Yanis Varoufakis in Vienna

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YANIS VAORIUFAKIS MONEY AND POWER. Flooding Europe with Democracy November 4 2015, Vienna University of Economics and Business



Popstar der Linken brilliert über sein Scheitern

Foto: APA/EPA/ROBERT JAEGERAls

Vortragender tourt der Grieche durch die Welt.

Varoufakis: Als Finanzminister an den Gläubigern zerschellt, als Vortragender für die Linken ein Held.

Konrad Kramar 04.11.2015, 21:50 Heuschrecken und Ameisen aus einer antiken griechischen Fabel hatte er mitgebracht, um das Scheitern der Eurozone zu erklären. Dazu gab es Kanarienvögel, Margaret-Thatcher-Zitate und zuletzt einen sehr düsteren Ausblick in die Zukunft: "Entweder die EU wird demokratischer, oder sie schafft sich selbst ab." Yanis Varoufakis, Griechenlands an den Gläubigern zerschellter Finanzminister, führte in Wien vor, wie anschaulich und unterhaltsam er seine Version der Griechenland-Krise schildern kann. Vor einem bis zum letzten Platz gefüllten Audimax an der Wirtschaftsuniversität legte er dar, wie Europa die ganze Krise über nichts anderes gemacht hatte, als zu "täuschen und weiterzumachen". Der Ökonom mit dem Hang zum Popstar führte vor, wie die Banken ihre Gelder Griechenland quasi aufgezwungen hätten, nur um sie sich nachher über den Umweg angeblicher Hilfspakete für


Griechenland wieder zurückzuholen. All die Institutionen, die Europa in der Krise auf den Plan gerufen habe, seien "lediglich dem Namen nach Reformen, nicht aber in ihrem Wesen". "Der Europäische Instabilitäts-Mechanismus", "die Europäische Dezentralisierungs-Bank", die "Banken Nicht-Union": Es waren keine neuen Feindbilder, keine neuen Vorwürfe, die er vortrug, aber sie waren pointiert präsentiert und mit kühnen Formulierungen und Vergleichen nur so gespickt. "In ein Irrenhaus würden sie mich werfen, hätte ich Ähnliches vorgeschlagen", kanzelte er die Strategie der EU gegenüber Griechenland ab, nicht ohne dabei seine eigene Rolle in den "Brüsseler Korridoren der Macht" ins Spiel zu bringen: "In Europa muss man wohl ein radikaler Linker sein, um vernünftige konservative Wirtschaftspolitik vorzuschlagen." Griechenland sei nur das Frühwarnsystem für das Scheitern der Eurozone und mit ihr der EU gewesen. Man könne nicht an Regeln festhalten, die niemandem mehr dienten. Für ihn als Wirtschaftsforscher, verwies Varoufakis auf seine akademische Karriere, sei es "ein Albtraum, wenn man als Erklärung immer nur bekommt, dass das eben schon immer so gewesen ist." Stilisiertes Scheitern Mehrfach rückte er sein Scheitern in den Mittelpunkt, stilisierte es zu einer heroischen Entscheidung, dass er sich weigerte, die Forderungen der Gläubiger zu unterschreiben, und schilderte die Brüsseler Welt, die er mit dieser Nicht-Unterschrift in einem dramatischen Abgang verlassen habe, als "Bürokraten, für die Demokratie zu nichts anderem dient, als jene Entscheidungen absegnen zu lassen, die man bereits vorher getroffen hat". Und weil sich Varoufakis gerne großer Vergleiche und Namen bedient, musste auch für die mangelnde Demokratie in Brüssel die klassische Antike herhalten. Die Entscheidungsträger der EU seien geprägt, "von einer zutiefst platonischen Verachtung für Demokratie". Varoufakis will zurück in die Politik, daraus macht der 54-Jährige kein Geheimnis. Weniger in Griechenland. Ein europäisches Netzwerk will er gründen. Wie das konkret aussehen soll, ist – wie so oft bei Varoufakis – noch unklar. Vorerst einmal sorgte der brillante Rhetoriker dafür, dass es sich bestechend anhört.


Varoufakis in Wien: "Es gibt keine Europäische Union"

Bild: (c) APA/EPA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)

Großer Andrang bei Besuch des griechischen Ex-Finanzministers in Wien. Nach tausenden Anmeldungen sperrte die WU Extra-Räume auf. 04.11.2015 | 20:41 | (DiePresse.com) Griechenlands Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis ist bei einem Besuch in Wien hart mit der KrisenPolitik der EU-Staaten ins Gericht gegangen. "Eine Europäische Union wäre eine großartige Idee aber wir haben keine", sagte Varoufakis am Mittwochabend vor hunderten Zuhörern in der Wirtschaftsuniversität. Die gegenwärtigen Institutionen seien in der Finanzkrise am Schutz der Union gescheitert. Der griechische Ex-Finanzminister tourt seit Wochen für Vorträge durch Europa. Auch in Wien wurde dem studierten Ökonomen ein begeisterter Empfang bereitet. Nach tausenden Anmeldungen sperrte die WU auch Nebenräumen auf, um Schaulustigen per Video-Stream das Verfolgen des Vortrages zu ermöglichen.


"Schock-Absorber vergessen" In seinem Vortrag verglich Wirtschaftsprofessor Varoufakis die Eurozone mit den USA und kritisierte, bei der Gründung der gemeinsamen Währung seien die "Schock-Absorber" vergessen worden, die den Ausgleich zwischen ärmeren und reicheren Staaten möglich machen. In der Finanzkrise 2008 habe dies furchtbare Konsequenzen gehabt: Staaten wie seine Heimat Griechenland seien, statt den Gürtel enger zu schnallen, gezwungen worden, immer mehr Schulden aufzunehmen. Zugleich sei es nicht möglich gewesen, wie vor dem Euro, die eigene Währung abzuwerten. Die Regeln müssten darum geändert werden, plädierte Varoufakis. "Traumatische Periode für Griechenland" Über seinen früheren Kampfgefährten, Regierungschef Alexis Tsipras, will er nicht schlecht reden. "Ich könnte nie ein schlechtes Wort über ihn verlieren", sagte Varoufakis. Die Verhandlungen mit der Eurozone und sein Rücktritt im Juli seien eine "traumatische Periode" gewesen, betonte Varoufakis. Ein weiteres Bail-Out Griechenlands im Austausch für weitere Sparmaßnahmen anzunehmen, sei "eine wirklich harte Entscheidung", sagte der Ökonom. Er sei zwar anderer Meinung als Tsipras, aber dieser habe gute Argumente für sein Vorgehen gehabt. Varoufakis saß bis zur Parlamentswahl im September für Tsipras' Linkspartei Syriza im Parlament. Er zeigt sich seither wiederholt mit dem Kurs der Partei unzufrieden, schloss sich aber nicht einer Abspaltung des linken Flügels in der neugegründeten Partei Volkseinheit an. (APA)


Bruno Kreisky Forum

Varoufakis begeistert in Wien Von WZ Online, APA  

Griechenlands Ex-Finanzminister kritisierte das Vorgehen Europas in der Finanzkrise.

Der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in einer Podiumsdiskussion an der WU Wien im Rahmen des Bruno Kreisky Forums.© APAweb / epa, Robert JägerDer Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in einer Podiumsdiskussion an der WU Wien im Rahmen des Bruno Kreisky Forums. © APAweb / epa, Robert Jäger

Griechenlands Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis ist bei einem Besuch in Wien hart mit der Krisen-Politik der EU-Staaten ins Gericht gegangen. "Eine Europäische Union wäre eine großartige Idee - aber wir haben keine", sagte Varoufakis am Mittwochabend vor hunderten Zuhörern in der Wirtschaftsuniversität. Die gegenwärtigen Institutionen seien in der Finanzkrise am Schutz der Union gescheitert. Der griechische Ex-Finanzminister tourt seit Wochen für Vorträge durch Europa. Auch in Wien wurde dem studierten Ökonomen ein begeisterter Empfang bereitet. Nach tausenden Anmeldungen sperrte die WU auch Nebenräumen auf, um Schaulustigen per Video-Stream das Verfolgen des Vortrages zu ermöglichen.


Plädoyer für eine Änderung der Regeln In seinem Vortrag verglich Wirtschaftsprofessor Varoufakis die Eurozone mit den USA und kritisierte, bei der Gründung der gemeinsamen Währung seien die "Schock-Absorber" vergessen worden, die den Ausgleich zwischen ärmeren und reicheren Staaten möglich machen. In der Finanzkrise 2008 habe dies furchtbare Konsequenzen gehabt: Staaten wie seine Heimat Griechenland seien, statt den Gürtel enger zu schnallen, gezwungen worden, immer mehr Schulden aufzunehmen. Zugleich sei es nicht möglich gewesen, wie vor dem Euro, die eigene Währung abzuwerten. Die Regeln müssten darum geändert werden, plädierte Varoufakis Kein schlechtes Wort über Tsipras Varoufakis möchte nicht schlecht über seinen früheren Kampfgefährten, Regierungschef Alexis Tsipras, reden. "Ich könnte nie ein schlechtes Wort über ihn verlieren", sagte er. Die Verhandlungen mit der Eurozone und sein Rücktritt im Juli seien eine "traumatische Periode" gewesen, betonte Varoufakis. Ein weiteres Bail-Out Griechenlands im Austausch für weitere Sparmaßnahmen anzunehmen, sei "eine wirklich harte Entscheidung", sagte der Ökonom. Er sei zwar anderer Meinung als Tsipras, aber dieser habe gute Argumente für sein Vorgehen gehabt. Varoufakis saß bis zur Parlamentswahl im September für Tsipras' Linkspartei Syriza im Parlament. Er zeigt sich seither wiederholt mit dem Kurs der Partei unzufrieden, schloss sich aber nicht einer Abspaltung des linken Flügels in der neugegründeten Partei Volkseinheit an.


Linksparteien in Europa: Die Saat der Sparmeister geht auf ANDRÁS SZIGETVARI4. November 2015, 08:00

Trotz Krise und Austeritätspolitik war die Politlandschaft lange stabil. Nun leben neben rechten auch linke Bewegungen auf

Wien – Es ist eine Ironie der Geschichte. Aus Sicht der Linksparteien Europas wurde aller Welt vor wenigen Tagen ein für alle Mal vor Augen geführt, was für ein autoritärer Klub die Eurozone ist. Aber es war kein Finanzpolitiker aus Berlin und kein Zentralbanker aus Frankfurt, der diesen Beweis erbrachte. Es war ein 76 Jahre alter Portugiese. Anibal Cavaco Silva, Portugals Staatschef, hat sich vor knapp zwei Wochen geweigert, ein Linksbündnis mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Das aus drei Parteien bestehende Bündnis, angeführt vom Sozialdemokraten António Costa, verfügt über eine Mehrheit im Lissaboner Parlament. Doch in einer Fernsehrede sagte Präsident Silva, er werde keine Kraft beauftragen, die den Fiskal- und Stabilitätspakt außer Kraft setzen will, der Europas Ländern vorschreibt, nicht zu viel Geld auszugeben. Um einen Konflikt mit Brüssel und den Finanzinvestoren Portugals abzuwenden, sollten die Konservativen eine Minderheitsregierung bilden, sagte der Präsident. Investorenschreck Wer der Investorenschreck ist? Na zum Beispiel die 41-jährige Catarina Martins. Die gelernte Schauspielerin ist die Sprecherin des "Linksblocks". Diese außerhalb Portugals noch kaum bekannte Partei konnte ihre Stimmenanteile bei den Wahlen im Oktober auf zehn Prozent verdoppeln und damit mehr zulegen als jede andere Kraft. Im linken Lager ist der Block nun der Königsmacher.


Damit verfestigt sich in Portugal ein Trend; erstmals seit dem Krisenausbruch 2008 konnten in den vergangenen Monaten radikal linke Parteien und Politiker Wahlerfolge feiern. In Griechenland gewann Syriza zweimal die Parlamentswahlen. In Spanien feierte Podemos bei den Regionalwahlen im Mai Erfolge. In Großbritannien hat der Parteilinke Jeremy Corbyn die Wahlen für die Labour-Leadership fulminant gewonnen. Aber was haben die Linken gemein – sind sie Teil eines Phänomens? Krise im Fokus Linksblock, Syriza und Podemos verbinden die politischen Erfahrungen im Süden Europas in den vergangenen Jahren. Im Fokus der Wahlkämpfe steht die Krise: Arbeitslosigkeit, Armut, Wohnungsnot. Alle drei Parteien lehnen den Sparkurs in der Eurozone ab und kritisieren das angeblich fehlende Demokratieverständnis der Eliten in Europa, insbesondere in Berlin. Das ist auch das Leitthema des früheren griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis, der gerade durch Europa tourt, um eine paneuropäische Linkspartei zu schaffen. Heute, Mittwoch, diskutiert er über seine Pläne im Wiener Kreisky-Forum.


reuters

Am Mittwoch diskutiert Yanis Varoufakis im Wiener Kreisky-Forum über die Idee einer paneuropäischen Linkspartei. Im Fokus der Kritiker steht auch die Europäische Zentralbank (EZB), weil sie sich politisch in den vergangenen Jahren eingemischt hat, etwa in Griechenland. Die neuen Linken verbindet aber noch ein Aspekt: Podemos und Syriza profitieren von starken Bündnissen mit Organisationen außerhalb der Politiklandschaft, sagt Christos Katsioulis, der die SPD-nahe Friedrich-EbertStiftung in Athen leitet. Wichtige Bündnisse In Griechenland habe Syriza eine enge Verbindung zu einer Vielzahl von Vereinen und NGOs aufgebaut, das Spektrum reicht von Sozialmärkten bis hin zu Sozialkliniken. "Sie waren überall dort präsent, wo der Staat nachließ", sagt Katsioulis. "Das hat sie glaubhaft gemacht." Die starke Verbindung zur Basis ist auch für Corbyns Triumph symbolisch: Sein Wahlkampf hat zu 15.000 Labour-Neueintritten geführt. Dass die neuen Linken bei der Basis gut ankommen, hat laut Katsioulis auch damit zu tun, dass sie sich als Anti-Establishment-Kräfte präsentieren. Das geht in jenen Ländern leicht, die direkt von der Krise getroffen wurden. Sozialdemokraten und Konservative gelten bei Wählern in Spanien, Griechenland und Portugal als Mitschuld am Wirtschaftsfiasko. Die Anti-Establishment-Rolle hat auch eine Kehrseite: Was, wenn man in Regierungsverantwortung kommt? In Griechenland hat Syriza das Problem mit einem Trick gelöst, sagt Katsioulis. Die Regierung in Athen setze zwar das Sparprogramm seiner ausländischen Gläubiger um. Doch politisch betont die Partei weiterhin, gegen die Auflagen von außen kämpfen zu wollen. Syriza kann also seine Oppositionsrolle nach wie vor kultivieren. Die wahre Bewährungsprobe steht Syriza aber erst in den kommenden Wochen bevor, wenn entschieden wird, ob der den Wählern versprochene Schuldenschnitt auch kommt. Gefahr der Implosion


Die Herausforderungen für die neuen Linken sind aber nicht nur in Regierungen groß. Politische Bewegungen, die schnell wachsen, implodieren oft ebenso rasch. Meist ist die organisatorische Überforderung verantwortlich. Dieses Risiko sieht Giorgos Chondros, der dem Zentralkomitee der Syriza angehört, bei der griechischen Linkspartei nicht: Syriza ist aus dem Zusammenschluss mehrerer alter Parteien entstanden. Man verfüge also über erfahrenes Personal und genügend Tradition, um nicht auseinanderzufallen. Auch der frühere KPÖ-Chef in Österreich, Walter Baier, der ein Buch über die neuen Linksbewegungen verfasst hat (Linker Aufbruch in Europa?), sieht die Parteien gut verankert. Wenn, dann rechnet er nur bei Podemos als "wirklich neuer Bewegung" ohne Erfahrung mit Problemen. (András Szigetvari, 4.11.2015)


Varoufakis warnt vor neuem GriechenlandCrash

Foto: APA/ROBERT JAEGERDer

"Star der Linken" war in Wien.

Ex-Finanzminister in Wien: "Schäuble weiß, dass Programm zum Scheitern verurteilt ist". 05.11.2015, 11:18 Griechenlands Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis hat in Wien vor einer Verschlimmerung der wirtschaftlichen Lage in seiner Heimat gewarnt. "In sechs Monaten wird es schlimmer sein als jetzt", sagte Varoufakis am Donnerstag zu Journalisten. Er verwies dabei auf fehlende Investitionen, steigende Steuerlast und Abwanderung in dem Mittelmeer-Land.

"Niemand darf Autorität der Troika anzweifeln" Schuld daran ist aus seiner Sicht die Auflagen der Gläubiger für Griechenland, die dem Land unter Führung des deutschen Finanzministers auferlegt wurden. "Wolfgang Schäuble weiß, dass dieses Programm zum Scheitern verurteilt ist", erklärte der 54-jährige Wirtschaftswissenschafter. Den EU-Institutionen und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), vormals als Troika bekannt, gehe es nicht darum, die "griechische Wirtschaft zu stabilisieren, sondern diejenigen niederzuzwingen, die es wagen, die Autorität der Troika anzuzweifeln".


Das zeige sich etwa an der Vereinbarung mit der Regierung, die griechische Unternehmen verpflichten sollte, Steuern im November für das ganze Jahr 2016 im Voraus zu zahlen. "Das macht man nur mit einem Land mit einer kaputten Wirtschaft, wenn man einen Crash herbeiführen will", sagte Varoufakis.

Neue Krisenpolitik Varoufakis unterbreitete in Wien erneut seine Vorschläge für eine neue Krisenpolitik. Die Europäische Zentralbank (EZB), die derzeit mit 60 Milliarden Euro im Monat die Staatsschulden der Euroländer aufkaufe, solle das Geld stattdessen lieber in neue Infrastrukturprojekte investieren. Die Europäische Investitionsbank (EIB) müsse direkt von der EZB Geld erhalten, um kapitalintensive neue grüne Technologien und neue Infrastruktur zu finanzieren. Dies werde letztlich helfen, der schwächelnden Nachfrage in Europa auf die Sprünge zu helfen. Grund für ein Scheitern solcher Vorschläge sei jedoch der lange schwelende Streit zwischen Deutschland und Frankreich über die Ausrichtung der gemeinsamen Wirtschaftspolitik, sagte Varoufakis. "Und Griechenland ist der Kollateralschaden davon."


Varoufakis: Der Ökonom und Wunderheiler ANDRÁS SZIGETVARI5. November 2015, 16:21

Yanis Varoufakis, der streitbare Ex-Finanzminister aus Griechenland, tourt durch Europa. Aber was will er?

Wien – Das Gedränge beim Einlass war gewaltig. Der Vortrag begann mit Verspätung, er dauerte mehr als zwei Stunden, bis kurz vor 22 Uhr. Aber viele der Zuhörer hatten noch immer nicht genug. Yanis Varoufakis, der ehemalige griechische Finanzminister, ist umringt von dutzenden zumeist junger Leute. Sie diskutieren mit ihm, stellen Fragen, einige wollen einfach nur schnell ein Foto mit ihm machen. In den Zeitungen wurde Varoufakis in den vergangenen Monaten immer wieder als "Popstar" der Politik bezeichnet. Wer beobachtet, wie die Menschen den Griechen nach seinem Vortrag am Mittwochabend im Audimax der Wirtschaftsuniversität Wien umringen, kann nachvollziehen, warum. Dabei hatte Varoufakis zumindest an diesem Abend so rein gar nichts mit einem Entertainer gemein, bei seinem Auftritt in Wien zog der frühere Finanzminister keine Show ab. Er sprach zwei Stunden lang nur über staubtrockene wirtschaftspolitische Themen. Wechselkurse, Europäische Zentralbank, Euro-Rettungsschirm. Doch der Grieche tat das prägnant und mit vielen Anekdoten, ganz im Stile eines US-amerikanischen Uniprofessors – er unterrichtete jahrelang in Austin. Das brachte Varoufakis am Ende schließlich auch die Standing Ovations der mehreren hundert Zuhörer ein. Wohin steuert der Grieche? Aber welches Ziel verfolgt der 54-Jährige eigentlich? Der Ökonom tourt seit seinem Rücktritt im Sommer unentwegt durch Europa. Cambridge, London, München, Coimbra (Portugal) und jetzt Wien – und das sind nur seine Ziele aus den vergangenen zwei Wochen. Das erste Anliegen des Ökonomen ist es, die Sicht der Menschen auf die Krise zu verändern. Nicht verschwenderische Griechen, Portugiesen und Spanier sind schuld am Wirtschaftskollaps, sondern Baufehler der Eurozone, wird Varoufakis nicht müde zu wiederholen. Die Griechen kaufen seit jeher mehr Maschinen und Pkw aus Deutschland, als sie Schafskäse und Oliven in der Bundesrepublik absetzen. Das gilt auch für Spanien und Portugal.


foto: ap/daniel ochoa de olza

Liebling der Medien: Yanis Varoufakis.

Deshalb fließt Kapital aus dem Süden in den Norden. Das Geld landete auf Konten in Frankfurt und Berlin. Mit der Euroeinführung wurde die grenzüberschreitende Kreditvergabe spielend leicht und profitabel. Weil saftige Gewinne vor allem in Südeuropa zu holen waren, investierten die Banker aus Deutschland das Geld wiederum in den Süden. Das billige Kapital finanziert den Bauboom in Spanien und Griechenland. Als diese Blase platzte, begann die Eurokrise. Das vergiftete Klima beenden Varoufakis zeichnet dieses Bild der Krise, weil er damit das vergiftete Klima zwischen Deutschen und Griechen, zwischen Norden und Süden verbessern möchte, wie er sagt. Der Ex-Politiker sucht dazu auch den Kontakt zu Medien: Fast täglich erscheinen Interviews mit ihm. Dabei ist das Verhältnis zu Journalisten seit seinem Amtsantritt im Jänner 2015 im griechischen Finanzministerium problematisch. Journalisten lieben ihn, weil er Quote bringt. Zugleich wird er oft attackiert. Erst von wenigen Tagen erschien im "Telegraph" und in der "Times" eine Geschichte, wonach Varoufakis 60.000 US-Dollar und mehr für Vorträge verlange. Er publizierte daraufhin eine Liste, die wieder für Schlagzeilen sorgte, weil Varoufakis für ein Interview im italienischen Fernsehen 24.000 Euro kassiert hatte. Dass er sich von 25 Gastauftritten nur fünf bezahlen ließ, ging unter. Während die ökonomische Analyse des Griechen fundiert ist, ließe sich an seinen politischen Schlussfolgerungen so manches bemängeln. Dass Länder wie Griechenland, Portugal und Spanien verarmen konnten, liegt laut Varoufakis daran, dass Europa ein Mechanismus fehle, um das Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd auszugleichen. Dass dieser Mechanismus fehlt, sei wiederum eine Folge der mangelnden Demokratie. In Europa regieren Technokraten: Wichtige Institutionen, eben wie die EZB, werden nicht von Parlamenten, sondern von Bürokraten kontrolliert. Wer aufmuckt wie die Griechen, wird von der Eurogruppe, einer intransparenten Schattenregierung, zerstampft.


Eine neue Bewegung aufbauen Varoufakis arbeitet deshalb daran, ein paneuropäisches Netzwerk aufzubauen: Er will über Grenzen hinweg eine linke Bewegung formieren, die für eine Demokratisierung in Europa und gegen die Austeritätspolitik kämpft. Linkspolitiker wie der deutsche Oskar Lafontaine oder der Sozialist und frühere französische Industrieminister Arnaud Montebourg unterstützen ihn bereits. Bis zum Jahreswechsel soll die Allianz über ein politisches Programm verfügen.

foto: apa/epa/etienne laurent

Oskar Lafontaine unterstützt Varoufakis bereits. Dass ein ausgearbeitetes Konzept fehlt, hat man auch bei der von Buchautor Robert Misik geleiteten Debatte in Wien gemerkt. Ein Beispiel: Varoufakis beklagt, dass die Syriza- Regierung in die Knie gezwungen wurde. Dabei habe die griechische Bevölkerung im Juli doch mit deutlicher Mehrheit gegen den Sparkurs gestimmt. Aber wer sagt, dass ein demokratischerer Prozess ein anderes Ergebnis gebracht hätte? Lücken im Programm Was, wenn nicht die Eurofinanzminister entschieden hätten, sondern ein europaweites Referendum über den Umgang mit Griechenland stattgefunden hätte, indem die klare Mehrheit für volle Härte gegenüber Hellas plädiert hätte? Es ließe sich argumentieren, dass die Regierungen in Deutschland, den Niederlanden, Spanien und Finnland in ihrer Strategie gegenüber Griechenland durchaus voll den Wählerwillen trafen. Das würde aber bedeuten: Die repräsentative Demokratie funktioniert eigentlich ganz gut in Europa. Die spannendste Frage, die Varoufakis aufwirft, ist, wie man so etwas wie eine paneuropäische Öffentlichkeit und Medienwelt in Europa schaffen kann, die eben nicht nur in nationalen Interessenkategorien und Schubladen denkt. Nur kann der Grieche diesen Punkt nicht beantworten. Er würde an dieser Stelle vermutlich entgegnen: Eine spannende akademische Diskussion beginnt immer mit einer Frage. (András Szigetvari, 5.11.2015)


Varoufakis in Wien: „Es wird noch schlimmer für Griechenland“

Bild: (c) APA/EPA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)

Der griechische Ex-Finanzminister sieht sein Land als Opfer eines wirtschaftsideologischen Konflikts zwischen Deutschland und Frankreich. 05.11.2015 | 18:36 | Wolfgang Böhm und Duygu Özkan (Die Presse)

Wien. Verlässlich. Dieses Wort passt nach Einschätzung mancher politischer Gegner nicht zu Yanis Varoufakis. Aber er ist es. Er kommt fast pünktlich zum vereinbarten Frühstück ins Café Korb, hat das gleiche Outfit an wie bei den Verhandlungen in Brüssel: Hochgestellter Sakko-Kragen, darunter einen roten Streifen am Revers, schwarzes Hemd. Und er spielt seine Hits so wie am Vortag vor hunderten Zuhörern im Audimax der Wirtschaftsuniversität. Varoufakis ist verlässlich. Er übt Kritik an der Austeritätspolitik und lässt einen Seitenhieb auf Deutschlands Finanzminister, Wolfgang Schäuble, los. „Er wacht jeden Tag auf, geht am Abend schlafen und träumt dabei noch immer vom Grexit.“ Seinem Land, Griechenland, sagt Varoufakis keine rosige Zukunft voraus.


„Griechenland ist genau dort, wo es vor fünf Jahren war.“ Und: „Es wird noch schlimmer als jetzt.“ Die Abwärtsspirale werde sich fortsetzen. „Oder würden Sie in ein solches Land investieren?“ Die Abgehobenheit ist zu seinem Markenzeichen geworden, so wie der aufgestellte Kragen. Und doch kann der ehemalige griechische Finanzminister, der sich diese Woche auf Einladung des Kreisky-Forums in Wien aufhielt, auch überraschen. „Wolfgang Schäuble weiß, dass dieses Programm nicht funktionieren kann“, behauptet er. Und auch Griechenlands Premier, Alexis Tsipras, selbst, ehemaliger Weggefährte Varoufakis', halte den Plan, den er „nach 17 Stunden in einem geschlossenen Raum“ unterschrieben habe, für undurchführbar. Bei all den Gesprächen sei Griechenland nicht wirklich im Mittelpunkt gestanden, sondern die Auseinandersetzung zwischen Frankreich und Deutschland um die Zukunft der Eurozone. „Griechenland war nur der Kollateralschaden.“ Es ging um zwei unterschiedliche Wirtschaftsideologien. Auf wessen Seite Varoufakis dabei selbst steht, darüber lässt er keinen Zweifel. Er hat die Vision eines großen Investitionsprogramms für ganz Europa. Statt Staatsanleihen sollte die Europäische Zentralbank (EZB) Bonds erwerben, mit denen die Wirtschaft stimuliert würde. Dem stehe aber Deutschlands Austeritätspolitik entgegen. „Berlin ging es darum, einen Teil Europas bewusst abstürzen zu lassen, um eine gewisse Politik in anderen Teilen Europas möglich zu machen.“ Gern schweift er ins Wirtschaftstheoretische ab, erzählt von seinen gemeinsamen Plänen mit dem US-Ökonomen Jeffrey Sachs für einen „Green Deal“, eine nachhaltige Wirtschaftspolitik. Gemeinsam hätten sie auch Reformen für Griechenland entwickelt. „Ich habe sie Schäuble vorgelegt, Lagarde (IWF-Chefin, Anm.) und vielen Vertretern in der Euro-Gruppe. Aber da war nur Schweigen.“ Sein Mundwinkel zuckt: „Und gleichzeitig versuchten sie den Medien zu vermitteln, dass die Griechen keine Pläne haben.“

Versuchslabor Griechenland Nach all den langen Sitzungen in geschlossenen Räumen habe er auch das gelernt: Würden die Sitzungen der Euro-Gruppe live übertragen – es wäre vieles nicht geschehen. Transparenz würde die EU stärken, denn die „Entscheidungen im Dunkeln sind auch ökonomisch nicht erfolgreich“. Beispielhaft für die europäische Krise stehe heute die Flüchtlingsfrage, die alle Mitgliedstaaten mit einer Schrebergartenmentalität zu bewältigen versuchten. Griechenland gehört zu den am meisten betroffenen Ländern, hat sich aber lange Zeit von Brüssel im Stich gelassen gefühlt. Während der Gespräche in der Euro-Gruppe „war die Situation der Flüchtlinge kein Thema“. Mit humanitären Fragen dürfe man politisch nicht dealen, sagt Varoufakis – wohl wissend, dass die Union derzeit mit der Türkei derartige Gespräche führt. Die langen Verhandlungsnächte wirken bei dem heute von linken Gruppen als Rebell gegen den Kapitalismus gefeierten Ex-Finanzminister noch immer nach – sich selbst bezeichnet er als einen liberalen Marxisten. Varoufakis erzählt von den unterschiedlichen Positionen zwischen EU-Kommission und EuroGruppe, von all der Verwirrung. Und von der Troika, „deren einzige Agenda es war, Griechenlands Regierung zu stürzen“. Nicht um die Stabilisierung der griechischen Krise sei es der Troika gegangen, sondern um ein Scheitern der linken Führung in Athen.


Er will aber auch klarstellen, dass es zwischen ihm und Schäuble keine Feindschaft gegeben habe. „Eine der traurigsten Erfahrungen war, dass unsere persönliche Beziehung in Wirklichkeit völlig anders war, als sie in den Medien dargestellt wurden. Meine Beziehung zu Schäuble war eine sehr angenehme. Vielleicht hat es sogar mehr Übereinstimmendes als Trennendes gegeben.“ Varoufakis nennt etwa den Abbau von Schulden. Wobei er freilich noch immer völlig andere Vorstellungen hat, wie diese reduziert werden sollten. Nicht über Einsparungen, wie das Schäuble fordert, sondern über die Auslagerung von allen Staatsschulden über der erlaubten Maastrichtgrenze von 60 Prozent in eine Bad Bank. Von Vergleichen der EU-Sorgenkinder Irland, Spanien, Portugal und Zypern mit Griechenland will der ehemalige Minister nichts wissen, zumal Länder wie Spanien mit immer noch hoher Arbeitslosigkeit seiner Ansicht nach nicht als Erfolgsbeispiele gelten dürften. Auch seien die Sparmaßnahmen in Griechenland weit radikaler gewesen als etwa in Portugal oder Irland, und: Athen habe elfmal mehr Einsparungen einzubringen wie Zypern: „Wir waren“, resümiert Yanis Varoufakis, „das Versuchslabor einer harten Austeritätspolitik.“ ("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2015)


ORF ZiB 2, 4.11.2015 Beitrag und Interview mit Armin Wolf http://tvthek.orf.at/program/ZIB-2/1211/ZIB-2/10910868/Varoufakis-haelt-Vortrag-inWien/10910873 

Varoufakis hält Vortrag in Wien Als Griechenlands Premierminister Tsipras nach dem Referendum ein neues Sparpaket für Griechenland akzeptiert hat, ist Finanzminister Yanis Varoufakis zurückgetreten. Seither tourt er als begehrter Vortragsredner durch Europa.

Interview mit Griechenlands Ex-Finanzminister Varoufakis Griechenlands Ex-Finanzminister Varoufakis spricht im Interview mit Armin Wolf darüber, was er sich von einer neuen europaweiten Partei erwarten würde, woran er als Finanzminister gescheitert ist und was er während seiner Zeit als Politiker gelernt hat.


PULS 4 NEWS, 4.11.2015

Yanis Varoufakis in Wien http://www.puls4.com/video/puls-4-news/play/2900726 Die Ikone der europäischen Linken ist heute in Wien zu Gast: Griechenlands streitbarer ExFinanzminister Yanis Varoufakis. Hier wirbt er für seine linken Ideen und ein Ende der Sparpolitik. Vor allem im Süden Europas erleben linke Parteien derzeit ein Hoch, aber auch in anderen Ländern feiern sie Erfolge.

PULS 4 NEWS, 8.11.2015

"Wie jetzt? PULS 4 fragt nach Liza Ulitzka begrüßt in "Wie jetzt? PULS 4 fragt nach" den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis. Gesprochen wird dabei nicht nur über vergangenes, sondern auch Erwartungen an die Zukunft. http://www.puls4.com/video/puls-4-news/play/2905720


Impressum: Š Fotos Daniel Novotny Bruno Kreisky Forum fßr internationalen Dialog, Armbrustergasse 15, 1190 Wien www.kreisky-forum.at


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