Spurgeon: Ratschläge für Prediger - Auszug

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Kapitel 9 · Achtung, aufgepasst!

ist, so ist für den Redner die größte Einsamkeit das wünschenswerteste. Einem vernünftigen Prediger (aber leider sind nicht alle vernünftig) muss es wichtig sein, die Aufmerksamkeit aller seiner Zuhörer vom ältesten bis zum jüngsten zu gewinnen. Wir dürfen auch die Kinder nicht unaufmerksam machen. »Unaufmerksam machen«, sagt ihr, »wer tut denn das?« Ich sage, das tun die meisten Prediger, und wenn die Kinder in einer Versammlung unruhig sind, ist der Prediger sehr oft selbst daran schuld. Könnt ihr nicht den Kleinen zulieb ein Geschichtchen oder ein Gleichnis erzählen? Könnt ihr nicht den kleinen Jungen auf der Galerie und das kleine Mädchen unten, die anfangen unruhig zu werden, anlächeln und sie dadurch beruhigen? Ich spreche oft durch meine Augen mit den Waisenknaben unter der Kanzel. Alle Augen müssen auf uns gerichtet, alle Ohren uns geöffnet sein. Mich stört es sogar, wenn ein Blinder sein Angesicht nicht nach mir wendet. Wenn ich sehe, wie jemand den Kopf dreht, flüstert, rückt oder auf die Uhr sieht, so denke ich, ich sei nicht auf der Höhe meiner Aufgabe und müsse irgendwie die Aufmerksamkeit des Betreffenden wecken. Ich habe mich selten über Unaufmerksamkeit zu beklagen; wenn es aber geschieht, so suche ich die Schuld bei mir selbst und denke, ich habe kein Recht, Aufmerksamkeit zu fordern, wenn ich sie nicht rege zu machen und zu erhalten weiß. Manche Gemeinden sind so gleichgültig, dass es schwer ist, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Schelten hilft nichts, und meistens würde auch jemand anders die Schelte verdienen, nämlich der Prediger selbst. Es ist freilich die Pflicht der Gemeinde, aufzumerken, aber es ist noch vielmehr eure Pflicht, die Aufmerksamkeit zu wecken. Oft ist es schwer für die Gemeinde aufzumerken, wegen der schlechten Luft, die in der Kirche oder dem Saal herrscht. Wenn kein Hauch reiner Luft herein kann, dann haben die Zuhörer genug mit dem Atmen zu tun und können an nichts Anderes denken. Wenn die Leute fortwährend die Luft einatmen müssen, die schon in anderer Leute Lunge gewesen ist, so kommt die ganze Lebenstätigkeit in Unordnung, und sie werden viel eher 79


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