Das S Magazin #4

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Ana Cabestrero hat wenig Zeit. Mit einem langen metallenen Stab, an dessen einem Ende ein kleiner Behälter angebracht ist, läuft sie durch Reihen jahrhundertealter Holzfässer. Immer wieder taucht sie den Stab durch das Loch an der Oberseite aus­ge­ suchter Fässer. Es ist die Zeit der täglichen Qualitätskontrolle. Ein Duft nach Hefe und Wein liegt in der Luft. Den Stab nennen Profis Venencia. Mit diesem durchstößt sie vorsichtig die zentimeterdicke Florschicht, die auf der Oberfläche der Finos im Fass schwimmt. Zerstört sie die Schicht, ist der Fino Geschichte. Das gekonnte Entnehmen der Kostprobe, ohne Schaden anzurichten – das ist nur ein Aspekt der hohen Kunst der Sherrybereitung. Der Kellermeisterin auf den Fersen marschieren wir im Zickzack durch das alte Gebäude, Solera genannt. Vorbei an weißen Säulen und an übereinander gestapelten schwarzen Sherry-Fässern. Dann die erste Fassprobe - die Belohnung dafür, dass wir uns nicht von der flinken Önologin abhängen lassen. Fino, fünf Jahre gereift. Hefige Noten, die der Florschicht zu verdanken sind, dazu eine markante Salzigkeit. Unvergleichbar mit anderen Weinen. Und darum unvergesslich. Elegant und frisch. Viel

Zeit bleibt aber nicht, dem ewigen Abgang des Weins aus Hefe und Umami auch gedanklich zu folgen. Es geht weiter durch die Solera. Sandiger Boden, riesige Hallen. Immer wieder taucht Ana Cabestrero die Venencia in Fino-Fässer. Nach dem Kosten wird der Schluck einfach zwischen die Fässer in den Sand gespuckt. Dann erreichen wir einen Raum voller Geschichte und voller in Dreierreihen gestapelter Fässer. Diesmal sind es Oloroso-Fässer. Auch das ist Sherry, aber nicht unter der Florhefe gereift. Durch den Luftkontakt, die sogenannte traditionelle Reifung, ist Oloroso bernsteinfarben und die Aromatik eine komplett andere. Walnuss, getoasteter Tabak und balsamische Noten. Kräftig und duftig. Nummer zwei der faszinierenden Weine, die wir an diesem Tag bei Maestro Sierra im andalusischen Jerez de la Frontera noch kosten werden, bevor es vom sandigen Bodega-Boden wieder auf die aufwendig gepflasterten Straßen von Jerez de la Frontera geht. Weiter zur nächsten vinophilen Schatzkammer: González Byass. Zur Erklärung: Bevor es zum Staubaufwirbeln zwischen Solera-Fässern in Maestro Sierra bei Ana Cabestrero kam, war da eine Autofahrt quer durch


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