Reisemagazin Bregenzerwald, Vorarlberg - Winter 2011-12

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Wink aus Wien Bernhard Böhler aus Bizau ist Direktor des Dommuseums in Wien. Er spannt den Bogen ­zwischen Hauptstadt und Bregenzerwald

Heimweh nach dem Wald Traditionell ist der Bregenzerwälder tief mit ­seiner Talschaft verbunden. Das bleibt auch so, wenn er sich in der Ferne niedergelassen hat. Gerade der in Wien lebende Bregenzerwälder sieht sich bisweilen dieser Nostalgie ausgesetzt.

Die Hausmusik Fink mit Evelyn, Isabella und Wilma Fink (von links nach rechts)

als Lehrbeauftragte am Mozarteum ­Salzburg und an der Wiener Univer­ sität für Musik. Im September 2010 kehrt sie mit ihrem Mann und ihren zwei ­Kindern zurück und renoviert das sogenannte Angelika-KauffmannHaus in Schwarzenberg. Das historische Tanzhaus nebenan am Hauptplatz von Schwarzenberg würde sie sofort beseelen, ließe es der dichte Terminkalender nur zu – neben den schon genannten Tätigkeiten ist sie Kuratorin verschiedener Festivals, musiziert in mehreren Musikgruppen, darunter seit frühester Jugend in der „Hausmusik Fink“, gemeinsam mit Schwester und Mutter. Energie schöpft sie aus der Stille und ihren Workshops

an Schulen. „Wenn sich das aserbaid­ schanische Mädchen in der Mutter­ sprache zu singen traut und die ganze Klasse hört zu, ist das für das Mädchen und mich eine Sternstunde.“ Aus der Bizauer Kirche erschallt ein Chorgesang, der Gänsehaut verur­ sacht. Ein experimentelles Konzert hätte es werden sollen, eine Laut­ malerei, die Evelyn Fink-Mennel so liebt, mit Klängen aus einer Käseharfe und einer Maultrommel. Bei allem, was die Musikerin anstimmt, singen die ­Menschen mit. Wohl nicht nur ­deshalb, weil man im Bregenzerwald sagt: Wer singt, betet doppelt. Irmgard Kramer

Unter dem Begriff Nostalgie (griech.: nóstos, Rückkehr, Heimkehr, Vergangenheit und álgos‚ Traurigkeit, Schmerz, Leiden) wurde das Heimweh erstmals im Jahr 1688 vom Arzt Johannes Hofer (1669 – 1752) in Basel als Krankheitsbild beschrieben. Der Begriff „Heimweh“ für die Sehnsucht nach der fernen Heimat wurde in der deutschen Schweiz geprägt. Von dort ging auch die Diskussion um Heimweh als medizinisches und kulturelles Phänomen aus. Man kennt es daher auch heute noch unter der Bezeichnung Schweizer Krankheit (morbus helveticus). Der Zürcher Arzt und Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer (1672 – 1733) gab im Unterschied zu seinem Basler Kollegen Hofer, der die Ursache des Heimwehs im Gehirn l­okalisiert und es als ein Leiden am Losgerissensein des ­Menschen aus der gewohnten Umwelt erklärt hatte, dem Luftdruck die Schuld. Dieser sei in ­flachen Ländern höher als in den Alpen und behindere deshalb die Blutzirkulation der Schweizer, die „den obersten Gipfel von Europa“ bewohnten. Heimweh konnte demnach eine ­Zerrüttung der körperlichen Gesundheit, ja gar den Tod zur Folge haben. Heilung brachte nur die Rückkehr in die Heimat, Linderung das ­Verbringen des Kranken an einen höher gelegenen Ort. Kulturgeschichtlich interessant ist schließlich auch die Verbindung von Heimweh und „Kuhreihen“. Das ist ein Lied, mit dem in den Schweizer Alpen die Kühe zum Melken angelockt wurden. Schweizer Söldnern in fremden Diensten war es bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts bei Todesstrafe verboten, den ­Kuhreihen zu singen oder zu pfeifen. Sie könnten sich nämlich bei dessen Anhören des Heimwehs nicht mehr erwehren und zur Fahnenflucht verleitet werden.

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