damals hauptsächlich Ärzte, Apotheker und Pfarrer – gelangten durch ihre Studien zu einer gewissen Berühmtheit, wie zum Beispiel der Kurarzt August Diel aus Dietz an der Lahn. Er ließ sich von auswärtigen Patienten Edelreiser schicken, die er in seiner Baumschule einer gründlicheren Sortensichtung unterzog, und hinterließ der Nachwelt beispielsweise »Diels Butterbirne«. Pfarrer Korbinian Aigner, auch bekannt als »Apfelpfarrer«, malte sein Leben lang Obstsorten. Aus den Bildern ist später ein umfangreiches Sortenwerk entstanden. Als er während des Zweiten Weltkrieges in das Konzentrationslager Dachau kam, musste er Zwangsarbeit in der Landwirtschaft leisten. In dieser Zeit säte er mehrere Apfelkerne zwischen den Baracken aus und nahm die Sämlinge bei seiner Flucht schließlich mit. Eingepflanzt in seinen Garten entstand so seine Züchtung, der »Korbiniansapfel«, den er selbst als »KZ3« bezeichnete.

2

Noch war der Obstanbau damals neben Viehhaltung und Ackerbau Teil der landwirtschaftlichen Betriebe. Dies änderte sich Anfang des 20. Jahrhunderts mit einer immer stärkeren Intensivierung und Spezialisierung. Es wurden Genossenschaften gegründet, die Vermarktung wurde gefördert, es entstanden reine Obstanbaubetriebe und Lagerkeller wurden gebaut. Es gründeten sich weiterhin Institute, Lehr- und Versuchsanstalten, die sich mit Neuzüchtungen, Düngung und Schädlingsbekämpfung beschäftigten und nach neuen Wirtschaftswegen suchten. In den 60er Jahren entstand der Plantagenobstbau, der dann auch bald zu einer Überproduktion und der massenweisen Vernichtung des Obstes führte.

In den 80iger Jahren begann dann allerdings ein Umdenken. Die aus dem Blickfeld geratenen Streuobstwiesen rückten wieder stärker ins Bewusstsein und Begriffe, wie »Arten-« und »Sortenvielfalt«, »Erholungswert«, »regional« und »naturnah«, gewannen an Bedeutung. Heute werden Streuobstwiesen auf vielen Ebenen und durch viel Engagement geschützt und gefördert. Die vielfältigen Obstsorten unserer Streuobstwiesen werden uns also wohl hoffentlich noch lange erhalten bleiben. (bearbeiteter Auszug aus »Vom Wildapfel zum Kulturapfel« von Monika Krusch)

3

1. und 3. Der Europäische Wildapfel (Malus sylvestris) oder auch Holzapfel genannt.

Neben Malus sieversii beeinflusste auch er unseren Kulturapfel (Malus domestica) genetisch.

2. Früchte von Malus sylvestris am Baum.

13 Ökonomie

Info

 Der Wildapfel ist kleiner als der Kulturapfel, hat eine eher längliche Form, einen langen Stiel und einen flachen oder gar keinen Kelch.  In der Blütenknospe des Wildapfels sind bis zu sieben Blüten, die alle ausgebildet werden. Bei Kulturäpfeln werden maximal zwei Blüten ausgebildet.  Es gibt zirka 35 Wildarten und etwa ebenso viele Kreuzungsarten.  Wildarten kommen in vielen Regionen der Welt vor und können sich selbst befruchten.

Noch viele weitere spannende Informationen zur Entwicklungsgeschichte des Apfels finden Sie in dem Buch »Vom Wildapfel zum Kulturapfel«, zu bestellen über info@josef-weimer.de.

Auf der Webseite www.josef-weimer.de können Sie sich zudem über Seminare des Gartenbaulehrers informieren, der diese auch regelmäßig im Rahmen des MainÄppelHauses anbietet.

14

Szenerie vom Berger Hang mit Obstb채umen im Sommer.

15 Geschichte

Obstbau in Frankfurt einst und jetzt

von Monika J. Peukert Obst? – kauf' ich im Supermarkt! –

Obst aus fernen Ländern ist so billig,

Mitte der 1950er Jahre kamen

Als Obstbaumbesitzer haben Sie das

dass das Obst vor der Haustür – selbst

auf jeden Frankfurter Einwohner

sicher schon mal gehört, wenn Sie

geschenkt – nicht mehr wertgeschätzt

1,6 Obstbäume! Wo wuchsen

Ihren Kindern oder Nachbarn das

wird. Dabei ist’s noch nicht lange her,

die alle und was ist aus ihnen

überschüssige Obst aus dem eigenen

dass die Versorgung mit Obst und

geworden?

Garten anbieten. Das ist die Kehrseite

Gemüse aus dem eigenen Garten die

unserer Wirtschaftswunderwelt!

Ernährung der Familie gesichert hat.

16 Geschichte

Zeitmarken in der Geschichte des Frankfurter Obstbaus Sattsam bekannt ist, dass es Obstbau, eingeführt durch die Römer, bei uns seit mindestens 2000 Jahren gibt. Etwa seit 800 nach Christus mit der Landgüterverordnung Karls des Großen (capitulare de villis vel imperii) und den darin enthaltenen Obstsorten- und Pflanzempfehlungen erlebte der Obstbau einen großen Aufschwung. – Ob sich das Wirken des heute als Pomologe bekannten Pfarrers Johann Ludwig Christ, der von 1764 bis 1767 seine erste Pfarrerstelle in Bergen innehatte, auch auf die lokale Obstbaukultur erstreckte, ist nicht bekannt. Er tat sich damals eher in »Mathematik und Zivilbaukunst«1 hervor, und seine obstbaulichen Aktivitäten zeigten sich erst später in Kronberg. Mit der Aufgabe des Weinanbaus seit Mitte des 18. Jahrhunderts zunächst in Sindlingen, Sachsenhausen und Bornheim, später in Seckbach und Bergen, wurden vermehrt Obstbäume als Folgekultur gepflanzt. Mit dem Aufkommen der Schrebergärten nahm der Obstbau weiter zu, und es gründeten sich um 1900 allerorten Obst- und Gartenbauvereine, die bis heute aktiv sind, unter anderem 1893 in Berkersheim und Sossenheim und 1899 in Bergen-Enkheim. Seinen Höhepunkt erreichte der Obstbaumbestand in Frankfurt Mitte der 1950er Jahre.

Die Obstbaulandschaft in Frankfurt um 1950 Mit der Arbeit von Eugen Ernst (1959) über die Obstbaulandschaft im Rhein-Main-Gebiet haben wir einen unschätzbaren, in Veröffentlichungen über »Streuobst« in Frankfurt bislang unbeachteten Datenfundus mit genauen Zahlen für Frankfurt und Umgebung. So erfahren wir, dass Frankfurt damals mit der astronomischen Anzahl von knapp 900.000 Obstbäumen und einer Baumdichte von 161 Bäumen/ha gesegnet war! Zählt man die damals noch selbständigen Ortsteile Harheim, Kalbach, Nieder-Eschbach, Nieder-Erlenbach und Bergen-Enkheim mit etwa 70.000 Obstbäumen hinzu, kommen wir auf fast eine Million Obstbäume.

Wie verteilten sich die knapp 900.000 Obstbäume?

Gemäß der Struktur des Obstbaus unterscheidet Ernst (1959: 107–110, Obstbaumzählung von 1951)2 wie folgt: 1. Bäume im größtenteils bäuerlichen Obstbau der Randzonen im Nordwesten, Norden und Osten der Stadt (525.754 Bäume = zirka 60 %); 2. Bäume im Obstbau in den Klein- und Schrebergärten der der Stadt vorgelagerten Siedlungskomplexe um die alten Ortskerne und die neuen Siedlungen (359.398 Bäume = zirka 40 %); 3. Bäume an Straßen und Wegen (zirka 1000 Bäume = zirka 0,1 %); 4. »[…] unbedeutende Obstbaumpflanzungen« in den Hausgärten der Innenstadt.

Die 70.000 Obstbäume von Harheim, Kalbach, Nieder-Eschbach, Nieder-Erlenbach und Bergen-Enkheim verteilten sich wie folgt: • in Gärten: 16.500 Obstbäume, • auf Äckern, Wiesen und Weiden: 50.500 Obstbäume, • an Straßen und Wegen: rund 3.000 Obstbäume.

Das Areal organisierter Kleingärten betrug damals 683 ha, hinzu kamen geschätzte 400 bis 800 ha nicht organisierte, sogenannte wilde Kleingärten. – Diese Zahlen zeigen eindrucksvoll, welch hohe Bedeutung die Frankfurter Kleingärten für den Obstbau hatten. Eine erste flächendeckende Erhebung der nicht organisierten Obstgärten liefert die Biotopkartierung von 1985 bis 1987 (Biotoptyp Streuobst mit Unternutzung Kleingarten, mehr dazu siehe Seite 17).

Die Obstbäume der bäuerlichen Anbauzone verteilten sich auf eine Landnutzungsfläche von 5.512 ha mit sehr unterschiedlicher Dichte. Seckbach lag mit 63.149 Obstbäumen an der Spitze der städtischen Zählbezirke. Dabei war die Süßkirsche mit 5.182 Bäumen von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung, so dass es nicht verwundert, dass Seckbach bei den Frankfurtern berühmt für seine Kirschen war (Seckbacher erinnern sich beim Seckbacher Heimatabend 1999).

17 Geschichte Karte links: Kern- und Steinobst in Frankfurt nach Zählbezirken 1951 projiziert in Streuobstkarte von 1991 (Bergen-Enkheim, Harheim, Kalbach, Nieder-Eschbach, Nieder-Erlenbach gehörten 1951 noch nicht zu Frankfurt).

Karte Mitte und rechts: Streuobstgebiete in Frankfurt Mitte 1991 ohne künftige Baugebiete, rechts 2003 tatsächlicher Bestand Markiert sind der Frankfurter Bogen und die Leuchte

Die Entwicklung des Obstbaus seit 1950 Allgemeine Veränderungen 1965 gab es in Hessen noch 4,28 Millionen Obstbäume, 1983 waren es nur noch 1 Million. In Frankfurt wuchsen also in den 1950er Jahren ein Viertel des gesamten Obstbaumbestandes von ganz Hessen. Ob sich die hessenweite Abnahme des Obstbaumbestandes um 75 % in 20 Jahren genauso in Frankfurt wiederfindet? In jedem Fall gehen in Frankfurt seit den 1950er Jahren die Obstbaumbestände zurück, und der Rückgang hält bis heute an. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Hier seien nur einige genannt: Mit der Ausweitung der Siedlungen seit den 1950er Jahren verschwanden als erstes die Obstbaumgürtel am Ortsrand. Bis Anfang der 1970er Jahre zahlte die EU Rodungsprämien für hochstämmige Obstbäume, um dem Plantagenobstbau und der Sortenreduktion Vorschub zu leisten. Die bestehende Obstsortenvielfalt mit unterschiedlichen Reifezeiten und Lagerfähigkeiten wurde als größtes Hindernis für den gewerblichen Obsthandel gesehen. Mit welcher verachtenden Vehemenz die traditionelle jahrhundertealte Art des Obstbaus bekämpft wurde, zeigt folgendes Zitat von De Haas (1957)3:

Mit dem Einsatz von Traktoren und der maschinellen Bewirtschaftung wurden die Bäume auf den Äckern plötzlich vom geschätzten Obstlieferanten zum unerwünschten Hindernis, und viele wurden und werden immer noch gefällt.

Wie hat sich die Obstbaulandschaft Frankfurts weiter entwickelt?

Streuobstgebiete in Frankfurt Von 1985 bis 1987 wurde in Frankfurt eine erste flächendeckende Biotopkartierung durchgeführt. »Streuobstbestände« wurden, untergliedert nach ihrer Bedeutung in »Acker«, »Intensivgrünland«, »Extensivgrünland« und »Kleingarten«, als jeweils eigene Kartiereinheiten erfasst. Erfasst wurden außerdem Gehölzdichteklassen (Maßstab 1:10.000) und die Obstbäume in den Biotopkarten im Maßstab 1:2000 wurden sogar einzeln eingezeichnet und um Angaben zu Baumqualitäten (Hochstamm, Niederstamm, Stammdickenklassen und Pflegezustand ergänzt4. Alle Daten (außer Pflegezustand) wurden georeferenziert digitalisiert – Mitte der 1980er Jahre eine echte Pionierarbeit! Eine zweite Biotopkartierung wurde 1998 bis 2003 zur Erhebung der »Streuobstbestände« (ohne den Biotoptyp Streuobst mit Unternutzung Kleingärten!) »Wenn der deutsche Erwerbsobstbau gegenüber ausländurchgeführt. Danach gab es 2003 in dischem Anbau bestehen will, muss zunächst jede Frankfurt 354,4 ha (=1,43 % der Stadtunberechtigte Konkurrenz im eigenen Land ausgeschaltet fläche) Streuobstbestände5. Die spannende Frage, wie sich die Bestände in werden. Sie ergibt sich aus den Baumbeständen, die den dazwischen liegenden rund zehn ungepflegt und unrationell bewirtschaftet werden, deren Jahren verändert haben, bleibt bisher Erträge über den Eigenbedarf hinausgehen und deshalb unbeantwortet. Denn weder die Daten aus der ersten Kartierung wurden bis plötzlich auf dem Markt erscheinen. […] Leider hat die heute ausgewertet, noch gibt es einen Verordnung zur Entrümpelung der Obstgärten keine Vergleich der beiden Kartierdurchnennenswerten Erfolge gebracht. […] Die Notwendigkeit, gänge. Da eine Übernahme der alten digitalen Biotopkartierungsdaten bei Streupflanzungen zu roden, wurde schon mehrfach Softwareumstellungen nicht erfolgte, herausgestellt. […] Sie sind nicht nur ein Schandfleck für ist davon auszugehen, dass diese Daten mittlerweile verloren sind. Es die deutsche Landwirtschaft insgesamt, sondern existiert nach einer mündlichen AusSchädlings- und Krankheitsherde ersten Ranges und in sage des Umweltamtes wohl nur noch Jahren mit allgemein hohen Ernten sehr unangenehme eine Papierversion der damaligen Biotopkarten.

Konkurrenten mit schlechter Ware und daher noch

schlechteren Preisen. Ihre Entfernung liegt im Interesse der Besitzer und des Marktobstbaus.«

18 Geschichte

1991 veröffentlichte die Stadt Frankfurt eine erste Karte mit »Streuobstgebieten«. Diese Karte gibt allerdings nicht den tatsächlichen Bestand der Streuobstgebiete wieder, sondern ist schon bereinigt um all jene Bereiche, die in den nächsten Jahrzehnten unter geplanten Baugebieten verschwinden sollten. Erkennbar ist das unter anderem am »Frankfurter Bogen« in Preungesheim (bis zirka 2000 Streuobstgebiet), am Trassenverlauf der damals noch nicht gebauten Bundesstraße B3 und der »Leuchte« in Enkheim (Rodung seit 2014). Da nicht alle vorgesehenen Baumaßnahmen umgesetzt wurden, kommt es zu einer »wundersamen Vermehrung« der Streuobstgebiete in Frankfurt in der Darstellung der Biotopkartierung von 2003.

Immerhin sind die Streuobstgebiete aus der Darstellung von 1991 heute tatsächlich als Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen und damit 80 % der Streuobstwiesen und -brachen in Frankfurt geschützt6.

Obstbau-Mekka Bergen-Enkheim Das wichtigste und hessenweit bedeutendste Streuobstgebiet mit seiner nach wie vor hohen Obstbaumdichte und herausragender Naturausstattung erstreckt sich von BergenEnkheim über Bischofsheim bis Hochstadt. Der Frankfurter Teil liegt nördlich und südlich der Hohen Straße, bekannt als Berger Hang (Berger Südhang) und Berger Nordhang.

Darum soll Bergen-Enkheim hier genauer betrachtet werden: In den 1950er Jahren wuchsen in Bergen-Enkheim etwa 34.000 Obstbäume, davon 8.000 in Gärten, 25.000 auf Äckern, Wiesen und Weiden, rund 1.000 an Straßen und Wegen. In der Reihenfolge ihrer Mengenanteile waren es: Äpfel (rund 11.000 ertragsfähige Bäume), Zwetschen und Pflaumen, Kirschen, Birnen, Mirabellen und Reineclauden und mit je 500 bis 1000 Bäumen Aprikosen und Pfirsiche7.

Nach den neusten Obstbaumzählungen in Bergen-Enkheim gibt es am Berger Südhang 2011/2012 rund 4.000 Bäume8, am Berger Nordhang 1999 noch 2.050 Bäume9, zusammen 6.050 Bäume plus die (vergleichsweise wenigen) ungezählten Obstbäume, zum Beispiel im Mühlbachtal und an der Hauermauer. Das bedeutet einen Verlust von 75 % des Streuobstbestandes in Bergen-Enkheim innerhalb von 50 Jahren und entspricht damit der hessenweiten Entwicklung. Ein Vorteil der Besitzzersplitterung durch Realteilung in Frankfurt ist immerhin, dass der wirtschaftliche Anreiz einer Rodungsprämie dort, wo nie eine Flurbereinigung stattgefunden hat, nicht gegriffen hat und viele Hochstammobstbäume erhalten blieben, so in Seckbach am Lohrberg und am Berger Hang.

Obstbäume in Klein- und Hausgärten Was ist noch übrig von den 360.000 Obstbäumen von 1951?

Es gibt keine aktuellen Zahlen dazu. Wir können nur hochrechnen: Die aktuelle Fläche der organisierten Kleingärten in Frankfurt beträgt 534,6 ha (Statistik des Grünflächenamts Frankfurt 2014). Die Zahlen von 1951 zugrunde gelegt bedeutet das: Gartenfläche der organisierten Kleingärten plus wilde Gärten 1.083 ha bis 1.483 ha mit 360.000 Obstbäumen ergibt rein rechnerisch für die heutige Fläche organisierter Kleingärten 130.000 bis 178.000 Obstbäume. Wenn wir von einer kräftigen Reduktion ausgehen und 100 Obstbäume/ha zugrunde legen, sind es immer noch 53.460 Obstbäume, die wir heute allein in den organisierten Frankfurter Kleingärten erwarten dürfen. Eine beträchtliche Menge, die in jeder Hinsicht Beachtung verdient.

Hinzu kommen die Obstbäume in den nicht organisierten Klein- und Hausgärten. Wie viele Obstbäume dort wachsen, ist noch weniger abzuschätzen. In alten Vor- und Hausgärten finden sich noch hier und da einzelne Obstbäume, stadtteilweise sehr verschieden; in den ehemaligen Dörfern in der Peripherie Frankfurts mit überwiegender alter Einzelhausbebauung und ehemaligen Bauernhöfen gibt es mehr Obstbäume als in der Innenstadt und ihren Randbezirken.

Eine Stichprobe in Enkheim, in einer Straße mit Einzelhäusern und Gärten mit überwiegend dichtem Bestand an Bäumen und Sträuchern, ergab kürzlich: In 11 von 24 Hausgärten fanden sich je ein bis drei Niederstammbäume und ein

19 Geschichte

Info

Der »Nussberg« mit Nussallee am Bornheimer Hang, die Baumernte wurde etwa bis 1970 jährlich verpachtet.

Streuobstwiese Berger Hang.

Hausgarten mit Apfelbäumen in Bergen-Enkheim.

großer Walnuss-Hochstammbaum. Zwischen den bebauten Grundstücken lag ein Garten mit acht Hoch- und Niederstamm-Obstbäumen, die Obstarten der Stichprobe: Walnuss, Apfel, Kirsche, Zwetsche und Pfirsich. Sogar in Vorgärten und im Rasen zwischen Zeilenhäusern wachsen Obstbäume – leider oft vergessen und nicht geerntet. Dabei kann man dort überraschende Sortenfunde machen, was die Bedeutung der Hausgärten für den Erhalt der Obstsortenvielfalt zeigt. Der Erhaltung von Obstbäumen in der Ortslage ist sicher nicht zuträglich, dass Obstbäume, außer der Walnuss, nicht durch die Baumschutzsatzung der Stadt Frankfurt geschützt sind.

Woher kommt der Begriff »Streuobst«?

Landschaftstypisch und seit Jahrhunderten so praktiziert ist der Anbau von Hochstammobstbäumen, meist auf Äckern oder Weiden in unserer Mittelgebirgslandschaft. Das ist keine Frage. Aber was bedeutet »Streuobst«? Ernst (1959) nennt nur versteckt in einer Kartenlegende die Anbauform »lockerer Streuobstbau«. Bei De Haas (1957) findet sich der Begriff »Streupflanzung« in Bezug auf den traditionellen Obstbau. Laut Wörterbuch bedeutet das »im Streumuster angeordnete [Pflanzen]«. Erst in den 1980er Jahren in Zusammenhang mit der Analyse der ökologischen Qualitäten von Obstwiesen mit traditioneller Hochstammkultur im Vergleich zu modernen Obstplantagen taucht vermehrt der Begriff »Streuobstwiese« auf. In Wikipedia liest man am 29. 10. 2014 unter Streuobstwiese folgendes: »Mit den nassen, säurereichen Streuwiesen und der Einstreu in die Ställe haben die Begriffe Streuobstwiese und Streuobst nichts zu tun. Vielmehr beziehen sie sich auf den weiten Abstand der verstreut stehenden Bäume.« Folgt man aber Machatschek (Machatschek, M. 2012: Die Luftwiesenwirtschaft – Praktische Betrachtungen über das vergessene Futterlaub, Vortragsmanuskript 2012), dann offenbart sich in »Streuobst« ein viel tieferer Sinn, und Streu meint eben doch Einstreu. »Bevor sich Wiesen- und Ackernutzung durchsetzten, stellte die Laubfutterwirtschaft die ureigenste Form der sesshaften Landwirtschaft dar.« Und das zusammengerechte Obst-Falllaub diente verschiedenen Zwecken: »[…] als Futterlaub, als Einstreu zur Miststreckung oder damit der Gras- oder Ackerbewuchs nicht unter den Blattauflagen erstickte.« Das Laub vom Apfelbaum wurde schon in prähistorischer Zeit als Viehfutter empfohlen. – Und war die Wiesenheuernte mal verregnet, hatte man immer noch das Laubheu.

20 Geschichte

Obstarten

Kreislauf- und Vorratswirtschaft

Häufigste Obstart in und um Frankfurt herum war und ist der Apfel – wen wundert’s, ist doch der Äppelwein seit langem das »Nationalgetränk« der Frankfurter – gefolgt von Birne, Kirsche und Zwetsche. Ernst listet noch Mirabellen und Reineclauden mit 6,2 % (46.454 Bäume) und Aprikosen und Pfirsiche mit 8.8 % (65.946 Bäume! zusätzlich 500 bis 1.000 Aprikosenbäume in Bergen-Enkheim) auf. Selten waren und sind Sauerkirsche, Quitte, Speierling und Mispel.

Die Verteilung der Obstarten auf Stadtbezirke war sehr unterschiedlich. »Dominieren in Bockenheim die Arten Äpfel, Birnen und Mirabellen, so treten in Sachsenhausen vor allem Quitten, Kirschen und Pfirsiche, in Oberrad sehr stark die Zwetschen und Pflaumen hervor.« (Ernst 1959). Sauerkirschen gab es vor allem in Seckbach und Bergen-Enkheim.

War Seckbach Anfang des 20. Jahrhunderts berühmt für seine Kirschen, sieht man heute nur noch vereinzelte mächtige Kirschbaumveteranen, zum Beispiel zwischen Lohrberg und Huthpark. Mangelnde Pflege lässt die Bäume rasch dahinsiechen. In Seckbach fand man bis in die 2000er Jahre die Quitte häufig und gelegentlich die Mollebuschbirne als Hausbaum. Der Walnussbestand war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark geschrumpft – wegen erhöhten Holzbedarfs unter anderem für Gewehrschäfte. Heute keimen Walnüsse überall, sogar im Balkonkasten, wo sie von Eichhörnchen und Eichelhähern versteckt werden. So haben die Tiere die Pflanzarbeit übernommen, und der Walnussbestand ist erheblich gewachsen. Es herrschte eine Vielfalt aus regionalem Anbau, von der man heute nur träumen kann! Aktuelle Obstarten- und -sortenerfassungen gibt es nur vom Speierling für das gesamte Stadtgebiet10 und vom Berger Hang (alle Obstarten und Apfel- und Birnensorten, Frankfurter Neue Presse vom 19. 11. 2012). Von den heute noch erhaltenen 41 alten Speierlingsbäumen kommen allein 34 in Sossenheim vor. Die Mispel, sehr selten in Frankfurt, hat ihre Hauptvorkommen in Bergen und Seckbach. Mirabelle, Reiniclaude und Pfisich sind aus den Streuobstwiesen weitgehend verschwunden, sie finden sich aber noch regelmäßig in Klein- und Hausgärten. Fruchttragende Aprikosenbäume habe ich in Frankfurt noch gar nicht gesehen. Und – die Klimaerwärmung lässt grüßen – Kakibäume, ursprünglich beheimatet in den Subtropen, findet man neuerdings vereinzelt in Hausgärten. Im späten Herbst mit ihren leuchtend orangenen Früchten nicht zu übersehen.

Der Obstbau in Frankfurt diente überwiegend der Selbstversorgung der Stadtbevölkerung mit Frisch-, Einmachund Lagerobst. Nur in den Randbezirken spielte der Erwerbsobstbau eine Rolle, so in Bergen-Enkheim und Seckbach (Obstanbaugebiet westliche Wetterau), Zeilsheim und Sindlingen, wo es sogar Obstplantagen wie im angrenzenden Kriftel gab (Obstanbaugebiet Taunusvorland). Das Obst wurde selbst vermarktet – meist als Nebenerwerbszweig.

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts blühte der Obsthandel. »In der Nazizeit war dann Schluss mit der Selbstvermarktung, es wurden Sammelstellen eingerichtet, wo jeder sein Obst abliefern musste, das einheitlich nach dem täglichen Marktpreis bezahlt wurde.«, erinnert sich ein Teilnehmer beim Seckbacher Heimatabend 1999. Übrigens, wer keine eigenen Obstbäume hatte, konnte die Baumernte von städtischen Obstbäumen pachten. Am »Nussberg« in Bornheim sieht man heute noch Reste der weißen Nummern, mit denen die Nussbäume zur jährlichen Versteigerung gekennzeichnet wurden.

Zu der alten Subsistenzwirtschaft der Kleinbauern und -gärtner gehörten in Frankfurt und anderswo nicht nur Gärten mit Obstbäumen. Bis in die 1970er Jahre hinein war es üblich, Kleinvieh zu halten. So mancher hatte Hühner, eine Ziege, ein paar Stallhasen (sehr schöne Bilder dazu siehe Kultur- und Geschichtsverein 1954 Frankfurt am Main – Seckbach 2011: Landwirtschaft in Seckbach von 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart), und natürlich hatten die Bauern Arbeitstiere, wie Pferde und Kühe. Ich selbst durfte noch bei Bauer Christian auf dem Pferdewagen mitfahren, er war vermutlich der letzte Bauer von Bornheim in den 1960er Jahren. Das Futter für die Tiere lieferte die (Streuobst-)Wiese.

21 Geschichte

Mit dem »Wirtschaftswunder« ging’s ans Eingemachte!

Mit dem sogenannten Wirtschaftswunder wurden als erstes die Tiere abgeschafft. Und auch die Lagermöglichkeiten schwanden dahin. Der kühle Lehmkeller zum Obstlagern wurde zum geheizten Hobby- und Partykeller, Schuppen und Ställe wurden zur Garage. Und nicht nur in Mietshäusern wurden und werden Dachböden und Mansarden in Penthauswohnungen verwandelt und teuer verkauft. Wo soll der moderne Städter sein eigenes Obst aufbewahren?

Und was geschieht mit Nebenprodukten der Obstwiesenwirtschaft, die früher als Viehfutter und Einstreu dienten?

Erntekorb mit Speierlingen.

Bunter Wiesenrain am Berger Hang.

Holzschnitt im Wiesenrain am Berger Hang mit bunten Blumen – wie lange noch bunt blühend.

Unverzichtbar zur Selbstversorgung waren Lagerung und das Haltbarmachen der Ernte. Das Obst wurde bis zum Frühjahr frisch gelagert und vielfältig verarbeitet, zu Saft, Äppelwein, Kompott, Marmelade, Pflaumenmus oder »Latwerge«, wie es in Frankfurt heißt zu Dörrobst und vielem mehr.

Die Menge an selbstgekeltertem Äppelwein in den bäuerlichen Bezirken war mit bis zu 600 l pro Jahr und Haushalt (Ernst 1959) erheblich, und bestimmt nicht nur in Seckbach hat fast jeder Haushalt Äppelwein gemacht. Das überschüssige Kelterobst ist man sicher und, wie man hört, auch zu guten Preisen in einer der unzähligen Keltereien in und um Frankfurt losgeworden. Abfall gab es nicht, es war eine Kreislaufwirtschaft, wie sie sich die Ökologin heute nur wünschen kann. Seitdem hat sich viel verändert.

Für den heutigen Obstwiesenbesitzer sind Wiesenheu, Baumschnittgut und das Herbstlaub der Bäume nicht mehr wertvolles Viehfutter, Brennholz und Dünger. Sie sind vielmehr zum Entsorgungsproblem geworden. Darum wachsen zum Beispiel am Berger Hang die Berge von Schnittgut entlang der Grundstücksgrenzen und Wege. Sie versperren den Blick in die Landschaft, und wo einst bunte Blumen, wie Flockenblume, Wegwarte und Dost, bis in den Herbst hinein die Wegböschungen schmückten, wuchern nun Brombeere und Brennnessel – mit den bekannten Folgen, dass es weniger Blütenpflanzen im Sommer gibt, weniger Nahrung für Schmetterlinge, Bienen und Co. Die Imker beklagen seit Jahren, dass die späte Tracht für ihre Bienen fehlt, die eben diese Wiesen und Wegraine lieferten. Hinzu kommt das mangelnde Wissen über die fachgerechte Pflege von Streuobstbäumen. Gerade die alten Obstbäume bieten mit Baumhöhlen, Astabbrüchen usw. wertvolle Lebensräume für zahlreiche Tiere. Mangelndes ökologisches Verständnis gepaart mit übertriebenem Ordnungssinn oder dem Blick eines gewerblich orientierten Plantagenbauers verleiten dazu, alte Obstbäume und Baumruinen zu fällen oder Bäume durch falschen Schnitt zu verstümmeln. All das ist zum Beispiel am Berger Hang zu beobachten. Für den andauernden Rückgang des Streuobstes spielt der anhaltende Preisverfall beim Obstabsatz heute eine entscheidende Rolle. 2014 wurden von den Keltereien neun Euro für den Doppelzentner Äpfel gezahlt. Weil diese Preise nicht einmal die Kosten für die Unterhaltung und Pflege der Obstbestände einbringen, bleiben Nachpflanzungen aus, wie erst jüngst wieder in der Zeitung zu lesen war (Frankfurter Neue Presse vom 30. 9. 2014).

22 Geschichte

Wie sieht die Zukunft des Obstbaus in Frankfurt aus?

Können Sie sich vorstellen, dass es Kirschen gibt, die wie Pralinen schmecken? Mittlerweile wird ein Umdenken erkennbar, werden Produkte »aus der Region« sogar in Supermärkten besonders beworben, vor allem auch das Obst. Die Vorteile gegenüber den »Zombies« aus weit entfernten Anbaugebieten liegen auf der Hand. Es gibt gute Ansätze, um die Obstsortenvielfalt zu erhalten, zum Beispiel mit der Obstsortenwiese der Stadt Frankfurt in Seckbach, und die Menschen wieder auf den Geschmack zu bringen, zum Beispiel mit Sortenverkostungen und Baumpatenschaften für besondere Obstsorten beim Obsthof Schneider in Nieder-Erlenbach. Es ist zu hoffen, dass die Selbstversorgung mit schmackhaftem Obst aus dem eigenen Garten wieder mehr Menschen begeistert.

Will man den Obstbau und die Selbstversorgung mit eigenem Obst erhalten, muss man den veränderten Lebensgewohnheiten der Menschen einerseits und den ökologischen Erfordernissen für eine artenreiche Obstbaulandschaft andererseits Rechnung tragen. Neue Konzepte und Lösungsansätze für Stoffkreisläufe und Lagerhaltung sind gefragt!

Und eine fachgerechte Beratung vor allem der neuen Obstwiesenbewirtschafter muss oberste Priorität haben, bevor es zu spät ist und die ökologisch wertvollen Höhlenbäume, die alten Obstbäume und -sorten verschwunden sind.

Forschungsbedarf besteht bei allen Obstarten und -sorten.

Ein Anfang der Sortenerforschung ist mit der Apfel- und Birnensortenkartierung am Berger Hang gemacht. Und es lässt sich noch vieles mehr entdecken, sowohl in den Hausund Kleingärten als auch in den Streuobstbeständen: Da gibt es zum Beispiel eine große gelbe ovale Pflaume in Seckbach und Bergen-Enkheim, hinter der ich wegen ihres wässrigen Geschmacks die eigentliche »Wasserlatsche« vermute (als Wasserlatsche bezeichnet man gelegentlich die grüne runde Reineclaude). Diese Frucht von wässrigem Geschmack und leicht verderblich gibt Rätsel auf. Wie hat man sie verwendet? War es vielleicht nur eine Pfropfunterlage für andere Pflaumen? Wer weiß das noch? Jüngst bei der Obstsortenanalyse am Berger Hang wurden seltene

Apfelsorten gefunden (zum Beispiel Oberdiecks Renette mit nur einem einzigen Baum), aber längst nicht bei allen Obstarten konnten die Sorten festgestellt werden.

Im Garten und zumal auf der Streuobstwiese fällt meist mehr Obst an, als man selbst verbrauchen kann. Der Erlös aus dem Verkauf des Obstes sollte wenigstens die Kosten für die Erhaltung der Obstwiese und der Bäume decken. 2014 wurden von den Keltereien 9 bis 12 Euro/dz gezahlt, das ist auf Dauer zu wenig, um seine Obstwiese zu erhalten. Damit der Obstbau nicht zur reinen Liebhaberei wird, die sich Einzelne leisten, sondern der Obstbau als landschaftsprägende Nutzung erhalten werden kann, braucht es mehr Wertschätzung durch die Konsumenten und ein Inwertsetzen des lokalen Obstes. Das heißt auch höhere Preise für die Erzeuger. Vorstellbar sind weiterhin Obstbörsen, bei denen Obstgärtner ihr überschüssiges Obst zum Verschenken oder Verkaufen anbieten.

Alle Schutzbemühungen gelten seit den 1980er Jahren vor allem den Obstbäumen in der Landschaft, dem sogenannten Streuobst, nicht zuletzt weil in Hessen Streuobstbestände gesetzlich geschützte Biotope sind. Doch wie steht es um die Bäume in Klein- und Schrebergärten und in Hausgärten? Mit Ausnahme der Walnuss sind sie nicht einmal durch die Baumschutzsatzung geschützt. Sortenberatung für Streuobstwiesenbesitzer gibt es, und die Pflanzung von Hochstammobstbäumen in den Streuobstwiesen wird seit langem gefördert. Hausgärtner und Kleingärtner werden in dieser Hinsicht bislang vernachlässigt. Dabei können Hausund Kleingärten für den Erhalt alter und seltener Obstsorten eine wichtige Rolle spielen. Und selbst Dachgärten und Balkone können Obstbäume tragen! Engagement in diesem Bereich lohnt sich ganz unmittelbar, denn was gibt es Schöneres, als einen vollen Erntekorb nach Hause zu tragen und im Winter den Gruß des Sommers als Marmelade und Äppelwein zu genießen?

23 Geschichte

Obstsortenvielfalt nicht nur in der Streuobstwiese: Hausgarten mit eigener Obstbaumschule.

Vorratsregal mit den Früchten des Sommers.

Info

1) Bode, Helmut (1984): Johann Ludwig Christ. Pfarrer, Naturforscher, Ökonom, Bienenzüchter und Pomologe 1739–1813.

Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main.

2) Ernst, Eugen (1959): Die Obstbaulandschaft des Vordertaunus und der südwestlichen Wetterau. – Rhein-Mainische Forschungen, Heft 46. Frankfurt am Main.

3) De Haas, Paul Gerhard, (1957): Markt Obstbau, Bayerischer Landwirtschaftsverlag München.

4) Kramer, H. et al. (1991): Die Biotopkartierung in Frankfurt am Main. 1. Teil Überblick. Hrsg. Stadt Frankfurt am Main.

5) Ottich, Indra et al. (2009): Natur vor der Haustür – Stadtnatur in Frankfurt am Main. Ergebnisse der Biotopkartierung. Stuttgart.

6) Stadt Frankfurt o. J, vgl. Karte der Landschaftsschutzgebiete von Frankfurt am Main, Stadtvermessungsamt 2010.

7) Angaben aus Ernst 1959, siehe 2.

8) Mündliche Mitteilung Werner Nussbaum 2013.

9) Hölzel, Norbert et al. (1999): Zustandsanalyse, Pflege- und Entwicklungskonzept für die Streuobstbestände am »Berger Nordhang« (Stadt Frankfurt am Main). – Unveröff. Gutachten im Auftrag des OGV 1899 Bergen-Enkheim. Universität Gießen.

10) Kamieth, T. & Peukert, M. J. (2012): Speierlingserhebung in Frankfurt am Main. Unveröff. Gutachten für die Untere Naturschutzbehörde Frankfurt.

Praktische Hinweise: »Wo erhalte ich Rat und Unterstützung?« Beraten wird man bei den Obst- und Gartenbau-Vereinen in Fragen rund um den Obstbau, zum Beispiel wenn es um die Auswahl geeigneter Obstsorten und Sammelbestellungen von Obstbäumen geht. Sie bieten auch Baumschnittkurse an. Der BUND gibt Sensenkurse für die richtige Pflege der Obstwiese. Beratung und Kurse rund um das Thema Obstbau erhält man auch beim MainÄppelHaus. Listen mit Sortenempfehlungen gibt es zum Beispiel beim Landschaftspflegeverband (LBV) Main-Kinzig und beim Pomologenverein. Das nötige Wissen zum fachgerechten und sorgsamen Umgang mit den Streuobstbäumen erlernt man in der Ausbildung zum Landschaftsobstbauer bei Josef Weimer, der seine Kurse beim MainÄppelHaus hält (www.josef-weimer.de). Seit vielen Jahren bietet der Runde Tisch Streuobst der Stadt Frankfurt ein Forum für alle Akteure, die sich für den Obstbau in Frankfurt einsetzen (zu erreichen über die Untere Naturschutzbehörde), siehe auch »Frankfurts Top 7 zum Thema Streuobstwiesen«, Seite 115.

24 Ă–konomie

Speierling am Riedberg, Niederursel

25 Ă–konomie

Biodiversität

26 Biodiversität

Der Mäusebussard (Buteo buteo) hat viele Farbvarianten. Er ist ein großer Mäusejäger, fängt aber auch junge Kaninchen oder Feldhasen (Lepus europaeus). Der Greifvogel hat eine Flügelspannweite von bis zu 130 cm. Der Bussard auf diesem Bild hat den fotografierenden Heinz Schaan entdeckt und überlegt, ob er wegfliegen soll oder nicht.

27 Biodiversität

Hotspots der Artenvielfalt Streuobstwiesen in Frankfurt von Torben Bruhn Auf Streuobstwiesen findet der tra-

Süß- beziehungsweise Sauerkirschen

herber im Geschmack macht. Streu-

ditionelle Anbau von Obst statt. In

(Prunus avium sub sp. duracina,

obstwiesen weisen neben der Viel-

Frankfurt ist dies natürlich häufig der

juliana beziehungsweise Prunus

falt der Obstsorten eine sehr große

Apfel zur Most- und Apfelweinherstel-

arasus). Als Begleiter gibt es ebenfalls,

Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten

lung, und zwar mit hochstämmigen

wenn auch seltener, Walnuss (Juglans

auf. Sie sind Lebensraum von mindes-

Obstbäumen auf Wiesen- und Weide-

regia), Reineclaude (Prunus insititia

tens 5000 verschiedenen Arten und

flächen, seltener auf Äckern. Oft

var. italica), Deutsche Mispel (Mes-

gehören damit zu den artenreichsten

findet man verschiedene Obstarten

pilus germanicus) und Speierling

Lebensräumen in Mitteleuropa,

in vielen Sorten. Neben dem Apfel

(Sorbus domestica). Aus den Früchten

weshalb sie auch als »Hotspots« der

(Malus domestica) finden sich auf

des Speierlings kann man übrigens

Artenvielfalt bezeichnet werden.

den Streuobstwiesen in Frankfurt

Obstbrand herstellen oder den Saft

Sie sind außerdem oft der letzte

auch Zwetschgen (Prunus domestica),

der Früchte dem Apfelwein zugeben,

Rückzugsort für seltene, gefährdete

Birnen (Pyrus communis) und

was ihn haltbarer, aber auch etwas

und geschützte Pflanzen und Tiere.

Vielfalt der Pflanzen

Vielfalt der Tiere

Das Vorkommen von Pflanzenarten auf Streuobstwiesen hängt stark von der Art und der Nutzung der Wiese ab. Der häufigste Wiesentyp der Streuobstbestände ist die Glatthaferwiese. Typische Arten solcher Wiesen in Frankfurt sind neben dem namensgebenden Glatthafer (Arrhenatherum elatius) auch Fuchsschwanzgras (Alopecurus pratensis), dessen Ährenrispe an den Schwanz eines Fuchses erinnert, sowie Rot- und Weiß-Klee (Trifolium pratense beziehungsweise repens). Des Weiteren gibt es die weißblühenden Doldenblütler Wiesen-Kerbel (Anthriscus sylvestris) und Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium), wobei dieser nicht zu verwechseln ist mit dem sehr giftigen Neophyten Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum). Ebenfalls auf Glatthaferwiesen zu finden sind das weiß bis violett blühende Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis) und die Wiesen-Margerite (Leucanthenum ircutianum). Etwa ein Fünftel der Streuobstwiesenbestände in Frankfurt sind jedoch stark mit Brombeeren (Rubus spp.), Schlehe (Prunus spionosa), Weißdorn (Crataegus spp.) und Schwarzem Holunder (Sambucus nigra) verbuscht, da sie lange nicht genutzt und gepflegt wurden. Dies wirkt sich natürlich stark auf die Artenvielfalt der Streuobstwiesen aus. Viele für diese Wiesen typische Arten werden so verdrängt.

Die Artenvielfalt der Tiere ist noch größer, als die der Pflanzen. Grund dafür ist zum einen die Diversität der Pflanzen und zum anderen die Diversität der Lebensräume.

Insekten und andere wirbellose Tiere findet man am häufigsten. Die blühenden Wiesen und Obstbäume ziehen zahlreiche Insekten wie Bienen, Hummeln und Schmetterlinge auf ihrer Suche nach Nektar an. Alleine am Berger Hang wurden 2002 122 verschiedene Bienenarten nachgewiesen.

Aber auch viele Käfer- und Spinnenarten sind in und auf den Bäumen und Wiesen anzutreffen. Die Früchte der Bäume und die zahlreichen Insekten stehen auf dem Speiseplan von Säugern, Vögeln und Reptilien. Zu den insektenfressenden Säugetieren zählen Igel, Maulwurf und Spitzmaus.

Fledermäuse suchen die Streuobstwiesen in der Dämmerung aus naheliegenden Waldgebieten oder Siedlungen zur Insektenjagd auf. Häufig bieten ihnen Höhlen und Spalten in der Borke von Obstbäumen auch Platz für Sommerquartiere und Wohnstuben. Ebenfalls auf der Jagd zu beobachten sind Fuchs (Vulpes vulpes) und Steinmarder (Martes foina), die von ihren Beutetieren, wie Mäusen und Eichhörnchen, angelockt werden.

1

2

28 Ă–konomie

3

5

6

14

20

15

7

8

9

16

294

10

11

12

13

17

18

19

21

30 Biodiversität

22

23

1. Birnenblüte kurz vor dem Aufgehen.

Birnen (Pyrus) werden immer seltener. Grund ist der Birnengitterrost (Pilz), dessen Wirtspflanze der Wacholder (Juniperus spp.) ist.

Von dort werden die Sporen ausgesandt und infizieren die Birnbäume, welche dadurch ihre Blätter verlieren.

2. Der Steinkauz (Athene noctua) ist ein eifriger Insektenjäger, jagt aber auch Kleinvögel und Frösche. Er braucht hohle Bäume als Brutplätze. Die Population im Raum Seckbach, Bergen-Enkheim bis Berkersheim und Karben-Rendel ist nicht gefährdet.

3. Noch nicht ausgereifte Knorpelkirschen.

4. Der Mohrenfalter (Erebia) ist ein charakteristischer Falter der Streuobstwiesen. Die Falter gehen gerne an blühende Brombeeren.

5. Auch die Erdkröte (Bufo bufo) gehört in die Streuobstwiesen. Sie sitzt im Sommer gerne in Hecken und unter Bäumen. Sie frisst zum Beispiel Insekten, Würmer und Schnecken. Die Eiablage erfolgt in Form von Laichschnüren in kleinen Tümpeln oder Bombentrichtern.

6. Detaillierte Aufnahme der Blüte des Wiesenstorchenschnabels (Geranium pratense). Die Farbe ist abhängig vom pH-Wert der Böden.

auch mal einen Zaunkönig. Sie orientiert sich mit der Zunge und über das Jakobsonsche Organ im Rachenraum, worüber Geruchstoffe aufgenommen werden.

11. Sitzender Sperber.

12. Wilde Möhre (Daucus carota subsp. carota.). Gekennzeichnet ist sie durch einen dunklen Fleck in der Mitte der Blüte und dient dem Schwalbenschwanz (Papilio machaon) als Wirtspflanze.

13. Ein Bewohner der Streuobstwiesen: Die Hornisse (Vespa crabroI) ist ein aufmerksamer Insektenjäger, der auch an Obst geht (fotografiert am Lohrberg).

14. Beeren des Schwarzen Holunders (Sambucus nigra). Sie können zu Marmelade, Sirup oder Saft verarbeitet werden.

15. Fuchs (Vulpes vulpes).

16. Igel (Erinaceus spp.).

17. Die Kreuzspinne (Araneus) gehört in die Familie der Echten Radnetzspinnen. Sie fängt Fliegen und Käfer, welche durch einen Giftcocktail vorverdaut und nach Einwickeln ausgesaugt werden. Hier eine Spinne auf der Streuobstwiese am Lohrberg.

18. Junger Grünspecht (Picus viridis).

Jung- und Altvogel haben ein unterschiedliches Gefieder.

7. Ein Steinmarder (Martes foina), der seine Mutter verloren hatte, in der Aufzuchtstation für Wildtiere. Das Jungtier wurde wieder ausgewildert. Die Art ist fester Bestandteil der Streuobstwiesen.

19. Ein Zaunkönig (Troglodytes troglodytes) im Haselnussstrauch auf den Streuobstwiesen am Lohrberg. Zusammen mit dem Wintergoldhähnchen (Regulus regulus) ist er unser kleinster Singvogel.

8. Brombeeren: Diese können invasiv und deshalb kritisch für die Natur sein.

20. Blutströpfchen (Zygaenidae): Zwei Tiere aus der Familie der Widderchen (Schmetterlinge) auf der Skabiose. Sie sind Trockenrasenbewohner. Fotografiert am Berger Hang auf der Demeter-Wiese zwischen Bergen-Enkheim und Niederdorffelden.

9. Eichelhäher (Garrulus glandarius), aufgenommen im Seckbacher Feld auf einem Apfelbaum im Herbst. Er geht gerne an heruntergefallene Äpfel. Zur Nahrungssicherung legt er ein Depot mit Baumsamen an. Viele vergisst er jedoch und pflanzt dadurch neue Bäume. Im Französischen wird er deshalb auch »Le planteur« genannt.

10. Die Ringelnatter (Natrix natrix) ist nicht typisch für Streuobstwiesen, ist aber im Enkheimer Ried zu finden. Sie ist zu erkennen an den gelben halbmondförmigen Flecken am Hinterkopf. Als aufmerksamer Jäger fängt sie Frösche, junge Mäuse und

21. Die »Käsblume«, das Wiesenschaumkraut (Cardamine pratensis).

22. Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) im Apfelbaum auf dem Lohrberg.

23. Ein balzender Star (Sturnus vulgaris) auf einem Hohlstamm eines Apfelbaumes am Berger Hang. Er ist gleichzeitig seine zukünftige Niströhre.

31 Biodiversität

Zahlreiche Vogelarten werden von dem großen und vielfältigen Nahrungsangebot angezogen. In Streuobstwiesen finden sich sowohl diejenigen der offenen Agrarlandschaft, als auch jene, die in Gärten, Hecken, Gebüschen und Waldgebieten leben. Typischerweise zeigen sich auf Frankfurter Streuobstwiesen besonders Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus), Neuntöter (Lanius collurio) und Wendehals (Jynx torquilla). Den Kleinspecht (Dendrocopos minor) findet man eher selten. Auch der Wiedehopf (Upupa epops) kommt fast nicht mehr vor. Positiv ist allerdings, dass sich der Grünspecht (Picus viridis) (Vogel des Jahres 2014) in Hessen und auch auf Frankfurter Streuobstwiesen wieder stärker vermehrt. Der Grünspecht sucht seine Nahrung, übrigens anders als viele andere Spechte, weniger an Bäumen, sondern vielmehr auf dem Boden. Dort ist er vor allem auf Ameisen spezialisiert. Ein weiterer typischer Vertreter, oft auch als Charakterart der Streuobstwiese bezeichnet, ist der Steinkauz (Athene noctua). Steinkauz und auch Spechte leben oft in Höhlen alter Streuobstbäume, weshalb diese Vögel auf älteren Wiesen auch deutlich häufiger anzutreffen sind. Trotz eines Rückgangs der Streuobstwiesen im Raum Frankfurt konnte die Anzahl der Steinkauz-Brutpaare in den letzten Jahren gesteigert werden und lag 2008 bei 79 Brutpaaren. Dies ist auch auf viele ehrenamtliche Arbeiten, besonders auf das Ausbringen von Niströhren zurückzuführen. Der Bruterfolg auf beweideten oder gemähten Streuobstwiesen ist deutlich größer als auf verwilderten und ungepflegten Beständen, da die Jagd nach Kleinsäugern und Insekten auf verwilderten Streuobstwiesen für den Kauz quasi unmöglich ist. Streuobstwiesen werden auch von Turmfalke (Falco tinnunculus) und Mäusebussard (Buteo buteo) als Jagdgebiete genutzt und sind häufig in deren Nähe zu beobachten.

Neben Insekten, Säugern und Vögeln findet man in Streuobstwiesen auch einige Reptilienarten, besonders dann, wenn die Wiesen extensiv genutzt werden. Extensive Nutzung bedeutet einen relativ geringen Eingriff des Menschen in den Naturhaushalt, also nur eine ein- oder zweimalige Mahd oder Beweidung pro Jahr. Das häufigste, jedoch sehr versteckt lebende Reptil ist die Zauneidechse (Lacerta agilis).

Am Berger Hang wurden außerdem Blindschleichen (Anguis fragilis) besonders an besonnten Stellen entdeckt sowie Ringelnatter (Natrix natrix) und Schlingnatter (Coronella austriaca), die jedoch nur selten vorkommen.

Im Gegensatz zu den anderen bisher genannten Tierklassen, sind Amphibien keine typischen Bewohner von Streuobstwiesen. Sie sind nur dann anzutreffen, wenn Gewässer in der Nähe sind. Dies ist beispielsweise am Enkheimer Ried der Fall. Dort sind auf den Streuobstwiesen manchmal auch Erdkröten (Bufo bufo) zu beobachten.

Schutz der Streuobstwiesen und der Artenvielfalt Streuobstwiesen werden im Rahmen von EU-Richtlinien als schutzbedürftig und schützenswert eingestuft. Sie sind oft der letzte Rückzugsort seltener und gefährdeter Pflanzen- und Tierarten. Zu nennen sind zum Beispiel Feldmannstreu (Eryngium campestre), Knöllchen-Steinbrech (Saxifraga granulata) und diverse Orchideenarten. Aber auch viele Flechten, die als Indikatoren für Luftverschmutzung dienen, sind auf den Wiesen anzutreffen. Stark gefährdet ist auch die Sand-Grasnelke (Armeria elongata), die übrigens anders, als man es vermuten würde, gar keine echte Nelke ist, sondern den Bleichwurzgewächsen zuzuordnen ist.

Von den Tierarten ist der Steinkauz als streng geschützte Art zu nennen, aber auch Fledermausarten, einige Insekten- und Reptilienarten stehen auf der Roten Liste. Leider wurden Streuobstwiesen innerhalb der letzten 60 Jahre landesweit und ebenso in Frankfurt stark dezimiert. In Frankfurt führten Siedlungserweiterungen, beispielsweise am Berger Nordring, in Bonames und am Riedberg, sowie Straßenbauten und fehlende Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen (trotz großer, auch ehrenamtlicher Bemühungen dies auszugleichen) zu einem Rückgang der Streuobstwiesenbestände. Allerdings gibt es auch positive Entwicklungen: So wurden in letzter Zeit wieder vermehrt neue Streuobstwiesen angelegt, jedoch wird es noch Jahrzehnte dauern, bis diese eine so große Artenvielfalt aufweisen, wie die alten.

32 Ökonomie

Der Speierling wächst zum prächtigen Baum heran – die größten Bäume erreichen Höhen und Breiten von über 20 Metern. Von ganz anderer Gestalt als der Speierling ist die Mispel, klein und gedrungen erreichen die größten Bäume im Frankfurter Raum gerade mal 7 Meter Höhe und 14 Meter im Durchmesser.

33 Biodiversität

Speierling (Sorbus domestica) und Mispel (Mespilus germanica) – zwei seltene Wildobstarten auf unseren Streuobstwiesen von Monika J. Peukert

»Der Speierling ist ein Charakterbaum

Der Speierling

der Landschaft um die Apfelweinmetropole

Der Speierling kann bis 400 Jahre (manche sagen sogar bis 600 Jahre) alt werden. Die Feldspeierlinge erreichen Höhen von rund 20 m (im Wald bis 40 m) und Kronendurchmesser von über 20 m. Sie wurden und werden als Solitäre oder im Verband mit anderen Obstbäumen, seltener in Gruppen gepflanzt. Der Feldspeierling wird als Fruchtbaum gezogen und es heißt, schon die Römer hätten gezielt großfrüchtige Bäume selektiert. Bei einem Fruchtgewicht von 3 g bis 35 g, im Durchschnitt 10 g bis 20 g, kann man sich vorstellen, dass größere Früchte die mühsame Ernte sehr erleichtern.

Frankfurt. Würde er aussterben, verliert der Frankfurter Raum einen Teil seiner Identität.«1 Im milden Klima Südhessens gedeihen zwei besondere Früchtchen: Speierling und Mispel. Beide sind wärmeliebende Gehölze, die in Mitteleuropa bevorzugt im Weinbauklima wachsen. Daher konzentrieren sich die hessischen Speierlings- und Mispelvorkommen auf den Süden des Landes mit ihrer höchsten Dichte im Frankfurter Raum.

So unterschiedlich Speierling und Mispel auch sind, verbindet sie doch eine ganze Menge. Beide gehören zur Familie der Rosengewächse. Ihre Früchte sind botanisch betrachtet Beeren und zählen, wie Apfel und Birne, zum Kernobst.

Beide gelangten als Fruchtbäume mit den Römern in die Regionen nördlich der Alpen. Beide wurden in der Liste der Obstgehölze in der Landgüterverordnung Karls des Großen zur Pflanzung empfohlen. Beide werden traditionell dem Äppelwein beigemischt. Beide wurden bis Mitte des vorigen Jahrhunderts als süßes Obst geschätzt und auf Märkten verkauft. Während der Speierling aber als prächtiger Baum zu immenser Größe heranwächst, bleibt die Mispel vergleichsweise klein.

1) Koch, Siegfried (1985): Die ökonomische und ökologische Bedeutung des Speierlings und Vorschläge zu seiner Sicherung.

Unveröff. Diplomarbeit, FH Wiesbaden.

Die Bäume beginnen zu fruchten, wenn die zunächst glatte Rinde rissig wird, das ist im Alter von 7 bis 10 (–15) Jahren.

In ungünstigem Klima kann die Fruchtbildung ausbleiben – so wurde mir von Bäumen im Vogelsberg berichtet. Die Bäume werden aus Samen gezogen und in der Regel nicht veredelt. Im Sortiment von Baumschulen findet man zwar immer wieder den Sortennamen »Sossenheimer Riese«, doch soweit mir bekannt ist, gibt es beim Speierling keine ausgewiesenen oder zertifizierten Sorten, und den Stammbaum des »Sossenheimer Riesen« habe ich unter den rund 30 Sossenheimer Altspeierlingen auch noch nicht ausfindig machen können. Der Speierling wächst langsam, sein Holz ist dicht und schwer und gilt als das härteste einheimische Laubholz. Der einst mit 136 cm Stammdurchmesser dickste Speierling Deutschlands wuchs in Bonames. 1999 brach er auseinander und wurde mitsamt Wurzel und Wurzelausläufern restlos entfernt. An seiner Stelle wurde bald darauf ein neuer gepflanzt. Der dickste heute bekannte Speierling Deutschlands steht am Rand von Ockstadt. Sein Alter beträgt nach Zählung der Jahresringe eines abgebrochenen Astes 1984 heute 230 Jahre.1

34 Ökonomie

1

2

Der Speierling in Frankfurt

Die Mispel in Frankfurt

Der Speierling hat mittlerweile viele Freunde und Förderer gefunden, und durch zahlreiche Neupflanzungen von privater und öffentlicher Hand erholt sich der Bestand im Frankfurter Raum nach Jahrzehnten des Dornröschenschlafs.2 Nach eigenen Erhebungen wachsen in Frankfurt derzeit etwa 120 tragende Bäume. Dazu kommen rund 150 Bäume in Alleen und Gruppen, die überwiegend von der Stadt Frankfurt in den letzten 15 Jahren gepflanzt wurden.

Der Mispel wird weit weniger Aufmerksamkeit zuteil als dem Speierling, und es wird Zeit, sie aus der Vergessenheit zu holen. Vielleicht ist sie als Kulturgut nicht ganz so bedeutend wie der Speierling im Frankfurter Raum, sie verdient es aber allemal, als seltene regionale Obstart gewürdigt zu werden. Im Frankfurter Raum ist die Mispel noch seltener als der Speierling. Nach meinen eigenen unvollständigen Erhebungen sind es kaum 100 Bäume in Frankfurt und Maintal, die meisten davon konzentrieren sich auf den Berger Rücken zwischen dem Lohrberg in Seckbach und Hochstadt. Die Mispel hat manche Ähnlichkeit mit der Quitte: Ihre große einzeln stehende Blüte, die stark behaarten, etwas derben Blätter, der eher strauchartige niedrige Wuchs und ihre Eigenschaft, durch Wurzelausläufer Gebüsche zu bilden. In den Streuobstwiesen findet man sie als Strauch oder kleinen Baum. Sie wächst wohl noch langsamer als der Speierling. So bildet die Mispel ein dichtes feinfaseriges Holz, das sich gut zum Drechseln eignet. Die größten Bäume, die ich kenne, sind weit ausladend, oft mit Ästen bis zum Boden, und erreichen kaum 7 m Höhe.

Trotz der vielen Initiativen zur Rettung des Frankfurter Kulturguts Speierling nimmt der Bestand der über 100jährigen Altbäume weiter ab. Zuletzt wurde 2013 ein besonders prächtiger Baum in Kronberg unnötig gefällt. Trotz Sturmschaden hätte der Baum, der allein auf weiter Flur zwischen Frankfurter Straße und Westerbach (nahe Campus Kronberg) stand und ein wunderschönes Bild abgab, noch Jahrzehnte leben können.

2) Der Speierling war 1993 Baum des Jahres und im Jahr darauf wurde auf Initiative von Günther Possmann und Wedig KauschBlecken von Schmeling der Förderkreis Speierling gegründet.

Damit war der Grundstein für die Wiederentdeckung des Speierlings gelegt.

3) Reinhardt, Ludwig (1911): Kulturgeschichte der Nutzpflanzen.

Die Erde und die Kultur. Bd. IV-1. Verlag E. Reinhardt, München.

Anders als der Speierling, wird die kultivierte Mispel veredelt, und es gibt ausgewiesene Sorten, wie »Holländische Großfrüchtige«, »Westerveld« und »Kurpfalz-Mispel« – es soll sogar kernlose Sorten geben. Die Mispel wird meist auf Weißdorn veredelt. Sie selbst dient wiederum als Veredelungsunterlage für die Japanische Wollmispel (Eriobotrya japonica). Die gezüchteten Sorten haben wesentlich größere Früchte als die wilden (Hecken-)Mispeln. Als kleinwüchsiges Gehölz eignet sich die Mispel gut für den Hausgarten.

Mit ihren großen Blüten, ihren eigenartigen Früchten und leuchtenden Herbstfarben ist sie eine Zierde für jedes Haus.

3

35

4

1. Fruchtstand des Speierlings mit reifen Früchten.

2. Der größte Mispelbaum im Frankfurter Raum misst 7 Meter in der Höhe und 14 Meter im Durchmesser.

3. Mispelfrüchte verschiedener Sträucher und Bäume vom Berger Hang, im Vordergrund die kleine Wildform. Charakteristisch ist das typische »Mispelbraun« der Früchte, hervorgerufen durch den arttypischen Farbstoff Melanoidin

5

4. Das »Mispelchen« kommt aus der Dose.

Dabei handelt es sich um die Japanische Wollmispel.

5. Die Blüten der »Deutschen« Mispel (Mespilus germanica) sitzen einzeln an Triebspitzen.

Mispel ist nicht gleich Mispel Wer hat nicht schon mal ein »Mispelchen« probiert? Ein Gläschen Calvados mit einer orangefarbenen Frucht darin wird unter diesem Namen in Frankfurter Gaststätten serviert. – »Lecker!« denkt sich der versierte Kleingärtner, »Das kann ich doch selber machen.«, kauft sich ein Mispelbäumchen in der Baumschule und pflanzt es in den Garten. Doch wie groß ist die Enttäuschung, wenn die Früchte reifen und nicht den gewünschten süßsäuerlich frischen Geschmack aufweisen, ja nicht mal die ersehnte orange Farbe haben!

Kein Wunder, kommt doch die Mispel im Calvados aus der Dose und stammt von der exotischen Schwester, der Japanischen Wollmispel (Eriobotrya japonica). Diese ist zwar auch ein Rosengewächs, hat aber sonst nur entfernte Ähnlichkeiten mit »unserer« Mispel.

Wie der Name sagt, stammt die Japanische Wollmispel aus Ostasien und wurde erst vor ungefähr 200 Jahren in Europa eingeführt. Hier wird sie bis heute vor allem in Spanien angebaut und im Frühjahr auf Märkten als »Nispero« verkauft. Selten gelangen die druckempfindlichen Früchte auch auf unsere Wochenmärkte. Die Japanische Wollmispel lässt sich leicht aus Samen ziehen. Die Pflanzen wachsen in wenigen Jahren zu kleinen Bäumchen heran, die im Alter von ungefähr 10 Jahren die ersten Blüten in endständigen Trauben hervorbringen. Früchte bildet sie bei uns leider nicht aus, denn sie blüht im Winter!

Die Blätter sind denen der deutschen Mispel ähnlich, aber größer, derber, unterseits hellbraun filzig behaart und immergrün. Die Wollmispel ist nicht winterhart, kann aber an geschütztem Platz in Frankfurt draußen wachsen, wie ich in Sachsenhausen und im Riederwald, ja selbst am Berger Hang beobachtet habe. Sie eignet sich eher als Kübelpflanze, die drinnen überwintert. Die Deutsche Mispel (Mespilus germanica) hingegen stammt aus Vorderasien. Sie kam mit den Römern in unsere Breiten und wurde im Mittelalter in Frankreich und Deutschland so häufig angebaut, dass sie noch Anfang des 20. Jahrhunderts vielerorts verwildert auftrat. Darum glaubte noch Carl von Linné, sie sei in Deutschland heimisch und gab ihr den Beinamen »Deutsche«3. Auch am Berger Hang war die Deutsche Mispel noch in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts häufig wild in Hecken zu finden. Wie mir Kurt Michel aus Bergen-Enkheim berichtete, schickte man früher die Enkheimer Kinder raus, wilde Mispeln in den Hecken zu sammeln. Die Früchte wurden kühl auf dem Schlafzimmerschrank gelagert und kamen als süßes Obst auf den Weihnachtsteller.

Dass die Mispeln erst nach dem Frost genießbar seien, halte ich für ein Märchen. Die Mispel wird etwa ein bis zwei Monate später als der Speierling geerntet, und zwar im Oktober beziehungsweise November. Die Früchte bleiben oft noch am Baum, wenn das Laub längst abgefallen ist. Wie der Speierling wird die Mispel zum Nachreifen am besten in einer Lage (in Stroh) ausgelegt. In einigen Tagen bis Wochen sind die Früchte (auch ohne Frost!) essbar, sie sind dann kaffeebraun, weich und teigig.

1

2

36

3

Verwendung der Früchte von Speierling und Mispel

Ohne Nutz kein Schutz

»Klein, aber gehaltvoll«, so lässt sich kurz zusammenfassen, was Speierlings- und Mispelfrüchte ausmacht. Beide sind reich an Gerbstoffen und werden zum Klären und Haltbarmachen des Apfelweins verwendet. Reif sind sie zuckersüß und teigig. Die Mispel ist besonders Vitamin-Creich und enthält 3 bis 4 % Stärke. Beide Früchte kann man roh essen und zu allerlei Süßspeisen verarbeiten. Aus beiden wird zudem Schnaps gebrannt. Guten Mispelbrand bekommt man noch seltener als Speierlingsbrand, und er ist wegen der geringen Ausbeute wesentlich teurer.

Neugierig geworden? Möchten Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser, nun wissen, wie Speierling und Mispel schmecken?

Dann fragen Sie die Kelterei Ihres Vertrauens nach echtem Speierlings-Apfelwein und danach, wie hoch der Gehalt an Speierling darin ist. Es sollte mindestens 1 % sein. Auch Apfelsaft und -wein mit Mispel kann man zum Beispiel bei der Kelterei Jörg Stier, Bischofsheim, oder bei Helmut Larsch, Bergen-Enkheim (ehemals Schützenhof), bekommen.

Fragen Sie beim nächsten Obst- und Gartenbauverein, wer Speierlinge oder Mispeln abzugeben hat, damit Sie die reifen Früchte selbst kosten und verarbeiten können. Und Marmeladen und andere Süßigkeiten bekommen Sie auf Apfel- und ähnlichen Märkten in Frankfurt und Umgebung. Den reifen Speierling kann man auch im SpeierlingsWonnekauer, einer vegetarisch-veganen Fruchtwurst mit Speierling aus Frankfurt, kosten, erhältlich zum Beispiel im Laden des MainÄppelHauses. Wer nun einen Speierling oder eine Mispel pflanzen möchte, kann beim Obst- und Gartenbauverein, beim Landschaftspflegeverband MainKinzig oder beim Pomologenverein erfragen, wer gute Pflanzen anbietet.

Ingolf Grabow für Informationen zum Bonameser Speierling, Kurt Michel für seine Kindheitserinnerungen an die Mispel, Monika Ebner für die Geschichte zum »Mispelchen«.

Dank

1

4

37 Ökonomie

37

1. Die Blüten der Japanischen Wollmispel (Eriobotrya japonica) drängen sich in einer aufrechten Traube und erscheinen im Winter, wie hier am Berger Hang beobachtet.

2. Die Japanische Wollmispel in einem Vorgarten in Sachsenhausen mit erfrorenen Blättern und Blüten. Der zweistämmige Baum reicht schon bis zum zweiten Stock.

3. Mispelhecke am Berger Hang. Die Mispel (Mespilus germanica) im Vordergrund mit leuchtend gelbem Herbstkleid überragt die Sträucher.

4. Speierlinge reifen ausgebreitet in der Sonne, ein Waldbrettspiel (Pararge aegeria) labt sich daran. Auch Hornissen, Bienen und andere Schmetterlinge saugen am zuckersüßen Saft der reifen Früchte.

Je mehr Nachfrage und Wertschätzung Speierling und Mispel erfahren, desto mehr wächst das Bewusstsein darüber, welche Schätze unsere Gärten und Fluren beherbergen, und den beiden wird die Aufmerksamkeit und Pflege zuteil, die ihnen gebührt.

38 Ă–konomie

39 Biodiversität

Die Äpplereule – Ein Steinkauz macht Geschichte Bindeglied zwischen Äbbelwoi und Olymp von Ingo Rösler Den alten Griechen galt der Steinkauz

Kauz mit dem heimischen National-

geber stammten sicherlich nicht aus

als Bote Athenes, Tochter des Zeus

getränk und nennt ihn gerne die

Hessen. Der Name Steinkauz nimmt

und Göttin der Weisheit. Daher ziert

»Äpplereule«, was sicherlich weniger

Bezug auf das südliche Verbrei-

das Steinkauz-Motiv einer griechi-

damit zusammen hängt, dass den

tungsgebiet, wo er, wie im Mittel-

schen Münze aus dem Jahr 525 vor

Hessen nichts an Weisheit gelegen

meerraum, gerne in Gemäuern oder

Christus auch heute wieder die

wäre, sondern viel mehr mit der

Steinhaufen brütet. Seine Bedeutung

griechische 1-Euro-Münze. Andere

Vorliebe der Steinkäuze für Streu-

für die alten Griechen schlägt sich

Länder, andere Sitten – der hessische

obstwiesen. Seine deutschen wie

im wissenschaftlichen Namen Athene

Volksmund verbindet den kleinen

auch wissenschaftlichen Namens-

noctua nieder.

Von der Steppe in die Streuobstwiese Mit Ausnahme der nördlichen Länder besiedelt er ganz Europa sowie Nordafrika und Zentralasien bis hin zum Pazifik. Man findet ihn in marokkanischen Palmenhainen, holländischen Kopfweidenbeständen, in Hochtälern des Himalaya oder den Streuobstwiesen rund um Frankfurt. Man könnte meinen, dass seine Ansprüche an den Lebensraum nicht sonderlich groß sind. Sein Beutespektrum umfasst Insekten, Regenwürmer, Amphibien und Reptilien, Kleinsäuger und Vögel. Auch das klingt zunächst sehr vielseitig.

Trotzdem nimmt der Bestand des Steinkauzes in West- und Mitteleuropa seit gut 40 Jahren kontinuierlich ab.

Als Offenlandvogel besiedelte er einst Steppenlandschaften und Halbwüsten, erst der Mensch schuf durch Ackerbau und Viehzucht geeignete Lebensräume in Mitteleuropa.

Kleinbäuerliche Strukturen boten ihm eine ideale Lebensgrundlage. Durch Beweidung ganzjährig niedrigwüchsiges Dauergrünland zählt zu den bevorzugten Jagdgebieten. Regenwürmer und Insekten, die gerade während der Brutzeit von Bedeutung sind, kann der Steinkauz hier als Bodenjäger optimal erreichen. Die zweite bedeutsame Jagdmethode von einem Ansitz ist durch Zaunpfähle auf Weiden oder Obstbäumen in Gärten und Streuobstwiesen gegeben. Geeignete Bruthöhlen fanden sich in Baumhöhlen alter Obstbäume und Kopfweiden oder in Schuppen und Stallungen.

Im Zuge der strukturellen landwirtschaftlichen Veränderungen verschlechterten sich die Lebensbedingungen für viele Kulturfolger, so auch für den Steinkauz. Hierzu zählt die Umwandlung von Dauergrünland in Ackerflächen, das

Ersetzen hochstämmiger Obstbäume durch Spalierobst und vor allem die Umstrukturierung der Ortsrandlagen, wo Gärten in Bauland umgewandelt werden. Bereits die Aufgabe der Bewirtschaftung einer Streuobstwiese schmälert deren Wert für viele Arten in nur wenigen Jahren extrem.

Verbuschung und die Ausbreitung von Brombeerhecken sind die ersten Folgen. Für den Steinkauz verschlechtert sich sofort die Erreichbarkeit der Nahrung, wodurch der Bruterfolg reduziert wird.

Im bundesweiten Schnitt reduzierte sich der Bestand des Steinkauzes seit 1970 bis Anfang des neuen Jahrtausends um etwa 30 %. Hessen verzeichnete innerhalb dieses Zeitraumes als einziges Bundesland einen Bestandszuwachs.

Besonders extrem brach der Bestand in den östlichen Bundesländern ein, von 470 Brutpaaren 1980 auf etwa 40 Brutpaare 2003. Aufwändige Wiederansiedlungsprojekte zeigen nur mäßige Erfolge. An erster Stelle muss die Erhaltung und Pflege des Lebensraumes als wichtigste Schutzmaßnahme stehen. Durch zusätzliche Nisthilfen kann der Bestand in geeigneten Strukturen stabilisiert beziehungsweise erhöht werden. Allein in den verbliebenen Frankfurter Streuobstwiesen hängen rund 300 der sogenannten Steinkauzröhren: Etwa ein Meter lange Holzröhren mit Teerpappe ummantelt, einem Einflugloch zur einen und einer Kontrollöffnung zur anderen Seite. Hobelspäne am Boden der Röhre erhöhen die Attraktivität des neuen Heims für den Steinkauz, der, wie alle Eulenarten, kein eigenes Nest baut.

40 Biodiversität

Weiches Nest aus Speiballen

Nächtliche Jäger im Frankfurter Grüngürtel

Ist eine solche Röhre erst einmal über längere Zeit von einem Kauz bezogen, wird der Boden von einer weichen Schicht aus Gewöllen bedeckt. Unverdauliche Nahrungsreste, wie Haare und Knochen, werden von verschiedenen Vogelarten als Speiballen, den sogenannten Gewöllen, ausgewürgt. Hier hinein drückt das Weibchen eine Nistmulde, in die es im April, in Abhängigkeit zur Nahrungsverfügbarkeit, drei bis sieben Eier legt. Während der Balzzeit im Spätwinter und noch zu Beginn der Brutzeit, sitzt das Paar gerne gemeinsam in der Bruthöhle. Spätestens nach dem Schlüpfen der Jungvögel sucht sich das Männchen einen eigenen Tageseinstand. Im Gegensatz zu anderen Eulen, beginnt das Steinkauz-Weibchen erst nach der Ablage des letzten Eis mit dem Bebrüten, die Jungvögel schlüpfen dadurch mehr oder weniger zum gleichen Zeitpunkt. Bis zum Ende der Huderphase wird das Weibchen vom Männchen mit Nahrung versorgt. Ab etwa Mitte Mai beginnt für das Paar der Jagdmarathon, die Jungen bleiben alleine im Nest und der Hunger wächst mit ihnen von Tag zu Tag. Nun zeigt sich, ob beide Elternvögel in ausreichender Kondition den vorangegangenen Winter überstanden haben und ob das ausgewählte Revier genügend Nahrung für die Aufzucht der Jungen bietet. Nach etwa vier Wochen sind die Fettreserven der Altvögel aufgezehrt und die Jungvögel in dieser Zeit oft schon schwerer als ihre Eltern.

Mit einem weichen »gjuuhg« wirbt das Steinkauz-Männchen vorwiegend in wind- und regenarmen Dämmerungsstunden um ein Weibchen und zeigt anderen Männchen an, dass er der Herr dieses Reviers ist. Am ehesten lässt sich der Gesang im Herbst vernehmen, wenn die Jungvögel neue Reviere suchen oder vor der Brutzeit von Januar bis April.

In Frankfurt ertönt der Gesang noch in den Streuobstwiesen, die sich am nördlichen Stadtrand von Sindlingen im Westen bis nach Bergen im Osten ziehen. Zu verdanken ist dies den vielen privaten Besitzern, die sich, wie auch verschiedene Verbände, um die Pflege und den Schutz der Streuobstwiesen kümmern sowie der Verbesserung des Brutplatzangebots durch künstliche Nisthilfen.

Nach etwa fünf Wochen beginnen sie im Brutbaum als sogenannte Ästlinge herum zu klettern, wenige Tage später folgen ihre ersten Flugversuche. Zwischen September und November löst sich der Familienverband auf, die Jungvögel suchen sich ein eigenes Revier. Nur in den seltensten Fällen ist dies weiter als 50 km vom Schlupfort entfernt, häufig liegt es näher als 10 km. Größere geschlossene Waldgebiete werden dabei nicht überflogen, so dass einmal erloschene Populationen nur schwerlich wieder besetzt werden. Der Erhaltung der bestehenden Populationen muss daher oberste Priorität gelten.

Die Altvögel sind standorttreu und bleiben ganzjährig im Revier, daher werden auch nur die schneearmen Niederungen besiedelt. In strengen Wintern mit langen Frostperioden und geschlossener Schneedecke kommt es zu gravierenden Bestandseinbußen.

Zu Beginn der flächendeckenden Erfassung des Bestands der Frankfurter Äpplereule konnten im Jahr 2004 29 Brutpaare festgestellt werden. Durch die Initiative des Eulenaktivisten Werner Peter aus dem Main-Kinzig Kreis wurde das Brutplatzangebot mit künstlichen Nisthilfen optimiert und der Bestand dadurch mehr als verdoppelt. In Abhängigkeit zum Nahrungsangebot schwankt er nun zwischen 65 und 83 Brutpaaren. Da weiterhin Jahr um Jahr Streuobstwiesen neuen Baugebieten weichen müssen, gilt dieser Bestand keinesfalls als gesichert. So fielen 2013 auch die letzten beiden verbliebenen Reviere am Riedberg der dort fortschreitenden Bebauung zum Opfer, ein weiteres Traditionsrevier wurde vom Neubaugebiet am westlichen Ortsrand von Harheim geschluckt. In Berkersheim steht der Verlust von zwei Revieren durch die geplante Erschließung am östlichen Ortsrand zur Debatte.

In sogenannten »Mäusejahren« profitieren neben dem Steinkauz noch viele andere Beutegreifer von einem Überangebot an Nahrung. In solchen Jahren werden überdurchschnittlich viele Jungvögel flügge und die Population steigt kurzfristig an. Aufgrund sehr schlechter Nahrungsverfügbarkeit (Mäusemangel) hingegen während der Brutzeit 2013 flogen damals im Schnitt nur 1,78 Jungvögel pro Paar aus (im Vergleich 2012 waren es 2,55 Junge). Nur dem milden Winter 2013/14 ist es zu verdanken, dass es bei einer so niedrigen Reproduktionsrate im Jahr 2014 zu keinem Rückgang der Brutpaare kam, sondern mit 71 Paaren sogar drei mehr als im Vorjahr erfasst werden konnten. Da Steinkäuze nicht gerade steinalt werden und die Mortalitätsrate recht hoch ist, wirkt sich eine geringe Reproduktion auch schnell auf die Population aus.

41 Ă–konomie

42 Ă–konomie

43 Ă–konomie

44 Biodiversität

Helgoland 4300032 – mehr als eine Nummer Wem Zahlen, Daten und Statistiken zu trocken sind, dem verdeutlicht der Lebenslauf eines Steinkauz-Weibchens, der durch die Beringung erfasst werden konnte, einen kleinen Einblick in das Leben einer echten Äpplereule: Die mit acht Jahren derzeit älteste Kauzdame Frankfurts schlüpfte 2006 in Frankfurt-Berkersheim und wurde mit dem Metallring der Vogelwarte Helgoland 4300032 beringt.

Als selbstständiger Jungkauz zog sie vermutlich im Herbst desselben Jahres in das nur vier Kilometer entfernte Nieder-Erlenbach, in die Nähe des für seinen Apfelwein berühmten Obsthof Schneiders. Mit einem uns unbekannten Steinkauz-Mann zog sie im darauffolgenden Frühjahr drei Jungvögel groß. Die folgenden Monate wurden recht turbulent für unsere damals noch junge Dame. Was mit ihrem ersten Mann geschah, wissen wir nicht. Da Steinkäuze in aller Regel standort- und partnertreu sind, ist wohl von seinem Ableben auszugehen, denn im Januar 2008 trafen wir sie in ihrem Revier mit einem einjährigen Männchen aus dem gerade mal 2,5 km entfernten Harheim an. Diese Verbindung sollte nicht lange halten, denn bereits im April saß ein neuer Mann an ihrer Seite, ebenfalls ein Einjähriger aus dem 9 km entfernten Rosbach-Rodheim. Dieser dürfte den, nennen wir ihn »Januar-Mann«, aus seinem Revier vertrieben haben, um sich mit unserer Dame zu vermählen, denn im Juli trafen wir den Januar-Mann ein letztes Mal in der Nähe seines Schlupfortes in Harheim an – alleine. Mit dem Rosbach-Rodheimer schritt sie dreimal zur Brut, allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Einen einzigen Jungvogel brachten sie in diesen drei Jahren zum Ausfliegen. Dieser schlüpfte 2009, das Weibchen 4406090, »die Tochter«; es

wanderte in den Main-Kinzig-Kreis ab, in das 13 km entfernte Nidderau-Erbstadt, wo es erstmals am 27. 12. 2009 in einer Nisthilfe gesichtet wurde. Im Spätsommer – nach Erreichen der Selbstständigkeit – dürfte es aus Nieder-Erlenbach dorthin abgewandert sein. Seither brütet es in Erbstadt, mittlerweile nun auch schon mit dem zweiten Partner.

Im ersten Brutjahr 2010 blieb der Bruterfolg der Tochter aus, was der Unerfahrenheit des damals noch jungen Weibchens geschuldet sein dürfte. Die folgenden Jahre fielen umso erfolgreicher aus: 2011: vier Junge, 2012: drei Junge, 2013: vier Junge, 2014: vier Junge.

Seit 2011 ist unsere anfangs erwähnte Kauzdame mit einem ehemaligen Nachbarn verpaart. Wie ihr erster und zweiter Mann, schlüpfte auch er im Jahr 2007. Er zog gerade mal 1,5 km von seinem Geburtsort zunächst ins Nachbarrevier unserer Dame. Das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm.

Das Weibchen seiner ersten Brut wurde Opfer eines Marders, worauf es ihn ins benachbarte Massenheim verschlug.

2009 trafen wir ihn stets alleine an. 2010 konnte zwar eine Brut in diesem Revier festgestellt werden, unklar ist allerdings, ob der »Nachbar« daran beteiligt war. Erst 2011 findet sich seine Spur wieder an der Seite von »Helgoland 4300032«. Bis heute haben die beiden dreimal zusammen gebrütet.

In den ersten beiden Jahren kamen je drei Junge zum Ausfliegen. Im insgesamt sehr schlechten Steinkauzjahr 2013 war keine Brut in ihrem Revier zu verzeichnen. Auch 2014

45 Biodiversität

ließ sich nicht gut an. Die erste Brut scheiterte, unser Weibchen entschloss sich Anfang Juni zu einem Nachgelege – ein eher seltener Schritt im Brutgeschehen der Steinkäuze.

Zwar legte sie nur drei Eier, dafür wurden diese drei Jungen auch flügge, was nicht immer der Fall ist. Betrachtet man die Konstitution unseres Paares, dann erscheint die Entscheidung für ein kleines Nachgelege wohl kalkuliert.

Am Ende des Winters brachte das Männchen ordentliche 222 Gramm auf die Waage, das Weibchen hingegen nur 178 Gramm. Im Schnitt sind weibliche Steinkäuze größer und kräftiger als die Männchen, unsere Dame zählt seit je her zu den zierlicheren Vertreterinnen ihrer Art. Als sie Anfang Mai noch auf dem ersten Gelege saß und das Männchen beide mit Nahrung versorgte, waren seine Reserven schon um 16 % auf 186 Gramm geschwunden. Anfang Juni, als die ersten beiden Eier des Nachgeleges gelegt waren, befand sich das Weibchen mit 185 Gramm immer noch in guter Verfassung, was der Fürsorge des Männchens zu verdanken ist. Als aber Ende Juli ihre Jungen gut drei Wochen alt und unersättlich waren, wog sie nur noch 150 Gramm und hatte in kurzer Zeit 1/5 ihres Gesamtgewichts verloren, während ihre gerade mal 23 Tage alten Jungen schon 155 bis 166 Gramm auf die Waage brachten. Das Männchen konnte in diesem Frühjahr nicht mehr gegriffen werden. Zu einem ähnlichen Zeitpunkt Ende der Brutzeit 2011 wog es beispielsweise nur 167 Gramm, 25 % weniger als in diesem März.

Wir hoffen, 4300032 noch eine Weile begleiten zu können.

Im benachbarten Main-Kinzig-Kreis wurde immerhin schon ein elfjähriger Steinkauz festgestellt.

Info

Wir von der Redaktion haben uns sofort in die wunderbaren und eindrucksvollen Bilder des Naturfotografen Stefan Rosengarten verliebt. Als wir ihn fragten, ob wir seine Fotografien in unserem Magazin veröffentlichen dürfen, sagte er sofort zu.

Er erzählte uns: »Die Fotos sind in Marl (NRW) entstanden. Ich habe das Glück ein wenig ländlicher zu wohnen und daher ist ein Steinkauz-Pärchen in meiner direkten Nachbarschaft beheimatet. So konnte ich die ersten Sichtungen von meinem Bürofenster aus machen, denn eine Zeit lang nutzten die Käuze den First meines Garagendaches als abendlichen Ansitz. So entstanden im Laufe der Jahre immer wieder neue Fotos und in diesem Jahr habe ich mich dann ein wenig intensiver mit den Steinkäuzen befasst und es gelangen mir ein paar Fotos, die mir schon länger im Kopf schwebten.« Weitere Bilder finden Sie unter www.naturfotografie-rosengarten.de.

Info

Wollen Sie sich aktiv für den Erhalt des schrumpfenden Lebensraumes des Steinkauzes im Frankfurter Norden einsetzen, dann kontaktieren Sie unseren BUND Frankfurt Ortsverband Nord.

Weitere Informationen erhalten Sie auf der Webseite www.bund-frankfurt.de unter »Über uns« oder schreiben Sie eine E-Mail an nord@bund-frankfurt.de.

An Knautien und Skabiosen gebunden ist die Knautien-Sandbiene (Andrena hattorfiana). Sie besiedelt vor allem magere Wiesen. Der Pollen der Wiesen-Knautie ist rosafarben.

WiesenGlockenblumen sind die Pollenquellen der Grauschuppigen Sandbiene (Andrena pandellei).

47 Biodiversität

Wildbienen der Streuobstwiesen

von Paul Westrich Blumenbunte Wiesen kennen heute

(starke Gülle- und damit übermäßige

Reichtum vernichtet. Als Folge der

viele Erwachsene nur noch als Kind-

Stickstoffdüngung und hohe Schnitt-

Intensivierung ist nicht nur die

heitserinnerung. Bei der heutigen

häufigkeit) des ehemals artenreichen

Pflanzenwelt gravierend verarmt,

industriellen Landwirtschaft kommt es

Grünlands zur Ertragssteigerung

auch die Fauna hat schwere Verluste

nicht auf Artenreichtum und Buntheit

wurde in den zurückliegenden Jahr-

erlitten.

der Wiesen an, sondern auf deren

zehnten nahezu flächendeckend

Ertrag. Durch intensivierte Nutzung

dessen biologischer und ästhetischer

Speziell für Bienen ist auf den heutigen Wirtschaftswiesen nur noch ein dürftiger Blütenhorizont (Löwenzahn) nutzbar, falls die verbliebenen Blütenpflanzen durch den frühen Schnitt überhaupt noch zum Blühen kommen. Im Gegensatz dazu können Streuobstwiesen durch den Baumbestand nicht derart intensiv genutzt werden und sind tatsächlich auch heute noch artenreiche Lebensräume, insbesondere wenn sie noch in herkömmlicher Weise extensiv bewirtschaftet oder naturnah gepflegt werden. Zu ihrer typischen Tierwelt zählen auch die wildlebenden Verwandten der Honigbiene, die sogenannten Wildbienen. Sie haben so unterschiedliche Namen wie Mauerbienen, Pelzbienen, Sandbienen oder Furchenbienen und nicht zuletzt gehören auch die Hummeln zu den Wildbienen. Allein in Deutschland wurden bislang 564 Bienenarten nachgewiesen und 293 von ihnen, das sind 52,6 %, stehen mittlerweile auf der Roten Liste. Welche Arten in einer Streuobstwiese oder einem Streuobstgebiet vorkommen, das hängt ganz von dem Angebot an Nistplätzen und von der verfügbaren Nahrung und demnach von dem Blütenreichtum ab. Die Zusammensetzung der Bienenfauna kann also stark variieren. In Streuobstwiesen Südwestdeutschlands hat der Autor bei eigenen Untersuchungen insgesamt 70 Bienenarten festgestellt.

Sollen Wildbienen in Streuobstwiesen nachhaltig geschützt werden, sind genaue Kenntnisse über ihre Ansprüche an den Lebensraum erforderlich. Alle nestbauenden Bienenarten (es gibt auch parasitische Kuckucksbienen, die keine eigenen Nester bauen) benötigen sowohl Möglichkeiten für die Anlage des Nestes, als auch ein ausreichend großes Nahrungsangebot; viele Arten brauchen zusätzlich be-

stimmte Baumaterialien. Wo Obstbäume intensiv gepflegt und regelmäßig geschnitten werden, können sich kaum Holzinsekten (Käfer, Schmetterlinge, Holzwespen) ansiedeln und damit stehen auch keine Fraßgänge als Nistgelegenheiten für solche Bienenarten zur Verfügung, die vorhandene Hohlräume besiedeln und darin ihre Brutzellen anlegen.

Dort aber, wo die Bäume mehr oder weniger sich selbst überlassen sind, gibt es abgestorbene, teils morsche Äste oder Astlöcher, in denen eine ganze Reihe von Bienenarten günstige Nistmöglichkeiten vorfindet.

In alten Fraßgängen nisten unter anderem die HahnenfußScherenbiene (Osmia florisomnis) und die GlockenblumenScherenbiene (Osmia rapunculi), außerdem die Gewöhnliche Löcherbiene (Osmia truncorum), die Distel-Mauerbiene (Osmia leaiana), verschiedene Blattschneiderbienenarten (wie Megachile versicolor und Megachile willughbiella) sowie die Gewöhnliche Maskenbiene (Hylaeus communis). Bei diesen Einsiedler- oder Solitärbienen sucht das Weibchen nach der Paarung einen geeigneten Nistplatz, zum Beispiel einen Käferfraßgang. Nun sorgt es für Nachkommen, indem es in dem Hohlraum vier Wochen lang Brutzelle für Brutzelle baut, jede mit einem Futtervorrat aus Pollen und Nektar versorgt und daran ein Ei legt. Die Männchen beteiligen sich nie am Brutgeschäft. Die Nester enthalten mehrere hintereinander liegende, durch Querwände getrennte Brutzellen. Das Nest wird mit einem dicken Pfropfen verschlossen, für das bei den einzelnen Arten unterschiedliche Materialien verwendet werden (unter anderem Lehm, kleine Steinchen, Harz, Blattstücke). Die Nachkommen schlüpfen erst im folgenden Jahr.

48 Biodiversität

Weibchen der Hahnenfuß-Scherenbiene (Osmia florisomnis) beim Pollensammeln in einer Hahnenfuß-Blüte. Der Pollen wird in einer dichten Haarbürste auf der Unterseite des Hinterleibs zum Nest transportiert.

In wärmeren Lagen (dort vor allem in Ortsnähe) baut die Blauschwarze Holzbiene (Xylocopa violacea) ihre Nester in bereits abgestorbenen Ästen, deren Holz noch ziemlich hart ist. Wo das Holz aber bereits etwas morscher ist und eine Verbindung zum Wald besteht, ist auch die Wald-Pelzbiene (Anthophora furcata) als Besiedler zu finden. In verlassenen Meisennestern, in Faulhöhlen oder Spechthöhlen ziehen die Baumhummel (Bombus hypnorum) und die Ackerhummel (Bombus pascuorum) ihre Brut auf. So zeigt die Fauna alter Streuobstbestände Anklänge an die der Waldränder. Vor allem in trockenen (Hang-)Lagen ist für erdbewohnende Arten auch der Wiesenboden an schütter bewachsenen Stellen als Nistplatz geeignet, die Nestanlagen finden sich aber auch in kleinen Abbrüchen am Wiesenrand oder im Boden von Erdwegen. Hier nisten vor allem Sandbienen (Andrena), Furchen- und Schmalbienen (Halictus, Lasioglossum) und Langhornbienen (Eucera).

Alle Wildbienen brauchen Nektar als »Treibstoff« zum Beispiel für den Flug. Für die Versorgung der Brutzellen aber, in denen sich die Nachkommen entwickeln, wird eiweißreicher Pollen benötigt, der von einigen Frühlingsarten der Mauer- und Sandbienen sowie Hummelköniginnen in den Blüten der Obstbäume geerntet wird. Wenn die Obstblüte vorüber ist, hat die Pflanzenwelt des Unterwuchses einen entscheidenden Einfluss auf die Zusammensetzung der Wildbienenfauna, denn es gibt hochspezialisierte Bienenarten, deren Larven den Pollen ganz bestimmter Pflanzenarten benötigen. Hier gilt also: Nur wenn ganz spezifische Nahrungspflanzen in ausreichender Menge vorhanden sind und ausreichend lange blühen, können die darauf spezialisierten Wildbienenarten für ihre Nachkommenschaft sor-

Ackerhummel (Bombus pascuorum).

Hummeln bestäuben unzählige Wildpflanzen und Nutzpflanzen.

gen und ihre Brutzellen mit dem Larvenfutter verproviantieren. Abhängig von dem Blütenangebot kann die Bienenfauna also stark variieren. Am artenreichsten zeigt sich die von Vegetationskundlern so genannte Salbei-Glatthaferwiese, deren Flora und Bienenfauna an die der Magerrasen erinnert. Eine der charakteristischen Bienenarten dieser trockeneren Streuobstwiesen ist die im Boden nistende MaiLanghornbiene (Eucera nigrescens). Ihre wichtigste Pollenund Nektarquelle, die Zaunwicke (Vicia sepium), wächst regelmäßig in Streuobstwiesen. Auch die sich in ihrem Nest als Futterschmarotzer entwickelnde Kuckucksbiene, die Sechsbindige Wespenbiene (Nomada sexfasciata), ist mehr oder weniger regelmäßig anzutreffen. Die Zaunwicke ist auch verantwortlich für das Vorkommen der ZaunwickenSandbiene (Andrena lathyri), die ebenfalls zu den Charakterarten dieses Lebensraumes zählt. Eine ganze Reihe von Sandbienen-Arten findet ihre spezifischen Pollenquellen in der Streuobstwiese: Die Pippau-Sandbiene (Andrena humilis) sammelt nur auf Korbblütlern, wie dem Wiesen-Pippau (Crepis biennis) oder dem Wiesen-Bocksbart (Tragopogon pratensis), die Ehrenpreis-Sandbiene (Andrena viridescens) besucht nur den Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamaedrys) und die Knautien-Sandbiene (Andrena hattorfiana) sammelt fast ausschließlich auf der Acker-Witwenblume (Knautia arvensis), an trockenen Stellen auf Kalkboden auch auf der verwandten Tauben-Skabiose (Scabiosa columbaria). Die Hahnenfuß-Arten (Ranunculus) bieten der Hahnenfuß-Scherenbiene (Osmia florisomnis) reichlich Pollen.

Für die nahverwandte Glockenblumen-Scherenbiene (Osmia rapunculi) sind es im Sommer blühende Glockenblumen-Arten, wie zum Beispiel die Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia), während die frühblühende

Die Mai-Langhornbiene (Eucera nigrescens), die hier an der Zaunwicke Pollen sammelt, ist eine typische Wildbiene der Streuobstwiesen.

Wiesen-Glockenblume (Campanula patula)die wichtigste Pollenquelle der Grauschuppigen Sandbiene (Andrena pandellei) ist. Auch mehrere in der Erde oder in der Krautschicht nistende Hummelarten gehören zu den Besiedlern der Streuobstwiesen, wie zum Beispiel die Helle Erdhummel (Bombus lucorum), die Kleine Waldhummel (Bombus pratorum), die Ackerhummel (Bombus pascuorum), die Steinhummel (Bombus lapidarius) und die Baumhummel (Bombus hypnorum). Sie finden in der Streuobstwiese meist reichlich Nahrung. Ihre Nester legen sie in alten Mäusekesseln, in der Krautschicht der Wiese oder in alten Spechthöhlen an. In ortsnahen Streuobstwiesen treten auch solche Wildbienen als Nahrungsgäste auf, die im Wohnbereich des Menschen ihre Nester haben, wie zum Beispiel die Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis) oder die Frühlings-Pelzbiene (Anthophora plumipes). Darüber hinaus kann man in Streuobstwiesen viele weitere Bienenarten beobachten.

50 Biodiversität Auf Ehrenpreis-Arten spezialisiert ist die blaumetallisch schillernde EhrenpreisSandbiene (Andrena viridescens).

Ihre Hauptpollenquelle ist der Gamander-Ehrenpreis, der nur in mageren Wiesen wächst.

Der Wiesen-Pippau ist eine beliebte Pollenquelle der Pippau-Sandbiene (Andrena fulvago).

Wieviele Bienenarten in einer Streuobstwiese leben können, hängt also ganz von deren Lebensraumqualität ab. Wo immer möglich, sollten tote, dicke Äste hochstämmiger Bäume nicht abgesägt werden. Bei einer nicht zu vermeidenden Rodung abgestorbener Bäume sollte wenigstens ein Teil des Stammes oder ein größerer Strunk bis zur völligen Verrottung stehen gelassen werden. Anfallendes morsches Holz sollte nicht verbrannt, sondern mindestens zwei Jahre sonnenexponiert und trocken gelagert werden, damit sich die darin befindliche Bienenbrut noch voll entwickeln und schlüpfen kann. Stammholz und starke Äste können natürlich auch gezielt zu einem Holzstapel aufgeschichtet werden und bis zur völligen Verrottung für viele Jahre als Nistplatz dienen.

Um die Blumenvielfalt zu sichern, sollte nicht oder nur wenig gedüngt werden (Erhaltungsdüngung). Was die Pflege beziehungsweise Bewirtschaftung der Streuobstwiesen betrifft, so sind zur Förderung der Wildbienen zwei Schnitte pro Jahr mit Abräumen des Mähguts (Heuernte!) besonders günstig. Besonders nachteilig ist das einmalige späte Mähen und das anschließende Liegenlassen des Mähguts auf der Fläche. Durch Lichtmangel und Fäulnisprozesse verarmt die Flora und in der Folge auch die Bienenfauna rasch.

Besser ist stattdessen der Einsatz eines Mulchgeräts, wie zum Beispiel eines Rasenmähers, allerdings nur im Abstand von mehreren Wochen. Ein mosaikartig kleinräumiger Wechsel unterschiedlicher Mahdzeitpunkte ist besonders empfehlenswert, weil dann zumindest auf Teilflächen während der gesamten Brutzeit ein Blütenhorizont vorhanden ist.

In großflächigen Streuobstbeständen wirkt sich ein gewisser Anteil an Wiesenbrachen (zum Beispiel auf Feldrainen) für die Bienenfauna förderlich aus. Hier können in der Krautschicht nistende Hummeln, wie die Veränderliche Hummel (Bombus humilis), ihre Volkentwicklung abschließen. Auch der plötzliche völlige Entzug der Nahrungsgrundlage durch die Mahd benachbarter Wiesen wird zumindest teilweise abgepuffert. Im Falle einer Beweidung sollten zwischen den Weidegängen mehrwöchige Ruhezeiten liegen, weil Standweiden als Lebensraum für Wildbienen aufgrund der Blütenarmut nur von geringer Qualität sind. Das Vieh schafft durch seinen Tritt zwar zusätzliche Nistmöglichkeiten für erdbewohnende Wildbienen. Solche Niststätten sind aber dann praktisch wertlos, wenn in der Umgebung nichts mehr blüht und die vegetationsfreien Stellen ständig von Viehtritt beeinträchtigt werden.

51 Biodiversität

Die völlige Aufgabe der Nutzung oder Pflege – von wenigen kleinen, vorübergehend brachliegenden oder verbuschenden Flächen abgesehen – ist nicht zu befürworten. Sie bedeutet eine deutliche Artenverarmung der Pflanzenwelt und damit auch der Bienenfauna. Da sich durch das Brachfallen eine verfilzte Streudecke bildet, fehlen nicht nur viele Nahrungspflanzen, es wird bodennistenden Wildbienen auch unmöglich, den Wiesenboden als Nistplatz zu nutzen.

Bei Neupflanzungen von Hochstämmen sollte darauf geachtet werden, die Abstände so zu wählen, dass zwischen den belaubten Altbäumen noch genug Sonne auf den Wiesenboden fällt und die Ausbildung einer lichtliebenden Vegetation fördert.

Paul Westrich ist Diplom-Biologe und Leiter des Instituts für Biologie und Naturschutz in Kusterdingen. Mehr Informationen finden Sie auf der Internetseite von Paul Westrich: www.wildbienen.info

Die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) besucht besonders gerne die Blüten von Kirschen, Aprikosen, Zwetschgen, Pflaumen und Mandeln, die sie gleichzeitig bestäubt.

52 Ă–konomie

Rotmilan

53 Ă–konomie

Gesellschaft Politik Wirtschaft

1

54

2

55 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

»Die Arbeit ist noch lange nicht getan« – Bedeutung und Schutz von Streuobstwiesen sowie Fördermaßnahmen am Beispiel der Region Frankfurt von Monika Krusch Streuobstwiesen sind schon seit

dienten zur Heugewinnung oder als

und bedrohte Pflanzen auf ihnen

Jahrhunderten landschaftsprägend

Viehweide. Sie waren Heimat für eine

wachsen. Doch wie steht es heute

und waren in vergangenen Zeiten

Vielzahl von Tieren, und da die Wiesen

um die Bedeutung von Streuobst-

gleich mehrfach nützlich: Die Bäume

meist nur ein- oder zweimal im Jahr

wiesen?

lieferten reichlich Früchte, die Wiesen

gemäht wurden, konnten auch seltene

Aktuell bieten Supermärkte oft nur noch wenige gängige Sorten von Äpfeln, Birnen oder Pflaumen an, und auch auf Wochenmärkten findet man selten mehr als fünf bis zehn verschiedene Sorten. Dagegen wuchsen auf den Wiesen hunderte verschiedene zum Teil sehr alte lokale Sorten einer Obstart. Die Auswahl war, ebenso wie der Einsatz der Früchte, vielfältig und das Obst wurde nicht nur direkt verzehrt, sondern auch eingemacht oder eingelagert und war somit auch in den Wintermonaten verfügbar.

Mit Fortschreiten der Industrialisierung und Globalisierung hat sich der Bestand an Streuobstwiesen in den letzten Jahrzehnten immer weiter reduziert (1950: 1,5 Millionen ha, 2014: zirka 400.000 ha deutschlandweit (Quelle: NABU)).

Neben Siedlungs- und Straßenbau liegen die Gründe in einer mangelnder Pflege, einer Überalterung der Bäume und ungeklärten Eigentumsverhältnissen.

Für den Erhalt der Artenvielfalt ist Streuobst immer noch von hoher naturschutzfachlicher Bedeutung. Tiere und Pflanzen benötigen sichere Rückzugsorte ohne Dünge- und Spritzmitteleinsatz. Für die Landwirtschaft ist die Bedeutung des Streuobstes deutlich geringer geworden. Aus wirtschaftlicher Sicht stehen Aufwand und Ertrag in ungünstigem Verhältnis. Für die Gesellschaft und damit für den Verbraucher hingegen scheint die Bedeutung wieder zu steigen.

Wollten die Kunden vor einigen Jahren nur »gemaltes« Obst, akzeptieren heute wieder mehr Menschen die kleinen »Makel« an den Früchten. Es wird mehr Wert auf Geschmack und ökologischen Anbau gelegt. Einige Supermärkte bieten Streuobst sogar auf extra eingerichteten Ständen zum Beispiel als »Bauernäpfel« an und die Nachfrage wächst stetig.

Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass alte vor langer Zeit eingeführte Sorten robust und wenig krankheitsanfällig sind, auch wenn sie in Fruchtgröße und Ernteertrag hinter den industriell angebauten Sorten stehen. Die alten Sorten sind an spezifische klimatische Bedingungen angepasst und können zum Beispiel Spätfrost besser standhalten. Somit sind Ernteausfälle und gleichzeitig der Einsatz von chemischen Mitteln deutlich reduziert.

Auch die Politik hat den Wert dieser Wiesen bereits vor einigen Jahrzehnten wiederentdeckt und unterstützt inzwischen sowohl mit Gesetzen als auch mit finanziellen Mitteln die Bemühungen, Streuobstwiesen zu erhalten beziehungsweise sogar wieder neu anzulegen.

In Hessen sind Streuobstbestände nach dem Hessischen Ausführungsgesetz geschützt, welches § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes ergänzt. Im Bundesnaturschutzgesetz heißt es zunächst grundlegend: § 30 Gesetzlich geschützte Biotope (1) Bestimmte Teile von Natur und Landschaft, die eine besondere Bedeutung als Biotope haben, werden gesetzlich geschützt (allgemeiner Grundsatz).

(2) Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung folgender Biotope führen können, sind verboten: Die Verbote des Satzes 1 gelten auch für weitere von den Ländern gesetzlich geschützte Biotope.

Das Land Hessen ergänzt § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes mit § 13 des Hessischen Ausführungsgesetzes wie folgt:

3

56 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

§ 13 Gesetzlicher Biotopschutz (1) Die Verbote des § 30 Abs. 1 Satz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes gelten auch für 1. Alleen und 2. Streuobstbestände außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile.

Hessen ist damit eines von nur fünf Bundesländern (Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen), in dem der Schutz von Streuobstwiesen im Landesgesetz verankert ist.

Das Land stellt weiterhin finanzielle Mittel zur Verfügung, mit welchen der Schutz von Streuobstwiesen gefördert werden kann, dieses war bis 2015 jedoch auf Landwirte beschränkt. Mit dem 2015 neu angelaufenen Hessischen Programm für Agrarumwelt- und Landschaftspflegemaßnahmen (HALM) hat sich diesbezüglich eine Änderung ergeben. Im Rahmen von HALM ist festgelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Streuobstwiese förderfähig ist, und diese Förderung können nun auch Privatpersonen beantragen.

Darüber hinaus arbeitet das Land Hessen mit vielen Partnern zusammen, um die ökologische Bedeutung stärker hervorzuheben und einer größeren Bevölkerungsgruppe näher zu bringen. So unterstützen zum Beispiel die dem Hessischen Umweltministerium nachgeordnete Naturschutzakademie Hessen in Wetzlar und die Hessische Gartenakademie in Geisenheim die Wiesenbesitzer mit umfassenden Beratungen und praktischer Hilfe. Auch viele Apfelweinund Fruchtsaftkeltereien beteiligen sich, bieten Baumpatenschaften an und informieren auf Veranstaltungen. Das vor einigen Jahren umgesetzte Nachhaltigkeitsprojekt

»Obst- und Gemüsegarten« zeigte so großen Erfolg, dass nach der Veranstaltung die Nachfrage nach Obstbäumen in den Baumschulen deutlich anstieg. Über die Angebote des Landes Hessen hinausgehend, gibt es auch regionale Anstrengungen Streuobstwiesen zu schützen. Beispielsweise vergibt das Umweltamt der Stadt Frankfurt seit 1991 Zuschüsse für den Erhalt von Streuobstwiesen.

Zurzeit liegen die Zuschüsse sowohl für den Baumschnitt als auch für die Neupflanzung bei 30 Euro pro Baum und Jahr. Die Untere Naturschutzbehörde im Main-Taunus-Kreis hat weiterhin 1993 ein Streuobstförderprogramm eingerichtet, das sowohl Landwirten als auch Privatpersonen ermöglicht Fördergelder zu beantragen. Seit dieser Zeit wurden im Rahmen des Förderprogrammes rund 300.000 Euro in Nachpflanzungen, Pflegeschnitte und Entbuschungen nicht mehr gepflegter Streuobstwiesen investiert. Dabei handelt es sich um: • rund 4300 Nachpflanzungen hochstämmiger Obstbäume, • rund 1600 Sanierungsschnitte alter, längere Zeit nicht mehr gepflegter Bäume, • rund 30.000 Quadratmeter Entbuschung von Streuobstwiesen.

Im Anschluss an diese Grundsanierung erhalten und pflegen die Eigentümer ihre Obstwiesen allerdings auf eigene Kosten. Über diese Förderangebote wird in jährlichen Pressemitteilungen aufmerksam gemacht. Dies ermöglicht Kommunen, Vereinen und privaten Interessenten das Angebot in Anspruch zu nehmen und so einen Beitrag zum Erhalt ihres Streuobstes zu leisten.

4

57 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Zu begrüßen ist das Vorhaben des Main-Taunus-Kreises eine Vermittlungsplattform einzurichten, worüber Interessierte ungenutzte Streuobstwiesen zur erneuten Bewirtschaftung übernehmen können. Kleinere lokale Projekte sind bereits in Kelkheim umgesetzt worden, in Bad Soden sind sie in Vorbereitung. Ganz maßgeblich ist dabei die Zusammenarbeit mit lokalen Landwirten, da sie beispielsweise die Mahd oder Beweidung des Grünlands übernehmen.

Die Vorgehensweise des Main-Taunus-Kreises ist ein gutes Beispiel dafür, wie Streuobstwiesenpflege auch bei knappen Kassen umgesetzt werden kann.

Wichtig ist es, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, dass Streuobstwiesen auch heute noch eine große Bedeutung besitzen, sowohl für Erholungssuchende, als auch in ökologischer Hinsicht und sich daher die Mühe lohnt sie zu schützen. Es gibt inzwischen eine Vielzahl an Initiativen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, über Streuobst zu informieren und somit dieses Thema in den gesellschaftlichen Fokus zu rücken, wie beispielsweise die Streuobsttage, die Streuobstroute und der Runde Tisch Streuobstwiesenschutz.

Die Streuobsttage sind eine Veranstaltung, die in jedem Frühjahr in vier Bundesländern (Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern) mit dem Ziel durchgeführt wird, durch verschiedene Aktionen wie Baumschnittkurse, Info-Stände und Firmenbesichtigungen das Thema einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Beteiligt an dieser Veranstaltung sind die Umweltämter der Länder, Keltereien, Naturschutzverbände, Gartenbauvereine und viele andere private Initiativen.

Eine weitere Möglichkeit, auf Streuobstwiesen aufmerksam zu machen, ist, sie auf Wanderwegen zu präsentieren – wie beispielsweise auf der Hessischen Streuobstroute im Nassauer Land. Dieses Wegenetz führt an den zahlreichen Streuobstwiesen vorbei und zu vielen interessanten Sehenswürdigkeiten. So können beispielsweise Wanderungen rund um Wiesbaden, im Rheingau-Taunus-Kreis, im Landkreis Limburg-Weilburg oder in Bad Camberg unternommen werden. Den richtigen Wegeverlauf zu finden, erleichtern sieben Routenkarten. Aufgrund der Initiative des Trägervereins Streuobstroute im Nassauer Land e.V. sind nicht nur die Routen entstanden, sondern es sind auch gezielte Maßnahmen zur Sanierung von Streuobstwiesen und Neupflanzung von Bäumen umgesetzt worden.

Aber auch an Rändern von Großstädten gibt es Streuobstwiesen. In der Stadt Frankfurt, in der der traditionsreiche »Ebbelwoi« beheimatet ist, hat sich der »Runde Tisch« den Schutz der Wiesen zur Aufgabe gemacht. Hier treffen sich eine Reihe unterschiedlicher Interessengruppen, um gemeinsam ihre Aktivitäten und Vorschläge zu bündeln. Ähnlich wie bei den Streuobsttagen, sind auch hier Vertreter unter anderem von Naturschutzverbänden, Gartenbauvereinen, Keltereien, Privatpersonen und Landwirtschaft beteiligt, sowie auch das Umweltamt Frankfurt. Der »Runde Tisch« informiert bei Schnittkursen, in Vorträgen und Fortbildungen über die Bedeutung von Streuobstwiesen, unterstützt Interessierte bei der Erstellung von Pflegekonzepten und hilft bei der Vermarktung des Obstes.

5

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen, die Bereitstellung von Finanzhilfen und die Unterstützung verschiedener Aktionen auch die Politik ihren Teil zum Schutz des Lebensraumes Streuobstwiese beiträgt. Da die wirtschaftliche Nutzung von untergeordneter Bedeutung ist, könnte ohne die Vielzahl an Initiativen, hinter denen sowohl öffentliche als auch private Institutionen stehen, Streuobstwiesenschutz in der Region langfristig nicht funktionieren. Doch die Arbeit ist noch lange nicht getan. Es existiert noch ausreichend Raum für Engagement und gute Ideen, wie es beispielsweise die vielen Neupflanzungen durch den Freundeskreis Eberstädter Streuobstwiesen in Darmstadt oder die Umsetzung eines LIFE-Projektes zum Erhalt von Streuobst und zur Förderung der Avifauna in Baden-Württemberg vorbildlich zeigen. Ziel ist es, die vielen Aktivitäten überregional zu vernetzen, zu bündeln und Ideen auszutauschen.

Zielführend wäre auch die flächendeckende Erfassung aller Streuobstwiesen in Hessen, eventuell im Rahmen eines Katasters, denn so könnten nicht mehr gepflegte Wiesen leichter an potenzielle Pächter vermittelt werden. Der Hintergrund dabei ist, dass Eigentümer der Grundstücke häufig nicht mehr identifiziert werden können und somit eine Vermittlung der Wiesen an neue Pächter unmöglich wird.

Denkbar wäre eine öffentliche Bekanntmachung mit Einspruchsmöglichkeit der Eigentümer, um Streuobstwiesen erneut in Nutzung zu nehmen, wobei rechtliche Grundlagen dazu noch abschließend geklärt werden müssten. Weiterhin könnte die derzeit in der Pilotphase befindliche hessenweite Biotop- und Lebensraumtypenkartierung bei der flächendeckenden Erfassung einen wichtigen Baustein darstellen. Dazu wäre allerdings eine zeitnahe Verfügbarkeit der Daten, die über das Internet einsehbar sein müssten, Voraussetzung.

Sowohl für das typische Tier- und Pflanzenvorkommen, als auch für den Verbraucher, der eine Diversität an unterschiedlichen und vielleicht alten Obstsorten schätzt, ist es also von großer Bedeutung, Maßnahmen zum Schutz der Wiesen zu verstärken. Deshalb ist es unerlässlich für die Sicherung von Streuobstwiesen, ihre Bedeutung noch prägnanter in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Denn nur gemeinsam können wir diese besondere Kulturlandschaft erhalten.

6

1. Hohler Apfelbaum und idealer Nistplatz für den Steinkauz (Athene noctua) am Berger Hang.

2. Apfelblüte (Malus).

3. Herbstnebel im Seckbacher Feld.

4. Rotkehlchen (Erithacus rubecula) neben frisch gepflanztem Apfelbaum. Aus dem ausgegrabenen Loch kommen Würmer und Insekten zutage, von denen es sich ernährt.

Das Rotkehlchen ist kein scheuer Vogel.

5. Hecke aus Kirschen (Prunus avium) und Schlehen (Prunus spinosa). Im Vordergrund Schilf, hinten sich ausbreitende Laubbäume.

6. Streuobstneuanlage.

59 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Info

Baumschnitt Der richtige Schnitt ist wichtig:  Durch den Baumschnitt wird ein grobes Gerüst aufgebaut und erhalten.  Der Schnitt stärkt die Blühfähigkeit und die Ertragsbildung.  Wurzelverluste bei der Pflanzung werden ausgeglichen.  Er verzögert den Alterungsprozess.

Man unterscheidet vier Schnittarten:  Der Pflanzschnitt wird direkt nach dem Pflanzen des Baumes durchgeführt.  Den Erziehungsschnitt erhalten junge Bäume jährlich für 5 bis 6 Jahre.  Der Erhaltungsschnitt wird bei erwachsenen Bäumen alle 2 bis 5 Jahre durchgeführt.  Alte Bäume erhalten einen Verjüngungsschnitt.

61 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Finanzierung von Maßnahmen im Streuobst über die Herstellung von Ökopunkten Barbara Fiselius Ein Modell, entwickelt im Main-Kinzig-

Wertigkeit, aber auch der Landschafts-

und geerntet wird. Eine Pflege (und

Kreis in Kooperation des Landschafts-

prägung und als Quelle örtlicher

möglichst weitgehende Nutzung) ist

pflegeverbands MKK e.V. und der

Identifikation. Die Bewirtschaftung und

bei diesem artenreichen Lebensraum

Unteren Naturschutzbehörde. Streu-

ökonomische Wertigkeit hat sich im

aus Menschenhand aber unabding-

obstwiesen gehören im Rhein-Main-

Verlauf der Jahrzehnte gewandelt, so

bar, sonst ist schon bald mit Verbu-

Gebiet zu den wichtigsten Lebens-

dass heute überwiegend nicht mehr

schung und mit dem Verlust des

räumen hinsichtlich der ökologischen

aus wirtschaftlichen Gründen gepflegt

ökologischen Wertes zu rechnen.

Seit zirka den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts sind Streuobstwiesen so zu Lebensräumen geworden, um die sich der Naturschutz kümmern muss. Damit verbunden war immer wieder die Frage, wie Pflegemaßnahmen zu finanzieren sind, wenn Eigentümer und Pächter sich nicht mehr engagieren. Neben Spenden und Sponsorenaktivitäten wurden hier Mittel aus der Ausgleichsabgabe für Eingriffe in Natur und Landschaft eingesetzt. Eingriffe in Natur und Landschaft müssen gemäß dem aktuellen Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) vom 29. Juli 2009 und dem Hessischen Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz (HAGBNatSchG) vom 20. Dezember 2010 ausgeglichen werden. Die Verordnung über die Durchführung von Kompensationsmaßnahmen vom 1. September 2005 hat Näheres geregelt.

Die oben dargelegten Grundlagen regeln auch die Herstellung und Verwendung von Ökopunkten. Die Ausgleichsberechnung und Wertberechnung für Ökopunkte beziehen sich nach der Kompensationsverordnung (KV) auf »Standard-Nutzungstypen«, die Wertpunkte pro qm erhalten. Ökopunkte können durch Aufwertung vorhandener Lebensräume erwirtschaftet werden. Problematisch für die Finanzierung von Maßnahmen im Streuobstschutz ist derzeit einerseits, dass Streuobstbestände in dieser Verordnung sehr hoch bewertet sind. Damit wird eine weitere Aufwertung schwierig. Andererseits wird aktuell die Neuanlage von Streuobst niedrig bewertet, so dass es kaum lohnend ist, auf diesem Wege Ökopunkte herzustellen.

Es wurden gemeinsam mit der Unteren Naturschutzbehörde Main-Kinzig-Kreis Wege in einer ergänzenden Zusatz-Vereinbarung gefunden, die sowohl Altbestandsanierungen als auch Ersatzpflanzungen unter bestimmten Umständen attraktiver für die Ökopunkteerwirtschaftung machen. Diese Vereinbarung der Punkteberechnung ist Ausdruck dafür, dass der Biotoptyp als solcher nachhaltig gesichert sein soll und gleichzeitig leichtfertige großflächige Neuanlagen mit ungesicherter Nachpflege zukünftig vermieden werden sollen. (siehe Tabelle 1) Der Lebensraumtyp Streuobstwiesen gemäß KV ist im Bestand (3.130) erhaltenswert und mit einer ausgeprägten ökologischen Wertigkeit versehen. Er bekommt pro qm 50 Wertpunkte zugerechnet. Ein vorhandener großflächiger Bestand muss aber als »degradiert« angesehen werden, wenn die Altbäume seit Jahren ungepflegt sind und Nachpflanzungen in den entstandenen Lücken fehlen. Dieser »degradierte Bestand« erhält einen Punkteabzug von 10 Punkten pro qm. Die Wiederherstellung als voll funktionsfähige Streuobstwiese mit Sanierungsschnitten und Bepflanzung der Lücken führt zur vollen Punktebewertung von 50 Punkten pro qm.

Die Berechnung der Punkte erfolgt nach folgendem Schema: Die Aufwertung um 10 Punkte pro qm beim Sanierungsschnitt ist auf die Trauffläche der behandelten Altbäume zu beziehen (die Trauffläche ist die Fläche, die die Krone bei einer Projektion auf den Boden einnimmt). Bei Nachpflanzungen in Lücken wird die gesamte Lücke um 10 Punkte aufgewertet, also meist 100 qm.

62 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Tabelle 1 Auszug aus der KV-Bewertung der einzelnen Biotoptypen Typ-Nr. Standard-Nutzungstypen

03.000

Wertepunkte/qm

Erwerbsgartenbau, Sonderkulturen, Streuobst

03.100 Streuobstwiesen 03.110B

Streuobstwiese intensiv bewirtschaftet (mehrschürig, Bäume regelmäßig geschnitten)

32 23

03.120

Streuobstwiese neu angelegt

03.121

Flächige Ersatz- oder Nachpflanzung hochstämmiger Obstbäume in vorhandenen Streuobstbeständen 31

03.130 (B)

Streuobstwiese extensiv bewirtschaftet (als Ausgleichs-/Ersatztyp nur durch Änderung der Bewirtschaftungsform bestehender Streuobstwiesen)

50

03.200 Erwerbsgartenbau/Obstbau 03.221

Obstplantagen ohne Untersaat (intensiv bewirtschaftete Busch-, Halbstamm- und Spalierobstkulturen)

16

Tabelle 2 Flächenbilanz zu Streuobst Maintal-Bischofsheim (P 205) Nutzungs- und Biotoptyp

Wertepunkte je m2

Flächenanteil je Biotop- bzw. Nutzungstyp

vor der

Maßnahme 3.120 Ergänzungspflanzung Streuobstwiese (Aufwertung 10 Punkte/qm) 10 10 Bäume mit je 100 qm Aufwertungsfläche

nach der Maßnahme

Biotopwert

vor der nach der Maßnahme Maßnahme

1000 m2 10.000

Biotopwertdifferenz

+10.000

Tabelle 3 Bilanz der Biotopwertpunkte für die Entfilzungsmaßnahmen am Ohlenberg/Nidderau-Windecken Nutzungs- und Biotoptyp

Wertepunkte je m2

Flächenanteil je Biotop- bzw. Nutzungstyp

vor der

nach der

Sanierung Sanierung verfilzte Streuobstwiese/ verbrachte (Salbei-) Glatt- 45 16.289 haferwiese sanierte Streuobstwiese/ wiederhergestellt Glatt- haferwiese

50

Biotopwert

vor der nach der Sanierung Sanierung 733.005

16.289

Biotopwertdifferenz

Allerdings müssen mindestens 10 Jungbäume in dem Bestand gepflanzt werden, damit diese Regelung greift. Für die so erwirtschafteten Ökopunkte wird für den Maßnahmenbetreiber ein Ökokonto bei der Unteren Naturschutzbehörde eingerichtet, von dem die Punkte zur Verwendung oder zum Verkauf abgebucht werden können. Der Verkauf folgt dabei Marktgesetzen, es gibt keine festgelegten Preise.

814.450 +81.445

Zur Abschätzung des monetären Wertes einer Maßnahme wird üblicherweise der Wert von 0,35 Euro pro Punkt verwendet (in Anlehnung an die Kosten eines Wertpunktes bei der Errechnung der Höhe der Ersatzzahlung). Voraussetzung für die Antragstellung ist eine schriftliche Einverständniserklärung des Eigentümers, in der auch die Verpflichtung zur Anschlusspflege übernommen wird. Die Zusatzvereinbarung ist 2004 in Kraft getreten und wird seither mit Erfolg angewendet. Inzwischen wird sie auch regelmäßig im Wetteraukreis umgesetzt, kurzzeitig war sie weiterhin im Bereich der Stadt Frankfurt anerkannt. Weitere Landkreise haben sich die Methode vorführen lassen, es ist jedoch nicht bekannt, ob sie dort schon zur Anwendung kommt.

63

Projektflächen in Maintal-Bischofsheim.

Beim Streuobstfest in Nidderau. Die Beweidung von Streuobstwiesen mit Shropshire-Schafen ist besonders schonend.

Einige Beispiele aus der Praxis Beispiel Maintal-Bischofsheim Es wurden 10 Jungbäume auf Privatgrundstücken mit vorliegender Einverständniserklärung von einem Privatmann gepflanzt. Da die Umsetzung der Maßnahmen in einem alten Bestand stattfand, konnte pro Baum ein Gewinn von 1000 Punkten erzielt werden, es wurden also insgesamt 10.000 Ökopunkte anerkannt mit einem Wert von zirka 3500 Euro (siehe Tabelle 2 und Abbildung 1).

Beispiel Nidderau-Ohlenberg Am Rande eines Streuobstgebietes in Nidderau, der »Ohlenberg«, wurde der vorhandene Bestand durch die Neuanpflanzung von 16 hochstämmigen Obstbäumen mit seltenen alten Obstsorten vervollständigt. Der Punktgewinn betrug 16.000 Punkte mit einem Gegenwert bei 0,35 Euro/ Punkt von zirka 5.600 Euro (reale Kosten liegen geschätzt unter 1.900 Euro). Die Maßnahme wird von der Stadt Nidderau finanziell übernommen, das Projekt ist zugunsten des Ökokontos der Stadt Nidderau anerkannt.

Obstsorten für P194 Nidderau Heldenbergen • Altländer Pfannkuchen • Ausbacher Roter • Französische Goldrenette • Finkenwerder Prinzenapfel • Gewürzluiken • Grahams Jubiläum • Korbiniansapfel • Prinz Albrecht von Preußen • Krügers Dickstiel • Roter Winterstettiner • Heuchelheimer Schneeapfel • Gelber Münsterländer Borsdorfer • Kloppenheimer Streifling • Roter von Simonffi • Maunzenapfel • Rodenauer Goldapfel

Am Ohlenberg wurde auch nach weiteren Wegen gesucht, die vorgezeichnete Entwicklung zur Verbuschung und Verwaldung aufzuhalten: Hierbei identifizierte man die Entfilzung einer mehrjährig nicht genutzten Grasnarbe über die Herstellung von Ökopunkten. Dies sollte der drohenden Verbuschung vorgreifen, denn wenn die Flächen erst verbuscht sind, bedarf es viel weitreichender Finanzmittel, um funktionsfähige Streuobstwiesen wieder herzustellen.

Eine Abfrage der überwiegend privaten Grundstückeigentümer erbrachte eine hohe Bereitschaft, an der Sicherstellung der Streuobstwiesen mit zu wirken und sich auch finanziell zu beteiligen. Zirka 80 % der angeschriebenen Eigentümer unterschrieben eine entsprechende Absichtserklärung. Gemeinsam mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Main-Kinzig wurde ein Bewertungskonzept für die Herstellung von Ökopunkten auf diesen Flächen entwickelt: Eine einmalige Entfilzungsmaßnahme erbringt 5 Punkte pro qm (Wert zirka 1,75 Euro), dies war kostendeckend für die Beauftragung der Entfilzung 2009 und ihre Nacharbeit. Beispielhaft wurden 41 Grundstücke mit der Gesamtfläche von 3,9 ha bearbeitet, die Entfilzung fand auf 1,6 ha davon statt. Im Anschluss wurde eine Mulch-Mahd für alle Grundstücke durchgeführt, die, je nach Flächengröße, von dem jeweiligen Eigentümer erstattet wurde, so dass die Nachhaltigkeit der Maßnahme gesichert ist. Diese Arbeiten waren als Übergangsregelungen gedacht. Sobald eine geregelte Nutzung wieder eintreten kann, entfallen sie. Für Teile des Projektgebietes ist dies inzwischen eingetreten, und zwar durch die Beweidung mit Shropshire-Schafen, die für junge Obstbäume besonders schonend sind, da sie keine Rindenschäden verursachen (siehe Tabelle 3).

Info

Bei Fragen rund um das Thema Streuobstwiesen und Ökopunkte kontaktieren Sie Barbara Fiselius vom Landschaftspflegeverband MKK e.V., Telefon: 06059-906688, E-Mail: barbara.fiselius@lpu-mkk.de

64 Ă–konomie

65 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Naturschutz, Landwirtschaft und Unternehmen Hand in Hand: Faire Preise für Streuobst sind möglich! von Markus Rösler Es war 1987 als der BUND im ober-

Preis für ihr Streuobst zu bezahlen

preis an Verbraucher zu verkaufen.

schwäbischen Ravensburg und

(damals 40 DM/dz), das – ungespritzte –

Damit war die Idee der Streuobst-

Markdorf die Idee hatte, Streuobst-

Hochstamm-Obst zu keltern und den

Aufpreisvermarktung vor inzwi-

wiesenbewirtschaftern einen fairen

Apfelsaft mit dem erforderlichen Auf-

schen über 25 Jahren geboren.

Schon 1988 führte der NABU-Bundesverband das NABUQualitätszeichen für Streuobstprodukte ein – der Wendehals als Charakterart der Streuobstwiesen war vom NABU zum Vogel des Jahres gewählt worden. Ebenfalls 1988 gab es in Hessen eine große landesweite Kampagne »Rettet die Obstwiesen« des Naturschutzzentrums Hessen mit dem Ziel, Streuobstwiesen als »Biotop des Jahres 1988« besser zu schützen. Schon damals war der hessische Verband der Apfelwein- und Fruchtsaftindustrie beteiligt: In Hessen gab es seit der ersten Nachkriegszählung der Streuobstbäume im Jahr 1951 teilweise Rückgänge von über 90 %. Damit war die Rohwarebasis für das hessische Nationalgetränk, den Äppelwoi, gefährdet.

Hotspots der Biologischen Vielfalt

Die Streuobstbestände sind allerdings auch in Hessen weiter zurückgegangen – sie stehen mit derzeit zirka 300.000 ha bundesweit als »stark gefährdet« auf der Roten Liste der Biotoptypen. In Hessen ist die negative Entwicklung ohne Frage durch die erfreuliche Tatsache gebremst, dass Streuobstwiesen über die gesetzliche Regelung des Biotopschutzes im Landesnaturschutzgesetz geschützt sind (das gibt es noch in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, ansatzweise in Berlin). Leider wird dieser Schutz nicht streng genug umgesetzt!

Gefährdet sind aber auch zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten sowie Obstsorten. Nach meinen Berechnungen (Auswertung einschlägiger Literatur) gibt es allein in Deutschland über 5.000 Tier- und Pflanzenarten in Streuobstwiesen, und dies ohne Berücksichtigung der Kryptogamen wie Pilze, Flechten, Moose und Algen. Zudem gibt es über 3.000 Obstsorten. Damit sind unsere Streuobstwiesen »Hotspots der Biologischen Vielfalt« für ganz West- und Mitteleuropa.

Entscheidend für diese Sonderstellung sind mehrere Faktoren: • Die Kombination von Arten, die an Bäumen und die im Offenland, die in Schatten und Sonne vorkommen, • eine naturverträgliche Nutzung (kein Einsatz synthetischer Pestizide oder Düngemittel), • die Hochstämmigkeit (mindestens 180 cm Stammhöhe, Altbestände mindestens 160 cm – Spechte zimmern ihre Bruthöhlen nur in Bäume, deren unterster Ast in mindestens 160 bis 180 cm abgeht, also nicht in noch so alte und dicke Halbstämme), • das Alter der Bäume (bestimmte Flechten- oder Moosarten siedeln sich erst nach zirka 40 Jahren stabil an den Bäumen an und auch die »Spechtfähigkeit« der Obstbäume beginnt im Regelfall erst in einem Alter von 40 Jahren.

Das NABU-Qualitätszeichen für Streuobstprodukte.

Serviceleistungen rund um die Themen Streuobst und Obstsorten finden sich unter www.Streuobst.de

Entscheidend für die Biologische Vielfalt ist damit – die Landwirtschaft in West- und Mitteleuropa ausgenommen – nicht die Frage »Bio oder konventionell«, sondern die Frage »Hochstamm oder Plantage«. Denn die Biologische Vielfalt in Bio-Niederstammanlagen ist, dies belegen umfangreiche Untersuchungen, viel ähnlicher derjenigen in konventionell bewirtschafteten Niederstamm-Anlagen als derjenigen in den hochstämmigen Streuobstwiesen.

66 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

67 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Aufpreisvermarktung als Trendsetter

Frankfurt ist und hat Markt

Gut ein Vierteljahrhundert nach den eingangs genannten Aktivitäten gibt es in Deutschland rund 120 StreuobstAufpreisvermarkter, die zusammen bis zu zehn Millionen Liter Getränke mit einem Marktwert von deutlich über 20 Millionen Euro produzieren. Einige dieser Aufpreisvermarkter gibt es auch in Hessen, wie beispielsweise die Rhöner Apfelinitiative, den Freundeskreis Eberstädter Streuobstwiesen, Streuobstinitiative Landkreis Kassel oder den Landschaftspflegeverband Main-Taunus-Kreis.

Der Großraum Frankfurt beziehungsweise das Rhein-MainGebiet bieten für die Streuobst-Aufpreisvermarktung eigentlich ein ideales Zielgebiet: Zirka zwei Millionen häufig zahlungskräftige Kunden »warten« geradezu auf die hochqualitativen Streuobstgetränke. Manche der Streuobst-Aufpreisvermarktungsinitiativen vertreiben mit ihren Keltereien – zunehmend auch Mineralbrunnen mit Apfelschorle – jährlich über 500.000 Liter. Der Apfelsaftkonsum in Deutschland liegt derzeit bei zirka acht Liter pro Person und Jahr. Wenn auch nur ein Fünftel davon der Zielgruppe zugeordnet wird, die Interesse an Bio-, an Regional-, an umweltverträglich erzeugten Produkten hat, wären dies im Rhein-Main-Gebiet zirka 3,2 Millionen Liter Apfelsaft. Zu ergänzen sind diese um die Apfelsaftanteile in Apfelschorle, Apfel-Mango-Saft und anderen Apfel-Mischgetränken, so dass realistischerweise über vier Millionen Liter abgesetzt werden könnten. Das entspricht bei einer Rohwareausbeute von 75 % zirka 5.500 Tonnen Streuobst, bei wiederum grob geschätzten 100 kg je Baum 55.000 Bäumen. Bei einem durchschnittlichen Baumbestand von 70 Bäumen/ha entspricht dies wiederum knapp 800 ha Streuobstwiesen, die auf diese Weise langfristig-nachhaltig-rentabel bewirtschaftet werden können.

Darüber hinaus gibt es auch unter bundesweiten Verhältnissen vorbildlich kreative »Hessische Wirtshauskelterer«.

Sie verbinden Kreativität, Innovation und Qualität von Streuobstprodukten und befördern über ihre Direktvermarktung ebenfalls eine rentable Bewirtschaftung der Streuobstbestände.

In Passau hat eine geschickte Kombination von Direktvermarktung, gemeinschaftlichem Einsatz von Obstlesemaschinen, Unterstützung durch die Kommune im Rahmen des Landschaftsplanes und die gute Arbeit eines Landschaftspflegeverbandes dazu geführt, dass die Pachtpreise für Streuobstwiesen Stück für Stück auf ein Niveau oberhalb der Pachtpreise für Getreideäcker angestiegen sind: Das belegt, dass Streuobstbau rentabel sein kann! Im Kerngebiet des europäischen Streuobstbaus, in Schlat am Fuß der Schwäbischen Alb, zahlt die Manufaktur Jörg Geiger 15 Euro bis über 50 Euro pro Doppelzentner für (sortenreines) Streuobst – ähnlich wie die Edelobstbrennerei Schenk bei Dresden. Im württembergischen Vaihingen-Ensingen zahlt die Ensinger Heil- und Mineralbrunnen GmbH in Kooperation mit einer Streuobst-Initiative seit 2010 einen garantierten Fixpreis von 20 Euro/dz für eine Apfelschorle mit dem NABU-Qualitätszeichen – und befüllt mit dem hochqualitativen Saft aus Streuobst seit 2014 auch ihre Gourmet-Schorle.

Erfahrungen aus Niederösterreich und anderen Regionen zeigen, dass es richtig und wichtig ist, bei einem »Neueinstieg« in die Streuobstvermarktung von vornherein auf exzellente Qualität zu achten – und damit auch auf ein zumindest leicht gehobenes Preissegment. Wer Interesse an Nachhaltigkeit, an fairen Preisen hat, sollte von vornherein mit 20 bis 25 Euro/dz Streuobst kalkulieren. Gute Streuobstsäfte sind nirgends in Europa im Billig-Discounter zu finden und bei weitem nicht »nur« im Naturkostsektor (BioStreuobst hat stark steigende Anteile im Streuobstmarkt).

Von der Menge her besonders bedeutend sind der Getränkefachhandel sowie im Lebensmitteleinzelhandel Ketten wie beispielsweise Tegut, REWE oder EDEKA, insbesondere wenn es sich nicht Dies alles zeigt: Streuobstbau kann rentabel sein. um Regie-, sondern um familiär geGefragt sind lokal und regional angepasste Lösungen. führte Märkte handelt – und natürlich bei den Keltereien selbst, in der Gastronomie beziehungsweise bei Regional- und Wochenmärkten.

68 Ökonomie

Wertholzpflanzungen als neue Variante traditioneller Streuobstwiesen können sich zu bereichernden Landschaftselementen in unseren Kulturlandschaften entwickeln.

Im Bild eine Pflanzung im landschaftlichen Konnex mit Trockenvegetation am Rand des Nördlinger Rieses und dem Initiator der Kulturen, Forstdirektor Werner Vonhoff.

Diese Fläche weist ebenfalls Pflegedefizite auf. Im vergangenen Jahr wurde der Unterwuchs nicht gemäht und schlechtwüchsige Bäume sollen entfernt werden.

69 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Wertholzproduktion aus Obstbäumen: Innovative Wertschöpfungen aus Streuobstwiesen von Rainer Luick Die Thematik der Agroforstsysteme,

genutzt wird. Agroforstsysteme haben

steht man die lockere Pflanzung

wozu in Deutschland vor allem die

im Kontext der modernen Land- und

von verschiedenen Obstbäumen

Streuobstwiesen und reliktische Wald-

Forstwirtschaft keine signifikante öko-

mit dem wirtschaftlichen Ziel der

weiden zählen, erlebt derzeit eine

nomische Bedeutung mehr, sind aber

Furnierholzproduktion. Im Ost-

Renaissance. Ein Aspekt dabei ist die

Ökosysteme von besonderer Eigenart

albkreis, in Baden-Württemberg,

Frage, was Agroforstsysteme über-

und Biodiversität. Vor allem Streuobst-

wurden in den vergangenen

haupt sind? Dazu gibt es von der

bestände – und hier vor allem in den

15 Jahren zahlreiche Wertholz-

Europäischen Union im Rahmen ihrer

südlichen Bundesländern – haben

pflanzungen angelegt. Zur Moti-

Förderprogramme eine klare Begriffs-

wichtige ökologische Bedeutungen

vation, zur Entwicklung dieser

bestimmung: Agroforstsysteme sind

und sind vielfach (noch) landschafts-

Bestände, zu Problemen und ihren

Landnutzungssysteme, bei denen eine

prägend. Ein neu interpretiertes agro-

Lösungen und zur perspektivischen

Fläche von Bäumen bewachsen ist

forstliches Nutzungsmodell sind die

Wirtschaftlichkeit wird in diesem

und gleichzeitig landwirtschaftlich

Wertholzpflanzungen. Darunter ver-

Beitrag Stellung genommen.

Agroforstsysteme – ein Überblick Die Thematik der Agroforstsysteme erlebt derzeit eine Renaissance. Dazu zählen in Deutschland neben reliktischen Waldweiden vor allem die Streuobstbestände in den eher südlich gelegenen Bundesländern, wie in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und auch in Hessen. Zahlreiche Forschungsvorhaben auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene beschäftigen sich derzeit mit der Geschichte, Ökonomie und den Perspektiven von Agroforstsystemen.

Erst jüngst hat sich eine deutsche Sektion des europäischen Interessenverbandes EURAF (European Agroforestry Federation: www.agroforestry.eu) gegründet, mit der Zielsetzung, sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse als auch Erfahrungen für die praktische Umsetzung bereitzustellen.

In Mitteleuropa haben reale Agroforstsysteme im Kontext der modernen Land- und Forstwirtschaft keine signifikante ökonomische Bedeutung mehr. Während die Waldweidesysteme nur noch als kleinflächige historische Relikte anzusprechen sind, haben Streuobstbestände – und hier vor allem in den südlichen Bundesländern – noch eine wichtige, vielfach landschaftsprägende Bedeutung. Ein vor kurzem abgeschlossenes LIFE-Projekt zum Vogelschutz in Streuobstwiesen des Mittleren Albvorlandes und des Mittleren Remstals in Baden-Württemberg hat wichtige Ergebnisse zur ökologischen und kulturhistorischen Bedeutung

dieses einmaligen und global auf Mitteleuropa beschränkten Ökosystems geliefert (www.life-vogelschutz-streuobst.de).

Es ist ein viel diskutierter Aspekt, was ein Agroforstsystem charakterisiert und definiert und welches Nutzungssystem es nicht ist. Grundsätzlich gilt, dass auf einer identischen Fläche sowohl eine agrarische als auch eine forstliche Nutzung stattfindet. Diese Nutzungen müssen nicht synchron ablaufen und müssen auch nicht von gleichrangiger ökonomischer Bedeutung sein. Ein Agroforstsystem kann also agrar- oder forstorientiert betrieben werden. Weiterhin sind Unterscheidungen möglich, ob die agrarische Nutzung als Grünland (und hier wiederum als Wiese, Weide oder als Mähweide) oder als Ackerland erfolgt. Bei der Nutzung der Bäume ergibt sich die Unterscheidung nach jährlichen beziehungsweise mehrjährigen Nutzungsintervallen und auch daraus, ob das ökonomische Interesse eher in der Frucht oder im Holzertrag liegt oder ob eine gleichrangige Wertschätzung vorliegt.

Zur Abgrenzung und Definition des Begriffes der Agroforstsysteme kann auf die ELER-Verordnung 1305/2013 vom 20. 12. 2013 der Europäischen Union Bezug genommen werden. Diese steuert die Programmatik und Programme der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union und wird auch als Politik für den ländlichen Raum bezeichnet. Wortgleich wie auch schon in der

1

70

2

1. Die ersten Jahre einer Wertholzanlage sind teuer und arbeitsaufwändig. Große Sorgfalt verlangt die Sortenauswahl, die Pflanzung und die Sicherung der Bäume. Danach müssen jährlich die Astungen erfolgen und auch der Unterwuchs muss gepflegt werden. Eine begleitende extensive Ackerbewirtschaftung oder eine grünlandähnliche Nutzung des Aufwuchses sind nur theoretische Überlegungen. In der Praxis geht es um die Entsorgung der Biomasse. Eine extensive Beweidung mit Schafen oder Rindern ist erst im Bestandsalter ab 10 bei guter Sicherung der Bäume vorstellbar.

2. Eine gelungene Anlage zur Wertholzproduktion im Ostalbkreis im Alter von 10 Jahren.

Der Bestand zeigt kaum Ausfälle und die Bäume haben durch jährliche Astungen ausreichend lange und astfreie Stämme entwickelt. Jetzt wird es allmählich Zeit, die Anzahl der Bäume auf 80 bis 100 pro Hektar zu reduzieren, um diesen Zielbäumen ein optimales Wachstum zu ermöglichen.

vorherigen ELER-Verordnung (VO EG Nr. 1698/2005) wird in Artikel 23 ausgeführt: »Agroforstsysteme sind Landnutzungssysteme, bei denen eine Fläche von Bäumen bewachsen ist und gleichzeitig landwirtschaftlich genutzt wird«.

Weiterhin wird ausgeführt: »Die Mindest- und die Höchstzahl der Bäume je Hektar wird von den Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der örtlichen Boden-, Klima- und Umweltverhältnisse, der Waldbaumarten und der Notwendigkeit festgesetzt, die nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung der Fläche sicherzustellen. Damit sind zum Beispiel Kurzumtriebsplantagen eindeutig ausgenommen. Diese werden gelegentlich ebenfalls unter den Agroforstsystemen subsummiert, denn es würde sich ja um Agrarflächen handeln, die nur befristet im Schnellumtrieb mit Bäumen genutzt werden. Fraglich ist auch, ob noch ein Agroforstsystem vorliegt, wenn sich beispielsweise eine streifenartige Ackernutzung sich streifenartigen Baumpflanzungen abwechselt. Für ein derartiges System wurde der Begriff des Alley Cropping geprägt.

Ein neues agroforstliches Nutzungsmodell sind Wertholzpflanzungen. Darunter versteht man die lockere Pflanzung von verschiedenen Obstbäumen mit dem wirtschaftlichen Ziel der Furnierholzproduktion und der prinzipiellen Option einer landwirtschaftlichen Verwertung des Unterwuchses.

71 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Eine neue thematische und agrarpolitische Bedeutung ergibt sich auch im Kontext des so genannten Greenings der ersten Säule der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union). In der neuen für den Zeitraum 2014 bis 2020 gültigen Direktzahlungsverordnung – VO(EU) Nr. 1307/2013 – ist in Artikel 46 (1) geregelt, dass für die Gewährung der Flächenprämien (Direktzahlungen) 30 % dieser Prämien an die Erfüllung von Greeningauflagen auf Betriebsebene gebunden sind. Dazu zählen die Einhaltung eines Fruchtwechsels von mindestens drei Kulturen und die Erhaltung von Dauergrünland. Weiterhin müssen so genannte »Ökologische Vorrangflächen« vorhanden oder bei nicht Vorhandensein angelegt und entwickelt werden. Dies gilt seit dem 1. Januar 2015 für alle Betriebe – mit Ausnahme von ökologisch arbeitenden Betrieben – mit mehr als 15 Hektar Ackerland pro Betrieb. Diese müssen mindestens 5 % des vom Inhaber angemeldeten Ackerlands eines Betriebs als im Umweltinteresse genutzte Fläche ausweisen.

Deutschland hat sich dazu entschieden, den kompletten Katalog der nach EU-Recht zulässigen Kategorien für mögliche ökologische Vorrangflächen anzubieten (Tabelle 1). Darunter fallen zum Beispiel auch der Anbau von ökologisch weitgehend wirkungslosen Eiweißpflanzen oder der von Zwischenfrüchten. Es wird allerdings die unterschiedliche ökologische Wertigkeit der Vorrangflächen über so genannte Gewichtungsfaktoren nur bedingt korrigiert. So beträgt der Gewichtungsfaktor für Zwischenfrüchte nur 0,3, dagegen beträgt der Gewichtungsfaktor für brach liegende Felder 1,0 und für die ökologisch besonders wertvollen Hecken gilt sogar ein Gewichtungsfaktor von 2,0. Im Kontext dieses Beitrags ist erwähnenswert, dass auch Agroforstsysteme (also auch Streuobstwiesen) aufgrund ihrer ökologischen Bedeutung, der hohen Kongruenz mit den agrarpolitischen Zielen und der vergleichsweise einfachen Erfüllung als Greeningmaßnahme in Deutschland möglich ist (siehe Tabelle 1).

Im Rahmen der bisherigen GAP (und auch in der neuen GAP) war die Gewährung einer Beihilfe für extensive Agroforstsysteme möglich, beziehungsweise ist auch weiterhin vorgesehen. Bisher war im Schwerpunkt zwei (Verbesserung der Umwelt und der Landschaft) in den Artikeln 36 b)ii und 44 die Ersteinrichtung von Agroforstsystemen auf landwirtschaftlichen Flächen als beihilfefähige Maßnahme zur Förderung einer nachhaltigen Bewirtschaftung genannt. Allerdings wurde und wird dies in Deutschland bislang nicht genutzt. Derzeit sind die Maßnahmenpläne zur ländlichen Entwicklung (2. Säule der GAP) der einzelnen Bundesländern überwiegend noch nicht notifiziert. Es darf aber angenommen werden, dass wohl in der Mehrzahl der Bundesländer wieder Förderprogramme aufgelegt werden. In Entwürfen zeigt sich, dass zum Beispiel in BadenWürttemberg deutlich bessere Förderungen als bisher für die Streuobstwiesen vorgesehen sind.

Die Aufnahme einer Förderung von Agroforstsystemen in die GAK (Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes) als Voraussetzung für eine Ko-Förderung von Programmen zur Ländlichen Entwicklung (2. Säule der GAP) der Bundesländer ist bislang ebenfalls nicht aktiviert. Für die Länder bedeutet dies, dass sie derzeit (und damit im GAK Rahmenplan 2013 bis 2016) auf Agroforstsysteme bezogene Maßnahmen zwar fördern könnten, es aber dafür keine finanzielle Beteiligung des Bundes gibt. Nach Angaben des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz existiert in Hessen insgesamt keine Förderung von Agroforstsystemen.

72 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Tabelle 1 Möglichkeitenkatalog zur Umsetzung von »Ökologischen Vorrangflächen« als obligate Greeningverpflichtung in Deutschland und deren Hebelwirkung (Faktor).

Typen/Merkmale der ökologischen Vorrangflächen

Faktor

Hecken, Gehölzstreifen, Baumreihen und Gräben (soweit unter CC-Schutz)

2,0

Pufferstreifen, Ackerrandstreifen, Feldraine, Einzelbäume, Feldgehölze und Tümpel (soweit unter CC-Schutz), Streifen beihilfefähiger Flächen entlang von Waldrändern – ohne Produktion1) 1,5 Stilllegung, Terrassen, Steinwälle, Agroforstflächen,1) Aufforstungsflächen

1,0

Anbau von Stickstoff bindenden Pflanzen (Leguminosen)

0,7

Zwischenfruchtanbau, Kurzumtriebsplantagen, Streifen beihilfefähiger Flächen entlang von Waldrändern – mit Produktion2) 0,3

Tabelle 2 Mindestansprüche von Obsthölzern aus Sicht von Furnierherstellern.

Baumart

Handelsname

Mindestlänge Kern/Farbe

Bemerkungen

Wild- und Kulturapfelarten

Apfel

ab 1,20 m

Großer Kern, marmoriert

Selten nachgefragt

Kein Kern, hell

Meist Sorbus torminalis

Alle Birnen- und Sorbus-Arten Schweizer Birnbaum ab 2,20 m

Wild- und Kulturkirsche Kirsche ab 2,20 m Indifferent, hellrot

Walnuss und Schwarznuss Nuss ab 1,80 m

Keine Kulturkirschen aufgrund von Fehlfarben

Großer und kleiner Kern, Gedämpfter Splint als marmoriert »Helle Nuss«

Alle Pflaumenartigen Pflaume, Zwetschge ab 1,20 m Großer Kern, Pflaumenfarben Selten und sehr kleines Angebot

Tabelle 3 Übersicht der Standorte der Wertholzpflanzungen im Ostalbkreis.

Lokalität

Größe

Arten

Alter Landwirtschaftliche Nutzung

PW Betzler I

1 ha

Walnuss, Schwarznuss, Nusshybride, Kirsche

17

Mähen

Utzmemmingen

1,3 ha

Kirsche, Walnuss, 4 Birnensorten, Speierling

16

Beweidung, Mähen, Mulchen, Imkerei

Ringlesmühle

1 ha

Kirsche, Walnuss, div. Birnen, Speierling, Elsbeere

14

Mulchen

PW Betzler II

1 ha

Kirsche, Nuss

14

Mähen

Submissionsplatz

0,2 ha

Wild-Apfel, Wild-Birne, Zwetschge

14

Beweidung mit Schafen

Benzenzimmern

0,8 ha

Apfel, Zwetschge, Birne, Nuss, Kirsche

9

Mulchen, Imkerei

Röttingen

4 ha

3 Nussarten, 10 Birnensorten, Zwetschge, Esskastanie,

8

Mähen

Kirsche

Tabelle 4 Obsthölzer bei der Bopfinger Wertholzsubmission 1998–2012. Das Angebot an Obstholz lag bei 2–3 % der Gesamtgebote in Festmetern (Fm), davon zweidrittel Kirsche (Quelle: eigene Erhebungen).

Birne

Apfel

Zwetschge Kirsche

Walnuss

1998–2012

Fm

98 18 15 516 88 738

Preis (Ø)/Fm

250 Euro

200 Euro

300 Euro

220 Euro

380 Euro

200–400 Euro

Spitzenpreise/Fm

1.250 Euro

390 Euro

715 Euro

834 Euro

865 Euro

400–1.250 Euro

Jahresumsatz

1.500 Euro

300 Euro

450 Euro

8.000 Euro

4.500 Euro

15.000 Euro

Fm/Jahr

7

12

1,5

30

10

50

Angebot + Probleme Qualität meist Könnte leicht Dimension oft

mäßig, zu kurze gesteigert zu gering

Stämme werden

Qualität und Dimension oft nicht ausreichend

Sehr unter- schiedliche Qualität

Angebot zurückgehend

Tendenz Nachfrage Nachfrage

auf niedrigem

Niveau

Seit 2007 sehr geringe bis kaum Nachfrage

Sehr gute Nachfrage

Nachfrage stark wechselnd

Nur von Nachfrage wenigen auf niedrigem Kunden Niveau gesucht

73 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Von der Streuobstwiese zur Wertholzplantage Die ökonomische Bedeutung der Streuobstwiesen hat sich in den vergangen Jahrzehnten völlig gewandelt. Während noch bis in die 1970er Jahre die Frischfutter- und Heugewinnung aus Obstwiesen durchaus üblich war, ist dieser Nutzungsaspekt heute völlig bedeutungslos. Auch Tafelobst stammt heute nicht mehr aus Streuobstwiesen. Die verbliebene Nutzung ist die Produktion von Verwertungsobst zur Saftherstellung und vor allem in Baden-Württemberg die Stoffproduktion für die Abfindungsbrennerei.

Die Holznutzung aus Streuobstflächen ist bislang ebenfalls ökonomisch uninteressant und erfolgt fast ausschließlich in der privaten Brennholzverwertung. Nur äußerst selten finden sich Stämme, welche für die Möbel- oder Furnierherstellung interessant sind. Die Verarbeitung von Obsthölzern zu Furnier ist an eine sehr hohe Qualität des Rundholzes gebunden, dies gilt grundsätzlich für alle Furnierhölzer. Die verarbeitenden Betriebe wünschen sich Stammlängen, die für den Innenausbau möglichst jede Verwendung erlauben. Angestrebt wird eine sogenannte »Türlänge« von 2,20 m, wobei der Durchmesser mindestens 0,45 m betragen sollte. Tabelle 2 zeigt in einer Übersicht Mindestansprüche, wie sie vom Markt für Obstholzfurniere gefordert werden.

1) Agro-forstwirtschaftliche Flächen, die eine Stützung gemäß Artikel 44 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 und/oder Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 erhalten oder erhalten haben.

2) Entscheidung noch offen, ob in Deutschland nur eine dieser beiden Varianten oder beide Varianten angeboten werden.

Die Handelsprodukte Kirsche (Prunus avium ssp. L.) und Schweizer Birnbaum (Pyrus communis ssp. L.) stammen überwiegend aus Waldbäumen und nicht aus Obstwiesenbäumen. Gründe sind die erforderlichen Stammlängen, eine gewünschte einheitliche Farbe, weniger Holzfehler und das höhere Angebot gegenüber Streuobstbäumen. Bei Apfel (Malus species), Walnuss (Juglans regia L.) und Zwetschge (Prunus domestica ssp. L.) wird wiederum auf Angebote aus Obstwiesen zurückgegriffen, da die Forstwirtschaft die Nachfrage nicht decken kann. Entsprechend werden auch geringer dimensionierte Stämme verarbeitet.

Bei Schnittholz gibt es für technologisch sehr hochwertige Obsthölzer zahlreiche Sonderverwendungen. Dazu zählen der Möbelbau, der Innenausbau im Hochpreissegment und die Musikinstrumentenherstellung.

Streuobstwiesen zur Wertholzproduktion – erste Erfahrungen Im Folgenden werden Erfahrungen aus dem wohl langjährigsten Praxisprojekt in Deutschland vorgestellt: 1997 begann das Forstamt Bopfingen/Ostalbkreis in Baden-Württemberg mit dem Anbau von Obstbäumen zur Wertholzerzeugung. Mittlerweile wurden an sieben Standorten rund 10 ha Pflanzungen angelegt (Tabelle 3). Hintergrund und Motivation waren Erfahrungen und Analysen der Bopfinger Wertholzsubmissionen. Tabelle 4 zeigt die Ergebnisse für den Zeitraum 1998 bis 2012. Es wird deutlich, dass gute Stämme mit Furnierqualität von Obstbäumen sehr selten und deshalb auch sehr teuer waren. Die mit Abstand wichtigste Obstholzart ist die Kirsche. Auf sie entfallen 75 % der angebotenen Menge und rund 70 % des erzielten Umsatzes.

Mit großem Abstand folgen Birne und Walnuss. Der Spitzenerlös wurde für einen Birnenstamm mit 1.250 Euro für den Festmeter erzielt. Auch relativ kurze und qualitätsmäßig eher mittelwertige Stammteile erbrachten gute Erlöse.

Eine weitere Erkenntnis war allerdings auch, dass teilweise sehr minderwertige Ware angeliefert wurde, die den Durchschnittspreis bei den Submissionen senkte. Bemängelt und mit deutlichen Preisabschlägen versehen wurden vor allem Stammabschnitte mit zu geringer Dimension.

74

Wertholzpflanzung im Landkreis Konstanz mit erheblichen Pflegeproblemen, welche die Wirtschaftlichkeit dieser Kulturen stark in Frage stellt. Viele Bäume sind durch unterschiedliche Ursachen bereits abgestorben, wurden nie geastet und viele Wipfel sind durch das Weidevieh heruntergezogen worden und dadurch gebrochen.

Wie bereits ausgeführt, ist Holz aus Streuobstwiesen allenfalls ein marginales Nebenprodukt. Bei der Anlage der Bestände und Pflege der Bäume wurde bisher diesem Aspekt auch keine Beachtung geschenkt. Entscheidend ist daher, dass zur Wertholzproduktion forstliche Kriterien berücksichtigt werden müssen. Dies beginnt bei der Auswahl geeigneter Arten und Sorten mit gutem Stammwachstum und Holzqualitäten, die auch in Zukunft nachgefragt werden.

Die ersten Pflanzungen im Ostalbkreis erfolgten zunächst mit Kirsche, Nuss, verschiedenen Birnensorten (Schweizer Wasserbirne, Gelbmöstler, Oberösterreicher) und Speierling (Sorbus domestica L. Crantz.). Das Sortiment der aktuellen Kulturen wurde um Wild-Apfel (Malus sylvestris Mill.), Wild-Birne (Pyrus pyraster Burgst.), Elsbeere (Sorbus torminalis L.), Zwetschge, Schwarznuss (Juglans nigra L.) und Schwarznusshybride sowie einzelne Esskastanien (Castanea sativa Mill.) erweitert. Bei den Flächen handelte es sich nicht um hochproduktive Acker- oder Grünlandflächen, sondern um Böden mit Bodenwertzahlen von 30 bis 40 und damit mit einem geringen bis mittleren Ertragswert.

Alle Flächen waren früher agrarische Standorte. Durch die Bepflanzung wurde deren Rechtsstatus allerdings geändert; die Flächen sind heute als Waldstandorte registriert.

Die Gründe hierfür sind kompliziert: So gibt es bislang keine agrarische Förderung für die Anlage von Wertholzpflanzungen, wie zum Beispiel über Agrar-Umweltprogramme oder Naturschutzprogramme (zum Beispiel in Baden-Württemberg nach der Landschaftspflege-Richtlinie).

Im Status als Landwirtschaftsfläche würden sie aber dennoch bei der Bemessung berufsgenossenschaftlicher Abgaben voll erfasst werden. Ein weiterer Aspekt ist, dass mit den Luxemburger Beschlüssen und der Entkopplung von Prämien auf derartigen Flächen theoretisch Prämienrechte aktiviert werden könnten und die Flächen auch bei AgrarUmwelt- oder Naturschutzprogrammen förderfähig wären – allerdings unter den Kriterien der Cross-Compliance Verpflichtungen, das heißt, Förderungen gibt es nur, wenn bestimmte Auflagen eingehalten werden. Die Übertragung und Anwendung von Cross-Compliance-Auflagen auf Wertholzpflanzungen führt nun wiederum zu zahlreichen und bislang nicht behandelten und gelösten Fragestellungen und Problemen.

75 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

2020 können nach der ELER VO 1305/2013 weiterhin Prämien für die Aufforstung und Anlage von Wäldern gewährt werden. In Artikel 22 wird ausgeführt: »Die Förderung gemäß […] wird öffentlichen und privaten Landbesitzern und deren Vereinigungen gewährt und deckt die Anlegungskosten und eine jährliche Hektarprämie zum Ausgleich landwirtschaftlicher Einkommensverluste und die Bewirtschaftungskosten, einschließlich früher und später Läuterungen, während eines Höchstzeitraums von zwölf Jahren.

Bei Land im Eigentum der öffentlichen Hand darf die Förderung nur gewährt werden, wenn die Einrichtung, die dieses Land verwaltet, eine private Einrichtung oder eine Gemeinde ist.«

Den Pflanzungen im Ostalbkreis wurde aber auch aufgrund des angestrebten Wirtschafts- und Produktionszieles der Wertholzerzeugung der Status als Waldbodenfläche zugeordnet. Dadurch können und konnten auf ehemaligen Wiesen oder Ackerflächen Fördermittel für die Erstaufforstung beantragt werden (der korrekte Begriff lautet »Einmalige Investitionsförderung nach der forstlichen Förderrichtlinie Nachhaltige Waldwirtschaft«). Zuständig sind für diese Zahlungen die Oberen Forstbehörden (Bewilligung und Auszahlung) und die Unteren Forstbehörden (Antragsbearbeitung). Laubwald wurde bis 2005 mit 4.100 Euro/ha gefördert. Zusätzlich wurde eine Aufforstungsprämie für maximal 20 Jahre gewährt. Zu diesen Konditionen wurden alle Wertholzpflanzungen im Ostalbkreis – mit Ausnahme der jüngsten Fläche Röttingen – durchgeführt. In der 2013/ 2014 ausgelaufenen Programmperiode wurde nicht mehr die Fläche, sondern die Pflanzenzahl pro Hektar für den Fördersatz zugrunde gelegt. Bei weniger als 1.000 Pflanzen/ha reduzierte sich der Zuschussbetrag auf 1.100 Euro/ha. Für Aufforstungen werden auch weiterhin jährliche Prämien gewährt, jedoch nur noch für maximal 15 Jahre. Die korrekte Bezeichnung hierfür lautet »Einkommensverlustprämie«, die Zuständigkeit liegt für diese Förderung bei den Unteren Landwirtschaftsbehörden und wird über den »Gemeinsamen Antrag« abgewickelt.

Im Rückblick auf 15 Jahre Wertholzpflanzungen gibt es folgende Erfahrungen und Erkenntnisse:

Die tatsächliche Höhe der jährlichen Einkommensverlustprämie (früher Aufforstungsprämie) wird in einer für den Laien kaum zu durchdringenden bürokratischen Ableitung ermittelt und ist, da Bestandteil der föderal ausgestalteten zweiten Säule, von Bundesland zu Bundesland im Detail verschieden. Die Ausgestaltung erfolgt durch den jeweils gültigen Rahmenplan der GAK (Gemeinschaftsaufgabe Agrar- und Küstenschutz); aktuell von 2013 bis 2016. Danach ist die Prämienhöhe abhängig von den programmatischen Bedingungen bei Vertragsabschluss, vom Rechts- und Erwerbsstatus des Bewirtschafters, davon, ob reine Laubbaumbestände oder Mischbestände gepflanzt werden, von der Vornutzung (ob Grünland oder Acker) und bei Ackerflächen von der Bodenwertzahl. So schwanken die Prämienhöhen zwischen 150 und bis 700 Euro/ha. Zu den aktuellen Konditionen konnten Neuanträge bis zum Jahr 2011 gestellt werden. Für die neue Programmperiode von 2015 bis

Pflanzung und Kosten Die Pflanzen wurden in der Regel im Verband 6 x 4 m gesetzt. Das sind 400 Bäume pro ha. Davon entwickeln sich nach vorliegenden Erfahrungen derzeit 200 bis 300 Bäume optimal. Zielsetzung ist, dass pro Hektar 80 bis 100 Stämme in das Erntealter gebracht werden und dann BHD-Werte (Wert des Brusthöhendurchmessers bei 1,30 m) zwischen 0,5 und 0,6 m haben sollten. Das wird Arten- und Sortenabhängig nach 50 bis 70 Jahren der Fall sein. Die ersten Pflanzungen waren inklusive der Kultursicherungen trotz der geringen Stückzahl mit bis zu 10.000 Euro/ha insgesamt teuer. Gepflanzt wurden 180 bis 200 cm hohe und entsprechend teure Heister. Die Pflanzen wurden auf unterschiedliche Weise geschützt (zum Beispiel mit einer Spirale) und in der Regel an einen Pfahl festgebunden. Die Ausfälle waren mit maximal 5 % überraschend gering. Auf der Fläche PW Betzler I war die Rinde fast aller Birnbäume aufgeplatzt; diese Bäume mussten ersetzt werden. Bei der

Grundsätzlich gilt natürlich, dass auch ein genehmigungsrechtliches Verfahren nach den landesspezifischen Naturschutz- und Landeskulturgesetzgebungen notwendig ist und eine Aufforstungsgenehmigung erteilt sein muss. Nur von theoretischem Interesse ist der Fall, wenn eine Waldfläche in eine Agroforstfläche überführt werde sollte. Dann wäre vermutlich eine Umwandlungsgenehmigung nach der Forstgesetzgebung notwendig.

76 Ökonomie

Sind die Pflanzungen gesichert (in der Regel wenn älter als 10 Jahre), kann die Unternutzung/Pflege auch erfolgreich mit hornlosen Rindern, wie zum Beispiel den kleinrahmigen Galloway-Rindern, durchgeführt werden.

77 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

jüngsten Kultur (2008) wurden kleinere Pflanzen eingesetzt, die auch maschinell pflanzbar waren. Dadurch konnten die Kosten für die Kulturbegründung auf 5.000 Euro/ha gesenkt werden. Mit diesen Kostensätzen kann zukünftig und auch als Empfehlung kalkuliert werden. Pflanz- und Kulturkosten sind grundsätzlich betriebliche Investitionen, für die keine speziellen Förderungen zur Verfügung stehen und die mit den Einkommensverlustprämien abgegolten sind.

Pflege, Wuchsverlauf und Wirtschaftlichkeit Die wichtigste Maßnahme zur Erzeugung von Wertholz mit Obstbäumen ist das Asten. Jedes Jahr oder mindestens alle zwei Jahre müssen die unteren Äste und Wassertriebe (Wasserreiser) manuell mit der Rebschere entfernt werden.

Es sollten sich keine Äste bilden, die stärker als 1,5 bis 2 cm sind. Je nach Intensität bedeutet das Asten zunächst Zuwachsverluste. Ab dem Alter 10 sollten 4,5 bis 5 m astfreie Stämme vorhanden sein, so dass nur noch bei Bedarf Wassertriebe entfernt werden müssen. Jetzt können und sollen die Bäume ihre Krone entwickeln und das vorhandene Potenzial in Holzwachstum umsetzen.

Obwohl aus anerkannten Beständen bezogen, zeigte die Wildkirsche oft ein für die Wertholzproduktion ungünstiges Wachstum, ebenso einzelne Birnensorten. Als sehr anspruchsvoll hat sich auch die Erzeugung von astfreien Zwetschgenstämmen herausgestellt. Den eingesetzten Pflaumenvarietäten war und ist eigen, dass sie zur starken Ausbildung von Wassertrieben neigen, die jährlich zu entfernen waren und sind. Alle anderen Arten beziehungsweise Sorten entwickelten sich gut bis hervorragend. Eine gesicherte Erkenntnis ist, dass (bei entsprechender Pflege) problemlos astfreie Stammteile von 4,5 m, im Einzelfall von 6 bis 7 m, erzeugt werden können, Qualitäten, die bislang am Markt nicht verfügbar sind. Der erfreuliche Wuchsverlauf bei den Kirschen könnte bereits erste Entnahmen im Alter zwischen 40 und 45 Jahren ermöglichen, wovon benachbarte Birnen erheblich profitieren würden.

Gemessen an der aktuellen Preissituation und Kaufkraft sollten im Erntealter die monetären Erträge bei 50.000 Euro/ha liegen. Es wird von Schwankungen zwischen 40.000 bis 60.000 Euro/ha ausgegangen. Dieser Wirtschaftlich-

keitsprognose liegt weiter zugrunde, dass durchschnittlich 70 Fm/ha (in einer Schwankung von 60 bis 80 Fm/ha) in Aund F-Qualitäten (Furnierholzqualitäten) gewonnen werden können, bei Preisen zwischen 500 und 800 Euro/Fm. Zum Vergleich, dies entspricht ungefähr dem Ertragswert eines Douglasienbestandes, allerdings bei einer Umtriebsperiode, die zwischen 80 und 100 Jahren liegt.

Nutzung des Unterwuchses Der Umgang mit dem Unterwuchs ist bislang unbefriedigend gelöst. Zur sicheren Begründung der Baumpflanzungen und Erhaltung muss der Aufwuchs eigentlich regelmäßig gepflegt werden, im Sinne einer Obstwiesennutzung zwei- bis dreimal jährlich. Aus Kostengründen gibt es Flächen, die lediglich alle zwei Jahre gemäht werden, das Material wird als Biomasse entsorgt. Die Bodenvegetation hat entsprechend einen grasdominierten und eher ruderalen Charakter. Optimale Entwicklungen gibt es auf den Flächen Röttingen und Betzler I und II. Diese werden von einem landwirtschaftlichen Betrieb regelmäßig gemäht und das Gras verfüttert; die Flächen stehen umsonst zur Nutzung zur Verfügung. Hier hat sich ein artenreicher Grünlandbestand entwickelt. Mit dem Älterwerden der Bäume und weitgehendem Kronenschluss wird die Konkurrenz um Licht, Wasser und Nährstoffe für den Grünlandaufwuchs schwieriger, das Biomasseaufkommen geringer und die Futterqualitäten mutmaßlich schlechter. Die Beweidung der Flächen ist nur mit guter Sicherung der Bäume möglich und ab einem Kulturalter 10 ist eine Beweidung mit Rindern und Schafen vorstellbar. Dies wird auf geeigneten und kulturgesicherten Flächen schon erfolgreich mit der Beweidung durch hornlose Galloway-Rinder praktiziert (siehe Bild Seite 76).

Schlussfolgerungen Obsthölzer sind Nischenprodukte für Nischenmärkte und dies wird in Zukunft wohl auch so bleiben. Korreliert mit hohen Qualitätsansprüchen, einem geringen Angebot und bei vorhandenen Modetrends, ergeben sich sowohl außergewöhnlich hohe Preise als auch extreme Preisspannen, wie es die Erlöse der Bopfinger Submissionen (Angebot von qualitativ hochwertigen Stämmen an eine breite Käuferschicht zur Erlössteigerung) widerspiegeln.

78

Streuobstwiesen sind ästhetisch und ein Lebensraum mit besonderer Biodiversität.

Doch ihre Existenz ist vielfach an Traditionen und Hobby der älteren Generationen geknüpft. Aufwand und Erlöse dürfen im Grunde nicht aufgewogen werden, denn nur in wenigen Jahren sind Gewinne möglich.

Ein großes Problem ist die notwendige regelmäßige Pflege der Bäume und die Verwertung des Unterwuchses.

Nach ungeprüften Informationen aus dem EU SAFE-Projekt werden in Frankreich derzeit jährlich rund 1.000 ha derartige Wertholzpflanzungen angelegt. Glücklicherweise kommt aus diesen Kulturen auf absehbare Zeit kein Holz auf die internationalen Märkte, denn diese würden aufgrund der derzeit geringen Nachfrage mit einem extremen Preisverfall reagieren. Der Markt von Bäumen, die heute gepflanzt werden und deren Produkten, liegen grundsätzlich weit in der Zukunft. Ob aus den heute gepflanzten Obstbäumen tatsächlich einmal Furnier- oder hochpreisige Schnittware wird, ist von vielen Faktoren abhängig. Fallen zum Beispiel Förderungen aus oder fällt das Erntealter in eine Marktschwemme oder in falsche Modetrends, wird aus den aufwändig produzierten Hölzern vielleicht auch nur Brennholz.

Für einen Forstbetrieb mit geeigneten Standorten und Klimaten ist es durchaus empfehlenswert, kleinflächige Wertholzpflanzungen mit einem diversen Sortiment an Obstsorten ins Portfolio zu nehmen. Die Kulturen sollten aber regelmäßig, das heißt mit einer breiten Altersstreuung, angelegt werden, um kontinuierlich lieferfähig zu sein und um sich den extrem volatilen Marktentwicklungen gut anpassen zu können. Keine Aussage kann darüber gemacht werden, welche Baumarten oder Sorten zu favorisieren wären, denn Trends und Märkte wechseln zu häufig und sind unberechenbar.

Problematisch ist die notwendige Pflege und Unternutzung der Bestände. In den ersten zehn Jahren nach Bestandsbegründung sind keine Kostendeckungen zu erwarten, allein der jährliche Aufwand für Mähen, Mulchen, Abfahren und Entsorgung der Biomasse ist situationsbedingt mit 200 bis 500 Euro/ha anzunehmen. Hinzu kommen Kosten für die bis zum Alter 10 nahezu jährlich notwendigen Pflegearbeiten an den Bäumen. Arten- und sortenbedingt ist bei externer Arbeitsvergabe mit Kosten zwischen 50 bis 200 Euro/ha zu rechnen.

Eine begleitende Ackernutzung auf der Fläche ist nur von theoretischer Relevanz. Im normalen agrarischen Kontext ist dies aus arbeitstechnischen und Kostengründen nicht darstellbar. Selbst extensive Kulturen, wie der hochpreisige Spezialanbau von Linsen, Einkorn, Emmer oder Dinkel, sind nur wissenschaftlich spieltheoretische Ansätze.

79

Info

Erste Erfahrungen zur Wertholzproduktion im Rahmen von Streuobstwiesen  Die Obstbäume haben sich nach zehn Jahren prächtig entwickelt und es sind mehr wert holztaugliche Stämme auf der Fläche vorhanden als notwendig.  Die Einzelmischung hat sich bewährt, nur Kirsche und Hybridnuss sind deutlich vorwüchsig.

Eine Grünfutter- oder Heuverwertung ist durch den großen Arbeitsaufwand für Landwirte ebenfalls nicht mehr lukrativ; der Mehraufwand muss entsprechend vergütet werden.

Sind die Bäume gut geschützt, kann ab Bestandsalter 10 die Unternutzung mit einer extensiven Weidehaltung durch Schafe erfolgen. Die Beweidung mit Rindern ist weniger empfehlenswert und bietet sich erst in älteren Beständen an; eine Ausnahme ist die Beweidung mit leichten und hornlosen Gallowayrindern. In diesem Zusammenhang ist die Förderfähigkeit der Flächen von Relevanz. Agrarische Förderprogramme, wie zum Beispiel Agrar-Umweltprogramme oder Naturschutzprogramme, kommen für manche Flächen nicht in Betracht, wenn diese den Status als Waldfläche haben. Kompensatorisch für den Pflegeaufwand wiederum können Einkommensverlustprämien genutzt werden.

Situativ muss daher abgewogen werden, welcher Rechtsstatus der Fläche die besseren finanziellen Optionen bietet.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Vermeidung von Fehlern bei der Pflanzung (Pflanzgut, Schutzmaßnahmen), die Pflege (regelmäßige Ästung und Ausdünnung) und die Unternutzung (in den ersten Jahren wird es eine reine Pflege sein) die kardinalen Kriterien und Erfolgsfaktoren bei der Erzeugung von Wertholz mit Obstbäumen sind.

Abschließend sei festgestellt, dass es durchaus statthaft, ja notwendig ist, Visionen für zukunftsorientierte Landnutzungsmodelle zu entwickeln. Bevor in Deutschland jedoch die großflächige Anlage neuer Wertholzplantagen wie in Frankreich zur Diskussion kommt, sollte die Frage gestellt werden, warum die noch vorhandenen traditionellen Streuobstwiesen nicht ausreichend gefördert werden. Denn diese weisen nach wie vor eine enorme Bestandeserosion auf und verschwinden zusehend aus unseren Landschaften.

Eine ausführliche Literaturliste ist beim Autor auf Anfrage erhältlich.

Adresse Prof. Dr. Rainer Luick, Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg, Schadenweilerhof, 72108 Rottenburg, E-Mail: luick@hs-rottenburg.de

 Der landwirtschaftliche Teil (die Wiese) leistet zur Gesamtnutzung keinen Beitrag und verursacht – zumindest in den ersten Jahren – erhebliche jährliche Pflegekosten.  Die Bäume müssen zwingend regelmäßig geästet werden.  Es entwickelt sich ein Landschaftsbild und Ökosystem, das sich von dem der ursprünglichen Streuobstwiese kaum unterscheidet. Die sichtbaren Stammlängen sind jedoch deutlich größer (4,5 m statt 1,80 m), was der Laie aber nicht wahrnimmt.

Durch die Höhe der Ästung ist die Fläche maschinell besser bearbeitbar (Ladewagen, Mähfahrzeug).  Auf Grund der primären Zielrichtung zur Holzerzeugung gelten die Flächen als Wald und sind daher auch nicht prämienberechtigt im Sinne der Agrarförderung, das heißt unter anderem, dass Zahlungsansprüche nicht aktivierbar sind. Stattdessen können einmalige Investitionsförderungen und Einkommensverlustprämien gewährt und genutzt werden.  Der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden ist nicht geplant.  Die Umtriebszeit liegt zwischen 50 bis 70 Jahren; der Zieldurchmesser der Erntebäume sollte bei BHD (Brusthöhendurchmesser bei 1,30 m Höhe) 0,50 bis 0,60 m liegen.  Wertholz soll selten bleiben: Wenn alle oder viele Waldbesitzer auf Wertholzproduktion in Obstwiesen setzen, bedeutet dies ein hohes Angebot und damit sicher entsprechend geringere Preise.  Mit ihren großen und schönen Baumkronen, den Blüten im April und Mai, den Früchten im Sommer und Herbst und den bunten Farben im Oktober, gehören Streuobstwiesen sicher zu den schönsten und abwechslungsreichsten Landschaftsteilen und bereichern die oft recht eintönigen und langweiligen Ackerbaugeprägten Agrarlandschaften.  Die Streuobstwiese wirkt wie eine Savannenlandschaft im Kleinen; die meisten Menschen haben eine hohe emotionale Affinität zu diesem Landschaftstyp.

Dulcimer (gebaut und fotografiert im Klang-Holz e.V.).

81 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Warum nicht heimisch?

Obstgehölze im Musikinstrumentenbau von Oneisin Könemund Wer ein Musikinstrument beherrscht,

Material, denn jedes Holz besitzt seine

Erlebnis werden zu lassen. Er gibt

weiß: Hochwertige Musikinstrumente

eigenen charakteristischen Eigenschaf-

uns einen Einblick in sein Fachwissen,

sind sowohl in der Verarbeitung als

ten. Oneisin Könemund, Instrumenten-

erklärt, warum Holz von Obstbäumen

auch in ihrer Ästhetik etwas ganz

bauer bei Klang-Holz e. V., Berlin, ver-

im Instrumentenbau seinen ganz

Besonderes. Das erfordert vom Instru-

steht es, Materialien, Kunst und Ästhe-

eigenen Zweck erfüllt und fragt sich

mentenbauer sowohl spezifisches

tik meisterlich zu verbinden und das

in Zeiten von Klima- und Artenschutz:

Wissen als auch ein Gefühl für das

Instrument nicht nur akustisch zu einem

Warum nicht heimisch?

Es gibt verschiedene Holzarten, die im Instrumentenbau Verwendung finden. Meist werden für die Decke Weichhölzer wie Fichte oder Zeder ausgewählt und für die Zargen (Seitenteile) und Böden Hartholz. Die meisten Instrumentenbauer wie auch Musiker sind in der Regel sehr traditionell denkende Menschen, die an ein bestimmtes Aussehen des Musikinstruments gewöhnt sind. Um dieser traditionellen Einstellung in Verbindung mit der gewünschten Klangqualität gerecht zu werden, wird im Gitarren- und Geigenbau häufig eine Mischung aus inländischen und tropischen Holzarten verwendet.

Zu den inländischen Holzarten gehört der über alle Maße durch Musikinstrumente aus der Geigenfamilie bekannt gewordene Ahorn, der als geriegelter Ahorn, Vogelaugenahorn und auch glatter Ahorn vorkommt. Das Kirschholz als zweitwichtigster Vertreter der inländischen Holzarten ist bei Wandergitarren oder Schülerinstrumenten im Rahmen des Baus der Zargen und Böden recht weit verbreitet.

Daneben gibt es jedoch noch weitere Obstbaumarten, wie den Nussbaum oder den Pflaumenbaum, aus denen ebenfalls Gitarrenböden und Zargen hergestellt werden.

Auch Buchsbaum, Kirsche und Birnbaum als inländische Hölzer besitzen in Form von Bauteilen von Instrumenten der Geigenfamilie, wie zum Beispiel Kinnhalter und Wirbel, eine wichtige Bedeutung. Reifchen wiederum – diese dienen zur Verstärkung der Zargen und zur Vergrößerung der Leimfläche – werden aus Linde oder Weide gebaut. Pappelholz wird vereinzelt auch für die Herstellung von Boden, Zargen und Hals verwendet.

Der Musikinstrumentenbau befindet sich im Spannungsfeld zwischen Akustik, Ästhetik und Statik. Hier muss der Instrumentenbauer einerseits versuchen, eine gute Klangqualität zu erreichen, andererseits aber gleichzeitig die Struktur der einzelnen Komponenten des Musikinstruments im Blick behalten, um kein Auseinanderbrechen zu provozieren.

Akustisch gesehen können sich bedeutende Unterschiede feststellen lassen. Während man allgemein sagen kann, dass sich inländisches Holz darin auszeichnet, einen warmen Ton zu erzeugen, sind Obertöne das Besondere an tropischen Hölzern, die sich in einer schöneren Klangfülle und Brillanz im Ton niederschlagen. Auch erzeugen einige besonders dichte Hölzer aus den Tropen eine größere Lautstärke. Sowohl aufgrund ästhetischer als auch statischer Aspekte hat sich das Griffbrett aus Ebenholz rasch durchgesetzt, da es zum einen mit seinem tiefschwarzen Farbton einen edleren Anblick hervorruft, zum anderen besitzt es eine hohe Abriebfestigkeit und kommt demzufolge mit wenigen Reparaturen zurecht.

Ein weiterer Punkt betrifft den Verwendungszweck der einzelnen Musikinstrumente. Während früher das Musizieren in einem elitären Kreis der Gesellschaft im Rahmen von Hauskonzerten praktiziert wurde – meist für den Adel oder in der Kirche – fand im Laufe der Zeit eine Wandlung hin zu Massenevents, wie Rock- und Popkonzerten statt. Hier werden Gitarren zwar elektrisch verstärkt, jedoch ist die Holzartenauswahl immer noch entscheidend. So findet man im Westerngitarrenbereich auch Exemplare, die ganz

82 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

1

1. Ein zweites Leben für Musikinstrumente.

2. In den Osterferien eine Trommel bauen.

3. Klang-Holz-Bau im Klang-Holz e.V. 4. Zitadellen-Cister.

4

ohne Fichtendecke auskommen und stattdessen aus Ahorn oder anderen Hartholzarten gefertigt sind, um eine größere Lautstärke zu ermöglichen.

Generell ist jedoch nicht gemeint, dass in den vergangenen Jahrhunderten in den »unteren Ständen« der Gesellschaft keine Musizierpraxis stattfand. Musik wurde auch von Armen und zur Erheiterung armer Menschen gemacht, die sich keine exquisiten Holzarten leisten konnten. Wenn höfische Konzerte stattfanden, dann eher im kleineren Kreis, wodurch zu erklären ist, dass die Lautstärke keine große Rolle gespielt hat. Dementsprechend konnten die Musikinstrumente viel filigraner beziehungsweise leichter gebaut werden, als dies heute der Fall ist. Ein Beispiel dafür sind Lauten oder Mandolinen. Dementsprechend sind die Musikinstrumente auch eher aus inländischem Holz gefertigt worden als aus tropischem.

83

2

Info

3

Natürlich spielt in dem Zusammenhang auch der Import von Holz eine große Rolle. Heutzutage ist es viel leichter an tropisches Holz zu gelangen, als dies in der Renaissance oder im Barock der Fall war. So machen Klimawandel und der Artenverlust mit ihren Herausforderungen vor der Musikinstrumentenbranche nicht halt, und der Instrumentenbauer muss sich fragen, ob er sich erlauben kann tropische Hölzer zu verwenden. So gibt es bei dem einen oder anderen größeren Hersteller auch ein Segment, das sich dieses Argument zu Eigen macht, indem er ausschließlich europäische Holzarten nutzt. Ein besonderes Augenmerk gilt dem in immer größeren Teilen der Welt unter Artenschutz stehenden Ebenholz. Hier sollten für das Griffbrett andere Holzarten verwendet werden. Warum nicht heimisch?

Klang-Holz e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und freier Träger der Jugendhilfe. Ziel ist die Vermittlung alten Handwerks und die Förderung handgemachter Musik.

Der Verein besteht seit 1996 und wurde zu einem Treffpunkt für Musikbegeisterte jeden Alters. Hier können Laien Instrumente bauen, gemeinsam auf selbstgebauten Instrumenten musizieren, und es werden Konzerte, Ausflüge und Projekte organisiert.

Der Gründer des Vereins, Norbert Dobisch, war überzeugt, dass jeder Mensch seine eigene Musik hat.

Der Klang-Holz e.V. sollte das Handwerkszeug, die Unterstützung und Inspiration bereitstellen, damit es jedem möglich wird, seine Musik erklingen zu lassen.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Zusammenarbeit mit Kindern und ihren Familien. Schulklassen und Kitagruppen können in Kursen Instrumente bauen und spielen. Alte Instrumente werden hier aufgearbeitet und an Schulen und Kitas verschenkt oder verliehen. Für stille Genießer finden Konzerte statt. Viele alte Volksinstrumente, wie die Lyra oder die Chrotta, wurden im Klang-Holz e.V. erforscht und unserer heutigen Zeit angepasst. Manchmal werden Instrumente aber auch schlichtweg selbst erfunden.

Die meisten Exponate in den Räumen auf der Zitadelle Spandau hat Norbert Dobisch entwickelt oder gefertigt. Jeden ersten Samstag im Monat kann im KlangHolz-Café nach Lust und Laune Musik gemacht werden.

Wenn Sie Interesse an dem Verein haben, dann kontaktieren Sie ihn über www.klang-holz.de.

1

3

2

85 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

»Freche Früchtchen« auf dem Stundenplan Eine Nachhaltige Schülerfirma gründet sich auf der Streuobstwiese von Christina Frank-Schrödter Der BUND Landesverband Nieder-

ckend Projekte in allen Landkreisen.

Kartierung und Netzwerkbildung

sachsen hat ein besonderes Jahr

Die Wahl des Jubiläumsprojektes

geleistet, Wissen gesammelt, ein

hinter sich: Er ist Koordinator im

hat einen guten Grund: Zuvor war

Veranstaltungskalender eingerichtet

Jubiläumsprojekt der Niedersäch-

beim BUND Pionierarbeit mit einem

und der Kreis der Akteure ständig

sischen Bingo-Umweltstiftung, die

anderen Projekt geleistet worden,

erweitert (www.streuobstwiesen-

2014 ihr 25-jähriges Jubiläum

das sich »Streuobstwiesenkataster«

niedersachsen.de). In dieser Zeit

feierte. Das Projekt »Streuobstwie-

nennt. Das Kataster ist eine Informa-

entstand auch ein Leitfaden der

sen blühen auf« rückt die Streuobst-

tions- und Mitmachplattform für

Gründung einer Nachhaltigkeits-

wiesen in Niedersachen mit all ihren

Interessierte und dreht sich rund um

schülerfirma.

engagierten Initiatoren in den

die Streuobstwiese. Hier wurde über

Mittelpunkt und fördert flächende-

drei Jahre Basisarbeit in Sachen

Neben dem aktiven Umwelt- und Artenschutz ist es dem BUND auch ein Anliegen, jungen Menschen durch Bildung ein Bewusstsein für nachhaltiges Handeln zu vermitteln.

Ein erster Baustein dazu war das Erstellen einer »Interaktiven Schautafel« auf der Homepage des Katasters. Hier können sich gerade junge (und junggebliebene!) Interessierte spielerisch über die wichtigsten Elemente der Streuobstwiese »schlau klicken«. Als zweiter Baustein entstand ein Leitfaden zur »Gründung einer Nachhaltigen Schülerfirma rund um die Streuobstwiese«. Dies ist eine 20-seitige (Online-) Broschüre mit Anregungen, konkreten Tipps und Hinweisen für interessierte Pädagogen. Viele weiterführende Links zu Schülerfirmen, Netzwerken (als wichtigste zu nennen: www.nasch-community.de), unterstützenden Behörden und Umweltseiten sind dort zu finden. Der Leitfaden, der alle Gründungsphasen durchspielt, dient als »Roter Faden« für diesen Artikel – ich werde einige Themen als Akzente etwas ausführlicher beschreiben, andere sind sehr kurz gehalten. Die ganze Broschüre ist als PDF-Download auf der Homepage zu finden oder auf Anfrage als gedrucktes Exemplar zu erhalten.

1. »Bunte Tüte«, Anne-Frank-Grundschule in Lüneburg.

2. »Die Küchenmäuse«, Grundschule Bardowick.

3. »Coole Schule«, Carl-Stahmer-Hauptschule in Georgsmarienhütte.

Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil Eine Nachhaltige Schülerfirma ist ein jahrgangsübergreifendes Schulprojekt, das in erster Linie pädagogische Ziele verfolgt. Die ausgewählten Produkte/Dienstleistungen werden unter möglichst realistischen Wirtschaftsbedingungen hergestellt und vermarktet. Dabei wird eine SchülerRechtsform simuliert, um ökonomische Prozesse und deren wirtschaftliche, soziale und ökologische Folgen und Zusammenhänge zu verstehen. Das Erlernen von Schlüsselkompetenzen (Zuverlässigkeit, Engagement, Lernbereitschaft, Teamarbeit und vieles mehr) steht hierbei im Vordergrund; sie bieten den Schülern einen klaren Vorteil für ihr weiteres Berufsleben und machen sie fit für den Arbeitsmarkt.

Der Begriff der »Nachhaltigkeit« wird dabei in allen Prozessen thematisiert – zunächst in kleinen Schritten und mit der Erkenntnis, dass jegliches (wirtschaftliches) Handeln Konsequenzen hat und einen »ökologischen Fußabdruck« hinterlässt. Die Streuobstwiese bietet dafür ein optimales »Spielfeld« – denn wir kultivieren hier ein Biotop, das alte, regionale Obstsorten aufweist, und in dem Artenschutz in jeglicher Form umgesetzt wird. Wenn wir Nachhaltigkeit als »Haushalten im Sinne eines verantwortungsvollen Wirtschaftens mit allen Ressourcen« umsetzen und wir auf die Herausforderungen unserer Zeit reagieren, dann stellt diese Unternehmensphilosophie einen tatsächlichen Wettbewerbsvorteil dar, denn nur sie wird sich langfristig durchsetzen.

1

2

86 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

87 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Die Unternehmensphilosophie Nachhaltige Schülerfirmen (im Folgenden NaSch abgekürzt) bereiten den Übergang vom Schul- ins Berufsleben vor und versuchen, nachhaltige Entwicklung beispielhaft umzusetzen. Wenn eine Firmenphilosophie und erste Ideen gefunden sind, sollten sie unter den Aspekten Ökologie, Ökonomie und Kultur überprüft werden. Dabei können folgende Fragen auftauchen: Können unsere Produkte umweltfreundlich und ressourcensparend hergestellt werden?

Gibt es genügend Zeit für Flora und Fauna, sich zu regenerieren? Gibt es lokale und regionale Vermarktungsnetze zum Beispiel für Apfelsaft? Bewahren wir traditionelles Wissen und schützen damit unser Kulturgut? Was ist gerecht, ethisch vertretbar und was sind eigentlich nachhaltige Lebensstile? Und viele Fragen mehr! Dies sind zunächst theoretische Überlegungen, die zu Diskussionen ermuntern. In den Entscheidungsprozessen erwerben die Schülerinnen und Schüler erste Teilkompetenzen, zum Beispiel weltoffensein und Wissen aufbauen, das neue Perspektiven erschließt: Entwicklungen vorausschauen können, sie analysieren und beurteilen, Risiken und Gefahren erkennen und abwägen, selbstständig und auch gemeinsam planen und handeln, Vorstellung von Gerechtigkeit entwickeln und als Handlungsgrundlage nutzen.

Die NaSch bieten konkrete Betätigungsfelder, die Problematiken zu »eigenen« Hindernissen machen; die realen Lernsituationen bieten die unmittelbare Erfahrung von Wechselwirkungen und machen sie damit so wertvoll. Lernfelder finden sich in einer Palette von Regelfächern in allen Schulformen. Hier sind einige davon beispielhaft genannt: • Deutsch (Schreiben von Angebotsbriefen, Bewerbungsschreiben, Layout etc.), • Mathematik (alle Grundrechenarten für die Buchführung, Rechnungen erstellen, gegebenenfalls Kalkulation etc.), • Naturwissenschaften (Tiere und Pflanzen auf der Streuobstwiese, Obstsortenkunde, Artenschutz etc.), • Kunst (Gestaltung von Plakaten, Fotokalender etc.).

1. »Coole Schule«, Carl-Stahmer-Hauptschule in Georgsmarienhütte.

2. »Der grüne Moritz«, Grundschule am Moritzberg in Hildesheim.

Viele Beteiligte braucht eine NaSch, um erfolgreich arbeiten zu können. Dabei werden gelernte Rollenmuster auch manchmal auf den Kopf gestellt – denn die Schüler sind der eigentliche Motor und werden von den Lehrern als Moderatoren und Lernhelfer unterstützt. Eigenverantwortung und demokratisches Basisdenken kann hier trainiert werden!

Weitere wichtige Ansprechpartner sind die Schulleitung, die Gesamtkonferenz und der Schulvorstand, das Kollegium und anderes Schulpersonal, unterstützende Institutionen vor Ort (zum Beispiel die Handwerkskammer), potentieller Kundenkreis und Eltern und Familien als Motivatoren.

Hervorzuheben sind in diesem Kreise eventuelle Kooperationspartner, zum Beispiel die Bäckerei um die Ecke oder der Getränkevertrieb eines Freundes. Kooperationen verhindern Konkurrenzdenken und bieten Expertenwissen – hier entstehen positive »win-win«-Situationen.

Der Gründungsprozess Alle Beteiligten sollten sich auf eine umweltverträgliche Produktion und eine verantwortungsbewusste Unternehmerschaft geeinigt haben. Um Ziele zu formulieren, Orientierung und Geschäftsideen zu finden, hilft ein Brainstorming zu den Punkten Ökologie (zum Beispiel Abfalltrennung, Vermeidung von Emissionen), Ökonomie (zum Beispiel Fairer Handel, regionale Vermarktungsnetze) und Soziales (zum Beispiel Gesundheitsförderung, Gerechtigkeit und Wertschätzung). Einige Geschäftsideen sind: • Rein pflegerische Tätigkeiten oder reine Erntetätigkeit als Dienstleistung für den Besitzer der Wiese, • Bewirtschaftung einer Wiese inklusive Pflege und Ernte, ökologische Aufwertung durch zusätzliche geeignete Einsaat, Anbringen von Nisthilfen oder ähnliches, • Verkauf von saisonalem Obst und Obstprodukten auf Schulveranstaltungen und Wochenmärkten, • Verarbeitung der Ernte zu Säften, Kuchen, Obstsalaten, Obstspießen, Joghurt, Marmeladen und anderem, • Verarbeitung von Totholz in AGs, • Erstellen eines Fotokalenders und Verkauf auf Festen, • Anbieten von Workshops »Gesund ernähren und Kochen mit Streuobst«, • … und vieles mehr.

88 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Recherche vor Ort Vor der Entscheidung für eine Idee gilt es noch, sich über die Gegebenheiten vor Ort zu erkundigen. In unserem Beispiel soll die NaSch »Freche Früchtchen« eine vernachlässigte Gemeindewiese in unmittelbarer Nachbarschaft pflegen und bewirtschaften. Apfelsaft wird gemostet und verkauft, frisches Obst in den Pausen angeboten und eine Kooperation mit einem benachbarten Bäcker wird geschlossen, Kontakt zu einem Imkerverein aufgenommen. Mit von der Partie sind oben genannte Ansprechpartner als gesetzliche Vertreter, Berater, Begleiter und Partner.

Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen Es gibt einige rechtliche Aspekte, die bei der Gründung einer NaSch beachtet werden müssen. Sie seien hier nur kurz genannt: • Anerkennung der NaSch als offizielles Schulprojekt, • Anschubfinanzierung und/oder Bereitstellung von Sachmitteln zum Start, Spenden, • Eröffnung eines Geschäftskontos ohne Kreditrahmen, Abklärung der Gewinnverteilung, • Beachtung der »Geringfügigkeitsgrenze« für die Steuerbefreiung, • Wahl einer Rechtsform: die Schüler Genossenschaft (S-Geno) und die Schüler-Aktiengesellschaft (S-AG) sind die empfehlenswerten Rechtsformen, • Anmeldung bei der Handelskammer empfehlenswert, beim Gewerbeamt nicht erforderlich, • Vertragsberechtigte ernennen (meist Lehrer in Vertretung des Schulträgers), • Überprüfen der Haftpflichtversicherung der Schule.

Nach diesem rechtlichen Marathon macht sich die NaSch einen Plan – den Businessplan! – für das tägliche Geschäft.

Einstieg ins Geschäft mit all seinen Arbeitsbereichen Unsere Firma »Freche Früchtchen« hat einen Geschäftsplan entwickelt – nun geht es an die Umsetzung. Es sollen auf der Streuobstwiese Äpfel geerntet und gemostet werden.

Die arbeitsintensive Ernte kann beispielsweise als »Erntefest« öffentlich in Form eines Schulfestes veranstaltet werden. Der naturtrübe Saft wird anschließend in Glasflaschen mit firmeneigenem Etikett im Schulkiosk und auf regelmäßig stattfindenden Festen/Veranstaltungen der Schule angeboten. Ein zusätzlicher Verkauf kann in einem Getränkeladen in der Nähe stattfinden, der einem Elternteil gehört. Außerdem sollen Fingerfood-Tütchen (frische Apfelschnitze) zum sofortigen Verzehr in den Pausen angeboten werden. Ein Bäcker in der Nähe hat sich als Abnehmer für frische Äpfel gefunden, möchte damit speziellen »Gestreuten Apfelkuchen« backen und für die Schülerfirma anbieten. Die Wiese wird gepflegt und später als »grünes Klassenzimmer« für Unterrichtszwecke genutzt, ein Lehrpfad ist angedacht.

Eine Saftpresse stellt der örtliche Umweltschutzverband leihweise für die nächste Saison zur Verfügung. Die regionalen Umweltzentren (RUZ) sind hier auch geeignete Ansprechpartner. Leergut (Glasflaschen) wird über die benachbarte Mosterei angekauft, ebenso wie anderes Gerät.

Die Mosterei und die Bäckerei werden als Patenbetriebe angefragt; auch als Praktikumsplatz und zum Lernen des »Handwerkszeugs« bieten sie sich an. Die Schule stellt Räumlichkeiten zur Verarbeitung, Mobiliar und Lagerräume (Keller) zur Verfügung.

Die NaSch soll als Genossenschaft (S-Gen) geführt werden, da diese Gesellschaftsform allen Beteiligten als die gerechteste und nachhaltigste Form erscheint. Es wird eine Gründungsversammlung geben, in der alle ersten, wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Als Partner und Unterstützung werden Vertreter einer anderen NaSch aus dem benachbarten Stadtteil anwesend sein.

Die NaSch startet im Winter, um genug Vorlaufzeit für Planungen vor der ersten Ernte zu haben. Die nun anfallenden Arbeiten in der Schülerfirma lassen sich grob in vier Tätigkeitsbereiche einteilen:

89 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

1. Recherche auf dem Arbeitsmarkt: Welche Produkte haben eine Chance auf dem Markt?

2. Planung, Entwicklung und Erstellung der Waren/ Dienstleistungen: Welche Produkte bieten wir im Detail an und welche Zutaten brauchen wir dafür?

3. Einkaufsplanung für die Produktion: Was produzieren wir selber und was lassen wir fertigen und kaufen es ein?

4. Begleitendes Rechnungswesen: Wozu und in welcher Form ist eine Buchführung notwendig?

Diese Arbeitsbereiche werden mit Inhalten gefüllt und die Beteiligten weisen sich selber – je nach Neigung und Interessen – Aufgaben zu. Die Übergänge der Bereiche sind aber fließend und Zuständigkeiten veränderbar.

Marketing Das Marketing beinhaltet die Verkaufsstrategie und ihre Methoden über die klassische Werbung, die Ausgestaltung der Produkte, des Sortiments und des Preises. Es transportiert aber auch die Unternehmensphilosophie – ein wichtiger Faktor für unsere Streuobstwiesenprodukte! Der ständig wachsende Bio-, Recycling- und Sharing-Markt bietet hierbei große Chancen, aber auch erhebliche Konkurrenz.

Die Werkzeuge des Marketings lassen sich aufgliedern in vier Bereiche: Produkt- und Sortimentsgestaltung, Preisgestaltung, Kommunikation mit Kunden und der Öffentlichkeit und die Absatzorganisation. Ein wichtiges MarketingElement für die »Frechen Früchtchen« ist die Öffentlichkeitsarbeit, denn sie dient neben der Verkaufssteigerung auch dem Bewusstsein der Menschen für das Biotop Streuobstwiese, das unserer Unterstützung bedarf. Mit dem Erwerb eines Produktes leistet der Käufer damit einen direkten Beitrag für den Umwelt- und Naturschutz, hat das Gefühl, eine sinnvolle Sache zu unterstützen und wertet gleichsam das Image der Schülerfirma auf.

Von ganz besonderer Bedeutung sind die regelmäßig stattfindenden Schülerfirmenmessen. Dieses Forum bietet Raum zur Inspiration und Weiterentwicklung, da zwischen den Schülerfirmen in der Regel kein Konkurrenzverhältnis besteht – sie können nur voneinander lernen und sollten diese Chance auf jeden Fall nutzen.

Ein Angebot zur Umweltbildung Nicht alle beschriebenen Prozesse sind bei der Gründung einer beschriebenen NaSch zwingend erforderlich und in jedem Fall sinnvoll. Der Leitfaden dient als Angebot und zeigt das Spektrum an Überlegungen und Arbeitsbereichen auf. Die Entscheidungen über die gesteckten Ziele sind ein wünschenswerter Teil des Gründungsprozesses. Das Beispiel der »Frechen Früchtchen« soll als Impulsgeber zur Gründung einer Schülerfirma ermuntern.

Bei den Recherchen zu der Broschüre konnte ich überwiegend in Grund- und Oberschulen Material sammeln – hier scheinen sich seit einiger Zeit die meisten Schülerfirmen zu gründen. Niedersachsen ist eines der führenden Bundesländer in puncto Schülerfirmen – Apfelsaft und Imkereierzeugnisse sind dabei beliebte Verkaufsprodukte. Als bundesweit ausgezeichnete Schülerfirmen rund um die Streuobstwiese sind an dieser Stelle COX & CO (RGS Mildstedt/ Schleswig-Holstein) und harvit (Gymnasium in Rottenburg a.N./Baden-Württemberg) zu nennen.

Wenn wir es schaffen, die Streuobstwiesen weiter im Fokus zu behalten und sie den Schulen »schmackhaft« zu machen, bieten sie ein enormes Potential an Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die Mitarbeit an solch einer NaSch birgt die Chance, globale Zusammenhänge zu verstehen und Leitbilder zu entwickeln oder zu verändern. Gleichzeitig stärkt sie das regionale Gefüge. Durch die Tätigkeiten in der Schülerfirma wird aber noch ein weiterer Baustein gesetzt: Kooperationen mit benachbarten Unternehmen und Veranstaltungen mit öffentlichkeitswirksamem Charakter tragen dazu bei, den Erhalt und die damit verbundene notwendige Pflege der Streuobstwiesen ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken.

90 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

91 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Expertenmeinungen: Müssen Streuobstwiesen kommerzialisiert werden? von Nina Stiehr und Monika Krusch Streuobstwiesen sind wertvoll! Das

Lebensraum verlieren. Weiterhin

Der Bedarf über den Schutz von

steht außer Frage. Als Teil unserer

beherbergen sie alte Kultursorten und

Streuobstwiesen steht also eigentlich

Kulturlandschaft leisten sie einen

sind Abbild einer spezifischen regio-

nicht zur Diskussion und in Hessen

wichtigen Beitrag zum Erhalt einer

naltypischen Eigenart und Dynamik,

ist dieser sogar gesetzlich verankert.

großen Artenvielfalt und sind vor

wie es in der Nationalen Strategie zur

Doch wie lässt sich der Erhalt von

allem in Ballungsräumen, wie Frank-

Biologischen Vielfalt heißt. Und weiter:

Streuobstwiesen bewerkstelligen

furt/Rhein-Main, ein Rückzugsraum

»[Kulturlandschaften] […] tragen in

und sollte dem Thema »Kommer-

für diejenigen Lebewesen, welche

besonderem Maße zur Lebensqualität

zialisierung« eine besondere Bedeu-

stetig durch die schnell voranschrei-

der Menschen und zur regionalen

tung beigemessen werden?

tende Flächenversiegelung ihren

Identifikation und Wertschöpfung bei.«

Häufig steht in Diskursen zum Schutz von Natur eine Monetarisierung dieser auf der Agenda. So zu sehen beispielsweise im Themenfeld der Ecosystem Services, in welchem oftmals gefordert wird, die Leistungen, die für uns Menschen von der Natur erbracht werden, in einen Geldwert auszudrücken. Die Argumente sind verschieden und reichen von der Ansicht, die Bewertung der Leistungen von Ökosystemen in unser Marktsystem zu integrieren, um zu verdeutlichen, welche Folgekosten durch Verlust der Natur entstehen, bis hin zu der Meinung, dass vor allem Nutzenstiftungen für uns Menschen aus den Bereichen Religion, Ästhetik, Erholung, Bildung etc. nicht monetär beschreibbar sind. Am Ende steht aber immer das Fazit: Der Erhalt von wertvollen Naturräumen in Deutschland kostet Geld.

Und wer bezahlt dafür?

Wir sind hinsichtlich des Themas der Monetarisierung noch einen Schritt weitergegangen und haben die provokante Frage gestellt: »Müssen Streuobstwiesen kommerzialisiert werden, um sie zu erhalten?« Und dazu im Anschluss: »Bedeutet eine Kommerzialisierung gleichzeitig eine naturschutzfachliche Abwertung der Flächen?« Sieben Expertinnen und Experten aus dem Bereich Streuobstwiesenschutz, denen Sie zum Teil bereits hier als Autoren begegnet sind, haben dazu Stellung genommen.

92 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Markus Rösler, Landtagsabgeordneter der Grünen in Baden-Württemberg und Sprecher des NABU Bundesfachausschusses Streuobst: Vorneweg: Streuobstwiesen waren schon jeher in Teilen »kommerzialisiert«: Zum Ende des 19. Jahrhunderts – Deutschland und ganz Mitteleuropa waren ganz gut durch Schienen erschlossen – wurden Obst und Obstkonserven aus den klassischen Obstanbauregionen (und damals gab es nur Hochstämme in Deutschland) in großem Umfang in ganz Mitteleuropa herumgefahren und verkauft.

Heute wie schon seit einigen Jahrzehnten wird rund die Hälfte des Streuobstes an Keltereien, Brennereien oder andere Verwertungseinrichtungen verkauft. Insbesondere Hauptund Nebenerwerbslandwirte benötigen unbedingt Anreize für eine rentable Nutzung, also faire Preise für das Streuobst. Das klappt bei der 1987 vom BUND in Ravensburg und Markdorf eingeführten Streuobst-Aufpreisvermarktung (derzeit 8 bis 10 Millionen Liter mit einem Marktwert von weit über 20 Millionen Euro), bei Bio-Streuobst (derzeit bereits zirka 14.000 ha in Deutschland) sowie traditionell bei der Kleinbrennerei, die allerdings durch den Wegfall des deutschen Branntweinmonopols 2017 stark unter Druck geraten wird.

Die andere Hälfte des Obstes wird bis heute privat verbraucht, dient also der Selbstversorgung oder wird an Nachbarn, Freunde und Verwandtschaft abgegeben, also nicht auf dem Markt gehandelt. Für die Streuobstwiesen, von denen dieses privat verbrauchte Obst stammt, bedarf es weniger ökonomischer Anreize. Dort ist es viel wichtiger, was Menschen in ihrer Freizeit machen sowie wie wichtig ihnen gesunde Lebensmittel und der Genuss von regionalen, selbst erzeugten Produkten sind.

Eine wichtige Frage für künftige Konzepte auf lokaler bis überregionaler Ebene ist: Wie entwickeln sich Freizeitnutzung und gewerbliche Nutzung der Streuobstwiesen? In Abhängigkeit davon wird man mehr oder weniger Grips und Geld in kommerzielle Ansätze stecken müssen, um das in der Nationalen Biodiversitässtrategie formulierte Ziel von 10 % mehr Streuobstbeständen zu erreichen.

Bedeutet die Kommerzialisierung gleichzeitig eine naturschutzfachliche Abwertung der Flächen?

Nicht unbedingt: Wenn die in der Aufpreisvermarktung üblichen Standards eingehalten werden, sind wichtige Naturschutzstandards garantiert. Mit den üblichen Standards ist gemeint: 1. Verzicht auf synthetische Pestizide (wichtig für Insekten) und synthetische Düngemittel (Düngefaktor insgesamt wichtig für Vielfalt in Vegetation und bei Ameisen), 2. Obstannahme ausschließlich von Hochstämmen (wichtig wegen Spechthöhlen, da Spechte ihre Bruthöhlen im Grundsatz nicht in Halbstämme zimmern), 3. Nachpflanzgebot mit Hochstämmen.

Ein hoher ökonomischer Standard, wie zum Beispiel 20 Euro/dz oder mehr für die Bewirtschafter, geht im Regelfall auch einher mit einem hohen ökologischen Standard. Regional sehr unterschiedlich ist dann die Grünlandnutzung.

Deren Intensität hängt stark vom Klima ab (in Gegenden mit weit über 1.000 mm Niederschlag, wie im Allgäu, sind drei bis vier Mahden schon seit vielen Jahrzehnten üblich) sowie von der Art der Nutzung: Insbesondere in NordrheinWestfalen nutzen bis heute viele Haupterwerbslandwirte die Streuobstbestände als Viehweide samt vereinzeltem Einsatz von Mineraldünger. Die klassischen »Blumenwiesen« mit hoher biologischer Vielfalt an Blumen und daher auch Insekten sollten aber maximal zwei- bis dreimal jährlich genutzt und nur standortangepasst oder auch mal für einige Jahre gar nicht gedüngt werden.

93 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Barbara Fiselius, Geschäftsführerin des Landschaftspflegeverbands Main-Kinzig-Kreis e.V.: Mein Eindruck ist, dass Streuobstwiesen in den vergangenen Jahren wieder attraktiver für bestimmte Bevölkerungsschichten geworden sind. Dabei geht es um junge, umweltund regionalbewusste Familien, die durchaus gerne ein Streuobstgrundstück bewirtschaften wollen, sich gerne im Freien betätigen wollen – vielleicht auch zum Ausgleich von überwiegend geistig-sitzender Tätigkeiten – und die gesunde Produkte aus eigener pestizidfreier Produktion haben wollen. Hier ist ein finanzielles Interesse nicht an vorderster Stelle zu vermuten.

Ich denke auch nicht, dass wir jemals (wieder) zu einer flächigen Kommerzialisierung der Streuobstwiesen kommen können, dazu sind Arbeitszeit und Arbeitsaufwand zur Pflege für die heutige Zeit zu hoch und damit zu teuer. Es gibt allerdings vielfältige Beispiele, wie doch durch finanzielle Anreize die Bereitschaft angeregt werden kann, sich wieder intensiver mit Streuobstwiesen zu beschäftigen.

1. Beispiel Aufpreisvermarktung von Obst, Saft und Apfelwein: Diverse Modelle haben in inzwischen verschiedenen langjährigen Versuchen sehr Positives bewirkt und haben sicher auch in verschiedenen Fällen gute kommerzielle Ergebnisse erreicht. Es handelt sich jedoch nach wie vor (leider) um Nischenprodukte, die nur einen kleinen Teil des jeweiligen Marktes wirklich besetzen können. Man sollte solche Modelle unbedingt weiterführen, wenn möglich und funktionierend. Ich glaube jedoch nicht, dass wir uns damit die Streuobstwiesen in der ganzen Fläche erhalten können. Es müssten die gezahlten Preise beispielsweise für Kelterobst verdoppelt bis verdreifacht werden, um die Bewirtschaftung kommerziell erfolgreich zu machen, daran kann ich bei der aktuellen wirtschaftlichen Situation unserer Keltereien nicht glauben.

2. Refinanzierung von Maßnahmen über Ökopunkte (siehe Artikel Seite 61): Auch diese Methode ist letztendlich vermutlich nicht kostendeckend, da ja eine Verpflichtung für die dauerhafte Anschlusspflege (mindestens 30 Jahre) eingegangen wird.

3. Landwirtschaftliche Förderung über HALM: Sicher ist es ein Fortschritt, dass wir diese Fördermöglichkeit nun im Rahmen der Agrarförderung haben.

Wer schon mal einen alten Baum geschnitten hat, wird sich aber bestimmt fragen, wie das denn durch eine Vergütung von 6 Euro abgegolten werden soll.

In keinem der aufgeführten Fälle konnte ich bisher eine Abwertung aus naturschutzfachlicher Sicht entdecken, eher im Gegenteil, da das Ziel ja meist ein besserer Nutzungsund Pflegezustand der Flächen ist.

Ich denke, wir sollten weiter mehr auf den Idealismus unserer Streuobstfreunde und die Schönheit dieser Landschaft und dieses Hobbies setzen. Besonderen Schwerpunkt sähe ich weiter gerne in der Natur- und Erlebnispädagogik für Kinder auf Streuobstwiesen, damit die regionale Identifizierung für die nachfolgenden Generationen besser möglich ist. Ich schätze diverse finanzielle Anreize als positiv ein, damit die Schwelle zur Beschäftigung mit den Streuobstwiesen niedriger wird und sich noch mehr Interessierte für die Wiederaufnahme der Bewirtschaftung finden.

Josef Weimer, Spezialist für Landschaftsobstbau, Ausbilder und ehemaliger Lehrer für Gartenbau: Streuobstwiesen können aber müssen nicht kommerzialisiert werden. Der Obstbau war bis 1960, bevor die Plantage kam, im landwirtschaftlichen Betrieb integriert.

Das heißt, es gab immer die Doppelnutzung Obsternte oben in der Krone und Futtergewinnung für die Tiere beziehungsweise auch Feldfruchternte unter dem Baum. Eine Wirtschaftlichkeit im Landschaftsobstbau wäre dann gegeben, wenn die Preise zum Beispiel für Mostobst bei 30 Euro pro 100 kg lägen. Dann würde auch der Landwirt wieder die Bäume pflegen und die Pflege wäre flächendeckender, als man das heute erleben kann.

94 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Sabine Washof, Landschaftsökologin, Projektkoordinatorin des BUND Niedersachsen mit Projektleitung des Streuobstwiesenkatasters in Niedersachsen und des Projekts »Streuobstwiesen blühen auf!«: Streuobstwiesen sind Kulturbiotope und müssen gepflegt und genutzt werden. Der fortschreitende Rückgang der bedeutenden Streuobstbestände kann über die Neuanpflanzung von Streuobstwiesen momentan nicht ausgeglichen werden. In Niedersachsen gibt es beispielsweise zahlreiche Streuobstwiesen, die von verschiedenen (Landschaftspflege-)Verbänden, Umweltschutzvereinen und Initiativen angelegt und bewirtschaftet werden. Auch Gruppierungen der Landfrauen, Jäger und Landwirte sind in diesem Bereich aktiv. Im Vergleich zu Nachbarländern, wie NordrheinWestfalen oder Sachsen-Anhalt, aber finden sie keine Berücksichtigung bei den Agrarumweltprogrammen. Niedersachsen hat starke Defizite sowohl bei der Unterschutzstellung und Förderung von Streuobst, als auch bei der erfolgreichen Vermarktung. An dieser Stelle sei das Aufpreismodell genannt, das in einigen Regionen funktioniert: Die Keltereien zahlen für das Obst von der Streuobstwiese einen Aufpreis, der über dem marktüblichen Preis liegt. Damit wird ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Streuobstwiese geleistet. Eine Kommerzialisierung mit der Folge einer naturschutzfachlichen Abwertung wird unseres Erachtens nicht stattfinden. Sinnvoll wäre es allerdings, die Altbestände über die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ökologisch aufzuwerten. Eine wichtige Maßnahme ist es auch, das Wissen um die Bedeutung und Pflege dieser wertvollen Biotope zu erhalten, um es den nächsten Generationen weitergeben zu können. Es gibt verschiedene Wege der Wissensübermittlung, die als reelle Chancen zum Überleben der Streuobstwiesen gangbar sind. Mittlerweile besinnen sich wieder viele Menschen auf den Wert regionaler Erholungsräume und Erzeugnisse. In einigen Städten gibt es inzwischen Streuobsterlebniszentren oder Streuobstpfade.

Manche Schulen legen neben ihren Schulgärten auch ganz bewusst Streuobstwiesen an und bilden Nachhaltige Schülerfirmen. Auch die Streuobst-Pädagogik-Ausbildung knüpft hier an: Ehrenamtliche und freiberuflich Tätige werden zu Streuobst-Pädagogen ausgebildet, die im ganzen Bundes-

land Kindern und Jugendlichen, aber auch Erwachsenen das Thema Streuobstwiese näher bringen. Elemente dieser Ausbildung sind praktische Ansätze, wie der Obstbaumschnitt, Backen mit Streuobst oder das Finden von Tierspuren – in anderen Unterrichtseinheiten wird didaktisches und pädagogisches Wissen an die angehenden Streuobst-Pädagogen vermittelt. Darin liegt die Zukunft der Streuobstwiesen.

Rainer Luick, Professor für Naturschutz, Raumordnung und Landschaftsplanung an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR), Baden-Württemberg: Streuobstwiesen brauchen zur ihrer Erhaltung eine komplexe Bewirtschaftung und Nutzung. Es ist derzeit völlig unvorstellbar, dass über Produkte aus einer Streuobstwiese (Obst und daraus entstehende Produkte, Biomasse des Aufwuchses, Holz als energetische oder stoffliche Verwertung) selbst nur für die Unterhaltung ausreichende Erlöse generierbar sind. Sogar die besten derzeit verfügbaren Förderprogramme ermöglichen allenfalls eine Kostendeckung der Aufwände und nur bei bester Aufpreisvermarktung von einzelnen Produkten kann eventuell auch ein bescheidener Gewinn erwirtschaftet werden. Förderprogramme sind also unverzichtbar und müssen weiter ausgebaut und finanziell lukrativer gestaltet werden. Aber auch die Produktseite darf nicht vernachlässigt werden. Nutzungen/Produkte aus einer Streuobstwiese sind sowohl aus Förderungsgründen oft notwendig, in erster Linie wird aber über Produkte eine entscheidende emotionale Bindung zwischen dem Lebensraum einer Obstwiese und dem Bewirtschafter/Eigentümer entwickelt. Vielleicht kann man das schon Kommerzialisierung nennen. Möglicherweise ist damit ja aber auch eine intensivierte Nutzung angesprochen: Anbau marktkonformer Sorten, Düngungen, regelmäßige Spritzungen, Wechsel vom Hochstamm zum Halbstamm und ähnlichem. Die Übergänge von der traditionellen zur kommerzialisierten Nutzung sind fließend und die Realität zeigt ja auch, dass genau aus diesen Gründen, die Streuobstwiesen ihren typischen Lebensraumcharakter immer mehr verlieren.

95 Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

Monika Peukert, Diplom-Biologin und Leiterin von AnLand (Büro für angewandte Landschaftökologie): Was meinen Sie mit kommerzialisieren? Kommerzialisierung heißt Plantage. Und das haben wir hoffentlich hinter uns, dass man versucht, Streuobstwiesen auszurotten zugunsten der Plantagenwirtschaft!

Ich bin nicht der Meinung, dass es beim Erhalt des Lebensraumes Streuobstwiese nur ums Geld gehen kann. Es geht um Wertschätzung und damit schon auch um Geld, aber nicht nur. Der Lebensraum Streuobst(-Wiese) ist in Hessen ein gesetzlich geschütztes Biotop. Daraus erwächst eine gesellschaftliche und politische Verpflichtung diesen Lebensraum zu erhalten. Der gesetzliche Schutz zielt auf die landeskulturellen und die ökologischen Qualitäten dieses Lebensraumes ab. Man darf die Besitzer von Streuobstwiesen mit dem Erhalt des Lebensraumes nicht alleine lassen. Weil der Markt für regional erzeugtes Obst so kaputt ist, dass für Obst aus Streuobstwiesen lächerliche Preise gezahlt werden, müssen die Besitzer von Streuobstwiesen unterstützt werden. Das kann eine finanzielle Unterstützung sein, eine Art Subvention auch für Nichtlandwirte oder eine materielle Unterstützung, etwa indem der kommunale Bauhof die Mahd und Verwertung des anfallenden Heus kostenlos übernimmt, die Pflanzung von Hochstammobstbäumen subventioniert wird und vieles mehr. Auch beratende Unterstützung und Hilfe zur fachgerechten Baumpflege sind wichtig.

Das Obst sollte in erster Linie der Selbstversorgung dienen.

Aber es wird immer Überschuss anfallen, der im eigenen Haushalt nicht bewältigt werden kann. Für dieses Obst müssen angemessene Preise bezahlt werden, sonst pflanzt keiner mehr einen neuen Obstbaum. Wie gut das gehen kann, zeigt die Erfolgsgeschichte aus Hemsbach: Es begann mit sieben Naturschützern, die 1988 begonnen haben, Äpfel von Streuobstbäumen aus dem Odenwald für den doppelten Marktpreis aufzukaufen und in Kooperation mit der Kelterei Falter (www.falter-fruchtsaft.de) einen Apfelsaft aus heimischen Streuobstwiesen mit eigenem Label zu einem höheren Preis als ein Supermarktapfelsaft kostet zu

vermarkten. Inzwischen sind alle Obstlieferanten biozertifiziert, das Biosaftgeschäft boomt (mdl. Mitt. Gerhard Röhner, Hemsbach). Beispielgebend sind auch die landesweiten Initiativen Baden-Württembergs mit einer zentralen Plattform zum Thema Streuobst (www.streuobst-bw.info/pb/,Lde/ Startseite). – Da kann sich Hessen eine Scheibe abschneiden.

Christa Mehl-Rouschal, Landschaftsarchitektin, Mitarbeiterin des Umweltamts der Stadt Frankfurt und Mitglied beim Runden Tisch Streuobstwiesenschutz: Wenn es sich rechnen würde Streuobstwiesen zu kommerzialisieren, dann würde dies wesentlich öfter gemacht. Gerade weil die althergebrachte Wirtschaftsweise sich nicht mehr gerechnet hat, sind viele Streuobstflächen heute nicht mehr gepflegt. In Frankfurt am Main kennen wir nur Einzelfälle, wo Streuobstwiesen kommerziell genutzt werden und dies funktioniert. Es sind zum einen Betriebe, die entweder Bioobst oder Saft aus Bioobst verkaufen oder kleine Familienkeltereien, die an der Tradition festhalten. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, eine Streuobstwiese rentabel zu machen, wenn dabei die ökologische Wertigkeit nicht herabgesetzt wird. Alte Bäume sollten so lange wie möglich stehen bleiben und neue Hochstämme nachgepflanzt werden, auf den Einsatz von Pestiziden sollte am besten verzichtet werden. Sofern die Bewirtschaftungsweise sich an ökologischen Kriterien orientiert, spricht nichts dagegen. Geld verdienen mit der Streuobstnutzung und Ökologie muss kein Widerspruch sein. Jede Erhaltung von Streuobstflächen ist auf jeden Fall immer ein Gewinn für den Natur- und Artenschutz.

96 Ă–konomie

97 Ă–konomie

Praxis

98 Ă–konomie

Speierling auf der Sossenheimer Wiese

99 Praxis

Der BUND im Einsatz für Frankfurter Streuobstwiesen

Streuobstwiesen gehören zu Frankfurt, wie der Äppler in

Aktuell versucht unser Ortsverband Nord weiterhin dem

unsere Ebbelwei-Lokale. Unvorstellbar, die Wiesen nicht

fortschreitenden Schwinden der Streuobstwiesen auf-

mehr vor unserer Haustüre vorzufinden und doch ein

grund neuer Baugebiete entgegenzuwirken. Es ist wie

schleichender Prozess, wie er unter anderem aktuell im

mit Don Quichote und den Windmühlen und doch können

Frankfurter Norden stattfindet. »Schutz durch Nutzung«

kleine Erfolge verzeichnet werden. Zum Beispiel wurde

lautet deshalb unser Motto und so pflegen wir verschie-

im letzten Jahr in Niederursel eine neue Streuobstwiese

dene Wiesen, die wir von der Stadt Frankfurt gepachtet

angelegt und es bestehen Überlegungen, in Zukunft eine

haben.

weitere Fläche am Riedberg zu pflegen.

Es werden junge hochstämmige Obstbäume robuster

Im Folgenden möchten wir von unseren Erfahrungen

Lokalsorten nachgepflanzt, die Bäume fachgerecht

berichten. Wenn Sie bei uns zum Streuobstwiesenschutz

geschnitten und die Wiesen gemäht. Im Herbst wird mit

aktiv werden möchten, kontaktieren Sie uns über

der Ernte der Lohn der Mühen eingefahren, der »Süße«

geschaeftsstelle@bund-frankfurt.de. Wir informieren

gekeltert und die Gärballons für den »Sauren« angesetzt.

Sie gerne.

Weiterhin nutzt die Kindergruppe des Ortsverbands West, »Die Vielfalter«, die Streuobstwiesen als spannendes Ausflugsziel, um mit viel Spaß diese besondere Kulturlandschaft kennenzulernen. Doch auch die »Großen« profitieren von den Aktivitäten des BUND Frankfurt: Beispielsweise stehen Kurse zum richtigen Baumschnitt oder zum Sensen von Wiesen bei uns regelmäßig auf dem Programm. Aber auch Vorträge und Wanderungen zu Streuobstwiesenthemen sind bei uns häufig im Angebot.

100 Praxis

Unsere Erfolgsgeschichte: Die Streuobstwiese des BUND Frankfurt Ortsverbands West von Jutta Erich

Im Sossenheimer Unterfeld in Frankfurt am Main gibt es noch viele intakte Streuobstwiesen. Sie sind ein Mosaik aus verschiedenen Kleinstlebensräumen. Deshalb können auf ihnen rund 5000 Tier- und Pflanzenarten leben. Blühende Wiesen sind Lebensräume für eine Vielzahl von Tieren, wie Insekten, Vögel und verschiedene Säugetiere. Durch die kleingliedrige Struktur der Wiesen mit altem hochstämmigem Baumbestand gibt es ausreichend Rückzugs- und Nistmöglichkeiten für Käuze, Spechte und andere Vogelarten.

Streuobstgebiete sind historisch gewachsene Kulturlandschaften. Daher brauchen sie ständige Pflege. Der Ortsverband Frankfurt West hat seit 1991 eine zirka 2.000 m² große Streuobstwiese in Sossenheim von der Stadt Frankfurt am Main gepachtet.

Folgende Arbeiten kommen auf uns im Jahresverlauf zu: 1. Baumschnitt im Winter und Sommer, 2. Mahd im Juni und September, 3. Ernte und Vermarktung, 4. Pflanzen neuer Bäume (Sortenerhalt), 5. Anbringen von Nisthilfen.

Unsere Streuobstwiese hat zurzeit folgenden Baumbestand: 2 Speierlinge • 12 Äpfel • 1 Walnuss • 1 Reneklode 1 Mirabelle • 1 Süßkirsche • 2 Zwetschgen • 1 Pflaume 1 Quitte • 1 Birne

Neben unseren alten Bäumen (die Birne, Süßkirsche und Zwetschge) haben wir in den letzten Jahren alte und neue Sorten nachgepflanzt und sorgen somit für den Erhalt der alten Sorten und eine große Artenvielfalt. Jahrelang wuchs eine Brombeerhecke in unsere Wiese hinein. Dagegen war nur schwer anzukämpfen. Zu unserer Freude wurde die Wiese im letzten Jahr entbuscht. Wir hoffen, dass sie jetzt wieder ordentlich gepflegt wird (siehe Vergleichsbilder vor und nach der Entbuschung).

Baumschnitt im Winter und im Sommer Nicht nur die Mahd ist eine wichtige Aufgabe zum Erhalt der Wiese, sondern auch der Baumschnitt. Die Bäume werden im regelmäßigen Abstand geschnitten. Ohne einen Schnitt würden die Bäume über kurz oder lang keine Früchte mehr tragen. Jedes Jahr veranstalten wir im Januar mit der Geschäftsführerin des Main-Taunus-Streuobstwiesenverbandes, Dipl. Ing. Barbara Helling, einen Baumschnittkurs in Theorie und Praxis. Hier ist unser Ziel, neben einer Qualifizierung die Motivation der TeilnehmerInnen zu wecken und sie zu der Pflege der Landschaft und eigenen Wiesen zu motivieren.

Mahd im Juni und September Die Verbuschung und Artenverarmung der Wiese wird durch eine zweimalige Mahd pro Jahr verhindert. Wir sensen unsere Wiese im Juni und September und verbinden diesen Termin mit einem Sensenkurs. Auch hier ist unser Ziel, andere Menschen zu motivieren in die Streuobstwiesenpflege einzusteigen, sich eigene Wiesen zu pachten oder auf unserer Wiese bei den verschiedenen Aktivitäten mitzuhelfen.

Zurzeit sind wir in Verhandlung mit einem SchafbesitzerEhepaar zwecks Teillandschaftspflege durch deren Herde.

101 Praxis

1

2

Pflanzen von neuen Bäumen Wichtig für den Erhalt einer Wiese ist nicht nur die Pflege der alten Bäume, sondern die Beobachtung der abgängigen Bäume und damit die rechtzeitige Nachpflanzung junger Bäume. Wir haben auf der Sossenheimer Wiese von 1991 bis 2014 insgesamt 16 neue Bäume gepflanzt. Die Bäume stammen alle aus einer Bio-zertifizierten Baumschule.

Verarbeitung und Vermarktung

3

4

1. BUND-Wiese; verbuschte Wiese auf der linken Seite angrenzend.

2. Entbuschte Wiese 2014 auf der linken Seite. BUND Wiese auf der rechten Seite.

3. Baumschnittkurs im Januar: Schnitt am Apfelbaum mit Barbara Helling auf der Sossenheimer Wiese.

4. Pflanzung im November 2005 der Reneklode »Graf Althans«.

Nicht zu vergessen ist die Verwertung der Früchte. Neben der Saftgewinnung wird auch Apfelwein gekeltert und auf dem jährlichen Weihnachtsmarkt in Frankfurt-Höchst ausgeschenkt. Die Früchte werden zu Gelee und Marmelade verarbeitet und ebenfalls verkauft.

Weitere Aktivitäten Die Kinder unserer Kindergruppe »Die Vielfalter« werden spielerisch an das Thema Streuobstwiese herangeführt und verbringen bei der Naturerkundung einige Stunden im Jahr von der Blüte, über die Beobachtung der Tiere bis hin zur Saftherstellung auf der Wiese.

Bioland-Richtlinien Bei der Bewirtschaftung der Streuobstwiese halten wir die Bioland-Richtlinien ein. Seit 1999 sind wir Mitglied des Main-Taunus-Streuobst e.V. und nutzen somit weitergehende Vermarktungsmöglichkeiten. Unsere Obstwiesenprodukte sind Bio-zertifiziert!

Info

Wollen Sie beim BUND Ortsverband West aktiv werden, dann schreiben Sie eine E-Mail an Gabriele.Rauch@bund-frankfurt.de. Weitere Informationen zum Ortsverband erhalten Sie auf unserer Webseite www.bund-frankfurt.de unter »Über uns«.

102 Praxis

Manchmal sind wir machtlos: Das Ende der Streuobstwiesen in den Schwanheimer Dünen? von Heidi Wieduwilt

Im Frankfurter Südwesten verschwindet eine Kulturlandschaft. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts ist die Schwanheimer Düne von einem lockeren Steppenwald aus Eichen und Kiefern bewachsen. Um die Lebensmittelversorgung der wachsenden Bevölkerung sicher zu stellen, wird der Wald gerodet und landwirtschaftlich genutzt. Es gibt Versuche, hier Kirschplantagen anzulegen, die aber aufgrund mehrerer Trockenperioden scheitern. Danach fällt das Kerngebiet der Düne brach und beginnt zu wandern. Mit Kiefern wieder befestigt, finden die Schwanheimer Dünen zwischen 1882 und 1890 ihren jetzigen Platz.

Doch auch viele Pflanzen und Tiere entdecken den neuen, vom Menschen geschaffenen Lebensraum, eine enorme Artenvielfalt entsteht in dieser Kulturlandschaft. Allein von und auf einem Baum der über 500 damals kultivierten Apfelsorten leben über 300 verschiedene Tierarten, dazu kommen unzählige Algen, Moose, Pilze und Flechten. Und selbst in abgestorbenen Bäumen findet man jede Menge Leben. In ihren Höhlen richten Steinkauz und Siebenschläfer ihre Kinderstuben und ihre Winterquartiere ein. Insekten tun dieses hinter der Rinde, davon profitiert wiederum die Vogelwelt.

Das die Dünen umgebende Schwanheimer Unterfeld mit seinen nährstoffreicheren Böden aber wird von Schwanheimern, Kelsterbachern und Höchstern weiter genutzt.

Lange Reihen von Obstbäumen werden angepflanzt, das getrocknete Gras der entstehenden Streuobstwiesen wird im Winter als Futter und Einstreu für Kuh oder Schaf verwendet – eine mögliche Erklärung für die Entstehung des Wortes »Streuobstwiese«. Zwischen den Bäumen baut man außerdem Gemüse und Kartoffeln an, die Streuobstwiesen ermöglichen den Menschen ein Leben als Selbstversorger.

Ein Feldschütz sorgt dafür, dass ungebetene Erntehelfer, die aus Höchst über den »Spitzbubenweg« kommen, nicht zu viel Schaden anrichten.

Aber seit etwa Mitte des letzten Jahrhunderts findet ein dramatischer Wandel statt. Zunehmend führt die Möglichkeit, alles überall und jederzeit kaufen zu können, zu einer Aufgabe der alten Bewirtschaftungsweise der Streuobstwiesen. Die Notwendigkeit, Obst und Gemüse anzubauen, zu lagern und haltbar zu machen, entfällt. Es wird kein Viehfutter mehr auf den Wiesen gemäht, die Wanderschäferei existiert Ende des letzten Jahrhunderts praktisch nicht mehr. Doch die Wiesen drohen nicht nur zu verbuschen. Fast niemand pflanzt neue Bäume nach, das Wissen über den Baumschnitt droht mit den alten Obstbauern zu sterben. Die nicht mehr gepflegten Obstbäume – angewiesen auf einen regelmäßigen Schnitt – vergreisen, ganze Baumkronen brechen auseinander. Die ehemaligen Obstwiesen verschwinden unter einem Meer von schnell wuchernden Brombeeren.

103 Praxis

Anfang dieses Jahrtausends gibt es erste Versuche, dieser Entwicklung entgegen zu wirken. Der BUND Frankfurt kauft eine Schafherde, die die Wiesen wieder beweidet, die Stadt Frankfurt entbuscht dafür großflächig die zugewachsenen Flächen. Die Niederräder Reha-Werkstatt »Roter Hamm« pflegt die Bäume und macht aus dem Obst Säfte in BiolandQualität, neue Bäume werden gepflanzt.

Doch die Niederräder sind auch die Ersten, die wieder aufgeben. Ihre Arbeit lohnt sich nicht, immer mehr Obstdiebe »ernten« regelmäßig das Obst, bevor es so reif ist, dass es verarbeitet werden kann. Dabei werden immer wieder große Äste abgebrochen, Eintrittspforte für Krankheitserreger, die dem Baum den Garaus machen. Der letzte Feldschütz, der »Rote Peter«, ist schon lange nachfolgerlos in Rente, zwei Forstamtsmitarbeiter kontrollieren jetzt am Wochenende sämtliche Naturschutzgebiete in Frankfurt. Sie können nicht verhindern, dass Schafe regelmäßig von Hunden der Besucher, die das Anleinverbot ignorieren, durch die Düne gejagt werden. Abends holen sich Feinschmecker ihren Sonntagsbraten, bis zu 20 Schafe werden in einem Monat gestohlen. Der Schäfer resigniert, nach über 10 Jahren verkauft der BUND die Herde wieder.

Die Wiesen werden jetzt gemulcht, aber das Mulchmaterial bleibt liegen und erstickt Standorte seltener Pflanzen. Für das klassische »Heu machen«, eine Mahd mit Abtransport des Mahdgutes, fehlt das Geld, und bisher ist es nicht gelungen, eine neue Beweidung auf den Weg zu bringen. Die erfolgreiche Wiederbelebung des Gebietes droht zu scheitern. Und auch wenn Schafe den Weg nach Schwanheim wieder finden – eine Kulturlandschaft ohne die Menschen, die sie erschaffen haben und nutzen, kann nur sehr schwer bestehen. Das hat auch die Stadt Frankfurt erkannt. Sie vermittelt und verpachtet gut zugängliche städtische Grundstücke an Menschen, die sich für die Pflege von Streuobstwiesen interessieren. In Kombination mit einer effektiveren Kontrolle des Gebietes könnte das ein neuer Anfang sein!

Info

Haben Sie Fragen und Anregungen zu den Schwanheimer Dünen? Kontaktieren Sie Heidi Wieduwilt des Ortsverbandes Südwest, Schutzgebietsbeauftragte der Schwanheimer Dünen, über Heidi.Wieduwilt@bund-frankfurt.de.

104 Praxis

Unser Tipp: Streuobstwiese statt Schrebergarten! von Katrin Jurisch

John Dippell ist seit 2008 Vorsitzender des BUND Kreisverbands Frankfurt und außerdem zuständig für den Ortsverband Süd. Sein Anliegen ist primär die Erhaltung der natürlichen Artenvielfalt. Daher engagiert er sich in den Bereichen »Naturnahes Gärtnern« sowie »Ökologische Trittsteine in der Stadt«. Neben Schrebergärten pflegt John Dippell mittlerweile auch eine Streuobstwiese und erzählt, worauf es dabei ankommt. Das Interview führt Katrin Jurisch.

Wie kam es dazu, dass du dir neben den beiden Gartengrundstücken, die du pflegst, noch eine Streuobstwiese zur Pflege gepachtet hast?

Auf einer Streuobstwiese kann man NOCH mehr praktische Naturschutzarbeit leisten als im Garten, allein schon durch die Größe und die natürlichen Vorkommen seltener Pflanzen- und Tierarten.

An wen kann ich mich wenden, wenn ich eine Streuobstwiese pachten möchte?

Soviel ich weiß, vermittelt die Untere Naturschutzbehörde (Frau Mehl-Rouschal) Streuobstwiesen, siehe auch unter www.frankfurt.de  Umweltamt  Streuobstwiesen  Streuobstwiesen pachten. Ich wollte aber unbedingt eine Streuobstwiese am Berger Hang, daher war ich gleich Feuer und Flamme, als ich mitbekam, dass das MÄH (MainÄppelHaus) Streuobstwiesen vermittelt.

Gibt es Bewirtschaftungsauflagen, da sich einige Streuobstwiesen in Landschaftsschutzgebieten (LSG) befinden und diese rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete sind, in denen nach § 26 Absatz 1 BNatSchG »ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft« besteht? Gibt es allgemeine Dinge, die zu beachten sind?

Es gibt Auflagen, zum Beispiel darf eine Streuobstwiese im LSG nicht eingezäunt werden.

Welche Obstgehölze wachsen auf deiner Streuobstwiese?

Auf meiner Wiese wachsen Apfel- und Kirschbäume.

Gibt es auf deiner Streuobstwiese besonders schützenswerte Tier- und Pflanzenarten?

Ja, sehr viele, das war eines meiner Auswahlkriterien, zum Beispiel Orchideen und Schlingnattern Welche Arbeiten fallen im Laufe des Jahres an (Frühling, Sommer, Herbst und Winter)? Hast du dabei Hilfe?

Die Hauptarbeit ist das Sensen im Hochsommer (nach Vorgaben der Unteren Naturschutzbehörde). Dadurch verbringt man SEHR viel Zeit auf der Wiese und erregt Aufmerksamkeit. Dann muss man noch ab und zu entbuschen und die Bäume schneiden (lassen). Ich hatte tatsächlich Hilfe beim Entbuschen und teilweise beim Abtransport des Mähgutes.

Wie ich weiß, mähst du deine Wiese mit der Sense. Wo kann ich das lernen und was machst du mit dem Mähgut?

Ich habe 2013 einen Sensenkurs beim BUND Frankfurt Ortsverband West besucht, überwiegend ist es jedoch »Learning by Doing«. Das anfallende Mähgut ist das

105 Praxis

größte Problem, da ich noch keine Nutzung dafür gefunden habe. Daher habe ich alles portionsweise zum Kleinmüllplatz der FES (Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH) in Enkheim transportiert (Auto oder Fahradanhänger).

Was machst du mit dem anfallenden Obst? Vor allem ohne Auto stelle ich mir die Bewältigung der zum Teil hohen Mengen an Obst schwierig vor, wenn man nicht alles den Insekten und anderen Tieren überlassen möchte.

Soviel Obst fällt nicht an, die Boskoop-Äpfel habe ich überwiegend in den Satteltaschen abtransportiert. Aber auch hier hatte ich Hilfe einer Freundin (mit Auto).

Wie viel Zeit verbringst du auf deiner Streuobstwiese?

In den ersten drei Jahren kaum, durch die Übernahme der Pflege (Sensen) hat sich das schlagartig geändert.

Da man diese Art der traditionellen Handarbeit nur noch selten sieht, wird man auch angesprochen. Zum Beispiel durfte ich für Kindergruppen »Schausensen«.

Dadurch, dass ich ab und zu Hilfe hatte, kamen auch zwei Picknicks hinzu, für die sich die Wiese sehr gut eignet – auch wegen der schönen Aussicht auf Frankfurt. Bei der Gelegenheit habe ich auch die Schlingnatter entdeckt, die sich unter meiner von der Sonne aufgeheizten Fahrradsatteltasche aufgewärmt hatte.

Wie hoch ist die Pachtgebühr?

Bei den vom MÄH vermittelten Flächen ist die geleistete Pflege die Pachtgebühr (Pflege gegen Nutzung).

Denkst du, dass die Verpachtung an Privatleute ein Instrument ist, diesen wertvollen Lebensraum zu erhalten, vor allem, da nicht alle Pächter über den gleichen Wissensstand verfügen?

Am Berger Hang reicht die Bandbreite von völlig zugewachsenen Wiesen bis zu golfrasenartig gepflegten Grundstücken. Man kann sicher durch die Verpachtung erreichen, dass nicht noch mehr Wiesen verbrachen. Allerdings fehlt es in der Tat an Wissen bezüglich des richtigen Mahdzeitpunktes. Ein Problem ist auch das anfallende Schnitt- und Mähgut, womit viele Pächter Benjes-Hecken errichten, was wiederum das Landschaftsbild negativ beeinträchtigt.

Vielen Dank, John, für das Gespräch.

Info

Möchten auch Sie eine Streuobstwiese von der Stadt Frankfurt pachten, dann kontaktieren Sie das Umwelttelefon: Telefon: 069 212 39100 E-Mail: umwelttelefon@stadt-frankfurt.de

106 Ă–konomie

107 Praxis

Ein Besuch in der Schnapsbrennerei von Monika Krusch Schnaps brennen? Ja, das ist wirklich

die Leute direkt in der Brennerei

bäume, das eigenhändig geerntete

eine Alternative. 90 bis 95 % seiner

ab, lassen es zu Schnaps brennen

Obst: Für viele Menschen ist dies ein

Kunden sind Privatleute, die einen Gar-

und genießen zu Hause den edlen

Inbegriff von Glück und Heimat. Doch

ten oder eine Streuobstwiese besitzen,

Hochprozentigen aus Pflaume, den

wohin mit der reichhaltigen Ernte?

erzählt uns Bernd Geckeler von der

Himbeergeist oder den Birnenbrand

Verschenken? Kuchen backen? Mar-

Wetterauer Obstbrennerei bei unserem

»aus dem eigenen Garten«.

melade kochen? Oder vielleicht zu

Besuch auf seinem Hof. Ihr Obst liefern

Der eigene Garten, die eigenen Obst-

Der Hof liegt idyllisch in Karben in der Wetterau. Für viele Garten- und Streuobstwiesenbesitzer ist er inzwischen zu einem beliebten Ausflugsziel für die ganze Familie geworden. Und das Einzugsgebiet ist mittlerweile recht groß. Die meisten der Kunden kommen aus der näheren und mittleren Umgebung: Frankfurt, Wetterau, Limburger und Alsfelder Raum, Fulda, Kassel. Aber auch Kunden aus Köln, Verde und Magdeburg haben sich auf dem Hof schon eingefunden. Der Anteil der kommerziellen Kunden ist gering.

Lediglich der Obsthof Schneider in Niedererlenbach lässt hier brennen. Der Hof wirtschaftet auf biologischer Basis und verfügt über große angelegte Apfelkulturen.

Die Voraussetzung für einen guten Schnaps: Die Früchte sollten sehr reif, wenn möglich überreif sein. Je reifer die Frucht, desto mehr Zucker hat sie eingelagert und desto mehr Alkohol kann sich bilden. Das Steinobst wird mit einer Stachelwalze bearbeitet. Dadurch werden die Zellen verletzt, der Fruchtzucker freigesetzt und später in Alkohol umgewandelt. Kleinere Beschädigungen – wie zum Beispiel braune Stellen – stören hierbei nicht, Schimmel sollte jedoch vermieden werden. Äpfel und Birnen hingegen werden mit dem Muser verarbeitet.

Bernd Geckeler bei der Erläuterung eines Brenntages in der Wetterauer Obstbrennerei.

Die hochwertige Brennanlage der Firma Holstein macht sich in der Qualität der Edelschnäpse bemerkbar.

Anschließend wird die Maische in die Gärfässer gegeben, oben drauf kommt die Gärhefe – das ist eine Reinzuchthefe, die speziell für die Obstmaischen hergestellt wird – dann wird das Fass geschlossen. Zum Schluss wird der Gärspund aufgesetzt. Er sorgt dafür, dass die Gärgase abziehen können und verhindert, dass Sauerstoff oder Insekten in das Fass hineinkommen.

Der Brennkessel fasst zirka 250 Liter. Damit sich das Brennen lohnt, ist eine Mindestmenge von 80 Litern erforderlich. Die Fässer können auf dem Hof abgeholt und im Garten gelagert werden. Wer keine Möglichkeit hat, die Fässer auf dem eigenen Grundstück zu lagern, kann sie auf dem Hof stehen lassen. Nach zirka sechs Wochen ist die Maische brennbereit. Jetzt kann der Kunde einen Brenntermin vereinbaren. Viele Kunden verbinden diesen Brenntermin inzwischen mit einem ganz besonderen Ausflug. Weit ist der Weg für die meisten nicht: Von Frankfurt aus ist der Hof in 20 bis 30 Minuten erreichbar. Während die Kinder sich mit den Tieren anfreunden können, dürfen die Erwachsenen zuschauen, wie sich ihr Obst verflüssigt. Für viele ist dies besonders spannend: Sie können den Brennvorgang von Anfang bis Ende beobachten.

108 Praxis

»Das ist das, was die Leute wollen: Im Wohnzimmer

gefroren – für zirka acht Wochen eingelegt und danach auf der Anlage sitzen, aus dem Fenster gucken und sagen: ›Das ist mein feingebrannt. So entsteht der Geist.

Schnaps, da steht der Baum.‹ Und es werden immer Am besten geeignet sind die Früchte von Streuobstwiesen. Besonders bei mehr. Die Kunden kommen wieder zurück auf dieses Äpfeln fallen die QualitätsunterHeimische, Selbstgemachte und das finde ich gut.«, schiede auf. Nicht sortenrein, sondern »querbeet» sollten die Früchte sein. Unterschiedliche Sorten ergeben einen sehr intensierzählt uns Bernd Geckeler. Er hatte diesen Trend schon ven Geschmack. Sortenreine Apfelbrände insbesondere mit frühzeitig erkannt. Äpfeln aus dem Supermarkt, wie dem Golden Delicious, sind dagegen relativ geschmacksarm. Die Streuobstwiesen Begonnen hat alles im Jahr 1993. Bernd Geckeler stammt in der Region sind zum Teil sehr großflächig, wie die Wieaus Baden-Württemberg und hat Landwirtschaft studiert. sen in der Wetterau, bei Bischofsheim oder Hochstadt, wo Es war Geckelers Vater, der den Sohn ermutigt hat, in die auch der Speierling häufig vorkommt. Hier gibt es also geBrennerei einzusteigen. Anfangs war das Brennen noch als nügend »Material» für einzigartige Geschmackserlebnisse.

Nebenerwerb gedacht, doch schon 1996 hat die Familie den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Dafür wurde auch Besondere Empfehlung des Chefs: Wenn der Schnaps im in die technischen Anlagen investiert. 2002 wurde die BrenOktober fertig ist, sollte man ihn noch drei Monate stehen nerei umgebaut und vergrößert. Darüber hinaus besitzt die lassen und dann anfangen, ihn fläschchenweise abzufüllen Familie noch einen Ackerbaubetrieb. und zu probieren. Er schmeckt an Weihnachten ganz anders als an Ostern und im nächsten Jahr an Weihnachten Früher wurden am Wochenende auch geführte Schnapswiederum noch ein bisschen anders, denn der Reifeprozess proben angeboten, doch der Aufwand hierfür nahm im geht weiter, sofern sich der Schnaps in einer Glasflasche Laufe der Zeit beträchtlich zu. Heute kann jeder Besucher befindet. Er benötigt dafür eine große Oberfläche und Sausein Essen und Trinken mitbringen und ein Picknick veranerstoff. Der normale Alterungsprozess eines Schnapses sind stalten. Während dessen entsteht im Brennkessel nebenan Oxidation und Veresterung. Ist der Schnaps erst einmal abein unverwechselbares Produkt. Anders als bei vielen gefüllt, ist er fast unbegrenzt haltbar.

Schnäpsen, die es in den Supermärkten zu kaufen gibt, werden hier weder Zusätze verarbeitet noch wird fremdes Bernd Geckeler erklärt uns, wie so ein Brenntag konkret Obst beigemischt. Wer sein eigenes Obst – Äpfel, Pflaumen, aussieht: Betriebsbeginn ist morgens um acht Uhr. WähMirabellen, Kirschen etc. – bei Bernd Geckeler abgibt, errend der Brennsaison, also etwa Ende Oktober bis April/ hält genau dieses Obst in Form von Schnaps wieder zurück.

Mai – je nachdem, wie obstreich das Jahr war – wird von Je nach Wunsch als Brand, Geist oder Wasser. In diesen Montag bis Samstag gebrannt. Der Kunde bringt seine Fäsdrei Kategorien wird unterschieden. ser mit, die Maische wird in den Kessel gefüllt und in ein bis eineinhalb Stunden gebrannt. Während des BrennvorIn allen Produkten mit der Endung Wasser verbergen sich ganges entwickelt sich bei den letzten 20 bis 30 % das Aroübrigens Steinfrüchte: Zwetschenwasser, Mirabellenwasma der Frucht. Die Mirabelle soll nach Mirabelle schmeser, Kirschwasser. Die Brände entstehen aus Kernobst: Apcken, die Zwetsche nach Zwetsche, der Apfel nach Apfel – felbrand, Birnenbrand, Quittenbrand. Bei Himbeeren hinalso nach der puren Frucht ohne Beimischungen. gegen muss etwas nachgeholfen werden. Sie haben viel zu wenig Eigenzucker, um eine Maische zu erzeugen. Hier behilft man sich mit 96 %igem purem Alkohol, der völlig geschmacklos ist. Darin wird die Himbeere – frisch oder tief-

1

109 Ökonomie

1. Brennmeister Bernd Geckeler von der Wetterauer Obstbrennerei im Gespräch mit Monika Krusch, BUND Frankfurt.

2. Gemütliche Sitzecke im Brennraum.

Auch die Dekoration an den Wänden fehlt nicht. Die Wetterauer Obstbrennerei hat viel zu bieten: Neben Himbeergeist, Kirsch-, Zwetschgen- und Mirabellenwasser, findet sich hier auch Apfelbrand, der klassische Obstler oder auch Ausgefalleneres, wie Pfefferminzschnaps und Walnusslikör nach eigenem Rezept.

2

3. Etwa 6 Wochen dauert es, bis die Maische in den Gärfässern brennbereit ist. Ideal zum Aufbewahren nach dem Brennen: der Glasballon. Denn der Reifeprozess des Schnapses geht auch nach dem Abfüllen weiter.

4. Mit dem Ausschütten wird eine Probe genommen. Alle drei Wochen wird vom Zoll gespindelt. Dies ergibt dann einen Mittelwert von beispielsweise 200 Ausschüttungen, der auf 100 % Alkohol umgerechnet wird. Dieser Wert bildet die Grundlage für die Branntweinsteuer.

3

5. Ehepaar Hofmann und Brennmeister Joachim Heidenfelder (hinten links) bei der Begutachtung ihres frisch gebrannten Mirabellenschnapses.

5

4

110 Praxis

Der Hof der Familie Geckeler: Ausflugsziel für die ganze Familie.

»Wir brennen mit zirka 70 bis 80 % alles raus und bei den letzten 20 bis 30 % entwickelt sich unter anderem das Aroma. Große Verschlussbrennereien brennen nahezu 100 %, das nützt uns hier nichts. Wenn wir 96 % rausbrennen würden, könnten wir nicht mehr feststellen, ob da eine Zwetsche oder ein Apfel war. Also sind solche Anlagen so konzipiert, dass sie im Mittel auf zwischen 70 und 80 % machen.« erklärt der Brennmeister.

Die Brennanlage stammt von der Firma Arnold Holstein.

Das Unternehmen aus Markdorf am Bodensee ist der namhafteste Hersteller solcher Anlagen in Deutschland. Die Anlage wird mit einem normalen Ölbrenner betrieben. Außen befindet sich ein 450 Liter Wasserbad. Der Brenner erhitzt das Wasser, das Wasser erhitzt die Maische. Damit wird ein Anbrennen der Maische verhindert – ähnlich wie bei der Milch – und zusätzlich ist noch ein Rührwerk eingebaut, das die Masse laufend in Bewegung hält.

Der Alkohol kondensiert über drei sogenannte Blockböden in den Verstärker rein. Um zu verhindern, dass der Alkohol zu schnell abkondensiert, wenn er auf die heiße Kupferoberfläche trifft, ist eine Art Suppenteller eingebaut.

Dieser wird mit Wasser gefüllt. Erst wenn der Alkohol hochprozentig genug ist, kann er wieder abkondensieren.

In der Anlage befindet sich der Katalysator. Hier sind über 40 qm Kupfer verarbeitet. Es ist ein geschlossenes enges Wabensystem, aus dem der Alkohol nicht entweichen kann.

Dann fließt der Alkohol in den Kühler. Der Kühler wird von unten nach oben mit kaltem Wasser durchgedrückt und kühlt oben den Schnaps ab. Der Schnaps wird flüssig und fällt in Edelstahlröhren hinunter in eine Vorlage, in der eine Spindel mitschwimmt. Daran ist abzulesen, wieviel Prozent der Alkohol gerade hat. Danach wird zuerst der giftige Methylalkohol entfernt und dann wird auf die Uhr umgeschaltet, denn ab jetzt fällt die Branntweinsteuer an. In der Uhr befindet sich eine Trommel mit drei Kammern. Die Trommel wird alle drei Jahre geeicht. In jede Kammer passt genau ein Liter Schnaps. Ist diese voll, dreht die Trommel um eine Kammer weiter und sammelt den nächsten Liter.

Wenn der Alkoholgehalt nur noch bei zirka 50 % liegt, wird der Vorgang gestoppt, um das »gute Herzstück« herauszunehmen. Danach läuft die Uhr wieder einen Liter weiter.

Um zu erfahren, wieviel Prozent Alkohol dieser Liter wirklich hatte, befindet sich an der Trommel eine kleine Ringleitung. Mit dem Ausschütten wird eine Probe genommen.

Alle drei Wochen wird vom Zoll gespindelt. Dies ergibt dann einen Mittelwert von beispielsweise 200 Ausschüttungen, der auf 100 % Alkohol umgerechnet wird. Dieser Wert bildet die Grundlage für die Branntweinsteuer.

Bernd Geckeler begann vor 22 Jahren zunächst mit der Abfindungsbrennerei. Die Brennrechte stammen noch aus dem Jahr 1908 und richten sich nach den damals verlaufenden Grenzen, zum Beispiel zwischen Hessen-Nassau und Kurhessen. Die Grenzverläufe kennt heute kaum noch jemand und trotzdem wird danach immer noch zollverhandelt, wodurch sich das Abrechnungssystem relativ kompliziert gestaltet. Einfacher – wenn auch etwas teuerer – ist die Verschlussbrennerei. Die Versteuerung erfolgt über die oben beschriebene Zolluhr und bedeutet für die Brennerei eine größere Unabhängigkeit.

Bleibt noch die Kostenfrage. In der Verschlussbrennerei betragen die Kosten zirka 10 Euro je Liter 40 %igen Schnapses.

Der Löwenanteil hierbei ist die Branntweinsteuer, außerdem das Brennen, Filtern und Verdünnen. Je nach Obstsorte kann der Kunde mit einem Ertrag von zirka 8 bis 10 % rechnen. Am ergiebigsten sind Mirabellen, Trauben und auch Kirschen. Aus 80 Liter Obst erhält man im günstigen Fall zirka acht Liter Schnaps, beim Apfel sind es zirka sechs Liter. Die Kosten belaufen sich somit auf zirka 80 bis 100 Euro zuzüglich der Flaschen, die dazu noch gekauft werden müssen. Dafür bekommt man nach einem Jahr, in welchem man seine Streuobstwiese umsorgt hat, aus dem reifen und köstlichen Obst Edelbrände vom Feinsten.

Es gibt viele Möglichkeiten, die Früchte aus dem Garten oder von einer Streuobstwiese zu verwerten. Diese zu Schnaps brennen zu lassen, ist sicherlich eine ungewöhnliche, aber sehr empfehlenswerte Alternative. Es war ein spannender und hochinteressanter Blick hinter die Kulissen einer Obstbrennerei. Eine Kundin, die gerade ihre Mirabellenernte brennen ließ, als wir das Interview führten, brachte es auf den Punkt: »Es ist ein Erlebnis, hier dabei sein zu dürfen.»

111 Praxis

112 Ökonomie

1. Marmeladengläser und Deckel vor Beginn auskochen. Wasser abgießen und Gläser aus dem Topf herausnehmen.

Vorsicht, diese sind sehr heiß und Sie müssen Ihre Hände ausreichend schützen.

2a. Achten Sie darauf, dass Sie nicht in die Gläser hineingreifen. Schütteln Sie das restliche Wasser heraus und verschließen Sie die Gläser sofort mit den abgekochten Deckeln.

2b. Je schneller und gründlicher Sie dabei vorgehen, desto besser gelingt es Ihnen, eine Verunreinigung mit Pilzen und Bakterien zu verhindern.

3. Äpfel waschen, trocken reiben, Stiele und Blüten entfernen.

4. Äpfel mit Schale und Kerngehäuse (hier sitzt das Pektin vermehrt drin!) vierteln, faule Stellen und kleine Bewohner der Äpfel entfernen.

5. Apfelstücke in einen großen Topf geben.

Mit ausreichend Wasser, wie in Formel 2 berechnet, auffüllen. Mit Deckel Äpfel zum Kochen bringen, dann auf halbe Stufe schalten und 15 Minuten ohne Deckel köcheln lassen. Nicht umrühren!

6. Das Sieb mit einem frischen Geschirrhandtuch auslegen und in eine Schüssel stellen. Äpfel mit Sud hineingeben und darin gut abtropfen lassen aber nicht ausdrücken!

7. Saft in den kleineren Topf geben und ohne Deckel zirka 10 Minuten sprudelnd einkochen lassen. Sollten Sie zwei Durchgänge kochen, können Sie nun parallel dazu mit Schritt 3 starten.

8. Einen Messbecher auf eine Küchenwaage stellen und den Saft abwiegen. Daraus berechnen Sie nun die genaue Menge an Gelierzucker 3 zu 1: Formel 3 X Gramm Saft : 2,5 = Menge an Zucker (Gramm).

9. Den Saft mitsamt Zucker in den kleineren Topf zurückgeben und zirka 4 Minuten sprudelnd kochen lassen. Achten Sie auf jeden Fall darauf, dass Ihnen die Zucker-Saftmischung nicht überkocht!

10. Apfelgelee möglichst heiß in die ausgekochten Gläser füllen, gut verschließen und für einige Minuten auf den Kopf stellen.

11. Gläser wieder umdrehen und Gelee vollkommen abkühlen lassen.

113 Praxis

Selbstgemachtes Apfelgelee – Ein Rezept, mit dem Sie garantiert nichts falsch machen können

von Nina Stiehr Apfelgelee ist eine spezielle Köstlich-

Denn nur in unseren Kultursorten

Ihre Mühen der Herstellung wären

keit und nur selten in Geschäften zu

unserer Streuobstwiesen ist eine so

umsonst. Die Kombination aus der

finden. Ebenso wie Preiselbeermarme-

hohe Konzentration zu finden, die

natürlichen Säure der Früchte, dem

lade, kann Apfelgelee als süßer Brot-

den Apfelgeschmack in Ihrem Gelee

Pektin der selbst gesammelten Äpfel

aufstrich verwendet oder mit deftigen

deutlich hervorhebt. Wir raten deshalb

als »Apfelaroma« und dem hinzuge-

Speisen kombiniert werden. Die

dringend davon ab, Äpfel aus dem

fügten Gelierzucker macht dieses

Besonderheit Ihres selbstgemachten

Supermarkt zu verwenden. Daraus

Apfelgelee zu einem unvergleichli-

Apfelgelees entsteht durch das Pektin.

hergestelltes Gelee schmeckt fade und

chen Erlebnis. Vorsicht, Suchtgefahr!

Zutaten Äpfel aus dem Garten oder von der Streuobstwiese Wasser aus dem Hahn Gelierzucker 3 zu 1

Zubereitungszeit 1,5 bis 2 kg Äpfel kann man in einem Durchgang kochen. Über zwei Kilogramm empfiehlt es sich, aufgrund der Größe von Topf und Schüssel zwei Durchgänge zu machen, die teilweise parallel laufen können. Je nach Anzahl von Durchgängen benötigt der Kochvorgang etwa 1,5 bis 2,5 Stunden an Zeit.

Benötigte Kochutensilien • Ein großer Kochtopf, 5 Liter oder mehr • Ein normaler Kochtopf, 3 Liter • Kochlöffel • Scharfes Messer zum Vierteln der Früchte • Schneidebrett • Marmeladengläser • Geschirrhandtuch für den Abkochvorgang der Gläser • Großes Nudelsieb • Passend große Auffangschüssel • Sauberes Baumwoll-Geschirrhandtuch • Küchenwaage • Messbecher • Taschenrechner, Stift und Zettel • Klebeetiketten zum Beschriften der Gläser

Vorbereitung Wie viel brauche ich an Zutaten?

Die Menge an Zucker und Wasser richtet sich nach der Menge der Äpfel. In der Regel gilt: Sie erhalten etwa die Hälfte an Gelee von der Menge an Früchten, die sie verwendet haben. Aus 4 kg Äpfel ergibt sich etwa 2 Liter Apfelgelee.

Wir möchten Ihnen eine einfache Formel an die Hand geben, mit der Sie die benötigte Zuckermenge vorläufig abschätzen können.

Bei Gelierzucker 3 zu 1 gilt: Formel 1 X Gramm Äpfel : 5 = Menge an Zucker (Gramm) Halten Sie lieber ein Päckchen Zucker extra parat, falls Sie sich unsicher über die genaue Menge sind. Denn während des Kochvorgangs ist es schwierig, schnell in den Supermarkt zu laufen. Wir können Ihnen natürlich nur Richtwerte bieten.

Die benötigte Wassermenge zum Einkochen berechnen Sie wie folgt: Formel 2 X Kilogramm Äpfel : 1,5 = Menge an Wasser (Liter)

114 Praxis

115 Praxis

Frankfurts Top 7 zum Thema Streuobstwiesen von Nina Stiehr und Monika Krusch

Liebe Leserinnen und Leser, vielleicht haben Sie mittlerweile Lust bekommen, selbst aktiv im Themenfeld »Streuobstwiesen« zu werden?

Vielleicht wollen Sie auch einfach nur das Obst in kulinarischer Hinsicht genießen, zum Beispiel am Lohrberg oder verbunden mit einer Stadtrundfahrt?

Hier sind unsere Top 7 für Sie! Die Reihenfolge hat natürlich nichts mit einer Bewertung zu tun. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Stöbern und vielleicht sogar beim Planen Ihrer zukünftigen Wiese.

Ihr BUND Frankfurt

116

Mit Apfelwein und Brezel gemütlich durch Frankfurt im Ebbelwei Express.

Ebbelwei Express

MainÄppelHaus

»Steigen Sie ein in den Ebbelwei Express!«. Eine Stunde lang ist man mit dem Trambahn-Oldtimer unterwegs. Start und Ziel ist die Wendeschleife am Frankfurter Zoo. Durch die Altstadt, vorbei am Römer und weiter durch das von der Gründerzeit geprägte Bahnhofsviertel geht es zum Frankfurter Hauptbahnhof. Im Anschluss fährt man zur Messe und schließlich in das Ebbelweiviertel Sachsenhausen. In heiter-beschwingter Atmosphäre kann im Tempo früherer Tage die Aussicht auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt genossen werden. Versorgt werden die Fahrgäste mit Getränken des seit 1881 bestehenden Frankfurter Familienunternehmens Possmann, das noch aus eigenem Bestand die Früchte des Speierlings verarbeitet. Übrigens: Der Hesse trinkt laut Verband Hessischer Apfelwein- und Fruchtsaftkeltereien durchschnittlich fünf bis sechs Liter Apfelwein pro Jahr. www.ebbelwei-express.com

Wenn es um Streuobstwiesen in Frankfurt geht, ist das MainÄppelHaus am Lohrberg eine der ersten Adressen. Als Informations- und Begegnungsstätte wird der heimische Lebensraum Streuobstwiese für Jung und Alt erlebbar gemacht. Umweltbildung für Kinder kommt hier nicht zu kurz und auch Erwachsene können verschiedene Kurse und Veranstaltungen rund um das Thema Streuobstwiese besuchen. Zum Beispiel wird im Streuobst-Seminar gezeigt, wie ein richtiger Baumschnitt erfolgt und auch weiteres Wissen zu Pflegemaßnahmen ist theoretisch und praktisch erfahrbar. Im Bistro und im Hofladen werden regionaltypische Speisen, Getränke und saisonales Obst angeboten und auch, wer einfach nur zum Entspannen und Erholen vorbeikommen möchte, ist herzlich eingeladen. www.mainaeppelhauslohrberg.de

117

Im MainÄppelHaus schmeckt das »Stöffche« nochmal so gut.

Apfel-Appell

Streuobstlehrpfad

»Nur noch 60 Prozent der Frankfurter Streuobstwiesen werden gepflegt, 40 Prozent der Obstwiesen verbuschen, Bäume vergreisen und sterben ab.« So steht es auf der Webseite des Apfel-Appells. Mit dieser Aktion des Umweltamts Frankfurt, konzipiert von der Designerin Lara Alexandra Glück, sollen Frankfurter Bürgerinnen und Bürger angeregt werden, eine Streuobstwiese im Grüngürtel kostenlos zu pachten. Verschiedene Veranstaltungen, wie jüngst ein Baumschnittkurs, sollen dazu motivieren. Weiterhin wurde mit Kindern bereits Igelhotels gebaut, es wird ein »Äppelklau-Absperrband« für alle angeboten, deren Streuobst regelmäßig Langfingern zum Opfer fällt, und im Sossenheimer Unterfeld wurden beim »Pflanztanz« unter Begleitung von Dudelsack-Musik Bäume alter Streuobstsorten gepflanzt. Wollen auch Sie eine Streuobstwiese pachten?

Dann rufen Sie das Umwelttelefon der Stadt Frankfurt an unter der Nummer 069 212 39100. www.apfel-appell.de

In Frankfurt am Main gibt es zwei Streuobstlehrpfade, einen in Bergen-Enkheim und einen in Sossenheim. Stelen und Hinweistafeln markieren die verschiedenen Stationen.

Auf diesen erfährt der Besucher Interessantes über die Tiere, die auf den Streuobstwiesen leben, bestimmte Baumarten (zum Beispiel der Speierling) oder lokale Besonderheiten. Beide Lehrpfade sind Bestandteil der durch Frankfurt am Main verlaufenden Hessischen Apfelwein- und Obstwiesenroute (HAOR). Die Träger der Lehrpfade sind regionale Initiativen. Sie sorgen für eine Vernetzung der für Hessen typischen Obstwiesen. Die Route, die durch ein Schild mit einem kleinen roten Apfel und grünem Pfeil markiert ist, lässt sich zu Fuß oder auch mit dem Fahrrad erkunden. Sie bietet landschaftlich reizvolle Touren und lädt in die Apfelweinlokale aufs »Stöffche« ein.

Weitere Informationen gibt es beim Umwelttelefon unter 069 212 39100 oder per E-Mail: umwelttelefon@stadt-frankfurt.de

Alle mal herhören: Apfel Tobi erklärt die Streuobstwiesenwelt. Rechts auf dem Bild eine Infotafel der Ausstellung.

Streuobstausstellung zum Ausleihen

Hessische Apfelweinroute

Wo gibt es schon einen sprechenden Apfel? Bei der Streuobstausstellung zum Ausleihen. Diese Ausstellung wird vom Runden Tisch Streuobstwiesenschutz Frankfurt e.V. zur Verfügung gestellt und ist nicht nur für Kinder interessant. Durch Schautafeln, Spiele, interaktive Obstbaumrinden und einen Handkelter kann der Besucher viel über Apfelsorten, Ökologie, Keltertechnik, Pflege und Historie von Streuobstwiesen lernen. Die interaktiven Objekte zeigen, was in einer Baumhöhle vor sich geht und welcher Obstbaum welche Blätter, Blüten und Früchte trägt. Der sprechende Apfel erzählt, was in einer Minute so alles auf einer Streuobstwiese passiert und wie viele Tiere dort emsig tätig sind. Die Ausstellung kann wochenweise zu einem Preis von 300 Euro ausgeliehen werden. Gemeinnützige Vereine zahlen nur die Hälfte.

Kontakt Untere Naturschutzbehörde, info.unb.amt79@stadt-frankfurt.de

Wo kann man Naherholung, Naturschutz und die Förderung der regionalen Wirtschaft miteinander verbinden?

Auf der »HESSISCHEN APFELWEIN- UND OBSTWIESENROUTE«. Das Wegenetz beträgt über 1000 km und führt vorbei an naturbelassenen Streuobstwiesen, Lehrgärten und Lehrpfaden, zu Keltereien, interessanten Handwerksbetrieben, Sehenswürdigkeiten, Museen, Naturdenkmalen und vielem mehr. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad lässt sich zum Beispiel die Gegend rund um Frankfurt, zwischen Main und Taunus, Stadt und Kreis Offenbach erkunden. Teilstücke dieser Route führen auch durch Frankfurt: vom Römerberg aus durch Sachsenhausen bis zur Gerbermühle in Oberrad und von Bornheim bis nach Seckbach. Entlang der Nidda führt ein weiteres Teilstück vorbei an den nördlichen und westlichen Stadtteilen. Auch die Routen rund um die Nachbargemeinden Neu-Isenburg und Offenbach sind sehenswert. Das Wegenetz besteht zurzeit aus sieben verschiedenen regionalen Teilrouten. Weitere Informationen und Kartenmaterial erhalten Sie unter apfelweinroute@t-online.de.

119 Praxia

Obstsortenwiese in Seckbach – neue Heimat für alte Sorten. Bei einer Obstsortenkartierung am Berger Hang wurden alte und seltene Apfel- und Birnensorten entdeckt. Sie werden hier vom Umweltamt weiter kultiviert, damit sie auch für nachfolgende Generationen erhalten bleiben.

Logo unten: Ob Hessische Apfelweinroute oder Streuobstlehrpfad, entlang beider Wege sorgt dieses Logo für Orientierung.

Runder Tisch Streuobstwiesenschutz Frankfurt am Main Auf Initiative des BUND und weiterer Frankfurter Naturschutzverbände wurde vor über 10 Jahren in Kooperation mit dem Frankfurter Umweltamt der gemeinnützige Verein »Runder Tisch Streuobstwiesenschutz Frankfurt am Main e.V.« gegründet. Ziel ist es, das vorhandene Wissen und die bestehenden Aktivitäten zu bündeln und sich gemeinsam für den Erhalt dieser bedeutenden Kulturlandschaft einzusetzen. Beim Runden Tisch Streuobstwiesenschutz machen unter anderem Naturschutzverbände, das Umweltamt der Stadt Frankfurt, Keltereien, der Kreisbauernverband, der Landschaftspflegeverband Main-Kinzig-Kreis e.V., die Zoologische Gesellschaft Frankfurt, die AG Hessische Apfelweinstraße und viele weitere Gruppen und Initiativen mit.

Ein Projekt des Runden Tisches ist zum Beispiel das »Streuobstwiesenzentrum Hessen« in Bergen-Enkheim. Schwerpunkte dieses Zentrums sind Vermarktung, Pflegestrategien und Umweltbildung.

Kontakt BUND-Ortsverband Frankfurt-West Gabriele Rauch: gabriele.rauch@bund-frankfurt.de

Runder Tisch Streuobstwiesenschutz Frankfurt am Main e.V., Christa Mehl-Rouschal: christa.mehl-rouschal@stadt-frankfurt.de

120 Ă–konomie

Humor

121 Hunor

Die Untermieterin

von Heinz Erhardt

Du stehst vorm Apfelbaum und lobst: »Was ist das für ein herrlich Obst!« Pflückst einen Apfel, beißt hinein, verziehst den Mund, fängst an zu spein, denn eine Made erster Güte wohnt dort schon lang in Untermiete.

Du stehst vorm Apfelbaum und tobst: »Wie kommt die Made in das Obst?!« Die Hülle trügt! - Das Ungeziefer dringt da im allgemeinen tiefer.

© Aus: »Das große Heinz Erhardt-Buch« 2009 Lappan Verlag Oldenburg

122

Danksagung – nie verkehrt und vor allem dann angebracht, wenn einem vielfältige Unterstützung so großzügig zuteilwurde, wie es uns geschehen ist.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen, die bei der Erstellung dieser Ausgabe mitgeholfen haben.

Unser Dank geht in alphabetischer Reihenfolge an:

Kai Borkenhagen, Diplombiologe und ehemaliges aktives Mitglied des BUND Frankfurt, für Bilder im Allgemeinen und vor allem für das einzige Bild einer Streuobstwiese in den Schwanheimer Dünen sowie für das Korrekturlesen.

Torben Bruhn, Student der Biowissenschaften, für die Unterstützung im Rahmen seines Praktikums.

John Dippell, erster Vorsitzender des BUND Frankfurt, für die Teilhabe an seinen Erfahrungen, das Korrekturlesen und Voranbringen des Magazins im Sinne einer finanziellen Förderung.

Jutta Erich, Diplombiologin und Mitglied des BUND Frankfurt Ortsverbandes West, für den Einblick in die Naturschutzarbeit des BUND Frankfurt bezüglich Streuobstwiesen.

Helmut Eigemann, Hessisches Umweltministerium, für die ausführlichen Erläuterungen der politischen Prozesse im Hessischen Streuobstwiesenschutz sowohl telefonisch als auch schriftlich.

Katrin Fischer, Diplom-Designerin aus Frankfurt, für ihr Talent, ihre Unterstützung, ihre Geduld und ihre unglaubliche Flexibilität.

Barbara Fiselius, Landschaftspflegeverband Main-KinzigKreis e.V., für die Erläuterungen zu dem Thema Ökopunkte hinsichtlich Streuobstwiesen und die Darstellung von Praxisbeispielen im Main-Kinzig-Kreis.

Christina Frank-Schrödter, BUND Niedersachsen, für den Einsatz in der Umweltbildung und die Animierung durch ihren Artikel, das Konzept der Nachhaltigen Schülerfirma auch im Rhein-Main-Gebiet zu verbreiten.

Bernd Geckeler, Wetterauer Obstbrennerei, für einen ausführlichen, informativen, humorvollen und spannenden Blick hinter die Kulissen einer Schnapsbrennerei.

Wolfgang Hofstetter, zuständig für die Finanzen beim BUND Frankfurt, für die kritischen Kommentare und das Mitdenken hinsichtlich Veröffentlichungsmöglichkeiten.

Katrin Jurisch, zweite Vorsitzende des BUND Frankfurt, für Beratungen, das Führen und Ausarbeiten des Interviews mit John Dippell und das Korrekturlesen.

Klang-Holz e.V. für die Unterstützung mit eindrucksvollen Bildern.

Oneisin Könemund, Musikinstrumentenbauer bei KlangHolz e.V., für das Aufzeigen der Unterschiede von Holzarten im Musikinstrumentenbau und die kritische Auseinandersetzung mit der Verwendung dieser in unserer heutigen Zeit.

Johannes Kutzner, für die wichtige Kontaktvermittlung zu Heinz Schaan.

Johannes Latsch, Landratsamt Main-Taunus-Kreis, für die telefonische und schriftliche Darstellung der regionalen Bemühungen zum Streuobstwiesenschutz im MainTaunus-Kreis.

Lappan Verlag Oldenburg für die Genehmigung der Verwendung des Gedichtes von Heinz Erhardt, hier im Speziellen Frau Regine Schulze für den netten Kontakt und auch Heinz Erhardt dafür, dass er ein großartiges kulturelles Erbe hinterlassen hat.

Marion Löhr-Böger, Planungsgruppe Natur und Umwelt (PGNU), für die fachliche Prüfung und Bearbeitung redaktioneller Texte sowie die Vermittlung von Fotos.

123

Rainer Luick, Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg, für den Einblick in den selten vorkommenden aber aktuellen Aspekt der Wertholzproduktion von Streuobstwiesen, der die Darstellung der Produktspanne in dieser Ausgabe komplettiert.

Christa Mehl-Rouschal, Umweltamt Stadt Frankfurt und Mitglied des Runden Tisches Streuobstwiesenschutz, für unterstützende Informationen zu Streuobstaktivitäten in der Region Frankfurt in Text und Bild.

Monika Peukert, Diplombiologin und Leiterin von AnLand, für eine detaillierte und fundierte Recherche zu Streuobstwiesen und Obstbäumen in der Region Frankfurt sowie für ein starkes Plädoyer zur Wertschätzung unserer immer seltener vorkommenden Obstarten.

Ingo Rösler, Hessische Gesellschaft für Ornithologie (HGON), für einen liebevollen Blick auf einen faszinierenden Vogel.

Markus Rösler, Die Grünen und NABU, für die Verdeutlichung, wie wichtig höhere Preise für Streuobst sind, um diesen wertvollen Lebensraum für uns alle zu erhalten – und, dass das Konzept der Aufpreisvermarktung funktioniert!

Stefan Rosengarten, Naturfotograf, für das Festhalten außergewöhnlicher Momente mit einem Steinkauzpaar in atemberaubenden Bildern.

Heinz Schaan, ehemaliger Gärtnermeister des Palmengartens Frankfurt und Naturschützer, für die ganze bunte Vielfalt einer Streuobstwiese in wunderbaren Bildern, wie sie für die Region Frankfurt wahrscheinlich einzigartig ist.

Sabine Washof, BUND Niedersachsen, ebenfalls für den Einsatz in der Umweltbildung und ihre Darstellungen dazu in unserem Magazin.

Josef Weimer, Pomologe, für eine für viele sicherlich neue und intensive Sicht auf unser Lieblingsobst.

Paul Westrich, Diplom-Biologe und Leiter des Instituts für Biologie und Naturschutz in Kusterdingen, für den wunderbaren Einblick in die Vielfalt von Wildbienen auf Streuobstwiesen und die Darstellung des Zusammenhangs zwischen dem Vorkommen von Wildbienen und Schutz und Nutzung dieser Biotope.

Heidi Wieduwilt, seit über 30 Jahren aktiv für den BUND Frankfurt, für ihre steten und unnachgiebigen Bemühung, einen wichtigen Teil der Frankfurter Kulturlandschaft zu retten.

Ein großer Dank allen weiteren Menschen, die uns mit fantastischen und zum Teil schwer erhältlichen Fotos (siehe »Bildnachweis« Seite 124) und kompetenten Beratungen unterstützt haben!

124

Impressum

Bildnachweis

Redaktion Christiane Kretschmer Monika Krusch Nina Stiehr

Kai Borkenhagen: 103 Abb. rechts John Dippell: 4 Katharina Dippell: 105 Norbert Dobisch: 82 Abb. 4 Klaus Eike: 59 Jutta Erich: 60, 98, 101 Katrin Fischer: Titel, 1, 6/7 Barbara Fiselius: 63 Ingolf Grabow: 24/25 Jürgen Heegmann: 116 Klang-Holz e.V.: 80 Katrin Kretschmann: 96/97, 123 Johannes Kutzner: 29 Abb. 18 Marion Löhr-Böger: 2 Rainer Luick: 68, 70, 74, 76, 78 MainÄppelHaus: 117 Monika J. Peukert: 16, 19, 21, 23, 32, 34/35, 36/37 Stefan Rosengarten: 38, 41, 42/43, 45 Ralf Salecker: 82 Abb. 1+2, 83 Heinz Schaan: 14/15, 26, 28/29 (alle außer Abb. 18), 30, 52/53, 54, 56/57, 58, 64, 66 Nina Stiehr: 90, 95, 106, 109, 110, 111, 112, 114, 120 stockvault: 112/113 Sven Teschke: 11 Michael Uebeler: 91/92 Umweltamt Stadt Frankfurt: 118, 119 Paul Westrich: 46, 48/49, 50/51 Heidi Wieduwilt: 103

Layout/Graphik Katrin Fischer www.katrinfischer.de ViSdP BUND Kreisverband Frankfurt Ausgabe Nr. 2 – 2015 Herausgeber BUND Kreisverband Frankfurt Rotlintstraße 36 D - 60316 Frankfurt am Main geschaeftsstelle@bund-frankfurt.de Telefon +49 – 69 – 67 70 09 46

Anke Proft und Simone Heinz von der Grünen Liga Osterzgebirge e.V., sowie Stefanie Reim, Staatsbetrieb Sachsenforst: 8, 10 Abb. 1–4, 12/13 Abb. 1–3 Anne-Frank-Grundschule in Lüneburg: 84 Abb. 1 Grundschule Bardowick: 84 Abb. 2 Carl-Stahmer-Hauptschule in Georgsmarienhütte: 84 Abb. 3, 86 Abb. 1 Grundschule am Moritzberg in Hildesheim: 86 Abb. 2

BUND Frankfurt-Magazin »Großstadtgrün«

Haftung und Haftungsausschluss Haftung für Verweise und Links Es wird darauf hingewiesen, dass Links von den Seiten des BUND Frankfurt-Magazins »Großstadtgrün« zu externen Anbietern führen. Sobald diese angeklickt werden, verlassen Sie das redaktionelle Angebot des BUND Frankfurt. Für die externen Inhalte und Angebote übernimmt der BUND Frankfurtkeine Verantwortung, vielmehr unterliegen sie der Haftung der jeweiligen Anbieter. Dies gilt auch für die Rechtmäßigkeit oder die Erfüllung von Urheberrechtsbestimmungen der verlinkten Seiten sowie für deren Aktualität. Durch eine Verlinkung auf externe Seiten macht sich der BUND Frankfurt diese nicht zu Eigen. Vielmehr dienen die Links und Inhalte dem Informationsaustausch und begründen keine geschäftliche Beziehung irgendeiner Art. Der BUND Frankfurt distanziert sich ausdrücklich von eventuell rechtswidrigen Inhalten der verlinkten Seiten. Der Inhalt der Seiten wird nur zum Zeitpunkt der Aufnahme geprüft.

Haftungsausschluss Der Inhalt des BUND Frankfurt-Magazins »Großstadtgrün« wurde sorgfältig geprüft und bearbeitet, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Redaktion sowie der BUND Frankfurt übernehmen keinerlei Gewähr für Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Des Weiteren übernehmen der BUND Frankfurt sowie die Redaktion keine Verantwortung für Handl-ungen, die durch Inhalte des Magazins angestoßen wurden. Außerdem behalten sich die Redaktion sowie der BUND Frankfurt ausdrücklich vor, Teile der Seiten oder das gesamte Angebot ohne gesonderte Ankündigung zu verändern, zu ergänzen, zu löschen oder die Veröffentlichung einzustellen.

125 Ökonomie

Überschrift

von Autor

126 Ă–konomie