Boulevard Baden, Ausgabe Hardt, 26.06.2011

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BOULEVARD BADEN I 26. Juni 2011 I Nr. 26, 14. Jahrgang

RhythmusstĂśrungen: Das „fehlgezĂźndete“ Herz

Wie Ärzte stolpernde Herzen erkennen

Zu viel Alkohol und Zigaretten kĂśnnen Ursache sein

Diagnosemethoden bei RhythmusstÜrungen Besteht der Verdacht auf eine HerzrhythmusstÜrung, ist die Diagnostik gefragt. Meist genßgt ein EKG, um das Problem aufzuspßren. In schwierigeren Fällen kommen Ereignisrekorder zum Einsatz.

HerzrhythmusstĂśrungen kĂśnnen zwar ungefährlich sein, auf die leichte Schulter sollte man sie trotzdem nicht nehmen. Normalerweise schlägt das Herz im regelmäĂ&#x;igen Takt. Wer unter HerzrhythmusstĂśrungen leidet, bei dem kommt es jedoch zu „FehlzĂźndungen“ der Taktgeber. Dann ist die Schlagfolge entweder verlangsamt oder es treten zusätzliche Herzschläge (Extrasystolen) auf.

die Ursache sein, ein gestĂśrter Elektrolythaushalt oder eine Operation. AuĂ&#x;erdem kann der starke Konsum von Genussgiften wie Alkohol, Kaffee und Nikotin RhythmusstĂśrungen auslĂśsen.

„RhythmusstĂśrungen sind keine eigentliche Krankheit, sie sind ein Symptom einer ihnen zugrunde liegenden Herzerkrankung“, erklärt Professor Dr. Bernhard Maisch, Direktor der Klinik fĂźr Kardiologie am Universitätsklinikum Marburg. HerzrhythmusstĂśrungen kĂśnnen angeboren sein oder bei einer erworbenen Erkrankung des Herzens auftreten – bei einem Klappenfehler, einem kranken Herzmuskel, Bluthochdruck, einer EntzĂźndung des Herzens oder Herzbeutels oder einer koronaren Herzerkrankung, sagt Professor Maisch. Auch eine Ăœberfunktion der SchilddrĂźse kann

StĂśrungen im Bereich der VorhĂśfe (supraventrikulär) treten auf, wenn der Haupt-Taktgeber, der Sinusknoten, nicht mehr ordnungsgemäĂ&#x; funktioniert, erläutert Professor Maisch. Besonders häufig dabei: das sogenannte Vorhofflimmern. Dabei kreisen in den VorhĂśfen elektrische Wellen mit einer so hohen Frequenz, dass die VorhĂśfe sich nicht mehr zusammenziehen kĂśnnen, sondern nur noch flimmern – es herrscht gewissermaĂ&#x;en ein elektrisches Chaos. Das Vorhofflimmern ist laut Maisch eine regelrechte Epidemie: Rund zwei Millionen Deutsche leiden da-

Vorhofflimmern: das elektrische Chaos

runter. Es sei zwar nicht lebensgefährlich, aber auch nicht harmlos. Vor allem, weil – ausgehend von Gerinnseln, die sich in den VorhĂśfen bilden – die Gefahr einer Embolie und damit auch eines Hirnschlags steigt. Etwa 300.000 Schlaganfälle pro Jahr gehen laut der Deutschen Herzstiftung auf Vorhofflimmern zurĂźck. Bei Auffälligkeiten zum Kardiologen Wenn die Problemursache in einer der beiden Herzkammern liegt, werden die HerzrhythmusstĂśrungen ventrikulär genannt. Dies komme häufig bei Menschen mit einer Herzschwäche vor, erklärt Professor Maisch. Bei zu schnellem Puls (Kammertachykardie) sind die Patienten vom plĂśtzlichen Herztod bedroht. Ein Defibrillator – also ein Gerät, das einen Elektroschock abgibt – kann im Notfall Leben retten. Besonders gefährdete Patienten be-

kommen ein solches Gerät im MiniFormat in die Brust implantiert. „Jeder Mensch hat irgendwann in seinem Leben UnregelmäĂ&#x;igkeiten des Herzschlags – häufig, ohne es zu merken“, so die Deutsche Herzstiftung. Ob die StĂśrungen harmlos oder gefährlich sind, kann aber nur ein Arzt feststellen. Deshalb sollte man einen Kardiologen aufsuchen, sobald man etwas bemerkt, rät Professor Maisch. Vor allem dann, wenn Symptome wie Schwindel und Kopfweh auftreten oder die Leistungsfähigkeit sinkt. Weitere Informationen: Mehr zum Thema Herz & Kreislauf unter www.gesund-durch. de/gesundheit_a-z/herz-kreislaufund-gefaesse www.herzstiftung.de; Informationen der Deutschen Herzstiftung www.kompetenznetzvorhofflimmern.de; Seite des Kompetenznetzes Vorhofflimmern mit Infos fĂźr Patienten dbp/nas

Das EKG macht UnregelmäĂ&#x;igkeiten sichtbar Um zu klären, ob die RhythmusstĂśrungen harmlos oder gefährlich sind, werden verschiedene diagnostische Verfahren genutzt, sagt Professor Dr. Bernhard Maisch, Direktor der Klinik fĂźr Kardiologie am Uniklinikum Marburg. Am Anfang stehen das Patientengespräch und eine Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems. Gibt es Hinweise auf eine Herzerkrankung, steht deren Diagnose und Behandlung im Vordergrund, bevor die RhythmusstĂśrung rein symptomatisch therapiert wird. Mithilfe eines Elektrokardiogramms (EKG) lässt sich laut der Deutschen Herzstiftung in den meisten Fällen bereits eine Diagnose stellen – falls die RhythmusstĂśrungen in dem Zeitraum auftreten, in dem es durchgefĂźhrt wird. Ein EKG ist die Aufzeichnung der elektrischen Aktivitäten des Herzens Ăźber Elektroden, die auf die Brust geklebt werden. Ein Belastungs-EKG findet unter kurzzeitiger kĂśrperlicher Anstrengung statt, bei einem LangzeitEKG trägt der Patient Ăźber einen längeren Zeitraum ein kleines Aufzeichnungsgerät bei sich – normal

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Viele Patienten, die an HerzrhythmusstĂśrungen leiden, wissen gar nichts davon, weil sie nichts bemerken. Andere spĂźren ihren unregelmäĂ&#x;igen Herzschlag, das Stolpern oder die Extraschläge, manche haben sogar weitaus stärkere Beschwerden wie Schwindel, Herzrasen, BewusstseinsstĂśrungen oder sind in ihrer kĂśrperlichen Leistung eingeschränkt. Dann ist der Gang zu einem Kardiologen dringend angeraten.

Ein EKG legt StĂśrungen des Herzschlags offen – sofern sie während der Untersuchung auftreten. sind 24 Stunden, es sind aber bis zu sieben Tage mĂśglich. Ereignisrekorder im Mini-Format Auch sogenannte Ereignisrekorder (Event-Rekorder) kĂśnnen RhythmusstĂśrungen aufspĂźren – zum Beispiel, wenn das EKG in der Praxis keinen Aufschluss gebracht hat. Externe EKG-Geräte, die nur so groĂ&#x; wie eine Scheckkarte oder sogar noch kleiner sind, werden hier vom Patienten selbst aktiviert, wenn Beschwerden auftreten. Implantierbare Geräte werden zur Diagnostik vor allem dann angewandt, wenn ein Patient bereits einen Bewusstseinsverlust (Synkope) erlitten hat und auch Langzeit-EKGs zuvor kein Ergebnis gebracht haben, erklärt Professor Maisch.

Die elektrophysiologische Untersuchung (EPU) schlieĂ&#x;lich ist eine spezielle Katheter-Untersuchung, die insbesondere dann durchgefĂźhrt wird, wenn eine RhythmusstĂśrung durch ein EKG bereits nachgewiesen und eine sogenannte Katheterablation (der VerĂśdung bestimmter Stellen im Herzen) als Therapie angebracht ist. Auch wenn man HerzrhythmusstĂśrungen nicht direkt verhindern kann – ein gesundes Leben kann laut Professor Bernhard Maisch Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen, die meist verantwortlich fĂźr die StĂśrungen sind. Eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung sowie das Vermeiden von negativem Stress und Ăœbergewicht senken das Erkrankungsrisiko. Und damit indirekt auch das Risiko, HerzrhythmusstĂśrungen zu entwickeln. dbp/nas


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