Biorama #49

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Biorama Nº. 49

Wanderschafe

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s sind viele Kilometer, die der Schafbauer Alex im Jahr zu Fuß zurücklegt. Und dennoch kommt auch er ein wenig außer Atem, als er den steilen Abschnitt der Wiese hinauf geht. »Platz«, ruft er zu seiner Border Collie-Hündin Chica, die bereits vorstürmen will. Und dann im Dialekt »weida«, was »rechts« bedeutet. Am frühen Morgen haben er und seine Frau Julia 80 Mutterschafe und 40 Lämmer auf den schmalen Streifen Wiese gebracht. Natürlich zu Fuß. Jetzt, am Nachmittag, will er nochmals nach den schwarz-weiß gescheckten Tieren sehen und seinem Helfer beim Abbau des mobilen Elektrozauns am zuvor beweideten Wiesenstück helfen. Die Krainer Steinschafe – eine widerstandsfähige alte Rasse – mussten nicht weit umziehen. Die beiden Wiesenflächen befinden sich auf einem Weinberg bei Moschendorf im Südburgenland – getrennt nur durch acht Reihen Weinreben. Auch sie waren einst mit Weinreben bepflanzt. »Bei jedem Weingarten, der da ausgerissen wird, ruft mich der Bauer an: Meinen kannst haben «, sagt der 39-Jährige und erklärt, dass ihre fünf Wanderschafherden heiß begehrte Landschaftspfleger geworden sind. Denn würde auf den Wiesen zwischen den Weingärten der Wald beginnen zu wachsen, wären nicht nur die artenreichen Wiesen weg, auch das für die Weintrauben optimale Mikroklima würde sich aufgrund der Bäume verschlechtern. »Der Naturschutz ist mein

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»Wir haben fünf Krainer gekauft. Und dann ist alles recht schnell gegangen.«

Zugang zur Landwirtschaft«, sagt er und blickt auf die oben am Weinberg grasende Schafherde, welcher der grandiose Ausblick einerlei ist: hier trifft das burgenländische Riedelland auf die ungarische Ebene.

Als Quereinsteiger in die Landwirtschaft Alle zwei bis fünf Tage treiben Alex und Julia die insgesamt 360 Schafe und Lämmer auf eine neue Fläche, stecken die Zäune neu, mähen die Flächen nach. Das meiste zu Fuß. Keiner der beiden wuchs auf einem Bauernhof auf und doch interessierte beide die Landwirtschaft. Alex studierte deshalb Ökologische Landwirtschaft, Julia Landschaftsplanung. Vor zehn Jahren trauten sie sich, von Wien wegzugehen, um in den hintersten Winkel Österreichs zu ziehen und Neo-Bauern zu werden. »Wir haben fünf Krainer gekauft. Und dann

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