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Eis und Stürme stärker als der Eisbrecher

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Eis und Stürme waren stärker als der Eisbrecher

Arktis-Expedition mit den "Wild-Animals Photographers"

Es gibt Einiges zu Erfahren Schon bei der Ankunft in Longyearbyen der kleinen, pittoresken Hauptstadt von Svalbard/ Spitzbergen war uns klar wer hier das Sagen hatte, selbstverständlich das Wetter. Ein Schneesturm sondergleichen fegte über den Ort hinweg mit Windböen von über 8 Beaufort, der die Schneekristalle nur so ins Gesicht peitschte. Martin Schärer und ich waren jedoch gut vorbereitet. Unser erster Aufenthalt im Sommer auf Spitzbergen und informative Gespräche mit Einheimischen gaben uns einen Hinweis, dass im März auf Spitzbergen Wind, Schnee und Eis das Zepter übernehmen. Entsprechend waren wir nach dem bewährten Zwiebelmuster eingekleidet und hatten Wind und Wetter nicht zu fürchten. Im Gegenteil, wir genossen die erste Übernachtung im Hotel bei feinem Essen und einem süffigen Spitzbergenbier

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und wagten sogar noch einen Spaziergang im in völliger Dunkelheit eingehüllten Longyearbyen. Nebenbei erwähnt, auf Spitzbergen leben 2600 Menschen, jedoch 3500 Eisbären. Frühe Tagwache war angesagt. Der Sturm hatte während der ganzen Nacht weiter getobt. Es machte nicht den Anschein, dass sich das Wetter bessern würde. Die zwölf Teilnehmer aus Norwegen, Schweden, Australien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz fanden sich pünktlich zum abschliessenden Gesundheitscheck und den wichtigen Instruktionen in Englisch ein, eindrucksvoll und professionell durchgeführt durch die beiden Guide Ole J. Liodden, aus Norwegen und Martin Enckell Schweden. Englisch war auch die Schiffssprache. Nebst den relevanten Erklärungen über das Verhalten auf dem Eis, im und auf dem Schiff, in den Schlauchbooten, während Stürmen, war ein entscheidender Teil der Instruktionen das absolut tadellose Anpassen des Überlebensanzuges. Vorgängig mussten wir detaillierte Masse wie Körpergrösse, Beinlänge, Armlänge, Brustumfang, Bauch und Hüfte einreichen. Das absolut genaue Anpassen der Anzüge, das korrekte Anziehen und Verschliessen konnte in einem Ernstfall entscheidend sein über Leben oder Tod. Die der Witterung angepasste Bekleidung nach dem Motto "immer trocken, immer warm", wurde uns mit Bekleidungsbeispielen erklärt. Wichtige Informationen erhielten wir, wie wir uns gegenüber den Tieren respektvoll zu verhalten hatten, insbesondere bei einer Begegnung mit einem Eisbär oder gar einem Angriff des Königs der Arktis. Da wurde uns schnell wieder bewusst, wie gefährlich und aggressiv Eisbären sind, obwohl sie ja eigentlich recht leutselig und drollig aussehen. Nach kurzer Fahrt mit einem Raupenfahrzeug erreichten wir das Dock "Bykaia" im Hafen von Longyearbyen und bezogen unsere Kojen auf dem schwedischen Eisbrecher "Origo", empfangen von unserem Kapitän und seinen fünf Mannschaftsmitgliedern.

Die Fahrt geht los Vorgesehen war um 17.00 Uhr auszulaufen. Der schwere Schneesturm und die gewaltigen Winde hatten jedoch so zugelegt, dass der Kapitän entschied im Hafen zu übernachten. Mit einem leckeren Nachtessen, notabene sogar mit einer schweizerischen Spezialität, einem "Cordon bleu" wurden wir mehr als entschädigt. Wir hatten schon unsere Kojen bezogen, als um Mitternacht für uns unerwartet die Motoren ansprangen. Nachdem sich der Sturm etwas gelegt hatte, entschied der erfahrene Kapitän doch noch auszulaufen. Zudem erhielt er den Funkspruch, dass im Kongsfjord ein Eisbär gesichtet wurde. Der schwere Seegang und die spannende Erwartung, schon am ersten Tag Eisbären zu begegnen, machte ein Schlafen fast unmöglich. Der Kongsfiord liegt auf 79°N und schneidet etwa 24 km ins Land hinein. Im hinteren Teil befindet sich die Siedlung Ny Alesund, ein Ort, der sich weltweit zu einer einmaligen Konzentration von internationalen Polarstationen entwickelt hat. Alle Stationen betreiben langfristige Messprogramme und bieten zusätzlich Logistik und Unterstützung für Forschungsprojekte an. In Ny Alesund befindet sich auch das legendäre Amundsen-Denkmal und der Luftschiffmast, wo Flugversuche mit Zeppelinen

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zum Nordpol gestartet wurden. Leider hat sich der Eisbär schon in Richtung Norden verzogen. Kadaver von Robben bestätigten allerdings seine Anwesenheit. Der grossartige Kongsbreen, daneben der Conwaybreen konnte uns doch recht gut entschädigen. Wir genossen die "blaue Stunde", waren doch die Gletscher in blau gehüllt. Mit sicherem Abstand zum Gletscher wurde der Anker gesetzt. Nach einen feinen Nachtessen hielt Ole einen spannenden Vortrag über Fototechnik im Eis. (Breen – Gletscher).

Belugawale und Polarfüchse begrüssen uns Obwohl der Sturm sogar auf 9 bis 10 Beaufort angewachsen war, entschied frühmorgens der Kapitän auf Weiterfahrt entlang der imposanten Küste von Albert dem Ersten-Land. Um die Freude noch zu erhöhen, besuchten uns Belugawale. Herrlich zuzusehen, wie die eleganten Tiere durch das Eiswasser pflügten, dass die Eisbrocken nur so auf die Seite flogen. Das Treibeis wurde immer dichter. Mit voller Kraft kämpfte sich die "Origo" durch das Treibeis in Richtung Magdalenefjord. Da dieser Fjord unter Golfstrommeinfluss steht, friert er im Winter nicht regelmässig zu und bietet geschützte Ankerplätze, die früher auch von Walfängern genutzt wurden. Leider waren keine Robben in Sicht, und wo keine Robben sind, gibt es eben entsprechend selten Eisbären. Ein Polarfuchs am Ufer unterhielt uns dafür mit seinen köstlichen Kapriolen. Im Hintergrund, fast verdeckt durch die Wolkendecke, war der Gullybreen schwach zu sehen. Im Vordergrund die oft besuchte Ortschaft Gravneset.

Ruhe vor dem orkanartigen Sturm und endlich der Eisbär Durch den Fuglesongen gelangten wir in den Smeerenburgfjord/Malesund tief im Landesinnern in endlich ruhigeren Gewässern. Dort konnten wir uns etwas erholen. Traumhaft die ganze Umgebung mit eisbedeckten Landzungen und Gletschern,

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die bis ans Meer reichen. Beeindruckend auch die Umrundung zum Fuglefjord mit dem Svitjodbreen. Dass es in dieser abgeschiedenen Gegend zum eigentlichen Höhenpunkt dieser Expedition kam, ist nun wirklich den Eisbären zu verdanken. Nach dem Ausruf "Eisbär in Sicht", wurden schnell aber trotzdem vorsichtig die Überlebensanzüge angezogen und dann die beiden Schlauchboote ins Wasser gelassen. Weit im Landesinnern beobachteten wir einen Eisbär, der gerade eine Robbe zerfleischte. Gierige Eismöwen, die an der Beute teilhaben wollten, verscheuchte der Eisbär mit seinen Pranken. Er buddelte sich zuerst im Schnee ein, um dann plötzlich zu verschwinden. Ob er wohl mit seinem ausserordentlich intensiven Geruchsinn weitere Robben erschnüffelt hat. Enttäuschte Gesichter, dann Glückgefühl pur, als ein Eisbär entlang der Küste tapste, keine 20 Meter vor unseren Schlauchbooten. Dass es nicht dabei blieb, merkten wir bald, weil er die ebenfalls von uns entdeckten Robben sichtete und diese zu jagen begann. Stärke alleine genügt nicht, den Robben gelang es immer wieder ins Wasser zu flüchten und abzutauchen. Im Wasser hatte der Eisbär keine Chance gegen die flinken Schwimmer. Das schaurige aber trotz allem faszinierende Schauspiel konnten wir aus nächster Nähe über längere Zeit beobachten. Der Hunger des Eisbären schien noch nicht ganz gestillt, oder fühlte er sich gestört, jedenfalls tauchte er plötzlich ins Wasser und schwamm in Richtung unserer beiden Schlauchboote. Blitzreaktion der beiden Guide, die Schlauchboote wurden gewendet und mit zügigem Tempo zurück zur "Origo" gefahren. Kurz unterbrochen wurde die Rückfahrt, weil einige weitere Eismöwen, Krabbentaucher und Dickschnabellummen entdeckt wurden. Nun wurde es aber wirklich langsam Zeit. Nach gegen fünf Stunden auf dem Wasser bei unter minus 20° Grad. Wegen den eiskalten Winden, respektive dem Chilleffekt gefühlte minus 35° bis 40°, wurde es uns trotz dem über 12 Kilo schweren und dickgepolsterten Überlebensanzug empfindlich kalt. Mit dem feinen Essen und einem weiteren spannenden Referat stiegen wir nach diesem grossartigen Tag müde in die Kojen um tief zu schlafen…meinten wir jedenfalls. Um 03.30 Uhr Alarm der Wachmannschaft "Eisbären in Sicht", raus aus den Federn, rein in den Überlebensanzug, Kontrolle, ob alle Verschlüsse richtig geschlossen sind, Spurt ans Deck, wo zwei hilfsbereite Matrosen schon begannen die Schlauchboote niederzulassen. Ende des Traums. Plötzlich spur-

Fortsetzung Seite 23

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