N°32 | 2016
The official publication of the Gstaad holiday region
THOMAS FREI IST AUS LEIDENSCHAFT GASTGEBER UND EIN SYMPATHISCHER QUERDENKER
«Hotelier sein ist ein intensiver Job!»
TE X T : HANS-UELI TSCHANZ I FOTOS : R APHAEL FAUX
Seit 20 Jahren ist das Hotel Bernerhof im Zentrum von Gstaad im Besitz von Thomas Frei. Seinen Vorgänger Leonz Blunschi bezeichnet er heute noch als einen Hotel-Pionier, welcher der Zeit voraus war. Seit Thomas Frei den Bernerhof führt, hat sich das Gästeverhalten in der Hotellerie markant verändert. Die Ansprüche sind gestiegen, aber der Gast ist nicht mehr bereit, den Preis dafür zu bezahlen. Thomas Frei wollte als Kind Robinson werden und weil das nicht geklappt hat, lernte er Koch und ist heute ein überzeugter Gastgeber und sympathischer Querdenker. Er ruft die Touristiker im Saanenland auf, mit gesundem Bewusstsein in die Zukunft zu blicken und vermehrt auf aussergewöhnliche Inszenierungen zu setzen. Thomas Frei, Sie sind seit 20 Jahren Hotelier im Bernerhof Gstaad. Wie hat sich das Gästeverhalten in dieser Zeit verändert? Der Gast war früher dankbarer. Das jedenfalls ist meine Wahrnehmung. Die Erwartungen ans Angebot sind enorm gestiegen. Der heutige Gast erwartet Höchstleistungen zu möglichst tiefen Preisen. Alle Hotels sind da im täglichen Kampf, um dem gerecht zu werden. Das Gebotene wird von den Gästen auf Internet-Plattformen «world-wide» bewertet. Im Grunde genommen fatal, gefährlich und oft irreführend! Da wird man rund um die Uhr von Leuten bewertet, die im schlimmsten aller Fälle nur eine Nacht im Hotel übernachtet haben. Unglaublich. Und die Massen-Medien ziehen mit: Der «Blick» hat kürzlich die Hoteliers der Faulheit bezichtigt. Das ist sehr schwer zu ertragen.
Sind Sie ein sensibler Mensch? Ich versuche es mir nicht anmerken zu lassen – aber ja, ich bin ein sehr sensibler Mensch. Mich trifft alles! Ich muss mich hin und wieder schützen. Das wird dann leider oft als Arroganz ausgelegt. Aber man soll negative Energien nicht zu nahe kommen lassen.
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Für die Menschen sind doch die Ferien die glücklichste Zeit im Jahr?
ten hatte – haben wir weitergeführt. Vielleicht noch ver-
Für viele Menschen sind die drei Wochen Ferien die
Bernerhof. Das China-Restaurant war schon unter Leonz
schwierigste Zeit im Jahr. Man verlässt die eigene Kom-
Blunschi sehr beliebt. Neu seit 2008 ist das «Basta». Mit
fortzone, seine gewohnte Umgebung und den gewohnten
dem Neubau von «Pernet-Comestibles» bot sich die Gele-
Tages-Rhythmus, trifft sich in einem einzigen Hotelzimmer.
genheit, den Durchgang vom «Pernet» her direkt ins Pasta
Dazu schlechtes Wetter und – paff!
zu bauen.
Wie hat sich das Hotel Bernerhof mit Ihnen entwickelt?
Wie würden Sie das Angebot im Bernerhof zusammenfassen?
Die Grundausrichtung des Hotels ist gleich geblieben: Das
Gourmet und Wandern. Wir sind ein Hotel für normale Men-
Wandern – was Leonz Blunschi schon erfolgreich angebo-
schen. Kein Schicki-Micki.
stärkt. Was geändert hat, ist das Restaurant-Angebot im
THOM AS FREI
F
« Etre hôtelier, c’est s’engager dans un travail sans relâche » Depuis une vingtaine d’années Thomas Frei est propriétaire
souhait ne s’est pas réalisé, il a appris la cuisine jusqu’à deve-
de l’hôtel Bernerhof, au centre de Gstaad. Son prédéces-
nir, aujourd’hui, un hôtelier convaincu et un anticonformiste
seur, Leonz Blunschi, qu’il qualifie aujourd’hui de pionnier de
bien sympathique. C’est dans sa conscience éthique qu’il ap-
l’hôtellerie, était en avance sur son temps. Depuis que Tho-
pelle les professionnels du tourisme du Saanenland à se tour-
mas Frei a repris les rênes du Bernerhof, il remarque que le
ner vers l’avenir et à inventer davantage d’offres sortant de
comportement de la clientèle hôtelière a changé de manière
l’ordinaire car comme il dit : « Nous vivons et travaillons dans
significative : même si le niveau d’exigences a augmenté,
une vallée caractérisée par son ouverture. » En attendant, il
le client n’est plus prêt à payer n’importe quel prix. Enfant,
gère l’hôtel Bernerhof en mêlant avec succès randonnées et
Thomas Frei voulait être Robinson Crusoé, mais, comme son
cuisine raffinée.
T H O M A S FREI
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Und was noch?
ich hin und wieder mal nicht da. Es ist ein intensiver Job und
Der Bernerhof ist mitten im Dorfzentrum von Gstaad. Er ist
man kann nicht immer vor den Gästen stehen. Aber das
eine sichtbare Grösse von seinem Volumen her. Von aussen
Wichtigste für mich und alle meine Mitarbeiter/innen sind
betrachtet ein fast unattraktives Gebäude, wenn man so
immer die Gäste. Als Hotelier in einer Ferienregion muss
will. Eine Schuhschachtel. Aber das Innenleben ist anders,
man nahe an den Gästen sein. Ohne sich allerdings anzu-
als man von aussen vermuten würde. Wir haben in den
biedern.
letzten Jahren sehr viel investiert. Alle Zimmer sind neu. In meinen 20 Jahren als Bernerhof-Besitzer ist es das dritte
Wollten Sie schon als Kind Hotelier werden?
Mal, dass wir die Zimmer umgebaut haben.
Als Kind wollte ich Robinson werden. Dann Freitag und dann Wochenende … (lacht). Hat aber nicht geklappt. Also habe
Sehen Sie sich als Trendhotelier?
ich Koch gelernt. So kam ich weg von Schaffhausen, zog
Ich möchte mich nicht als Trendhotelier bezeichnen. Aber
ein bisschen herum und besuchte die Hotelfachschule. Es
es ist oft so, dass wenn der Bernerhof etwas macht, es
folgten Jahre im Engadin und 1996 der Umzug nach Gstaad.
dann relativ rasch von andern kopiert wird. Damit habe ich kein Problem. Die Intensität bei unseren Wander-Angebo-
Haben Sie Freunde unter den Gstaader Hoteliers?
ten ist schwer nachzuahmen. Unsere Gäste schätzen den
Im Saanenland pflegen wir Hoteliers eine sehr enge Zusam-
Wanderschuhverleih, das passende Angebot an Wander-
menarbeit. Als Beispiele dafür gelten unter vielem anderen
stöcken, die Kompetenz der Begleiter. Oft sind wir täglich
die Hotel-Zentralwäscherei und die gemeinsame Internet-
mit 2 bis 3 Gruppen unterwegs. Den anderen Hotels immer
plattform «Your Gstaad». Zudem pflegen 17 Hoteliers neu-
einen Schritt voraus … (lacht).
erdings einen gemeinsamen Wareneinkauf. Meine neidlose Anerkennung gilt überdies dem Gstaad Palace. Immer fürs
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Sind Sie Gastgeber oder Manager?
Dorf und die Anliegen der Destination da! Meine hohe An-
Ich gehe fünfmal die Woche persönlich mit den Gästen
erkennung erhalten die Leistungen der Gstaader Hotelpio-
wandern. Wir haben 365 Tage pro Jahr geöffnet. Ich kann
niere von früher. Als eines der Beispiele wiederum die sei-
aber nicht 24 Stunden im Hotel anzutreffen sein. Also bin
nerzeitige Erhaltung des Flugplatzes Saanen. Toll!
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Kann man als Hotelier reich werden? Es gibt da so einen Spruch unter den Hoteliers: Die einzige Möglichkeit, als Hotelier Millionär zu werden, ist, wenn man vorher Milliardär war …
Hat Thomas Frei ein Vorbild? Als Hotelier? Ja, Mani Berger, Hans Leu und Leonz Blunschi. Sie alle waren der Zeit voraus. Vor allem Hans Leu. Das ist der Schlauste von allen. Er war als Hotelier ein Dirigent und hat im-
Die einzige Möglichkeit, als Hotelier Millionär zu werden, ist, wenn man vorher Milliardär war …
mer die besten Leute um sich herum geschart. Der genialste Hotelier der heutigen Zeit ist Christian Lienhard vom Hotel Hof Weissbad.
Woher kommen Ihre Gäste?
Gehören Sie einer politischen Partei an?
Zu 60 Prozent aus der Schweiz. Die restlichen 40 Prozent
Ich kann bei jeder Partei – ausser bei der SVP – Dinge finden, mit
aus fast allen Ländern Europas. Seit 2008 sind die Gäste
denen ich mich anfreunden kann.
aus Deutschland und den Beneluxstaaten rückläufig.
Sind Hotellerie und Tourismus in der Politik genügend vertreten? Ich fürchte nein. Ein paar fähige Touristiker haben versucht ins
Was kann die Tourismusdestination Saanenland aus der Sicht von Hotelier Thomas Frei noch besser machen?
Schweizer Parlament gewählt zu werden. Die sind allesamt nicht
Vielleicht braucht es wieder mehr Leute, die keine vor-
gewählt worden. Die Verbände hingegen machen einen guten
gefasste Meinung haben und nicht schon im Voraus
Job! Schweiz Tourismus, Schweizer Hotelierverein. Für innovative
wissen, dass etwas nicht klappt. Menschen, die nicht
Projekte kriegt man Kredit von der Schweizerischen Gesellschaft
hinter jeder Idee schon eine Verschwörung sehen und
für Hotelkredit (SGH). Sie alle geben ihr Bestes. Der Schweizeri-
jeden Impuls schon vor der Entstehung kaputtreden.
sche Tourismusverband im politischen Lobbying, der Hotelierver-
Wir brauchen Alleinstellungs-Merkmale und da haben
ein mit dem Gesamtarbeitsvertrag und den vielen Möglichkeiten
wir im Saanenland die besten Voraussetzungen für
der Weiterbildung.
aussergewöhnliche Inszenierungen. Wir pflegen zum Beispiel eine 60-jährige Tradition mit klassischer Musik,
Sind wir für unsere Gäste zu teuer?
wir haben ein Menuhin Festival, was uns keine andere
Wir sind jedenfalls in einigen Bereichen teurer als unsere Mitbe-
Bergregion in dieser Qualität nachmachen kann, und
werber im Ausland. Weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen.
eine fantastische Landschaft mit einer gelebten Land-
Zudem haben wir ein grosses Handycap mit den Einkaufspreisen.
wirtschaft. Wir treffen auf unseren Frühlingswanderun-
Das heisst nicht, dass man alles im Ausland einkaufen möchte.
gen auf die schönsten Blumen. Wir haben den Glacier
Wir Hoteliers in unserer Region stehen zum lokalen Einkauf. Aber
3000. Wir leben und arbeiten in einem offenen Tal und
wir haben Produkte, die wir viel zu teuer einkaufen müssen, weil
sind ein offenes Volk. Gehen wir mit einem gesunden
politische Absprachen und Auflagen vorhanden sind.
Bewusstsein in die Zukunft!
THOM AS FREI
E
“Being a hotelier is an intense job!” Hotel Bernerhof in the centre of Gstaad has been owned by
because that didn't work out, he trained as a chef and today
Thomas Frei for 20 years. He still describes his predecessor,
is a dedicated host and amicable lateral thinker. He calls on
Leonz Blunschi, as a hotel pioneer who was ahead of his time.
people working in the tourism industry in the Saanenland to
Hotel guests’ habits have changed significantly in the time
look to the future with a healthy dose of awareness and to in-
Thomas Frei has managed the Bernerhof. Expectations are
creasingly stage unusual events and campaigns. “We live and
higher, but guests are no longer prepared to pay extra for this.
work in an open valley”. He successfully runs Hotel Bernerhof
As a child, Thomas Frei wanted to be like Robinson Crusoe and
according to the slogan: hiking and gourmet.
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