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Lea-Marike Hoene Pippi Langstrumpf im Familien- unternehmen
from BeneFit Nr. 59
Fotos: Privat
Lea-Marike Hoene Pippi Langstrumpf im Familienunternehmen von Anika Werner
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Bereits als kleines Mädchen beobachtete sie in der Tischlerei ihres Großvaters, wie die Späne flogen. Schon früh durfte sie eine Feile in die Hand nehmen und Holzreste bearbeiten. Dennoch entschied sich Lea-Marike Hoene für eine Ausbildung in der Bank und absolvierte ihren Abschluss zur Technischen Betriebswirtin. Ihr Wissen bringt sie inzwischen trotzdem in den Familienbetrieb ein: als Geschäftsführerin bei der Möbel Wolfrath GmbH, die aus zwei Möbelhäusern und der Tischlerei besteht.
Als Jugendliche nahm die heute 36-Jährige von der Lehre zur Tischlerin im Familienbetrieb Abstand. „Eine kaufmännische Ausbildung kann man schließlich immer gebrauchen“, dachte sie sich und zog die Ausbildung in einer Bank vor. Dennoch fühlte sie sich dort nicht lange wohl. „Das Fachliche liegt mir total. Aber ich war schon immer die Pippi Langstrumpf der Familie. Wenn ich als Kind meine Kleidung selbst herausgesucht habe, hat meine Mutter sich über meinen bunten Stil amüsiert. Auch heute muss ich immer irgendwas Knalliges an mir haben. Ich bin ein kreativer Mensch, der nach neuen Wegen und Ideen sucht. Das passte nicht in das eher konservative Bankwesen. Und so stieg ich in den Familienbetrieb ein, den mein Urgroßvater 1933 gründete.“ Den Drang nach Innovation und Veränderung kann sie dort in konkrete Projekte umsetzen. Dass die Leidenschaft für Holz ihr in die Wiege gelegt wurde, merkt man auch ohne entsprechende berufliche Ausbildung. Die Betriebswirtin nimmt sich gern die Zeit und besucht die Tischlerei im Haus. Der Geruch von frischem Holz in der Nase weckt die kreative Seite in ihr. In der Werkstatt gibt es immer einen kurzen Schnack mit den Gesellen. Schon fast liebevoll streicht sie über die frisch gefasten Eichenplatten. „Das wird die Arbeitsplatte für eine Massivholzküche“, weiß sie. „Manchmal bedauere ich keine Tischlerlehre wie meine Mutter, mein Großvater und mein Urgroßvater gemacht zu haben. Trotzdem kenne ich mich hier gut aus. Ich weiß, wie die Maschinen funktionieren und verstehe die Fachbegriffe.“ Vieles hat sich hier über die Jahrzehnte gewandelt. Sie erinnert sich an alte Zeiten und wie aufwendig es war, alles von Hand auszumessen und mit möglichst wenig Verschnitt zuzuschneiden. Inzwischen wird in Grabow das traditionelle Handwerk an innovativen Maschinen ausgeübt. „Das spart Zeit und schont den Rücken.“
Dass sie so fürsorglich an ihre Mitarbeiter denkt, kommt nicht nur durch die Rolle als Chefin, sondern liegt auch an der oft langjährigen Verbundenheit. Lea-Marike Hoene erinnert sich lächelnd: „Hier arbeiten viele Mitarbeiter schon länger als 30 Jahre. Sie kennen mich noch als kleines Mädchen, das sich unter den Sofas versteckte und die Kunden erschreckte.“ Im Vorbeigehen sagt ein Mitarbeiter: „Aber Du machst Dich auch gut als Chefin.“
Inzwischen arbeiten 16 Mitarbeiter und drei Auszubildende in der Tischlerei sowie 33 weitere Kollegen und vier Auszubildende im Möbelhandel. Die Chefin sagt: „Mir ist es wichtig, dass jeder Mensch individuell gesehen wird. Deshalb habe ich auch kein Problem damit, jemanden mit mehr Unterstützungsbedarf einzustellen.“ Auf dem Gelände von Möbel Wolfrath arbeiten auch zwei Gruppen des gemeinnützigen Unternehmensverbunds „Leben leben“. „Meine Vision ist es, dass sie hier irgendwann mit uns gemeinsam arbeiten. Das bedeutet für mich Integration“, so die 36-Jährige. „Einen Mitarbeiter mit Unterstützungsbedarf konnten wir bereits übernehmen.“
Dass Mitarbeiter in das Unternehmen aktiv integriert werden, erleben Kunden in der Küchenausstellung. Hier hat jeder Berater eine Küche geplant und nach seinen Wünschen und Bedürfnissen eingerichtet. Auch ohne es zu wissen, schreien die gelben Küchenfronten einer der Ausstellungsküchen nach Lea-Marike Hoene. „Hier hat jeder etwas Persönliches mit eingebracht. Bei mir ist es das Bild, das hier hängt. Darauf zu sehen ist mein Hund Emma an ihrem Lieblingsplatz. Das Bild hat der verstorbene Mann meiner Mutter gemacht. Auch meine Emma ist kurz danach gestorben. Dieses Bild ist also eine schöne Erinnerung im doppelten Sinn.“
Mit den Töchtern Elin (5) und Alva (3) ist die Familie weitergewachsen. Trotz des jungen Familienglücks führt Lea-Marike seit 2019 gemeinsam mit ihrem Ehemann Maximilian Hoene den Familienbetrieb in vierter Generation weiter. „Es kostet immer viel Kraft, gerade in der durch Corona entstandenen Umbruchphase mit Kurzarbeit und Lockdown. Aber wir haben großes Glück, dass die Mitarbeiter uns die gleiche Empathie entgegenbringen wie wir ihnen. So kamen wir gemeinsam gut durch die Zeit und hoffen, dass die Mitarbeiter sich auch mit uns in der Geschäftsführung so wohlfühlen, dass sie lange bei uns arbeiten möchten.“
Ihre Mutter Karoline Wolfrath-Karsten kann sich jetzt zurücklehnen. Mal mit den Enkeln auf dem Schoß, mal in der Natur und immer wieder gern zu Besuch in der gläsernen Tischlerei in Grabow bei Lüchow. Die neue Geschäftsführerin sagt: „Natürlich laufen hier jetzt einige Dinge anders als bei meiner Mutter. Doch sie vertraut mir und bestärkt mich in meinem Tun.“ Klar – schließlich ist Lea-Marike Hoene mit Herz dabei.
Das Bild von Hündin Emma an ihrem Lieblingsplatz wurde vom verstorbenen Stiefvater aufgenommen. Diese schöne Erinnerung ließ Lea-Marike Hoene in der Küchenausstellung an die Wand bringen.
