Leseprobe: Bibel für heute 2019 - ISBN 978-3-7655-0649-9

Page 1

Bibel für heute Die Bibellese für jeden Tag Kommentare – Anregungen Fragen – Impulse


Impressum Herausgeber: Matthias Büchle, Generalsekretär CVJM-Westbund e. V. Dr. Michael Diener, Präses Evangelischer Gnadauer Gemeinschaftsverband e. V. Karsten Hüttmann, 1. Vorsitzender Christival e. V. Hansjörg Kopp, Generalsekretär CVJM Deutschland e. V. Cornelius Kuttler, Leiter des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg Wieland Müller, 1. Vorsitzender Chrischona Gemeinschaftswerk Deutschland Dr. Christoph Rösel, Generalsekretär Deutsche Bibelgesellschaft Redaktion: Klaus Jürgen Diehl (NT-Texte), Uwe Bertelmann (AT-Texte) Quellennachweise: 21. März: Foto auf Seite 92: Shutterstock/Afrumgartz. 21. September: Aus: Romano Guardini, Der Herr. Betrachtungen über die Person und das Leben Jesu Christi. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh, 1964. 11. Oktober: Aus: Arno Pötzsch, Im Licht der Ewigkeit. Geistliche Lieder und Gedichte. Gesamtausgabe. Leinfelden-Echterdingen: Verlag Junge Gemeinde (20162). Erstellung des Bibelleseplans: Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen Ev. Werk für Diakonie und Entwicklung Caroline-Michaelis-Str. 1 10115 Berlin Bibelzitate folgen, wenn nicht anders vermerkt, der Lutherbibel revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

© 2018 Brunnen Verlag Gießen und CVJM Gesamtverband in Deutschland e. V. Umschlagfoto: Shutterstock Umschlaggestaltung: Jonathan Maul Foto auf S. 92: Shutterstock Satz: Uhl + Massopust, Aalen Druck: GGP Media GmbH, Pößneck ISBN Buch 978-3-7655-0649-9 ISBN E-Book 978-3-7655-7518-1 www.brunnen-verlag.de


Inhalt Vorwort (Uwe Bertelmann) ................................................... 7 Bibl. Einführungen (Friedhardt Gutsche) Das erste Buch Mose (Genesis, Kap. 1–11) ............................ 10 Der Brief des Paulus an die Römer ........................................ 30 Das erste Buch Samuel .......................................................... 67 Das Evangelium nach Matthäus ............................................ 110 Das zweite Buch Samuel ........................................................ 142 Der Brief des Paulus an die Philipper ..................................... 166 Die Sprüche Salomos (Kap. 10–24) ....................................... 181 Der Brief des Jakobus ............................................................ 199 Das Buch Hiob ...................................................................... 312 Der Prophet Nahum .............................................................. 334 Der Prophet Obadja .............................................................. 338 Der Prophet Jesaja (Kap. 40–55) ........................................... 350

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 2019 ................................ 389 Bibelstellen-Verzeichnis 2011–2019 ...................................... 393



Vorwort Liebe Leserinnen und Leser von Bibel für heute, „suche Frieden und jage ihm nach“ – ein hoher Anspruch, den die Jahreslosung aus Ps 34 (vgl. 24. März) da an uns stellt. Zumal es bei dem „Frieden“ ja auch gar nicht um einen aus pragmatischen Gründen geschlossenen Burgfrieden geht, noch weniger um das eiskalte Schweigen, das einkehrt, nachdem der Streit abgebrochen ist. Und erst recht nicht um das bloße Schweigen der Waffen. Es geht um Gottes Frieden, den Schalom – diesen tiefen, versöhnten Frieden, der von Gott herkommt und die ganze Welt umspannen will. Die Bibel spannt den Bogen vom Frieden im Garten Eden bis hin zur völligen Wiederherstellung von Gottes Schalom am Ende der Zeiten. Und sie will zeigen, wie dieser „Schalom“ in dieser Welt jetzt schon Realität werden kann, – wenn wir ihn suchen und ihm nachjagen. Umso irritierender sind vielleicht manche Passagen, in denen es um Krieg und Gottes Zorn geht, – z. B. die Samuelbücher, die in diesem Jahr gelesen werden, sind hier nicht immer nur erbaulich. Es geht allzu menschlich, oft auch kriegerisch zu – und oft ist auch Gottes Handeln nicht leicht zu verstehen. Aber mal ehrlich: Wäre es anders – würden wir dann nicht sagen, in der Bibel ist alles „Friede, Freude, Eierkuchen“? In der Bibel lesen wir von der Geschichte Gottes mit der Menschheit und der Welt. Real. Life. Ungeschönt. Und das ist gut so. Wir möchten Sie daher einladen, sich von den Bibeltexten herausfordern zu lassen und sind überzeugt, dass es den Auslegern dieses Jahr wieder gelungen ist, uns auch schwierige Texte nahezubringen. Mögen die Bibeltexte und die Auslegungen Ihnen helfen, dem Gott zu begegnen, der mit den Menschen der Bibel auf ihren manchmal krummen Pfaden unter­ wegs war, und dem „Schalom“ Gottes nachzujagen. Klaus Jürgen Diehl (Redaktion der Auslegungen des NT) Uwe Bertelmann (Redaktion der Auslegungen des AT) 7



Neujahr, 1. Januar

Psalm 8

Im neuen Jahr: Neu staunen lernen! ●●Wer kann das noch, staunen? Nicht schon alles wissen, analysieren, planen! Nicht errechnete Daten oder Umfragewerte bestimmen diesen Psalm, sondern Anbetung und Staunen. Ausgerechnet „aus dem Munde der kleinen Kinder“ errichtet Gott eine „Macht“, einen Schutzwall gegen seine Widersacher. Gottes Maßstäbe und Kräfte sind eben anders als unsere. Es ist möglich, dass mit den „Kindern und Säuglingen“ (V 3) auch die verfolgten und verspotteten Kinder Israels gemeint waren. Der Hebräerbrief ­(2,6-9) bezieht „des Menschen Kind“ (V 5) direkt auf „den Menschensohn“ Jesus Christus. ●●Dreifach (V 2.4.5) wird das anbetende Staunen zum Ausdruck gebracht: ➜➜„Wie herrlich ist dein Name …!“ Nicht einen erbärmlichen, sondern einen herrlichen Gott hat Israel. Er hat sich seinem Volk mit Namen offenbart. ➜➜„Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk“ – das Finger­ spiel deiner Hände … Ehrfürchtiges Staunen erfüllt heute noch manchen Wissenschaftler beim Erforschen des Weltalls. ➜➜„Was ist der Mensch (obwohl winzig), dass du dich seiner annimmst?“, – mich ganz persönlich kennst und umsorgst! „… der mich liebet, der mich kennt, und bei meinem Namen nennt“, heißt es in einem alten Herrnhuter Kinderlied. ●●Das Geheimnis des Menschen gründet in dem Geheimnis, dass Gott ihn beauftragt, die Welt zu beherrschen, allerdings wie ein verantwortungsvoller Herrscher. Dazu ist er von Gott „gekrönt“.

✎✎Vergleichen Sie die Aussagen von V 4-9 mit denen im Schöpfungsbericht 1Mose 1,26-28. Beide Bibelstellen stehen in engem Kontakt miteinander. Worin stimmen sie überein? Die Weite des Himmels weitet mein Herz, um dich zu loben, großer Gott. Die Tiefe des Alls bewegt mein Denken, dich anzubeten, herrlicher Gott. 9


Das erste Buch Mose (Genesis, Kap. 1–11) Die „Ur-Geschichte“ – wie alles entstand und sich entwickelte, und vor allem: wer der Initiator und Bewahrer dieser Welt und allen Lebens ist. „He’s got the whole world in his hands.“ „UrMenschlich“ – von menschlicher Bestimmung und Verfehlung, von menschlichem Können und Versagen: Davon handeln die ersten Kapitel der Bibel. Wer nach dem „Wohin“ und „Wozu“ fragt, muss von seinem „Woher“ wissen. Und so sind – wie wir alle – auch die Menschen der Bibel tief bewegt von der Frage nach unserer Herkunft, nach unse­ rem Ursprung, nach unserer Bestimmung und unserer Lebensaufgabe. Darum der hebräische Name „Bereschith“ (Am Anfang) bzw. die griechische Bezeichnung „Genesis“ (Entstehung) für dieses erste Bibelbuch. Gott, der Schöpfer, ordnet das Chaos, schafft Leben, sorgt für seine Geschöpfe und beruft den Menschen zu seinem Ebenbild sowie zum Gestalter und Bewahrer der Schöpfung (1+2). Doch das Misstrauen gegen Gottes Güte (3), der Neid andern gegenüber (4), eine abgründige Bosheit (6) und die „Großmannssucht“ der Menschen (11) führen auf eine schiefe, lebensgefährliche Bahn. Ohne Gottes Eingreifen würde alles Geschaffene wieder ins Chaos zurückfallen. Alle menschliche Verfehlung hat Folgen: Ausweisung aus dem Para­dies (3,14ff), ein ruheloses Leben (4,11-16), die Lebensgefährdung durch die Sintflut (7–8), die Sprachverwirrung und Auflösung der Menschengemeinschaft (11,7-9). Dennoch zeigt sich Gottes Gnade gerade auch mitten in all seinen Gerichten, seine bleibende Liebe zu den Menschen in allem Unheil (3,21; 4,15; 8,21-22; 9,117), ein fortwährendes segnendes Handeln an der ganzen Schöpfung (8,22; 9,1-17). Die vielen Geschlechtsregister zeigen diesen Segen Gottes in immer neuen Geburten. Gott will das Leben. Und so schenkt und bewahrt er Leben inmitten all unserer Verfehlungen und Lieblosigkeiten. Genau das gibt Vertrauen in diese Welt und Hoffnung auf Gottes Neuschöpfung. 10


Mittwoch, 2. Januar

1. Mose 1,1-13

Gott erschafft! ●●Das ganze erste Kapitel will uns deutlich machen, dass diese Welt, die Lebensumstände, ja das Leben selbst kein Zufall sind. ●●„Im Beginn …“ – Davor war nichts! Anders als die Umwelt der Israeliten erklärt die Bibel nicht Gottes Entstehung. Gott war ­immer da. Er setzt den Beginn, indem er aus Nichts Himmel und Erde geschaffen hat. ●●„Wüst und leer“ (V 2, wörtl. „Tohuwabohu“) – hat Gott ein Chaos geschaffen? Noch sieht man nicht, was daraus werden soll. Gott, der Schöpfer, strukturiert seine Schöpfung Stück für Stück: ●●Es ist Gottes Machtwort, das schafft – wie im NT, wenn Jesus Christus durch sein Wort sogar Tote zum Leben ruft (Joh 11,43). ●●Die Tierwelt (V 20ff) ist von der Pflanzenwelt abgehoben. Bei den Pflanzen heißt es: Nicht Gott schafft, sondern Gott gebietet der Erde, „aufgehen zu lassen“. Aber wie bei Tier und Mensch sind auch Gras, Kraut und Bäume mit „Samen“ beschrieben: Auch sie sollen fruchtbar sein und sich mehren (22). ●●Wie ist „Tag“ zu verstehen? Es gibt vier verschiedene Übersetzungen des hebr. Begriffes „jom“: ➜➜24-Stunden-Tag, ➜➜Tag im Sinn von tagsüber, ➜➜heilsgeschichtlicher Zeitraum und ➜➜eine Epoche der Schöpfung. Die Betonung „aus Abend und Morgen der erste Tag“ legt die Bedeutung der 24 Stunden nahe. Doch Gottes Wort will sein schöpferisches, alleinauslösendes Wirken in den Mittelpunkt stellen und dem Menschen helfen, Gott zu vertrauen. Deshalb steht am Beginn (V 1) „Gott erschafft!“

✎✎Gott hat diese Welt geschaffen. Heute geht es in unserem Abschnitt um Himmel und Erde, Licht und Finsternis, Meer und Land sowie die Pflanzen. Was bedeutet dies für Ihr ­Leben? 11


Donnerstag, 3. Januar

1. Mose 1,14-25

Gottes Schöpfung ist gut! ●●Noch ist die Schöpfung nicht zu Ende! Gestern beschäftigte uns der Anfang. Nun tauchen die Gestirne auf. Anders als bei den umliegenden Völkern sind sie keine Gottheiten. Im Gegenteil: Sie entstehen durch Gottes Befehl. Sie sind nichts als Zeichen für die Jahreszeiten, Tag und Nacht – nichts Göttliches, nur eine Uhr. Die Begriffe „machte“ (V 16) und „setzte“ (V 17) verstärken dies. Sie haben zu gehorchen, sie sind nur Gegenstände. Spannend ist der Ausdruck „machte“. Es ist nicht das „bara“ (schöpferisches, göttliches Schaffen), sondern „asa“ (machen, tun). Die Sonne war schon geschaffen (V 3) und hatte nur noch nicht durch die Wolkenmenge hindurchgeschienen. ●●Die Tiere jedoch werden deutlich von den Pflanzen, Gestirnen, Wasser und Land abgesetzt. Mit ihnen taucht wieder das göttliche „bara“ (schaffen) auf. Die Tiere erscheinen zuerst im Wasser und in der Luft. Erst dann geht es auf das Land über. Auch wenn die Schaffung der Landtiere mit den Menschen am selben Tag (6.) beschrieben wird, so ist auch bei den Tieren des 5. Tages der göttliche Begriff der Schöpfung verwandt worden. Es zeigt die Hochschätzung der Schöpfung, speziell der Tiere. Dies zeigt sich auch im speziellen Segen (V 22). ●●Die Aufteilung der Tiere (V 25) in Wildtiere („Tiere des Feldes“), Nutztiere („Vieh“) und Kleinlebewesen (Schlangen, Würmer, Käfer … „Gewürm des Erdbodens“) macht deutlich, dass der Segen nicht nur auf den „nützlichen“ Tieren liegt, sondern die (tierische) Schöpfung als Ganze gesehen wird.

✎✎Jochen Klepper formuliert: „Wir wissen nicht den Sinn, das Ende. Doch der Beginn ist offenbar. Nichts ist, was nicht in deine Hände / am ersten Tag beschlossen war. Und leben wir vom Ursprung her, bedrückt uns keine Zukunft mehr.“

12


Freitag, 4. Januar

1. Mose 1,26–2,4a

Was macht den Menschen zur Krone der Schöpfung? ●●Es ist der gleiche Schöpfungstag wie der des Wurms, des Käfers, der Schlange oder der Kuh: der 6. Tag. Trotzdem wird deutlich, dass die Schöpfung des Menschen von Gott ein besonderer Höhepunkt ist. ●●Der Plural „lasset uns“ (V 26) ist entweder als Plural eines ­Königs oder aber wie ein Selbstgespräch zu verstehen („Nun wollen wir mal“). Manche Ausleger beziehen es jedoch auch auf die Dreieinigkeit. ●●Meint „Bild, das uns gleich sei“, dass der Mensch wie Gott aussieht? Der Begriff „zäläm“, der hier benutzt wird, steht z. B. für das Abbild eines heidnischen Gottes, das den dahinterstehenden Gott vertritt. Der Mensch ist als Vertreter Gottes auf der Erde „Herrscher“ über die Schöpfung. Dazu gehört auch, dass Gott und der Mensch in Beziehung treten können (vgl. 3,8ff). Der Mensch soll sich hierbei nicht als Tyrann der Schöpfung gegenüber aufspielen, sondern Friedefürst sein (vgl. Ps 72). ●●„… und schuf sie als Mann und Frau“: Der Friedefürst über die Schöpfung ist nicht der Mann oder die Frau allein, sondern sie sind parallel gestellt, gleichwertig. ●●Dreimal taucht der Begriff „Segen“ in der Schöpfungsgeschichte auf: Gott segnet die Tiere (V 22), den Menschen (V 28) und den 7. Tag! Was ist besonders an diesem Tag? „Gott vollendete … seine Werke“ (2,2). – Die Vollendung der Schöpfung geschieht in der Ruhe des 7. Tages. Vielleicht ein Fingerzeig für unseren Umgang mit dem Ruhetag: Er ist nicht nur dafür da, dass ich erholt weiterarbeiten kann, sondern er ist geradezu Teil der Arbeit der vergangenen Woche. Krone der Er „vollendet“ mein Werk, damit Platz für Schöpfung zu sein, heißt, mit Gott in neues Tun geschaffen werden kann. Gott segnet den Tag nicht nur, sondern er Beziehung treten „heiligt“ ihn. Heiligen bedeutet, dass der Tag zu können! Gott selbst gehört. 13


Samstag, 5. Januar

1. Mose 2,4b-17

Der Mensch: Wenig niedriger als Gott ●●Man könnte zuerst vermuten, dass hier eine zweite Schöpfungsgeschichte beginnt, aber eigentlich setzt die Geschichte nur mit einem neuen Thema ein. Deutlich wird dies im Vergleich von 2,4a und 5,1: In 2,4a wird die Geschichte der Schöpfung abgeschlossen: „Dies ist die Entstehungsgeschichte („toledot“) von Himmel und Erde.“ 5,1a beschließt die Entstehungsgeschichte Adams mit seinem Stammbaum angelehnt an 2,4a. Kap. 2,4ff ist kein zweiter Bericht, sondern lenkt unsere Augen auf den Menschen. ●●Adam („Ackerkrume“) wurde aus Staub geschaffen – kein besonderes, sondern ganz ungeeignetes Material. Was den Menschen zu diesem besonderen Gebilde macht, ist Gottes Odem. Dieser Ausdruck meint seine Lebenskraft, die Gott dem Menschen leiht. Sobald Gott diese Lebenskraft zurücknimmt, vergeht der Mensch (Ps 104,29b). ●●Gott schenkt jedoch dem Menschen lebensermöglichende Umstände: den Garten Eden (wörtl. „Wonne“). Wenn in einer Art „Erdkunde“ von vier Flüssen die Rede ist, dann können wir nur Euphrat und Tigris lokalisieren. Vermutlich meint diese Aufzählung jedoch, dass aus Gottes Garten „Wonne“ nur durch die Flüsse in alle vier Himmelsrichtungen Leben möglich wird. ●●Der Garten ist eine Wohlfühloase, aber kein Schlaraffenland. Der Mensch bekommt Aufgaben: bebauen und bewahren. Und er bekommt eine Grenze: den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen – nicht zu verwechseln mit dem Baum des Lebens (3,22). Diese Erkenntnis kann der Mensch nicht selbst in die Hand nehmen. Deshalb ist diese Frucht dem Menschen verboten. Wer sich aber über Gottes (einziges!) Gebot hinwegsetzt, wird sich aus Gottes Lebenskraft herauskatapultieren.

✎✎Was unterscheidet die Aufgabe des Menschen in 1Mose 2 (vor dem Sündenfall) und 3,16ff (nach dem Sündenfall)?

14


Sonntag, 6. Januar

Psalm 72

●●Am 6. Januar begeht die Christenheit das Erscheinungsfest „Epiphanias“. Die orthodoxen Kirchen feiern heute Weihnachten: das Erscheinen Gottes in unserer Welt. In Bethlehem erschien – so glauben wir Christen – der lang erwartete Messias-König Israels. ●●V 1a ist nicht mit „von Salomo“, sondern mit „für Salomo“ zu übersetzen. V 20 deutet Ps 72 als Fürbittegebet Davids für seine Nachkommen und macht ihn zum Schlusspsalm der sogenannten „Davidspsalmen“ (Ps 51–72). ●●Ps 72 ist ein Königspsalm. Er wurde schon in der alten Kirche an Epiphanias im Gottesdienst gelesen und gebetet. Die Aussagen dieses Psalms beziehen sich zunächst auf die Könige in Jerusalem, die Davidsdynastie, und so auch auf den verheißenen, endzeitlichen Messias-König. ●●Entscheidend für den ganzen Psalm ist V 1b: Er wendet sich nicht an den König, er wendet sich an Gott. Dadurch sind alle folgenden Aussagen über den König Fürbitten, Bitten an Gott, der der eigentliche König in Israel ist und bleibt. ●●Der Psalm bezieht sich auf alte biblische Verheißungen, so in V 17 auf die Verheißung an Abraham, dass in ihm alle Völker der Erde gesegnet werden (1Mose 12,1-3). ●●Die Verse 12-14 zeichnen ein Bild vom Messias-König, das uns auf Jesus hinweist, wie er uns besonders im Lukas-Evangelium begegnet: „Dieser König lässt sich im Innersten anrühren von der Situa­tion der Armen und Besitzlosen: Er hört ihren lauten oder leisen Hilfeschrei (V 12a), er sieht ihre Ausweglosigkeit und Ohnmacht (V 12b), ihr Leiden schmerzt ihn selbst (V 13f) und ihr „Blut“, d. h. ihr Leben, ist ihm nicht Nebensache, sondern so kostbar, dass sein Denken, Wollen und Handeln darum kreist, und dass er sie rettet und erlöst“ (Erich Zenger). So kann uns Ps 72 die Augen öffnen, dass wir den Heiland und Retter aller Welt tiefer erkennen.

15


Montag, 7. Januar

1. Mose 2,18-25

Diesmal ist sie’s! ●●Diesen Jubelruf lässt Martin Buber Adam ausrufen, als er die Frau sieht, die ihm zur Seite gestellt ist. Gottes Ziel war, dem Menschen die Einsamkeit zu nehmen. ●●Gegenüber Kap. 1 ist die Reihenfolge umgedreht: Hier kommt zuerst der Mensch, dann die Tiere. Es geht um die Frage, wer dem Menschen ein Gegenüber sein kann. Hier kommen die untergeordneten Tiere nicht infrage. Die Unterordnung wird deutlich durch die Namensgebung als ein Akt der Herrschaftsausübung (vgl. Dan 1,7). Aber ein Gegenüber darf gerade nicht untergeordnet sein. ●●Das Bild der „Rippe“ macht die einzigartige Zusammengehörigkeit deutlich. Wenn Luther den „Menschen“ von „Mann“ und „Männin“ sprechen lässt, nimmt er ein hebräisches Wortspiel „isch/ischa“ (Mann/Frau) auf. Dies ist aber keine Namensgebung im Sinn der Herrschaftsausübung. (Interessant: Die Namensgebung der Frau geschieht erst nach dem Sündenfall – vgl. 3,20!) ●●Die Frau soll „um ihn sein“, wörtlich „wie sein Gegenüber“. Sie soll also zu ihm passen. Wie zwei Puzzleteile sind Mann und Frau füreinander geschaffen. „Gehilfin“ kommt nur dreimal im AT vor und meint sonst Gottes Hilfe! Also nie abwertend! ●●Frau und Mann sind aufeinander bezogen. Das durchzieht Gottes Wort bis zum Ende. Es wird von Jesus wieder aufgenommen (Mt 19,4ff) und von Paulus (Eph 5,28ff) auf die Beziehung zwischen Christus und seiner Gemeinde ausgelegt.

✎✎Für den oder die Single: Wenn Gott meint, dass es nicht gut ist, dass der Mensch allein ist – warum bin ich es dann? (Vgl. 1Kor 7,32-38).

✎✎Für Verheiratete: Wenn Gott mir den Ehepartner oder die Ehepartnerin als Puzzleteil (Gegenüber) geschenkt hat – wie sollte ich dann mit ihm oder ihr umgehen?

16


Dienstag, 8. Januar

1. Mose 3,1-13

●●Die Schlange hinterfragt und verdreht Gottes Wort – und damit das Vertrauen des Menschen auf Gott.

✎✎Lesen Sie 1Mose 2,16f. Was sagt die Schlange dagegen in 3,1? Während Gott mit einer Einladung beginnt, von allen Bäumen zu essen, verwandelt die Schlange Gottes Einladung in ein Verbot. ­Indem sie dies als Frage formuliert, zwingt sie den Menschen, sich auf ihre Verführung einzulassen. Das ist bis heute so: Der Feind – und wir mit ihm – sind Meister im Hinterfragen des klaren Wortes Gottes: „Ist das wirklich so gemeint? Ist das nicht eine völlig andere Situation? Kann man das heute noch so sehen? Ist das so schlimm?“ Die Frage mutet dem Menschen zu, über Gottes Wort zu richten, anstatt ihm zu vertrauen und zu gehorchen. Was hätte Eva stattdessen tun sollen? Fliehen – oder den Versucher mit den Worten Jesu in die Flucht schlagen: „Weg mit dir, Satan“ (Mt 4,10). Wer mit dem Versucher diskutiert, zieht den Kürzeren. ●●Nackt stehen sie voreinander – wie bisher auch. Nur, dass dies bislang kein Problem war. Jetzt werden Selbstachtung und Vertrautheit von Scham übermannt, und Unschuld und unbefangene Zuwendung vom Gefühl der Blöße und dem drängenden Verlangen, die Blöße zu bedecken. ●●Mit der Erkenntnis von Gut und Böse muss der Mensch nun selbst beurteilen und Entscheidungen treffen. Er ist nicht nur zur Erkenntnis fähig, sondern auch zu ihr verdammt. ●●Es ist wie beim Kinderspiel, wenn Kinder ihre Augen zuhalten und rufen „Papa such’ mich!“: Was für eine Täuschung zu meinen, sich vor Gott verbergen zu können. ●●Das erste Gespräch zwischen Gott und Mensch in der Bibel ist der Versuch einer Selbstrechtfertigung. Adam und Eva wollen sich entschuldigen, indem sie die Schuld von sich weisen und einem anderen in die Schuhe schieben. Das hat keine Zukunft. 17


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.