Bildgebung und Drumherum

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Bildgebung und Drumherum

Kontrast Akademie 2014 Modul 4 Strahlenschutz & Multislice-CT

Radiology & Interventional


Modul 4 Strahlenschutz & Multislice-CT Seit Einführung der Computertomographie (CT) vor ca. 25 Jahren hat diese massiv an Bedeutung gewonnen. Die CT gehört heute zu den aussagefähigsten diagnostischen Verfahren in der Radiologie. Die Strahlenbelastung, die mit der CT aber verbunden ist, wurde lange Zeit wenig beachtet. Mit nur einem Anteil von 4 % des gesamten Untersuchungsaufkommens verursacht die CT rund ein Drittel der medizinisch bedingten Bevölkerungsdosis. Damit stellt die Computertomographie heutzutage mit einer der größten Herausforderung auf dem Gebiet des Strahlenschutzes bei medizinischen Anwendungen dar. Was aber versteht man eigentlich unter Strahlenschutz? Sucht man bei Wikipedia den Begriff „Strahlenschutz“, findet man als Definition: Schutz von Mensch und Umwelt vor den schädigenden Wirkungen ionisierender und nicht ionisierender Strahlung (aus natürlichen und künstlichen Strahlenquellen). Damit die Ziele des Strahlenschutzes erreicht werden, wurden 2006 die Fundamental Safety Principles vorgestellt. Die Europäische Atomgemeinschaft EURATOM erklärte im Jahr 2009 diese Prinzipien als Richtlinie 2009/71/Euratom als verbindlich für sämtliche EU-Staaten. So wurden erstmals verbindliche europäische Regelungen im Bereich der nuklearen Sicherheit geschaffen. Eine Reduktion der Strahlenexposition in der Computertomographie bietet somit eine Möglichkeit, die gesamte, durch medizinische Anwendungen hervorgerufene Strahlenexposition zur verringern.

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Ziel der Bildgebung in der CT muss sein: ALARA-Prinzip As Low As Reasonably Achievable „So wenig Dosis wie möglich, aber so viel Dosis wie nötig.“

Mit möglichst wenig Strahlendosis die Bildqualität erreichen, die für die Beantwortung der entsprechenden klinischen Fragestellung nötig ist. Um diesem Ziel näher zu kommen, wurden im Zusammenhang mit der neuen Röntgenverordnung im Jahr 2010 Dosisreferenzwerte für die CT eingeführt. (Info unter: www.bfs.de/de/ion/medizin/referenzwerte02.pdf) Was ist aber denn nun „Strahlendosis“? Strahlendosis ist eine Größe zur Beschreibung der Energieumwandlung von Strahlungsfeldern in Stoffen. So errechnet sich die Energie-Dosis:

dW D= dm

D = (Energie-) Dosis dW = absorbierte Energie dm = Masse des Volumens

J 1 Gy = 1 kg

SI-Einheit (internationale Einheit) der Energie-Dosis ist das Gray [Gy]

Aufgrund der speziellen Aufnahmetechnik der Computertomographie unterscheidet sich die Strahlenexposition der Patienten im CT deutlich von der Exposition bei konventionellen Röntgenaufnahmen. Dafür sind im Wesentlichen drei Gründe verantwortlich: 1. Im CT wird der Patient aufgrund der Rotation der Röntgenquelle von allen Seiten gleichmäßig exponiert. Das führt zu einer völlig anderen Dosisverteilung im Körper des Patienten. 2. Da im CT fächerförmige Strahlenfelder verwendet werden und deren Längsausdehnung nur wenige Millimeter beträgt (Schichtdicke), kommt es auch außerhalb der angewählten Schicht zu einer Strahlenexposition des Gewebes. 3. Da in der CT immer mehrere Schichten für eine Untersuchung benötigt werden, kommt es durch die Summation zu einer Erhöhung der Strahlenexposition. Daher lassen sich die für die konventionelle Aufnahmetechnik eingeführten Dosisbegriffe beim CT nicht anwenden. Um aber trotz allem die Strahlenexposition eines Patienten bei einer CT-Untersuchung erfassen zu können, wurden spezielle Dosisbegriffe eingeführt.

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Um die Strahlenbelastung einer CT-Untersuchung berechnen zu können, wurde 1981 von der FDA (Food and Drug Administration, Arzneimittelzulassungsbehörde der USA) der CTDI definiert. Der CTDI ist eine Messgröße in der Dosimetrie und Grundlage für die Berechnung der Strahlenbelastung einer CT-Untersuchung. CTDI = Computed Tomographie Dose Index CTDI ist die Fläche des Dosisprofils / nomineller Schichtdicke aus einer einzigen Schicht. >> Die Einheit ist mGy / mAs Wenn der CTDI-Wert bekannt ist, kann auch die Dosis berechnet werden.

Dosis = CTDI ⋅ eff. mAs Multipliziert man den CTDI mit der Länge des Untersuchungsvolumens, erhält man das Dosislängenprodukt (DLP). Beim DLP wird gemessen, welche Gesamtdosis ein Patient bei einer CT-Untersuchung erhält. Das Dosislängenprodukt setzt sich zusammen aus der mittleren effektiven Dosis CTDIvol und der Länge des Körperabschnitts (Scanlänge), die untersucht wurde:

DLP = CTDIvol x Länge

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Das größte Potential zur Dosisreduktion aber ist beim Untersucher gegeben. Der Untersucher (MTRA) kann die Strahlenexposition der Patienten bei der CT-Untersuchung durch die Wahl der Untersuchungsparameter stark beeinflussen. Untersuchungsparameter, die die Strahlenexposition direkt beeinflussen, sind: QQ mAs-Produkt pro Schicht QQ Pitchfaktor QQ kV QQ Größe des bestrahlten Volumens Es gibt aber auch Untersuchungsparameter, die die Strahlenexposition indirekt beeinflussen: QQ Schichtdicke QQ Faltungskern QQ Objektdicke QQ Fensterweite Diese Parameter haben ausschließlich Einfluss auf die Bildqualität (Rauschen). Ein möglicher Bildqualitätsverlust muss ggf. durch Dosiserhöhung ausgeglichen werden. Die Absolutwerte der Strahlenexposition einer CT-Untersuchung werden somit entscheidend beeinflusst von den Scanparametern, aber auch vom Typ des CT-Systems und natürlich von den Besonderheiten des individuellen Patienten. Die Dosis im CT ist im Vergleich zum konventionellen Röntgen 5-100-fach höher! Was hat es nun mit diesen direkt dosiswirksamen Parametern auf sich? 1. mAs = Strom-Zeit-Produkt: Röhrenstrom und Dosis stehen in einem linearen Verhältnis.

Als Faustregel kann man sagen:

50 % Reduktion des Röhrenstroms = 50 % Dosisreduktion

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120 mAs 1,86 mGy

100 mAs 1,28 mGy

Abbildung 1: Beispiel gemessen an einem Suppenhuhn

Bei Schädeluntersuchungen im CT ist aufgrund der knöchernen Strukturen die absorbierte Dosis höher. Zwar ist das Hirngewebe weniger strahlensensibel, aber die besondere Aufmerksamkeit gilt der Augenlinse. 2. kV = Röhrenspannung Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Reduktion von 120 kV auf 80 kV das Signal/Rauschverhältnis nicht signifikant beeinflusst.

120 kV

80 kV

Eine Erhöhung von 120 kV auf 140 kV bei gleichbleibenden mAs führt aber zu einer Dosiserhöhung von 30-45 %!

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Eine niedrige Röhrenspannung (100 oder 80 kV) ist insbesondere für die CT-Angiographie (CTA) zur Reduktion der Strahlendosis zu empfehlen. Die Senkung des kV-Werts führt nicht nur zu einer deutlichen Strahlenreduktion, sondern gleichzeitig auch zu einer stärkeren Kontrastierung der Gefäße aufgrund einer höheren Absorption des jodhaltigen CTKontrastmittels. In der CTA erzielt man bei niedrigen kV-Werten im Vergleich zu höheren die gleiche Bildqualität (KontrastRausch-Verhältnis) mit einer geringeren Strahlendosis oder eine bessere Bildqualität bei gleicher Strahlendosis.

1993

80 kV

1522

100 kV

1229

Abbildung 3: Beispiel gemessen an einem Suppenhuhn. Die Senkung des kV-Werts führt zu einer stärkeren Kontrastierung. (Höheres Enhancement = mehr Houndsfield Units)

120 kV

Je höher der kV-Wert, desto geringer die Kontrastierung in den Gefäßen

Mögliche kV-Werte bei der CTA: QQ 100 kV für die CTA der Pulmonalarterien (Ausschlussdiagnostik einer Lungenembolie) QQ 100 kV für die CTA der thorakoabdominalen Aorta QQ Bei der pulmonalen CTA kann eine Röhrenspannung von 80 kV für Patienten mit einem Körpergewicht < 100 kg in Erwägung gezogen werden.

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3. Pitch-Faktor Der Pitchfaktor oder Pitch beschreibt das Verhältnis von Tischvorschub zu Strahlkollimierung. Dabei gibt es zwei verschiedene Definitionen.

Bei Geräten von Siemens, GE und Toshiba gilt:

Tischvorschub d PITCH = = Schichtdicke s Bei Philips gilt:

PITCH =

Tischvorschub d = Schichtdicke ⋅ Anzahl der Detektorzeilen s ⋅ n

Bei Siemens- oder Philips-Scannern hat die Wahl des Pitchfaktors nahezu keinen Einfluss auf die Strahlendosis, da diese beiden Herstellerfirmen mit dem pitchadaptierten Röhrenstromzeitprodukt (effektive mAs) arbeiten. Dies bedeutet, dass beim Anstieg des Pitchfaktors automatisch das Röhrenstromzeitprodukt angehoben und die Scanzeit reduziert werden, bei nahezu konstanter Dosis. Andere Hersteller (GE und Toshiba) arbeiten mit der konventionellen Definition des Röhrenstromzeitproduktes. Bei diesen Herstellern hat die Wahl des Pitchfaktors großen Einfluss auf die Strahlendosis.

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4. Größe des bestrahlten Volumens Immer häufiger beobachtet man, dass aufgrund der neuen, extrem schnellen CT-Scanner viel mehr aufgenommen wird, als für die Diagnose notwendig ist. Als Untersucher sollte man sich jedes Mal fragen, ob das, was gerade geplant wurde, auch absolut notwendig ist. Als die Scanner noch nicht so leistungsfähig waren, hat man sich ganz automatisch auf das Wesentliche beschränkt. Warum also heute anders? Damit aber nicht die komplette Verantwortung für die Strahlenexposition auf dem Untersucher lastet, hat sich auch die Industrie Einiges einfallen lassen. Mittlerweile gibt es die verschiedensten Möglichkeiten, um die Strahlendosis zu reduzieren. Begonnen hat alles mit der einfachen Dosismodulation (AEC – Automatic Exposure Control). Dabei wird basierend auf dem Scout / Topo / Sureview durch intelligente Algorithmen der Röhrenstrom an die Anatomie des Patienten angepasst. Die durchschnittliche Schwächung pro Schicht /Rotation wird vor dem Scan ausgewertet. Im nächsten Schritt folgte die Advanced Dosismodulation (TCM – Tube Current Modulation). Es handelt sich um eine in Echtzeit (real time) angepasste Modulation des Röhrenstroms. Die mA-Einstellung wird nicht vor dem Scout berechnet, sondern direkt während des Spiral-Scans. Der Röhrenstrom wird in Abhängigkeit vom Winkel der Röntgenröhre zur Patientenliege moduliert. Dadurch ergibt sich weniger Dosis, wenn ausreichend, und mehr Dosis, falls nötig.

höhere mAs

geringere mAs

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Bei der Verwendung von Dosismodulation ist es wichtig, dass der Patient optimal gelagert wird:

Röntgenröhre Patient

Isozentrum

Detektor

Patient im Isozentrum positioniert >> Dosis & Bildqualität optimal Patient Röntgenröhre

Isozentrum

Detektor

Patient zu hoch gelagert >> Patient „erscheint“ dicker >> Dosis steigt an >> mAs werden erhöht

Röntgenröhre Patient

Isozentrum

Detektor

Patient zu niedrig gelagert >> Patient „erscheint“ dünner >> Dosis sinkt >> mAs werden gesenkt >> Bildqualität wird schlechter >> Bildrauschen nimmt zu

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Eine weitere technische Möglichkeit zur Dosisminimierung stellt das sogenannte „Adaptive Dose Shield“ dar. Adaptive Dose Shield ist eine technische Möglichkeit zur Vermeidung des „Overranging“. Unter „Overranging’“ versteht man die Erhöhung des Dosislängenprodukts (DLP) aufgrund der zusätzlichen Rotationen am Anfang und Ende des Spiralscans. Diese Rotationen sind aber nötig, um die erste und letzte Schicht rekonstruieren zu können. Ein adaptives Dosisschild blockiert klinisch irrelevante prä- und post-spirale Strahlung mit dynamischen Blenden, so dass nur noch die minimale und klinisch bedeutsame Strahlenexposition stattfindet. Damit lässt sich die Dosis bei Routineuntersuchungen zusätzlich um bis zu 20 Prozent verringern. Auch das von der Firma Siemens Healthcare angebotene „X-Care“ unterstützt die Dosisreduktion. Bei einer homogenen Bildqualität über den gesamten Scanbereich verringert X-Care die direkte Exposition dosissensitiver Organe (z.B. Brustgewebe) um etwa 40 %. Die Strahler werden während der Rotationsphase, in der die betreffenden Körperbereiche der Strahlung am meisten ausgesetzt sind, ausgeschaltet.

Strahlung aus

Strahlung an

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Auch das EKG-Pulsing ist eine technische Möglichkeit der Strahlendosisreduktion. Dabei ist der Röhrenstrom EKG-überwacht (bis 50 % Dosiseinsparung). In der systolische Phase verringert sich der Röhrenstrom um bis zu 20 %. In der diastolischen Phase wird der Röhrenstrom auf das normale Niveau angehoben. Somit wird erreicht, dass die Bilder in der diastolischen Phase mit der bestmöglichen Bildqualität generiert werden. In der systolischen Phase, welche diagnostisch von geringerer Bedeutung ist, kommt es zu einem erhöhen Bildrauschen.

Reko

Reko

mA

100%

EKG 20% Scan

Optimale Röhrenspannung mit Care kV Eine noch relativ neue Entwicklung der Firma Siemens ist die Option ‚Care kV‘. Mit der Wahl der richtigen kVStufe lässt sich die Bildqualität verbessern und die Dosis reduzieren. Ändert man aber die Röhrenspannung (kV), müssen gleichzeitig auch einige andere Scanparameter geändert werden. Die Abhängigkeiten sind allerdings nicht linear und somit müssten die anzupassenden Werte verschiedener Scanparameter sehr kompliziert mit diversen Formeln berechnet werden. Die Beziehung zwischen mAs und kV in Bezug auf die Bildqualität (Kontrast, Rauschen und Kontrast-RauschVerhältnis (CNR)) ist kompliziert und während der Routine zu aufwendig. CARE kV empfiehlt automatisch die optimale Röhrenspannung für den einzelnen Patienten und bei der jeweiligen klinischen Indikation. Das Ziel ist es, genau wie bei CARE Dose 4D mit reduzierter Dosis eine bestimmte Bildqualität zu erreichen. Bei der Bildqualität spielen zwei Faktoren eine wichtige Rolle: QQ Kontrast QQ Rauschen Die Bildqualität wird als konstant angesehen, wenn das Kontrast-Rausch-Verhältnis (CNR) konstant gehalten wird.

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Quelle: www.siemens.com

Ähnlich wie bei CareDose4D gibt es einen Referenzwert, der für einen Standardpatienten von 75 kg gilt. Die bekannte Kombination von mAs und kV-Einstellungen bleibt gleich. Wichtig bei der Verwendung von Care kV: die Position des Schiebers entsprechend der klinischen Indikation einzustellen (nativ Untersuchung, Angiographie usw.).

Das System empfiehlt dann optimierte kV-Werte und setzt alle anderen Parameter so, dass ein vorher definiertes CNR erreicht wird.

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Abdomen-CT mit Care kV, links 120 kV, rechts 100 kV mit geringerem CT-Dosisindex (CTDI)

Als zusätzliches Feature bietet Siemens jetzt auch fünf kV-Einstellungen an (70 kV, 80 kV, 100 kV, 120 kV, 140 kV). Nach mehr als 12.000 gescannten Patienten zeigte sich eine deutliche Verschiebung in Richtung 100-kV-Scans und 80-kV-Scans. Somit konnten beispielsweise Abdomen-Untersuchungen anstatt mit 120 kV = 14,1 mGy auf unter 10 mGy mit 100 kV reduziert werden. Ergebnis: Rund 30 % Dosisreduktion ohne Kompromisse in der Bildqualität. Es konnte gezeigt werden, dass durch den Einsatz von Care kV mehr Untersuchungen mit weniger kV durchgeführt wurden.

CARE kV /Automated Dose-Optimized Selection of X-ray Tube Voltage Katharine Grant, PhD, and Bernhard Schmidt, PhD / www.usa.siemens.com/healthcare

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Strahlenschutzmittel Doch nicht nur die technischen Möglichkeiten helfen Strahlendosis zu sparen – auch Strahlenschutzmittel können, wenn sie richtig angewandt werden, helfen Strahlendosis zu sparen. Die Leitlinie der Bundesärztekammer beschreibt bei den jeweiligen Untersuchungsarten keine konkreten Maßnahmen zum Strahlenschutz. Aber sie gibt allgemeine Informationen zur Strahlenexpositionsoptimierung und verweist auf den Leitfaden CT. In der überarbeiteten Fassung vom August 2007 wird die Verwendung von Strahlenschutzmitteln für die Augenlinse, Mammae, Schilddrüse, Ovarien und Testes empfohlen. Eine gemeinsame Studie des Instituts für Medizinische Physik und Strahlenschutz (IMPS, Fachhochschule Gießen-Friedberg) und der Klinik für Strahlendiagnostik am Medizinischen Zentrum für Radiologie, PhilippsUniversität Marburg, sagt, dass die Körperbereiche, die nicht von der Nutzstrahlung getroffen werden, so weit wie möglich vor einer Strahlenexposition geschützt werden sollten. Eine Rundum-Abdeckung des Abdomens beim Thorax-CT von Frauen kann die Uterusdosis um bis zu 34 % reduzieren. Studien von Nagel et al., Melchert et al. sowie Hidajat et al. zeigen, dass die Verwendung von Hodenkapseln bei gonadennahen Untersuchungen zu einer deutlichen Reduktion der Strahlenexposition führt. In mehreren Studien mit Dosismessungen (z.B. am Aldersonphantom mit Thermolumineszenzdosimetern) wurde eine Einsparung der Gonadendosis von etwa 87-90 % der Dosis gegenüber der Durchführung ohne Hodenkapseln gezeigt. Gemäß der Richtlinie für Sachverständigenprüfungen nach der Röntgenverordnung (SV-RL) sind nach Anlage III in Röntgeneinrichtungen Patientenschutzmittel vorzuhalten bzw. anzuwenden (Stand: 9.2.2010). Für die Computertomographie sind dies: QQ Hodenkapsel (umschließend), mehrere Größen QQ Schilddrüsenschutzvorrichtungen für Schädel-CT-Untersuchungen Bei allen Röntgen- und CT-Untersuchungen in Nähe der Hoden muss dieser die Hoden umschließende Strahlenschutz angelegt werden. Ausnahme: Die Bildgebung wird dadurch gestört, bzw. relevante Bereiche werden dadurch verdeckt.

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Das ist meist nicht der Fall und das Weglassen der Kapsel muss begründet und dokumentiert werden! Ein wiederholtes unbegründetes Weglassen oder falsches Anlegen von Gonadenschutz kann zur Entziehung der Fachkunde führen. Verwaltungsgericht Potsdam 3. Kammer vom 05.01.2005 AZ: 3 L 1089/04 Beim Einsatz von Strahlenschutzmaterialien im Untersuchungsbereich bei gleichzeitiger Verwendung der Dosismodulation sind zwingend einige Punkte zu beachten. Die Anpassung der mA durch die Dosismodulation erfolgt typischerweise nach Erfassung der Absorptionsunterschiede der anatomischen Strukturen des jeweiligen Untersuchungsbereiches (teilweise auch abhängig vom Einstrahlungswinkel). Bei einigen Geräteherstellern erfolgt die Regelung der Dosis anhand des Übersichtsradiogramms (Scanogramm/Topogramm). Wenn vor dem Topogramm Strahlenschutzmaterialien angelegt werden, führt das zu höheren mAs und ggf. zu einer erhöhten Strahlenexposition. Generell gilt: Keine Strahlenschutzmittel im Strahlengang - egal aus welchem Material - wenn mit Dosismodulation gearbeitet wird. Der Grund: Wenn Strahlenschutzmittel angewendet werden und gleichzeitig mit Dosismodulation gearbeitet wird, regelt der Scanner die Dosis massiv hoch - für den Scanner sieht ein Patient mit Strahlenschutzmittel aus wie ein extrem dicker Patient.

Zum Schutz der Linse beim Schädel-CT ist das Ausblenden der Linse durch Gantrykippung und eine perfekte Lagerung die Methode der Wahl. Durch Ausblenden der Linse kann eine Dosisreduktion von bis zu 88 % erzielt werden. Aufgrund technischer Voraussetzungen können aber nicht alle Geräte gekippt werden (anschließende Rekonstruktionen sind dann nicht mehr möglich). Ionisierende Strahlung kann zu einer Trübung der Augenlinse, bei höheren Dosen sogar zu einem Strahlenkatarakt führen. Insbesondere bei pädiatrischen Patienten bedeuten CT-Untersuchungen im Bereich des Schädels ein erhöhtes Risiko für die Augenlinsen. Protektormaterialien aus Bismut, Antimon, Gadolinium und Wolfram können eine Dosiseinsparung von bis zu 48 % im Strahlengang erreichen. (Weitere Information unter www.somatex.com)

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Auch für die Schilddrüse und Mammae gibt es bismuthaltige Strahlenschutzmaterialien, die bei HWS-, Halsund Thorax-Untersuchungen eingesetzt werden können. Tomas et al. haben gezeigt, dass für den Bereich der Schilddrüse eine Dosisreduktion (Organdosis) von 35,8 % (ohne Abstandhalter) bzw. 31,3 % (mit Abstandhalter) am Phantom erzielt werden kann. Auch für die Brustdrüse betrug die Dosisreduktion 33,7 % (ohne Abstandhalter) bzw. 31,9 % (mit Abstandhalter). Der Einsatz eines Abstandhalters (1,5 cm Baumwolltuch) konnte oberflächliche Aufhärtungsartefakte deutlich reduzieren. Schutzmittel & Dosismodulation Bei Modulation anhand des Topogramms: Abdeckungen erst nach dem Topogramm auflegen, da sonst die Regelung die Dosis ansteigen lässt. Bei online-adaptiver Röhrenstrom-Modulation Keine Schutzmittel anwenden >> Dosis steigt an! Oft kann eine CT-Untersuchung auch in der sogenannten „Low Dose Technik“ durchgeführt werden. Dabei wird bei gleicher und oft sogar besserer diagnostischer Sicherheit die Strahlenbelastung erheblich reduziert. Besonders gut eignet sich die Lunge für eine Niedrigdosisuntersuchung. Die Lunge ist ein Hochkontrastorgan, das heißt sie weist hohe Absorptionsunterschiede auf. Da die Lunge mit Luft gefüllt ist, lässt sie sich besonders gut gegenüber den umliegenden Strukturen abgrenzen. Das führt dazu, dass sich unabhängig von der Dosis eine gute Bildqualität erzielen lässt. Aber auch andere Organe mit einem anatomisch hohen Objektkontrast können mit der Low Dose Technik untersucht werden (z.B. Skelett oder Urolithiasis). Die Low Dose Technik kommt auch in Betracht für Untersuchungen, bei denen der Kontrast künstlich durch Kontrastmittel angehoben wird (CT-Angiographie). Dass durch den Einsatz von Strahlenschutzmaterialien eine Dosisreduktion bei CT-Untersuchungen zu erreichen ist, wurde in vielen Studien untersucht. Wichtig ist aber, bei Verwendung von Multislice-CT und Dosismodulation auf die Besonderheiten der einzelnen Geräte zu achten.

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Insgesamt stehen uns für eine Reduktion der Strahlendosis in der Computertomographie viele Möglichkeiten zur Verfügung. Trotz aller Technik liegt die bestmögliche Strahlendosisreduktion aber immer noch in der Hand des Untersuchers. Deshalb sollte man vor Beginn der Untersuchung noch einmal gründlich nachdenken: Checkliste für den Radiologen QQ Prüfen der rechtfertigenden Indikation QQ Mögliche Reduktion der Untersuchungsphasen QQ Senken der Röhrenspannung und/oder des Röhrenstroms für native CT-Untersuchungen QQ Senken der Röhrenspannung auf 100 oder 80 kV für die CT-Angiographie QQ Vermeiden einer sehr dünnen Kollimation (< 1,0 mm) QQ Vermeiden eines Pitchfaktors < 1 (bei GE und Toshiba) Checkliste für die MTRA QQ Kontrolle der Scanlänge hinsichtlich möglicher Einschränkungen QQ Optimale Patientenzentrierung QQ Senken der Röhrenspannung und/oder des Röhrenstroms für die CT-Planungsaufnahme QQ Positionieren der Oberarme oberhalb des Oberkörpers bei einer CT-Untersuchung des Thorax und Abdomens, wenn immer möglich QQ Einsatz von Strahlenschutzmitteln (Augenlinse, Mammae, Schilddrüse, Ovarien und Testes) zur Abschirmung von CT-Röntgenstrahlen

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Automatisiertes Dosismanagement Es ist nicht einfach, dem schwierigen Thema Strahlenschutz & Dosisminimierung gerecht zu werden. Für ein systematisches Dosismanagement bietet die Industrie verschiedene IT-Lösungen an, die uns die Dosiskontrolle deutlich leichter machen. Diese Programme zeigen auf, wie viel Strahlenexposition wir bei welchem Patienten und bei welcher Untersuchung gegeben haben. Bisher waren kaum Aussagen dazu verfügbar, mit wie wenig oder viel Dosis wir unsere Untersuchungen machen. Oder wie weit wir die Dosis gesenkt haben. Oder welche Fortschritte wir mit jeder Sequenzoptimierung gemacht haben. Bayer HealthCare bietet nun mit Radimetrics ein vollautomatisches Dosistracking-System an, dass eine herstellerunabhängige IT-Lösung ist. Radimetrics kommuniziert mit jedem RIS/PACS und bindet die Modalitäten aller Hersteller an. Radimetrics bietet viele verschiedene Möglichkeiten der Analyse, die an die vorhandenen Infrastruktur individuell angepasst werden kann. Dadurch erreichen wir deutlich mehr Transparenz im Umgang mit Strahlenexposition. Mit Hilfe dieser ITLösung wird es möglich, Aussagen über die gesamte applizierte Dosis (kumulierte Dosis) ebenso zu treffen wie über historische (vorausgegangene) Untersuchungen eines Patienten.

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In einer Art digitalen „Patientenakte“ bekommen wir alle wichtigen Informationen auf einen Blick. Radimetrics zeigt auch die effektive Dosis und Organdosis an.

Um all diese Informationen sinnvoll einzusetzen und umzusetzen, ist es nötig die eigene Dosissensibilität zu steigern. Dies gelingt am besten mit einer so genannten „Was wäre wenn“-Analyse in unserem Dosimetrie-Simulator: Parameter ändern und den Effekt sehen O Exposition simulieren So kann man im Vorfeld betrachten, wie sich die Organdosis ändern würde, wenn die Scanlänge oder andere Parameter des CTs verändert werden.

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Große Scanrange

Kleine Scanrange

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Eine Veränderung der Scanparameter führt zu einer Dosiserhöhung oder -senkung. Wie aber wirken sich welche Parameter auf die Organdosis aus?

Bisher war es kaum möglich, darauf eine Antwort zu bekommen. In Zukunft werden wir wahrscheinlich sogar dazu angehalten sein, auf diese Fragen eine Antwort zu haben. Wir werden nicht umhinkommen, in Zukunft genauer hinzusehen und noch mehr zu dokumentieren. Da aber ja unsere Arbeitszeit begrenzt ist, könnten uns solche Lösungen helfen, diesen Mehranforderungen gerecht zu werden. Es gibt bereits einige Länder, in denen eine genaue, lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation auch jetzt schon Pflicht ist. Das Thema Strahlenschutz wird uns mit Sicherheit noch weiterhin begleiten und uns immer mehr abverlangen – daher sind ist intelligente Lösungen für das Dosismanagement Trumpf!

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Zusammenfassung der Möglichkeiten, die Strahlendosis für den Patienten zu reduzieren QQ Möglichst kurzen Scanbereich wählen QQ Anzahl der Scandurchgänge reduzieren (Mehrphasen-Protokolle) QQ Bei Mehrphasen-Protokollen Scanphasen durch Low-Dose ersetzen (nativ / arteriell) QQ kV-Reduktion bei Hochkontrastuntersuchungen (Lunge / Skelett / CTA) QQ Evtl. Kompression bei adipösen Patienten mit Hilfe eines Bauchgurtes QQ Pitch unter 1 bei GE und Toshiba vermeiden QQ Dosisautomatik verwenden (auf richtige Patientenpositionierung achten) QQ Bildrekonstruktionsparameter richtig wählen (Rauschunterdrückung durch glättende Rekonstruktion) QQ Strahlenschutzmittel für besonders strahlensensible Organe wie Gonaden, Augenlinsen, Mammae oder Schilddrüse anwenden, wann immer möglich und sinnvoll

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