Der Wille zum aufrechten Gang

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Die Opferrente für Frau P. T. wurde abgelehnt, wegen Erwerbslosigkeit erhielt sie jedoch eine Unterhaltsrente.582 Ähnlich wie in dem bereits dargelegten Fall des Salzburger Psychiaters Univ.-Prof. Dr. Gerhart Harrer fehlte offenbar auch dem ehemaligen SS-Mitglied Dr. Kurt Zeman das nötige Verständnis und erforderliche Einfühlungsvermögen für die Situation der ehemaligen NS-Verfolgten, die nun abermals die Leidtragenden waren.

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OF-Wien, 101/55.

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12. Der „Spiegelgrund“, der Fall Gross und der BSA In Bezug auf die Reintegration der ehemaligen Nationalsozialisten ist der Fall des seinerzeitigen NS-Kindereuthanasiearztes Dr. Heinrich Gross der bekannteste und zugleich gravierendste für den BSA. Durch den Fall Gross erwuchs dem BSA seitens der kritischen Öffentlichkeit und insbesondere seitens der Medien ein enormer Imageschaden. Deshalb geht es uns in diesem Kontext in erster Linie um die Klärung der Frage, wie Heinrich Gross in den BSA gelangen konnte. Da wir uns in diesem Kapitel auf die Aspekte seiner BSA-gestützten Karriere und auf den Umgang des BSA mit dem Fall Gross konzentrieren, soll zunächst der Werdegang des NS-Kindereuthanasiearztes in Form einer tabellarischen Chronologie überschaubar dargestellt werden: Chronologische Darstellung des Falles Dr. Heinrich Gross583 14. 11. 1915 in Wien geboren 1932 HJ-Mitglied · 1933 Beitritt zur SA (SA-Sturmabteilung Nr. 13/99, April 1933 Scharführer) · 1934 SA-Sturm 21/4 · 1935 Bezirksschulungsführer · 1936 Sturmbannschulungsführer · 1937/38 Besuch der Brigadeführerschule · April 1937 Oberscharführer · Januar 1938 Truppführer des Sturms 11/81. 583 Quellen: Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Volksgericht gegen Dr. Heinrich Gross, Geschäftszahl Vg 1a 1601/48 Hv 128/50, 29. 3. 1950; Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in der Strafsache gegen Dr. Werner Vogt, Geschäftszahl 6b E Vr 1001/79–30, 30. März 1981; Sachverhaltsdarstellung von OSTR. Prof. Mag. Waltraud Häupl, 18. November 1997; Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien gegen Dr. Heinrich Gross, Geschäftszahl 23 b Vr 12100/97, 16. 4. 1999; BSA-Mitgliederkartei, Archiv BSA Wien. Literatur siehe: Matthias Dahl, Endstation Spiegelgrund: Die Tötung behinderter Kinder während des Nationalsozialismus am Beispiel einer Kinderfachabteilung in Wien 1940–1945, Diss., Göttingen 1996; Johann Gross, Spiegelgrund. Leben in NS-Erziehungsanstalten, Wien 2000; Wolfgang

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