EB 8768 – Mendelssohn, Sechs Sonaten op. 65

Page 1

M EndE lssohn

Sechs Sonaten

für Orgel

Six Sonatas for Organ op. 65

EB 8768

Br E itkopf
Edition

herausgegeben von | edited by Christian Martin Schmidt

Urtext der Leipziger Mendelssohn-Ausgabe

Urtext from the Leipzig Mendelssohn Edition

für Orgel
Sonata S for Organ op. 65
Sech S Sonaten
Six
Edition Breitkopf 8768 Printed in Germany Felix Mendel SS ohn Bartholdy
1809–1847

Vorwort

Felix Mendelssohn Bartholdy kommt das Verdienst zu, ein zweites Zeitalter der Orgelmusik eingeläutet zu haben, und zwar als Komponist wie als Interpret gleichermaßen. Zuvor nämlich, spätestens seit dem Tode Johann Sebastian Bachs 1750, hatten Orgelspiel und Orgelmusik im Zeitgeist der Aufklärung beträchtlich an Bedeutung verloren und der Organistenstand war zur Nebenbeschäftigung abgesunken. Kennzeichnend dafür ist die Tatsache, dass die Wiener Klassik kaum nennenswert zur Orgelliteratur beigetragen hat. Mendelssohns kompositorische Auseinandersetzung mit der „Königin der Instrumente“ dagegen erbrachte ein so reichhaltiges Œuvre, dass die Edition der Orgelwerke in der Leipziger Ausgabe der Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy drei Bände umfasst. Der vorliegende Band beruht auf der Edition dieser Gesamtausgabe.

Ähnlich wie Bach war Mendelssohn in erster Linie als Orgelvirtuose berühmt und verblüffte seine Zeitgenossen namentlich durch seine öffentlichen Improvisationen und seine eminente Pedaltechnik. Bei kaum einer seiner zahlreichen Reisen durch Europa versäumte er es, die Klangwirkungen der regional sehr unterschiedlich disponierten Orgeln zu erproben, und oft genug entsprach er ohne Zögern dem spontan geäußerten Wunsch nach einem regelrechten Konzert. Hinsichtlich seiner zahlreichen Kompositionen für das Instrument dagegen, die oftmals aus jenen Improvisationen hervorgegangen sind, bewahrte er eine äußerst kritische Haltung und gab nur die drei Präludien und Fugen op. 37 und die sechs Sonaten op. 65 für den Druck frei. Letztere stellen ein Kompendium der Mendelssohnschen Orgelkunst dar und dürfen als das erste wahrhaft große Orgelwerk des 19. Jahrhunderts angesehen werden.

Die drei Präludien und Fugen op. 37 und die sechs Sonaten op. 65 bilden die Summa der Orgelkomposition Mendelssohns und akzentuieren als solche die historische Spagatposition, in der er sich als Komponist im Allgemeinen ebenso wie als innovativer Neubegründer einer qualitativ hochstehenden Musik für dieses Instrument im Besonderen befand.

Auf der einen Seite stellte sich Mendelssohn der Herausforderung Beethovens, die für jeden Tonsetzer der ersten nachfolgenden Generation unausweichlich war, in bemerkenswert vielfältiger Differenzierung. In manchen Gattungen (wie im Streichquartett) suchte er den eigenen Weg in direkter Konfrontation mit Beethovens Modellkompositionen; in anderen (wie in der Sinfonie) wich er dem hemmenden Einfluss des Wiener Meisters durch Verschiebung der Werksubstanz von der strukturellen Formbewegung hin zur Ausprägung charakteristischer Klangbilder aus. Eine dritte Möglichkeit, trotz der Allgegenwart des Wiener Klassikers zu einem individuellen Personalstil zu finden, bot sich Mendelssohn in der Konzentration entweder auf Gattungen, in denen Beethoven es zu keinen Höchstleistungen gebracht hatte (wie im Oratorium), oder aber auf solche, die erst zu entwickeln waren (wie die Konzertouvertüren), von denen also Beethoven noch nichts ahnen konnte. Beide Momente gelten aber für Mendelssohns Orgelwerk insgesamt – Beethoven hat weder große Orgelwerke geschrieben noch von der Möglichkeit solcher Kompositionen überhaupt etwas wissen wollen. Zwar greifen die Sonaten für die Orgel op. 65 den Namen des klassischen Formtypus auf, den Beethoven gerade für das Tasteninstrument Klavier auf den höchsten Stand gebracht hatte, sie entsprechen aber weder hinsichtlich der zyklischen Anlage noch in der Formgestaltung der Einzelsätze dem klassischen Modell. Auf der anderen Seite ist der prägende Einfluss der Musik von Johann Sebastian Bach gerade im Orgelwerk gleichsam in jedem Ton spürbar. Mendelssohn war der erste Komponist, der das Werk des Thomaskantors wahrhaft ernst genommen und für sein eigenes Komponieren fruchtbar gemacht hat. Kennzeichen dafür sind von außen gesehen schon die Zusammenstellung und

Titelgebung des Opus 37. Die dreifache Reihung des Paars Präludium und Fuge in derselben Tonart ließ und lässt jeden musikhistorisch Bewanderten in allererster Linie an die Werke Bachs denken, namentlich an dessen Kompositionen für die Tasteninstrumente Klavier und Orgel. Im Inneren der Kompositionen dagegen ist die Anknüpfung an die Kunst Bachs außerordentlich differenziert und nur in detaillierten Einzelanalysen dingfest zu machen. Denn auch Bach gegenüber – ähnlich wie im Verhältnis zu Beethoven – verstand es Mendelssohn zunehmend, seine kompositorische Individualität zu entwickeln und zu bewahren.

Die Sechs Sonaten für die Orgel op. 65 stellen das endgültige Resultat der intensiven kompositorischen Arbeit dar, mit der sich Mendelssohn zwischen Juli 1844 und Sommer 1845 nach einer Pause von mehreren Jahren wieder der Orgelmusik zuwandte. Ausgelöst wurde diese erneute Beschäftigung mit dem Genre durch den englischen Verleger Charles Coventry, dem Leiter des Verlages Coventry & Hollier, der dann im September 1845 auch den Londoner Erstruck der Sonaten besorgte. „Nämlich“, so schreibt der Komponist am 25. Juli 1844 an seine Schwester Fanny Hensel, „ich habe um des leidigen Mammons willen einem Englischen Verleger ein ganzes Buch voll Orgelstücke versprochen […].“1

Tatsächlich schrieb Mendelssohn in dieser Zeit, wie er bei gleicher Gelegenheit Fanny gegenüber erwähnt, von den Orgelstücken für Coventry „eins nach dem andern auf“. Als der Brief formuliert wurde, waren bereits drei Stücke abgeschlossen und am selben Tag entstand ein viertes. Die erste Phase der Konzentration auf die Orgelkomposition umspannt den Zeitraum vom 21. Juli bis zum 10. September 1844. Zwei Pausen von wenigen Wochen unterbrechen diese intensive Schaffensperiode, in der insgesamt elf Stücke entstanden:

Datum Komposition Entsprechung in op. 65

21. Juli 1844Andante F-Dur –

22. Juli 1844Allegretto d-Moll Sonata V, 2. Satz (wurde im Andante h-Moll vom 9. September neu gefasst)

23. Juli 1844Andante D-Dur –

25. Juli 1844Allegro d-Moll –

9. August 1844Con moto maestoso Sonata III, 1. Satz A-Dur (wurde in der ersten der vier Studien für die Orgel neu gefasst)

17. August 1844Andante. Con moto Sonata III, 2. Satz A-Dur (wurde in der zweiten der vier Studien für die Orgel neu gefasst)

18. August 1844Allegro vivace F-DurSonata I, 4. Satz

9. September 1844Allegro D-Dur (wurde Sonata V, 3. Satz in der vierten der vier Studien für die Orgel neu gefasst)

9. September 1844Andante h-Moll (siehe Sonata V, 2. Satz oben Allegretto d-Moll vom 22. Juli)

10. September 1844 Choral As-Dur (wurde –in der dritten der vier Studien für die Orgel nach A-Dur transponiert)

10. September 1844Andante sostenuto f-Moll– (war als 1. Satz der Sonata I geplant und wurde erst kurz vor der Drucklegung ausgeschieden)

Mendelssohns Planungen gingen aber über diese elf Stücke hinaus und er veranschlagte zu dieser Zeit noch weitere drei Monate, um das Orgelheft für Coventry zu vollenden. Am 24. September teilt er dem englischen Verleger mit: „[…] but the Organ pieces are finished and if I possibly can I shall send them to you before the end of the year.“2 Im Schreiben vom 5. November 1844 an Klingemann tritt nun erstmals die Zahl 12 in Erscheinung, auf die sich Mendelssohn zu diesem Zeitpunkt festgelegt hatte: „Ich habe an den 12 Orgelstücken aus Soden weitergearbeitet (sie sind bald fertig)“3. Zwölf Kompositionen verspricht auch der Titel des Konvoluts, das Mendelssohn seiner Schwester Fanny zu ihrem Geburtstag am 14. November 1844 schenkte: 12 Studien für die Orgel . Allerdings kam er bei der Verfertigung der kalligraphischen Reinschrift nicht über vier Stücke hinaus, die aus dem am 10. September vorliegenden Bestand ausgewählt wurden. Am 17. Dezember gab der Komponist sowohl nach Leipzig an Breitkopf & Härtel als auch nach London an Coventry & Hollier neuen Bescheid: „Meine Orgelstücke (12 Studien für die Orgel möchte ich sie nennen) gedenke ich Ihnen ebenfalls im Laufe der nächsten Wochen zu schicken [...].“4 „I hope to send you very soon the promised Organ-pieces; 9 are ready, but I want to have 12 before I make a parcel of them.“5

Datum KompositionEntsprechung in op. 65

vor 19. Dezember 1844 Fuga C-DurSonata II, 3. Satz

19. Dezember 1844Adagio As-DurSonata I, 2. Satz

nach 19. Dezember 1844 Choral D-Dur–

vor 21. Dezember 1844Allegro assai C-Dur –(Fragment)

21. Dezember 1844Grave – Andante Sonata II, 1. Satz con moto c-Moll

nach 21. Dezember 1844 Allegro moderato –maestoso C-Dur

28. Dezember 1844Allegro moderato Sonata I, 1. Satz e grave f-Moll

28. Dezember 1844Andante F-Dur Sonata IV, 3. Satz

31. Dezember 1844Allegro B-Dur–

2. Januar 1845Allegro con brio Sonata IV, 1. Satz B-Dur

2. Januar 1845Andante alla Marcia Sonata IV, 2. Satz B-Dur nach 2. Januar 1845 Moderato C-DurSonata II, 2. Satz 26. Januar 1845Choral d-MollSonata VI, 1. Satz 26. Januar 1845Andante D-DurSonata VI, 3. Satz 27. Januar 1845Fuga d-MollSonata VI, 2. Satz

2. April 1845 Fuga B-Dur Sonata IV, 4. Satz Frühjahr 1845?Andante. Recitativo Sonata I, 3. Satz f-Moll

Tatsächlich machte sich Mendelssohn unmittelbar nach diesen beiden Briefen an die Arbeit, um den vorliegenden Bestand an Orgelstücken zu erweitern. Relativ schnell aber muss der Entschluss gefasst worden sein, es nicht bei 12 Werken zu belassen, denn die intensive Produktivität überspülte alle vorangegangenen Konzeptionen: Vom 19. Dezember 1844 (oder kurz davor) bis zum 27. Januar 1845 wurden insgesamt 15 Stücke niedergeschrieben, von denen eines Fragment blieb. In dieser zweiten Phase der Orgelkomposition der Jahre 1844/1845 drängte sich die Arbeit im Kern auf drei Schwerpunkte von wenigen Tagen zusammen: von kurz vor dem 19. Dezember bis kurz nach dem 21. Dezember 1844, vom 28. Dezember 1844 bis nach dem 2. Januar 1845 sowie am 26. und 27. Januar 1845. Als Nachzügler folgten mit der Fuga B-Dur und dem Andante. Recitativo f-Moll zwei Stücke, die gewiss schon im Blick auf die endgültige Sonatenkonzeption

geschrieben wurden. Für Letzteres ist keine Datierung überliefert, doch kann das Stück angesichts seiner exzeptionellen Ausdruckshaltung fraglos als eines der spätesten Orgelwerke Mendelssohns angesehen werden.

Zwar waren diese Kompositionen, zumal die der ersten Phase, originär als Einzelwerke komponiert worden, doch drängte sich der Gedanke an einen zyklischen Zusammenschluss Mendelssohn recht früh auf. Er schloss in diese Planung offenkundig auch solche Stücke ein, die noch nicht vorlagen, und sein diesbezüglicher Optimismus konnte sich auf die Zufriedenheit mit dem bereits Geleisteten stützen. An Klingemannn schrieb er am 29. August 1844, als sieben Stücke notiert waren: „Eine Menge Orgelstücke habe ich komponiert, die ich nächstens an Coventry schicken will, und in denen ich, wie ich glaube, das Instrument anders und besser behandelt habe als bisher.“6 Am selben Tag ging auch ein Schreiben an Coventry ab: „I have also been very busy about the Organ pieces, which you wanted me to write for you, and they are nearly finished. I should like to call them: 3 Sonata’s for the Organ instead of Voluntaries. Tell me if you like this title as well; if not I think the name of Voluntaries will suit the pieces also, the more so as I do not know what it means precisely.“7

Die Idee dreier Sonaten stellt Mendelssohns erste von wenigstens drei Konzeptionen dar, die Einzelstücke zu größeren Einheiten zusammen zu schließen. Was er sich allerdings inhaltlich unter diesen Sonaten vorstellte, ist schwer auszumachen, denn die Stücke der ersten Phase bieten in Tonart und Struktur eine solch bunte Vielfalt, dass auf zyklische Zusammenhänge nur spekulativ geschlossen werden kann. In der Tat nahm Mendelssohn von der Sonaten-Idee zunächst auch wieder Abstand. Die vier Studien für die Orgel vom November 1844 zeigen, dass der Plan, größere Einheiten zu bilden, vorerst zurückgestellt, ja die Werkbezeichnung von der Ebene zyklischer Sonaten auf die niedrigere der Einzelstücke mit didaktischer Implikation verschoben war. Die Entscheidung, die Mehrzahl der seit Juli 1844 entstandenen Orgelstücke in Form von 6 Sonaten in Druck zu geben, war während der letzten intensiven Kompositionsphase im Dezember 1844 / Januar 1845 gefallen. Und am 15. Februar 1845 konnte Mendelssohn Klingemann mitteilen: „Meine 6 Orgel-Sonaten sind fertig“8. Zwar waren – wie oben dargestellt – zu diesem Zeitpunkt zwei Sätze, die später Teil von op. 65 werden sollten, selbst in ihren Frühfassungen noch nicht geschrieben, und auch während der konkreten Realisierung des Druckes gab es noch beträchtliche Modifikationen der Disposition bzw. der Vortragsanweisungen. Dennoch war sich Mendelssohn gewiss, die Hauptarbeit getan zu haben. Im April lagen auch die beiden letzten, im Februar noch ausstehenden Sätze vor, und am 10. des Monats ließ Mendelssohn seinen Leipziger Verleger wissen: „Das Werk für Orgel wovon ich Ihnen zu Anfang des Winters sprach, habe ich nun beendigt, es ist aber größer geworden, als ich früher selbst gedacht hatte. Es sind nämlich 6 Sonaten, in denen ich meine Art die Orgel zu behandeln und für dieselbe zu denken niederzuschreiben versucht habe.“9 An Coventry in London wandte er sich am 1. Mai 1844: „I beg you will let me know whether a letter which I wrote to you some weeks since has reached you or not. It contained the communication that I had written a kind of OrganSchool in Six Sonatas for that instrument […].“10

Dieser Brief ist vor allem deshalb von Belang, weil Mendelssohn erneut auf die pädagogische Absicht zurückkommt, die er mit den Sonaten, vielleicht mit seinem Orgelwerk insgesamt verfolgte. Schon in seinem Schreiben an Thomas Attwood vom 11. Januar 1835 hatte er die für op. 37 geplanten Präludien als „études“ bezeichnet, und das erste Sammelautograph von Orgelstücken aus den Jahren 1844/1845, das er am 14. November des Jahres seiner Schwester Fanny zum Geburtstag schenkte, hieß „Studien für die Orgel“. Nun ging er so weit, die sechs Orgelsonaten als „OrganSchool“ zu charakterisieren. Coventry griff diese Idee bereitwillig

auf. Sechs Wochen später, als die konkreten Vorbereitungen des Drucks in Leipzig wie in London in vollem Gange waren, schickte er dem Komponisten mit seinem mit 14. Juli 1845 datierten Brief einen Entwurf des Titelblatts, dessen erste Zeile „Mendelssohns ‘School for Organists ’“11 lautete. Dies nun erschien Mendelssohn nicht als angemessen, sei es, dass er die Ankündigung für allzu plakativ erachtete, sei es, dass er sein Werk in die falsche Ecke, nämlich die einer Instrumental-Schule, gestellt sah. Coventry akzeptierte seine Einwände umstandslos und bestätigte am 27. Juli 1845: „The Title shall stand Six Grand Sonatas and School for Organists left out.“12

Damit waren die Überlegungen zur Titelgebung abgeschlossen, und das Werk erschien unter der Gattungsbezeichnung „Sonaten“. Um eine große Verbreitung zu gewährleisten, wurden insgesamt vier Erstausgaben gedruckt: Die in London bei Coventry & Hollier, die in Leipzig bei Breitkopf & Härtel sowie die in Mailand bei Giovanni Ricordi kamen gleichzeitig am 15. September 1845 heraus, lediglich der Druck bei Maurice Schlesinger in Paris verzögerte sich bis zum Jahreswechsel 1845/1846.

Gerade der Titel des Werkes aber hat für nachfolgende Generationen viele Rätsel aufgegeben. Klar war, dass Mendelssohns Konzept der Orgelsonate kaum etwas mit dem klassischen Modell etwa der Klaviersonate zu tun hat. Und die Tatsache, dass die überwiegende Anzahl der Sätze als Einzelkompositionen und nicht im Blick auf einen zyklischen Zusammenhang geschrieben worden waren, verschärfte die Frage nach den Kriterien, die Mendelssohn zu deren Zusammenschluss in „Sonaten“ geführt haben.

Offenkundig ist Mendelssohns Maßnahme, aus dem vorliegenden Repertoire von Einzelstücken solche in einer Sonate zu kombinieren, die hinsichtlich der Tonart gleich oder sehr nahe verwandt sind. So resultiert jeweils eine Tonartendisposition innerhalb der Sonaten, die – mit Ausnahme der ersten Sonate – in ihrer Simplizität an die vorklassische Zeit denken lässt. Es bleibt aber nicht bei dem eher äußerlichen Kriterium der Tonartenverwandtschaft, Mendelssohn verfolgte noch ein anderes Ziel: Die ausbalancierte und möglichst gleichmäßige Kombination von Stücken unterschiedlicher Satztechnik bzw. unterschiedlichen Charakters. Neben den Choral und die Virtuosität treten als hervorstehende Merkmale die Satztechnik der Fuge und der in der damaligen Orgelliteratur weit verbreitete Charakter des Adagio religioso. Tendenziell sollte jede Sonate einen Choral, eine Fuge, ein Adagio religioso und einen virtuosen Satz enthalten. Gelungen ist diese vierfache Bestimmung aber überraschender Weise nur in der zweisätzigen Sonata III. Denn der 1. Satz verbindet im Mittelteil aufs Kunstvollste eine Doppelfuge von beträchtlicher Virtuosität mit dem Choral „Aus tiefer Not“ – das noch ausstehende Adagio religioso wird vom 2. Satz ergänzt. Der Kopfsatz der Sonata III aber macht vor allem klar, dass Mendelssohn jene vier Typen nicht jeweils gesondert in einem Satz verwirklicht, sondern durchaus und in mehreren Fällen die Merkmale innerhalb eines Satzkontextes miteinander verschmilzt. Von solchen Kombinationen allerdings bleibt das Adagio religioso grundsätzlich ausgeschlossen.

Ein besonders ingeniöses Beispiel der Verbindung mehrerer der einschlägigen Merkmale bietet der 1. Satz der Sonata I. Auf den ersten Blick besteht er aus dem Alternieren bzw. der fortschreitenden Annäherung von vollstimmigen Abschnitten neutraler Thematik an solche, die den ersten Achttakter des Chorals „Was mein Gott will, das g’scheh allzeit“ ausführen. Bei näherer Betrachtung indes wird deutlich, dass der „neutrale“ Hauptgedanke zwar in vollstimmigem Satz, aber ansonsten exakt wie ein Fugensubjekt exponiert und im weiteren Verlauf des Stückes verarbeitet wird. Ohne dass es an der musikalischen Oberfläche sichtbar würde,

spielt die Technik der Fuge eine entscheidende Rolle für die Anlage des Satzes. Es lässt sich also sehr wohl behaupten, dass auch die Sonata I alle vier Bestimmungsmerkmale aufweist. Vielleicht war die Rolle, welche die Fugentechnik im definitiven Kopfsatz der Sonate spielt, sogar der Grund dafür, dass Mendelssohn auf den ursprünglich geplanten 1. Satz, die Fuge des Andante sostenuto f-Moll vom 10. September 1844, verzichtete. Dies könnte darauf hindeuten, dass es zu seiner Konzeption der zyklischen Zusammenstellung gehörte, jedes der vier Bestimmungsmerkmale nur einmal innerhalb einer Sonate zur Geltung kommen zu lassen.

Eine Ausnahme – die einzige – von dieser Regel stellt die Virtuosität dar: Zwar verzichtet die Sonata II auf einen virtuosen Satz, die Sonata IV dagegen weist deren zwei auf. Besonders hervorzuheben indes ist die Tatsache, dass Mendelssohn Virtuosität als solche überhaupt als entscheidendes Moment für die Gestaltung der Orgelsonaten ansah. Denn sie ist das einzige der vier Bestimmungsmerkmale, das nicht unmittelbar oder ausschließlich an das Instrument Orgel gebunden ist, was dagegen seit altersher auf die Satztechnik der Fuge und den Choral als religiöse Ausdrucksform, aktuell, d. h. zu Beginn des 19. Jahrhunderts, für das Adagio religioso als „Charakterstück“ zutrifft. In der formfunktionalen Bedeutung, die der Virtuosität solchermaßen zuwächst, offenbart sich das hohe Interesse am instrumentalen Spiel, an der Spielfreudigkeit, das vom Komponisten und Organisten Mendelssohn gleichermaßen gehegt wurde.

Die vorliegende Ausgabe ist dem Band Felix Mendelssohn Bartholdy, Orgelwerke, Band I (Edition Breitkopf 8641) entnommen, dessen Notentext auf die Leipziger Mendelssohn Ausgabe zurückgeht. Beide Ausgaben enthalten einen Kritischen Bericht und Textkritische Anmerkungen zu den Sechs Sonaten op. 65. Herausgeberzutaten sind durch eckige Klammern (Akzidenzien, dynamische Angaben, Pausen etc.) oder Strichelung (Bögen) kenntlich gemacht. Abbreviaturen werden grundsätzlich stillschweigend aufgelöst. Die insgesamt seltene Bezeichnung der einzelnen Manuale, die Mendelssohn zumeist durch Clav. 1 (oder Cl. I) und Clav. 2 (oder Cl. II) wiedergibt, wird der heutigen Praxis entsprechend durch römische Zahlen allein dargestellt.

Berlin, Herbst 2009 Christian Martin Schmidt

1Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv, MA Ep. 122

2Bodleian Library, University of Oxford, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 55, fol 5v

3 Felix Mendelssohn-Bartholdys Briefwechsel mit Legationsrat Karl Klingemann in London, hrsg. und eingeleitet von Karl Klingemann [jun.], Essen 1909; S. 300.

4Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, Breitkopf & HärtelArchiv

5Bodleian Library, University of Oxford, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 55, fol. 7v

6 Briefwechsel mit Klingemann [Anm. 3], S. 296.

7Bodleian Library, University of Oxford, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 55, fol. 3v.

8 Briefwechsel mit Klingemann [Anm. 3], S. 304.

9Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, Breitkopf & HärtelArchiv

10Bodleian Library, University of Oxford, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 55, fol. 10r

11Bodleian Library, University of Oxford, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 48, Green Books XXII, ohne Nummer.

12Bodleian Library, University of Oxford, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 48, Green Books XXII-32.

Preface

Felix Mendelssohn Bartholdy is to be credited with having ushered in a new age of organ music, both as composer and performer. Prior to Mendelssohn, or more specifically, at the latest since the death of Johann Sebastian Bach in 1750, organ playing and organ music had suffered a considerable loss of prestige in the wake of the Enlightenment; an organist’s post was now little more than a sideline. Significant in this respect is the fact that the Viennese classical era made only negligible contributions to organ literature. Mendelssohn’s creative treatment of the “King of Instruments”, by contrast, gave rise to an œuvre so abundant that it fills three volumes of the Leipziger Ausgabe der Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy. The present volume is based on the print from this Complete Edition.

Just like Bach, Mendelssohn was renowned above all as an organ virtuoso who electrified his contemporaries with his public improvisations and eminent pedal technique. In his many travels throughout Europe, he almost never neglected an opportunity to explore the different sonorities of the organs he encountered, and whose specifications varied considerably from region to region. And he often willingly complied with spontaneous demands for a full-fledged concert. Nevertheless, he was extremely critical of his own works for the organ, which often derived from such improvisations. And although he wrote many pieces for this instrument, he only released the three “Präludien und Fugen” (Preludes and Fugues) op. 37 and the six “Sonaten” (Sonatas) op. 65 for publication. The latter can be held up as a compendium of Mendelssohn’s artistic production for the organ and as the first truly great masterpiece of the 19th century for this instrument. The three Preludes and Fugues op. 37 and the six Sonatas op. 65 form the epitome and summation of Mendelssohn’s œuvre for the organ and, as such, accentuate the historical dilemma in which the composer found himself as a composer in general and as the impulse-giving initiator of a new era of superior music for this instrument.

Mendelssohn took on the challenge of Beethoven’s legacy, which no composer following directly in the titan’s wake could avoid, with a remarkable variety of approaches. In several genres (including the string quartet), he sought his own path by squarely confronting Beethoven’s standard-setting works; in other genres (such as the symphony), he avoided the master’s restrictive influence by shifting the substance of the work from the structural movement of forms to the elaboration of characteristic soundscapes. But Mendelssohn also found a third way of developing an individual personal style in spite of Beethoven’s omnipresence: by concentrating either on genres in which Beethoven did not produce works of the highest order (such as the oratorio) or on genres that had not yet been properly developed (here, for example, the concert overture), hence genres that Beethoven had not envisioned. Both of these aspects apply to Mendelssohn’s œuvre for the organ: Beethoven wrote no great organ music and had no interest whatsoever in creating any. And while the Sonatas for Organ op. 65 do borrow the name of the classical genre that Beethoven had brought to its culmination in his sonatas for piano, a keyboard instrument no less, they correspond to the classical model neither with respect to the cyclical pattern nor in the formal design of the individual movements.

On the other hand, the music of Johann Sebastian Bach exerted a profound influence on Mendelssohn, especially in his organ music, where it infuses every note. Mendelssohn was the first composer to take the works of the Thomaskantor truly seriously and assimilate them for his own compositional practice. Outward traces of this process can already be seen in the work compilation of opus 37 and in the formulation of its title. The combination of three pairs of preludes and fugues with each pair in the same key

immediately reminds any musically knowledgeable person of Bach’s works, in particular of his pieces for the keyboard instruments piano and organ. Within the works themselves, however, the references to Bach’s art are extraordinarily nuanced and only identifiable in detailed individual analyses. They underscore Mendelssohn’s endeavor to develop and maintain his compositional individuality and independence not only with regard to Beethoven, but to Bach as well.

The Six Sonatas for Organ Op. 65 represent the creative output of a period of intense compositional activity dedicated to organ music. This period of renewed interest in organ music, which lasted from July 1844 to summer 1845 and came after a gap of several years, was ushered in by the English publisher Charles Coventry, the head of the publishing company Coventry & Hollier, who brought out the first London edition of the sonatas in September 1845. On 25 July 1844, Mendelssohn wrote to his sister Fanny Hensel: “I have – for the sake of Mammon –promised an English publisher a whole book of organ pieces […].”1.

Indeed, the composer had truly been writing “one [organ piece] after the other” for Coventry, as he informed Fanny at the same occasion. Three pieces had already been completed by the time he wrote the letter, and a fourth was written that same day. The first phase of concentration on the organ works ranged from 21 July to 10 September 1844. Two pauses of a few weeks each interrupted this intensive creative period, during which altogether eleven pieces were written:

Date Work Correspondence in op. 65

21 July 1844Andante in F major–

22 July 1844Allegretto in D minor Sonata V, 2nd movement (rewritten as Andante in B minor on 9 September)

23 July 1844Andante in D major–

25 July 1844Allegro in D minor–

9 August 1844Con moto maestoso in Sonata III, 1st movement

A major (rewritten as the first of the Four Studies for Organ)

17 August 1844Andante. Con moto in Sonata III, 2nd movement

A major (rewritten as the second of the Four Studies for Organ)

18 August 1844Allegro vivace in F majorSonata I, 4th movement

9 September 1844Allegro in D major Sonata V, 3rd movement (rewritten as the fourth of the Four Studies for Organ)

9 September 1844Andante in B minor Sonata V, 2nd movement (see above Allegretto in D minor of 22 July)

10 September 1844 Choral in A flat major –(transposed to A major in the third of the Four Studies for Organ)

10 September 1844Andante sostenuto in – (planned as the first F minor movement of Sonata I and discarded only shortly before printing)

Mendelssohn’s plans went beyond these eleven pieces, however, and at this time he estimated that he needed another three months before finishing the organ book for Coventry. On 24 September he informed the English publisher: “[…] but the Organ pieces are finished and if I possibly can I shall send them to you before the end of the year.”2 Mendelssohn’s letter of 5 November 1844 to

Klingemann contains the first reference to the number 12, which the composer had now settled on: “I have continued to work on the 12 organ pieces from Soden (they are almost finished).”3 The title of the miscellany that Mendelssohn offered to his sister Fanny on her birthday on 14 November 1844 also promised twelve pieces: 12 Studien für die Orgel (12 Studies for Organ). However, he did not pen more than four pieces in his calligraphic fair copy, and these four pieces were selected from the stock that had been completed by 10 September.

The state of the organ pieces remained unchanged until mid December. On 17 December the composer informed Breitkopf & Härtel in Leipzig: “I think that I shall also be able to send you my organ pieces (I would like to call them 12 Studies for Organ) in the course of the coming weeks, and then, before the end of winter, some piano pieces, with or without accompaniment. I trust you will accept them with your usual kindness!”4 And to Coventry & Hollier in London he wrote on the same day: “I hope to send you very soon the promised Organ-pieces; 9 are ready, but I want to have 12 before I make a parcel of them.”5

Date Work Correspondence in op. 65

before 19 December 1844 Fugue in C majorSonata II, 3rd movement

19 December 1844Adagio in A flat Sonata I, 2nd movement major

after 19 December 1844Chorale in D major–before 21 December 1844 Allegro assai in –C major (fragment)

21 December 1844Grave – Andante Sonata II, 1st movement con moto in C minor

after 21 December 1844Allegro moderato –maestoso in C major

28 December 1844Allegro moderato Sonata I, 1st movement e grave in F minor

28 December 1844

Andante in F majorSonata IV, 3rd movement

31 December 1844Allegro in B flat –major

2 January 1845Allegro con brio Sonata IV, 1st movement in B flat major

major and the Andante. Recitativo in F minor, which were no doubt already written in view of the planned sonata concept. While no date of origin has been transmitted for the latter piece, its exceptionally expressive quality places it most surely among Mendelssohn’s last organ works.

Although these works, or at least those of the first phase, were originally composed as separate pieces, the idea of a cyclical connection came to Mendelssohn very early. His overall concept apparently also encompassed pieces that had not yet been written. In this regard, his optimism was based on the satisfaction he derived from what he had already achieved. After he had written seven pieces, he wrote to Klingemann on 29 August 1844: “I have written quite a few organ pieces that I wish to send to Coventry soon, and in which I feel I have achieved a different and better treatment of the instrument than previously.”6 On the same day he sent Coventry a letter: “I have also been very busy about the Organ pieces, which you wanted me to write for you, and they are nearly finished. I should like to call them: 3 Sonata’s for the Organ instead of Voluntaries. Tell me if you like this title as well; if not I think the name of Voluntaries will suit the pieces also, the more so as I do not know what it means precisely.”7

The idea of the three sonatas is the first of at least three concepts for combining the individual pieces into larger units. However, it is hard to tell what the composer actually considered as the contents of these sonatas, for the pieces of the first phase present such a colorful variety of keys and structures that a cyclical connection seems at least highly speculative. Indeed, Mendelssohn distanced himself once again from the sonata concept. The four Studies for Organ of November 1844 show that the idea of building larger units was temporarily discarded, and the composer took his work concept down from the level of cyclical sonatas to that of individual pieces with didactic implications.

2 January 1845

Andante alla Marcia Sonata IV, 2nd movement in B flat major after 2 January 1845Moderato in Sonata II, 2nd movement C major

26 January 1845

26 January 1845

Chorale in D minor Sonata VI, 1st movement

Andante in D major Sonata VI, 3rd movement

27 January 1845Fugue in D minorSonata VI, 2nd movement

2 April 1845 Fugue in B flat Sonata IV, 4th movement major

Spring 1845? Andante. Reci-Sonata I, 3rd movement tativo in F minor

Indeed, after writing these two letters Mendelssohn immediately began to increase the number of his organ pieces. He must have decided relatively early to write more than twelve pieces, for the intensity of his productivity swept away all of his previous concepts: between 19 December 1844 (or shortly before) and 27 January 1845 he wrote altogether 15 pieces, one of which remained a fragment. During this second phase of organ composition in 1844/45, Mendelssohn concentrated his activity essentially on three blocks of several days each: from shortly before 19 December until shortly after 21 December 1844, from 28 December 1844 until after 2 January 1845, and on 26 and 27 January 1845. Supplementing the works created at this time are two “stragglers”, the Fugue in B flat

It was during his last phase of intensive compositional activity in December 1844 / January 1845 that Mendelssohn took the decision to publish the majority of the organ pieces he had written since July 1844 in the form of six sonatas. On 15 February 1845 he announced to Klingemann: “My six organ sonatas are finished.”8 At this time, however, two pieces that were later to become part of opus 65 were not yet even sketched, and even during the actual course of the printing there were still considerable modifications made to the organization of the movements and the performance instructions. Nevertheless, Mendelssohn was confident that he had already finished the bulk of his work. The last two movements, which had not yet been written in February, were also finishedin April, and on the tenth of the month the composer wrote to his publisher in Leipzig: “I have now completed the work for organ about which I had spoken to you early last winter, but it has become larger than I had previously envisioned. For there are now six sonatas in which I have attempted to lay down my way of treating the organ and composing for it.”9 On 1 May 1844 he wrote to Coventry in London: “I beg you will let me know whether a letter which I wrote to you some weeks since has reached you or not. It contained the communication that I had written a kind of Organ-School in Six Sonatas for that instrument […].”10

This letter is important since it confirms that Mendelssohn returned to the pedagogical intent he had been pursuing with these sonatas and, perhaps, with his organ œuvre on the whole. He had already designated the preludes planned for opus 37 as “études” in his letter of 11 January 1835 to Thomas Attwood, and had called the first collective autograph of organ pieces from the years 1844/45, which he offered to his sister Fanny on her birthday on 14 November of that year, “Studien für die Orgel”. Now he went so far as to characterize the six organ sonatas as an “Organ-School” – an

idea that Coventry gladly took up. Six weeks later, as the preparations for the print were well under way both in Leipzig and London, Coventry sent a draft of the title page with his letter dated 14 July 1845; the first line of this draft read “Mendelssohns ‘School for Organists’.”11 Mendelssohn was no longer satisfied with this wording, however, either because he found the claim too direct or because he felt that the work would fall into the wrong category, namely into that of instructional methods for instruments. Coventry accepted his objections without further ado and confirmed on 27 July 1845: “The Title shall stand Six Grand Sonatas and School for Organist left out.”12

The deliberations about the title were thus concluded, and the work was printed under the genre category “Sonatas”. To ensure a widespread dissemination of the pieces, four first editions were printed: the publications by Coventry & Hollier in London, Breitkopf & Härtel in Leipzig and Giovanni Ricordi in Milan were all released on the same date, 15 September 1845; the fourth, by Maurice Schlesinger in Paris, was held up until the turn of the year 1845/46.

The title of the work has given rise to much consternation in the following generations. Obviously, Mendelssohn’s concept of the organ sonata had hardly anything in common with, for example, the piano sonata. Moreover, the fact that most of the pieces had been written as individual compositions, and not as components of a cycle, raised the question as to the criteria underlying Mendelssohn’sdecision to unite them into “sonatas”.

Mendelssohn’s plan is clear: he sought to form individual sonatas from the pieces that he had already written and that were directly or closely related through their keys. The result is an arrangement of keys within the sonatas which, with the exception of the first sonata, recall the pre-classical era in their simplicity. Yet there is more than the somewhat superficial criterion of key relationship. Mendelssohn was pursuing another goal: a well-balanced and highly symmetrical combination of pieces of diverse characters and writing techniques. In addition to the chorale and the virtuoso element, it is the fugal technique and the Adagio religioso character – a widely disseminated type in the organ literature of that time – that are the most conspicuous characteristics here. There is an unmistakable sensation that each sonata was intended to comprise a chorale, a fugue, an Adagio religioso and a virtuoso piece. Surprisingly, this fourfold intent was only fully realized in the two-movement Sonata III. In the middle section of the first movement, the composer suavely combines a double fugue of considerable virtuosity with the chorale “Aus tiefer Not”; the second movement supplies the missing element, the Adagio religioso. However, it is the paradigm that emerges in the opening movement of Sonata III that is particularly significant: Mendelssohn did not necessarily cast the four character types as individual movements, but blended them together, freely and repeatedly, within the framework of one movement. Only the Adagio religioso was fundamentally excluded from such combinations.

A particularly ingenious example of the fusion of several character types occurs in the first movement of Sonata I. At first glance, it seems to consist of the alternation of full-voiced sections of neutral themes and their progressive convergence towards sections that state the first eight measures of the chorale “Was mein Gott will, das g’scheh allzeit.” But upon closer examination, it emerges that while the “neutral” main idea is presented in the densely textured parts, it is exposed exactly as a fugal subject and elaborated as such

in the further course of the piece. The fugal technique plays a decisive role in the structure of the movement, even though this is not visible on the surface of the music. It is thus perfectly justified to claim that Sonata I also bears all four character types within it. Perhaps it is precisely because of the role played by the fugal technique in the definitive opening movement of the sonata that Mendelssohn discarded the piece originally planned as the first movement, the fugue from the Andante sostenuto in F minor of 10 September 1844. This hints at the possibility that in the composer’s concept of cyclical combination, each of the four character types was to come into play only once within each sonata.

The one and only exception from this rule is virtuosity: for while Sonata II does without a virtuoso movement, Sonata IV has two of them. Especially remarkable here is the fact that Mendelssohn attributed such a decisive formative role to virtuosity at all in the organ sonatas. For of the four character types, it is the only one that is not directly or exclusively connected to the organ, as is the case with the fugal technique, the chorale and, as a contemporary – that is, early-19th-century – form of religious expression, the Adagio religioso as “character piece”. The formal and functional significance that accrues to virtuosity in this manner reflects Mendelssohn’s passion for organ playing and the great pleasure he derived from this instrument, both as composer and organist.

The present edition has been extracted from Felix Mendelssohn Bartholdy Organ works, Volume 1 (Edition Breitkopf 8641) which is based on the Leipzig Mendelssohn Edition. Both editions contain a critical report and critical remarks on the Six Sonatas Op. 65.

Editorial additions are identified by square brackets (accidentals, dynamic marks, rests etc.) or broken lines (slurs). Abbreviations are in general tacitly written out in full. In accordance with current practice Mendelssohn’s altogether rare indications of the individual manuals by Clav. 1 (or Cl. I) and Clav. 2 (or Cl. II) have been replaced by sole roman numerals.

Berlin, Autumn 2009 Christian Martin Schmidt (Translation: Roger Clement)

1Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv, MA Ep. 122

2Bodleian Library, University of Oxford, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 55, fol. 5v

3 FelixMendelssohn-Bartholdys Briefwechsel mit Legationsrat Karl Klingemann in London, ed. and with an introduction by Karl Klingemann [Jr.], Essen, 1909, p. 300.

4Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, Breitkopf & Härtel-Archiv

5Bodleian Library, University of Oxford, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 55, fol. 7v

6 Briefwechsel mit Klingemann [Note 3], p. 296.

7Bodleian Library, University of Oxford, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 55, fol. 3v

8 Briefwechsel mit Klingemann [Note 3], p. 304.

9Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, Breitkopf & Härtel-Archiv.

10Bodleian Library, University of Oxford, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 55, fol. 10r.

11Bodleian Library, University of Oxford, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 48, Green Books XXII, without number.

12Bodleian Library, University of Oxford, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 48, Green Books XXII-32.

Leseprobe Sample page

Leseprobe Sample page

Leseprobe Sample page

Leseprobe Sample page

Dies ist eine Leseprobe.

Nicht alle Seiten werden angezeigt.

Haben wir Ihr Interesse geweckt?

Bestellungen nehmen wir gern über den Musikalienund Buchhandel oder unseren Webshop entgegen.

This is an excerpt.

Not all pages are displayed. Have we sparked your interest?

We gladly accept orders via music and book stores or through our webshop.

www.breitkopf.com ISMN979-0-004-18357-1 9790004183571 9790004183571 EB8768 B 23
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.