Behörden Spiegel Juni 2022

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. VI / 38. Jg / 23. Woche

Berlin und Bonn / Juni 2022

Von europäischen Nachbarn lernen Dr. Georg Thiel zum Zensus ��������������������������� Seite 6

Mehr Nutzer als Anträge (BS/bhi) Auf dem MV-Serviceportal sind knapp 20.230 Nutzerinnen und Nutzer registriert. Bei dem Online-Service des Landes Mecklenburg-Vorpommern können Bürgerinnen und Bürger Anträge online stellen. Am häufigsten beantragten sie bisher Geburtsurkunden, aber sie meldeten unter anderem auch Hundesteuer und Gewerbe an und ab. Merkwürdig ist, dass bisher nur etwa 18.000 Anträge beim Amt eingegangen sind. Es gibt also mehr Konten, als Leistungen abgefragt wurden. “Manche Menschen haben sich prophylaktisch schon mal angemeldet, für den Fall, dass sie bei der Verwaltung irgendwann mal einen Antrag stellen müssen”, erklärt der Minister für Inneres, Bau und Digitalisierung, Christian Pegel (SPD), diese Unstimmigkeit. Das sei vorausschauend. Mecklenburg-Vorpommern habe nämlich ein Verfahren zur “Schnelldigitalisierung” entwickelt, um analoge Formulare schneller in digitale umzuwandeln. Adressfeld

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Ausbildung und Digitalisierung gefragt

Als Beamter in der Privatwirtschaft

Innenminister Pegel will Landespolizei M-V in die Zukunft führen �����������������������������������Seite 49

Michael Debie: von der Post zur Kita ���������� Seite 55

Blick nach rechts

Nord-Verbund gestärkt (BS/bhi) Die Innenministerinnen und -minister von Niedersachsen, Schleswig-Holstein, MecklenburgVorpommern, Hamburg und Bremen haben bei einer gemeinsamen Konferenz mehr Zusammenarbeit beschlossen. So soll es gemeinsame polizeiliche Übungen zur Abwehr von Cyber-Angriffen geben. Hinzu kommen Katastrophenschutzübungen. Damit wollen die fünf Länder trainieren, wie sie zum Beispiel mit Flutszenarien oder Tornados umgehen. Von besonderer Bedeutung für den Norden Deutschlands ist dabei der gemeinsame Küstenschutz. Zudem einigten sich die Minister darauf, das Kleeblatt-Konzept zur Verteilung von Corona-Patienten nicht nur beizubehalten, sondern weiterzuentwickeln. Auf der Konferenz waren auch Vertreterinnen und Vertreter der Bundeswehr anwesend. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine forderte Niedersachsen den Aufbau eines Heimatschutzregimentes im Bundesland.

G 1805

Verfahrensbeschleunigungen im Bundesdisziplinarrecht (BS/Jörn Fieseler) Jeder Rechtsextremist, “Reichsbürger” oder “Selbstverwalter” im Öffentlichen Dienst ist einer zu viel. Dieses Gedankengut ist nicht mit der beamtenrechtlichen Treuepflicht vereinbar. Dessen Träger aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu entfernen, ist dringend geboten: je schneller, desto besser. Der diesbezügliche Vorstoß von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für eine Gesetzesinitiative ist richtig und wichtig. Doch dabei darf es nicht nur um Schnelligkeit gehen. Wer im Öffentlichen Dienst und insbesondere in den Sicherheitsbehörden tätig ist, muss sich mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren! Alle Beschäftigten des Staates, egal ob auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene, haben für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzustehen. Entsprechend lässt es die Grund­ entscheidung des Grundgesetzes zur Konstituierung einer wehrhaften Demokratie nicht zu, dass Beamte und Angestellte im Staatsdienst tätig werden, welche die freiheitlich-demokratische, die rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen. “Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes”, urteilte schon das Bundesverfassungsgericht. “Jeder Extremismusfall muss klare Konsequenzen haben. Dafür müssen wir in Bund und Ländern alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen – und dort, wo es nötig ist, die rechtlichen Instrumente nachschärfen”, unterstrich Faeser bei der Vorstellung des Lageberichts “Rechtsextremisten, Reichsbürger und Selbstverwalter in den Sicherheitsbehörden” (siehe Seite 3). Zugleich kündigte sie für den Bund einen Gesetzentwurf noch für dieses Jahr an, um das Bundesdisziplinarrecht zu ändern. “Wir werden Verfassungsfein-

Rechtsextremisten stehen nicht für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ein. Wer ihre Sichtweisen teilt oder mit ihnen liebäugelt, hat im Öffentlichen Dienst nichts zu suchen. Foto: BS/Sven Grundmann, stock.adobe.com

de schneller als bisher aus dem Öffentlichen Dienst entfernen.” Dass die Verfahren zu lange dauern, zeigt ein Beispiel aus Berlin. Dort wurde 2007 gegen einen Polizeikommissar durch die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet. 2011 wurde das Verfahren eingestellt. 2012 erhob der Dienstherr Disziplinarklage vor den Verwaltungsgerichten. 2017 entschied das Bundesverwaltungsgericht

letztinstanzlich, den Beklagten endgültig aus dem Öffentlichen Dienst zu entfernen. Trotz solch langer Verfahren schrieb das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) in einem Bericht an die Innenministerkonferenz 2019, dass “mit den bestehenden disziplinarrechtlichen Regelungen angemessen gegen extremistische Bestrebungen im Öffentlichen Dienst vorgegangen werden kann”. Sie seien geeignet und ausreichend, Verletzungen

der politischen Treuepflicht festzustellen und zu ahnden. Der gleichen Ansicht ist Friedhelm Schäfer, Zweiter Vorsitzender des DBB Beamtenbunds und Tarifunion, der Verfahrensbeschleunigungen ebenfalls für sinnvoll hält. Mit einer Einschränkung: “Es sollte nicht über die Herabsetzung der Voraussetzungen nachgedacht werden, denn die bestehenden hohen Hürden sind berechtigt. Anlassbezogene politisch motivierte Einschrän-

kungen des Rechtsstaatsgebots sind ungeeignet und rechtlich unzulässig. Der Weg ist deshalb die konsequente Nutzung der vorhandenen Möglichkeiten bei einer deutlichen Nachschärfung, um gestraffte Verfahren rechtssicher zu ermöglichen.” Dazu sei an den gesetzlichen Anhörungsfristen und weiteren Stellschrauben des Bundesdisziplinargesetzes anzusetzen, um sinnvolle Verfahrensbeschleunigungen zu erreichen. So seien zielführende Änderungen bei der Unterrichtung, Belehrung und Anhörung von Beamtinnen und Beamten, aber auch bei der Pflicht zur Durchführung von Ermittlungen und den Ausnahmen denkbar. “Es kann auch darüber nachgedacht werden, ob der beim Bund und in den meisten Bundesländern bei besonders schwerwiegenden Disziplinarvergehen notwendige Schritt noch gewollt ist, Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht einzureichen. In BadenWürttemberg entscheidet dort immer die Disziplinarbehörde”, so der Fachvorstand Beamtenpolitik im DBB. Zudem weist Schäfer auf einen wichtigen Punkt hin: Der Bund beabsichtige nicht, das Beamtenstatusgesetz zu ändern, sondern nur das Bundesdisziplinarrecht. Das sollte er jedoch tun. Oder aber wegweisende Regelungen treffen, die die Länder anschließend übernehmen.

Kommentar

Krisenkumulation wird zum Systemrisiko (BS) Schwarzmalerei ist derzeit unangebracht, doch ein nüchterner Blick auf die mangelnden Fähigkeiten zur Resillienz, Souveränität und Vorsorge geben mehr als nur Anlass zu ernsthafter Sorge. In dreißig Jahren nach dem Mauerfall ist eine Art hypnotischer Tiefschlaf eingetreten, ein Wohlgefühl, dass die deutsche Politik und, in der Folge, auch die Verwaltung sich nur noch mit sich selbst beschäftigen ließ. Dabei wurden durchaus wichtige Fragen der gesellschaftlichen Integration und eines neuen Konsenses in den Fokus gerückt, doch nun, wo eine Krise nicht auf die nächste folgt, sondern sich Krisen geradezu übereinanderstapeln, stellt sich die Frage, ob das Festhalten an der bisherigen Agenda zukunftsfähig, womöglich zukunftswidrig wenn nicht sogar reaktionär ist? Die unkontrollierbare Dynamik zwischen den Spätfolgen der Corona-Pandemie, die im Herbst erneut an die Tür klopft,

der galoppierenden Inflation, den endlosen Lieferengpässen, den jetzt spürbaren Auswirkungen der Demografie und dem Arbeitskräftemangel, den deutlichen Folgen des Klimawandels, dem Auseinanderdriften der Gesellschaft – das alles verlangt nach Entschlossenheit, Führung mit mehr Transparenz und Kommunikation. Stattdessen beantwortet die Bundespolitik diese Krisenkumulation, der sie selbst erklärt nicht gewachsen ist, mit einer neuen Bevormundung gegenüber der bürgerlichen Mehrheit. Ein extrem riskantes Vorhaben. Um die politischen Ränder, hier erklärt rechts, einzudämmen, werden Sprache, Traditionen und tradierte Lebensgewohnheiten wie -gewissheiten grundsätzlich infrage gestellt. Wir sind in einer

Multi-Krise, da ist es notwendig, auf unsere wirklichen Verantwortungsträger zu schauen. Die sitzen nicht in hohen Ämtern, sondern sind bei der Feuerwehr, der Polizei, bei der Sozialarbeit und in den kommunalen Ämtern, die trotz Corona geöffnet hatten. Die Krisenkumulation hat erst begonnen. Es bleibt zu hoffen, dass mutige Beamte und Beamtinnen das Richtige tun, ohne sich unnötig durch zeitweise im Amt befindliche Politiker davon abhalten zu lassen, das Gemeinwohl im Auge zu behalten. Zu viele Parteigänger sitzen in Behörden, doch auch sie müssen in der aktuellen Lage das Richtige, nicht das parteipolitisch Sinnvolle tun. Es ist für das Land jetzt erforderlich. Uwe Proll

Der Ärger des Herrn Merz


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / Juni 2022

Digitale Werkzeuge stehen inzwischen massenhaft zur Verfügung – die öffentliche Verwaltung muss diese statt der Bohrmaschiene nutzen. Doch welche Tools helfen bei der Modernisierung wirklich weiter? Und wie können sie in Behörden effizient integriert werden? Fragen, über die sich schon viele Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger den Kopf zerbrochen haben… Bild: BS/Tiko, stock.adobe.com

Der digitale Werkzeugkasten Der Zensus 2022

Das Nötige wird getan werden

Ein Großprojekt der statistischen Ämter ...........................................................Seite 7

Das Für und Wider: der Cyber-Gegenschlag ....................................................Seite 42

Virtueller Blick in die Zukunft der Stadt

Die richtigen Fragen stellen

Computermodelle zur Visualisierung kommunaler Entwicklungsprojekte nutzen ..........................................................................Seite 18

Auswertung von polizeirelevanten Daten........................................................Seite 45

Daten- oder Täterschutz

Digitaler Zwilling im Dienst der Kommunen

Der Rechtsstaat und die digitale Transformatation der Polizei........................Seite 47

Was kann das Simulations- und Planungswerkzeug? .....................................Seite 20

Umsetzung der Digitalisierung im Heer

Künstliche Intelligenz massenhaft Der Weg vorwärts für die öffentliche Verwaltung .............................................Seite 32

Shared Information Space über alle Ebenen und Dimensionen ...................................................................................................Seite 52

Innen Spiegel

Fünfjähriges in BW Strategie und Kongress feiern Jubiläum (BS/Guido Gehrt) “In Baden-Württemberg denken wir in langen Linien, die wir konsequent umsetzen und in Erfolge verwandeln. 2017 schon hat die Landesregierung mit der Digitalisierungsstrategie “digital@bw” eine neue Ära des digitalen Wandels eingeläutet”, so Digitalisierungsminister Thomas Strobl im Video-Grußwort zum diesjährigen Kongress Baden-Württemberg 4.0, der ebenfalls vor fünf Jahren – unter Schirmherrschaft Strobls – erstmals an den Start ging.

Zukunft Personalentwicklung Schlüsselfaktor eines erfolgreichen Öffentlichen Dienstes

Die strategische Personalentwicklung spielt im Öffentlichen Dienst eine immer wichtigere Rolle. Wie kann die Personalseite diese Entwicklung nicht nur begleiten, sondern aktiv mitgestalten? Die Antwort: durch den Übergang von einer verwaltenden Personalwirtschaft zu einem strategischen und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigenden Personalmanagement. Der Behörden Spiegel widmet dieser Entwicklung die Konferenz „Zukunft Personalentwicklung“, die aktuelle Trends und Herausforderungen vorstellt und zu Diskussionen mit namhaften Referentinnen und Referenten aus dem Personalbereich einlädt.

REFERENTEN/REFERENTINNEN, u. a.: Erwin Heinz, Vizepräsident Bundesverwaltungsamts

Barbara Rütter, Leiterin Fortbildung, Studienin­ stitut für kommunale Verwaltung Westfalen­Lippe

ZUKUNFTSWEISENDE THEMEN, u. a.: ► Homeoffice im öffentlichen Sektor

► Flexibles Arbeiten und Homeoffice – Analyse einer Langzeitumfrage ► Orts- und zeitflexibles Arbeiten – Theorie und Praxis ► Personalauswahlverfahren in der Praxis

Reinhard Renter, Polizeipräsident a. D., Hofstetten

► Führen auf Distanz – Evidenz und Erfahrungen ► Die smarte Verwaltung aktiv gestalten ► Führen von virtuellen Teams ► Die rechtssichere Gestaltung von Personalauswahlverfahren Eine Veranstaltungsreihe des

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de ► Suchwort „Zukunft Personalentwicklung“

Fotos: Jakub Jirsk, Fotolia.com;

13.-14. September 2022, GOP Varieté-Theater Bonn

Die Strategie “digital@bw” hat das Thema Digitalisierung ganz oben auf der politischen Agenda platziert, um das Land zu einer digitalen Leitregion in Deutschland und Europa zu machen, so der Anspruch. Anspruch und Ziel des Kongresses Baden-Württemberg 4.0 sind seit fünf Jahren, diesen Transformationsprozess eng zu begleiten – insbesondere, aber nicht nur mit einem starken Fokus auf die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung beim Land und in den Kommunen.

Digitale Verwaltung auf dem Sprung So soll auch auf der diesjährigen Veranstaltung am 30. Juni in Stuttgart unter dem Motto “Die digitale Verwaltung auf dem Sprung – was sind die nächsten Züge?” eine Bestandsaufnahme, gepaart mit einem Blick auf die zukünftigen Entwicklungen, erfolgen. Der Kongress wird abermals eine Plattform und Informationsdrehscheibe sein, die den Teilnehmenden die Möglichkeit gibt, sich in die vielfältigen Diskussionen mit den Expertinnen und Experten einzubringen und untereinander zu vernetzen. Information, Austausch, Vernetzung und gemeinsames Handeln waren und sind sicherlich nicht nur im Kampf gegen Corona

die richtige Strategien, sondern ebenso wichtig, um die nächsten Züge für den Sprung in die digitale Verwaltung in BadenWürttemberg zu ermöglichen.

Startschuss durch CIO Stefan Krebs, CIO/CDO der Landesregierung und seit Bestehen ein großer Unterstützer des Kongresses, wird auch in diesem Jahr mit einer Keynote den inhaltlichen Startschuss für den Kongress geben und den Reigen der Expertinnen und Experten eröffnen, die im Hauptprogramm und zahlreichen Fachforen ein breites Spektrum an aktuellen Digitalisierungsthemen erörtern werden. Ein besonderes Highlight mit Blick auf die kommunale Ebene ist sicherlich der Vortrag von Prof. Dr. Antje Dietrich, die unter der Überschrift “Wie digital sind baden-württembergische Kommunen?” die Ergebnisse einer aktuellen Studie vorstellen und in die Diskussion einbringen wird. Die vollständige Video-Grußbotschaft von Minister Strobl, weitere Informationen zu “Baden-Württemberg 4.0” sowie eine Anmeldemöglichkeit finden sich unter: www.bw-4-0.de. Fotoquellen Seite 1: Foto 1: BS/Statistisches Bundesamt Foto 2: BS/Hilbricht Foto 3: BS/Telekom

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Herausgeber und Chefredakteur Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Marco Feldmann (Innere Sicherheit), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Dorothee Frank (Verteidigung, Wehrtechnik), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Ann Kathrin Herweg (Online-Redaktion), Benjamin Hilbricht (Online-Redaktion), Malin Jacobson (Kommunen, Online-Redaktion), Bennet Klawon (Katastrophenschutz), Tanja Klement (OnlineRedaktion), Matthias Lorenz (Digitalisierung), Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Dr. Gerd Portugall (Sicherheitspolitik), Tim Rotthaus (Online-Redaktion), Paul Schubert (IT, IT-Sicherheit), Dr. Barbara Held (Innenpolitik), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10 Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Karin Vierheller, Kerstin Wegner Verlag Bonn Anzeigen/Redaktion/Vertrieb Tel. 0228/970 97-0, Fax 0228/970 97 75 Verlag Berlin Redaktion/Vertrieb 10317 Berlin, Kaskelstr. 41 Tel. 030/55 74 12-0, Fax 030/55 74 12 57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige AnzeigenPreisliste Nr. 34/2022, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Volksbank Köln Bonn eG BAN: DE25 3806 0186 3015 6470 18 BIC: GENODED1BRS Postbank IBAN: DE24 3701 0050 0022 6905 09 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Leitung Unternehmensentwicklung und Digitalisierung (CDO) Dr. Eva-Charlotte Proll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Weiss-Druck GmbH & Co. KG, Monschau Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag/Redaktion/Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 97-0 Telefax: 0228/970 97 75 Altpapieranteil 100% Für Bezugsänderungen:


Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Juni 2022

Vorbeugen, erkennen, einschreiten Lagebild zeigt klares Bild / Disziplinarrecht setzt eindeutigen Rahmen (BS/Jörn Fieseler) Der Großteil der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst ist nicht rechtsextremistisch, sondern steht für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ein. Das geht aus dem zweiten Lagebild “Rechtsextremisten, Reichsbürger und Selbstverwalter in den Sicherheitsbehörden” hervor. Der Bericht zeigt auch: Behörden achten stark auf Detektion und Prävention. Doch nach wie vor ist es einfacher, Beamtinnen und Beamte auf Probe oder auf Widerruf aus dem Öffentlichen Dienst zu entfernen als Beamte auf Lebenszeit. Für die Entfernung Letzterer liegen die Hürden nach wie vor hoch. 860 Fälle von Mitarbeitenden in Sicherheitsbehörden mit konkreten Bezügen zu diesem Phänomenbereich oder mit dem Verdacht darauf sind laut Lagebild von den Verfassungsschutzbehörden im Verbund zwischen dem 1. Juli 2018 und dem 30. Juni 2020 registriert worden. Davon 176 auf Bundesebene und 684 bei den Landessicherheitsbehörden. Letztere verteilen sich zu großen Teilen auf NordrheinWestfalen (218 Fälle), Berlin (93) und Hessen (92) – er Großteil mit Bezügen zum Rechtsextremismus (148 Fälle im Bund/663 Fälle in den Ländern). Die Übrigen entfallen auf die “Reichsbürger”und “Selbstverwalter”-Szene. (31 Bund/27 Länder). Von diesen wurden insgesamt 327 Fälle weiter nachrichtendienstlich bearbeitet, bei denen es konkrete Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gab: 138 im Bund und 189 auf Landesebene.

Beleg für erfolgreiche Arbeit Am häufigsten registrierten die Verfassungsschutzbehörden Mitgliedschaften in einschlägigen Chatgruppen (Bund: in 152 Fällen/Länder: 127), Mitgliedschaften in, Unterstützung von oder Kontakte zu verfassungsschutzrelevanten Organisationen (Bund: 143/Länder: 51) sowie politisch motivierte Beleidigungen (Bund: 141/Länder: 129). Zu Letzteren zählen etwa herabwürdigende Äußerungen gegenüber Menschen mit Migra­tionshintergründen oder mit islamischem oder jüdischem Glauben. Darüber hinaus wurden weitere rechtsextremistische Verlautbarungen und Aktivitäten, Propagandaaktivitäten und Teilnahme an rechtsextremisti-

Polizisten sollen für die freiheitliche-demokratische Grundordnung einstehen und beispielsweise bei Demonstrationen von Rechtsextremisten, Reichsbürgern oder Selbstverwaltern für Sicherheit sorgen. Doch was passiert, wenn sie selbst zu diesem Personenkreis gehören? Foto: BS/Animaflora PicsStock, stock.adobe.com

schen Veranstaltungen erfasst. Im Vergleich zum ersten Lagebild falle auf: “Die quantitative Zahl an Fällen ist gestiegen. Die Gesamtzahl der Fälle fällt neun Mal so hoch aus wie beim ersten Lagebericht. Die Fälle mit tatsächlichen Anhaltspunkten sind nahezu drei Mal so hoch”, sagt Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Die Zahlen gäben jedoch keinen Grund zur Annahme, dass die Sicherheitsbehörden rechtsextremistischer geworden seien. “Dies Zahlen sind in erster Linie auf die erfolgreiche Arbeit und die Detektion dieser Fälle zurückzuführen”, erklärt der BfV-Präsident. Außerdem erkläre sich der Anstieg zu einem größeren Teil dadurch, dass die Fälle aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) nun im Lagebild enthalten seien. Wie das Lagebild zeigt, gibt es bei rund 640.000 Beschäftigten in den Sicherheitsbehörden bei et-

wa 0,1 Prozent Zweifel an ihrer Eignung für eine Tätigkeit im Staatsdienst.

Maßnahmen und Austausch greifen Damit die Fallzahlen weiterhin so gering bleiben und bestenfalls auf null sinken, sind unterschiedliche Maßnahmen etabliert worden, die zunehmend weiterentwickelt werden. Diese fangen bei Regelabfragen zu Bewerbenden an, umfassen in manchen Ländern Selbstauskünfte der Bewerbenden oder die Prüfung auf einschlägige Tätowierungen im Rahmen der ärztlichen Einstellungsuntersuchung und legen vor allem einen Fokus auf die Aus- und Fortbildung. Zu Letzteren gehören regelmäßige Informationsveranstaltungen der Mitarbeitenden in Ordnungsämtern sowie bei der Polizei und im Justizdienst sowie Schulungen für Führungskräfte. Im BfV ist eigens ein verpflichtendes E-Learning implementiert worden, das seit 2021 auch den

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Landesämtern für Verfassungsschutz angeboten wird. Darüber hinaus gibt es in einigen Ländern Extremismusbeauftragte als Ansprechpartner. Hinzu kommen unterschiedliche Maßnahmen zum Informationsaustausch. “Mit dem Austausch über BestPractice-Maßnahmen bei der Detektion, Reaktion und Prävention konnte ein Mehrwert für die tägliche Arbeit geschaffen werden, der sich auch in den Ergebnissen dieses Berichts niederschlägt”, ist Haldenwang überzeugt. Zudem führe die Arbeit am Lagebericht zu einer nochmals erhöhten Sensibilisierung für das Thema bei allen beteiligten Behörden. Dies führe zu einer niedrigschwelligeren Übermittlung der Fälle und Aufnahme einer Bearbeitung.

Konkretes Fehlverhalten notwendig Darüber hinaus werden, soweit rechtlich möglich und geboten, durch die Beschäftigungsbehörden “umfangreiche arbeits- und disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet und die Sachverhalte zur weiteren nachrichtendienstlichen Bearbeitung an die Verfassungsschutzbehörden gemeldet”, heißt es im Bericht. Jedoch: Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens setzt ein konkretes Dienstvergehen vo­ raus. “Dieses besteht nicht bereits in der mangelnden Gewähr dafür, dass der Beamte jederzeit für die freiheitliche-demokratische Grundordnung eintreten werde, sondern erst in der nachgewiesenen Verletzung jeder Amtspflicht”, stellte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schon 1975 klar. Heißt konkret: Das bloße Haben einer Überzeugung oder die bloße Mitteilung, dass man diese habe, reichen für die Annahme einer Verletzung

der dem Beamten auferlegten Treuepflicht grundsätzlich nicht aus. Solange nicht der Staat und seine verfassungsmäßige Ordnung infrage gestellt werden, liegt kein dienstliches Vergehen vor. “Die Grenze zwischen legitimer Kritik und Delegitimierung ist zum Teil sehr schwer zu ziehen”, mahnt auch der frühere Richter am BVerfG, Prof. Dr. Udo di Fabio, an. Nicht jeder Populismus könne direkt zur Verfassungsfeindlichkeit führen, er könne aber den Nährboden dafür bilden. Nach wie vor setzt die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme eine Gesamtwürdigung voraus. Diese muss nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherren oder der Allgemeinheit erfolgen. Dabei lassen sich schon aus dem Tragen von Tätowierungen mit verfassungsfeindlichem Inhalt Folgerungen für die Einstellung eines Beamten ziehen, wie das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2017 klarstellte. Zwar sei eine Tätowierung zunächst nur eine Körperdekoration, doch werde der Körper bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt. Im Übrigen muss einem Verstoß gegen die Verfassungstreue weder ein öffentlich sichtbares noch ein strafbares Verhalten vorausgegangen sein. Das Urteil und seine Begründung zeigen deutlich: Der rechtliche Rahmen ist klar, es kommt auf das Ermessen an. Damit liegt es im Bereich der Disziplinarverantwortlichen, klar gegen jedwede Form von Rechtsextremismus sowie gegen “Reichsbürger” und “Selbstverwalter” vorzugehen.

KNAPP

Neues Modellprojekt

(BS/jf) Führen in Teilzeit ist immer noch die Ausnahme. Lediglich elf Prozent der Beschäftigten im höheren Dienst mit Vorgesetzten- und Leitungsfunktionen in den Bundesministerien führen in Teilzeit. Davon sind 73 Prozent Frauen. Deshalb haben sich das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und die DBB-Frauen auf ein neues Modellprojekt verständigt. Damit sollen mehr Frauen die Chance erhalten, in Führungspositionen zu gelangen und gleichzeitig soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessert werden. Das Projekt sei ein wesentlicher Baustein, um das gesetzliche Ziel der gemeinsamen Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Bundesverwaltung bis Ende 2025 zu erreichen, heißt es aus dem BMFSFJ.

Zum siebten Mal (BS/bb) Die siebte Jahreskonferenz des Demokratie-Zentrums Sachsen findet in diesem Jahr am 21. Juni in Chemnitz “analog” und am 22. Juni digital statt. Den Schwerpunktthemen Antisemitismus und Verschwörungserzählungen, Protest in der Demokratie, Demokratiestärkung bei Kindern und Jugendlichen sowie rechtsextreme Ideologien im Natur- und Umweltschutz widmen sich eine Vielzahl von Expertinnen und Experten in zahlreichen Formaten. Ein besonderes Highlight der Konferenz wird die Podiumsdiskussion am 21. Juni 2022 ab 15:00 Uhr zum Thema “Der Staat als Feindbild – stecken staatliche Institutionen in einer Vertrauenskrise?” sein. Gemeinsam diskutieren staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure mit der Wissenschaft über die neue Kategorie im Verfassungsschutze, “Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates”, und die daraus resultierenden Fragen und Handlungsansätze für die Demokratiearbeit und Extremismusprävention. Anmeldung bis zum 14.Juni unter: https://mitdenken.sachsen.de/c6wWQtsL


Aktuelles Öffentlicher Dienst

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B

ehörden Spiegel: Herr Goebel, Sie sind der neue Vorsitzende des NKR. Wie definieren Sie Ihre Rolle mit Blick auf den NKR als Gremium? Lutz Goebel: Dem Rat gehören erfahrene Persönlichkeiten mit ganz unterschiedlichen fachlichen Qualifikationen an. Der NKR ist weiterhin ein überparteiliches und unabhängiges Gremium. Wir stellen die Sache in den Mittelpunkt und wollen fachlich gute Arbeit machen. Bei unserer ersten Sitzung in neuer Runde waren wir uns alle einig: Die Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen muss effizienter werden! Denn die Akzeptanz von Demokratie leidet unter überbordender Bürokratie. Diesen Zusammenhang hat übrigens auch der Bundespräsident in seiner Rede erwähnt, bevor er uns die Ernennungsurkunden überreicht hat.

Behörden Spiegel: Worauf wird der NKR in seiner vierten Mandatszeit den Fokus legen? Goebel: Die Digitalisierung der Verwaltung wird wieder eine zentrale Rolle spielen. Denn bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes erreichen wir die Ziele bisher nicht. Bund, Länder und Kommunen nutzen unterschied-

Arbeitsweisen funktionieren nicht Lutz Goebel über das Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen (BS) “Digitalisierung ist der zentrale Hebel, um Bürokratie abzubauen”, sagt Lutz Goebel, neuer Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates (NKR), Geschäftsführender Gesellschafter der Henkelhausen GmbH & Co. KG und ehemaliger Präsident des Verbandes “Die Familienunternehmer”. Mit Eva-Charlotte Proll, Herausgeberin des Behörden Spiegel, spricht er über den Wechsel des NKR vom Bundeskanzleramt ins Bundesministerium der Justiz, die Arbeit des NKR und den Digitalcheck bei Gesetzen sowie über die Notwendigkeit einer Staatsreform. liche IT-Systeme, deren Zusammenspiel nach wie vor nicht funktioniert. Hinzu kommt, dass die Kommunen bisher sehr frei in der Umsetzung sind. Der Bund muss sich Gedanken machen, wie er mit den Ländern sicherstellen kann, dass in den Kommunen tatsächlich digitalisiert wird oder besser gesagt, effizient digitalisiert werden kann. Dafür muss er vor allem Schnittstellen definieren. Deshalb werden wir als NKR im Digital-, im Innen- und im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages dazu Gespräche führen. Digitalisierung ist der zentrale Hebel, um Bürokratie abzubauen. Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie den Wechsel des NKRs vom Bundeskanzleramt ins Bundesjustizministerium? Goebel: Wir sehen das als Chance. Justizminister Marco Buschmann möchte neue Im-

“Die Akzeptanz von Demokratie leidet unter überbordender Bürokratie”,

sagt Lutz Goebel, neuer Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates (NKR). Foto: BS/Schubert

pulse setzen. Er richtet aktuell eine neue Abteilung für bessere Rechtsetzung, Digitalisierung und Bürokratieabbau ein. Wir teilen die Analyse, dass die CoronaPandemie zahlreiche Defizite im Verwaltungshandeln aufgezeigt hat. Natürlich stellt sich die Frage, was davon mit dem heutigen

DIGITALISIERUNG KONKRET

Agabu – alles ganz anders bei uns! Wiederverwendung ist ein Zauberwort effizienter Digitalisierung von Verwaltungsprozessen. Doch der “Agabu-Effekt” entzaubert diesen Ansatz, wenn wir es zulassen. Der Effekt, welcher hinter diesem Akronym steckt, kann zum echten Bremsfaktor in der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten werden. Denn notwendige Anpassungen für vorhandene Sonderwege an bereits erprobten IT-Lösungen kosten Zeit und Geld. Schaut man sich die Sonderwege an, so sind diese zwar leicht sichtbar; aber warum diese zwingend so bleiben müssen, ist weniger deutlich zu erkennen. Meist gibt es gut klingende Begründungen für diese Art des Vorgehens. Oft erlebe ich langwierige Auseinandersetzungen zwischen der Fach- und der IT-Seite. Am Ende “verliert” eine der beiden Seiten und der Graben ist wieder

Behörden Spiegel / Juni 2022

Beate van Kempen ist IT-Referentin und -Architektin im Digitalisierungsdezernat des Landschaftsverband Rheinland. Foto: BS/privat

etwas tiefer geworden. Wie lässt sich das verhindern? Nachhaltige Wirkung braucht sowohl Zugeständnisse auf der Fach- wie der IT-Seite als auch einen “Digitalisierungs-Vermittler” in moderierender Funktion. Vielleicht hilft es, den Scope von IT-Lösungen etwas dynamischer anzulegen und konsequent modu-

lare Funktionen anzubieten. Die vermittelnde Rolle analysiert mit beiden Seiten die vorhandenen Verwaltungsabläufe und sucht nach technischen “Sollbruchstellen” für Schnittstellen zu alternativen Modulen. Um es konkret zu machen: Wir haben eine schlanke E-Akte-Basislösung entwickelt, welche nur eine Handvoll Workflows enthält. Andere Wege werden über “Ad-hoc-Workflows” beschritten. Es gibt E-Akten-Module, in denen als Lösung domänenspezifische Anpassungen erlaubt sind; andere Module dagegen betreffen den Kern und sind nicht veränderbar. Diese Basislösung ist für Bereiche gedacht, welche noch keine E-Akte haben. Ob wir den Kern aus der Vielzahl der Gespräche und dem Aufbau von vielen umgesetzten E-Akte-Lösungen richtig zugeschnitten haben, wird sich zeigen. Ein “Agabu”-Effekt könnte so außerhalb des geschützten Kerns der Basislösung durch Ad-hoc-Workflows abgefangen werden.

Föderalismus zusammenhängt. Zumindest die Schwere der Nöte von Bürgerinnen und Bürgern und insbesondere der Unternehmen ist erkannt. Die Koalition hat ja auch ein neues Bürokratieentlastungsgesetz angekündigt. Behörden Spiegel: Ergeben sich durch den Wechsel ins BMJ neue inhaltliche Schwerpunkte? Goebel: Eigentlich nicht. Die Vielfalt der Themen bleibt. Derzeit beschäftigen uns noch einige organisatorische Fragen, die bei einem Wechsel vom Bundeskanzleramt zum BMJ unvermeidlich sind. Ansonsten steht natürlich erst mal das Tagesgeschäft, also die Gesetzesprüfung, im Fokus. Langfristig wünsche ich mir eine Kommission zur Modernisierung und für einen besseren Staat. Denn der Föderalismus in seiner jetzigen Ausprägung kommt bei Themen wie der Digitalisierung oder auch in besonderen Situationen, wie einer Pandemie, an seine Grenzen. Hier kommen wir mit Unverbindlichkeit nicht weiter. Der Bund muss viel stärker Standards setzen. Behörden Spiegel: Mit welchen Veränderungen dürfen wir bei Ihrer Arbeit rechnen? Goebel: Wir wollen beim Ex-anteVerfahren neue Akzente setzen. Wir brauchen längere Anhörungsfristen. Politisch verkürzte Verfahren, bei denen das Verhältnis von Wirkung und Aufwand des Gesetzes nicht wirklich geprüft und

Alternativen nicht erwogen werden, müssen der Vergangenheit angehören. Wir wollen zu den Themen die Praktiker anhören. Erst muss der Inhalt kommen, danach die Paragrafen. Außerdem wollen wir bei der Evaluierung von Gesetzen nachlegen. Die nachträgliche Evaluierung muss genauso zum Standard im Gesetzgebungsgeschäft werden wie die Kostenbetrachtung vorab. Auch bei der “One in One out”-Regel wollen wir genauer hinschauen, wie wir den Prozess nachschärfen können. Behörden Spiegel: Der Bundestag hat die Einführung eines Digitalchecks durch den NKR bei neuen Gesetzen beschlossen. Was wird der NKR diesbezüglich unternehmen? Goebel: Der Prozess, wie Digitalisierung bei Gesetzen mitgedacht werden soll, muss durch das Bundesinnenministerium erst festgelegt werden. Da bieten wir unsere Expertise an. Letztlich müssen die Ministerien im Vorfeld eruieren und angeben, wie Regelungen in der digitalen Praxis umgesetzt werden sollen. Wir werden prüfen, ob das methodengerecht und realistisch ist. Wenn bei Bundesgesetzen die Länder involviert sind und die Kommunen es umsetzen sollen, dann muss der gesamte Prozess stimmen. Alle Ministerien müssen sich Gedanken machen, ob sie die Gesetzesumsetzung und den digitalen Vollzug in Gänze im Blick haben. Wir sind für den Dialog bereit. An und für sich muss jegliche Art von Informationsfluss automatisierbar sein. Wenn Informationspflichten automatisch erfüllt werden können, ist das die halbe Miete. Alles andere ist ein zusätzlicher Aufwand. Deshalb ist der Digitalcheck ein wesentliches Instrument für den Bürokratieabbau. Behörden Spiegel: Das BMDV hat kürzlich davon gesprochen, von Elon Musk zu lernen. Gemeint waren der vorläufige Bauantrag und der Mut, auch ohne Genehmigung zu bauen. Bedeutet das für die Wirtschaft mehr Risikoaversion und für die Verwaltung mehr Schnelligkeit?

Goebel: Das ist ein ganz spezielles Modell. Das Vorhaben ist in Brandenburg vom Ministerpräsidenten und vom Wirtschaftsminister als politisches Projekt deklariert worden. Damit wurde der Erfolg eingefordert. Entsprechend hat sich die Verwaltung gekümmert. Auf der anderen Seite haben sie einen Unternehmer, der volles Risiko gegangen ist. Ein deutsches Unternehmen, z. B. eine Aktiengesellschaft, dürfte das nicht. Das ist eine Frage der Haftung. Für die Zukunft wird sich zeigen, wie dieses Vorgehen von Politik und Verwaltung auf andere Bereiche übertragen werden kann. Am Beispiel der Flüssiggas-Terminals sehen wir: Wenn man will, geht es. Behörden Spiegel: Sie haben die Diskussion entfacht, ob es neben dem “One in One out”-Prinzip überhaupt neuer Gesetze bedürfe. Statt besserer Gesetze also insgesamt weniger Gesetze/Regulierung? Goebel: Regulierung ist grundsätzlich nicht schlecht. Die Frage ist, ob es immer ein Gesetz sein muss. In Deutschland haben wir die Neigung, zu jedem Vorhaben ein Gesetz zu machen. In diesem wird bis ins Detail geregelt, was reguliert werden muss. Entsprechend fordern Länder und insbesondere Kommunen umfassende Zusatzinformationen, die bspw. bei einer Genehmigung irrelevant sind, um sich abzusichern. Deshalb brauchen wir einen Kulturwandel. Es muss die Ebene entscheiden, die am nächsten dran ist. Das würde auch die Spielräume der kommunalen Demokratie stärken. Behörden Spiegel: Sie sagten, langfristig müsse eine größere Staatsreform angestoßen werden. Nun gab es schon zwei Föderalismusreformen. Was müsste diese Staatsreform beinhalten? Goebel: Wir haben mit unserer Grafik zum Zuständigkeitswirrwarr bei der Digitalisierung, dem sogenannten Wimmelbild, gezeigt: Unsere jetzigen Arbeitsweisen funktionieren nicht. Das wird immer mehr Politikerinnen und Politikern klar. Allerdings müssen wir bei gewissen Themen die Verfassung ändern. Gerade beim Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen. Der Bund muss in Krisenzeiten und bei der Digitalisierung Standards setzen können, die bis auf die kommunale Ebene einheitlich sind. Wir sind gespannt, welchen Aufschlag die Ampel-Regierung mit dem Föderalismus-Dialog macht.

Zukunft Führung 2022

Neue (Führungs-)Kraft in der Behörde entfalten Themen u. a.: • Wirksam führen – Hirnforschungsergebnisse für den Führungsalltag • Führung in der Verwaltung: ein Ausblick ins Jahr 2030+

21.-22. Juni 2022

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Eine Veranstaltungsreihe des

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de ► Suchwort „Zukunft Führung“


Themenseite BAMF

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Behörden Spiegel / Juni 2022

FREE im BAMF

A

ktuell unterstützt das Bundesamt alle 16 Bundesländer mit 180 Registrierungsstationen und über 270 Mitarbeitenden (Stand 11.05.2022). Zu den Aufgaben gehört unter anderem die erkennungsdienstliche Behandlung der Ankommenden: Es werden Fingerabdrücke genommen, Personendaten erfasst und Fotos gemacht.

“IT-Fachanwendung zur Registerführung, Erfassung und Erstverteilung” (BS) Die Aufnahme und Unterstützung der ankommenden Flüchtlinge kann nur gemeinsam gelingen: Bund und Bundesländer arbeiten deshalb eng zusammen. Für Bundesländer, die im Zusammenhang mit der Registrierung von Flüchtlingen aus der Ukraine um Amtshilfe ersuchen, leistet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) rasch Unterstützung: Je nach Bedarf stellt das BAMF Registrierungsstationen (PIK) bereit, baut sie auf, richtet sie ein und unterstützt die Länder personell. Fachanwendung zur Verfügung und hostet diese. Für FREE wird vom ITZBund und dem BAMF aktuell ein umfangreicher Support (sieben Tage pro Woche/per Mail und Telefon) geleistet.

Verteilung nach Königsteiner Schlüssel Ein Großteil der Ankommenden kommt zwar aktuell privat unter, beispielsweise bei Verwandten, Bekannten oder freiwillig Unterstützenden. Personen, die jedoch unmittelbar eine Unterkunft benötigen und auf staatliche Leistungen angewiesen sind, werden auf die Bundesländer nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt. Hier kommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ins Spiel: Es ist zuständig für die Verteilung der Geflüchteten auf die Bundesländer nach § 24 Abs. 3 AufenthG. Dazu dient seit Kurzem die Fachanwendung FREE. Diese ist vor dem Hintergrund der Ukrainesituation hochagil – in kürzester Zeit – neu entwickelt worden. Damit wurde auch eine Forderung des Deutschen Städtetages direkt erfüllt (siehe Behörden Spiegel Ausgabe April 2022, S. 13). Die Verteilung von Personen, die ein Schutzgesuch für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG geäußert haben, erfolgte bislang über das EASYSystem für die Erstverteilung von Asylsuchenden. Seit dem 2. Mai 2022 erfolgt nun die Verteilung für ukrainische Geflüchtete über die vom BAMF eigens für diesen Zweck entwickelte ITAnwendung “FREE”, die “Fachanwendung zur Registerführung,

Wie funktioniert FREE?

Größtenteils sind die Geflüchteten aus der Ukraine Frauen und Kinder. Mit der IT-Anwendung FREE können familiäre Bindungen bei der Verteilung der Menschen auf die Bundesländer berücksichtigt und Familien hierzulande zusammengeführt werden. Foto: BS/Animaflora PicsStock, stock.adobe.com

Erfassung und Erstverteilung zum vorübergehenden Schutz”. Die Verteilung erfolgt damit automatisiert anhand des Königsteiner Schlüssels und bietet die Möglichkeit, individuelle Rahmenbedingungen der Geflüchteten, wie z. B. familiäre Bindungen, bei der Verteilung zu berücksichtigen. Zur reibungslosen Anwendung von FREE wurden Mitarbeitende der Länder, die mit dem System arbeiten sollen, als Multiplikato-

ren bereits im Vorfeld durch das Bundesamt geschult.

Rechtliche Notwendigkeit und Verteilung Ukrainische Staatsangehörige mit biometrischem Reisepass halten sich nach derzeitigen EURegelungen für 90 Tage legal in Deutschland auf. Die Voraussetzungen zur Registrierung nach § 49 AufenthG liegen damit in der Regel nicht vor. Erst mit Ablauf des 90sten Tages des Aufenthalts bzw. bei Bedarf nach Bezug von Leistungen müssen sich die Personen registrieren lassen. Da manche Gebiete wie Hamburg oder Berlin überproportional beansprucht sind, ist eine steuernde Verteilung notwendig. Ziel ist dabei die personenscharfe und gleichzeitig lastengerechte Verteilung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine unter Berücksichtigung integrationsförderlicher Bindungen.

Hier kommt FREE ins Spiel

Schutzsuchende wurden bis Ende April über das EASY-System auf die Bundesländer verteilt. Seit Anfang Mai erfolgt die Verteilung über die IT-Anwendung FREE. Foto: BS/Animaflora PicsStock, stock.adobe.com

Mit FREE können u. a. zwei entscheidende Aspekte erreicht werden: Es wird eine personenbezogene Übersicht der Menschen ermöglicht, die in unser Land gekommen sind. So können auch

ukrainische Familien zusammengeführt werden. Zudem gelingt es damit, den Erfassungsprozess schnell und nutzendenfreundlich umzusetzen. Die Fachanwendung FREE ist sehr kurzfristig neu entwickelt worden. Die Anwendung wurde vom BAMF selbst in enger Abstimmung mit allen Ländern designt. Sie wird nun speziell für Ukraine-Flüchtlinge von den Bundesländern statt EASY für eine Verteilung in die Bundesländer genutzt. Dadurch entsteht eine klare Trennung der aus der Ukraine Geflüchteten (FREE) und Asylsuchenden (EASY). Anders als bei EASY wird eine Steuerungswirkung erreicht, da Personendaten und Verteilung miteinander verknüpft werden und in FREE durch eindeutige Identifizierungsmerkmale jederzeit nachverfolgbar sind. Die Zuständigkeit des ausgewählten Landes wird durch FREE klar festgelegt und ist schon in der individuellen Anlaufbescheinigung erkennbar, die das Produkt des Vorgangs ist. FREE wird auf Landesebene von den zuständigen Ausländerbehörden und Aufnahmeeinrichtungen genutzt, das BAMF stellt die IT-

FREE ist eine neue, rein webbasierte Fachanwendung, die über die aktuellen Browser Mozilla Firefox, Apple Safari, Google Chrome oder Microsoft Edge durch einen berechtigten Personenkreis aufgerufen werden kann. Die Anwendung ist daher äußerst flexibel und sehr rasch (ad hoc) einsetzbar. Ziel war es, die Anwendung so nutzendenfreundlich wie möglich zu gestalten. Dies ist mit einer intuitiven Menüführung und nur wenigen Pflichtfeldern ermöglicht worden. Die Benutzerverwaltung erfolgt nach einem hochinnovativen Konzept. Hierfür ist – ebenso webbasiert – ein delegiertes Verwaltungssystem im Einsatz. Das System ermöglicht es den beteiligten Stellen in Ländern und Kommunen, die Verwaltung der Nutzenden und entsprechende Rechtevergaben gemäß Berech-

wird vom ITZBund und dem BAMF ein umfangreicher Support geleistet. Aufgrund des anhaltenden hohen Zustroms von Flüchtlingen aus der Ukraine werden zur Beschleunigung der Verfahren auch Personen, die noch nicht entsprechend erstregistriert bzw. erkennungsdienstlich behandelt (im Folgenden ED-Behandlung) wurden, in FREE erfasst und verteilt werden.

Fazit FREE ermöglicht also die zeitnahe, unkomplizierte Verteilung der Geflüchteten mit dem Resultat der Anlaufbescheinigung unter Berücksichtigung der individuellen Lebensumstände mit dem Ziel einer leichtgängigen Integration. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels jedoch erfolgt weiterhin regulär über die bekannten ausländerrechtlichen Fachverfahren. Die Ausstellung eines Aufenthaltstitels durch die zuständige Ausländerbehörde erfolgt zudem nur, wenn die ukrainischen Kriegsflüchtlinge eine vollständige ED-Behandlung durchlaufen haben und ein Eintrag im AZR erfolgt ist.

Wie geht es weiter mit FREE? In Arbeit ist derzeit die Schnittstelle zum Ausländerzentralregister AZR, die eine unmittelbare Datenübertragung in FREE auf Basis des lesenden Zugriffs ermöglicht. Außerdem ist die automatisierte Dublettenprüfung geplant: Hierbei sollen automatisch

Das BAMF designte die IT-Anwendung in enger Abstimmung mit allen Ländern. Foto: BS/nmann77, stock.adobe.com

tigungskonzept selbst umzusetzen. Dies erleichtert die Verwaltung für alle Beteiligten deutlich. Für eine einfache Umsetzung wurden drei unterschiedliche Berechtigungen für Nutzende geschaffen: BAMF-Admin, Bundesland-Admin und BundeslandUser. Die Nutzendenverwaltung erfolgt grundsätzlich durch den Bundesland-Admin. Für FREE

identische Personendatensätze erkannt und ihr Anliegen zu einem Vorgang zusammengeführt werden. Durch fortwährende Betreuung des Tools und Zusammenarbeit mit den Nutzenden wird die Fachanwendung weiterhin den Bedürfnissen angepasst und somit am Puls der Zeit bleiben, um den Bedarfen aller Seiten gerecht zu werden.


Bund

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ehörden Spiegel: Herr Dr. Thiel, der Zensus 2022 steht an. Das erinnert viele an die Volkszählung. Wo liegen die Unterschiede?

Dr. Thiel: Der Zensus funktioniert nicht mehr in dem Sinne, dass jeder befragt wird, sondern der Prozess findet registergestützt und belastungsarm statt. Die wesentlichen Ausgangsdaten werden uns durch die Melderegister zur Verfügung gestellt. Der Zensus ist damit wesentlich belastungsärmer als die traditionelle Volkszählung. Behörden Spiegel: 2011 fand der letzte Zensus statt. Die Erkenntnisse davon fließen in diesem Jahr auch mit ein. Hat sich an der Methodik etwas verändert? Dr. Thiel: Das Bundesverfassungsgericht hat uns damals – als wir gegen zwei Klagen aus Berlin und Hamburg gewonnen haben – ins Stammbuch geschrieben, dass wir uns – dort, wo es nötig sei – methodisch weiterentwickeln müssen. Zum Beispiel führen wir nun auch Stichprobenbefragungen zur statistischen Korrektur der Melderegister in Gemeinden unter 10.000 Einwohnern durch. Die Ergebnisse des Zensus 2011 haben gezeigt, dass auch hier der Bedarf zur Korrektur der Melderegister größer ist als beim Zensus 2011 vermutet. Des Weiteren führen wir die Befragungen vorrangig online durch. Behörden Spiegel: Die Register sind bei der Digitalisierungspolitik ein zentrales Thema. Wie steht es um die Qualität der Daten?

Von europäischen Nachbarn lernen Zensus mehr und mehr belastungsärmer (BS) Die Befragungen des Zensus 2022 sind im Mai dieses Jahres gestartet. Für persönliche Befragungen werden nun bis Mitte August etwa 100.000 Interviewer/-innen im Einsatz sein. Ziel des Zensus ist es, aktuelle Bevölkerungs- und Wohnungszahlen festzustellen. Im Interview mit Uwe Proll, Chefredakteur des Behörden Spiegel, erklärt Dr. Georg Thiel, Präsident des Statistisches Bundesamtes, die Schwierigkeiten und Zukunftsper­ spektiven der statistischen Erhebung. Dr. Thiel: In der Digitalisierung sind wir nur so gut wie die Datenqualität der Register, die wir nutzen, und diese Qualität hat sich sukzessive verbessert. Wir können gut auf diesen Daten aufbauen und zusammen mit den Stichproben, die wir jetzt durchführen, sind wir sehr gut aufgestellt.

Strukturen hinterfragen, Gutes verbessern Um durch Innovationen souveräner zu werden, müsse man einerseits die eigenen Strukturen hinterfragen, führt Schön weiter aus: “Und grundlegend ändern!” In diesem Zusammenhang lobt die Oppositionspolitikerin ausdrücklich die Ampelregierung. Im Koalitionsvertrag seien viele gute Ansätze festgeschrieben worden. Diese gelte es umzusetzen. In dem Kontext müsse sich auch die Gesetzgebung ändern. “Gesetze müssen schon bei der Erstellung vom Anwender her gedacht werden”, fordert die Co-Herausgeberin des Buches “NEUSTAAT”.

“Wir möchten einen Registerzensus etablieren, der einzig auf Registerdaten basiert und einen komfortablen Vergleich ermöglicht.”

Behörden Spiegel: 2031 steht der nächste Zensus an. Gibt es jetzt schon Pläne, inwiefern sich die beiden Vorhaben unterscheiden werden? Dr. Thiel: Der erste wichtige Termin wird für uns 2024 sein. Dann müssen wir wieder Bevölkerungsdaten nach Europa liefern. Dazu nutzen wir die Erkenntnisse, die wir 2022 erhoben haben und vergleichen diese mit Fortschreibungen und den Registern. Für den nächsten Zensus werden wir dann neue Register in den Bereichen Gebäude, Wohnungen und Bildung anlegen müssen. Das sind große Vorhaben, weil wir dort bei null anfangen. Unsere Zielrichtung ist es, 2031 einen Zensus nach dem Vorbild unserer europäischen Nachbarländer zu entwickeln. Wir möchten nicht nur einen registergestützten Zensus, sondern einen Registerzensus

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nnovativ und souverän – für viele Menschen ist dies immer noch ein Gegensatz. Denn während mit dem Wort innovativ weitere Adjektive wie kreativ, originell oder einfallsreich assoziiert werden, denken viele Menschen beim Wort souverän an den Staat, der seine Hoheitsrechte ausübt und überwiegend regualtiv agiert. Doch für die CDU-Abgeordnete aus dem Saarland stehen die Worte nicht im Gegensatz. Vielmehr könne Deutschland nur durch Innovationen souveräner werden. Doch dafür seien drei Faktoren notwendig: “Zuerst bedarf es einer ermöglichenden und entfesselnden Regulierung”, so Schön bei einem Parlamentarischen Abend des Behörden Spiegel und von Deloitte. Diese könne nur im Verbund mit der Europäischen Union als starkem Partner umgesetzt werden, unterstreicht die Christdemokratin und verweist auf den Green Deal. Dessen normativen Ansatz gelte es auf die Digitalisierung zu übertragen. Vor allem müssten bei der Digitalisierung Standards gesetzt werden. Projekte wie Gaia-X seien ein guter Ansatz. Dennoch bleibe die Frage, wann angesichts der Aktivitäten aus den USA und China die Standardisierungsoffensive der EU komme.

Behörden Spiegel / Juni 2022

Dr. Georg Thiel ist seit dem 1. November 2017 Präsident des Statistischen Bundesamts und Bundeswahlleiter. Foto: BS/Statistisches Bundesamt (Destatis)

etablieren, der einzig und allein auf Registerdaten beruht und einen komfortablen Abgleich ermöglicht. Des Weiteren möchten wir die Kosten reduzieren. Der Zensus 2022 kostet insgesamt etwa 1,5 Milliarden Euro. Wir möchten eine Struktur aufbauen, die es uns ermöglicht, präzise Bevölkerungs- und Wohnungszahlen in neun Jahren wesentlich kostengünstiger bereitzustellen. Behörden Spiegel: Sie haben mit Bevölkerungszahlen, Gebäuden und Bildung jetzt einige Registerbereiche angesprochen. Wer

arbeitet mit Ihren Daten und wie liefern Sie die Daten, sodass andere mit ihnen arbeiten können? Dr. Thiel: Für die amtliche Statistik gilt das Rückspielverbot, das heißt, Erkenntnisse, die aus dem Zensus erworben wurden, können nicht in die Verwaltungsdaten übernommen werden. Darüber hinaus sind die Zensus-Daten in einem abgeschotteten Hochsicherheitsbereich gelagert. Der Aufbau dieser IT-Infrastruktur ist vom BSI zertifiziert. Nach dem Stichtag – dem 15. Mai dieses Jahres – haben wir dann 18 Monate Zeit, die Daten

zusammenzutragen. Anders als 2011 werden sie dann zu einem Zeitpunkt komplett veröffentlicht. Die Ergebnisse werden wir dann standardisiert den Kommunen, den Entscheidungsträgern, den Journalisten und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Behörden Spiegel: Brüssel ist ein großer Abnehmer der Daten aus den Mitgliedsstaaten. Ziehen sie als Statistisches Bundesamt dann Rückschlüsse auf die Entwicklungen in anderen europäischen Staaten oder macht die EU-Kommission das für sie?

Mit Mut und Entschlossenheit Demografischem Wandel begegnen, Digitalisierung und Klimaschutz vorantreiben (BS/Jörn Fieseler) “Unser Land hat viel Potenzial, wir reden uns selbst schlecht”, bringt es Nadine Schön, stellvertretende Vorsitzende der CDU/ CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, auf den Punkt. Wie groß die Potenziale sind, zeigt eine neue Studie, in der die Wachstumschancen für Deutschland dargestellt werden. Doch dafür bedarf es eines Mentalitätswandels und umfangreicher Investitionen. Erwerbsquote von älteren Meschen ab 55 Jahren sowie durch lebenslanges Lernen und höhere Bildungsausgaben. Derzeit erhalten in Deutschland rund 62 Prozent der Erwerbstätigen Weiterbildungen. In Spitzenländern wie Finnland und Dänemark liegt diese Quote bei über 75 Prozent. Zudem ist die Flexibilität von Arbeitsmodellen zu erhöhen. Möglichkeiten des Homeoffice und von Remote Work sind auszuweiten und Arbeitszeiten variabler zu gestalten.

Breitbandinfrastruktur ausbauen, Datenpolitik neu denken

“Wir haben drei Hebel identifiziert, um die Wachstumschancen für Deutschland zu verbessern”, sagt Dr. Alexander Börsch, Direktor, Chefvolkswirt und Leiter Research bei Deloitte. Fotos: BS/Fieseler

Andererseits seien Dinge, die bereits jetzt gut seien, besser zu nutzen. Die Ausbildung von Fachkräften sei eine der Stärken Deutschlands. Doch auch hier müsse der Fokus mehr auf die Digitalisierung gerichtet werden. Damit nennt die Bundestagsabgeordnete die wesentlichen Hebel, die die Autoren der Studie “Perspektiven 2030 – Wachstumschancen für Deutschland” um Dr. Alexander Börsch, Direktor, Chefvolkswirt und Leiter Research bei Deloitte, als zentrale Ansatzpunkte sehen.

Drei Hebel Die Autoren prognostizieren für Deutschland unter den jetzigen Rahmenbedingungen ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bis 2030 von jährlich 1,2

Prozent, mit fallender Tendenz in der zweiten Hälfte der 2020erJahre. Zu wenig für die größte Volkswirtschaft in Europa, finden die Analysten von Deloitte und haben in unterschiedlichen Szenarien ein mögliches durchschnittliches Wachstum zwischen 2,3 und 3,4 Prozent des BIP pro Jahr berechnet. “Der größte Hebel für ein höheres Wirtschaftswachstum ist der Arbeitsmarkt”, so Börsch. 2030 werde die Zahl der Erwerbsbevölkerung um 3,5 Millionen Menschen niedriger sein als 2020. “Je besser es gelingt, diesen Rückgang abzufedern, desto höher kann das Wachstum ausfallen.” Möglichkeiten sieht der Chefvolkswirt in einer stärkeren Beschäftigung von Frauen in Vollzeit, einer höheren

Beschreibt die Herausforderungen aus Unternehmerinnensicht: Sarna Röser, Bundesvorsitzende beim Verband der Jungen Familienunternehmen.

Ein Aufholprozess bei der digitalen Wirtschaft ist für Börsch der zweite Hebel. Hierzu gehörten der Ausbau der digitalen Infrastruktur mit HighspeedBreitband sowie stärkere Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnologien. Aber auch wissensbasierte Kapitalinvestitionen in Soft-

Lobte die Ampelkoalition für ihre Vorhaben: Nadine Schön, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.

Dr. Thiel: Den Vergleich ziehen wir. Wir wissen zum Beispiel, dass die baltischen, nordeuropäischen und kleineren Mitgliedsstaaten einen komplett registergestützten Zensus durchführen und dort keine Befragungen der Bevölkerung notwendig sind. Ein weiterer wichtiger Bereich der Vergleichbarkeit sind die Bevölkerungszahlen: Sie sind der Schlüssel für Zuteilung, finanzielle Verpflichtungen und Zuwendungen in der Europäischen Union. Demnach ist der Zensus eine wichtige Grundlage für staatliches Handeln. Behörden Spiegel: Eine abschließende Frage: Wie haben der Ukraine-Krieg und die CoronaPandemie ihre Arbeit beeinflusst? Dr. Thiel: Selbstverständlich beeinflusst der Krieg in der Ukraine unsere Arbeit. Das gilt einerseits für unsere Mitarbeitenden, die Verwandte dort haben, andererseits gilt das auch für unsere Erhebungen. Auch ukrainische Geflüchtete werden staatlich erfasst. Wir sind auf solche Ausnahme- und Sondersituationen vorbereitet. Für den Zensus haben wir ein Merkblatt für die Kommunen bereitgestellt, das die Relevanz und den Einfluss der Geflüchteten auf die Zählung darlegt. Auch die Corona-Pandemie hat unsere Arbeit beeinträchtigt und dafür gesorgt, dass der Zensus ein Jahr später stattfindet als geplant und wir noch mehr auf Online-Befragungen umstellen. Nichtsdestotrotz sind wir stolz darauf, auch unter schwierigen Corona-Bedingungen die Befragungen ordnungsgemäß durchführen zu können.

ware und Datenbanken seien Grundlage erfolgreicher Geschäftsmodelle. In diesem Kontext müsse Datenpolitik neu gedacht werden. Daten müssten in Form von Open Data nutzbar sein, zudem müssten klare europäische Standards zur Cyber-Sicherheit entwickelt sowie europäische Infrastrukturinitiativen wie Gaia-X vorangetrieben werden. Und selbstverständlich müsse die Digitalisierung der Verwaltung vorangetrieben werden. Der dritte Hebel sind eine besser Gründungsfinanzierung sowie der Abbau regulatorischer Barrieren, um das Innovationsund Wachstumstempo zu beschleunigen. Des Weiteren sind Investitionen in den Klimawandel essenziell. Diese führen kurzfristig zwar zu einem durchschnittlichen Wachstumsverlust von 0,5 Prozent des BIP, könnten sich jedoch ab 2038 in Wachstumsgewinnen von 0,8 Prozent und bis 2070 von 2,5 Prozent auswirken. Bei all diesen Herausforderungen ist es Aufgabe von Politik und Verwaltung, für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu sorgen bzw. diese umzusetzen. Damit deckt sich die Studie mit den Einschätzungen aus der Wirtschaft. “Der demografische Wandel, die Digitalisierung, das eigene Unternehmen in die nächste Generation zu überführen und der Klimawandel sind in dieser Reihenfolge für mich die wichtigsten Herausforderungen”, fasst Sarna Röser, Bundesvorsitzende beim Verband Junger Unternehmer, zusammen. Die Erkenntnisse sind somit klar, jetzt kommt es auf die Umsetzung an. “Wir brauchen Mut und Entschlossenheit”, sagt Schön abschließend. Die Studie war Gegenstand eines Webinars auf Digitaler Staat Online. Die Aufzeichnung finden Sie unter www.digitalerstaat.online in der Mediathek, Suchwort „Deutschland 2030“.


Zahlen & Fakten

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Der Zensus 2022 – ein Großprojekt der statistischen Ämter (BS) Wie viele Menschen leben in Deutschland? Wie wohnen sie, wie arbeiten sie? Diese Zahlen werden im Zensus 2022 statistisch erhoben. Außerdem werden im Zensus alle Wohnungen und Gebäude mit Wohnraum in Deutschland gezählt. Der Zensus findet in Deutschland alle zehn Jahre statt. Stichtag und Beginn der aktuellen Befragungen war der 15. Mai 2022. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde der Zensus von 2021 ins Jahr 2022 verschoben.

Bevölkerungszählung

Gebäude- und Wohnungszählung

10,3 Mio. Teilnehmende

Der Zensus 2022 besteht aus einer Bevölkerungszählung sowie einer Gebäude- und Wohnungszählung. Bei Bedarf können sich die Befragten beim Ausfüllen auch von Familienangehörigen helfen lassen. Insgesamt werden etwa 30 Millionen Menschen in Deutschland befragt.

23 Mio. Teilnehmende

Vom registergestützten Zensus 2022 zum Registerzensus 2031 15 MAI

2022

15. Mai 2022: Stichtag: Start der Befragungen

AUG

2022

August 2022: Geplantes Ende der Personen­erhebung

2022–

NOV

2023

2023

2022–2023: Zusammenführung und Aufbereitung

November 2023: Ergebnisse des Zensus 2022

2031

2031: Registerzensus: registerbasierter Zensus ohne Befragungen

Bis Ende 2022 Prüfung und Nacherhebungen

Online, bitte! Beim letzten Zensus hätten die übereinandergestapelten Papierfragebogen der Gebäude- und Wohnungszählung den Mount Everest mit seinen 8.448 Metern übertroffen. Diese Papierberge möchten die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder dieses Mal vermeiden. Daher setzen sie konsequent auf eine Onlinefirst-Strategie. Das heißt: Dort, wo es möglich ist, sollen die Angaben der Befragten zum Zensus online gemacht werden. Dazu haben die Ämter einfach zu bedienende, responsive Online-Fragebogen entwickelt. Bei Bedarf können sich die Befragten beim Ausfüllen auch von Familienangehörigen helfen lassen. Eine hohe Online-Teilnahme ermöglicht die digitale Prüfung und Weiterverarbeitung der Daten, sodass die Ergebnisse schneller und in höherer Qualität bereitgestellt werden können.

Layout: B. Dach/Behörden Spiegel unter Verwendung der Grafiken des Statistischen Bundesamts (Destatis)

Warum brauchen wir einen Zensus? Wo brauchen wir mehr Wohnungen? Wo müssen wir die Verkehrsnetze verbessern, weil dort mehr berufstätige Menschen unterwegs sind? Der Zensus liefert aktuelle und präzise Basisdaten für Politik, Verwaltung und Gesellschaft. Die Bevölkerungszahl ist Grundlage für demokratische Prozesse, z. B. die Einteilung der Wahlkreise und Finanzausgleiche. Der Zensus 2022 liefert erstmalig bundesweit vergleichbare Zahlen zu Mieten, Dauer und Gründen für Leerstand und dem genutzten Energieträger der Heizung.

Datenschutz wird großgeschrieben Personenidentifizierende Daten werden beim Zensus 2022 frühest­möglich von den weiteren Angaben getrennt und gelöscht. Einzeldatensätze mit Personenbezug werden nicht an Dritte weitergegeben, auch nicht an Polizei, Finanzamt, Meldeämter oder sonstige Behörden außerhalb der Statistik. Das schreibt das vom Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil 1983 festgeschriebene Rückspielverbot vor. Die Daten fließen nur in eine Richtung – hin zu den statistischen Ämtern: das Einbahnstraßenprinzip.


Bund/Länder

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ehörden Spiegel: Im Kontext der Arbeit gibt es beim ITZBund es einige besondere Herausforderungen, zum Beispiel einen Rechenzentrumsbetrieb rund um die Uhr. Wie lief das Arbeiten bei Ihnen in Corona-Zeiten und wie stellten Sie den Betrieb sicher?

Wolfgang Cremer: Corona war für uns alle ein Umbruch. Wir waren aber sehr schnell in der Lage, darauf zu reagieren, denn wir hatten einen großen Vorteil: Alle Kollegen des ITZBund waren schon zuvor für das mobile Arbeiten ausgerüstet. Wenn jemand ins Büro musste, dann wegen seiner Aufgaben und nicht wegen mangelnder Technik. Auch im Rechenzentrumsbetrieb funktioniert sehr viel remote. Hier war zum Beispiel die Nachtschicht in unserem Drei-Schicht-Betrieb schon oft remote eingerichtet. Insgesamt konnten wir den Anteil an Beschäftigten, die im Büro sein mussten, auf ungefähr 10 Prozent reduzieren. Das sind 350 bis 400 Leute. Behörden Spiegel: Wie ist die Lage bei Ihnen im Moment?

Vertrauen als Schlüssel Das ITZBund in der Post-Corona-Arbeitswelt (BS) Die Corona-Pandemie habe die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Wie geht man beim Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) mit diesen Veränderungen um? Und wie kann man als öffentlicher Arbeitgeber auf dem hart umkämpften Markt für IT-Fachkräfte bestehen? Hierüber spricht Wolfgang Cremer, Kaufmännischer Vizedirektor beim ITZBund, im Interview. Die Fragen stellte Uwe Proll. die vier bis fünf Tage im Home Office arbeiten? Cremer: Zunächst einmal: Diese Kollegen haben trotz dieser Regelung natürlich nicht die Garantie, nie mehr das Büro betreten zu müssen. Man muss verfügbar sein, unter anderem zu Besprechungen kommen. Darüber hinaus erklären diese Mitarbeitenden ihren Verzicht auf einen festen Büroarbeitsplatz. Nichtsdestotrotz müssen wir jetzt auch in unsere Arbeitsflächen investieren und die Bürowelten umstrukturieren, um sie attraktiver zu machen. Wir wollen sowohl Gemeinschaftsflächen als auch Stillarbeitsplätze bieten, um flexibel im Bürobereich ankommende Kollegen zu integrieren.

Cremer: Sowohl wir als DirektoBehörden Spiegel: Müssten rium als auch die Kollegen haben Sie nicht auch rein theoretisch viele der Maßnahmen als gute 1.500 Home Office-Arbeitsplätze Errungenschaften empfunden. bei diesen Angestellten zu Hause Diese wollen wir beibehalten, überprüfen? auch um die Attraktivität der Arbeitsplätze in der Nach-CoronaCremer: In dieser Hinsicht Zeit zu erhalten. Rund 90 Prozent stellen wir gerade noch Regeln der 4.000 Kollegen haben einen auf. Klar ist aber: Wir haben für Antrag gestellt, dass sie anteilig diese Arbeitsplätze auf jeden im Home Office arbeiten wollen. Fall ein angekündigtes Betre1.500 wollen vier oder fünf Tage tungsrecht. Wir werden dauerdie Woche von zu Hause aus ar- haft wahrscheinlich auch dazu beiten. Das pilotieren wir momen- übergehen müssen, gewisse Vortan, weil sich Ort-Ausstathier neue Hertung mitzulie“Wenn ein privates fern. Letztlich, ausforderungen ­Problem mit der Arbeit und das steht bei der Führung und Steuerung in Konflikt gerät, finden auch in einer dieser Beschäfwir für die Arbeitsseite k o m m e n d e n tigten ergeben. Dienstanweieine Lösung” Weitere Heraussung, sind Beforderungen lieschäftigte aber gen in der Einarbeitung neuer auch selbst verantwortlich. Kollegen, zum Beispiel von Aus- Wenn wir uns bestehende Tezubildenen oder Studierenden. learbeitsplätze anschauen, stelAls Leitung schaffen wir hier Rah- len wir immer wieder fest, dass menbedingungen. Eine wichtige die Kreativität zu Hause groß ist. Botschaft ist aber: Wir vertrau- Außerdem muss man zugeben, en unseren Mitarbeitenden. Die dass nicht jeder die Möglichkeit meisten Dinge, beispielsweise hat, sich den Arbeitsplatz zu bezüglich Kommunikation oder Hause so optimal wie im Büro Absprachen, wurden weitestge- einzurichten. hend im Kollegenkreis geregelt. Behörden Spiegel: Wie sieht Behörden Spiegel: Was pas- es mit der IT-Sicherheit und dem siert mit den Büros derjenigen, Datenschutz aus?

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er Arbeitskreis korrigierte seine bisherige Prognose vom November 2021 für alle Jahre des Schätzzeitraums nach oben. Für Bund, Länder und Gemeinden werden zusammen Verbesserungen um etwas mehr als 40 Milliraden Euro jährlich erwartet. “Es ist eine erfreuliche Nachricht, dass – entgegen anderslautender Erwartungen – die bisherigen Prognosen trotz fortwährender Pandemie und Ukraine-Krieg nicht nach unten korrigiert werden mussten. Gleichwohl bergen die andauernden Krisen erhebliche konjunkturelle Risiken. Zusammen mit der hohen Inflation steigt damit für alle öffentlichen Haushalte die Notwendigkeit, Vorsorge zu treffen. Es gibt keinen Grund zur Entwarnung”, kommentierte Mecklenburg-Vorpommers Finanzminister Dr. Heiko Geue die Steuerprognosen.

Marscherleichterung für Haushaltsberatungen Für Sachsen-Anhalt ergibt sich mit der neuen Steuerschätzung ein Plus von rund einer Milliarde Euro im Landeshaushalt. Der sächsische Staatshaushalt kann im laufenden Jahr mit Steuereinnahmen von 18,3 Milliarden Euro rechnen. Im November 2021 hatte man für

Behörden Spiegel / Juni 2022

“Als Leitung schaffen wir Rahmenbedingungen. Eine wichtige Botschaft ist aber: Wir vertrauen ­unseren Mitarbeitenden”

Wolfgang Cremer ist Kaufmännischer Vizedirektor beim ITZBund. Foto: BS/C. Daitche, ITZBund

Cremer: Für beides müssen die Kollegen Verpflichtungserklärungen abgeben. Das Arbeiten von zu Hause aus sichern wir über VPN ab. Das funktioniert über die Sina-Workstation, die alle Angestellten zu Hause haben. Behörden Spiegel: Sie haben vorhin schonmal das Thema Arbeitgeberattraktivität erwähnt. Dies spielt auch bei der Arbeitnehmeranwerbung eine Rolle, wo Sie ja auch mit privaten Arbeitgebern im Wettbewerb stehen. Hier sind Sie besonders aktiv: Man hört Spots im Radio, sieht Plakate auf der Straße oder viele Aktivitäten im Internet. Haben Ihnen diese Maßnahmen bei der Mitarbeiterwerbung geholfen? Cremer: Ja. Wir haben die große Marketingkampagne vor vier Jahren gestartet, weil das ITZBund keiner kannte. Wir mussten uns also erstmal Bekanntheit verschaffen und die Marke ITZBund an den Markt bringen, und dafür reicht eine Ausschreibung in der Zeitung nicht aus. Internet und Social Media sind hier die ganz wesentlichen Plattformen, man muss aber auch an ausgewählten Stellen plakatieren, dies ist mit entsprechenden Kosten verbunden. Wir haben uns immer die Frage gestellt: Wo sind junge Menschen, die sich für uns interessieren könnten? Deswegen

haben wir zum Beispiel auch versucht, die Fahrschulen in Deutschland flächendeckend mit Flyern von uns auszustatten. Auch betonen wir, dass man bei uns für das Gemeinwohl arbeitet. Punkten können wir insbesondere mit dem Verbeamtungsangebot. Um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, muss man eine Vielzahl von Fragen bis ins kleinste Detail durchdenken. Wie sieht es aus mit mobilem und flexib-

lem Arbeiten? Ist Teilzeit auch für Führungskräfte möglich? Auf alle diese Fragen geben wir Antworten. Zum Beispiel kann man bei uns seine Arbeitszeit in Absprache mit der jeweiligen Organisationseinheit frei einteilen. Das bedeutet, die Mitarbeitenden können mittags jeden Tag ihr Kind von der Schule abholen, außer es steht gerade eine Dienstbesprechung an. Für uns im Direktorium gilt: Wenn ein privates Problem mit der Arbeit in Konflikt gerät, finden wir für die Arbeitsseite eine Lösung. Das private Problem lösen können wir nicht – das muss jeder selbst. Aber wir können es dienstlich erträglich gestalten. Behörden Spiegel: Es klingt, als seien Ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt. Kriegen Sie Ihre Planstellen alle besetzt? Cremer: Wir hatten im letzten Jahr einen Zuwachs von 500 neuen Planstellen. Von denen konnten wir 450 besetzen. Eine wichtige Komponente bei der Stellenbesetzung ist die eigene Ausbildung, wo wir erheblich investieren. Zum Beispiel bieten

(BS/lkm) Im Zuge der Modernisierung der deutschen Finanzaufsicht hatten sich das Bundesfinanzministerium (BMF) und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Jahr 2021 darauf verständigt, die bisherigen “Grundsätze für die Ausübung der Rechts- und Fachaufsicht des BMF über die BaFin” grundlegend zu überarbeiten. Dies wurde nun umgesetzt: Beide Behörden einigten sich auf neue Grundsätze. Neben der stärkeren Verankerung der operativen Unabhängigkeit der BaFin und der engen Zusammenarbeit zwischen BMF und BaFin in der nationalen, europäischen und internationalen Regulierung wird auch die

Rechts- und Fachaufsicht des Ministeriums neu ausgerichtet. “Wenn es um Einzelfallentscheidungen gegenüber Finanzmarktteilnehmern geht, hat die BaFin besondere Sachkompetenz. Sie ist näher dran”, sagt Dr. Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen. “Dort hingegen, wo losgelöst vom Einzelfall Standards für den Markt gesetzt werden, ist es notwendig, dass BMF und BaFin eng kooperieren.” Die BaFin berichtet an das BMF über kritische Entwicklungen bei wichtigen beaufsichtigten Unternehmen oder bei Relevanz für die Stabilität des Finanzmarkts, eines Sektors oder beispielswei-

(BS/lkm) Im Mai kam der Arbeitskreis Steuerschätzungen, teils virtuell, in Berlin zusammen. Der Arbeitskreis gibt Prognosen für das laufende Jahr sowie die vier Folgejahre ab. Im Ergebnis können sich Bund und Länder über höhere Einnahmen freuen. Jedoch stehen den Zuwächsen beim Steueraufkommen erhebliche neue Belastungen und schwer abwägbare Risiken gegenüber.

laufenden Haushaltsberatungen etwas Marscherleichterung verschaffen und verkleinern unser strukturelles Defizit etwas. Die vorhandenen Mehrforderungen der Ressorts bleiben dennoch in Größenordnungen unbezahlbar. Für immer neue Ausgabenwünsche entstehen

Cremer: Hier hilft Transparenz. Wir zeigen, welche Aufgaben bei uns und bei unseren Kunden anstehen. Hierfür stimmen wir uns mit unseren Kunden ab. Diese bringen neue Planungen in einem sogenannten Eckwert in den Haushalt mit ein, von uns kommt dann ein komplementärer Eckwert, denn: Unsere rund 4.000 Mitarbeitenden sind gebunden in Aufgaben, meist in Daueraufgaben. Diese verschwinden nicht, wenn neue Aufgaben hinzukommen. Wenn ein Kunde also, beruhend auf einem Gesetz, eine neue Aufgabe in die IT gießen will, dann braucht es hierfür nicht nur bei ihm Stellen für die Fachlichkeit, sondern bei uns auch Stellen für die IT-Unterstützung im Betrieb.

BMF und BaFin vereinbaren neue Grundsätze der Zusammenarbeit

Länder bewerten Mehreinnahmen mit Vorsicht

das Jahr 2022 noch mit Steuereinnahmen von 17,5 Milliarden Euro gerechnet. Die Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung sollen jetzt die Grundlage für den Regierungsentwurf zum Doppelhaushalt 2023/2024 bilden. “Die gestiegenen Einnahmeerwartungen können uns in den

Behörden Spiegel: Absehbar wird es zu weiteren Belastungen des Bundeshaushalts kommen. Somit wird es für das ITZBund zumindest nicht einfacher, an Geld für Planstellen zu kommen. Wie ist Ihre Strategie in dieser Hinsicht?

MELDUNG

Steuerschätzung für alle Jahre nach oben korrigiert

Fahrt auf rauer See. In den kommenden Jahren können Bund, Länder und Kommunen mit deutliche mehr Steuereinnahmen rechnen. Jedoch kommen auch viele Mehrkosten und schwer kalkulierbare Risiken auf Sie zu Foto: BS/klimkin, pixabay.com

wir mit Kooperationspartnern mehrere Studiengänge an, unter anderem Verwaltungsinformatik zusammen mit der Hochschule Bund, der Universität der Bundeswehr in München oder den Hochschulen GeraEisenach und Harz. Zurzeit haben wir dort rund 250 junge Menschen in der Ausbildung, in diesem Jahr kommen 140 bis 150 hinzu.

weiterhin keine Spielräume. Es bleibt dabei: Wir können nur das ausgeben, was wir einnehmen”, so Sachsen-Anhalts Finanzminister Hartmut Vorjohann. Auch das Land Brandenburg kann in den kommenden Jahren mit höheren Steuereinnahmen rechnen. “Das Ergebnis der Steuerschätzung bringt auf den ersten Blick eine verbesserte Einnahmesituation mit sich. Auf den zweiten Blick muss man aber konstatieren, dass dadurch für das Land Brandenburg keine neuen Ausgabespielräume entstehen werden”, sagte Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange.

Schätzung mit vielen ­Unsicherheiten Bei den prognostizierten Mehreinnahmen spiele die historisch hohe Inflation eine wesentliche Rolle. “Das hat natürlich die Kehrseite, dass auch das Land deutlich höhere Preise bezahlen muss, etwa für Bauinvestitionen. Die allgemeine Preissteigerung

wird auch bei den nächsten Tarifverhandlungen eine wichtige Rolle spielen. Das ist ja völlig klar. Im Übrigen sieht der Haushalt 2022 eine hohe Entnahme aus der Rücklage und globale Minderausgaben vor. Solange das so ist, helfen Steuermehreinnahmen eher bei der Erreichung eines ordentlichen Haushaltsausgleichs als bei der Realisierung neuer Vorhaben. Das muss man auch ganz nüchtern sehen”, betonte Lange. Die Finanzministerin machte zudem deutlich, dass die Steuermehreinnahmen nur eine Schätzung seien. Selten sei eine Steuerschätzung mit so vielen Unsicherheiten behaftet gewesen, wie diese. Niemand könne deshalb momentan seriös einschätzen, wie hoch die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren sein werden. Auch sind in dem Ergebnis die Mindereinnahmen der anstehenden Entlastungspakete noch nicht abgebildet. Zu diesen Entlastungen gehören beispielsweise die Energiepreis-

se bei drohendem erheblichem Schaden für Anlegerinnen und Anleger oder Verbraucherinnen und Verbraucher. Dies ermöglicht es dem BMF, die Erfüllung des gesetzlichen Aufsichtsmandats zu überprüfen. Gleichzeitig bleibe die Eigenverantwortung der BaFin bei der Einzelaufsicht gewahrt. “Als Finanzaufseher müssen wir in der Lage sein, mutig in der Sache klar, schnell und verantwortungsbewusst zu handeln”, erläutert Mark Branson, Präsident der BaFin. “Dabei sind wir als öffentliche Behörde ganz klar rechenschaftspflichtig. Diese entschlackten Grundsätze setzen dafür einen zeitgemäßen und risikoorientierten Rahmen.”

pauschale und der Kinderbonus 2022. Auch Berlins Finanzsenator Daniel Wesener sieht die aktuellen Steuerschätzungen mit großer Vorsicht: “Wir sollten uns nicht täuschen lassen. Der UkraineKrieg, die Folgen der Pandemie und anhaltende LieferkettenProbleme bleiben Risiken mit erheblichen Folgewirkungen für die öffentlichen Haushalte. Hinzu kommt die Inflation mit steigenden Preisen. Dadurch nimmt der Staat zwar auch mehr ein. Er hat aber zugleich höhere Ausgaben. Noch nie waren die Unsicherheiten so hoch, wie zum Zeitpunkt dieser Steuerschätzung.” So ergeben sich für den Berliner Haushalt 2022/2023 erhebliche Mehrkosten durch die Unterbringung und Integration der Geflüchteten aus der Ukraine sowie aus den gestiegenen Energiepreisen, insbesondere für die Beheizung der öffentlichen Gebäude in Berlin. Darüber hinaus seien auf Bundesebene verschiedene steuerliche Erleichterungen beschlossen oder in Aussicht gestellt worden, deren Auswirkungen auf die Länderhaushalte sind noch nicht absehbar seien. “Sie dürften aber in jedem Fall mit erheblichen Mindereinnahmen verbunden sein”, so Wesener.


Finanzen

Behörden Spiegel / Juni 2022

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er Stabilitäts- und Wachstumspakt sieht vor, dass EU-Länder nicht mehr als 60 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung an Schulden aufnehmen dürfen. Die Haushaltsdefizite dürfen drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten. Aufgrund der hohen Schuldenaufnahme zur Abmilderung der Folgen der CoronaPandemie überschreiten viele Länder aktuell diese Grenzwerte. Die EU hatte deshalb ihre strengen Schulden- und Defizitregeln ausgesetzt. Ab 2023 sollten sie wieder gelten – eigentlich. “Russlands Invasion der Ukraine hat für Europa zweifellos außerordentliche wirtschaftliche Unsicherheit mit sich gebracht. Dies hat zu deutlich höheren Preisen für Energie, Rohstoffe, Grunderzeugnisse und Lebensmittel geführt, was sowohl Ver-

EU will Schuldenregeln bis 2024 lockern Kritik aus Deutschland (BS/lkm) Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, den Stabilitäts- und Wachstumspakt erst 2024 wieder vollständig in Kraft zu setzen. Als Grund nennt sie Abwärtsrisiken wegen des Ukraine-Krieges, der Energiepreissteigerungen und der Störungen der Lieferketten. Bundesfinanzminister Christian Lindner plädiert jedoch dafür, Defizite jetzt zu bekämpfen. braucherinnen und Verbraucher als auch Unternehmen schmerzhaft zu spüren bekommen”, betonte Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis. Zwar erweise sich die EU-Wirtschaft nach wie vor als resilient, aber Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine habe ein neues Umfeld geschaffen, aus dem sich erhebliche Herausforderungen für die Volkswirtschaften der EU ergäben. Politische Maßnahmen zur Abmilderung der Auswirkungen werden nach Auffassung

der EU zu einem expansiven finanzpolitischen Kurs im Jahr 2022 führen. Laut EU sollte die Finanzpolitik die öffentlichen Investitionen in den ökologischen und den digitalen Wandel und die Energieversorgungssicherheit ausweiten. Zudem sollte die Finanzpolitik jederzeit bereit sein, die laufenden Ausgaben an die sich wandelnde Situation anzupassen. Durch die weitere Aussetzung der Schuldenregeln kann laut EU-Kommission der nationalen Finanzpolitik der nötige

Steuerzinsen sinken auf 1,8 Prozent Länder zeigen sich unzufrieden (BS/lkm) Die Verzinsung von Steuererstattungen und Steuernachzahlungen in Höhe von sechs Prozent pro Jahr ist verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht vergangenen Juli entschieden. Der Gesetzgeber musste eine Neuregelung treffen. Die Bundesregierung sieht nun einen Zinssatz von 1,8 Prozent p. a. vor. Alle drei Jahre soll geprüft werden, ob der Satz noch angemessen ist. Doch einigen Bundesländern ist dieser Zinssatz immer noch deutlich zu hoch. Der Zinssatz für Nachzahlungsund Erstattungszinsen für Steuerzahler soll in Zukunft 0,15 Prozent pro Monat beziehungsweise 1,8 Prozent pro Jahr betragen. Die Neuregelung gilt rückwirkend für Zinsen ab 1. Januar 2019. Der Zinssatz betrug bisher sechs Prozent im Jahr. Die Angemessenheit des neuen Zinssatzes soll alle drei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume evaluiert werden. Die erste Evaluierung soll zum 1. Januar 2026 erfolgen. Den Bundesländern NordrheinWestfalen, Hessen und Bayern ist dieser Zinssatz jedoch immer noch zu hoch. Sie fordern aufgrund des derzeitigen Niedrigzinsumfeldes, den Satz für die Verzinsung von Steueransprüchen zunächst auf null Prozent festzusetzen. “Die Bundesregierung sollte das Bundesverfassungsgericht, die Realität und die Steuerzahlenden ernst nehmen. Die Höhe der Steuerzinsen muss der Niedrigzins-Wirklichkeit entsprechen. Wir setzen uns daher für eine Absenkung der Steuerzinsen auf null ein. Steuerzinsen würden dann nicht mehr anfallen. Alles andere ist den Steuerzahlenden nicht zu vermitteln”, sagten der nordrhein-westfälische Minister der Finanzen Lutz Lienenkämper sowie Bayerns Finanzminister Albert Füracker und Hessens Finanzminister Michael Boddenberg.

Keine Rechtssicherheit Die Bundesregierung will den Zinssatz aber nicht völlig abschaffen, denn davon profitierten vor allem solche Steuerpflichtigen, die unvollständige und unrichtige Steuererklärungen abgäben oder den Abschluss von Betriebsprüfungen hinauszögerten. Zudem wäre die Wiedereinführung einer Vollverzinsung bei steigendem Zinsniveau mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden. Dieser Argumentation kann Hessens Finanzminister nicht folgen: “Gemessen am bürokratischen Aufwand ist ein Zinssatz von null Prozent die einzig richtige Antwort auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Von dieser Steuervereinfachung profitieren die Steuerzahlenden, aber auch die Verwaltung. Gleichzeitig bleibt die Möglichkeit, den Zinssatz künftig ohne großen Aufwand wieder anzupassen, falls die Marktzinsen deutlich steigen”, so Boddenberg. Laut Lienenkämper trage der Zinssatz von 1,8 Prozent zudem den Vorgaben der Karlsruher Richterinnen und Richter nicht hinreichend Rechnung.

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Sechs Prozent Steuerzinsen sind laut Bundesverfassungsgericht zu hoch. 1,8 Prozent aber auch, finden Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen.

Spielraum gegeben werden, um bei Bedarf umgehend reagieren zu können.

Deutschland macht nicht mit Bundesfinanzminister Lindner sieht eine weitere Aussetzung der Schuldenregeln sehr kritisch. Er rät den EU-Ländern stattdessen, die vorgeschlagene Aussetzung der Schuldenregeln für das kommende Jahr nicht zu nutzen. “Man kann abhängig werden von Staatsverschuldung und wir müssen die Sucht nach immer mehr Verschuldung beenden, so schnell wie möglich”, betonte Lindner. Deutschland werde deshalb keinen Gebrauch von der Ausweichregel des Stabilitätspakts machen. “Wir werden zur Schuldenbremse unseres Grundgesetzes nächstes Jahr zurückkehren”, unterstrich der FDP-Chef. Hohe Schulden würden zu rasanten Preissteigerungen beitragen. Um der Inflation nicht noch mehr finanziellen Raum zu geben, müssten die Defizite in den öffentlichen Haushalten jetzt reduziert werden. Auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber sieht die Aussetzung der Schuldenregeln kritisch. “Die Kommission schlägt damit den nächsten Sargnagel für den Stabilitätsund Wachstumspakt ein”, betonte der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Die Aussetzung der Schuldenregeln sei “ein schwerer Fehler, der uns langfristig teuer zu stehen kommen wird”, so Ferber.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) befürwortet hingegen eine weitere Aussetzung der EU-Schuldenregeln, verlangt aber weiter gehende Reformen.

Richtiger Schritt, aber nicht ohne Reform Laut IW Köln wäre es in der jetzigen Lage schädlich, wenn die Wiedereinsetzung des Paktes hochverschuldete Euroländer zu einer zu starken und wachstumsdämpfenden Konsolidierung zwingen würde. Unter anderem deswegen sei eine begrenzte Reform des Paktes und vor allem der Schuldenabbauregel nötig. Den

Ökonomen des IW Köln zufolge kann die 60-Prozent-Grenze für den öffentlichen Schuldenstand bestehen bleiben. Die vorgegebene Anpassungszeit von 20 Jahren solle für hochverschuldete Länder aber flexibler gehandhabt werden können, wenn sie angemessener konsolidierten. Außerdem solle es keine Ausnahmen für staatliche (grüne) Investitionen geben: “Das würde Tür und Tor für eine kreative Buchführung und neue, nicht immer produktive Schulden öffnen”, so Jürgen Matthes, Leiter des Kompetenzfeldes für internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur am IW Köln. Die EUKommission will Mitte des Jahres ihre Vorschläge für die Paktreform unterbreiten. “Wenn der Pakt Anfang 2023 wieder in Kraft treten würde, wäre zu wenig Zeit, um eine Reform zu diskutieren und umzusetzen. Eine Verschiebung bis Anfang 2024 gibt dafür mehr Zeit. Sie muss allerdings auch genutzt werden”, betonte Matthes.

Die Europäische Kommission hat vorschlagen, dass der wegen der CoronaKrise ausgesetzte Stabilitäts- und Wachstumspakt erst Anfang 2024 wieder in Kraft treten soll statt, wie geplant, 2023. Der Russland-Ukraine-Krieg rechtfertige diesen Schritt. Foto: BS/Dimitris Vetsikas, pixabay.com

Foto: BS/Thorben Wenger,Pixelio.de

“Daher wird auch dieser neue Zinssatz, unabhängig von seiner Höhe, verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Rechtssicherheit kann es so nicht geben”, so der Landesfinanzminister.

Zinssatz schon lange in der Kritik Im Juli vergangenen Jahres ordnete das Bundesverfassungsgericht eine rückwirkende Korrektur für Zinsen auf Steuernachzahlungen und -erstattungen an. Bayern und Hessen hatten sich in der Vergangenheit bereits für eine Senkung der Zinsen eingesetzt. So hatte Hessen einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht, der eine Halbierung der Finanzamtszinsen von sechs auf drei Prozent vorsah. Der Entwurf erreichte jedoch keine Mehrheit im Bundesrat. Auch Bayern hatte wiederholt, zuletzt mit einer Bundesratsinitiative im September 2018, auf eine deutliche Reduzierung gedrängt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in der Vergangenheit ebenso Zweifel geäußert, ob der Zinssatz noch mit der Verfassung vereinbar ist. “Die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe wirkt in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung”, so der BFH. Für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 bestünden “schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel”, kritisierte der BFH schon 2018. “In Zeiten niedriger Zinsen ist solch eine hohe Belastung nicht gerecht”, stellte sich Hessens Finanzminister Michael Boddenberg hinter das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Seit Einführung des § 233a der Abgabenordnung 1990 sei an der Höhe des Zinssatzes nichts geändert worden. “Die bundesgesetzliche Zinsregelung stammt aus grauer Vorzeit und ist angesichts des

anhaltenden Niedrigzinsniveaus bereits seit Langem völlig realitätsfern", sagte auch Bayerns Finanz- und Heimatminister Albert Füracker. Auch in Thüringen begrüßte man die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. “Unsere Steuerverwaltung braucht einen verlässlichen Rechtsrahmen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts schafft endlich Klarheit. Das begrüße ich”, erklärte die Thüringer Finanzministerin Heike Taubert. Die Thüringer Finanzämter, aber auch die Finanzämter der anderen Bundesländer, haben aufgrund des Urteils des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2018 bereits zurückhaltend agiert und entsprechend betroffene Steuerforderungen als vorläufig festgesetzt.

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Mindereinnahmen erwartet Ob dem Staat durch das Urteil Zinseinnahmen entgehen werden, kann nicht eindeutig gesagt werden. In der Vergangenheit waren die hohen Zinsen unterm Strich für den Staat ein Gewinngeschäft. Aus einer Kleinen Anfrage der FDP an die Bundesregierung geht hervor, dass die Einnahmen aus den Nachzahlungszinsen in den Jahren 2010 bis 2018 immer über der Summe der Zinsen lagen, die auf Erstattungen gezahlt werden mussten. Teilweise habe die Differenz mehr als eine Milliarde Euro ausgemacht. 2019 zahlte der Bund jedoch rund eine halbe Milliarde Euro mehr, als er an Nachzahlungszinsen einnahm. Auch 2020 lagen die Zinseinnahmen rund 350 Mio. Euro unter den Zinsausgaben. Laut Begründung des Gesetzesentwurfes erwartet die Bundesregierung in diesem Jahr jedoch Mindereinnahmen von 2,46 Milliarden Euro und im kommenden Jahr von 530 Millionen Euro.

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Beschaffung / VgR

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Vorbereitung unbedingt nötig

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er Markt für Schul-IT sei deshalb so stark umkämpft, da er noch nicht abgesteckt sei. Viele Unternehmen versuchten über eine erste Vergabe einen Fuß in die Tür zu bekommen. Dadurch erhofften sich die Unternehmen, leichter Folgevergaben zu gewinnen, wenn beispielsweise bei einem Klassensatz Tablets ein Gerät kaputtgehe. Denn schließlich sei es einfacher, ein Gerät zu wechseln als eine komplette Produktreihe zu tauschen. Es gehe um Millionen, zeigt sich Mayer überzeugt. Dies sei einer der Gründe, warum gerade bei der Ausschreibung von z. B. interaktiven Displays, Tablets oder Schul-Software eine besondere Gründlichkeit gefragt sei. Den Fokus legt der Rechtsanwalt dabei besonders auf die Leistungsbeschreibung. Dabei sei es wichtig, die Beschreibung so zu verfassen, dass ersichtlich werde, was das Produkt können soll. Mayer warnt davor, sich die Technikdaten des betreffenden Produkts von der Herstellerseite zu kopieren, wenn sich der Bedarfsträger schon vor dem Verfahren auf ein Produkt fokussiert habe. Auch dies habe er schon alles erlebt. Man dürfe nicht der Illusion nachhängen, dass dies nicht bemerkt werde. So würden Unternehmen von der Ausschreibung ausgeschlossen und die Vergabestelle verstoße gegen den Nicht-Diskriminierungsgrundsatz. Die Leistungsbeschreibung müsse für jeden verständlich und vergleichbar sein. Zudem gelte das Gebot der Produktneutralität. Die Grundsätze der Beschreibung finden sich im Paragrafen 121 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) . Dies bedeute jedoch nicht, dass alle Marktteilnehmer in der Lage sein müssten, mitzumachen, sagt Christian Stetter, ebenso Rechtsanwalt bei der Mayburg Rechtsanwaltsgesellschaft. Dazu hatten auch schon die Oberlandesgerichte in Düsseldorf und Koblenz Entscheidungen gefällt (OLG Düsseldorf, B. v. 01.08.2012 – Az.: VII-Verg 10/12; OLG Koblenz, B. v. 04.02.2014 – Az.: 1 Verg 7/13). Die Vergabestellen seien nicht verpflichtet, ihren Bedarf

Vergabe von Schul-IT (BS/bk) Die Frage, was nach der Corona-Pandemie bleiben wird, lässt sich bei manchen Entwicklungen leichter als bei anderen beantworten. Was höchstwahrscheinlich auch in Zukunft verstärkten Eingang in die Klassenzimmer der Bundesrepublik hatten wird, sind digitale Lösungen für den Unterricht. Doch der Markt für Schul-IT ist stark umkämpft. Deshalb sei eine sorgfältige Vergabe besonders wichtig, sagt Prof. Dr. Manfred Mayer, Rechtsanwalt bei der Mayburg Rechtsanwaltsgesellschaft. so auszurichten, dass möglichst alle auf dem Markt agierenden Teilnehmer leistungs- und angebotsfähig seien. “Je weiter die Beschaffung eingegrenzt wird, desto mehr Transparenz ist zu schaffen”, mahnt Stetter an.

Dokumentation ist alles Ebenso warnt Mayer davor, einfach nur “oder gleichwertig” zu schreiben, wenn ein Produktname in der Leistungsbeschreibung genannt werde, was nach Paragraf 23 Absatz 5 der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) möglich sei, “wenn eine hinreichend genaue Beschreibung durch verkehrsübliche Bezeichnungen nicht möglich sei. Der Zusatz “oder gleichwertig” könne entfallen, wenn ein sachlicher Grund die Produktvorgabe ansonsten rechtfertige.” Vielmehr müssten die Auftraggeber genau beschreiben, was für sie gleichwertig bedeutet. Mit Informationen solle deshalb nicht gegeizt werden. Der Zusatz “oder gleichwertig” könne entfallen, wenn es sachliche Gründe gebe. Z. B., wenn “die Auftraggeber Erzeugnisse oder Verfahren mit unterschiedlichen Merkmalen zu bereits bei ihnen vorhandenen Erzeugnissen oder Verfahren beschaffen müssen und dies mit unverhältnismäßig hohem finanziellem Aufwand oder unverhältnismäßigen Schwierigkeiten bei Integration, Gebrauch, Betrieb oder Wartung verbunden wäre”. Wie immer gelte alles, gut zu dokumentieren. Es dürfe auch keine Umgehung der direkten Produktbezeichnung stattfinden, durch beispielsweise willkürliche Bewertungskriterien, die sachlich unbegründet seien und einen Anbieter bevorzugen. Eine Direktvergabe an einen Bieter sei nur dann möglich, wenn der Auftrag nur von einem Unter-

Welche Bedarfe bestehen? Was ist schon da? Und wo soll die Reise hingehen? Der Vergabeprozess beginnt lange vor der dem Veröffentlichen der Vergabeunterlagen. Die Expertinnen und Experten auf dem Schul-IT-Beschaffertag waren sich einig, dass viel Vorarbeit nötig ist. Foto: BS/ulrichw, pixabay.com

nehmen erbracht werden könne, so Mayer. Dies setze aber eine umfangreiche und erschöpfende Markterkundung voraus.

Anforderungen gründlich erheben Dem Schritt vor der Leistungsermittlung komme dabei eine besondere Bedeutung zu. Dies zeige eine Studie aus dem Jahr 2017, sagt Roland Diedenhofen, Senior Consultant von MultiNET. Demnach würden 52 Prozent aller IT-Projekte den Zeit- und Budgetrahmen sprengen. Grund hierfür sei die Unterschätzung der Anforderungserhebung. So berichtet der Berater von einer Grundschule, die Deckenbeamer installieren wollte. “Meistens ist die Umgebung in Schulen historisch gewachsen, also nach und nach entstanden”, so Diedenhofen. Dies habe zur Folge, dass es in allen Klassenräumen unterschiedliche

Voraussetzungen gebe. Deshalb könne nicht von einer einzigen Lösung für alle Räume ausgegangen werden. Dies sagt auch Frank Dressler vom Medienzentrum des Landratsamts München. Unterschiedliche Anforderungen stellten sich auch, ob nun IT für die Verwaltung oder den Unterricht beschafft werde. Es komme darauf an, wie ausfallsicher die Infrastruktur sein solle oder ob noch Sonderanforderungen gestellt würden. Zudem müsse z. B. bei der Netzinfrastruktur die Anzahl der Anwender mitgedacht werden, so Dressler. Denn die Netzinfrastruktur sei das Rückgrat der IT, wenn hier Fehler passierten, habe das Auswirkungen auf die restliche IT. Deshalb müssten neben dem Projektverständnis des Auftraggebers auch die IST-Situation in den Unterrichtsräumen aufgenommen sowie der SOLL-Zu-

stand skizziert werden. Außer den externen Gegebenheiten müssten zudem die methodisch-didaktischen und medienpädagogischen Ziele, die im Medienentwicklungsplan der Schule dargelegt seien, mit in die Anforderungsanalyse miteinfließen. “Je mehr Arbeit in die Erhebung gesteckt wird, desto effizienter und zeitsparender ist die Beschaffung”, zeigt sich Diedenhofen überzeugt. Dem kann Dressler nur zustimmen: “Alle Fehler, die Sie nicht in der Planungsphase lösen, fallen Ihnen bei der Umsetzung auf die Füße.”

Die richtigen Kriterien finden Ebenso sei eine gründliche Vorarbeit bei der Erstellung von nichtpreislichen Zuschlagskriterien nötig, meint Matthias Steck, Vorsitzender der Vergabekammer Südbayern. Grundsätzlich ist durch Paragraf 127 Absatz 1

Sanktionen gegen Russland auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (BS/mfe/jf) Die Öffnung der Märkte für Unternehmen vor allem aus Drittstaaten hatte in der Vergangenheit ein Ziel: Der wirtschaftlichen Öffnung sollte eine politische und gesellschaftliche Öffnung in eben diesen Staaten folgen. Die Kurzform dieses Prinzips ist die viel zitierte Formel: “Wandel durch Handel”. Damit ist es angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine vorbei. Doch wer soll die Einhaltung der Sanktionen kontrollieren? Diese Frage stellt sich nicht nur bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und bei laufenden Verträgen, sondern auch bei der Ausfuhrkontrolle von Waren nach Russland. Dabei ist es vergaberechtlich verhältnismäßig einfach.

Das Sanktionspaket gegen Russland ist geschnürt, doch bei der Kontrolle der Sanktionen gibt es in Teilen noch Diskussionsbedarf. Foto: BS/hkama, stock.adobe.com

Keine Haftung Um das Vertragserfüllungsverbot durchzusetzen, sind laufende Verträge aufzulösen, betont die Europäische Kommission und gibt einen entscheidenden Hinweis zu Schadenersatzansprüchen und Haftungsfragen. “Zuständige Einrichtungen müssen von der EU verhängte Sanktionen durchsetzen.” Die Verträge enthielten eine Anspruchsverzichtsklausel, die eine Haftbarmachung von Behörden ausschließe, wenn sie unter Sanktionen fallende Verträge kündige. “Der öffentliche Auftraggeber und die Vergabestellen haben die Pflicht, ein Ermessen gibt es nicht”, stellt

des GWB das wirtschaftlichste Angebot vorrangig auszuwählen. “Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis”, heißt es dort. In die Bewertung des Angebots können also neben dem Preis auch andere qualitative Kriterien wie Herstellung, Entsorgung der Leistung oder der Lebenszyklus, einfließen. “Nicht preisliche Kriterien können die Vergabe in eine bestimmte Richtung bewegen. Dazu muss man aber überlegen, welche Kriterien ich dafür brauche. Ich sehe leider immer wieder, dass dies nicht passiert”, so Steck.

Skala klein halten und bei null starten lassen

Prinzip Wandel durch Handel war einmal

A

b dem 11. Oktober 2022 dürfen bereits vergebene öffentliche Aufträge nicht mehr von russischen Unternehmen oder von Unternehmen, an denen russische Personen beteiligt sind, erfüllt werden. Neben diesem umfassenden Vertragserfüllungsverbot gilt zudem seit dem 9. April 2022 ein Zuschlagsverbot bei öffentlichen Ausschreibungen oberhalb der europäischen Schwellenwerte. Diese dürfen ebenfalls nicht an Unternehmen vergeben werden, die von der Sanktionsverordnung der Europäischen Kommission betroffen ((EU) 2022/276) und mit mehr als zehn Prozent des Auftragswertes des in Rede stehenden Auftrages beteiligt sind. Damit sind auch mittelbar an der Auftragsausführung betroffene Personen und Unternehmen erfasst, wie Lieferanten oder Subunternehmer. Das Zuschlags- und das Vertragserfüllungsverbot trifft auf sämtliche Personen oder Unternehmen als Bewerbende oder Bieter zu, die entweder eine russische Staatsbürgerschaft besitzen oder deren Niederlassung in Russland ist. Des Weiteren sind Bewerber und Bieter betroffen, bei denen mehr als 50 Prozent der Anteile von ebensolchen Personen und/oder Unternehmen gehalten werden oder die auf Anweisung von diesen agieren. Die Sanktionen gelten auch für Verfahren, die eigentlich unter die Ausnahmetatbestände nach § 137 GWB fallen, wie etwa die Beschaffung von Energieleistungen.

Behörden Spiegel / Juni 2022

Dr. Martin Schellenberg, Fachanwalt für Vergaberecht, klar. Auch der einzelne Beschäftigte könne nicht haftbar gemacht werden, führt der Partner der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Hamburg weiter aus. Dies könne nur geschehen, wenn den Beschäftigten nachgewiesen werden könne, dass sie grob fahrlässig gehandelt hätten. Ansonsten fielen Schadensersatzansprüche immer auf die Körperschaft zurück – sprich der Bund, ein Land oder eine Kommune. Allerdings sollten öffentliche Auftragnehmer bei der Anwendung des Vertragserfüllungsverbotes auf die Gewährleistungspflichten achten und diese möglichst nicht beschneiden. “Sonst schneiden Sie sich ins eigene Fleisch”, so der Vergaberechtsfachanwalt in einem Webinar des Behörden Spiegel.

Eignungsnachweis nachfordern Allerdings ist es Aufgabe der öffentlichen Auftraggeber beziehungsweise der Vergabestellen, sich von Bewerbenden, Bietern und Vertragspartnern bestätigen zu lassen, dass die Sanktionstatbestände nicht erfüllt sind. Zu

diesem Zweck hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ein Muster einer Eigenerklärung bereitgestellt. Der Rechtsanwalt rät, dieses nicht nur zu verwenden, sondern sich auch von Bewerbenden oder Bietern nicht einschüchtern zu lassen. In laufenden Verfahren sei das richtige Vorgehen, die Zuschlagsfrist zu verlängern und nachzufordern. Und wenn Konkurrenten Hinweise über einen anderen Bieter geben? “Wenn Zweifel an der Eigenerklärung kommen, dann ist weiter nachzuforschen”, sagt Schellenberg. Zudem sollte ein entsprechender Hinweis an das jeweilige Landes- bzw. das Bundeswirtschaftsministerium erfolgen.

Zuständigkeit sollte nicht bei den Ländern liegen Während im Vergaberecht somit klargestellt ist, wer für die Kontrolle der Sanktionen zuständig ist, ist dies bei der Ausfuhr von Waren ein heiß diskutierter Punkt. Im aktuellen Sanktionsdurchsetzungsgesetz ist explizit vorgesehen, dass Zuständigkeiten zum Erlass von Verwaltungsakten aus dem Außenwirtschaftsrecht

und deren Durchsetzung auf die Länder übertragen werden. Daran entzündet sich massive Kritik. Sie kommt unter anderem von der Bezirksgruppe Zoll der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Deren Vorsitzender Frank Buckenhofer begrüßt die Idee eines Sanktionsdurchsetzungsgesetzes zwar prinzipiell. Allerdings handele es sich dabei nicht um eine Aufgabe für die Polizeien. Zudem sollte die Durchsetzung der Sanktionen – auch wenn konkrete Vorschläge zu den verwaltungsseitigen Zuständigkeiten erst in einem zweiten Sanktionsdurchsetzungsgesetz erfolgen solletn– ausnahmslos in der Verantwortung des Bundes und seiner Behörden liegen. Denn hier bewege man sich oftmals auf außenpolitisch sensiblem Terrain. Aus Buckenhofers Sicht sollte für die operative Durchsetzung der Sanktionen bei beweglichen und unbeweglichen Vermögensgegenständen die Zollverwaltung verantwortlich sein. Ganz besonders im Blick hat Buckenhofer dabei den Zollfahndungsdienst. Denn dieser habe Erfahrungen in Finanzermittlungen und könne Sanktionen gegebenenfalls auch mit Zwangs-

Dabei dürfe nicht vergessen werden, diese Kriterien zu gewichten. Wenn man sich über die Gewichtung der Kriterien Klarheit geschaffen habe, steht die Erstellung einer Bewertungsmethode an. Dabei müssten die Kriterien in Wertungspunkte umgewandelt und in eine mathematische Formel eingesetzt werden. Steck empfiehlt dabei, die Skala der Wertungspunkte kleinzuhalten, da sonst die Begründung der Punktevergabe schwieriger werde. Außerdem könnten zu viele Kriterien sich gegenseitig nivellieren, sodass der Preis doch wieder entscheidend sein könne. “Dann war die ganze Arbeit für die Katz”, betont der Vorsitzende. Dabei sollte auch immer bedacht werden, dass man die ganzen aufgestellten Kriterien auch bewältigen müsse. Die Begründung könne schon in der Dokumentation mit Umschreibungen (z. B. "hatte Mängel" oder "war befriedigend, weil…") geschehen. Die Punkteskala sollte zudem bei null starten. “Sie wollen doch nicht schlechte Leistungen mit Punkten belohnen”, sagt Steck. Grundsätzlich können Vergabestellen die Bewertungsmethode selbst festlegen. Sie müssen nur vor der Angebotsabgabe feststehen. Die verschiedenen Aspekte zeigen, dass gerade bei dem umkämpften Markt der Schul-IT eine gute Vorarbeit nötig ist, um nicht als Kommune ins Hintertreffen zu geraten.

mitteln durchsetzen. Zudem sei der Zollfahndungsdienst bundesweit präsent. Allerdings werde wohl Amtshilfe durch andere Bundes- und Landesbehörden nötig werden. Denkbar sei darüber hinaus der Aufbau einer Besonderen Aufbauorganisation (BAO) mit Vertretern verschiedener Sicherheitsbehörden oder die Etablierung einer Taskforce, so Buckenhofer. Des Weiteren verlangt der GdP-Vertreter die Schaffung einer Finanzpolizei auf Bundesebene. Dabei sollte es sich um eine hybride Behörde handeln, die Polizei- und Verwaltungsbehörde zugleich sei. Außerdem plädiert er dafür, präventive Finanzermittlungen zu einem festen Bestandteil der deutschen Sicherheitsarchitektur zu machen. Eine derartige Aufgabe gehöre nicht in ein Spezialgesetz, wie jetzt das Außenwirtschaftsgesetz.

Eher BAFA gefordert Vom BDZ Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft hieß es dazu, dass der Zoll bereits die Durchsetzung von Sanktionen bei der Ein- und Ausfuhr unterstütze. Hier werde der Zoll gegebenenfalls auch noch stärker unterstützen. Sollte die Zuständigkeit für die Sanktionsdurchsetzung nach dem zweiten Sanktionsdurchsetzungsgesetz doch beim Bund angesiedelt werden, eigne sich eine Aufgabenübertragung an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) besonders. Denn dieses sei bereits jetzt für die Genehmigung von Exporten zuständig.


Beschaffung / Vergaberecht

Behörden Spiegel / Juni 2022

Seite 11

Klimaschutz in Kommunen

► Entscheidungen zum Vergaberecht

Wegweisendes Projekt in Hamburg ►DOPPELANGEBOT

Tricksen verboten! Keine Nachreichung möglich Grundsätzlich können Bieter mehrere Hauptangebote einreichen, selbst dann, wenn sie sich nur im Preis unterscheiden. Welchen Sinn ein solches Anbietungsverhalten haben sollte, war dem Autor schon bislang rätselhaft. Schließlich kann dann immer nur das preislich niedrigere den Zuschlag erhalten. Das letzte Hintertürchen, das noch zu einem Sinn hätte führen können, hat nun die Vergabekammer Sachsen geschlossen. Hier nämlich hatte ein Bieter zwei nur im Preis differierende Hauptangebote eingereicht, jedoch bei beiden solche Unterlagen nicht beigefügt, die nach VOB/A grundsätzlich nachgefordert werden müssen. In Kenntnis des Submissionsprotokolls hat er dem Nachforderungsverlagen stattgegeben – jedoch nur für das preislich teurere Angebot. Das günstigere wäre damit aus dem Rennen gewesen. Das allerdings will die Vergabekammer nicht durchgehen lassen. Auf Antrag desjenigen Bieters, der mit seinem Angebot im Rang unmittelbar hinter diesen beiden Angeboten lag, verbietet sie den Zuschlag. Beide nur preislich unterschiedlichen Angebote seien auszuschließen. Das günstigere mangels Nachreichung, das teurere wegen unredlichen Bieterverhaltens. Wenn der Bieter ohne jede sachliche Begründung die Vervollständigung des günstigeren Angebotes verweigert, liege darin die Gefahr, dass das Verfahren zum wirtschaftlichen Vorteil des Bieters manipuliert werden solle, weil der Bieter aus dem Submissionsprotokoll ja gewusst habe, dass seine beiden Angebote auf den führenden Plätzen lagen. Schon diese abstrakte Gefahr genüge für den Ausschluss. VK Sachsen (Beschl. v. 18.08.2021, Az.: 1/SVK/016-21)

► TEILNAHME

Abruf nicht zwingend Bieter ohne Unterlagen Noch aus Zeiten der gedruckten Vergabeunterlagen stammt das Urteil in einem Verfahren vor dem OLG Naumburg, das allerdings in übertragener Form auch weiterhin interessant ist. Im Kern geht es um die Frage: Darf ein Bieter an einem Vergabeverfahren teilnehmen, ohne dass er die Vergabeunterlagen anfordert? Genau das war bei der Ausschreibung des Umbaus eines Busbahnhofes geschehen: Der vermeintlich preisgünstigste Bieter hatte sein Angebot abgegeben, ohne dass er zuvor die Unterlagen angefordert und er die Gebühr dafür entrichtet hatte. Der Auftraggeber hat ihm u. a. deswegen den Zuschlag verweigert: Er habe nicht rechtmäßig den Status als Bieter erworben. Von dieser Ansicht ließ er sich nicht dadurch abbringen, dass der Bieter die Gebühr für die Unterlagen nachentrichtet hat. Der Bieter klagt auf seinen verlorenen Gewinn. Eine solche formale Voraussetzung zur Erlangung des Bieterstatus gibt es aber im Vergaberecht gar nicht, erklärt der Zivilsenat des OLG. Bieter wird man dadurch, dass man ein Angebot abgibt. Spätestens

damit entsteht das vorvertragliche Schuldverhältnis, durch das der Auftraggeber an die von ihm selbst gewählten Regeln der VOB/A gebunden ist. (Ansonsten entsteht es bereits mit dem Abruf der Vergabeunterlagen.) Deswegen ist der Auftraggeber auch gegenüber dem unerwarteten Bieter an die in der VOB/A normierten Ausschlussgründe gebunden. Den Ausschlussgrund des fehlenden Unterlagenabrufs gibt es jedoch nicht. Wie es einem Bieter gelingt, ohne Unterlagen ein korrektes Angebot einzureichen, ist seine Sache. Hier allerdings gelang es dem Bieter nicht, weswegen seine Klage erfolglos blieb. OLG Naumburg (Urt. v. 15.01.2021, Az.: 7 U 39/20)

► VERLÄNGERUNG

"Und" ist nicht "Oder" Kumulierte Referenz­ anforderungen Wenn im Krankenhaus der Fahrstuhl umgebaut werden soll, bereitet das erhebliche Probleme für den laufenden Krankenhausbetrieb. Es entstehen Staub, Lärm und Erschütterungen. Zudem ist der Aufzug selbst während des Umbaus nicht nutzbar. Kein Wunder, dass der Auftraggeber für diese Baumaßnahme von den Bietern mehrere Referenzen dafür verlangt, dass sie Rohbauarbeiten bereits einmal während des laufenden Betriebs in einem Krankenhaus erfolgreich durchgeführt haben. Er schrieb in die Vergabeunterlagen, es seien Referenzen vorzulegen, die nicht älter als drei Jahre sein und die Krankenhauserfahrung belegen sollten. Ein Bieter reichte dafür mehrere Referenzen ein, die seine Arbeiten in Krankenhäusern belegten. Die waren allerdings älter. Zudem legte er aktuelle Referenzen vor, die aber nicht aus Krankenhäusern stammten. Er glaubte damit, die Referenzanforderung erfüllt zu haben. Die Vergabekammer belehrte ihn eines Besseren. Es genügt nicht, wenn jeweils drei Referenzen vorgelegt werden, die entweder die Anforderungen an das Alter oder diejenige an die Referenzleistung erfüllen. Die Vergabeunterlagen könnten nur so verstanden werden, dass eine jede vorgelegte Referenz beide Anforderungen gemeinsam erfüllen muss. VK Westfalen (Beschl. v. 14.07.2021, Az.: VK 2-20/21)

► VOB/B

Selbstgemachte Regeln Allzu viel ist unzulässig Die Gemeinde wollte ein neues Feuerwehrgerätehaus errichten lassen. Die wohl mit derartigen Aufträgen eher unerfahrene Verwaltung verhedderte sich in den rechtlichen Anforderungen an Bauaufträge. Sie sah es z. B. als unmöglich an, die VOB/B mit den Anforderungen an die Schwarzarbeitskontrolle übereinzubringen. Deswegen verfügte sie in den Vergabeunterlagen eine Reihe von Ausnahmen von der VOB/B. Deren unveränderte Anwendung sei "in der Realität nicht möglich". Ein Interessent sah sich durch diese Abweichungen gehindert, ein Angebot abzugeben. Die Risiken, die er als Bieter

deswegen tragen müsste, seien nicht seriös kalkulierbar. Die Vergabekammer gab ihm Recht. Nach Paragraf 8a VOB/A ist die VOB/B als Ganzes zur Grundlage für den Bauvertrag zu machen. Davon könne aufgrund der Vielzahl von Abweichungen nicht mehr ausgegangen werden. So hatte der Auftraggeber z. B. die Abrechnungsbestimmungen der VOB/C ausgeschlossen und ist mit seinen Änderungen so weit von den Bestimmengen der VOB/B abgewichen, dass das Regelwerk eher einem BGB-Bauvertrag entsprach. Damit wird das Ziel des Paragrafen 8a VOB/A verfehlt, dem Baugewerbe eine einheitliche Kalkulationsgrundlage zur Verfügung zu stellen. Insoweit sei Paragraf 8a VOB/A bieterschützend, insbesondere weil die meisten Abweichungen dem Auftragnehmer zusätzliche Risiken aufgebürdet hätten. Nur die Anwendung der VOB/A schütze den Auftraggeber vor der AGB-Inhaltskontrolle seiner Vertragsbedingungen. Wegen des Verstoßes war die Ausschreibung in den Stand vor Veröffentlichung der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen. VK Südbayern (Beschl. v. 14.02.2022, Az.: 3194.Z33_01-21-44)

► POSTDIENSTE

Stromrechnung bald online Sendungsaufkommen sinkt Die zunehmende Digitalisierung des Geschäftsverkehrs macht vor den Endkunden nicht halt. Doch wir wissen in Deutschland auch, dass Digitalisierungsstrategien meist viel länger dauern als geplant. Das wollte ein Strom- und Wasserversorger bei der Beschaffung von Postdienstleistungen berücksichtigen. Er plante zwar die Umstellung auf Rechnung per E-Mail, weiß aber nicht, wie schnell er damit vorankommt. Ergebnis: Er kann das Sendungsaufkommen nicht langfristig schätzen. Deswegen wollte er den Auftrag nur für ein Jahr vergeben. Weil er diese Leistung zudem als Teil seiner Sektorentätigkeit wähnte, sah er den relevanten Schwellenwert als unterschritten an und vergab den Auftrag freihändig. Die Grundannahmen, die eine freihändige Vergabe zu rechtfertigen schienen, sind nach Ansicht der Vergabekammer Westfalen falsch. Der Versand von Rechnungen gehöre nicht zu den privilegierten SektorenLeistungen. Er stelle nur eine Hilfstätigkeit dar. Der Versand der Rechnungen ist keine besondere Dienstleistung. Das wäre nur der Fall gewesen, wenn eine Sendungskonsolidierung hinzugetreten wäre. Auch die Begrenzung des Vertrages auf ein Jahr sei eine unzulässige Umgehung des Vergaberechts. Durch geeignete Ausgestaltung des Rahmenvertrages hätte man schwankende oder sinkende Sendungszahlen über einen längeren Zeitraum ausschreiben können und müssen. VK Westfalen (Beschl. v. 21.10.2021, Az.: VK 2-41/21)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München (Oppler Büchner PartGmbB)

jeden Monat im Behörden Spiegel ◄

(BS/Markus Ruhmann) Kommunen, Immobilienbranche und Energieversorger suchen dringend nach Mög­ lichkeiten, um die CO2-Bilanz zu verbessern und unabhängig von Gas und anderen fossilen Rohstoffen zu wer­ den. Das Vergaberecht ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Klimawende in Stadtteilen und Quartieren. Beim umfassenden Transformationsprozess für den Klimaschutz spielen Kommunen eine wichtige Rolle. Zum einen, weil ein großer Teil der klimarelevanten Emissionen durch Industrie, Gewerbe und Verkehr in Städten, Gemeinden und Kreisen erzeugt wird. Auf der anderen Seite haben Kommunen als Planungsträger, Eigentümer, Versorger und öffentliche Auftraggeber vielfältige Möglichkeiten, um den Klimaschutz vor Ort voranzutreiben. Ein Beispiel sind Wärme- und Kälteversorgungskonzepte für ganze Stadtteile. Sie sorgen dafür, dass nicht nur einzelne Neubauten, Bestandsgebäude und Sanierungsobjekte, sondern auf einen Streich ganze Quartiere zur Klimawende beitragen. Zudem helfen sie, zu verhindern, dass es infolge der Klimawende zu sogenannten "stranded assets" im Bestand kommt, welche die von der EU geforderten Anforderungen an Energieeffizienz nicht erfüllen können. Die Herausforderung besteht dabei darin, Quartiere und Stadtteile nachhaltig zu entwickeln und dabei Klimaschutz mit hoher städtebaulicher und gestalterischer Qualität zu kombinieren. Allerdings darf dies nicht zu Lasten der Versorgungssicherheit gehen oder zu unbezahlbaren Energiepreisen führen. Nicht zuletzt sollen die Projekte im Zeitplan bleiben. Im Vergabeverfahren werden wichtige Weichen für sämtliche Kriterien gestellt.

Bezahlbare und CO2-neutrale Wärme In Hamburg fiel jetzt der Startschuss für ein Projekt, das zukunftsweisend für ganz Deutschland ist, um schnell unabhängig von Gas und anderen fossilen Rohstoffen zu werden. Der neue Stadtteil Oberbillwerder mit rund 118 Hektar Fläche und bis zu 7.000 Wohnungen soll zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie versorgt werden. Um dies zu realisieren, hat die IBA Projektentwicklungs GmbH & Co. KG (IPEG) Anfang April den Wärme- und Kältekonzessionsvertrag für Oberbillwerder an die KpHG Kommunalpartner Hamburg GmbH vergeben. Geknüpft war die Vergabe der Wärmeversorgung an hohe Qualitätskriterien, die das Konzept der Kommunalpartner Hamburg nun teilweise noch übertrifft. Nur ein geringer Teil der Energieversorgung basiert auf Biogas, das künftig durch Wasserstoff ersetzt werden kann. Zugleich wurde sichergestellt, dass die Wärme bezahlbar bleibt. Denn ein weiteres Ziel der Entwicklung des Stadtteils ist es, Wohnraum für Menschen mit unterschiedlichen Einkommen zu schaffen.

dem städtischen Partner Hamburg Wasser. Gleichzeitig ermöglicht das Verfahren über eine Wärme-KälMarkus Ruhmann ist Partner der Kanzlei Buse. te-Kopplung, Gebäude im Sommer Foto: BS/Buse Rechtsanwälte Steuerzu kühlen. Dies berater Partnerschaftsgesellschaft mbB ist ein wichtiger Baustein der geplanten Kälteverist außerdem, Photovoltaikanla- sorgung etwa für die Altersheime gen auf geeigneten Dach- und angesichts steigender TempeFreiflächen zu errichten. Die bis- raturen. her in Hamburg weitgehend ungenutzte Abwasserwärme stellt Dynamischer Vertrag passt sich technischem Fortschritt den überwiegenden Teil der künfan tig in Oberbillwerder genutzten Energie. Gerade im verdichteten Seit einigen Jahren entscheistädtischen Raum birgt dies er- den sich Kommunen häufiger, hebliches Potenzial. So eignet im Rahmen ihres kommunalen sich die Abwasserwärme in Selbstverwaltungsrechts die größeren Kanälen sehr gut, um Energieversorgung zu rekomWärmepumpen zur Beheizung munalisieren und die Konzession von Wohngebäuden effizient zu für den Betrieb von Strom- und betreiben. Gegenüber anderen Gasnetzen an ein kommunales Umwelt-Wärmequellen wie Luft, Unternehmen zu vergeben. In Boden oder Grundwasser weist Hamburg entschied sich die IBA es eine höhere Temperatur auf Projektentwicklungs GmbH & und ist ganzjährig verfügbar. Co. KG, eine hundertprozenIm Bereich der Energieversor- tige Tochter der Freien und gung können Kooperationen von Hansestadt Hamburg, für ein Kommunen mit Stadtwerken und Inhouse-Vergabeverfahren der anderen lokalen Energieversor- Wärme- und Kältekonzession. gern Erfolgsfaktoren für den Kli- Während bislang für die Enermaschutz sein, beispielsweise gieversorgung meist langfristige indem sie energiewirtschaftliches Verträge mit einem während der und technisches Know-how für Laufzeit feststehenden Konzept die Planung und Umsetzung der abgeschlossen wurden, ermögProjekte einbringen. So lässt sich licht es nun ein eigens entwiauch in Oberbillwerder ein gro- ckelter dynamischer Vertrag, ßer Teil des Stromverbrauchs der das Konzept an die technische Wärmepumpen einsparen, weil Entwicklung anzupassen. Die diese sowohl die Luft als auch Inhouse-Vergabe war im Sinne das Abwasser als Umweltwär- einer Rekommunalisierung das mequelle nutzen. geeignete Instrument, um erErmöglicht wird dies durch die neuerbare Energiequellen und Zusammenarbeit der Kommu- zugleich Versorgungssicherheit nalpartner Hamburg GmbH mit zu gewährleisten.

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MELDUNG

Bereichsausnahme bestätigt (BS/bk) Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein hat die Bereichsausnahme Gefahrenabwehr nochmals bestätigt (VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 09.02.2022 – VK-SH 13/21; OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 28.03.2022 – 54 Verg 1/22.) Sie gelte nicht nur für den Zivil- und Katastrophenschutz, sondern erstrecke sich auch

auf die Personalstellung in der gesundheitlichen Gefahrenabwehr. Bei dem Fall wurde eine Vergabe behandelt, bei der ein Träger eines Rettungsdienstes ein Auswahlverfahren für die "Durchführung von Aufgaben des Rettungsdienstes" durchführte. Konkret ging es nur um die Stellung von Personal. Dabei wurden gewerbliche Anbieter mit

Gewinnerzielungsabsicht ausgeschlossen. Der Träger stellte die Rettungsmittel sowie die Wache selbst. Die Antragstellerin stellte deswegen einen Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer (VK) Schleswig-Holstein. Die VK entschied zum Nachteil der Antragstellerin und erklärte die Entscheidung des Trägers für die Bereichsausnahme als wirksam.


Organigramm

Seite 12

Behörden Spiegel / Juni 2022

Bundesministerium für Bildung und Forschung Dienstsitz Bonn Postanschrift: Dienstgebäude: Telefon: Telefax: Internet: E-Mail:

53170 Bonn Heinemannstraße 2 und 6, 53175 Bonn 0228/99 57-0 0228/99 57-8-3601 www.bmbf.de bmbf@bmbf.bund.de

Dienstsitz Berlin Postanschrift: Lieferanschrift: Dienstgebäude: Telefon: Telefax: Internet: De-Mail:

11055 Berlin Margarete-Steffin-Straße 11, 10117 Berlin Kapelle-Ufer 1, 10117 Berlin 030/99 18 57-0 030/99 18 57-8-3601 www.bmbf.de poststelle@bmbf-bund.de-mail.de

Z

RD’in Ines Friederichs 3313 (3557)

Z1

Personal; Infrastruktur; Services MinDirig Jürgen Mennemeier 3800 (3797)

Z11

1*

MinDir Dirk Schattschneider 5351 (5755)

Z2

Haushalt; Moderne ­Verwaltung; Beteiligungen; Förderverfahren MinDirig Dr. Jochen Zachgo 3005 (2380)

Z21

Personal; Dienstrecht

Haushalt

MinR’in Sandra von Hopffgarten 2350

MinR Dr.Leo-Felix Lee 2014

Z11 PE

Personalentwicklung MinR’in Dr. Susanne Raube 2362

Z12

Personalausgaben; Sicherheit; Bibliothek RD’in Ingrid Müller-Roosen 2286 RD’in Dr. Ute Voßkamp 2240

Z13

Justiziariat; Datenschutzrecht; Vergabestelle MinR’in Nina Rabe 2539

Z14

Informationstechnik MinR Dr. Arne Simon 3815

Z15

Innerer Dienst MinR Holger Bodag 3136

Persönliche Referentin Viktoria Venus

Zarah Bruhn 5741

Zentralabteilung

Z22

Organisation; Personalhaushalt RD Dr. Rubén Cantero-Álvarez 2351

Z23

Digitale Verwaltung MinR Dr. Matthias Bosman 3529

Z24

Controlling; BRH; Interne Prüfsysteme, Qualitätsmanagement MinR Dr. Erasmus Landvogt 3875

Z25

Personal­angelegenheiten der FE RD’in Marina Pauli 3564

Z26

Grundsatzfragen der Beteiligung des Bundes an geförderten ­Einrichtungen RD Ulrich Jürgensen 5449

Z27

Förderverfahren; Projektträger MinR’in Marie Annette Paus 3270

Vertrauensperson der ­schwerbehinderten Menschen OAR’in Jutta Becher 3829

Foto: BS/BMBF

Beauftragte des BMBF für Soziale Innovationen

Persönlicher Referent Nicolas Leibold 5021 (5023)

3337 (3336) 5243 Jugend- und Auszubildendenvertretung Marc-Luca Schneider 2063

Ministerin Bettina Stark-Watzinger

Z, 1, 5, 6, 7 und L

IR* zum Teil Interne Revision MinR Dr. Matthias Kölbel 5277

Persönlicher Referent ORR Mitja Müller 5736/3843 (5801)

Datenschutzbeauftragte MinR’in Lore Wieland 3369

Staatssekretärin Judith Pirscher

Parl. Staatssekretär Dr. Jens Brandenburg

Gleichstellungsbeauftragte

Personalrat Vorsitzender Kai Johae

2

3

Grundsatzfragen und Strategien; Koordinierung

Europäische und internationale Zusammenarbeit in Bildung und Forschung

Allgemeine und berufliche Bildung; Lebensbegleitendes Lernen

MinDir Dr. Roland Philippi 5665 (5182)

Armin Reinartz 2874 (2875)

N.N

11*

Ständige Vertretung MinDirig Dr. Dietrich Nelle 5055 (5957) MinDirig’in Elisabeth von Uslar 5655 (5957)

111*

Grundsatzfragen von Bildung und Forschung; Koordinierung MinR Thomas Klubertz 5297

112*

Grundsatzfragen der ­Digitalisierung; Strate­ gien für die Wissensgesellschaft; Koordinierung MinR Dr. Maximilian Müller-Härlin 5977

113*

Grundsatzfragen von Innovation und Transfer; Koordinierung RD’in Dr. Katja Zboralski 5177 RD’in Dr. Christina de Wit 5761

114*

Ethik und Recht; ­Rahmenbedingungen der Digitalisierung MinR’in Bettina Klingbeil 5152

115*

Strategische Vorausschau; Partizipation; Soziale Innovationen MinR’in Nicole Burkhardt 5155

116*

Bund-LänderZusammenarbeit RD’in Dr. Elise Grauer 5136

117*

zum Teil

Nationale und internationale Vergleichsanalysen; Statistik MinR Christian Herbst 5860

118*

Wissenschaftskommu­ nikation; Wissenschaftsjahre RD’in Cordula Kleidt 5475

21

22

Internationale Zusammenarbeit in Bildung und Forschung MinDirig Frithjof A. Maennel 5958 (3101)

Europäische Zusammenarbeit in Bildung und Forschung MinDirig’in Sandra Lehneke 5284 (2851)

31

Berufliche Bildung MinDirig Thomas Sondermann 2117 (2063) MinDirig’in Dr. Catrin Hannken 5885 (2063)

200

32*

33*

Allgemeine Bildung

Lebenbegleitendes Lernen

MinDirig Dr. Stefan Luther 5246 (5040)

MinDirig Thomas Greiner 5221 (5222)

300*

Grundsatzfragen, Digitalisierung und Transfer

Grundsatzfragen, Digitalisierung und Transfer

MinR Harald Lischka 2033

MinR’in Gitte Warnick 5401

211*

zum Teil

Zusammenarbeit mit Afrika und dem Nahen Osten MinR Dr. Erik Hansalek 2083

212

221*

zum Teil

Europäische Zusammenarbeit; ­Bildung in der EU MinR’in Dr. Zage Kaculevski 2535

222

311

Rahmenbedingungen und Strukturfragen der beruflichen Bildung MinR Dirk Mahlberg 2127

312

Zusammenarbeit mit Ländern der Östlichen Partnerschaft, Russland und Zentralasien Gabriele Hermani 5972

ERASMUS; Internationale Zusammenarbeit in der Berufsbildung MinR Stefan Schneider 3720

Ordnung der beruflichen Bildung; BIBB MinR’in Angelika Block-Meyer 3344

213

223

Qualifizierung des ­Personals in der beruf­ lichen Bildung; ESF

Zusammenarbeit mit Nord- und Südamerika RD’in Vivien Baganz 5061

Forschung und I­ nnovation in der EU RD Alexander Grablowitz 2015

214*

RD’in Sandra Gundlach 3534

zum Teil

Zusammenarbeit mit Asien und Ozeanien MinR’in Kathrin Meyer 5173

224*

zum Teil

Zusammenarbeit mit europäischen Staaten; Israel; Sprachendienst Wieland Kley (m.d.W.b.) 5654 Melanie Liebscher 5053 Referat Bildung und Forschung der Ständigen Vertretung bei der EU MinR Michael Vorländer Cw. 685-1380 (00322787-1380)

313

RD Ulrich Schuck 2041

314

Innovationen in der beruflichen Bildung MinR Dr. Ingo Böhringer 2114

315

Berufliche Weiterbildung MinR Peter Thiele 2126

316

Anerkennung ­ausländischer ­Berufsqualifikationen MinR’in Kathleen Adler 5498

321*

331*

zum Teil

Bildungsforschung

MinR Dr. Hans-Josef Linkens 5256

322*

Integration durch Bildung RD’in Stefanie Eckstein (m.d.W.b.) 5966

Antje Scharsich 5048 Infrastrukturförderung Schule MinR Ingo Ruhmann 5285

324*

Qualitätsförderung Schule Dr. Doerte Treuheit 5219

Lebensbegleitendes Lernen; Allgemeine Weiterbildung MinR’in Dr. Jutta Illichmann 5499

332*

Frühe Bildung

323*

zum Teil

333*

Bildung in Regionen; Bildung für nachhaltige Entwicklung MinR’in Dr. Andrea Ruyter-Petznek 5172

334*

Kulturelle Bildung; Demokratiebildung MinR’in Annette Steenken 5294

PG DB*

Projektgruppe “Nationaler Digitaler Bildungsraum” MinR Peter Hassenbach 5264


Organigramm

Behörden Spiegel / Juni 2022

Seite 13

Bundesministerium für Bildung und Forschung Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung Stand: Mai 2022

L*

L1*

L11*

Leitungsabteilung

Planung und Steuerung

MinDir Jörn Hasler 5838

MinDirig’in Katharina Peter 5010

Ministerbüro ORR’in Dr. Anne-Kathrin Lange (m.d.W.b.) 5028

L2*

L12*

L21*

Daniel Rudolf 5002 (5679)

Öffentlichkeitsarbeit, ­Bürgerdialog RD’in Barbara Götze 5070

Beauftragter des BMBF für Transfer und Ausgründungen aus der Wissenschaft

2, 3 und 4

Dr. h. c. Thomas Sattelberger

Persönliche Referentin RD’in Nelli Schiebeler 5038 (5033)

Persönliche Referentin RR’in Karen Schlüter 5702 (5703)

4

42

43

Hochschulen

Wissenschaft

Bildungsfinanzierung

MinDirig Peter Greisler 5016 (5015)

MinDirig Dr. Stefan Johannes Stupp 3042 (2224)

MinDirig’in Dr. Sonja Gerlach 2367 (2366)

400

412*

Studium und Lehre MinR’in Helena Schulte to Bühne 5121

413*

Europäischer ­Hochschulraum, ­Internationalisierung RD’in Dr. Lisette Andreae 5949

414*

Wissenschaftliche Karrierewege und Weiterbildung MinR’in Petra Hohnholz 5340

415*

Hochschul- und Wissenschaftsforschung MinR’in Bettina Schwertfeger 5443

416*

zum Teil

Hochschulen für Angewandte Wissenschaften/ Fachhochschulen MinR Magnus Milde 3837

MinR’in Sylvie Reichel 5134

N.N. 5370

421*

RD’in Marion Steinberger (m.d.W.b.) 5789

422

Infrastrukturen für die Wissenschaft MinR Peter Wenzel-Constabel 2066

431*

zum Teil

BAföG MinR’in Dr. Rahel Stefanie Stegemann 5307 MinR Andreas Schepers 5292

423

432*

Aufstiegsförderung N.N.

433*

HGF, WGL

Begabtenförderung

MinR Dr. Michael Stötzel 2215

N.N.

424

FhG, MPG MinR’in Sabine Diehr 3061

425*

zum Teil

Chancengerechtigkeit und Vielfalt in Wissenschaft und Forschung RD’in Dr. Annette Steinich 2863

426*

zum Teil

Sozial- und Geistes­ wissenschaften RD’in Dr. Uta Grund 3661 Ulrich Scharlack 5653

Lebenswissenschaften

52

Anwendungsorientierte Forschung für Innovationen MinDirig Engelbert Beyer 5080 (5081) zum Teil

PG LB*

zum Teil

Projektgruppe “LebenschancenBAföG” N.N.

MinR’in Dr. Ramona Korte 5754

511*

zum Teil

Künstliche Intelligenz MinR’in Ute Bernhardt 5756

512*

Elektronik und ­autonomes Fahren; Supercomputing MinR Dr. Stefan Mengel 3189

513

Vernetzung und Sicherheit digitaler Systeme MinR’in Dr. Heike Prasse 3180

514

Quantentechnologien; Quantum Computing MinR’in Dr. Ulrike Geiger 3259 RD’in Dr. Petra Wolff 3721

515*

zum Teil

Innovationsförderung; SprinD, Cluster, Gaia-X MinR Hans-Peter Hiepe 5384 RD Rafael Paplocki 3516

52

Zukunft von Arbeit und Wertschöpfung; Industrie 4.0 MinR Dr. Otto Fritz Bode 3540

522*

61*

71

72

Großgeräte und Grundlagenforschung

Nachhaltigkeit; Zukunftsvorsorge

MinDirig Thomas Romes 5104 (5103)

MinDirig Dr. Volkmar Dietz 2174 (3633)

MinDirig’in Oda Keppler 3590 (3591)

600

Grundsatzfragen, Digi­ talisierung und Transfer MinR’in Eva Nourney 5207

611*

Ethik und Recht in den Lebenswissenschaften MinR Dr. Stephan Roesler 5088

612*

700

Grundsatzfragen, Digitalisierung und Transfer MinR Dr. Ulf Lange 3445

711

Universum und Materie RD Eckart Lilienthal 3852

712

721

Nachhaltige Stadtentwicklung RD Dr. Christian Alecke 3722

722

Internationale ­Großgeräte; DESY, GSI

Energie; Wasserstofftechnologien

MinR’in Dr. Andrea Fischer 3321

MinR Dr. Christoph Rövekamp 2360

Nachhaltige regionale Innovationsinitiativen MinR’in Dr. Gisela Philipsenburg 5965

Einrichtungen der Lebenswissenschaften MinR’in Katrin Benninghoff 5439

523

613*

E-Health

Europäische Forschungsorganisationen

Globaler Wandel; Klimaforschung

MinR Andreas Klein 5117

RD’in Dr. Friederike Trimborn-Witthaut 3168

RD Dr. Karsten Hess 2071

614*

714

Meeres-, Küsten- und Polarforschung

Werkstoffinnovationen, Batterie; Hereon, KIT MinR’in Liane Horst 2189 RD Ingo Höllein 2251

524

Zivile ­Sicherheitsforschung MinR’in Dr. Andrea Detmer 3275 MinR’in Sabine ten Hagen-Knauer 3254

Medizinische Forschung; Medizintechnik MinR’in Dr. Renate Loskill 5049 MinR’in Dr. Evelyn Obele 5094

615*

Forschung für globale und öffentliche ­Gesundheit; Umwelt und Gesundheit MinR’in Andrea Spelberg 5723

616*

zum Teil

Interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität Sibylle Quenett 5945

617*

PG NDK*

** Dr. h. c. Thomas Sattelberger hat Ende Mai angekündigt sein Bundestagsmandat sowie seine Funktionen im BMBF aus persönlichen Gründen niederzulegen.

MinDir Volker Rieke 2317 (2288)

Ständige Vertretung 6

Neue Methoden in den Lebenswissenschaften; Biotechnologie; Wirkstoffforschung MinR Dr. Torsten Geißler 5111

* Organisationseinheiten am Dienstsitz Berlin

7

Zukunftsvorsorge – Forschung für Grundlagen und nachhaltige Entwicklung

MinDir’in Prof. Dr. Veronika von Messling 5105 (5102)

Grundsatzfragen, Digitalisierung und Transfer

MinR’in Esther Seng 2806 Forschungsdaten

51

Technologieorientierte Forschung für Innovationen MinDirig’in Melanie Rüther 5656 (3235)

500*

Grundsatzfragen, Digitalisierung und Transfer

Futurium MinR’in Dr. Gudula Gutmann 5089

L24* Protkoll

6*

Forschung für technologische Souveränität und Innovationen MinDir’in Prof. Dr.-Ing. Ina Schieferdecker 5029 (5931)

Ulrich Schüller 3238 (3382)

411*

L23* Reden und Texte

Innovationsbeauftragter “Grüner Wasserstoff” des BMBF Dr. Stefan Kaufmann

5

Hochschul- und Wissenschaftssystem; Bildungsfinanzierung

Hochschulrecht; Exzellenzstrategie; DFG MinR Ralf Maier 5116

Koordinierung EU, Bundesrat, Länder und Kommunen MinR Nils Klagge 5750

Staatssekretär**

Staatssekretärin Kornelia Haugg

41*

L14*

Kabinett; Parlament RD Dr. Bernd Rupprecht (m.d.W.b.) 5320

L22*

Presse; Digitale Kommunikation Nils Droste 5050

Kommunikation

L13*

Politische Planung und Analyse Ilka Schantz 5326

Projektgruppe “Nationale Dekade gegen Krebs” MinR’in Alexia Parsons 5206

713

FZJ, HZB, HZDR, IPP; Fusion

723

724

N.N. MinR Dr. Peter Schroth 3045

715

Rückbau kerntechnischer Versuchsanlagen; Rückbauforschung MinR’in Gabriele Becker 3759

725*

Nachhaltiges Wirt­ schaften; Bioökonomie MinR’in Andrea Noske 5415

726

Ressourcen, Kreislaufwirtschaft; Geoforschung MinR Dr. Wolf Junker 2843

PG SDG

Projektgruppe ­“Nachhaltige Entwicklungsziele der VN” MinR Dr. Ulf Lange 3445


Diplomaten Spiegel

Seite 14

“D

iese Entwicklung, die in diesem Februar mit dem russischen Überfall auf die Ukraine ihren bisherigen Höhepunkt erreichte, bahnte sich schon seit Längerem an. Dass die wenigsten im Westen, trotz aller Anzeichen, Moskau einen offenen Angriffskrieg zutrauten, sagt viel darüber aus, wie schwer es für uns ist, die russische Denkweise wirklich zu verstehen”, sagt Botschafterin Anne Sipiläinen. Putins außenpolitische Ziele seien spätestens seit seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 bekannt. “Der Krieg gegen Georgien 2008, die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und der von ihm angezettelte Konflikt im Osten der Ukraine 2014 sowie das brutale Vorgehen russischer Truppen im Syrien-Krieg waren schon böse Warnzeichen über die Natur des Putin-Regimes, von der besorgniserregenden innenpolitischen Entwicklung ganz zu schweigen. Dass der Westen auf all das nicht entschlossen genug reagiert hat, wurde im Kreml wahrscheinlich als Schwäche bzw. grünes Licht gedeutet.”

Schockiert und an frühere Zeiten erinnert “Alles in allem ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht und ein Angriff auf die gesamte europäische Sicherheitsordnung”, so Sipiläinen, die seit fast drei Jahren Helsinkis diplomatische Spitzenfrau in Berlin und über 35 Jahre im auswärtigen Dienst ist. Zunächst noch an der finnischen Botschaft in der DDR, Österreich, bei der EU in Brüssel, dann im heimischen Außenministerium und ab 2011 dort als Unterstaatssekretärin tätig, hat die 61-Jährige ein Kriegstreiben wie das russische nie erlebt. “Die Finnen waren natürlich schockiert und empfinden ein starkes Mitgefühl für die Ukrai­ ner und unterstützen sie in vielfältiger Weise. Wir fühlen

Behörden Spiegel / Juni 2022

Exzellente Beziehungen Ein Gespräch mit Finnlands Botschafterin in Berlin, Anne Sipiläinen. (BS/ps) Es ist mit knapp sechs Millionen Einwohnern, auf einer Fläche fast so groß wie Deutschland, eines der am dünnsten besiedelten Länder Europas, grenzt an Schweden, Norwegen, Russland und die Ostsee: Finnland. Dort leben, laut Weltglücksbericht der Vereinten Nationen vom März dieses Jahres, nun schon zum fünften Mal in Folge die glücklichsten Menschen der Erde. Nicht einmal die Corona-Pandemie konnte ihrem Glück bislang etwas anhaben. Der Krieg, den Russland in der Ukraine führt, wohl schon. Schließlich hat man zu dem großen Nachbarn im Osten eine Grenze von über 1.300 Kilometern.

Seit über 35 Jahren im auswärtigen Dienst und seit drei Jahren Botschafterin der Republik Finnland in Berlin: Anne Sipiläinen. Foto: BS/Bernhard Ludewig, Botschaft von Finnland

und Europas grundlegend und nachhaltig verändert hat. Es gibt kein Zurück. Finnland ist zwar auf die verschiedensten Sicherheitsbedrohungen gut vorbereitet, aber wir müssen den Umständen entsprechend handeln, um uns auch für die Zukunft abzusichern. Es ist kein Zufall, dass nach dem 24. Februar die Zustimmung der Bevölkerung Finnlands für einen Beitritt zur Nato schlagartig gestiegen ist und diese Option seitdem auch politisch ernsthaft verfolgt wird”, so die Diplomatin. Der Westen reagiert erstaunlich schnell und geschlossen mit der Unterstützung der

nach nicht mehr dieselbe ist wie die Welt davor”, werde es Waffenlieferungen für Kiew und 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr geben. “Putin hat also genau das Gegenteil von dem erreicht, was er wollte, ist isoliert und der Westen geeint wie nie. Künftig wird er sich sicher zweimal überlegen, ob er so etwas noch einmal macht”, sagt Sipiläine n.

Frieden und Freiheit sind nicht umsonst zu haben Und wenn nicht? Was, wenn er andere Überlegungen hat, die EU ihn nicht sonderlich abschreckt und ihm wieder einmal einfach “keine andere Möglich-

müssen auch verteidigt werden. Das haben die Ereignisse in der Ukraine besonders deutlich gemacht. Die EU arbeitet schon seit vielen Jahren daran, ihre Verteidigungsdimension zu stärken”, erläutert die langjährige Diplomatin anhand einiger aktueller Beispiele: Mit dem sogenannten Strategischen Kompass, habe sich Brüssel nun konkrete Ziele für eine noch engere verteidigungspolitische Kooperation gesetzt und die europäische Friedensfazilität werde dazu genutzt, die Ukraine massiv mit Waffenlieferungen zu unterstützen. “Die EU hat dem russischen Präsidenten deutlich gezeigt, dass sie einen Angriff auf ein friedliches Nachbarland nicht toleriert.” Das wird Wladimir Putin nicht entgangen sein. Im Übrigen dürfte er Respekt vor der Nato haben. Für den Erfolg dieses Bündnisses spricht, dass bisher noch kein Nato-Mitglied angegriffen wurde.

Mitgliedschaft ausdrücklich vorbehalten “Die Lage in unserer Region war lange so stabil, dass wir unsere Sicherheit durch eine starke nationale Verteidigung, verbunden mit einer sehr engen Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern einschließlich der Nato, gewährleistet sahen. Ein Nato-Beitritt Finnlands hätte damals, nach Ansicht der meisten Finnen, wohl eher Nach- als Vorteile gebracht, aber ausgeschlossen haben wir ihn zu keiner Zeit. Im Gegenteil: Zu unserer Absicherung hat Helsinki immer wieder in aller Öffentlichkeit deutlich gemacht,

kurzen Parlamentsbefassung am 18. Mai vom finnischen Nato-Botschafter in Brüssel eingereicht. Jetzt hoffen wir auf eine schnelle Ratifizierung der Mitgliedschaft in allen 30 bisherigen Nato-Staaten, damit der Beitritt so bald wie möglich erfolgen kann”, skizziert die Botschafterin das Geschehen der letzten Wochen in Finnland.

Unabhängig bei Öl und Gas Unabhängig davon kommt Finnland dank seiner dezen­ tralen, diversifizierten und effizienten Energieerzeugung ohne russisches Gas und Öl aus, die durch eigene Produktion und Energieimporte aus anderen Ländern ersetzt werden kann. Auch war etwa der Anteil des Erdgases am finnischen Energiesystem mit ca. sechs Prozent schon vor dem Krieg sehr gering. Finnland ist vorbereitet, ohne Gazprom und Co. auszukommen. “Der Klimawandel”, so Sipiläinen, “hat gezeigt, dass fossile Brennstoffe nicht mit dem Ziel einer nachhaltigen Zukunft vereinbar sind. Umso weniger vertretbar sind solche Energietransaktionen, wenn sie zugleich zur Finanzierung eines Angriffskrieges beitragen. Daher ist es in jeder Hinsicht sinnvoll, den Ausstieg aus fossiler Energie zu beschleunigen und dabei zuerst auf die Lieferungen aus Russland weitgehend zu verzichten.”

Enge Beziehungen seit der Hanse Drei Jahre ist Anne Sipiläinen Botschafterin in unserem Land, das schon seit der Han-

se- und Reformationszeit enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zu ihrem hat. “Wir können auf eine lange und sehr gute Tradition der Zusammenarbeit zurückblicken: Handel und Religion, Wissenschaft und Kunst verbinden uns seit Jahrhunderten über die Ostsee hinweg. Beim Aufbau unserer finnischen Nation sind auch viele Einflüsse aus Deutschland zum Tragen gekommen. Es ist schon lange unser wichtigster Handelspartner und wir sind in vielen Fragen einer Meinung, teilen die gleichen Werte, haben eine sehr ähnliche Sicht z. B. auf die Entwicklung der europäischen Wirtschaft, die Energieinvestitionen sowie den grünen und den digitalen Wandel. Und es ist natürlich wichtig, dass wir uns gemeinsam für eine stärkere und handlungsfähigere EU einsetzen.”

Strukturen, Freiheit und Vertrauen Dafür braucht es auch Botschafterinnen wie Anne Sipiläinen, die so zufrieden ist, es für ihr Land zu sein, dass sie nicht mal für einen Tag mit jemandem tauschen würde und nie von einem anderen Beruf geträumt hat. Sie bleibt gerne bei ihren “Leisten”. “Meiner Meinung nach haben wir schon immer konsequent alle Anstrengungen unternommen, um Strukturen zu entwickeln, die das persönliche Glück unterstützen. Ein hohes Maß an Freiheit und Vertrauen zueinander gehören natürlich auch dazu. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich Finnin bin und für Finnland arbeiten darf. Für mich – wie für viele meiner Landsleute – ist besonders die Natur eine wichtige Quelle der Ruhe und des Glücks.” Wenn die Finnen über Glück im Sinne von Zufriedenheit reden, dann sprechen sie von “onni“ – und davon hat auch sie offenbar eine ganze Menge.

Rezept der Botschafterin Karjalanpiirakat – karelische Piroggen (ca. 20 Stück)

Zutaten für die Füllung 200 ml Wasser, 170 g Rund­ kornreis (Milchreis), 1 l Vollmilch, 1 TL Salz, 80 g Butter

Spezialität aus der finnischen Küche: einfach köstlich

Zutaten für den Teig 100 ml Wasser, 0,5 TL Salz, 110 g Roggenmehl (Vollkorn), 35 g Weizenmehl, 12 g Butter Zum Bestreichen 50 g Butter, etwas Milch

Zubereitung Den Reis in das kochende Wasser einrühren. Aufkochen lassen, umrühren und die Milch und das Salz hinzugeben. Bei niedriger Temperatur ca. 20 Minuten köcheln lassen, ­gelegentlich umrühren und die Butter hinzugeben. Abkühlen lassen.

Zubereitung Zunächst die trockenen Zutaten vermischen, dann das Wasser ­hinzugeben und zuletzt die ­weiche Butter einkneten. Den Teig zu einer Rolle formen und in gleich große Scheiben schneiden (ca. 16 g pro Scheibe), auf einer

Ukraine und den Sanktionen gegen Russland und löst damit in Europa Reaktionen aus, die noch vor Kurzem wohl keiner – auch nicht der Kreml – erwartet hätte. Ein Beispiel etwa ist die “Zeitenwende”, die Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022 im Parlament verkündet. “Weil die Welt da-

keit bleibt, als Russland höchst vorsorglich zu verteidigen und eine Sonder-Militäroperation durchzuführen”? “Die EU ist ein Friedensprojekt – aus den Trümmern eines furchtbaren Weltkriegs geboren, der sich nie wiederholen sollte. Frieden und Freiheit sind aber nicht umsonst zu haben, sondern

bemehlten Arbeitsfläche sehr dünn ausrollen und mit einem Tuch abdecken. Jeweils einen ge­ häuften Esslöffel der Reisfüllung in die Mitte jedes Fladens geben. Zwei Seiten zur Mitte – ein wenig über die Füllung – einschlagen und den Rand falten. Bei 225 Grad Celsius ca. 13 Minu­ ten backen (die Backzeit kann je nach Ofen-Typ variieren). Die noch heißen Piroggen mit der ButterMilch-Mischung bestreichen und servieren. Dazu passen Kaffee, Tee und Saft.

Foto: BS/rainbow33, stock.adobe.com

uns auch schmerzlich an den “Winterkrieg” erinnert, als Finnland im November 1939 von der Sowjetunion überfallen wurde und sich 105 Tage lang allein gegen eine gewaltige Übermacht verteidigen musste. Unter schwersten Verlusten ist es uns damals gelungen, das Schlimmste – das heißt eine Okkupation und Unterwerfung unseres Landes – abzuwenden. Leider müssen wir nun feststellen, dass ein willkürlicher Angriff einer Großmacht auf ein kleineres, friedliches europäisches Nachbarland nicht der Vergangenheit angehört.

Es gibt kein Zurück “Obwohl zurzeit keine unmittelbare militärische Bedrohung gegen Finnland besteht, haben uns die Ereignisse in der Ukraine sehr zu denken gegeben. Auch für den unwahrscheinlichen Fall, dass dieser Krieg bald endet, ist es klar, dass sich durch den russischen Überfall auch das Sicherheitsumfeld Finnlands

Symbol der Unabhängigkeit: Der Löwe mit dem europäischen Schwert auf dem tartarischen Säbel stehend ziert das Staatswappen Finnlands. Foto: BS/Esa Riutta, stock.adobe.com

dass es sich die Möglichkeit einer Mitgliedschaft ausdrücklich vorbehält, sollte eine veränderte Sicherheitslage es erfordern. Durch den von Russland entfesselten Krieg ist dem nun so und eine Neubewertung der Lage und der Handlungsoptionen Finnlands unumgänglich”, erklärt Sipiläinen. “Mitte April hat meine Regierung dem Parlament deshalb einen Bericht zur aktuellen außen- und sicherheitspolitischen Lage vorgelegt. Im Zuge der folgenden parlamentarischen Debatte wurde über mögliche neue politische Maßnahmen beraten, um dem neuen sicherheitspolitischen Umfeld jetzt und in der Zukunft gerecht zu werden. Dabei hat sich ein zügiger Nato-Beitritt deutlich und mit breiter politischer Unterstützung als die beste Option herauskristallisiert. In einem weiteren Regierungsbericht wurde daraufhin am 15. Mai ein Antrag auf die zügige Aufnahme Finnlands in die Nato angekündigt und nach einer

Von Nord nach Süd: 1.300 km umfasst die östliche Grenze des Landes zu Russ­ land. Grund genug für das Land, der Nato beizutreten. Foto: BS/Artalis-Kartographie, stock.adobe.com


Kommune Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Juni 2022

KNAPP

Zwischen Erleichterung und Enttäuschung

Betreuung durch ­Jobcenter

Einigung bei Tarifverhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst (S&E)

(BS/jf) Seit 1. Juni 2022 wer-

(BS/Jörn Fieseler) Drei Tage dauerte die dritte Verhandlungsrunde zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und den Gewerkschaften Verdi und DBB den Menschen, die seit Febru­Beamtenbund und Tarifunion. Ursprünglich waren nur zwei Tage terminiert worden. Die Dauer der dritten Runde ist ein Zeichen dafür, wie schwierig die Verhandlungen tatsächlich ar 2022 aus der Ukraine nach waren. Doch damit ist es für beide Seiten noch nicht genug. Deutschland geflüchtet sind, von Die angestrebte generelle Aufwertung der Berufsfelder im Sozial- und Erziehungsdienst ist den Gewerkschaften nicht gelungen. Entsprechend fielen die Reaktionen aus. Aufseiten der Arbeitgeber fällt das Fazit positiv aus. Die Gewerkschaften seien im Verlauf des dreitägigen Verhandlungsmarathons von ihren aus Arbeitgebersicht nicht umsetzbaren Vorstellungen abgerückt. “Wir haben deutlich gezeigt, wo die Grenze des Leistbaren für die kommunalen Arbeitgeber liegt”, betonte die Vorsitzende der VKA, Karin Welge. Die VKA sei an die Grenze des Machbaren gegangen, sowohl fiskalisch als auch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen. Entsprechend sei das Ergebnis sowohl eine Herausforderung als auch ein eindeutiges Zeichen, um die “oft herausragende Leistung unserer Beschäftigten im S&E-Bereich durch eine faire und wertschätzende Vergütung zu würdigen”.

Fünf Jahre Laufzeit Anders auf Gewerkschaftsseite: Diese spricht von einem “Einstieg in die Entlastung und die weitere Aufwertung” (Frank Werneke, Vorsitzender von Verdi) und von einem “ordentlichen Kompromiss, der konstruktiv erkämpft” worden sei (Andreas Hemsing, DBB-Verhandlungsführer sowie Bundesund NRW-Landesvorsitzender der Komba). Wie überschäumende Begeisterung klingt das nicht. Verständlicherweise. Denn am Ende mussten sie eine bittere Pille schlucken. Die Laufzeit des ausgehandelten Tarifvertrages zur Entgeltordnung S&E beträgt genau fünf Jahre und endet am 31. Dezember 2026.

Abschluss dank ­Streikbereitschaft Interessanterweise weisen auch Verdi und der DBB darauf hin,

Entgeltgruppe eine Laufzeit von mehr als zwei Jahren absolviert haben, in die Stufe drei eingeordnet werden. Wer bis zu diesem Datum drei Jahre in der Stufe drei war, rückt in die Stufe vier auf. Zudem erhalten Beschäftigte in den Entgeltgruppen S 8a, S 8b, S 9 und S 11a eine monatliche Zulage von 70 Euro, sofern sie mindestens 15 Prozent ihrer Gesamttätigkeit als Praxisleiterin oder Praxisleiter in der Ausbildung tätig sind. Neu ist außerdem eine Wohnzulage in Höhe von 100 Euro für Beschäftigte, die in einer besonderen Wohnform tätig sind, zum Beispiel in Wohngruppen für Menschen mit Behinderung oder in Kinder- und Jugendwohnheimen. Voraussetzung ist, dass diese Präsenzleistung durchgängig für 24 Stunden täglich erfolgt. Des Weiteren sieht der Abschluss die Erweiterung von mehr als einem Dutzend Heraushebungsmerkmalen vor, was de facto eine Höhergruppierung ist.

Ob als Erzieherin in einer Kinderta­ ges­stätte oder als Sozialarbeiterin in einem Heim für Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen: Am Ende können alle mit dem S&E-Tarifabschluss zufrieden sein.

Die nächsten Forderungen

Fotos: BS/Robert Kneschke (oben), M.Dörr & M.Frommherz (rechts), beide stock.adobe.com

dass das Ergebnis gegen die erheblichen Widerstände der kommunalen Arbeitgeber gelungen sei und die Arbeitgeber am Ende einlenken mussten. Zugleich betonen die Arbeitnehmervertreter, dass dieser Abschluss nur aufgrund der enormen Streikbereitschaft der Beschäftigten in der letzten Woche vor der Verhandlung möglich gewesen sei. Allein Verdi habe 45.000 der rund 330.000 Beschäftigten im kommunalen S&E-Bereich auf die Straßen gebracht – rund 14 Prozent.

Aufwertung und Entlastung Ab dem 1. Juli 2022 erhalten alle Mitarbeitenden für zwei Arbeitstage eine Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgeltes als sogenannte Regenerationstage.

Außerdem profitieren die meisten der Beschäftigten von einer monatlichen Zulage. Mitarbeitende in den Entgeltgruppen S 2 bis S 11a erhalten 130 Euro pro Monat, Beschäftigte in den Entgeltgruppen S 11b bis S 15, Fallgruppe 6, von 180 Euro pro Monat. Dabei haben die Beschäftigen die Möglichkeit, die Zulage im Umfang von einem beziehungsweise zwei Arbeitstagen pro Jahr in freie Tage umzuwandeln. Wann diese Tage genommen werden können, orientiert sich an

den betrieblichen/dienstlichen Verhältnissen.

Stufenlaufzeiten und neue Zulagen Darüber hinaus haben sich die Tarifvertragsparteien auf die Verkürzung der Stufenlaufzeiten ab dem 1. Oktober 2024 geeinigt. Diese sind an den Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst (TVöD) angeglichen worden. So werden zum Beispiel Beschäftigte, die zu diesem Datum in der Stufe zwei einer

Im Dezember startet die Tarifrunde zwischen den Gewerkschaften sowie Bund und Kommunen auf Arbeitgeberseite. Für die Kommunen sind es nach den Ärzten, Erziehern und Sozialarbeitern die dritten Verhandlungen in diesem Jahr, auch wenn der Abschluss erst 2023 erreicht werden wird. Bleibt abzuwarten, was die Kommunen finanziell noch leisten können, nachdem sie zum zweiten Mal an die Grenze des Machbaren gegangen sind. Gewerkschaftsseitig ist eine Forderung von um die fünf Prozent denkbar, zuzüglich weiterer struktureller Forderungen. Das zeigt zumindest der Blick auf die Forderungen der letzten sieben Jahre. Diese lagen zwischen 4,8 und sechs Prozent, teils mit sozialer Komponente in Form eines Sockelbetrages oder mit einer Mindestforderung. Letztere zwischen 150 und 200 Euro.

Bundeskongress

Bundeskongress

Kommunale Verkehrssicherheit

Kommunale Ordnung

den Jobcentern betreut. Damit fallen sie nicht mehr unter das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), sondern wechseln in die Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II). Um Leistungen der Grundsicherung beziehen zu können, ist eine Aufenthaltserlaubnis nötig sowie eine zweifelsfreie Klärung der Identität. Damit bietet die Bundesagentur für Arbeit alle Hilfen aus einer Hand. Neben dem Bezug der Grundsicherung beraten die Jobcenter beim Eintritt in den Arbeits- oder Ausbildungsmarkt, helfen bei Bedarf bei der Suche nach einer Kinderbetreuung, beim Spracherwerb sowie bei der Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen. Ziel ist es, die Menschen ausbildungsadäquat zu vermitteln.

Eea für 27 Kommunen (BS/mj) “Noch mehr als bisher brauchen wir die engagierte Arbeit der Landkreise, Städte und Gemeinden”, erklärte Dr. Andre Baumann, Umweltstaatssekretär in Baden-Württemberg, anlässlich der Verleihung der European Energy Awards (eea) an 27 Kommunen im Ländle. Im Rahmen des eea, einem europäischen Qualitätsmanagementsystem und Zertifizierungsverfahren, werden Klimaschutzaktivitäten der Kommunen systematisch erfasst und bewertet. Um die Potenziale der Städte, Gemeinden und Landkreise auszuschöpfen, werden passend für die jeweilige Kommune Maßnahmen geplant, gesteuert und regelmäßig überprüft. Das baden-württembergische Umweltministerium berät interessierte und teilnehmende Kommunen, fördert die Teilnahme mit einem Festbetrag von 10.000 Euro und organisiert den Austausch zwischen den Kommunen im Südwesten.

27. & 28. September 2022

Informationen und Anmeldung unter

Signal Iduna Park (Westfalenstadion), Dortmund

www.kommunale-verkehrssicherheit.de | www.kommunale-ordnung.de

Veranstaltungen des


Kommunalpolitik

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Behörden Spiegel / Juni 2022

Lage der Bauindustrie wird kritisch

Dreifeldhalle aus Holz

Planungssicherheit, Stoffpreisklauseln, BIM und Nachhaltigkeit beim Bau

Nachhaltige Sporthalle für Hamburgs Bezirk Eimsbüttel

(BS/Jörn Fieseler) Anfang 2022 standen fast alle Ampeln für das Bauhauptgewerbe auf Grün. Nur beim öffentlichen Bau zeigte sich ein erster (BS/mj) “Wachsende Stadtteile erfordern wachsende soziale InfraAuftragsrückgang. Inzwischen hat sich die Lage beim nicht nur Bundesbau deutlich verschlechtert. Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges sind struktur”, freut sich Kay Gätgens, Eimsbüttler Bezirksamtsleiter, anallerorts spürbar. Zugleich appelliert die Branche an Bund, Länder und Kommunen. lässlich des Richtfests der neuen Holzbau-Sporthalle der Stadtteilschule Eidelstedt. Und Hamburgs Schulsenator Ties Rabe ergänzt: “Das Gebäude wird zudem besonders klimafreundlich gebaut: Mit 90 Prozent der Bauunternehmen Gründach, Photovoltaikanlage auf dem Dach und einer nachhaltigen spüren direkte oder indirekte AusHolzkonstruktion statt Beton und Zement erfüllt es den hohen Enerwirkungen des Ukraine-Krieges. So giestandard KfW 40.” das Ergebnis einer Umfrage unter den Mitgliedern der Bauindustrie, genauer gesagt dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. “Rund ein Drittel beziehen Baumaterialien aus Russland oder der Ukraine und fast alle haben ihre Geschäfte mit den beiden Ländern einschränken müssen oder planen dies”, berichtet Peter Hübner, Präsident des Bauverbands. Eigentlich komme etwa ein großer Teil des Stahls, der für Stahlbeton verwendet werde, aus dem ukrainischen Stahlwerk Mariupol. Seitdem das umkämpfte Stahlwerk nicht mehr produziere, sei es zu einer echten Angebotsknappheit bei diesem Baustoff gekommen. Habe eine Tonne Stahlbeton vor rund 1,5 Jahren noch 530 Euro gekostet, liege der Preis heutzutage bei um die 1.400 Euro.

Auswirkungen auf Auftragsvergabe Auch ein Öl-Embargo wirke sich auf die Baustoffindustrie direkt aus. Die Ölraffinerie in Schwedt produziere etwa ein Drittel des in Deutschland verwendeten Baustoffs Bitumen. Die aus Erdöl gewonnene, schwarz-klebrige Substanz werde überwiegend im Straßenbau, aber auch bei Dachbahnen und im Bautenschutz eingesetzt. Falle dieser Rohstoff aus, könne bald keine Straße mehr gebaut werden, zeichnet Hübner ein dunkles Bild. Hinzu komme: “Unsere Lieferanten bieten aktuell nur Tagespreise und nicht mehr die sonst üblichen Festpreise.” Das mache es sehr schwer bis fast unmöglich, Kalkulationen im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen zu erstellen. Zwar gebe es die Stoffpreisgleitklauseln, durch die die Auftragnehmer die Baustoffkosten an den öffentlichen Auftraggeber weitergeben könnten, doch viele Unternehmen würden entweder mit überhöhten Preisen kalkulieren und diese anbieten oder überhaupt kein Angebot abgeben, beschreibt Hübner die Situation.

Öffentliche Hand gefordert “Wir hoffen, dass sich 2024 alles wieder ins Positive rückt”, sagt der Verbandspräsident. Bis dahin gelte

Damit auch in den nächsten Jahren weiter in Deutschland gebaut werden kann, wie hier in Berlin, darf die öffentliche Hand ihre Investitionen nicht zurückfahren. Foto: BS/Sina Ettmer, stock.adobe.com

es jedoch, zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen. Gemeinsam mit der öffentlichen Hand. Für diese sind die stark steigenden Baupreise ebenfalls problematisch. Die Summe für Investitionen ist in den öffentlichen Haushalten schon festgelegt. Verteuern sich die Baupreise stärker als bei der Haushaltsaufstellung angenommen, geht dies zulasten geplanter Projekte. Mit anderen Worten: Es gibt weniger Bauten für das vorgesehene Geld.

Mehr BIM und partnerschaftliches Bauen Folglich muss der gesamte öffentliche Bau effizienter werden. Aus Sicht von Hübner sind dafür zwei Ansätze nötig: Erstens die Digitalisierung und zweitens mehr Kooperationen zwischen öffentlichem Auftraggeber und ausführenden Unternehmen. “Die öffentliche Hand sollte das Building Information Modelling (BIM) vermehrt ausschreiben”, so Hübner. Schließlich lägen dessen Vorteile klar auf der Hand. So könnten nicht nur Planungsfehler vermieden werden und die jeweiligen Gewerke an einem Modell arbeiten. Der Einsatz von BIM führe auch dazu, dass insgesamt weniger Menschen mit der Planung einzelner Projekte befasst seien. Doch vor allem in den kommunalen Bauämtern sei BIM oftmals noch ein Fremdwort. Zum anderen könne parallel zur

Einführung von BIM ein lang gehegter Wunsch der Branche realisiert werden: nämlich die Einbeziehung der bauausführenden Unternehmen schon während der Planung. “Wir brauchen diese partnerschaftliche Zusammenarbeit”, so Hübner. Gemeinsames Planen und Bauen könne das alte Prinzip vom “Bauen und Streiten” ersetzen. “Wir haben die Bauerfahrung, diese wollen wir schon in der Planungsphase einbringen.”

Bauen und Nachhaltigkeit Angesichts der dramatischen Situation bei den Baustoffen rücke das Thema Nachhaltigkeit weiter in den Fokus. In den letzten Jahren seien vier Millionen Tonnen Asphalt pro Jahr verbaut worden. Damit die Aktivitäten im Straßenbau weiterhin auf diesem Niveau bleiben könnten, sei es notwendig, wieder verstärkt heimische Rohstoffe wie Sand und Kies zu nutzen. Doch aus Umweltschutzgründen hätten manche Bundesländer Sandgruben und Steinbrüche geschlossen. Neben der Nutzung dieser Ressourcen fordert die Branche zudem, stärker Abfallstoffe wie Bauaushübe wiederzuverwenden. “Abfälle als recycelt zu bezeichnen, geht aktuell nicht ohne ein entsprechendes Zertifikat”, beschreibt Hübner die Situation. (Anmerkung der Redaktion: Damit sind diese Stoffe häufiger geprüft und hinsichtlich möglicher Schadstoffe überwacht

worden als natürliche Ressourcen.) Doch bislang fänden sich recycelte Baustoffe noch zu selten in den Leistungsbeschreibungen öffentlicher Ausschreibungen.

Kassensturz vermeiden “Wir brauchen die Investitionen der öffentlichen Hand auch zur eigenen Planungssicherheit”, so Hübner. In den letzten zwei Jahren sei sehr viel seitens der öffentlichen Haushalte investiert worden, weshalb die Branche gewachsen sei. Aktuell beschäftige sie über 910.000 Menschen. Diese Zahl soll im laufenden Jahr auf 920.000 Beschäftigte im Bauhauptgewerbe ansteigen. Andernfalls ließen sich politische Vorgaben nicht umsetzen. Schon jetzt sei absehbar, dass die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgeschriebenen 400.000 neuen Wohnung pro Jahr nicht realisierbar seien. Die Branche habe bisher zwischen 315.000 und 320.000 Wohnungen gebaut. Um das letzte Viertel bis zur neuen Zielmarke zu erreichen, müssten auch die Wohnungsbauunternehmen ihre personellen Kapazitäten noch mal um ein Viertel aufstocken. Deshalb dürften die öffentlichen Auftraggeber und politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen in den nächsten Jahren nicht auf die Sparbremse treten und einen Kassensturz machen. Andernfalls drohe sich die Entwicklung der letzten Jahre ins Gegenteil zu kehren.

Die Dreifeldhalle am Niekampsweg, deren Gesamtkosten sich auf rund sechs Millionen Euro belaufen, soll Ende 2022 fertiggestellt werden und dann den Schülerinnen und Schülern der fünfeinhalbzügigen Stadtteilschule Eidelstedt, der beruflichen Schule BS24 und dem Sportverein SV Eidelstedt zur Verfügung stehen. “So wirken Schule und Bildungsbau tief in den Stadtteil hinein – fest verankert im Quartier und als Ort der sozialen Vernetzung”, erklärt Mandy Herrmann, Sprecherin der Geschäftsführung der SBH | Schulbau Hamburg und GMH | Gebäudemanagement Hamburg GmbH, welche als städtische Realisierungsträger die moderne Dreifeldhalle errichten.

Quartiersförderung Ein Drittel der Baukosten trägt das Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung (RISE), welches lebendige und stabile Quartiere und damit den sozialen Zusammenhalt in der Stadt fördert.

darunter rund 3,8 Millionen Euro aus RISE-Mitteln. Und es seien weitere Investitionen von insgesamt rund 21 Millionen Euro vorgesehen. “Auch hier wird RISE über drei Millionen Euro beisteuern, damit Eidelstedt noch lebenswerter wird”, so Stapelfeldt.

Modern, groß, klimafreundlich Ursprünglich war nur der Bau einer Zweifeldhalle für den Schulbetrieb geplant. Damit auch der Vereinssport und die aktiven Menschen im Stadtteil von der Halle profitieren, wurde in Abstimmung mit der Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) und dem SV Eidelstedt – sowie mit Unterstützung durch den Bezirk Eimsbüttel und der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) – wurde ein weiteres Hallenfeld eingeplant. Mit der Fertigstellung Ende des Jahres bieten rund 1.800 Quadratmeter Mietfläche Raum für drei Sportfelder und einen modernen Umkleidetrakt. Das

So soll die Stadtteilschule aussehen. Grafik: BS/MRO Partnerschaft mbB Architekt Kahnert Beratender Ingenieur Martens

RISE fasst die Programme der Städtebauförderung unter einem Dach zusammen und hat im Jahr 2021 rund 57,7 Millionen Euro öffentliche Mittel in den entsprechenden Fördergebieten eingesetzt. Hamburg umfasst derzeit 34 RISE-Fördergebiete in 27 Quartieren. Laut Dr. Dorothee Stapelfeldt, Hamburgs Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, wurde das Quartier Eidelstedt-Mitte bereits mit 8,5 Millionen Euro gefördert,

Gebäude mit Holzfassade wird mit Wärmepumpen und einer Photovoltaikanlage ausgestattet, sodass es dem klimafreundlichen Energiestandard KfW 40 entspricht sowie Platz für 1.900 Quadratmeter Gründachfläche auf dem Gebäude bietet. Beim SBH freue man sich über das Vertrauen und die Aufgabe, der Stadtteilschule Eidelstedt und dem ganzen Stadtteil neue Räume für den Sport bauen zu dürfen, erklärt Herrmann.

Fotos: Sina Ettmer, stock.adobe.com und Animaflora PicsStock, stock.adobe.com

14. Bürgermeister*innenkongress

HEIMAT, **

DIE STADT

28.–29. Juni 2022

Hotel Residenzschloss Bamberg

www.buergermeisterkongress.de Eine Veranstaltung des


Digitale Bildung

Behörden Spiegel / Juni 2022

D

as Angebot von Tablets und Notebooks für Schüler/-innen und Lehrkräfte ist riesig. Doch welches Gerät ist am besten für welches Unterrichtsfach und welche Unterrichtsform geeignet und wie können Schüler/-innen durch das passende Endgerät die schulischen Anforderungen noch besser meistern? Wichtig ist, dass der Rechner leistungsstark und flexibel einsetzbar ist. Gleichzeitig spielen die einfache Handhabung und eine robuste Verarbeitung des Geräts eine große Rolle. Für Schulen eignen sich deshalb insbesondere Geräte, die diesen Anforderungen gerecht werden und für Lehrkräfte, Schulleitungen und IT-Verantwortliche sowie für Schüler/-innen gleichermaßen geeignet sind. Die Grundausstattung mit digitalen Endgeräten sollte sich für alle Nutzer ähneln, damit der Unterricht und auch die Administration der Geräte optimal funktionieren. Für den zeitgemäßen Unterricht ist deshalb ein Zwei-in-eins-Convertible-PC ideal, da er die Vorteile des Notebooks und des Tablets in sich vereint.

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Mehr Flexibilität für den Unterricht Besseres Lehren und Lernen mit den digitalen Endgeräten von Acer (BS/Maike Kant) Um zeitgemäßen Unterricht noch besser zu realisieren, sind Notebooks und Tablets wichtig, die ideal zu den Herausforderungen des Schulalltags passen. Damit Schüler/-innen und Lehrkräfte für den Unterricht, die Hausaufgaben oder die Unterrichtsvorbereitung optimal ausgestattet sind, bietet Acer digitale Endgeräte, die speziell für den Bildungsbereich entwickelt wurden. Mit den Acer-Geräten machen Lernen und Lehren noch mehr Spaß und sind effizienter.

Entscheidungsfaktoren bei digitalen Endgeräten

Hohe Leistungsfähigkeit und Konnektivität Der Prozessor, Arbeits- und Datenspeicher sowie die Netzwerkkomponenten (z. B. WiFi) bestimmen die Leistungsfähigkeit eines Rechners. Für mehr Komfort und einfachere Handhabung sorgen vielfältige Anschlüsse und Schnittstellen. So können sich Lehrkräfte unkompliziert und ohne spezielle Adapter und Software mit Druckern, Bildschirmen, interaktiven Touchdisplays oder den Geräten ihrer Schüler/innen verbinden. Gerade die hohe Konnektivität ist für einen reibungslosen Unterricht notwendig, denn die Nutzung von Peripheriegeräten wie digitalen Tafeln oder Druckern gehört mittlerweile zu jeder digitalgestützten Unterrichtsstunde. Außerdem müssen die Lehrkräfte regelmäßig auf die Geräte ihrer Schüler/-innen bei Bedarf zugreifen können, um Informationen zu teilen, Zugriffe auf Apps und Programme zu ermöglichen oder zu sperren. Für einen differenzierten Unterricht sind dies wichtige Faktoren, die die individuelle Förderung je nach Leistungsstand der Schüler/-innen gewährleisten.

Die flexiblen und leistungsstarken Acer Convertible-Modelle sind die idealen digitalen Begleiter für die Schule.

TravelMate Spin B3 Das flexible Convertible Acer TravelMate Spin B3 mit dem Notebook-, Zelt- oder Tabletmodus passt sich an jede Lernanforderung an – egal ob im Klassenzimmer oder zu Hause. Dank der vollwertigen Tastatur und dem einschiebbaren Stift wächst das Gerät mit den steigenden Anforderungen mit und garantiert

Foto: BS/Tobias Hase

ein wichtiger Aspekt beim Kauf eines neuen digitalen Endgeräts. So können sie persönliche Daten von Schülerinnen und Schülern und vertrauliche Schulinformationen optimal absichern. Mit dem Acer TravelMate Spin P4 Convertible gestalten Lehrende und Lernende zuverlässig ihren Schulalltag.

TravelMate Spin P6 Besonders vielseitig und leistungsfähig sind Intel® Evo™ Notebooks wie das Acer TravelMate Spin P6. Das Convertible mit integrierter Intel® Evo™ Technologie lädt schnell und verfügt über eine besonders lange Akkulaufzeit von bis zu 20 Stunden.

Mehrwert eines Zwei-ineins-Gerätes So unterschiedlich die Anforderungen bei Lehrkräften, Schulleitungen, IT-Verantwortlichen und Lernenden sind, so relevant ist es, dass alle mit ähnlicher Hardware ausgestattet sind. Deshalb sind Zwei-in-eins-Convertible-PCs besonders für den Schulalltag geeignet. Diese Gerätetypen von Acer sind die passenden Begleiter in der Schule. Denn sie sind für jedes Unterrichtsfach geeignet und können dank ihrer hohen Flexibilität sowohl in der Schulstunde, bei der Unterrichtsvorbereitung, den Hausaufgaben oder für die Administration genutzt werden. Mit einem Zwei-in-eins-Convertible-PC, der sich im Handumdrehen vom Notebook in ein Tablet verändern lässt, kann das Arbeiten für Schüler/-innen und Lehrkräfte flexibel an den unterschiedlichsten Orten stattfinden.

praxisnah aufzeigt, wie neue Technologien sinnvoll und gewinnbringend in den bestehenden Lehrplan und in den täglichen Unterricht integriert werden. So können neue innovative Lernumgebungen und neue Lernerfahrungen gestaltet werden und die Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern wird nachhaltig gefördert. Das kostenfreie Angebot umfasst vielfältige Fortbildungen zum Thema Digitalisierung in der Bildung. Die On-DemandInhalte sind aus vier Stufen frei wählbar, je nach Interesse und Wissensstand. Zusätzlich stehen bereits 70 Unterrichtspläne für verschiedene Fächer und insgesamt 140 Stunden Unterrichtszeit zur Verfügung. Handbücher, Präsentationen, Reflexionsfolien, Arbeitsblätter und viele weitere ergänzende Materialien machen das Paket komplett.

Das Acer TravelMate Spin im Acer schoolTab-Bundle

auch bei längerer Bearbeitungsdauer produktives Schreiben und Zeichnen. Dank des kompakten und sehr robusten Designs hat das Gerät eine besonders lange Lebensdauer. Mit der umlaufenden Gummikante übersteht der mobile Lernbegleiter selbst Stürze aus bis 122 cm Fallhöhe sowie Wasserschäden. Auf Wunsch wird das Gerät auch mit zusätzlichem RAM Speicher, einer verlängerten Garantie sowie passendem Zubehör ganz individuell angeboten. Eine ganztägige Akkuleistung sowie die zweite Kamera, die nach außen gerichtet ist, komplettieren seine Ausstattung.

Acer schoolTab-Bundle Eine Eins-zu-eins-Ausstattung von Lernenden ist für guten digitalgestützten Unterricht unerlässlich. Deshalb bietet die Gesellschaft für digitale Bildung (GfdB), Anbieter von digitalen Komplettlösungen für Schulen, das Acer schoolTab-Bundle an – ein elternfinanziertes Komplettpaket für den digitalen Unterricht. So erhalten alle Schüler/-innen die Möglich-

keit, ihr eigenes Acer Convertible, das TravelMate Spin B3, in der Schule oder zu Hause zu nutzen. Dank des exklusiven RundumSchutzes sowie des umfangreichen Services, der auch Reparaturen beinhaltet, sorgt das Acer schoolTab-Bundle der GfdB dafür, dass die Geräte im Bedarfsfall abgesichert sind. Um jedem Kind und jedem Jugendlichen die digitale Teilhabe zu ermöglichen, bietet die GfdB zudem eine NullProzent-Finanzierung an. Auch die Ersteinrichtung der Geräte erfolgt über die GfdB. So kann gewährleistet werden, dass die Geräte zeitnah nach dem Kauf auch im Unterricht einsatzbereit sind.

TravelMate Spin P4 Mit diesem Convertible gestalten Lehrende und Lernende zuverlässig ihren Schulalltag. Mit hoher Leistungsfähigkeit und energiesparendem Arbeitsspeicher sowie einer Akkulaufzeit von bis zu 14 Stunden ist das Gerät perfekt für den Unterricht und die Unterrichtsvorbereitung. Mit seinem schlanken Design, robustem Äußeren und geringem Gewicht

Grafik: BS/Acer

passt es in jede Lehrer/-innenund Schüler/-innentasche und kann auch unterwegs unkompliziert zum Einsatz kommen. Der schnelle Wechsel vom

Acer TravelMate Spin P6: mehr Leistungsstärke für Lehrkräfte und Schulleitungen Grafik: BS/Acer

Acer TravelMate Spin P4: der Allrounder für Lehrkräfte und Schüler/-innen Grafik: BS/Acer

Laptop- zum Tabletmodus ermöglicht unterschiedlichste Anwendungsbereiche und seine fortschrittliche Konnektivität ist für Lehrkräfte ideal, um ihren Unterricht zeitgemäß zu realisieren. Ein zusätzlicher TPM-Chip bietet außerdem grundlegende Sicherheitsfunktionen auf Hardwarebasis, sodass das System vor Manipulationen bestens geschützt ist. Dieser Chip ist ebenfalls in das Convertible TravelMate Spin P6 integriert. Für Lehrkräfte ist dies

Auch die Bearbeitung von Videound Fotodateien verkürzt sich mit diesem Convertible deutlich im Vergleich zu anderen digitalen Endgeräten, die an Bildungseinrichtungen genutzt werden. So müssen Lehrkräfte, die mit dem TravelMate Spin P6 ausgestattet sind, keine Wartezeit mehr zu Beginn der Schulstunde einplanen, bis der Rechner endlich einsatzbereit ist. Außerdem sparen sie Zeit bei der Unterrichtsvorbereitung und der Erstellung von Dokumenten. Das Powerpaket TravelMate Spin P6 erleichtert den Alltag der Lehrenden und unterstützt den modernen Unterricht für Schüler/-innen.

Intel® Skills for Innovation Mit Skills for Innovation bietet Intel ein Fortbildungsprogramm speziell für Lehrkräfte an, das

Bei der Geräteauswahl sollte die Langlebigkeit immer an erster Stelle stehen. Notebooks oder Zwei-in-eins-Convertibles mit einem Intel® Core™ i3 oder Intel® Core™-i5-Prozessor der aktuellen elften Generation bieten den Lehrkräften und Schüler/-innen in den nächsten drei bis fünf Jahren die nötige Performance. Für effizientes Arbeiten an der Schule ist es außerdem wichtig, dass die Endgeräte über genügend Arbeitsspeicher verfügen. SchulPCs sollten deshalb mit mindestens 8 GB Arbeitsspeicher ausgestattet sein. Auch die Bildschirmgröße und -auflösung spielen eine wichtige Rolle, um zeitgemäßen Unterricht zu realisieren. Für die meisten Unterrichtsszenarien ist ein Notebook mit einem 1080p-Bildschirm und einer Helligkeit von 250 cd/ m² eine gute Grundausstattung. Die Full-HD-Aufl ösung stellt sicher, dass Text und Bilder scharf dargestellt werden, während die Helligkeit den Einsatz in verschiedensten Lernumgebungen ermöglicht. Für guten digitalgestützten Unterricht ist eine stabile Internetverbindung notwendig und ein ausreichend großer Akku des Notebooks stellt sicher, dass das Gerät auch einen ganzen Schultag über einsatzbereit ist. So ist ein Akku mit ~50 Wh in Verbindung mit einer Intel®-Core™-i5-CPU der aktuellen 11. Generation empfehlenswert. Um den Rechner vielfältig nutzen zu können, sind eine vollwertige Tastatur sowie ein Touchscreen, der über eine Stifteingabe verfügt, unerlässlich. Damit auch mobiles Arbeiten für Lehrkräfte und Schüler/-innen einfach möglich ist, sollte das Gerät zudem leicht (unter 1,6 kg) sein und die Displaygröße in etwa einer Din-A4-Papierseite entsprechen. So können auch handschriftliche Notizen bequem getätigt werden. Beim Kauf sollte ebenfalls auf universelle Anschlüsse sowie auf die Sicherheit von sensiblen Daten geachtet werden. Dank seiner hohen Flexibilität ist ein Zwei-in-eins-Convertible sowohl als echtes Arbeitsgerät mit vollwertiger Tastatur und ausreichend großem Bildschirm als auch im Tabletmodus als mobiler Begleiter in der Schule, zu Hause oder unterwegs passend. Sowohl Lehrkräfte, Schulleitungen als auch Schüler/-innen sind mit den verschiedenen Acer Convertible-Modellen ideal ausgestattet, um mehr Digitalität an ihrer Schule zu erleben. So können sie unkompliziert alle Herausforderungen des modernen Unterrichts einfacher meistern. *Maike Kant arbeitet für die Gesellschaft für digitale Bildung mbH.


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ithilfe der Sitzungen und themenspezifischen Workshops im SCSF sollen neue Smart-Cities-Handlungsfelder identifiziert und daraus neue Standardisierungsprojekte initiiert werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden unter anderem in Impulspapieren der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt (siehe https://www.din.de/ de/forschung-und-innovation/ themen/smart-cities/smartcitiespublikationen). Aus den Aktivitäten des SCSF entstanden mit der DIN SPEC Reihe 913X7 zu Smart Cities (SPEC für englisch “specification”) bisher mehrere Spezifikationen, die unter anderem ein Referenzarchitekturmodell für eine offene urbane Plattform (DIN SPEC 91357), die Anforderungen an eine integrierte multifunktionale Straßenlaterne (DIN SPEC 91347) oder generell eine Übersicht zu den Handlungsfeldern von Kommunen und der digitalen Transformation (DIN SPEC 91387) beinhalten. Eine Übersicht dieser kostenfrei verfügbaren DIN SPECs steht auf der folgenden Webseite zur Verfügung: https://www.din.de/ de/forschung-und-innovation/ themen/smart-cities/normenund-standards/nationale-normen-und-standards.

Digitaler Zwilling für Städte und Kommunen Das Thema digitaler Zwilling wird auf internationaler Ebene unter anderem im ISO/IEC JTC 1/SC 41/WG 6 “Digitaler

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igitale Zwillinge bereichern die Kommunen: Sie bieten eine kleine Zeitreise in die Zukunft und visualisieren Themen, die eigentlich unsichtbar sind. Windströmungen und Klimaveränderungen lassen sich damit aufzeigen oder das Ergebnis von baulicher Aktivität. Wie sieht ein Straßenzug mit neuen Gebäuden aus? Wie verändert sich der Verkehrsfluss, wenn wir die Kreuzung umbauen? Antworten auf diese Fragen werden im digitalen Zwilling virtuelle Realität und damit zentraler Bestandteil für Beteiligung in Planungsprozessen und Grundlage politischer Entscheidungen.

Behörden Spiegel / Juni 2022

Erarbeitung der DIN SPEC 91607 Standardisierung des digitalen Zwillings für Städte und Kommunen (BS/Joachim Schonowski/René Lindner) Das Deutsche Institut für Normung (DIN) betrachtet das übergeordnete Themenfeld Smart Cities bereits seit 2013 intensiv. Die entsprechenden Normungs- und Standardisierungsaktivitäten der relevanten deutschen Normungsgremien werden im Smart City Standards Forum (SCSF) analysiert, koordiniert und teilweise initiiert. Das SCSF als Kooperation der beiden deutschen Normungsorganisationen DIN und DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik, deutsche Normungsorganisation) ist eine Informations- und Vernetzungsplattform für Akteure aus Kommunen, Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Forschung, die die digitale Transformation von Städten und Kommunen vorantreiben möchten.

Joachim Schonowski ist Principal Business Consultant bei der msg systems ag, Vorsitzender des DIN Smart City Standards Forums und Konsortialführer der DIN SPEC 91607. Foto: BS/Andreas Lander

Organisationen, darunter etwa die Hälfte Kommunen und kommunale Verbände, zusammengefunden, um bis Ende 2023 den Standard zu erstellen.

Technische Interoperabilität Verschiedene Trends und Treiber der heutigen René Lindner ist Senior-Projektmanager bei der Gruppe Zeit, wie die diForschung und Transfer bei gitale Revolution DIN und Leiter des Smart City oder der KlimaStandards Forums. wandel, erfordern eine stetige Foto: BS/René Lindner Anpassung der Lebensverhältnisse im kommunalen Zwilling” bearbeitet. Die derzeiti- Raum. Ein Kernziel der digitalen gen Aktivitäten fokussieren sich Transformation von Kommuaber nur bedingt auf Kommunen, nen soll neben einer höheren sodass die geplante DIN SPEC Lebensqualität die Reduktion 91607 diese Lücke füllen wird. des ökologischen Fußabdrucks Im Rahmen der Initiierungsphase durch einen verbesserten Resder DIN SPEC haben sich unter sourceneinsatz und geringere der Steuerung von DIN über 30 Emissionen von Schadstoffen

sein. Ein digitales Abbild einer Kommune basierend auf den verschiedenen kommunalen Daten kann bei diesem Ziel helfen. Daher sind Nutzungsszenarien und, wenn möglich, deren Gruppierung Herzstück der DIN SPEC. Die Kommune kann je nach Anforderung und mit Fokus auf Handlungsfelder (siehe DIN SPEC 91387) wie Mobilität, Energie oder Versorgung und durch Verknüpfung der verschiedenen Daten aus unterschiedlichen Blickwinkeln, z. B. Ober- oder unterirdisch, betrachtet werden. Die Visualisierung der verknüpften Daten kann nun nicht nur für eine verbesserte Quartiers- (siehe DIN SPEC 91397) oder Stadtplanung, sondern auch für viele weitere Nutzungsszenarien genutzt werden – z. B. bei der kommunalen Verwaltung oder für Simulationen unter anderem im Versorgungsbereich. Die DIN SPEC soll dabei helfen, einen ganzheitlichen Blick auf das kommunale Ökosystem – gekoppelt mit einer Darstellung für die

Einsatzvielfalt des digitalen Zwillings In Herrenberg haben Sensornetzwerke und andere digitale Werkzeuge Datensätze gesammelt, um Luftqualität, Verkehrsfluss und Fußgängerströme im digitalen Zwilling sichtbar zu

Nachhaltigkeitsraute: ökologisch, sozial, ökonomisch und technisch Der digitale Zwilling fußt auf den unterschiedlichsten kommunalen Daten wie Sensordaten der kommunalen Infrastruktur (siehe DIN SPEC 91347) einer intelligenten Kommune, Verwaltungsdaten oder Daten der verschiedenen kommunalen Handlungsfelder. Diese werden in einer offenen, Standard-basierten urbanen Datenplattform in einem System von Systemen zusammengeführt (siehe DIN SPEC 91357). Dabei soll der nationale Standard nicht nur die technische Seite einer Nachhaltigkeitsraute abbilden, sondern auch ökologische, soziale und ökonomische Themen wie die Nachhaltigkeitsziele der Ver-

Virtueller Blick in die Zukunft der Stadt Computermodelle zur Visualisierung kommunaler Entwicklungsprojekte nutzen

Wirksamkeit von Maßnahmen zu prüfen. Eine Verknüpfung mit meteorologischen Modellen zur Verifizierung ist jederzeit möglich.

Laufende Aktualisierung des (BS/Susanne Schreiber) “Was wäre, wenn…?” – diese Frage treibt viele Akteure auf kommunaler Ebene um. Stadtplaner und Gemeinderäte, Behör- digitalen Zwillings

denchefs und Bürgerinitiativen, Projektgruppen und runde Tische bringen gemeinsam Stadtentwicklung voran. Und dabei stoßen sie immer wieder Nur durch aktuelle Daten kann auf ein Problem: Zukunftspläne sind meist abstrakt und wenig anschaulich. Wie aber soll man guten Gewissens Richtungsentscheidungen für die der digitale Zwilling eine korZukunft einer Stadt treffen, von der man sich kein Bild machen kann? Der digitale Zwilling macht Planungsalternativen im virtuellen Raum greifbar rekte Abbildung der jeweiligen und hilft dabei, dieses Dilemma zu lösen. Projekte ermögli-

chen und bleibt attraktiv. Wichtig ist dafür ein Ansprechpartner in der Kommune, der sein FachwisSusanne Schreiber ist die sen einbringt und Baubürgermeisterin der Stadt Herrenberg. die erforderlichen Daten in ZusamFoto: BS/Stadt Herrenberg menarbeit mit den Fachämtern und den Schnittstellen der Uni Stuttgart Baumstandorte oder Blumen- und des Höchstleistungszentkästen Sensoren, damit diese rums ständig einpflegt und aufDaten ebenfalls für den digitalen bereitet. Zwilling zur Verfügung stehen.

Vom digitalen Zwilling profitieren Die Stadtverwaltung Herrenberg hat sich 2016 für den digitalen Zwilling entschieden, als sich größere städtebauliche Entwicklungspotenziale in der Kernstadt abzeichneten. Mit dem Höchstleistungszentrum der Uni Stuttgart (HLRS) wurden in Herrenberg durch das Forschungs- und Kooperationsprojekt verschiedene digitale Ansätze eröffnet, um die Auswirkung von stadtplanerischen Entscheidungen transparent zu machen. Drei Jahre später konnte die Bürgerschaft beim städtischen Neujahrsempfang mit einer 3D-Brille in der sogenannten Cave des HLRS – einem kleinen, abgetrennten Raum, der unglaubliche Mengen an Daten und Technik beinhaltet, aber räumlich leicht im Foyer der Stadthalle unterkommt – auf virtuelle Wanderschaft durch ein Herrenberg der Zukunft gehen. Gerade für die Jugendbeteiligung beim Thema Mobilitätsplanung brachte dieses Instrument einen spürbaren Mehrwert. Herrenberg gehört mit Stuttgart bislang zu den einzigen Modellkommunen. Weitere Referenzprojekte werden derzeit angegangen.

technische Umsetzung in Form einer auf Standards basierenden Referenzarchitektur – zu bieten. Diese technische Interoperabilität soll die Bildung eines technischen Flickenteppichs sowie System- oder Herstellerabhängigkeiten vermeiden.

einten Nationen, Planungsprozesse mit Bürgerbeteiligung oder Betreiber- und Geschäftsmodelle im Sinne einer nachhaltigen Kreislauflogik und Wirksamkeit integrieren. Ein Reifegradmodell soll unter Berücksichtigung verschiedener Parameter und der Gruppierung von Nutzungsszenarien entwickelt werden, um anderen Städten und Kommunen bei der Entwicklung ihrer digitalen Zwillinge als Orientierungshilfe zu dienen. Technologisch soll dies in eine Art modularen Baukasten überführt werden. Die geplante DIN SPEC 91607 beschreibt damit eine übergreifende Architektur für den digitalen Zwilling für Städte und Kommunen und soll auch international nutzbar sein. Ein Abgleich mit dem Stand der oben genannten europäischen und internationalen Standardisierungsaktivitäten zum digitalen Zwilling findet parallel zur Erstellung der DIN SPEC statt. Die geplante englischsprachige Übersetzung kann daher auch international verwendet werden. Initiiert wurde der geplante nationale Standard durch das BMI-geförderte Projekt “Connected Urban Twins” der Städte Hamburg, Leipzig, München und die msg systems ag. Mehr Informationen zur DIN SPEC 91607 sind unter dem folgenden Link verfügbar: https:// www.din.de/de/forschung-undinnovation/themen/smart-cities/ aktuelles/der-digitale-zwillingfuer-staedte-und-kommunenkommt--859000 .

Digitale Datenströme in Herrenberg

Foto: BS/HLRS

So sieht es innerhalb der Cave des HLRS mit der Präsentation von Herrenberg aus.

Foto: BS/HLRS

machen. Auch die Ausbreitung von Emissionen lässt sich im dreidimensionalen Raum, also im Stadtraum, erstellen. Das Höchstleistungszentrum Stuttgart hat hierfür eine App entwickelt, die von Jugendlichen mit

sämtlichen Daten befüllt wurde. Die Jugendlichen konnten mit der App Daten sammeln, ihre Stimmungen an unterschiedlichen Plätzen beschreiben und mitteilen, wie sie die Situation empfunden haben. Zusätzlich

konnte die App mit Geräuschen oder Bildmaterial befüllt werden. Diese Informationen wurden über den digitalen Zwilling anschaulich und verständlich dargestellt. Kontinuierlich erhalten die Herrenberger Mülleimer,

Anstehende Projekte

Wichtiges Instrument für Partizipation

Der digitale Zwilling soll insbesondere bei der Überarbeitung der Gestaltungsrichtlinie im Rahmen des vom Bund geförderten Rahmenkonzepts Altstadt eingesetzt werden. Bei diesem Projekt können beispielsweise die Visualisierungen der veränderten Fassaden oder eine potenzielle PV-Pflicht auf Dächern der Bürgerschaft dargestellt werden. Der digitale Zwilling ist für die Stadt Herrenberg auch ein wichtiges Hilfsmittel zur Planung von Klimaanpassungsmaßnahmen und für das vorausschauende Warnmanagement bzgl. signifikanter Wetterereignisse wie Hitzebelastung oder Flutereignissen. Mit Referenzwetterstationen lässt sich ein 3D-Abbild der Hitze- und Kältebelastung, der Luftfeuchtigkeit und weiterer Parameter wie Wind oder Regenmengen im Kernstadtbereich erstellen. Die Information kann zur Planung von Grünflächen, Bäumen, Wasserflächen und Brunnen oder zur Warnung der Bevölkerung genutzt werden. Das Konzept ist beliebig skalierbar, das Messnetz soll mittelfristig in weitere Bereiche der Stadt Herrenberg ausgedehnt werten. Das Messnetz erlaubt es, die

Für die Mitmachstadt Herrenberg bietet der digitale Zwilling in Sachen Beteiligung einen echten Mehrwert. Die Visualisierung trägt dazu bei, komplexe Sachverhalte überschaubar darzustellen und abstrakte Konzepte greifbar zu machen. Viele Planungsprozesse erleben das sogenannte Beteiligungsparadoxon. Das Interesse an Beteiligung wird demnach immer größer, je weiter die Planungen vorangeschritten sind und je konkreter und anschaulicher die Themen werden. Leider ist zu diesem Zeitpunkt aber auch der Gestaltungs- und Einflussspielraum am geringsten und es kommt zu Widerständen. Die Stärken einer digitalen Mitmachstadt, die Instrumente wie den digitalen Zwilling einsetzt, liegen genau hier: in der Unterstützung frühzeitiger und informeller Beteiligungsformate, die im besten Fall für Transparenz und Akzeptanz sorgen. Lassen Sie sich vom digitalen Zwilling inspirieren und nutzen Sie die Chance der digitalen Weiterentwicklung in ihren Kommunen. Dazu möchte ich Sie ermutigen und stehe als Gesprächspartnerin für interessierte Kommunen gerne zur Verfügung.


Kommunalpolitik

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Vier Fragen – vier Antworten Interview mit dem Heidelberger Klimabürgermeister, Raoul Schmidt-Lamontain Foto: BS/Philipp Rothe

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ehörden Spiegel: Ein großer Teil Ihrer Aufgaben als Klimabürgermeister ist die nachhaltige Mobilität. Welche Rolle spielt in Ihrer Politik das Fahrrad als emissionsfreies Verkehrsmittel?

Push und Pull für die Mobilitätswende Öffentlicher Raum soll nicht durch parkende Autos geprägt werden

(BS) Das Amt des Klimabürgermeisters gibt es in Deutschland nur zwei Mal. Vor allem Mobilitäts- und Energiethemen stehen vorwiegend auf der Agenda, wenn es darum geht, nachhaltige und klimafreundliche Politik zu betreiben. Im Gespräch mit Paul Schubert klärt der Heidelberger Schmidt-Lamontain: Zualler- Klimabürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain darüber auf, welche Ziele sich die “Fahrradhauptstadt des Südens” in diesen Bereichen gesetzt hat.

erst setzen wir auf den Umweltverbund. Wie in den meisten deutschen Städten versuchen wir auch in Heidelberg, uns vom Auto beziehungsweise von Verbrennungsmotoren zu lösen. Ein Ziel ist es, die Stadt dabei noch lebenswerter zu gestalten. Dabei setzen wir nicht nur auf das Fahrrad, sondern möchten einen Dreiklang aus Fahrrad, Öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) und Fußverkehr schaffen. Beim Radverkehr sind wir schon auf einem guten Niveau angelangt, Heidelberg ist die “Fahrradhauptstadt des Südens”. Um diesen Status weiter auszubauen, muss eine noch sicherere und komfortablere Infrastruktur geschaffen werden. Vor allem im innerstädtischen Verkehr fungiert das Fahrrad als unser Hauptbaustein – mittlerweile wird es vom Elektrofahrrad flankiert. Besonders wichtig ist die Kooperation mit den umliegenden Gemeinden, weil sich mit Pedelecs und Co solche Distanzen gut zurücklegen lassen. Wir ar-

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m Kooperationsprojekt “Connected Urban Twins – Urbane Datenplattformen und Digitale Zwillinge für Integrierte Stadtentwicklung” (CUT) haben sich die Städte Hamburg, München und Leipzig im vergangenen Jahr gemeinsam auf den Weg gemacht, die Entwicklung digitaler Zwillinge für Städte und Kommunen voranzutreiben. Der aktive Wissenstransfer innerhalb des Projektes und die Replikation über seine Grenzen hinaus sind außerdem zentraler Bestandteil des Projektes.

beiten intensiv daran, ein Radverkehrskonzept zu entwickeln, sodass auch die umliegenden Städte mit Fahrradschnellwegen erreicht werden können. Ich persönlich nutze ein Lastenfahrrad, was das Auto aus meiner Sicht vollumfänglich ersetzen kann. Morgens kann ich die Kinder damit in die Kita fahren, dann zur Arbeit radeln und später im Bedarfsfall einkaufen gehen. Die Transportmenge dieser Räder ist schon beeindruckend. Behörden Spiegel: Die Mobilitätswende hat natürlich auch ihre Nachteile für Bürgerinnen und Bürger. Im Zuge der Parkraumbewirtschaftung gibt es mittlerweile sehr wenig kostenfreie Stellflächen für den motorisierten Individualverkehr. Was für Gespräche führt mit man mit Bürgern, die von diesem Wandel enttäuscht sind? Schmidt-Lamontain: Wenn es um den Stellplatz vor der eigenen Haustür geht, ist die Diskussion

meist sehr emotional. Ich kann das gut nachvollziehen, weil wir in den letzten 70 Jahren stark auf das Auto konditioniert wurden – Stichwort “autogerechte Städte”. Die Konflikte, die aus diesen unterschiedlichen Zielvorstellungen entstehen, werden auch in der Verkehrsplanung beachtet – dabei geht es auch um soziale Fragestellungen. Wir müssen klären, wie Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden können, die sich den ÖPNV nicht leisten können oder die aufgrund ihres Arbeitswegs oder ihrer Arbeitszeiten weiter auf das Auto angewiesen sind. Daher müssen wir sensibel und gleichzeitig klar kommunizieren, dass niemand den Anspruch auf einen kostenfreien Parkplatz im öffentlichen Raum hat. Der Fokus liegt nichtsdestotrotz darauf, wie die Infrastruktur aufgebaut werden kann, um möglichst vielen Menschen den Umstieg auf den ÖPNV zu ermöglichen. In der Verkehrstheorie gibt es dafür die

Push- und Pull-Maßnahmen, die gleichermaßen vorangetrieben werden müssen. Denn es gibt immer noch genug Leute, die das Auto aus reinem Komfort nutzen – da müssen wir den Druck erhöhen – und Menschen, denen der Radverkehr noch zu unsicher ist – ihnen können wir die Angst durch eine sichere Verkehrsplanung nehmen. Behörden Spiegel: Dennoch werden die Autos ja nicht verschwinden. Wie wird der Parkraum, der aktuell im Zuge der Verkehrsplanung eine andere Nutzung findet, wieder neu eingerichtet? Schmidt-Lamontain: Natürlich bauen wir nach wie vor Stellplätze für Autos. Beim Gebäudeneubau fordern wir ein, dass diese mittels Tiefgaragen oder Ähnlichem integriert werden. Wie auch immer die Mobilität der Zukunft aussehen wird: Es wird immer einen Anteil an individu-

eller Mobilität geben. Selbstverständlich wollen wir jetzt nicht jeglichen Parkraum in der Stadt abschaffen. Zumal ja auch die individuelle Mobilität der Zukunft – wie auch immer sie aussehen wird – Abstellplätze benötigen wird. Aber: Der öffentliche Raum ist besonders sensibel. Er sollte nicht durch herumstehende Autos geprägt werden. Wir brauchen den Platz, um die Infrastruktur für andere Verkehrsangebote wie Fahrradspuren und Fußgängerwege einzurichten. Wir möchten hier stärker auf Eigenverantwortung setzen, damit Menschen, die sich ein Auto anschaffen, Stellplätze anmieten und nicht darauf setzen, es im öffentlichen Raum kostenfrei zu parken. Behörden Spiegel: Neben Mobilitätsfragen steht in der aktuellen Situation auch das Energiemanagement auf dem Prüfstand. Heidelberg möchte bis 2030 bei der Fernwärme CO²-neutral werden. Wie wird die Stadt das schaffen?

Connected Urban Twins Digitale Zwillinge für Städte und Kommunen (BS/Dr. Nora Reinecke) Seit Jahrzehnten werden Daten im städtischen Umfeld erhoben. Die Zusammenführung dieser in urbanen Datenplattformen und digitalen Zwillingen ist als Höhepunkt dieser Entwicklung zu begreifen. Die Chance: fundiertere Planungsentscheidungen in der Stadtentwicklung treffen und diese nachvollziehbarer für unterschiedliche Zielgruppen machen.

Daten als Fundament

Für die Entwicklung von digitalen Zwillingen ist der Dr. Nora Reinecke hat die Gesamtprojektweitere Ausbau l e i t u n g f ü r Co n n e c der städtischen ted Urban Twins inne. Datenplattformen und GeodatenFoto: BS/privat Sehen, verstehen und intelliinfrastrukturen gent unterstützen elementar. Die zentrale HerausDigitale Zwillinge für Städte und Kommunen bündeln die werden. Komplexe städtische Zu- forderung im CUT-Projekt: Die vielfältigen Daten einer Stadt auf sammenhänge werden mit digi- funktionale Ausprägung der Da- Der konzeptionelle Ansatz urbaner digitaler Zwillinge urbanen Datenplattformen. Ein talen Zwillingen auch für Nicht- teninfrastrukturen ist von Stadt Grafik: BS/Connected Urban Twins urbaner digitaler Zwilling ist ein Fachleute nachvollziehbar. So zu Stadt verschieden. Eine wesentliche Gemeinsam- Urban Data Platform Hamburg Projektes geht davon aus, dass intelligentes und realitätsnahes entstehen eine fundierte Basis digitales Abbild der Stadt. Er ist für den Diskurs, neue Möglich- keit der drei städtischen Daten- (UDP_HH) beispielsweise, die der alle verfügbaren Daten über die vertrauenswürdig, zuverlässig keiten für die Bürgerbeteiligung infrastrukturen sind die Prozesse Landesbetrieb Geoinformation Stadt, ihre physischen Bestandund kann zur Visualisierung, und letztlich schnellere und neu zur Integration von Daten – also und Vermessung (LGV) betreibt, teile und logischen Strukturen Auswertung und Simulation von durchdachte Entscheidungen in wie welche Daten in die urbanen gelingt es der Stadt Hamburg sowie die beteiligten Akteurinnen Datenplattformen fließen. Mit der schon seit vielen Jahren, Daten- und Akteure und ihre Prozesse städtischen Prozessen genutzt der Stadtentwicklung. silos aufzubrechen und Daten organisiert und verfügbar geverfügbar zu machen. Jedoch macht werden. Digitale Ressourgibt es auch Unterschiede in den cen einer Stadt, wie beispielsweidrei städtischen Datenplattfor- se Geobasisinformationen und men, die im Projekt als Poten- Fachdaten, bilden die Grundlage zial zum Erfahrungsaustausch für die Erstellung urbaner digesehen werden. Ein Beispiel gitaler Zwillinge (siehe Grafik). Forum für Kämmerei und Kassenwesen, Beteiligungen, Personal, Organisation und Rechnungsprüfung hierfür ist die bereits etablierte Aus diesen digitalen Ressourcen Echtzeitdateninfrastruktur der können nun Instanzen erstellt UDP_HH und das diesbezüg- werden, um Anwendungsfällich generierte Wissen, welches le und konkrete Aufgaben aus 14.–15. Juni 2022, GOP Varieté-Theater Bonn mit den anderen Städten geteilt der Stadtentwicklung zu lösen – egal ob es beispielsweise um werden kann. Christian Pfromm, Chief Di- Wohnräume oder Verkehrswege, Unter anderem mit: gital Officer der Freien und Energie- oder Wasserversorgung Hansestadt Hamburg: “Als ein geht. Robert Scheller, Dr. Miriam Mikus, Werner Gatzer, Kämmerer der Kämmerin und Staatssekretär, Es gibt also nicht “den” digiSchwerpunktthema der HamStadt Würzburg Erste Beigeordnete Bundesministerium burger Digitalstrategie soll der talen Zwilling für Städte und der Stadt Detmold der Finanzen digitale Zwilling Eingang in die Kommunen, sondern vielmehr Verwaltungspraxis finden. Unse- ein Baukastensystem. Die more Urban Data Platform hat sich dular aufgebauten digitalen Kommunalfinanzen in der Krise: Personalführung im Homeoffice: Corona hat die deutsche als Werkzeug in der Stadtent- Zwillinge sind für die jeweiligen Welche Spätfolgen hat Corona Herausforderung in der Pandemie – Schuldenuhr explodieren lassen – für Kommunen? Chance für die Zukunft wie geht es weiter? wicklung dabei bereits bewährt.” Zielgruppen einfach zugänglich und verständlich aufbereitet. Baukastensystem für urbane Sie ermöglichen übertragbare Fotos (v.l.n.r.): Stadt Würzburg / Katrin Heyer; Stadt Detmold; Bundesministerium der Finanzen / Photothek digitale Zwillinge Lösungen und Konzepte und Der konzeptionelle Ansatz urba- fördern die digitale Souveränität Weitere Informationen zur Veranstaltung sowie Online-Anmeldemöglichkeit unter: www.finanz-gipfel.de ner digitaler Zwillinge des CUT- einer Kommune. Ein Beispiel

SAVE the DATE

Kommunaler Finanzgipfel

Schmidt-Lamontain: Heidelberg hat eine gute Ausgangsposition und ist bei der Fernwärme bereits jetzt zu 50 Prozent CO -neutral. Der Schlüssel ² zum Erfolg liegt in Heidelberg bei den Power-to-Heat-Anlagen, also Wärmetauschern. Aktuell sind wir bei der Standortplanung für Flusswärmekraftwerke. Im Speziellen geht es hier um Wärmegewinnung aus dem Neckar. Die Stadt Heidelberg ist darüber hinaus Teil eines Pilotprojektes zur Tiefengeothermie im Rheingraben, in dem untersucht wird, ob Heidelberg von der Erdwärme profitieren kann. Des Weiteren haben wir einen Energiespeicher gebaut, in welchem wir über mehrere Monate Energie – wie in einer überdimensionalen Thermoskanne – aufbewahren können; und auch andere Vorhaben wie Biogasvergärung werden eruiert. Die größten Herausforderungen sind aber die vielen Einzelheizungen, die sukzessive ersetzt werden müssen. Neben der Wärme muss auch der Strom noch grüner werden, der zur Produktion der Wärme notwendig ist. Wir flankieren das Ganze mit Photovoltaikanlagen und haben uns einer Gesellschaft mit 20 Stadtwerken angeschlossen, die im ländlichen Raum Strom aus Wind und Sonne für Heidelberg produzieren.

für einen instanziierten urbanen digitalen Zwilling ist ein “Planungszwilling”: In diesem können Bauvorhaben innerhalb eines 3D-Stadtmodells simuliert und verschiedene Szenarien verglichen werden. Auch ist es denkbar, dadurch entstandene Veränderungen im Gebäudebestand in andere Instanzen einfließen zu lassen, wie beispielsweise eine Instanz zur Hitzeinselsimulation.

Wissenstransfer in andere Städte Neben der Weiterentwicklung der eigenen urbanen digitalen Zwillinge steht der Wissenstransfer im Mittelpunkt des CUT-Projektes: Die Komponenten der urbanen Datenplattformen und urbanen digitalen Zwillinge sollen konzeptioniert, implementiert und anderen Städten und Kommunen standardisiert als Open-Source-Lösungen zur Verfügung gestellt werden. Als Werkzeug für die integrierte Stadtentwicklung und Beteiligung der Stadtgesellschaft möchte das Projektteam Standards für ganz Deutschland setzen: Die Ansätze des Projektes werden in der durch das CUT-Projekt initiierten DIN-SPEC-Arbeitsgruppe “Digitaler Zwilling für Städte und Kommunen” (DIN SPEC 91607) diskutiert, in der mehr als 30 Organisationen Mitglied sind, darunter 14 Kommunen. Ziel ist es, einen nationalen DIN-Standard für digitale Zwillinge zu erarbeiten.

Über Connected Urban Twins CUT ist ein 2021 gestartetes Kooperationsprojekt der Städte Hamburg, Leipzig und München. Das Konsortium wird für fünf Jahre im Rahmen des zweiten Förderaufrufs zu Smart-City-Modellprojekten des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) gefördert. www.ConnectedUrbanTwins.de


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llgemein repräsentiert der digitale Zwilling ein reales Objekt in der digitalen Welt. Der Zwilling wird aus Daten und Algorithmen aufgebaut und kann über Sensoren mit der realen Welt gekoppelt werden. Das eigentlich aus dem Bereich Industrie 4.0 heraus entwickelte Konzept erfreut sich auch im neuen Feld “Smart City” starker Beliebtheit. So ist der digitale Zwilling zentraler Bestandteil der meisten Strategien der MPSCs (Modellprojekte Smart Cities). Allerdings unterscheidet sich die Ausrichtung und Nutzung erheblich von der ursprünglichen industriellen Anwendung. Die Grundlage für den digitalen Zwilling in der kommunalen Anwendung bildet ein 3D-Modell der Kommune. Hierbei wird zwischen unterschiedlichen Detaillierungsgraden der Darstellung unterschieden, den sogenannten “Levels of Detail” (LoD). Werden die Gebäudekörper als Klötzchenmodelle dargestellt, spricht man von LoD1. Werden Außenhülle und Dachstrukturen hinzugefügt, handelt es sich um LoD2. Eine LoD3-Darstellung beinhaltet eine annähernd realistische Darstellung der Gebäudestrukturen, inklusive einer Außenhülle mit Textur. Weitere Detaillierungsgrade sind im Kontext des digitalen Zwillings für kommunale Anwendung kaum relevant. Für die Generierung des 3D-Modells kann im Normalfall auf öffentliche Daten (bspw. Landesamt für Vermessung) zurückgegriffen werden, die Grundlagen sind also bereits bundesweit verfügbar. Der digitale Zwilling bietet eine Vielzahl von Vorteilen und neuen Möglichkeiten für die Kommunalverwaltung. Der Ansatz der Gemeinde Kirchheim beinhaltet hierbei zwei unterschiedliche Anwendungsbereiche.

Verwendung als Visualisierungs- und Simulationsplattform Einerseits dient der digitale Zwilling als Visualisierungs- und Simulationsplattform. Dies bedeutet, dass in der Gemeinde vorhandene Bestandsdaten, bspw. das Baumkataster, grafisch und räumlich dargestellt und dadurch die Übersichtlichkeit und Transparenz eines Themas deutlich erhöht werden können. Darüber hinaus dient der Zwilling aber auch der Visualisierung von Echtzeitdaten, welche von speziellen Sensorsystemen generiert werden können. Sensorsysteme werden dort aufgebaut, wo die Kommune bislang keine Daten erhoben hat oder einen detaillierteren Einblick erhalten möchte. Kirchheim setzt bislang in drei unterschiedlichen

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ie Verwaltung des Oberbergischen Kreises arbeitet seit nunmehr drei Jahren mit der Fachanwendung fidas kommunal. “Wir hatten bereits 2015 eine Fachanwendung beschafft”, berichtet Rainer Ochel, leitender Beteiligungsmanager des Kreises. “Allerdings wurde die Entwicklung vom Anbieter nach drei Jahren wieder eingestellt. Zum Glück hat die Saxess AG den Betrieb der Anwendung übernommen und zusätzlich einen Umstieg auf die hauseigene Software fidas angeboten. Da uns klar war, dass die komplexe Aufgabe des Beteiligungsmanagements nur mithilfe eines unterstützenden Fachverfahrens möglich ist, haben wir uns letztlich für den Wechsel auf fidas entschieden”, erklärt Ochel im Rückblick. Ein wichtiger Punkt war: Das laufende Controlling sowie unterjährige Berichte zu ausgewählten Unternehmen sollten tagesaktuell und in ansprechender Form schnell mit dem System zu erstellen sein. “Auch das aufwandsarme Anfertigen des Beteiligungsberichts sowie

Behörden Spiegel / Juni 2022

Digitaler Zwilling im Dienst der Kommunen Was kann das Simulations- und Planungswerkzeug? (BS/Tobias Schock) Die Gemeinde Kirchheim bei München ist eine der vom BMWSB geförderten Smart-City-Modellkommunen in Deutschland. Mit diesem Programm fördert der Bund seit 2019 insgesamt 73 Kommunen verteilt auf drei Staffeln bei der Entwicklung von kommunalen Smart-CityStrategien und deren Umsetzung. Die Gemeinde Kirchheim wurde in der zweiten Staffel ausgewählt und ehielt eine Förderung in Höhe von 2,45 Millionen Euro für die Umsetzung einer bereits vorhandenen Strategie. Diese besteht im Wesentlichen im Aufbau eines holistischen Datennetzes zur Erfassung sämtlicher kommunaler Datensphären sowie deren Aggregation im digitalen Zwilling. Dieser kann für Planungsprozesse, die Gremienarbeit oder die Optimierung von Verwaltungsprozessen verwendet werden.

Im digitalen Zwilling können Daten visualisiert werden.

Exzellenzclusters Mobilität (M Cube) wird ein engmaschiges Netz von MAC-Sensoren Tobias Schock ist Referent für Wirtschaftsförderung der aufgebaut, welche Gemeinde Kirchheim bei Müneinen WLAN – reschen. Foto: BS/Gemeinde Kirchheim pektive Bluetooth bei München – Hotspot simulie ren. DSGVO-konform interagieren die Mobiltelefone Bereichen Sensorsysteme ein: der Verkehrsteilnehmer mit den Luftqualität, Mobilität und Um- Sensoren und ermöglichen so welt. So wurden im gesamten die Erfassung und Analyse von Gemeindegebiet flächendeckend Start-Zielbeziehungen sowie eine Luftqualitätssensoren installiert, annähernd realistische Erfassung um ein ganzheitliches Bild vom des Modal Splits. Zudem erfasst Zustand der Luftqualität, aber die Gemeinde unter Anwendung auch über Zusammenhänge und eines neuartigen Verfahrens auf Ursachen zu erhalten. Jeder Sen- Basis von elektrischer Impedanz sor erfasst hierbei ein bestimmtes den Wasserhaushalt von BäuSzenario. Neben naheliegenden men. Dies ermöglicht ein besseres Messpunkten, beispielsweise an Verständnis für den Beginn von Hauptstraßen, wurde auf eine Trockenstress, die Reaktion von möglichst große Breite von Sze- Bäumen auf Temperaturschwannarien geachtet – etwa auch die kungen sowie die allgemeine Luftqualität in reinen Wohnge- Vitalität von Bäumen im Laufe bieten, in Parklandschaften oder der Jahreszeiten. All dies sind zentralen Bereichen gemessen. wichtige Faktoren, um unsere Des Weiteren wird das Verkehrs- Umwelt besser zu verstehen und geschehen anhand von Mobil- bei den Folgen des Klimawandels funkdaten analysiert. Im Rah- zu unterstützen. Allerdings sind men des vom BMBF geförderten bereits die aus diesen drei Sen-

Grafik: BS/Julien Tromeur, pixabay.com

sorsystemen generierten Daten händisch kaum zu monitoren, geschweige denn zu interpretieren – vor allem nicht von einer kleineren Kommune. Hier hilft der digitale Zwilling. Die erfassten Daten können in den Zwilling importiert und dort visualisiert werden: Luftqualität in Form von Heatmaps, Verkehrsströme als grafische Elemente und Bäume als selektierbare Icons. So wird BigData übersichtlich und administrierbar. Neben der bloßen Visualisierung von Daten ist die Durchführung von Simulationen ein weiterer wichtiger Schritt. Hier geht es darum, Szenarien auf Basis von historischen, respektive Sensordaten zu simulieren, um bessere und schnellere Verwaltungsentscheidungen treffen zu können. Als Beispiel können hier die Simulation einer neuen Straßenverbindung und die damit verbundene voraussichtliche Verlagerung des Verkehrsgeschehens genannt werden. In einer weiteren Entwicklungsstufe sollen dann auch mehrere Datensphären, wie die mögliche Verlagerung des Verkehrsgeschehens bei gleichzeitiger Dar-

stellung der Auswirkungen auf die Luftqualität, in Kombination simuliert werden. Komplexe Szenarien können mit dem digitalen Zwilling auf Knopfdruck geprüft werden, ohne vorher kosten- und zeitintensive Planungsvarianten entwickeln zu müssen. Dies ist ein enormer Vorteil für die Kommunalverwaltungen und -Politiker. Entscheidungen können somit schneller getroffen werden, bei gleichzeitiger Erhöhung der Entscheidungsqualität.

Beschleunigung von Baugenehmigungsprozessen und Bauleitplanverfahren Neben der Verwendung des digitalen Zwillings als Visualisierungs- und Simulationsplattform, plant die Gemeinde, den Zwilling auch in einem echten Kernbereich kommunaler Verwaltungsprozesse einzusetzen: für die Optimierung von Baugenehmigungs- und Bauleitplanverfahren. So sollen zukünftig Bauanträge nicht mehr in Papierform, sondern in einem noch zu definierenden BIM-Format eingereicht werden. Das Vorhaben wird dann im digitalen Zwilling simuliert und die Abweichungen (Gebäudehöhe,

Tagesaktuell und in ansprechender Form Das Beteiligungsmanagement des Oberbergischen Kreises (BS/Florian Göstl*) Der Oberbergische Kreis hat sich für den Einsatz einer modernen Beteiligungsmanagement-Software entschieden. Das Ergebnis ist positiv: Weniger Aufwand beim Erfassen von Finanzdaten und mehr Steuerungsmöglichkeiten dank unterjähriger Berichte.

Im Kreishaus des Oberbergischen Kreises setzt man auf modernstes Beteiligungsmanagement. Foto: BS/Oberbergischer Kreis

die automatische Übernahme von Geschäftsdaten aus BWAs oder Jahresabschlüssen haben

für den Umstieg gesprochen”, erinnert sich der Beteiligungsmanager. Mithilfe von fidas las-

sen sich mit nur wenigen Handgriffen individuelle Kurzberichte für unterschiedliche Empfänger

ausgeben. Die unterschiedlichen Verantwortlichen wie Landrat, Kreisdirektor oder Amtsleitung erhalten auf diese Weise zu jedem Unternehmen fundierte Informationen, die sie bei den Beratungen in den Gremien unterstützen. “Durch die flexiblen Einstellungsmöglichkeiten der Fachanwendung fassen wir Berichte zu den Gesellschaften teils auf einer einzigen Seite oder bei Bedarf ausführlich auf mehreren Seiten zusammen. Sind alle Finanzdaten gepflegt, dauert das nicht länger als ein paar Minuten”, berichtet Ochel. “Dank fidas haben wir inzwischen ein Berichtswesen etabliert, das auch bei den Beteiligungen Beachtung findet. Außerdem wurden Berichtsvorlagen, die wir regelmäßig nutzen, nach unseren Wünschen gestaltet und Änderungen immer

Abstandsflächen etc.) werden von den Bauvorschriften automatisch erfasst und ausgegeben. Dies dient der Beschleunigung des ersten Prüfschritts. Als Grundlage hierfür müssen natürlich eine Erfassung des Baurechts (Bebauungspläne, Satzungen etc.) im gesamten Gemeindegebiet sowie die Überführung dieser Regelungen als Datenlayer in den digitalen Zwilling erfolgen. Die technischen Werkzeuge für diesen einfachsten Fall der Vorprüfung von Baugenehmigungen in einem rechtskräftigen Bebauungsplan sind bereits vorhanden. Wesentlich komplizierter ist natürlich ein Bauantrag in einem Gebiet ohne rechtskräftigen Bebauungsplan, in welchem die Paragrafen § 34 oder § 35 BauGB gelten. Hier muss der Zwilling analysieren, interpretieren und kann lediglich Empfehlungen abgeben. Der digitale Zwilling muss in diesen Fällen mit einer entsprechenden Künstlichen Intelligenz versehen sein, welche über einen längeren Zeitraum von Experten in den Bauämtern “trainiert” werden muss. Im Bereich von Bauleitplanverfahren kann der Zwilling einerseits durch seine Möglichkeiten als Simulations- und Planungswerkzeug Prozesse vereinfachen und beschleunigen. Statt repetitiver Planungs- und Abstimmungsrunden können diskutierte Änderungen direkt im Zwilling simuliert und die Auswirkungen live betrachtet werden. Schon diese Funktion stellt eine erhebliche Erleichterung und Beschleunigung dieser oftmals sehr komplexen und langwierigen Abstimmungsprozesse dar. Darüber hinaus können aber auch die vielfältigen Auswirkungen eines neuen Quartiers, etwa in den Bereichen Einzelhandel, Verkehr, Umwelt, Emissionen etc. unter Berücksichtigung von Sensordaten recht einfach simuliert und grafisch dargestellt werden. Diese Auswertungen und Simulationen wären eine erhebliche Erleichterung für die zu beteiligenden Träger öffentlicher Belange und würden diesen helfen, ihre Einschätzungen schneller und fundierter vorzubringen. Insgesamt ist der digitale Zwilling ein Werkzeug, das in Zukunft in jeder Kommune eine wesentliche Rolle spielen wird. Die Möglichkeiten sind vielfältig und das Potenzial ist enorm. Das Förderprogramm “Modellprojekte Smart Cities” des BMWSB kann und wird bei der Weiterentwicklung dieser neuen kommunalen Schlüsseltechnologie einen starken Beitrag leisten und den Kommunen in ganz Deutschland übertragbare Ergebnisse liefern.

schnell und unkompliziert von der Saxess AG umgesetzt.” Eine wesentliche Herausforderung bei der Einführung des Fachverfahrens war zunächst die Datenübernahme aus dem Vorgänger-System. Denn neben aktuellen Finanzdaten sollte auch die Auswertung von bereits vorhandenen Zahlen gewährleistet sein. Die Saxess AG hat diesen Aspekt berücksichtigt und im Verlauf der engen Zusammenarbeit konnten alle Bestandsdaten reibungslos und vollständig in das neue System übertragen werden. Die Möglichkeit, dass Beteiligungen ihre Daten selbst in das System einspielen, wird derzeit noch nicht genutzt. “Hier müssen wir immer noch selbst aktiv auf unsere Gesellschaften zugehen”, erklärt Ochel und betont: “Klar ist aber, dass das Beteiligungsmanagement dank fidas ein neues Maß an Akzeptanz und Anerkennung gefunden hat.” *Florian Göstl arbeitet bei der Saxess AG.


Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / Juni 2022

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as Stadtquartier Neckarbogen im Herzen Heilbronns macht bereits heute mit preisgekrönter Architektur und den großzügigen Grün- und Wasserflächen von sich reden. In den nächsten Jahren soll das Areal, auf dem im Jahr 2019 die Bundesgartenschau Heilbronn stattfand, nun Schritt für Schritt zu einem Zuhause für bis zu 3.500 Bewohner und zu einem Arbeitsplatz für etwa 1.000 Menschen weiterentwickelt werden. Der Neckarbogen liegt in der geographischen Mitte Heilbronns und fußläufig zur Innenstadt. Die zentrale Lage, die hervorragende Anbindung an den ÖPNV und das überörtliche Straßennetz sowie die weitläufigen Parks und die beiden Seen machen den Neckarbogen zu einem attraktiven Quartier, in dem sich Wohnen, Arbeiten, Lernen und Erholen an einem Ort verbinden.

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Moderne E-Quartiersgarage Heilbronner Neckarbogen beherbergt Mobilityhub (BS/Carina Neumann*) Im neuen Stadtquartier Neckarbogen planen die Stadtwerke Heilbronn (SWHN) den Bau der modernsten Quartiersgarage der Stadt. 195 der 650 Parkplätze werden mit E-Ladesäulen ausgestattet sein, die übrigen Stellplätze werden fürs Laden bereits vorbereitet. Mit dem zugehörigen Mobilityhub werden Individualverkehr, Kleinstmobilität und Sharing-Angebote miteinander vernetzt. Das baden-württembergische Verkehrsministerium fördert die dort neu entstehenden E-Ladepunkte mit zwei Millionen Euro.

Modernes Quartier Das zugehörige Mobilitätskonzept strebt für das Quartier ein Verhältnis von motorisiertem Individualverkehr zu Fußgänger-, Radverkehr und ÖPNV von 30 zu 70 an. Die geplante neue Quartiersgarage soll nun einen Großteil des von der Stadtverwaltung ermittelten Stellplatzbedarfs decken und den Anteil an Fahrzeugen im öffentlichen Raum erheblich reduzieren. Auf einer Fläche von knapp 3.000 Quadratmeter werden insgesamt 650 Stellplätze entstehen. Hauptnutzergruppen sollen Anwohner/-innen, Besucher/-innen, Angestellte der nahegelegenen Unternehmen sowie Hotelgäste sein. Der Entwurf sieht großzügige, übersichtliche Parkebenen auf 14 Halbgeschossen vor. Entsprechend der vielfältigen Fassadengestaltung des Quartiers Neckarbogen wird auch

Die moderne Quartiersgarage wird im Erdgeschoss den E-Mobilityhub beherbergen.

mit der Außenfassade der neuen Quartiersgarage ein individuelles Erscheinungsbild generiert, das identitätsstiftend wirkt. Geplant und umgesetzt wird das Bauprojekt vom Architekturbüro Wittfoht aus Stuttgart. Der E-Quartiershub wird mit 195 Elektro-Ladestationen ausgestattet werden. Für die restlichen Stellplätze werden die Vorrüstungen für weitere Ladepunkte bereits vorgenom-

in Höhe von zwei Millionen Euro bewilligt.

Unkomplizierte und lebens­ nahe Mobilitätsangebote Am Haupteingang der neuen Quartiersgarage wird zur Überbrückung der “letzten Meile” ein moderner Mobilityhub integriert. An den verschiedenen Mobilitätsstationen werden Individualverkehr, Kleinstmobilität und Sharing-Angebote miteinander

Smart City Hannover

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in wesentlicher Schritt hin zur Smart City ist die Weiterentwicklung des digitalen Zwillings “Hannover 3D” sowie der Ausbau der derzeitigen Plattform “Open Geodata” hin zu einer umfassenden “Urban Data Plattform”. Der Nutzen von 3DModellen für Städte liegt auf der Hand: Die virtuellen Spiegelbilder helfen dabei, die Auswirkungen von Veränderungen und planerischen Eingriffen in der Stadt zu simulieren und zu analysieren, bevor Maßnahmen in die Realität umgesetzt werden. Der aktuelle Stand des digitalen Zwillings lässt sich unter www.hannover-3d.de betrachten. Grundlage bilden Daten des stadtinternen 3D-Stadtmodells, dass seit 2014 betrieben wird. Die Daten setzen sich aus dreidimensionalen vermessenen GebäudeGeometrien zusammen. Sie sind angereichert durch Sachinformationen städtischer Geodaten und Fachdaten – unter anderem Adressen, Geschosszahlen oder Nutzungen.

men. Geplant ist die Errichtung von Wallboxen mit einer maximalen Ladeleistung von elf kW je Ladepunkt zum Laden von Elektrofahrzeugen. Für den Betrieb der Lademöglichkeiten übernehmen die Stadtwerke Heilbronn die Betreiberverantwortlichkeit. Für die E-Ladeinfrastruktur hat das Verkehrsministerium Baden-Württemberg im Rahmen des Förderaufrufs “E-Quartiershubs” Fördergelder

Grafik: BS/Wittfoht Architekten, Stuttgart

Digitaler Zwilling unterstützt nachhaltige Stadtentwicklung (BS/Tim Gerstenberger*/Marcel Chaouali*) Digital und smart ist die Zukunft Hannovers. Für die Landeshauptstadt ist damit der Anspruch verbun­ den, eine digital und technologisch unterstützte, nachhaltige Stadtentwicklung auf den Weg zu bringen. Smart City bedeutet auch: ausprobieren, mitmachen und neue Wege gehen. Gemeinsam mit den Einwohner/-innen und anderen Akteuren sollen die besten Lösungen für Hannover gefunden werden – übertragbar auch auf andere Städte. Hannover ist mit seinem Projekt “RESTART: #HANnovativ” eine von deutschlandweit 28 Kommunen, die in der dritten Staffel Modellprojekte Smart Cities vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) gefördert werden.

#HANnovativ Im Rahmen des Förderprojektes #HANnovativ treibt die Stadt, fokussiert auf den Innenstadtbereich, die vollständige dreidimensionale Erfassung sämtlicher topografischer Elemente voran. Verknüpft mit Sachinformationen und Echtzeitdaten von Sensoren soll die Grundlage für zahlreiche weitere Analysen und Anwendungen geschaffen werden. Dafür bedarf es einer umfassenden Analyse aller bekannten und vorliegenden (Geo-)Daten der städtischen Verwaltung, um diese in den räumlichen Bezug zu setzen und untereinander zu vernetzen. Standardisierte Datenformate und offene Schnittstellen sind wesentlich, um die Datensammlung kontinuierlich fortzuschreiben. Im Rahmen des Smart-CityFörderprojektes soll eine sogenannte “Urban Data Plattform”

vernetzt. Durch die prominente Positionierung des Mobilityhubs im Erdgeschoss werden die Nutzer beim Betreten und Verlassen der Quartiersgarage zur Nutzung der Mobilitätsangebote animiert. So sollen die neue Quartiersgarage und der zugehörigen EMobilitätshub die Heilbronner Bürger und Bürgerinnen mit neuen Sharing-Angeboten in Kontakt bringen. Ziel ist es, die Mobilitätsangebote so unkompliziert und lebensnah wie möglich zu gestalten, umso die Voraussetzungen für ein nachhaltigeres Mobilitätsverhalten zu schaffen. Geplant ist ein Sharing-Angebot für E-Scooter, (E-)Bikes und ELastenfahrrädern mit Außenstationen im Quartier. Bei den E-Scooter-Rollern wird von einer Anzahl von zunächst maximal 20 ausgegangen. Derzeit laufen zudem Gespräche mit Anbietern zur Umsetzung eines Carsharing-Angebots im Parkhaus mit etwa 16 Stellplätzen. Die Bedarfsanalyse für den geplanten Mobilityhub wurde von der Fraunhofer-Gesellschaft erstellt. Das Angebot soll in jeder Kategorie je nach Bedarf stufenweise angepasst werden. Weitere Serviceleistungen der geplanten Quartiersgarage sind eine Paketstation, Fahrradabstellmöglichkeiten für private Fahrräder der Bewohner samt Spinden als Umkleidemöglichkeit sowie eine öffentliche Toilette.

Auf der Website www.hannover-3d.de können Daten zu einzelnen Gebäuden eingesehen werden.

(UDP) entstehen, auf der nach und nach alle relevanten (Geo-) Daten standardisiert und maschinenlesbar bereitgestellt werden. Die Konzeption der UDP muss mit lokalen Stakeholdern abgestimmt sein, um eine spätere Einbindung externer Daten von vornherein mitzudenken. Nationale und internationale Standards sind dafür die Basis, um Interoperabilität sicherzustellen.

Möglichkeiten der nachhalti­ gen Stadtplanung Bereits heute sind im Digitalen Zwilling “Hannover 3D” erste Analysen für stadtinterne und externe Nutzer/-innen

möglich. Beispielsweise ist der Schattenlauf von Gebäuden über den Tag oder ein ganzes Jahr simulierbar. Auch lassen sich dreidimensionale Architekturentwürfe integrieren und mit dem aktuellen Bestand gegenüberstellen. Das ermöglicht erste städtebauliche Einschätzungen, stellt den zukünftigen Schattenwurf geplanter Gebäude dar und Sichtachsen-Analysen lassen sich durchführen. Interessierte Bürger/-innen können barrierefrei und transparent in den Dialog zur städtebaulichen Entwicklung einbezogen werden. Perspektivisch wird es möglich sein, Stadtmobiliar und Vegeta-

Screenshot: BS/Jacobson

tion in Analysen einzubeziehen oder auch verschiedene Zeitstände darzustellen. Es entsteht eine Vielzahl neuer Einblicke und Erkenntnisgewinne. Solare Einstrahlungspotentiale auf Dachflächen zu prognostizieren und die klimawirksamen Effekte durch städtebauliche Veränderungen besser simulieren und steuern zu können: Das sind Beispiele für die Möglichkeiten, die der Digitale Zwilling für eine nachhaltige Stadtplanung bietet.

Schritt für Schritt lebens­ werter Fernziel sind auch Klimasimulationen, mit denen im Vorfeld

in “was-wäre-wenn”-Szenarien ermittelt werden kann, welche Effekte bestimmte Eingriffe in der Stadt haben. Möglich werden unter anderem mikroklimatische Simulationen im Rahmen städtebaulicher Planungen. Um den tatsächlichen Effekt besser bewerten zu können, sollen dafür zusätzlich zahlreiche Sensoren zu Temperatur, Wind, Luftqualität, Bewegungsdaten, Verkehrsdaten zum Einsatz kommen, die ebenfalls über die Urban Data Plattform zur Verfügung stehen sollen. In Kombination mit statistischen Informationen und fachbezogen Daten lassen sich viele wertvolle Rückschlüsse ziehen. Sie helfen mit, die Stadt Schritt für Schritt digitaler, nachhaltiger und dadurch lebenswerter zu gestalten. Mehrwert entsteht insbesondere durch die Mehrfachnutzung von Daten. Sektorale Datensilos werden aufgelöst und ein neues Bewusstsein für eine nachhaltige effiziente Datenhaltung geschaffen. Dafür ist auch ein Kulturwandel innerhalb der Stadtverwaltung erforderlich, den Zweck und Einsatz von (Geo-) Daten in größerem Kontext als Grundlage für Steuerungsinstrumente und Prozesse zu verstehen.

Vergangenheit, Gegenwart und Datenschutz Schon die nächsten Schritte werden Mehrwerte sichtbar machen, beispielsweise mit der Visualisierung von StarkregenGefahrenkarten im Digitalen

Nachhaltige Energie­ wirtschaft Auf dem Dach der Quartiersgarage wird eine PV-Anlage installiert, welche zur Versorgung der E-Ladeinfrastruktur beiträgt und zusätzlich zur Einspeisung in die Quartierswärmeversorgung dient. Die Sektorenkopplung von regenerativer Energie und innovativer Mobilität tragen damit zur Erreichung des klimapolitischen Ziels der Dekarbonisierung bei. “Die Quartiersgarage mit EMobilityhub ist ein wegweisender und wichtiger Baustein des Mobilitätskonzepts für die Stadt Heilbronn, in welchem sich Individualverkehr, ÖPNV und SharingAngebote gegenseitig ergänzen. Die Stadtwerke spielen hierbei als Infrastrukturpartner eine zentrale Rolle bei der Vernetzung der Angebote”, betont Heilbronns Erster Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Heilbronn (SWHN), Martin Diepgen, die Bedeutung des geplanten E-Quartiershubs. “Mit unserem zukunftsweisenden Konzept einer multifunktionalen Quartiersgarage verbinden wir Parkfläche, E-Ladeinfrastruktur, Kleinstmobilitätsangebote und Gewinnung von regenerativer Energie”, sagt SWHN Geschäftsführer Erik Mai. Für die Quartiersgarage im neuen Stadtquartier Neckarbogen gab der Aufsichtsrat im Juni 2021 grünes Licht für die konkrete Planung des Bauprojektes. Baubeginn für die Quartiersgarage Ende des Jahres geplant, die Fertigstellung soll bis Ende 2023 erfolgen. Nach momentaner Planung belaufen sich die geschätzten Baukosten auf 18,1 Millionen Euro. *Carina Neumann arbeitet im Marketing-Bereich der Stadtwerke Heilbronn.

Zwilling. Die Rekonstruktion eines historischen Abbildes des Innenstadtbereiches wird eine dreidimensionale Gegenüberstellung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ermöglichen. Die Stadt will ein eigenes Messsystem anschaffen, mit dem datenschutzkonform dreidimensionale Panoramabilder erfasst werden können. Es gilt, nicht alle Daten sind geeignet, sie über die Urban Data Plattform einem offenen Nutzer/-innenkreis verfügbar zu machen. Datenschutzrechtliche Belange zu uneingeschränkt zu wahren. Das ist sowohl Aufgabe als auch Herausforderung für die Kommunen, um weiterhin als verlässliche Partner/-innen im Zusammenspiel mit Stadtgesellschaft und Wirtschaft aufzutreten.

5GAPS Ein weiteres Modell-Vorhaben hat die Stadt Hannover im Schulterschluss mit der Deutschen Messe AG sowie mit Partner/-innen aus Wirtschaft und Wissenschaft angeschoben. “5GAPS”: Der Name des Projekts steht für “5G Access to Public Spaces”, auf Deutsch: “5G-Zugang zu öffentlichen Räumen”. Es nutzt den neuen Mobilfunkstandard 5G, der die Übertragung großer Datenmengen erlaubt. Testfeld ist das hannoversche Messegelände mit seinem 5G-Campusnetz. Zielvorgabe ist es, über einen lokalen digitalen Zwilling Räume flexibel zu bewirtschaften und erschließen zu können. Auch dieses ambitionierte Projekt wird mit Mitteln des Bundes gefördert. *Tim Gerstenberger ist verantwortlich für Strategien und Projekte der Stabsstelle Smart City der Landeshauptstadt Hannover. *Marcel Chaouali leitet das Sachgebiet Kartographie und Geodatenmanagement des Bereiches Geo-information der Landeshauptstadt Hannover.


Personelles

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Gestalten Sie eine zukunftsfähige Bildungslandschaft für Jung und Alt! Im Landkreis Hameln-Pyrmont leben auf acht Gemeinden verteilt circa 148.600 Bürgerinnen und Bürger. Sitz der Verwaltung ist die Kreisstadt Hameln, die in einer reizvollen landschaftlichen Umgebung im Zentrum des Naturparks Weserbergland Schaumburg-Hameln sowie verkehrsgünstig zwischen den beiden Städten Bielefeld und Hannover liegt. Hinzu kommen die vielfältigen Kultur-, Bildungs-, Sport und Freizeitangebote, welche die hohe Erholungs- und Lebensqualität des Landkreises HamelnPyrmont unterstreichen. Zum 01.04.2023 suchen wir eine erfahrene und verantwortungsbewusste Führungspersönlichkeit, die als

Kreisrätin * Kreisrat (w/m/d)

für Bildung, Soziales, Inklusion und Jugend im Rahmen einer Neuorganisation der Verwaltung die Leitung des Geschäftsbereichs 4 übernimmt, welchem zudem der Eigenbetrieb Wendepunkt zugeordnet ist. Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit erfolgt für die Dauer von acht Jahren. Wir bieten Ihnen eine Bezahlung nach Besoldungsgruppe B 3 NBesG sowie eine Dienstaufwandsentschädigung nach der NKBesVO. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Raza Hoxhaj, Theresa Meister oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Steuern Sie als lösungsorientierte Führungspersönlichkeit erfolgreich die Entwicklung unseres Kreises!

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Mit seiner Nähe zu der Landeshauptstadt Kiel und der Metropolregion Hamburg, den Stränden und Steilufern der Ostseeküste sowie rund 70 km der größten künstlichen Wasserstraße der Welt sowie dem Nord-Ostsee-Kanal, bietet der Kreis seinen Einwohner*innen und Besucher*innen eine einzigartige Lebens- und Freizeitqualität. Dem Fachbereich Regionalentwicklung, Bauen und Schule kommt bei der auch zukünftig erfolgreichen Entwicklung des Kreises eine maßgebliche Bedeutung zu. Wir suchen daher zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine umsetzungsorientierte und bodenständige Führungspersönlichkeit, die als

Fachbereichsleitung Regionalentwicklung und Bauen (w/m/d) den Fachbereich mit den Fachdiensten Gebäudemanagement, Bauaufsicht und Denkmalschutz sowie Regionalentwicklung verantwortet. In dieser Funktion sind Sie direkt dem Landrat unterstellt. Diese attraktive Stelle ist nach Besoldungsgruppe A 16 SHBesG bzw. Entgeltgruppe 15 TVöD bewertet. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Gianna Forcella, Maren Kammerer oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

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Mit Ihrer Erfahrung und Souveränität steuern Sie diesen sensiblen Aufgabenbereich. Wir sind eine mittelgroße Kreisstadt in Baden-Württemberg und liegen in unmittelbarer Nähe zu einer der wichtigsten Metropolregionen Deutschlands. Als leistungsstarke Stadtverwaltung stellen wir aktuell die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine fachlich wie menschlich überzeugende Führungspersönlichkeit als

Leitung für den Bereich Ordnung und Sicherheit (w/m/d)

In dieser Funktion berichten Sie direkt an den Ersten Bürgermeister unserer Stadt. Details zu dieser Position finden Sie in Kürze auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Gianna Forcella, Maren Kammerer oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Die Entwicklung unserer Stadt verläuft erfolgreich. Lassen Sie uns einen Schritt weiter denken.

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Inmitten der Metropolregion Rheinland ist Krefeld eine Großstadt mit Charakter, viel Grün und hoher Lebensqualität – kulturell lebendig, wirtschaftlich dynamisch, mit einer engagierten Stadtgesellschaft. Unsere lange Tradition der Kreativität und Weltoffenheit wird auch in der Gegenwart spürbar. Machen Sie Krefeld mit uns l(i)ebenswert! Die Stadtverwaltung Krefeld ist vor Ort eine der größten Arbeitgeberinnen. Im Zusammenwirken mit der Bürgerschaft organisieren und gestalten rund 4.000 Mitarbeitende den Alltag und das tägliche Miteinander in unserer Stadt.

Fachbereichsleitung Finanzservice (w/m/d) Die attraktive Position wird für Beamt*innen nach Besoldungsgruppe A 16 LBesG bzw. für Tarifbeschäftigte entsprechend außertariflich vergütet. Als Stadtverwaltung legen wir Wert auf einen fairen, offenen Umgang und verstehen uns als moderne Dienstleisterin für die Menschen in Krefeld. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Gianna Forcella, Maren Kammerer oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Fachbereichsleitung Zentrale Angelegenheiten und Personalservice (w/m/d) Neben einer attraktiven Besoldung nach EG 15 TVöD / A 16 LBesG NRW bieten wir Ihnen einen großen Gestaltungsspielraum und erwarten, dass Sie diesen nutzen: Von Digitalisierung über Talentmanagement und Personalentwicklung bis hin zur Gestaltung von Veränderungsprozessen - Sie tragen maßgeblich dazu bei, unsere Kreisverwaltung fit für die Zukunft zu machen. Details zu dieser Position finden Sie in Kürze auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Raza Hoxhaj, Theresa Meister oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

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Die Stadt Leverkusen ermöglicht ihren rund 167.000 Einwohner*innen ein Leben mit vielen Facetten. Industriell geprägt verbindet Leverkusen großstädtische Infrastruktur mit ländlicher Idylle und bietet eine hohe Lebensqualität zwischen den Städten Köln und Düsseldorf. Ein reichhaltiges Angebot im kulturellen Bereich, im Spitzen- und Breitensport sowie die Lage zwischen Bergischem Land und den Ufern der Flüsse Rhein, Wupper und Dhünn bilden die Grundlage für den hohen Freizeit- und Erholungswert der Stadt. Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine gleichermaßen fachlich wie persönlich überzeugende Führungspersönlichkeit als

Fachbereichsleitung Bauaufsicht (w/m/d) Die Besoldung dieser attraktiven Stelle erfolgt je nach Qualifikation bis zu Besoldungsgruppe A 16 LBesG NRW bzw. Entgeltgruppe 15 TVöD. Sie sind motiviert, zukunftsorientierte Veränderungen, insbesondere die Optimierung von Prozessen und die damit einhergehende Digitalisierung, voranzutreiben. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Yanna Schneider, Birger Abromeit und Waishna Jeyadevan zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Personelles

Behörden Spiegel / Juni 2022

Stellen Sie die Weichen für einen wachsenden und umweltfreundlichen Landkreis! Im Landkreis Hameln-Pyrmont leben auf acht Gemeinden verteilt circa 148.600 Bürgerinnen und Bürger. Sitz der Verwaltung ist die Kreisstadt Hameln, die in einer reizvollen landschaftlichen Umgebung im Zentrum des Naturparks Weserbergland Schaumburg-Hameln sowie verkehrsgünstig zwischen den beiden Städten Bielefeld und Hannover liegt. Zum 01.04.2023 suchen wir eine erfahrene und verantwortungsbewusste Führungspersönlichkeit, die als

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Als umsichtige Führungspersönlichkeit managen Sie bedeutsame Bauvorhaben, Klimaschutzmaßnahmen und Maßnahmen zur Verkehrswende!

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Die Stadt Göttingen ist mit ihren rund 131.400 Bürgerinnen und Bürgern eine STADT, DIE WISSEN SCHAFFT. Das städtische Leben ist – nicht zuletzt aufgrund der circa 31.000 Studierenden – stark vom Bildungs- und Forschungsbetrieb geprägt. Als moderne und bürgerorientierte Stadtverwaltung gestalten wir das lebendige Umfeld unserer Universitätsstadt. Übernehmen Sie zum nächstmöglichen Zeitpunkt als

für Wirtschaft, Umwelt und Naturschutz im Rahmen einer Neuorganisation der Verwaltung die Leitung des Geschäftsbereichs 2 übernimmt. Diesem sind zukünftig das Amt für Wirtschaftsförderung, Regionalplanung, ÖPNV und Klimaschutz, das Umweltamt, das Naturschutzamt, das Bauaufsichtsamt sowie der Eigenbetrieb KreisAbfallWirtschaft zugeordnet. Zum 01.11.2023 soll perspektivisch das Facility Management in den Geschäftsbereich integriert werden.

Stadtbaurätin * Stadtbaurat (w/m/d) die Verantwortung für das Dezernat „Planen, Bauen und Umwelt“. Dem Dezernat zugeordnet sind die fünf Fachbereiche Planung, Bauordnung und Vermessung, Gebäude, Tiefbau und Bauverwaltung, Stadtgrün und Umwelt sowie Baubetrieb und Stadtwald.

Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit erfolgt für die Dauer von acht Jahren. Wir bieten Ihnen eine Bezahlung nach Besoldungsgruppe B 3 NBesG sowie eine Dienstaufwandsentschädigung nach der NKBesVO.

Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit erfolgt für eine Wahlzeit von acht Jahren. Wir bieten Ihnen eine Besoldung nach Besoldungsgruppe B 5 NBesG sowie eine Aufwandsentschädigung nach den gesetzlichen Bestimmungen.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Raza Hoxhaj, Theresa Meister oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

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Wir gestalten Zukunft und freuen uns auf Ihre betriebswirtschaftliche Expertise und Innovationsfähigkeit! Die Stadt Lünen ist mit ihren rund 88.000 Einwohner:innen attraktiver Wohn- und Wirtschaftsstandort sowie größte Stadt im Kreis Unna. Sie verbindet die ländliche Beschaulichkeit des Münsterlandes mit der pulsierenden Energie eines der größten Ballungszentren Europas. International tätige Unternehmen der Kreislaufwirtschaft haben hier ihren Sitz.

Gestalten Sie als umsichtige Führungspersönlichkeit in verantwortlicher Position die Zukunft unseres regionalen Arbeitsmarktes mit! Als kommunales Jobcenter des Landkreises Ludwigsburg sind wir verantwortlich für die Grundsicherung von Arbeitssuchenden im zweitgrößten Kreis in Baden-Württemberg. Unsere rund 250 Mitarbeitenden verfolgen das Ziel, unsere Kunden bestmöglich bei der Integration in die Arbeit zu begleiten und zu unterstützen.

Zum 01.10.2022 suchen wir eine innovative und entscheidungsfreudige Führungspersönlichkeit als

Unterstützen Sie uns zum nächstmöglichen Zeitpunkt als engagierte Führungspersönlichkeit, die als

Erste/r Beigeordnete/r und Stadtkämmerin / Stadtkämmerer (w/m/d)

Leitung für das Jobcenter (w/m/d)

Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit erfolgt für eine Wahlzeit von acht Jahren. Die Besoldung erfolgt nach Besoldungsgruppe B 4 LBesG NRW zuzüglich einer Aufwandsentschädigung nach der Eingruppierungsverordnung NRW.

Diese attraktive Position ist vorbehaltlich der noch vorzunehmenden Stellenbewertung nach Besoldungsgruppe A 16 LBesG BW bzw. einer analogen tariflichen Eingruppierung zu besetzen.

innovative Impulse setzt und Veränderungen vorantreibt.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Yanna Schneider, Birger Abromeit und Waishna Jeyadevan zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Birger Abromeit, Yanna Schneider und Waishna Jeyadevan zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

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Das Gebäudemanagement der Stadt Aachen ist für die Neu-, Um- und Erweiterungsbauten der Stadt Aachen sowie den Gebäudebetrieb aller städtischen Einrichtungen verantwortlich und betreut mit rund 220 Mitarbeiter*innen ca. 450 Liegenschaften mit rd. 700 Gebäuden. Das Gebäudemanagement besitzt als eigenbetriebsähnliche Einrichtung der Stadt Aachen Personal-, Organisations- und Finanzhoheit im Rahmen der jährlichen Wirtschaftsplanung bei einem Bilanzvolumen von rd. 640 Mio. Euro, jährlichen Investitionen von rd. 25 Mio. Euro und jährlichen Aufwendungen und Erträgen in Höhe von rd. 73 Mio. Euro. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine hoch engagierte Führungspersönlichkeit als

Kaufmännische Betriebsleitung (w/m/d) Diese attraktive Stelle ist nach A 16 LBesO A NRW besoldet. Tariflich Beschäftigte erhalten eine entsprechende Vergütung im Sinne der AT-Bezahlungsrichtlinie der Stadt Aachen. In dieser Position leiten und steuern Sie gemeinsam mit der Technischen Betriebsleitung die eigenbetriebsähnliche Einrichtung des Gebäudemanagements. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Theresa Meister, Désirée Verhaert und Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Die Einstellung erfolgt als kommunale*r Wahlbeamter*in auf Zeit zunächst für die Dauer von acht Jahren. Die Besoldung richtet sich nach den zum Zeitpunkt der Wahl geltenden Eingruppierungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen (Besoldungsgruppe B 5 LBesG).

Als kaufmännische Führungskraft wissen Sie, was Wirtschaftlichkeit in Zeiten des Klimawandels bedeutet!

Unser Jobcenter gliedert sich in zwei Kompetenzbereiche (Leistung & Vermittlung) und ist an sechs Standorten - Ludwigsburg (2-mal), Bietigheim-Bissingen, Besigheim, Korntal-Münchingen und Vaihingen/Enz - vertreten.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Waishna Jeyadevan und Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Eine andere Geschäftsverteilung bleibt vorbehalten.

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Die Stadtverwaltung befindet sich mitten in einem spannenden Modernisierungsprozess und beschäftigt sich mit allen derzeit relevanten Zukunftsthemen.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Zum Geschäftsbereich gehören zurzeit: Stabsstelle für Wirtschafts-, Europa- und Fördermittelangelegenheiten, InvestSupport, City-Management, Stabsstelle Besondere Projekte, Task Force Problemimmobilien, Stabsstelle Sozialleistungsbetrug, Bürger- und Ordnungsamt, Amt für Baurecht und betrieblichen Umweltschutz.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Beigeordnete*n (w/m/d) für das Dezernat VII für Wirtschaft, Sicherheit und Ordnung

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

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Kommunalpolitik

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M

it dem schwarz-gelben Regierungswechsel 2017 in Nordrhein-Westfalen ist es auch zu einem Kurswechsel in der Energiepolitik gekommen. Ein Mindestabstand für neue Windenergieanlagen zur Wohnbebauung von 1.500 Metern wurde beschlossen; wohl wissend, dass diese Marke wegen bundesrechtlicher Vorgaben nicht umsetzbar sein würde. Für eine Verunsicherung vor Ort reichte dieser Erlass freilich aus. Das Ziel, die Windenergie auszubremsen, wurde zumindest faktisch erreicht. Einige Jahre später passte man den Mindestabstand aufgrund bundesrechtlicher Vorgaben auf 1.000 Meter an. Politik, die die Energiewende fördert, fühlt sich anders an. Wie wirkte sich diese Politik vor Ort in den Kommunen aus? Die Gemeinde Blankenheim war verpflichtet, der Windkraft ausreichend Raum zu geben. Aus diesem Grunde entwickelte sie das vorgeschriebene schlüssige Gesamtkonzept. Dies war allein deshalb geboten, um ein “Wildwest” der Investoren zu verhindern. Geeignete Standorte für Windräder zu finden, ist schwer. Eine lange Checkliste von “weichen und harten Faktoren” muss be-

Zuviel Gegenwind Windenergie in Blankenheim (BS/Rolf Hartmann) Nicht zuletzt seit dem 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine, wissen wir: Deutschland ist von Gas und Erdöl aus Russland abhängig. Die Zeitenwende und die Energiewende sind dringend geboten. Doch die Windenergie kommt in Deutschland nicht so recht voran. Mindestens die Hälfte meiner 16-jährigen Amtszeit hat sich der Blankenheimer Gemeinderat mit der Frage beschäftigt, welche Flächen der Windenergie zur Verfügung gestellt werden sollen. Kein einziges Windrad ist in dieser Zeit aufgestellt worden. Die Gründe sind vielschichtig. rücksichtigt werden. Wie sind die Windverhältnisse vor Ort? Entsprechen die Abstände zu Wohnhäusern und Verkehrswegen den Vorgaben? Leben im Planungsgebiet geschützte Arten? Schnell dauern Planung und Genehmigung für Windenergieprojekte fünf Jahre und länger.

Die richtigen Flächen sind rar Die Windkonzentrationszonen, welche von den Kommunen festgelegt werden, sind für Windenergieprojekte eher suboptimal ausgewiesen. Die meisten der geeigneten Flächen für Windräder

Rolf Hartmann war von 2004 bis Ende Oktober 2020 Bürgermeister der Gemeinde Blankenheim. Foto: BS/privat

Naturschutzverbände, die sich für den Schutz von Tieren, Pflanzen und deren Ökosystemen stark machen, klagen oft deshalb immer wieder gegen den Bau von Windrädern. In der Nachbargemeinde von Blankenheim standen fast fünf Jahre die halb fertigen Türme still. Der Nabu hatte gegen den Windpark Dahlem geklagt.

Spannungen vorprogrammiert liegen außerhalb dieser extra zugewiesenen Zonen. Mehr als zwei Drittel der grundsätzlich geeigneten Flächen für Windräder befinden sich innerhalb von Gebieten, in denen Vogelarten leben, für die Windräder gefährlich sind. Daher muss es im Zweifel Einzelfallprüfungen vor Ort geben. Die allerdings sorgen immer wieder für Streit.

Über 30 Prozent der für die Windkraft geeigneten Flächen liegen im Wald. Ohne die stärkere Nutzung von Wäldern kann NRW sein Ziel nicht erreichen. Allerdings sorgen Windräder in Wäldern immer wieder für Spannungen zwischen Naturschützern und den Betreibern. Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stromverbrauchs aus Erneuer-

E-TRAINING: Haushaltsrecht des Bundes Grundlagen und systematische Einführung für Neu- und Quereinsteiger

Der Bundeshaushalt ist die wirtschaftliche Grundlage für das Handeln der Bundesverwaltung im Haushaltsjahr. Der Haushaltsplan sowie die einschlägigen Rechtsnormen des GG sowie die BHO stellen für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Fachrichtungen ein unbekanntes Terrain dar. Dabei bietet das Haushaltsrecht, richtig angewendet, viele Gestaltungsmöglichkeiten. Ob Haushälter, Personaler, die IT, die Fachabteilungen oder der Innere Dienst u.v.m.: Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter bewirtschaftet täglich, bewusst oder unbewusst, den Haushalt. In diesem E-Training werden Grundkenntnisse des Haushaltsrechts des Bundes, die Funktionen des Bundeshaushaltes, der Aufbau des Bundeshaushaltes und in Grundzügen der Haushaltskreislauf sowie die Stellung der externen Finanzkontrolle vermittelt.

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Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de; Suchworte „Haushalt des Bundes“ Foto: ©Milan, stock.adobe.com

Behörden Spiegel / Juni 2022

baren Energien kommen. Derzeit sind es etwas mehr als 40 Prozent. Dabei wird in den nächsten acht Jahren der Stromverbrauch insgesamt steigen, wodurch die Aufgabe noch größer wird. Das Problem in Deutschland ist die verfügbare Fläche. Genutzt werden aktuell nur etwa 0,53 Prozent. Das liegt vor allem an Abstandsregeln, die eine Bebauung verhindern. Die neue Bundesregierung will nun die Bundesländer dazu verpflichten, zwei Prozent ihrer Flächen für die Windkraft auszuweisen. Dabei sind Schleswig-Holstein oder Hessen schon nahe dran, andere, wie Bayern, NordrheinWestfalen oder MecklenburgVorpommern, weit von diesem Ziel entfernt. Die Bundesländer können festlegen, wie weit Windräder von einer Wohnbebauung entfernt sein müssen. Niedersachsen besteht auf der doppelten Höhe des Windrades, also etwa 400 Meter. SchleswigHolstein hält einen Abstand von 800 Metern ein. Die schärfste Regelung herrscht in Bayern: “zehn H” – die zehnfache Höhe des Windrades. Die Zurückhaltung in Bayern und auch in Nordrhein- Westfalen hat vor allem politische Gründe. Weil nicht jeder ein Windrad in der Nähe seines Wohnhauses sehen will, bilden sich vielerorts Bürgerinitiativen, die gegen den Bau vorgehen. Als Gründe werden der Landschafts- oder der Tierschutz angeführt. Ebenso die Lärmbelastung der Anwohner oder eine “Verschandelung der Landschaft”.

Eigeninteressen vor Ort

Studien behaupten, Infraschall mache krank. Das hört sich ja geradezu dramatisch an: Etwas, was man nicht spürt und hört, macht krank. Tatsächlich ist dieser für den Menschen nicht hörbar, die Schallwellen haben eine zu tiefe Frequenz von einem bis 20 Hertz. Sie sind dennoch nahezu überall nachweisbar. Denn Infraschall wird etwa durch Wind, Heizungs- und Klimaanlagen oder Pumpen, aber auch durch Straßenverkehr verursacht. Und schließlich auch durch sich drehende Windräder. Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat bisher Kommunen, die sich für die Windenergie einsetzten, gegen diesen Bürgerprotest nicht wirklich unterstützt. Im Gegenteil: Die damalige (rechtswidrige) Festlegung der Abstandsflächen auf 1.500 Meter war Wasser auf den Mühlen der Windkraftgegner. Kommunen, die sich an den Mindestabstand von 1.500 Me-

Windverhältnisse, Abstände zu Wohngebieten, Artenschutz, Dauer von Planungsverfahren – bis sich ein Windrad dreht, dauert es fünf Jahre und länger. Foto: BS/Frank Wagner, stock.adobe.com

tern orientierten, liefen Gefahr, dass ihr Windenergiekonzept wegen fehlender bundesrechtlicher Kompatibilität vor Gericht kassiert würden. Sie wurden sozusagen von der Landesregierung zur rechtswidrigen Planung gedrängt. Nun kann Politik nur so ehrlich sein, wie es die Wählerinnen und Wähler verkraften. Wegen der bisherigen Lustlosigkeit der Landesregierung, Windenergie zu pushen und damit die dringend erforderliche Energiewende einzuleiten, war auch meine Motivation überschaubar, Windenergieprojekte proaktiv zu unterstützen. Ich war jedenfalls – das gebe ich zu – als Bürgermeister einer 8.000-EinwohnerGemeinde nicht bereit, “die Welt zu retten”, solange die damalige Bundes- und die Landesregierung auf der Windenenergiebremse standen.

Zu groß ist die Befürchtung von Bürgerinnen und Bürgern, dass sie in Zukunft von ihren Terrassen auf Windkraftanlagen schauen müssen, die höher sind als der Kölner Dom sind. Und die ansonsten keine Vorteile durch die Windräder haben, weshalb sie per se dagegen sind. Andererseits gibt es auch die Grundstückseigentümer von Potenzialflächen, die bereits die “Dollarzeichen” im Auge haben. Für sie kann die Verpachtung der Fläche an Windrad-Betreiber lukrativ sein. Die Beträge unterscheiden sich je nach Standort: Mehrere Zehntausend Euro pro Jahr und Anlage – teilweise 80.000 Euro und mehr – sind möglich. Sie profitieren von der Windenergie Was ist zu tun? und sind deshalb dafür. Eine Beteiligung der StandortMeistens gilt das Sankt-Florian- gemeinden an der WertschöpPrinzip: “Heiliger Sankt Flori- fung von Windkraft-Anlagen an, verschon’ mein Haus, zünd’ ist zwingend angezeigt, um die and’re an!” Akzeptanz bei den Bürgerinnen Angestachelt zumeist von Neu- und Bürgern herbeizuführen. bürgern formiert sich schnell Die Bundesregierung gibt nun eine kleine, aber sehr laute den Betreibern neuer Anlagen Minderheit. Auch Kommunal- die Möglichkeit, 0,2 Cent pro Kilowattpolitik hat oft den Re- Meistens gilt das Sankt-Florian- s t u n d e flex, eher Prinzip: “Heiliger Sankt Florian, erzeugtem Strom an schreienverschon’ mein Haus, zünd’ die örtliden Michen Komnoritäten and’re an!” m u n e n als der schweigenden Mehrheit im abzugeben. Darüber hinaus Gemeindegebiet zu folgen. sollten sie verpflichtet werden, Windkraft-Gegner klagen über der Bevölkerung Gelegenheit zu den Schattenwurf der sich dre- geben, sich über Bürgerwindhenden Rotorblätter oder über parks an der Wertschöpfung zu einen möglichen Wertverlust beteiligen. ihrer Immobilien in der Nähe Bundes- und Landesregierunder Anlagen. Zudem seien die gen müssen durch Reduzierung rot leuchtenden Warnlichter der Abstandsflächen eindeutig nachts störend. Flagge zeigen und nicht die Verantwortung an die kommunale Fehlende Unterstützung Ebene abgeben. Nur dann wird es Ein Totschlagargument ist die für die Energiewende den unbeangebliche Gefahr des Infra- dingt erforderlichen Rückenwind schalls. Manche (nicht seriöse) geben.


Kommunaler Haushalt

Behörden Spiegel / Juni 2022

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ehörden Spiegel: Herr Riedel, wie hat sich die CoronaPandemie auf den Nürnberger Haushalt ausgewirkt bzw. welche Konsequenzen stehen noch aus? Riedel: Corona hat sich durchaus widersprüchlich auf unsere kommunalen Haushalte ausgewirkt – auch in Nürnberg. Das Jahr 2020 hat einen deutlichen Einbruch bei der Gewerbesteuer, von 476 Mio. Euro im Jahre 2019 auf 421 Mio. Euro, ergeben. Dies wurde allerdings komplett durch Bund und Land ausgeglichen. Das hat uns und auch allen anderen sehr geholfen. Daneben hatten wir Mindereinnahmen aufgrund geschlossener Bäder, Bibliotheken usw. und Mehrausgaben in Höhe von 27,5 Mio. Euro für Pandemieartikel und Kontaktnachverfolgung. Insgesamt sind die Kommunen, bedenkt man die Umstände, ordentlich durch 2020 gekommen. 2021 war dann noch gegensätzlicher. In vielen, nicht in allen Kommunen hat sich die Gewerbesteuer schnell erholt. In Nürnberg konnten wir eine Rekordgewerbesteuereinnahme von knapp über 550 Mio. Euro verbuchen. Die Aussagen der Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Städten im Finanzausschuss des Deutschen Städtetages zeigen, dass dies im Wesentlichen einem Einmaleffekt aufgrund von Nachzahlungen aus Steuerveranlagungen bzw. -prüfungen der Jahre bis 2019 – also vor Corona – zu verdanken war. Das hat uns aber natürlich sehr geholfen, auch im letzten Jahr letztlich mit einem blauen Auge durchzukommen. Denn auf der anderen Seite stehen massive Personal- und Sachmehrausgaben zur Pandemiebekämpfung, allein in Nürnberg über zehn Mio. Euro im Jahre 2021 und aufgrund der langen Schließungen Mindereinnahmen von ca. 16 Mio. Euro.

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Investitionen unter Druck Kommunale Haushalte leiden unter Corona und dem Ukraine-Krieg (BS) Die kommunalen Haushalte stehen aktuell vielfältig unter Druck bzw. absehbar vor Herausforderungen. Über die Auswirkungen der Pandemie und des Flüchtlingsstromes nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, aber auch die Reform der Grundsteuer und die Frage seines kommunalpolitischen Erbes sprach Behörden Spiegel-Redakteur Guido Gehrt mit Harald Riedel, als Kämmerer der Stadt Nürnberg und Vorsitzender des Finanzausschusses des Deutschen Städtetags, einer der profiliertesten kommunalen Haushälter hierzulande.

“Schwierig, dass wir uns in Deutschland auf kein einheitliches öffentliches Doppik-Rechnungswesen einigen konnten.”

Harald Riedel ist Kämmerer der Stadt Nürnberg und Vorsitzender des Finanzausschusses des Deutschen Städtetags. Foto: BS/Stadt Nürnberg

März nach dem Hoch im letzten Jahr gesehen. 2022 wird daher trotz der nicht ganz schlechten Mai-Steuerschätzung auch finanziell ein schweres Jahr für die Kommunen. Aber diese Sorgen sind nicht vergleichbar mit den Herausforderungen, die sich den Kolleginnen und Kollegen in den Stadtverwaltungen der Ukraine aktuell stellen. Behörden Spiegel: Ab 2025 soll eine neu berechnete Grundsteuer gelten. Wie läuft aus Ihrer Sicht der Prozess der Neuregelung?

Riedel: Für eine Bewertung ist es aktuell noch zu früh. Aber Behörden Spiegel: Lässt sich allein der Wettbewerb bzw. der heute bereits abschätzen, wel- Vergleich der verschiedenen Moche Herausforderungen aus dem delle wird spannend. Nach meiUkraine-Krieg für die Stadt durch ner Kenntnis setzen neun Länder das Bundesmodell um, zwei, das die Aufnahme entstehen? Saarland und Sachsen, mit AbRiedel: Es ist ein weiterer orga- weichungen bei den Steuermessnisatorischer und menschlicher zahlen. Alternativmodelle setzen Kraftakt unserer Verwaltungen Baden-Württemberg mit einem in einer Situation, in der viele modifizierten Bodenwertmodell, unserer Leistungsträger nach Hamburg mit einem Wohnlazwei Jahren Pandemiebekämp- genmodell, Hessen mit einem fung körperlich und mental Flächen-Faktor-Modell, Niederausgelaugt sind. Wir wollten sachsen mit einem Flächen-Lage-Modell und ursprünglich Bayern mit im April 2022 “In der Kommunaleinem reinen beginnen, den politik hinterlässt man Flächenmodell riesigen Corona-Überstunkein Erbe, sondern nur um. Es ist ja so, dass 2022 denberg abzuBügelwäsche.” mit der Erhebauen. Aber bung der Daten wir jammern begonnen wird nicht, sondern stemmen auch diese neue He- und im Herbst dann die ersten rausforderung. Das ist selbstver- Steuermessbescheide von den ständlich, schließlich ist Charkiw Finanzämtern an die Kommuseit Langem unsere Partnerstadt nen gehen. Dann können wir und hier existieren viele persön- mit unseren Probeberechnungen liche Beziehungen und Freund- für die unterschiedlichen Fallschaften. Zudem haben wir in konstellationen nach Wohnarten Nürnberg die drittgrößte ukrai- und Baujahren beginnen. Zwinische Community hierzulande. schen Herbst 2023 und Sommer Deshalb wollen viele Flüchtende 2024 wird dann die Entscheidung hierher, aktuell sind es schon über die Festlegung der jeweiliknapp 7.000 Personen. Die He- gen Hebesätze ab 2025 fallen. rausforderungen liegen hier bei Dann gehen die Steuerbescheide den Themen Unterbringung, raus und es wird Gewinner und schnelle Auszahlung von Un- Verlierer geben – je nach Modell terstützungsleistungen und Be- unterschiedliche. Das dürfte treuung insbesondere der vielen politisch schon ziemlich heiß Frauen und Kinder. Bei Letzteren werden, auch der Vergleich der geht es um die Integration in Wirkungen der unterschiedlichen Kitas und Schulen. Nicht finan- Modelle wird interessant. In Bayern gehen wir Kommuziert ist bis jetzt z. B. der Betrieb einer zentralen Anlaufstelle und nen davon aus, dass aufgrund nicht ausreichend finanziert ist der im Gesetz zu niedrig angesetzten Äquivalenzzahlen viedie Betreuungsarbeit. Sicherlich werden wir auch die le Kommunen ihre Hebesätze Auswirkungen der Wirtschafts- erhöhen müssen, um dieselbe sanktionen und der Unterbre- Einnahme wie vorher zu haben. chung der Lieferketten in un- Zudem werden nach unseren ersseren Steuereinnahmen dieses ten Erkenntnissen aus München Jahres sehen. Erste Bremsspu- und Nürnberg die Objekte mit ren haben wir in Nürnberg bei älteren Gebäuden deutliche Erder Gewerbesteuer bereits Mitte höhungen akzeptieren müssen.

Es ist klar, dass wir Kommunen dann mal wieder den “Schwarzen Peter” haben, obwohl die jeweiligen Webfehler von Bund und Ländern zu verantworten sind. Ein weiteres Problem ist, dass wir Kommunen damals bei der Reform zugesagt haben, dass wir die Umstellung nicht für versteckte Steuererhöhungen nutzen. Diese Aufkommensneutralität bedeutet aber meistens, dass wir 2025 nur dieselbe Einnahme aus der neuen Grundsteuer haben wie viele Jahre zuvor, während uns auf der Ausgabenseite die Personal- und Sozialkosten sowie die Baukosten davongelaufen sind.

Deutschland hier immer noch eher in einer Beobachter-, wenn nicht Bremserrolle stehen. Einerseits verständlich, weil diejenigen, die kommunale Doppik schon umgesetzt haben, wenig Lust auf eine neuerliche Umstellung haben und diejenigen, die noch kameral buchen, wie der Bund, die meisten Länder und viele Kommunen, wissen, dass die Umstellung aufwendig wird. Andererseits haben Länder wie Hessen gezeigt, dass der Aufwand beherrschbar ist und auch die Ergebnisse durchaus den Anforderungen der öffentlichen Hand

entsprechen. Insofern wäre es gut, wenn weitere Modellprojekte folgen und schrittweise eine Öffnung der Sichtweisen möglich ist. Behörden Spiegel: Sie scheiden, auf eigenen Wunsch, Ende April 2023 aus? Welches “Erbe” wollen Sie hinterlassen? Was lief rückblickend gut, wo hätten Sie gerne mehr erreicht? Riedel: Die Frage überrascht mich. Schließlich habe ja noch fast ein Jahr vor mir und so wie es aussieht, wird das kein geruhsames Ausschleichen. Ich denke auch, dass man in der Kommunalpolitik kein “Erbe” hinterlässt, sondern, wie unser ehemaliger Oberbürgermeister Uli Maly einmal gesagt hat, “nur Bügelwäsche”, die die Nachfolgerin bzw. der Nachfolger dann weiterbearbeiten muss. Unsere Arbeit ist nie erledigt oder abgeschlossen. Als ich 2008 als Kämmerer anfing und den Investitionshaushalt nach oben gefahren habe, dachte ich, dass ich das Thema “Schulneubau und -sanierung” sowie “Kita- und Hortausbau” noch selbst abschließen kann. Aktuell gehen wir davon aus, dass wir mindestens das nächste Jahrzehnt in diesen Segmenten noch weiterbauen. Neue Megathemen sind dazugekommen, wie Klimaschutz- und Verkehrswende, Digitalisierung und in Nürnberg speziell die Sanierung von Kulturbauten.

Mit diesen Herausforderungen ist das Thema Kommunalfinanzierung aktueller denn je. Die Finanzkraft einer Stadt wie Nürnberg reicht nicht im Ansatz aus, dies alles zu stemmen. Das geht den meisten anderen Städten auch so. Bund und Länder haben im letzten Jahrzehnt zugegebenermaßen viel getan, um die kommunale Finanzausstattung zu verbessern. Aber das war nachholend, um die Versäumnisse der Vergangenheit zumindest teilweise zu kompensieren. Jetzt geht es um die Finanzierung der Zukunft. Wirklicher Klimaschutz bedeutet in Nürnberg letztendlich einen weitgehenden Stadtumbau: mehr Grün, eine neue Straßenaufteilung, Ausbau des ÖPNVs, neue Energiesysteme, Digitalisierung, eben die Realisierung einer klimagerechten “Smart City”. Wir haben mal ausgerechnet, dass wir in Nürnberg in den nächsten zehn Jahren allein dafür mindestens 1,2 Mrd. Euro investieren müssen. Mittel, die wir nicht haben. Deswegen brauchen wir für jede Kommune ein von Bund und Land finanziertes Klimabudget bis zur Erreichung der Klimaneutralität, sagen wir bis zum Jahre 2040. Wir brauchen keine komplizierten Förderprogramme, sondern pauschale Mittelzuweisungen, wir wissen, was wir tun müssen. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass wir mit Bund und Ländern auch noch mal über eine auf 20 Jahre befristete Anhebung des kommunalen Anteils an der Umsatzsteuer reden können. Auch wenn ich weiß, dass die Bundesregierung sich aktuell mit den Herausforderungen des Ukraine-Kriegs im Schwerpunkt beschäftigen muss. Als überzeugtem Kommunalpolitiker bricht einem das Herz, wenn man die Zerstörung der ukrainischen Städte sieht.

Behörden Spiegel: Lange Zeit haben wir mit Blick auf Kameralistik/Doppik viel über Systemfragen diskutiert. Haben sich diese Diskussionen mittlerweile erledigt? Riedel: In der Tat haben sich innerhalb Deutschland die großen Systemdiskussionen weitgehend beruhigt. Im Vordergrund stehen aktuell Umsetzungsfragen sowie die Verfeinerung des Steuerungs- und ControllingInstrumentariums. Dazu kommen neue Herausforderungen wie die Umstellung der großen Kommunen, die fast alle mit SAP arbeiten, auf das neue S4/HanaBetriebssystem. Das wird ein Kraftakt, der sich über viele Jahre erstreckt, viel Geld und Ressourcen kostet, aber unvermeidbar ist und auch neue Chancen bietet. Die Frage einer durchgehenden Prozessautomatisierung im kommunalen Rechnungswesen, der Optimierung von Schnittstellen zu Fachverfahren und viele andere Themen sind hier zu bearbeiten. Unabhängig sehe ich es nach wie vor als schwierig an, dass wir uns in Deutschland auf kein einheitliches öffentliches DoppikRechnungswesen einigen konnten. Insofern sind Vergleiche etwa von kommunalen Bilanzen über Ländergrenzen hinweg nach wie vor schwierig – in Bayern aufgrund des Wahlrechts zwischen Doppik und Kameralistik sogar zwischen Nachbarstädten. Die Kämmer und Kämmerinnen der kreisfreien Städte in Franken treffen sich einmal im Jahr zum Austausch, da gibt es dann grüne Blätter für die Haushaltszahlen der Doppik-Kommunen und rote Blätter für die Kameralistik-Kommunen, das ist ziemlich absurd. Aus diesem Grund gehöre ich zu denen, die in dem europäischen EPSAS-Projekt schon eine Chance im Sinne einer Vereinheitlichung sehen. Leider bleibt

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Kommunale Infrastruktur

“W

Vergabe oder Sondernutzung

Behörden Spiegel / Juni 2022

er sein E-Fahrzeug nicht laden kann, wird sich keines kaufen”, erklärte Dr. Jan Deuster, Anwalt bei CBH Rechtsanwälte, auf der Webkonferenz “Neue Mobilität – Strategien für Kommunen und öffentliche Fuhr- (BS/Malin Jacobson) Klimaschutz und Mobilitätswende sitzen den Kommunen im Nacken – nicht erst seitdem die Preise für fossile Kraftstoffe auf parks”. Es müsse daher auch für Allzeithochs gestiegen sind. Gerade mit der Errichtung einer öffentlich zugänglichen Ladesäuleninfrastruktur können die Kommunen nachhaltiMieterinnen und Mieter ohne gen Einfluss auf die eigene Klimaneutralität nehmen. Garage mit Wallbox Möglichkeifür Unternehmensentwicklung. mehr Wettbewerb und damit auch ten geben, ihre Fahrzeuge – im öffentlichen Raum – zu laden, Er empfahl den Kommunen, sich “unterschiedlichere Anbieter in unterstützt er das ambitionierte im Voraus zu überlegen welche einer Stadt”. Da öffentliches LaZiel der Bundesregierung, bis Räume man ausgestalten und wie den von vielen genutzt werde, 2030 eine Millionen Ladepunkte viel öffentlichen Parkraum man müssten die Ladeprozesse für die in Deutschland öffentlich zuumfunktionieren wolle sowie sich Verbraucher leicht verständlich gänglich aufzubauen. Laut Lars mit den Verteilernetzbetreibern sein, weswegen er für drei bis vier Balzer, Direktor für Unternehüber vorhandene Stromtrassen verschiedene Anbieter in einer auszutauschen. Stadt plädierte. Außerdem sei mensentwicklung bei der Qwello An diesem Punkt befinde sich es wichtig, im Falle einer VerGmbH, haben im urbanen Raum derzeit auch der Landschafts- gabe das marktwirtschaftliche nur 25 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Zugang zu privaverband Westfalen-Lippe (LWL), Interesse zu bedienen, indem die ter Ladeinfrastruktur. Der Rest der alle 200 verbandseigenen ausschreibenden Kommunen ihre sei auf Lademöglichkeiten beim Liegenschaften mit Ladesäulen Vorhaben zum einen in großen Arbeitgeber oder öffentlich zuausrüsten wolle, erklärte LWL- Portalen wie dem DTVP-Portal Referatsleiter Carsten Wibben auf und zum anderen offen und lögängliche Ladestationen angeder Webkonferenz: “Wir haben vie- sungsneutral publizierten. “Wenn wiesen. “Das heißt, es ist auch ein Thema der Demokratisierung Parkplatz oder Ladestation? In vielen Städten ist der öffentliche Raum eine be- le denkmalgeschützte Gebäude, ich eine Sondernutzungszeit von Foto: BS/andreas160578, pixabay.com deren Elektroinfrastruktur schon zehn Monaten ausschreibe, wird der Elektromobilität, öffentliche grenzte Ressource. älter ist und die höheren Lasten sich keiner dafür bewerben, das Ladeinfrastruktur zu schaffen”, erklärte er. Und: Es bestehe ein des Verkehrs durch den Bau einer triebs als Beschaffungsvorgang wahrscheinlich nicht mehr tragen aufzubauen.” marktwirtschaftliches Interesse, Ladesäule beeinträchtigt werde. klar definieren müssen, bevor Un- kann. Das ist etwas, was wir pladiese Infrastruktur aufzubau- Zu beachten sei allerdings die ternehmen miteinbezogen werden nerisch mitbedenken müssen.” Personelle Ressourcen en, man müsse es nur richtig Verteilungsgerechtigkeit, da der können. Besonders, so Balzer, da Ein weiterer Faktor, der es öffentliche Raum eine begrenzte es in den Städten oft Zielkonflikte Marktwirtschaftliches angehen. Ladeinfrastrukturbetreibern – teils rare – Ressource sei. Daher über die Zukunft des Individu- Interesse bedienen und Städten schwer mache, den Das Konzept ist die empfahl der Rechtsanwalt den alverkehrs gebe. “Das heißt, es Bei der Konzeptplanung sollten Ausbau voranzubringen, ist laut Grundlage Kommunen, das Vergaberecht wäre natürlich unschön, wenn die Kommunen sich auch überle- dem Vertreter von Qwello die teils Laut Deuster verfährt man in der anzuwenden, um “den öffentli- man nach dem Aufbau der Lade- gen, wie viele verschiedene Anbie- ungeklärte Zuständigkeit innerPraxis meist mit Sondernutzungs- chen Raum Bietern zur Verfü- infrastruktur entscheidet, dass ter sie zulassen wollen, gab Balzer halb der Kommunalverwaltung: erlaubnissen nach den Straßen- gung zu stellen und eine faire und bestimmte Straßen verkehrsbe- zu bedenken. Bei einer Vergabe “Es ist wesentlich, dass man sich gesetzen der Länder. Dafür könne transparente Auswahlentschei- ruhigt werden und dementspre- sei der Wettbewerb “relativ klein, intern entsprechend aufstellt und jeder einen Antrag stellen, der dung zu treffen”. Das bedeutet, chend das Investment, das man weil einer alles bekommt”, beim auch klärt, welche Schnittstellen auch nur verweigert werde, wenn dass die Kommunen den Auftrag hier getätigt hat, einfach abzu- schnelleren Verfahren der Son- es gibt”, so Balzer. In manchen die Sicherheit und Leichtigkeit des Ladesäulenaufbaus und -be- schreiben ist”, sagte der Direktor dergenehmigung bekomme man Städten sei der Referent für Ver-

Wie kommt die Ladesäule auf die Straße?

kehr und Mobilität zuständig oder das Garten- und Friedhofsamt, das Tiefbauamt, das Amt für Regionalentwicklung oder die Dezernenten für Infrastruktur. “Wenn wir sehen, dass in manchen Kommunen beispielsweise nur eine Vollkraft für E-Mobilität vorhanden ist, aber zehn für Radwege, dann ist klar, wo der Schwerpunkt liegt und wo es vorangeht beziehungsweise eben nicht. Daher die Bitte: Wenn man diese Infrastruktur voranbringen möchte, dann sollte man intern genug Bearbeitungskapazität haben, um diese ganzen Verträge auch zu bearbeiten.” Diesbezüglich gab Deuster allerdings zu bedenken, dass Anträge auf Erteilung einer Sondernutzung irgendwo in der Kommune angedockt seien, der entsprechende Mitarbeiter aber häufig völlig überfordert sei. “Ob der Standort geeignet ist, bekommt man noch hin", erklärte er, “aber wie sich das in ein Gesamtkonzept eingliedert und ob das entsprechend anschließbar ist, ist schwieriger zu beurteilen.” Daher sei der beste Weg, sich als Kommune proaktiv zu überlegen, “wo macht es Sinn, wo sind gute Standorte oder schlechtere Standorte, die wir aber trotzdem haben wollen, und sind die alle anschlussfähig”. Um den Prozess selbst zu verschlanken, schlug Balzer vor, GIS-Daten, TrassenPläne oder auch KMZ-Dateien mit möglichen Betreibern zu teilen. Auch Sammelgenehmigungen zuzulassen kann seiner Meinung nach die Prozesse effizienter gestalten.

deteringdesign.de

Was Seilbahnen für Städte bringen wirtschaftlich, flexibel und seriell

Wohngebäude mit

System

building excellence

Fachmesse für Behörden in Essen (BS/Thomas Surrer*) Verantwortliche für kommunale Infrastruktur stehen vor großen Herausforderungen: Wie wird das eigene Verkehrsnetz umweltfreundlich, attraktiv und komfortabel? Eine Lösung kann die urbane Seilbahn sein – sie wird im Juni auf der Kongressmesse Cable Car World Behördenvertretern vorgestellt.

goldbeck.de

Das THW versorgt ukrainische Flüchtlinge Rund 19.000 Einsatztage in den Kommunen (BS/mj) Wie kommt die Kommune an die Hilfe des Technischen Hilfswerks (THW)? Wo liegen die Kernkompetenzen der operativen Bundesbehörde? Und welche zukünftigen Herausforderungen warten auf die Ehren- und Hauptamtlichen? Über diese und weitere Fragen wurde auf dem digitalen Flüchtlingskongress gesprochen. Der erste Schritt sei eigentlich immer der Anruf beim Ortsverband, der dann einen Fachberater vorbeischicke, erklärte Dieter Büttgen, Leiter Leitungsstab, Bundesanstalt THW, im Rahmen des Kongresses zur Frage, wie die Kommunen an die Hilfe des THW kommen. Der Fachberater entscheide dann mit dem lokalen Krisenstab, welche Einheiten wo und wie eingesetzt werden können. Dabei sei das Technische Hilfswerk vor allem auf langfristige Einsätze ausgelegt, erläutert der Hauptamtliche und führt aus: “Die Feuerwehr ist sehr schnell vor Ort, deren Ressourcen sind aber auch schnell erschöpft – das THW braucht etwas länger, um in Fahrt zu kommen, bringt aber auch weitreichende Ressourcen mit sich.” Mit Fachberatern, so der Leiter des THW-Leitungsstabs, habe man auch die Botschaften in

Rumänien, Polen, Slowakei, Moldau und Tschechien bei der Versorgung ukrainischer Flüchtlinge unterstützt. Innerhalb Deutschlands waren seit dem 01.03.2022, dem offiziellen Einsatzbeginn zur Versorgung ukrainischer Flüchtlinge, durchschnittlich 150 bis 200 operative Einsatzkräfte, welche alle ehrenamtlich beim THW sind, abgestellt. “Zwischenzeitlich waren es auch mal 1.000 Helfende an einem Tag”, ergänzte Büttgen. Rund 19.000 Einsatztage seien in dieser Zeit bereits zusammengekommen. Hauptaufgabe sei die Einrichtung von Notunterkünften für die geflüchteten Menschen gewesen: Betten bauen, Einrichtung der Elektroversorgung, Frischwasser- und Abwasserleitungen verlegen, sodass Unterkünfte menschenwürdige Unterbringungsmöglichkeiten darstellen. Aktuell sei die Lage

jedoch eher statisch, da die erste Anstrengungswelle mit dem Aufbau der Notunterkünfte abgeschlossen sei und nur noch eine geringe Anzahl Einsatzkräfte vor Ort seien. Bezüglich zukünftiger Einsätze werde momentan viel unternommen. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine befasse sich das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hauptsächlich mit Fragen des Zivilschutzes. Gerade dessen rechtliche Rahmenbedingungen müssten an die heutigen Verhältnisse angepasst werden, weiß Büttgen. “Im Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (ZSKG) ist das THW den Hauptverwaltungsbeamten unterstellt – aber wer weiß denn noch, was Hauptverwaltungsbeamte sind und wissen die Hauptverwaltungsbeamte was sie da mit dem THW anfangen sollen?”

Am 21. und 22. Juni findet in der Messe Essen die Fachmesse mit integriertem Fachkongress zu urbanen Seilbahnsystemen statt. Foto: BS/Cable Car World

Die Seilbahn ist nicht die Lösung aller Verkehrsprobleme, aber sie kann eine sinnvolle Ergänzung im öffentlichen Nahverkehr sein. Sie punktet in Bereichen, in denen andere Verkehrsmittel nicht mithalten können. So eignet sich die Seilbahn besonders gut, um Lücken zwischen Verkehrserzeugern und entfernt liegenden Infrastrukturen zu schließen – wie Krankenhäusern oder Gewerbegebieten. Als “Connecting Link” ergänzt sie das bestehende Netz und wertet das System auf. Die Seilbahn bringt zusammengehörige, aber voneinander entfernte Standorte zusammen, zum Beispiel auf einem Campus, Fabrik- oder Messegelände. Als Parkhausshuttle verbindet sie Gebäude mit ihren Stellplätzen. Die Seilbahn überwindet Barrieren, die mit konventionellem ÖPNV (Zug, U-Bahn, Straßenbahn und Buslinien) nicht oder nur mit sehr hohem finanziellem Aufwand überbrückt werden können. Neben Bergen oder Flüssen können Bahnlinien oder Autobahnen für eine notwendige Netzerweiterungen überflo-

gen werden. Zudem kann eine Seilbahn sehr gut bestehende ÖPNV-Trassen fortführen und Staubereiche entlasten, wenn herkömmliche Transportmittel und die gegebene Infrastruktur an ihre Grenzen stoßen.

Kongress und Messe für Behörden Verantwortliche für kommunale Infrastruktur können sich am 21. und 22. Juni 2022 in der Messe Essen über das Verkehrsmittel urbane Seilbahn informieren. Die Fachmesse mit integriertem Fachkongress stellt dem Fachpublikum alle wichtigen Informationen über urbane Seilbahnsysteme verständlich zur Verfügung. “Mit unserem Ansatz kann sich jeder selbst ein Bild machen und sich mit dem System und seinen Schnittstellen in der Stadt vertraut machen”, erklären die Initiatoren Gerald Pichlmair und Dominik Berndt. Auch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) unterstützt die Cable Car World: So fungiert Staatssekretär Hartmut Höppner als Schirmherr;

auch der Deutsche Städtetag und der Verkehrsverband Westfalen stehen hinter der Veranstaltung.

Leitfaden und neutrale Experten Ein Höhepunkt der Cable Car World wird die exklusive Präsentation der ersten Inhalte des neuen Leitfadens für urbane Seilbahnen sein, den das BMDV aktuell erarbeiten lässt. Zudem werden die drei größten Seilbahnhersteller im Mobility Lab gemeinsam mit neutralen und unabhängigen Experten die Schnittstellen von Seilbahnen und Stadtplanung erörtern. Das Informieren und der Austausch neuer Ideen stehen im Mittelpunkt der Cable Car World, sodass diese zu einem wichtigen Termin für jeden Behördenvertreter wird, dessen Kommune die Plus-eins-Ebene als Potenzialraum versteht. Alles zu Kongress und Fachmesse finden Sie auf cablecarworld. com . *Thomas Surrer ist Fachjournalist für Seilbahnen.


Kommunale Sicherheit

Behörden Spiegel / Juni 2022

Seite 27

Zertifizierung von Spielhallen

Klare Worte eines Stadtrates

DAkkS erklärt Standards für Spielhallen für akkreditierungsfähig

Buch zeigt Berlin-Neukölln ungeschönt

(BS/mfe) Zwei Standards zum Spieler- und Jugendschutz in deutschen Spielhallen sind nunmehr akkreditierungsfähig. Das hat die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) nach einem langen und intensiven Prüfungsverfahren festgestellt. Zertifizierungsstellen können bei der DAkkS nun einen Akkreditierungsantrag stellen. Auch eine Erweiterung bestehender Akkreditierungen ist möglich.

(BS/mfe) Eine offene Drogen- und Alkoholikerszene, latente Vermüllung (inklusive Sperrmüll auf der Straße), Rattenbefall, eine überdurchschnittliche Säuglingssterblichkeit und Bedrohungen gegen Bürger und politische Entscheidungsträger. Im Berliner Bezirk Neukölln gibt es vielfältige Probleme. Ganz besonders hervor sticht dabei die Clan-Kriminalität, in die teilweise bereits Kinder und Jugendliche involviert sind.

Eine Zertifizierung ist aus vielerlei Gründen sinnvoll. So ist sie in mehreren Bundesländern Voraussetzung dafür, Mindestabstände zwischen Spielhallen zu unterschreiten sowie Mehrfachkonzessionen fortbestehen lassen zu können. Außerdem kann mithilfe von Zertifizierungen Vertrauen bei Behörden, Spielern und Bürgern betreffend der Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen gewonnen werden. Und: interne Abläufe innerhalb der Anbieterunternehmen lassen sich ebenfalls verbessern. Bei den beiden für akkreditierungsfähig erklärten Standards handelt es sich zum einen um den Standard “Geprüfte Qualität in Spielhallen – Jugendschutz, Spielerschutz, Betriebsmanagement” der Deutschen Automatenwirtschaft (DAW). Zum anderen geht es um einen Standard der Deutschen Gesellschaft für Zertifizierung und Qualitätssicherung von Glücksspielen (GZQG). Für den DAW-Standard will sich unter anderem der TÜV

Dagegen helfe nur eine "Politik der 1.000 Nadelstiche". Die kriminellen Clan-Angehörigen müssten durch die verschiedenen staatlichen Stellen immer wieder unter Druck gesetzt werden, fordert Falko Liecke. Er ist langjähriger Stadtrat in Berlin-Neukölln (unter anderem für Jugend und Gesundheit sowie für Soziales) und kennt den Bezirk und dessen Probleme wie aus seiner Westentasche. Geht es nach dem CDU-Politiker, darf es für die Clans, deren Mitglieder oftmals auch in Sozialleistungsbetrug verstrickt seien, keine Rückzugsräume mehr geben. Außerdem müsse man frühzeitig an die Kinder dieser Großfamilien herankommen, um sie möglichst von einer kriminellen Karriere abzuhalten.

Georg Stecker, Vorstandssprecher der Deutschen Automatenwirtschaft (DAW), empfiehlt eine schnellstmögliche Zertifizierung. Foto: BS/AWI/DAW, Urban

akkreditieren lassen. DAW-Vorstandssprecher Georg Stecker: “Der Dachverband DAW hat sich mit seiner Qualitätsinitiative der Deutschen Automatenwirtschaft seit Langem für die Zertifizierung von Spielhallen und die Anerkennung als Regulierungskriterium eingesetzt. Wir freuen uns, dass die DAkKS jetzt die Akkreditierungsfähigkeit des DAW-Stan-

dards festgestellt hat.” Bereits jetzt sind sind Auditierungen möglich. Die tatsächlichen Zertifizierungen sollen aber schnellstmöglich folgen beziehungsweise nachgeholt werden. Stecker empfiehlt Unternehmen, nun bereits mit den Audits zu beginnen, um nicht in lange Warteschlangen bei den Prüforganisationen zu geraten.

“Öffentliche Sicherheit und Ordnung”

Verkehrsüberwachung ist keine Abzocke (BS) Kommunale Verkehrsüberwachung fällt unter die Allgemeine Gefahrenabwehr. Unterschieden wird zwischen der Überwachung des ruhenden Verkehrs und des fließenden Verkehrs. Geschwindigkeitsmessungen sind wichtig. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes war eine nicht angepasste Geschwindigkeit im Jahr 2019 das vierthäufigste Fehlverhalten von Pkw-Fahrern, welches zu einem Unfall mit Personenschaden führte. Dabei ist die Verkehrsüberwachung – zumindest in Hessen – ausdrücklich keine freiwillige Aufgabe, da nach Paragraf 1 HSOG-DVO die Überwachung des Straßenverkehrs zu den Aufgaben der Ordnungsbehörden zählt. Hinsichtlich Art und Intensität bestehen allerdings Handlungsspielräume. In der 227. Vergleichenden Prüfung “Ordnungsbehörden II” haben wir dieses Thema aufge-

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche­ Prü­fung kommunaler Körper­schaf­ten beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

griffen. Wir konnten feststellen, dass die geprüften Kommunen die Blitzer entsprechend der Erlasslage vor allem an Gefahrenpunkten aufstellten und damit nachweislich nicht zur “Abzocke”. Ebenso konnte die Mehrzahl der Kommunen sowohl bei stationären als auch bei mobilen Blitzern keinen Überschuss erwirtschaften. Es war ein in Kauf genommenes Verlustgeschäft. Lediglich eine der geprüften Kommunen verzichtete vollkommen auf die Überwachung des fließenden Verkehrs. Das war rechtswidrig. Bei den Geschwindigkeits-

messungen durch Kommunen steht die Verkehrssicherheit aller im Vordergrund. Mehr Geschwindigkeitsmessungen können durch den “erzieherischen Effekt” bei den Verkehrsteilnehmern zu einer höheren Verkehrssicherheit führen, d. h. es wird aufgrund der Drohkulisse von Bußgeldern langsamer und vorausschauender gefahren. Oder: Wer zu schnell fährt, wird “geblitzt”. Das schmerzt im Geldbeutel. Und wie so oft gilt: Wer sich an die Regeln hält, hat nichts zu befürchten. Und kommt trotzdem ans Ziel.

liche Vorbehalte innerhalb der Verwaltung, so Liecke, der selbst auch bereits von ClanAngehörigen bedroht wurde.

Wichtiges Werk

Der Neuköllner Stadtrat Falko Liecke (CDU) benennt in seinem Buch zahlreiche Probleme des Bezirks.

Deutliche Sprache

Foto: BS/Feldmann

In seinem Buch “Brennpunkt Deutschland – Armut, Gewalt, Verwahrlosung: Neukölln ist erst der Anfang” verlangt er: “Keiner der Clan-Kriminellen darf sich auch nur bei einem Schritt sicher fühlen. Weder beim Gang zum Jobcenter noch beim Chillen in der Shisha-Bar mit in der zweiten Reihe geparkter Karosse oder beim Gebet in der einschlägigen Moschee mit Verbindung zu Hisbollah, Hasspredigern und Terroristen.” Der Staat könne und müsse “an allen denkbaren Fronten vorgehen und darf ihnen keine Ruhe lassen”. Wenn sich Behörden allerdings weiterhin mit dem Verweis auf die Zuständigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft zurücklehnten, “haben

sie die Größe der Aufgabe nicht verstanden”. Der langjährige Stadtrat nimmt in seinem Werk kein Blatt vor den Mund und benennt zahlreiche Probleme des Bezirks – darunter auch offene Prostitution und Beschaffungskriminalität sowie Kindeswohlgefährdungen und -misshandlungen – sehr deutlich. Er macht auch klar, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die gesamte Bezirksverwaltung zwar viel unternähmen und auch unkonventionellen, innovativen Ansätze folgten. Allerdings gebe es oftmals zu wenig Unterstützung durch das Land Berlin und die Bundesebene. Hinzu kämen für ihn unerklär-

Diese eindeutige Benennung von Problemen ist einerseits zu begrüßen. Denn nur wenn Probleme tatsächlich überall und auch öffentlich bekannt sind, können sie gelöst werden. Andererseits stellt sich dem Leser schon die Frage, wie es sein kann, dass diese Problematiken schon seit Jahren (teilweise sogar noch länger) bestehen, ohne vom Bezirksamt gelöst worden zu sein. An einigen Stellen hätte etwas mehr Selbstkritik gutgetan. Nicht an allem sind Sozialdemokraten und Linke sowie die Bundes- oder Landesebene schuld. Zudem fällt auf, dass insbesondere der letzte der drei Teile des Buches dann doch recht redundant und parteipolitisch geprägt ist. Hier hätte Kürzungspotenzial bestanden, ohne dass wichtige Sachaussagen verloren gegangen wären. Abschließend bleibt aber festzuhalten: ein wichtiges Buch zur Clan-Kriminalität in Berlin, in dem der Autor Probleme glasklar benennt und sie nicht zu negieren oder leugnen versucht, wie es bei anderen Akteuren in der Bundeshauptstadt teilweise der Fall ist. Falko Liecke: “Brennpunkt Deutschland – Armut, Gewalt, Verwahrlosung: Neukölln ist erst der Anfang”, Quadriga-Verlag (2022)

MELDUNG

Rahmenvereinbarung unterzeichnet und kreisfreien Städte mit den DARC-Ortsverbänden konkrete Einzelvereinbarungen schließen können, um im Bedarfsfall bei den vom DARC gemeldeten Funkamateuren vor Ort Unterstützung anfordern zu können. "Es geht darum, dass die Funkamateure die Katastrophenschutzbehörden in den Landkreisen und kreisfreien Städten unterstützen, wenn etwa infolge eines extremen Unwetters oder

(BS/bk) Das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern und der Deutsche Amateur-Radio-Club (DARC) haben eine Rahmenvereinbarung unterschrieben. Nach dieser verpflichten sich die Amateurfunker, im Krisenfall die Katastrophenschutzbehörden des Landes zu unterstützen. Mit der Rahmenvereinbarung wurde die Grundlage geschaffen, mit der die Katastrophenschutzbehörden der Landkreise

Blackouts die herkömmlichen Kommunikationsmittel, wie Handynetz, Internet oder gar der behördliche Digitalfunk, ausfallen sollten. Die Funkamateure können helfen, drahtlose Fernmeldeverbindungen aufzubauen, um die Kommunikation zwischen den Katastrophenschützern zu gewährleisten", erklärte der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Christian Pegel (SPD), die Hintergründe.

7. Bundeskongress zum

Glücksspielwesen

ATE D E H T E SAV

20. / 21. September 2022   Die Analyse in obiger Abbildung verdeutlicht den allseits vermuteten “Gewöhnungseffekt” für die Kommunen der 227. Vergleichenden Prüfung. Je stärker mobil und stationär überwacht wird (Zahl der gemessenen Fahrzeuge), desto geringer war der Anteil der Fahrzeuge, die zu schnell fuhren. In diesem Sinne leistet die Überwachung des fließenden Verkehrs einen Beitrag zur

Verkehrssicherheit, ohne über die Kosten hinausgehendes Geld in die kommunalen Kassen zu spülen. Lesen Sie mehr zum Thema “Verkehrsüberwachung” im Kommunalbericht 2021, Hessischer Landtag, Drucksache 20/6484 vom 19. November 2021, S. 256 ff. Der vollständige Bericht ist kostenfrei unter rechnungshof.hessen.de abrufbar.

    

Eckpfeiler einer an Qualität orientierten Glücksspielregulierung

Spielerschutzaspekte, Prävention und Grenzen der Regulierung Konfliktfeld Glücksspielwerbung

Gaming, Lootboxen und neue Angebote im Netz

Online-Glücksspiel – Wie könnte eine geeignete Besteuerung aussehen? Abwehr der Illegalität – Kampf gegen den 3. Markt

Evaluation Staatsvertrag und Spielverordnung: Erwartungen an eine zukünftige Regulierung

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Berlin und Bonn / Juni 2022

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Kritik in beide Richtungen

Glasfaserpakt Hessen unterzeichnet

Kommunen im Fokus der OZG-Umsetzung (BS/Matthias Lorenz) Je näher die (nicht mehr zu haltende) Umsetzungsfrist des Onlinezugangsgesetzes (OZG) Ende 2022 rückt, desto hitziger werden die Diskussionen über die Gründe des Scheiterns. Neben dem Sinn einer solchen Frist rückt dabei vor allem ein föderaler Akteur in den Fokus: die Kommunen. Noch immer, so die Vorhaltungen von Bundes- oder Landesebene, zögen nicht alle Kommunen beim OZG mit. Andersherum bemängelt die kommunale Seite unter anderem, in Entscheidungen nicht gut genug eingebunden zu sein. Auf dem Digitalen Staat 2022 spitzte sich die Debatte zu. Gleich in seinem Auftaktstatement legte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI) und Bundes-CIO, Dr. Markus Richter, die Grundlage der scharfen OZG-Diskussionen auf dem Kongress, bei denen die Kommunen im Mittelpunkt standen. “So richtig zufrieden können wir nicht sein”, konstatierte Richter. Zwar seien digitale Lösungen oft und schnell verfügbar. Die OZG-Umsetzung scheitere jedoch meist an anderen Dingen, wie zum Beispiel der flächendeckenden Implementierung. Gerade die kommunale Vernetzung laufe in vielen Teilen immer noch nicht gut. Neben vielen kommunalen Positivbeispielen gebe es heute immer noch Rathäuser und Landratsämter, die völlig isoliert arbeiteten, kritisierte Richter. Diese hätten die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Wenn sich Städte oder Landkreise nicht wenigstens mit zwei anderen Kommunen vernetzten, seien Digitalisierungsvorhaben zum Scheitern verurteilt. “Dann reden wir nicht von kommunaler Selbstverwaltung, sondern von kommunaler Selbstzerstörung”, so die drastische Warnung des Staatsekretärs. Es gebe Fälle, wo entschieden werde, nicht mit der Nachbargemeinde zusammenzuarbeiten, man gleichzeitig aber nur vier Mitarbeitende in der IT habe. So könne Digitalisierung nicht funktionieren. Die Kritik von kommunaler Seite am Onlinezugangsgesetz ist jedoch nicht weniger deutlich. Prominent wird sie beispielsweise von Thomas Bönig, noch Leiter des Referats für Informationsund Kommunikationstechnik der Stadt München und zukünftig in ähnlicher Funktion in Stuttgart, geäußert. “Das OZG hat nach

Auf dem Digitalen Staat wurde angeregt über die Rolle der Kommunen im OZG-Kontext diskutiert. Mittendrin (v.l.n.r): Thomas Bönig, Stefan Krebs und Tabea Rößner. Fotos: BS/Trenkel

meiner persönlichen Einschätzung nichts mit Digitalisierung zu tun”, sagt Bönig. Moderne Digitaltechnologien wie Künstliche Intelligenz oder Cloud würden im OZG nicht berücksichtigt. Aus Sicht der Kommunen sei es darüber hinaus verheerend, nicht zu wissen, wie es beispielsweise mit der Finanzierung der Leistungen oder mit Lieferterminen stehe. In der Bundespolitik scheint diese Kritik zumindest teilweise Gehör zu finden. Tabea Rößner, Bundestagsabgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzende des Digitalausschusses, fordert, die Kommunen müssten nun auch vom Gesetzgeber stärker in den Fokus genommen werden. Sie bräuchten Planungssicherheit. “Natürlich müssen wir uns auch mit der Finanzierung nach 2022 auseinandersetzen”, so Rößner. Sie scheint sich bewusst zu sein, dass hierfür auch nach 2022 Bundesmittel gebraucht werden. Trotzdem betont die Abgeordnete auch, dass langfristige Lösungen gefunden werden müssten. So

stelle sich beispielsweise die Frage, ob Kommunen irgendwann in der Lage seien, den Betrieb der Leistungen selbst zu tragen. Auch auf Länder-Ebene ist das Bewusstsein für die schwierige OZG-Situation in den Städten und Landkreisen vorhanden. “Viele Kommunen sagen mir, das Digitale ist eine Riesenbelastung, weil sie ja gleichzeitig auch noch das Analoge abbilden müssen”, berichtet Stefan Krebs, CIO des Landes BadenWürttemberg. Trotzdem findet er das OZG nicht grundsätzlich schlecht: “Dieses Gesetz bietet auch einen Vorteil für die Verwaltung.” Beispielsweise könnten sich Verwaltungsmitarbeitende ihre Zeit mit Online-Anträgen besser einteilen, weil nicht mehr morgens alle Bürgerinnen und Bürger Schlange stünden und dafür nachmittags niemand mehr einen Termin wolle. Dagegen glaubt Bönig nicht, dass das OZG den Kommunen eine Entlastung bringe, weil es nur für Online-Anträge sorge. Eine digitale Verwaltung charak-

terisiert sich für den Münchener CDO/CIO dadurch, dass Prozesse vollautomatisiert im Hintergrund liefen, es vollautomatische Anträge gebe und Erinnerungen an Bürger, wenn zum Beispiel deren Personalausweis ablaufe. Bei einem möglichen OZG 2.0 müsse in die eigentliche Digitalisierung investiert werden. Nur so könnten Kommunen Zeit sparen, die dann in Leistungen investiert werden könnten die man nicht digitalisieren könne, wie beispielsweise im sozialen Bereich. Des Weiteren kritisiert Bönig, dass die Kommunen dem ITPlanungsrat nicht konkret sagen könnten, was sie eigentlich bräuchten. “Wir sind dort nicht vertreten, obwohl wir meistens diejenigen sind, welche die Beschlüsse umsetzen müssen.” CIO Krebs stimmt hier insofern zu, als dass die Diskussion geführt werden müsse, wie man die Kommunen in Zukunft besser mitnehmen könne. Eine weitere Frage, die sich im Spannungsfeld zwischen OZG

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und Kommunen stellt, ist die Frage der Nachnutzung von Leistungen. Stichwort ist das Einerfür-alle Prinzip (EfA-Prinzip). Problematisch ist hier oft, dass den Kommunen der Überblick fehlt, welche Leistungen vielleicht schon woanders vorhanden sind und zur Nachnutzung bereitstehen. Die Folge können unter anderem Doppelentwicklungen sein. “Wir haben uns gefragt, wie man mit EfA auch die Kommunen erreichen kann”, erzählt Ulrike Klocke, Abteilungsleiterin Recht und Bund-Länder-Zusammenarbeit im Amt IT und Digitalisierung der Senatskanzlei Hamburg. Der Stadtstaat hatte im vergangenen Jahr den Vorsitz des ITPlanungsrates inne. Entstanden war die Idee des EfA-Marktplatzes der Genossenschaft govdigital. “Der Marktplatz widmet sich zum einen der Frage der Nachnutzung, zum anderen aber auch der Frage der technischen Bereitstellung”, erläutert Jens Fromm, der Gesamtprojektleiter Marktplatz bei der govdigital. Die Frage der Nachnutzung müsse unter anderem geklärt werden, weil Kommunen beispielsweise über den FIT-Store der Föderalen IT-Kooperation (FITKO) nur schwer erreicht werden könnten. Der FIT-Store richtet sich explizit an die Bundesländer, wird allerdings auch in den Marktplatz eingebunden. Im Moment befindet sich der Marktplatz im Status eines Minimum Viable Product (MVP), also einer ersten lauffähigen Version. “Vor der Sommerpause wollen wir mit dem Marktplatz in einer ersten Ausbaustufe, dem Schaufenster, live gehen”, so Fromm. Man hoffe, dann mehr als die vier Leistungen zeigen zu können, die momentan schon im FIT-Store stünden.

(BS/lma) In den kommenden zwölf Monaten sollen rund 530.000 Haushalte (18 Prozent) in Hessen an Glasfaser angeschlossen werden. Dieses Ziel ist im neuen Glasfaserpakt festgeschrieben, welchen die Landesregierung zusammen mit elf Telekommunikationsunternehmen, dem Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) sowie dem Verband kommunaler Unternehmen Landesgruppe Hessen unterzeichnet hat. Bis Mitte 2023 würden so über 25 Prozent der hessischen Haushalte vom Glasfaserausbau profitieren, kündigte die Landesregierung an. Darüber hinaus beteiligten sich die Paktpartner an Förderprojekten in Gebieten, in denen der Markt bisher nicht aktiv geworden sei, erklärt die Landesregierung weiter. Die Vertragspartner tauschten sich regelmäßig aus und überprüften jährlich die Ausbauziele. Somit stünden auch messbare Daten zur Verfügung, um die Ausbaufortschritte kontinuierlich zu evaluieren.

Sicherheitszertifikat für Router

(BS/bhi) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat die ersten IT-Sicherheitszertifikate für Breitband router erteilt. Damit versucht das BSI, eine der größten IT-Sicherheitslücken zu schließen. Denn meistens ist der IT-Endverbraucher selbst der Grund, dass seine Systeme gehackt werden, zum Beispiel indem er die falsche Kaufentscheidung trifft. Bei dieser Entscheidung will ihm das BSI helfen, indem es mit dem Label die Sicherheitseigenschaften von Geräten leicht erkennbar macht. Dem IT-Sicherheitskennzeichen für Breitbandrouter liegt die vom BSI entwickelte Technische Richtlinie BSI TR-03148 zugrunde. Sie formuliert die konkreten Anforderungen an die Schnittstellen und Funktionalitäten eines Breitbandrouters.

2022 20. bis 22. Juni 8. Zukunftskongress Stand-Nr: B0248 im bcc Berlin


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Behörden Spiegel / Juni 2022

Digitaler Staat “I

m “Arbeiten 5.” rückt der Mensch wieder stärker in den Mittelpunkt”, erklärt Holger Leh­ mann, Chef des Leitungsstabs und Pressesprecher beim ITZ-Bund. Alles hänge mit allem zusammen. Der Fokus liege nicht nur auf Technologie und Digitalisierung. Auch gesellschaftliche Verände­ rungen, Work-Life-Balance und Kommunikation spielten eine Rol­ le. Bildung und Kompetenzen, lebenslanges Lernen, Job Crafting – das gehört laut Jana Plomin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Geschäftsbereich Digital Public Services bei Fraunhofer FOKUS, ebenfalls zur “Arbeit 5.0” dazu. Die Erwartungen an das “Arbeiten 5.0” sind vielseitig – ein neuer Kunst­ begriff allein bewirkt allerdings noch keine Veränderung. Doch er lässt darauf hoffen, dass die Idee einer menschenzentrierten Gestaltung der Arbeitswelt mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Immer up to date Die Menschen in den Mittelpunkt stellen, das bedeutet auch, Mitar­ beitende dabei zu unterstützen, sich in einem immer digitaler wer­ denden Arbeitsumfeld zurecht­zufinden. “Wie kriegen wir es hin, dass die Menschen, die Mitar­ beitenden, die Führungskräfte in dieser Welt sinnvollerweise zurechtkommen?”, diese Frage muss man sich laut Stefan Latus­ ki, Leiter des IT-Systemhaus der Bundesagentur für Arbeit, stellen. Nicht nur Nachwuchskräfte, be­ sonders auch die Mitarbeitenden, die schon da seien, müssten in all ihren Fähigkeiten und Bedürf­

Höher, schneller, weiter?

Die richtige Führung

Der Mensch in Zeiten von “Arbeit 5.0”

Mitarbeitende und ganz beson­

(BS/Ann Kathrin Herweg) Die Arbeitswelt entwickelt sich ständig weiter. Digitalisierung und die Corona-Pandemie haben diesen Wandel in den ders die Führungskräfte sind letzten Jahren erheblich beschleunigt. Immer neue Aspekte rücken in den Fokus und immer neue Begriffe prägen die Arbeitswelt. Deutschland ist durch diese neue Situation ge­ angekommen im “Arbeiten 5.0”. Doch was macht es aus, dieses “Arbeiten 5.0”? Was unterscheidet es von seinen Vorgängerversionen? fordert. Einen wesentlichen Un­ nissen abgeholt werden, so Ale­ xander Schweitzer, Minister für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz. Künstliche In­ telligenz werde zukünftig einige Aufgaben übernehmen können, auch solche im mittleren Quali­ fizierungsbereich. Er sieht darin eine Entlastung – vor allem im Hinblick auf die demografischen Herausforderungen, denen sich die Verwaltung mehr und mehr stellen muss. Gleichzeitig brau­ che es aber weiterhin Perspek­ tiven für die Mitarbeitenden, sinnstiftende und tagfüllende Aufgaben. Hier sieht er die Politik in der Pflicht, den Wandel nicht zu verhindern und an alten Mus­ tern festzuhalten, sondern die Aufgaben der Arbeitsgesellschaft im 21. Jahrhundert zu definieren. Die Herausforderungen an Un­ ternehmen seien ziemlich ähnlich zu denen der öffentlichen Ver­ waltung, berichtet Kevin Thiele, Director Business Development, Public Sector EMEA bei der Sa­ lesforce.com Germany GmbH. In der aktuell sehr schnellle­bigen Welt müssten Mitarbeitende ständig weitergebildet und up to date gehalten werden. Man müsse ihnen das Wissen an die

Hand geben, das aktuell gefragt sei und ihnen eine Arbeitsum­ gebung schaffen, die es ihnen ermögliche, sie frei zu gestalten, aber auch Spaß an der Arbeit zu haben. “Jede neue Technolo­ gie einfach den Mitarbeitenden überzustülpen, das wird nicht funktionieren”, betont Thiele.

Mehr als nur Wissen Digitale Kompetenz ist laut Pa­ trick Burghardt, CIO und Bevoll­ mächtigter der Hessischen Lan­ desregierung für E-Government und IT, nicht nur der Aufbau von Wissen, sondern auch die Kompetenz, mit der digitalen Transformation umzugehen. Die richtige Organisation des eigenen Arbeitsplatzes und der Umgang mit den negativen Seiten der Digitalisierung wie ständiger Erreichbarkeit und dem damit verbundenen Druck – das müss­ ten die Mitarbeitenden erst mal lernen, so Burghardt. Man dürfe in dieser Zeit des rasanten Wan­ dels auch akzeptieren, dass das bei einzelnen Kolleginnen und Kollegen schlichtweg zu Überfor­ derung führe, merkt Latuski an. Es dürfe in der Diskussion um neue und digitale Arbeitsformen nicht vergessen werden, dass

Resiliente Clouds für die Verwaltung Innovationen finden in der Cloud statt (BS/Paul Schubert) Die Arbeit in der Cloud bietet viele Vorteile. Prozesse können schnell verarbeitet werden und die Skalierbarkeit ist gegeben. Vor allem in Krisenzeiten sind diese Komponenten sehr wichtig. Aber wie kann verhindert werden, dass Rechenzentrumsausfälle den Betrieb lahmlegen? Und welche Rolle spielen Hyperscaler dabei? Obwohl eine Ausfallsicherheit nie komplett garantiert werden könne, sei durch die “Deutsche Verwaltungscloud-Strategie” (DVS) dieser Aspekt so gut wie möglich austariert, erklärt Jutta Cordt, Unterabteilungsleiterin im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI). Sie mache die Verwaltung “robuster” und garantiere “Ausfallsicherheit auf einem hohen Niveau”. Am wich­ tigsten sei an der DVS die MultiCloud-Strategie. Cordt erklärte, dass es durch dieses Vorgehen möglich sei, Anwendungen, die von DVS-Rechenzentren aus ­b etrieben würden, in andere ­Rechenzentren zu verschieben. Dabei stehe die Verwaltung auch mit den Hyperscalern in Kontakt, um “IT-Sicherheit und Datenschutz gleichermaßen zu garantieren”. Zusammen mit der Schaffung des Zentrums für di­ gitale Souveränität und der DVS wolle der Bund die Verwaltung krisensicherer und innovations­ freudiger gestalten, so die Unter­ abteilungsleiterin des BMI. Darüber hinaus sollte die In­ novationsfreudigkeit einer Cloud effektiver genutzt werden, findet Nikolaus Hagl, Leiter Geschäfts­ bereich Public & Energy und Mitglied der Geschäftsleitung bei SAP Deutschland. Dabei könnten Innovationen auch im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) und datengetriebener An­ sätze entstehen, folgerte Hagl: “Beides gehört aber zusammen, das eine funktioniert nicht oh­ ne das andere.” Ein weiterer großer Vorteil der Cloud sei die

beitenden bauen. “Appellieren Sie an die Menschen”, lautet seine Empfehlung.

Vernetzung. Beim Thema Im­ pfen und Lieferketten hätten die Entwicklungen der letzten Mo­ nate gezeigt, dass transparente Verknüpfungen durch Cloudbasierte Technologien “uns gut durch Krisen leiten können”, so Hagl. Ferner könne eine souve­ räne Cloud auch Bürgerinnen und Bürgern den vertrauens­ würdigen Rahmen bieten, der für sie nützlich und verständlich sei. Auch Holger Lehmann, Chef des Leitungsstabs und Presse­ sprecher des ITZBund spricht sich für eine vermehrte CloudNutzung aus – einerseits, um den Bürgern einen Mehrwert zu bieten, andererseits auch aus Wettbewerbsaspekten: “Neben der Skalierbarkeit des CloudKonzepts ist auch die Wirtschaft­ lichkeit wichtig. Beides ist in einer Cloud-Umgebung gegeben und bietet einen erhöhten Mehr­ wert”, erklärte Lehmann.

Als Vertreter der Hyperscaler versucht auch T-Systems – dass auf die Google-Cloud setzt – den Nutzenden “souveräne Kon­t rolle” zu gewährleisten. Nach Florian Jeggle, Strategic Business Executive von Goo­ gle, ist dies in Deutschland für den ­privaten und öffentli­ chen Bereich möglich. Über die Cloud-Infra­struktur könne des Weiteren sichergestellt werden, dass die Daten und Metadaten “Deutschland nicht verlassen werden”, erklärt Jeggle. TSystems versuche demnach, die Google-Cloud souveräner zu machen und sie auch für deutsche Bürger sowie die Verwaltung attraktiv zu ma­ chen. Ob die Cloud auch Teil der Multi-Cloud-Strategie des Bundes wird, ist noch nicht zu sagen. Ein Proof-of-Concept ist bei diesen Versprechungen allerdings wohl zu erwarten.

Eine hochkarätige Runde diskutierte das Thema “Arbeit 5.0” wischen Technologiestress und Homeoffice. Foto: BS/Trenkel

Menschen unterschiedlich auf diese reagierten. Remote zu ar­ beiten, habe Vorteile, erklärt Ines Hölscher, Wissenschaftliche Mit­ arbeiterin am Kompetenzzentrum Öffentliche IT. Arbeitswege fielen weg, man könne ungestörter ar­ beiten und das sei besser für die Konzentration. Aber auch der Austausch und das Netzwerken fielen weg, gibt sie zu bedenken. Manchen Mitarbeitenden mache das nichts aus, andere litten un­ ter dieser Isolation und verlören ihre Motivation.

Auf einen Kaffee Das spontane Treffen mit Kollegen auf dem Flur oder, noch besser, ein gemeinsamer Kaffee in der Pause – dieses soziale Miteinander fehle, wenn das Team ganz oder teilweise im Homeoffice sei. Vielerorts ver­ suche man mit Alternativen wie einem “digitalen Kaffeeklatsch” Abhilfe zu schaffen. Komplett ersetzten könne man das reale Treffen im Büro damit allerdings nicht. “Irgendwann hat man auch

Was kommt nach der Förderung? Digitale Schule nachhaltig gestalten (BS/Tanja Klement) “Hat Corona der Digitalisierung der Schulen geholfen? Ja klar.”, so Stefan Kondmann, Head of Key Account Management Public bei 1&1 Versatel. Auch wenn natürlich nicht alles funktioniert habe. Besonders weit seien Schulen, die schon vor der Pandemie ein Konzept für die Digitalisierung entwickelt hätten. Dieser Planungsprozess habe bei anderen zu größeren Verzögerungen geführt. Zumindest in Brandenburg lasse sich das auch anhand der Abrufe von Mitteln aus dem Digitalpakt Schule belegen, so Dr. Michael Kaden, Bereichsleiter Digitale Bildung bei der DigitalAgentur Brandenburg. In der Öffentlichkeit habe das mitunter anders gewirkt. Her­ vorgehoben habe man dort vor allem Dinge, die nicht oder nur schlecht funktioniert hätten. Es gebe in der Bundesrepub­ lik eben nicht nur 80 Millio­ nen Bundestrainerinnen und Bundestrainer, sondern auch 80 Millionen Bildungsexper­ tinnen und Bildungsexperten, so Kondmann. Die eigentliche Situation in den Schulen sei in den meisten Fällen besser als medial dargestellt.

Verschiedene Voraussetzungen

Ein Panel auf Digitaler Staat ging der Fragestellung nach, ob man Souveränität mit Resilienz gleichsetzen kann und inwiefern eine sichere Cloud beides gewährleisten kann. Foto: BS/Trenkel

keine Lust mehr auf diese digitalen Meetings”, so Hölscher. “Wir werden in eine hybride Arbeitswelt kommen”, glaubt Schweitzer. In seinem Ministerium seien 65 Prozent der Kolleginnen und Kollegen noch im Homeoffice, allerdings nicht die ganze Woche über. An zwei Tagen seien sie im Büro und an diesen Tagen würde dann extrem verdichtet Teambe­ sprechung gemacht, es werde kom­ muniziert und sich auch mal auf einen Kaffee getroffen. “Man findet schon eine Möglichkeit, das Beste aus allen Welten zusammenzu­ bringen”, schließt er daraus. Dennoch: “Sozialer Zusammen­ halt ist nichts, was ich anordnen kann”, gibt Lehmann zu beden­ ken. Viele Mitarbeitende seien freiwillig dazu bereit, in die Ge­ meinschaft zu investieren, das sollte man als Führungskraft nicht durch Regularien unterbin­ den, rät er. Gleichzeitig solle man nicht nach Lösungen suchen, die Regularien enthielten, sondern auf die Freiwilligkeit der Mitar­

terschied zwischen Leadership und der mittlerweile viel disku­ tierten Digital Leadership sieht Latuski allerdings nicht. Die letz­ ten zwei Jahre hätten gezeigt, dass virtuelle Zusammenarbeit funktioniere und das habe na­ türlich Auswirkungen auf das Führungsverständnis. Während man es vor einigen Jahren noch gewohnt gewesen sei, auf Basis von Arbeitsaufträgen zu arbeiten, funktioniere das Führen auf Dis­ tanz auf der Basis von Vertrauen, Befähigung und Empowerment. Man könne dabei auf der einen Seite nicht davon ausgehen, dass die Mitarbeitenden das schlicht­ weg könnten, auf der anderen dürfe man auch nicht davon aus­ gehen, dass die Führungskräfte das einfach könnten. “Ich glaube, das ist die Welt, in der wir heute leben, mit der wir heute klarkom­ men müssen”, so Latuski. Man müsse jetzt einen guten Mittelweg finden, betont Burg­ hardt. Das sei bei der Aus- und Weiterbildung genauso. Es sei gut, wenn Menschen sich träfen, aber auch digitale Möglichkeiten, um Kompetenzen zu vermitteln, sollten genutzt werden. Er habe die Erfahrung gemacht, dass man mit digitalen Angeboten sogar Hürden überwinden und mehr Menschen erreichen könne. Vieles verändert sich in der Ar­ beitswelt. Den Menschen dabei im Sinne des “Arbeitens 5.0” in den Fokus zu stellen, ist wichtig. Damit das tatsächlich gelingt, darf nicht nur über den neuen Kunstbegriff diskutiert werden, man muss auch Neues wagen und sich trauen, Unbekanntes auszuprobieren. Oder, wie Burg­ hardt es formuliert: “Lasst uns einfach mal machen!”

Im Vergleich mit der Wirt­ schaft könnten Schulen in Sa­ chen Digitalisierung bestimmt vieles lernen, doch nicht alles sei übertragbar, so Kondmann. Eine Standortverlegung etwa sei für ein Unternehmen durchaus denkbar, wenn so eine bessere Netzanbindung sichergestellt werden könne. Eine Schule sei hier weniger flexibel. Aber auch bei den gegebenen Voraussetzun­ gen vor Ort habe sich während

der letzten beiden Jahre viel ge­ tan, so Dr. Kaden. Die Digital­ Agentur Brandenburg habe die Schul-Cloud Brandenburg an weit mehr als den ursprünglich geplanten 100 Schulen pilotie­ ren können. Insgesamt könn­ ten an 700 Schulen mittlerweile 199.500 Nutzerinnen und Nutzer das mehrsprachige Angebot nut­ zen. Handlungsbedarf gebe es hier vor allem noch in Sachen Digitalkompetenz sowie Leitlinien und Standards.

Was braucht ein Digitalpakt 2? Im aktuellen Digitalpakt Schule stehen 6,5 Milliarden Euro aus Bundesmitteln zur Verfügung. Abgerufen wurden bis Ende 2021 laut dem Bundesministe­ rium für Bildung und Forschung knapp 20 Prozent, also über 1,2 Milliarden (Stand 31.12.2021). Wofür die Mittel im Einzelnen abgerufen worden seien, ließe sich nicht bundesweit aufschlüs­ seln, da die Länder ihre Daten unterschiedlich strukturierten, so Dr. Kaden. Besonders un­

übersichtlich sei die Lage bei den Ausgaben für IT-Sicherheit, da diese nicht bei den Schulen selbst, sondern beim jeweiligen Plattform-Anbieter verortet sei­ en. Diese seien mitunter lände­ rübergreifend tätig, womit sie in der Statistik nicht mehr klar erfasst werden könnten. Trotzdem stellt Kaden Ziele für eine Neuauflage des Digi­ talpakts Schule auf. Es brauche einen Entwurf für eine dauer­ hafte Finanzierung, denn die Bedarfe an den Schulen nähmen nach der initialen Beschaffung von Soft- und Hardware nicht ab. Wartung, Betrieb und ITSicherheit müssten als Fixkos­ ten verlässlich gedeckt werden können. Des Weiteren seien gesetzte Standards und ein klares Ziel dringend notwen­ dig. Denn Digitalisierung dürfe kein Selbstzweck sein. Nur so könne es einen nachhaltigen Kulturwandel geben, durch den eine bestmögliche Wissensver­ mittlung gewährleistet werden könne.


Digitaler Staat

Behörden Spiegel / Juni 2022

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auptgrund der Entscheidung, nun eine Priorisierung vorzunehmen, ist die Erkenntnis der OZG-Verantwortlichen, dass die OZG-Frist Ende 2022, bis zu der eigentlich alle 575 Leistungsbündel digitalisiert werden sollten, nicht erreicht werden wird. “Dieses Ziel werden wir gerade in der Flächendeckung krachend verfehlen”, bringt es der BundesCIO und Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI), Dr. Markus Richter, auf dem Punkt. Richter hat derzeit auch den Vorsitz im IT-Planungsrat inne. Ein mögliches OZG 2.0 müsse deswegen andere Kriterien beinhalten. In der aktuellen Situation sei es wichtig, dass der IT-Planungsrat die Priorisierung vorgenommen habe. “Wir müssen dafür sorgen, dass die wichtigen Leistungen in die Fläche kommen”, so Richter. Bei der Priorisierung, die manchmal auch “Booster” genannt wird, gehe es ausschließlich um die Flächendeckung. So liest sich auch der Beschluss des IT-Planungsrats, in dem es heißt, man habe besonders wichtige Leistungen aufgeführt, die noch im Jahr 2022 flächendeckend ausgerollt werden sollen. Nicht priorisierte Leistungen seien nötigenfalls zurückzustellen. Unter die priorisierten Leistungen fallen einige, die bereits EfAfähig verfügbar und bereitgestellt sind. Dazu zählen unter anderem der digitale Führerschein oder das digitale Elterngeld, aber auch

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Neuausrichtung auf der Zielgeraden Bei der OZG-Umsetzung wird ab sofort priorisiert (BS/Matthias Lorenz) Der Beschluss des IT-Planungsrates kam zur richtigen Zeit. Einen Tag vor Beginn des Digitalen Staates verkündete das Gremium, bestimmte Einer-für-Alle-Leistungen (EfA-Leistungen) im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) zu priorisieren. Doch wo liegen die Hintergründe für die Entscheidung? Und kann sie der OZG-Umsetzung zum Erfolg verhelfen? Dies sind Fragen, über die auch auf dem Kongress intensiv diskutiert wurde. der digitale Aufenthaltstitel oder BAföG digital. Jedoch führt der IT-Planungsrat insgesamt auch 22 prioritär zu behandelnde Leistungen auf, die bis heute noch nicht EfA-fähig zur Verfügung stehen. Hier werden unter anderem die Ummeldung, der Personalausweis, die Kfz-An- und Ummeldung sowie der Schwerbehindertenausweis genannt. Stefan Krebs, CIO/CDO der Landesregierung Baden-Württemberg, ist der Ansicht, dass man schon mit Beginn des OZG eine Priorisierung hätte vornehmen müssen. Schon damals sei klar gewesen, dass es diese Priorisierung brauche. Eine Ansicht, die viele auf dem Kongress teilten. “Mit einem Gießkannenprinzip kommen wir nicht weiter”, sagte etwa Roland Kreutzer, Partner und Leitung Beratung Public Sector bei mgm. Jetzt brauche es mehr Leuchtturmprojekte, also Massenleistungen, die Ende-zuEnde digitalisiert und flächendeckend ausgerollt würden. Andere Leistungen, wie zum Beispiel das Brauchtumsfeuer, würden bis

Das ursprüngliche OZG-Ziel werde man gerade in der Flächendeckung krachend verfehlen, so CIO Richter. Foto: BS/Trenkel

Ende des Jahres noch nicht in digitaler Form benötigt. Auf Leuchtturmprojekte setzt man unter anderem auch in Österreich. Dem Land wird vielfach attestiert, bei der Verwaltungsdigitalisierung schon deutlich mehr Fortschritte als Deutschland erzielt zu haben. Österreichs inzwischen zurückgetretene Bundesministerin für Digitalisierung

und Wirtschaftsstandort, Dr. Margarete Schramböck (ÖVP), erläutert: “Wir brauchen diese Vorzeigeprojekte, um alle auf die Reise der Digitalisierung mitzunehmen.” Als Beispiel nennt sie den digitalen Führerschein, der in Österreich im Sommer dieses Jahres kommen werde. Es wird in Zukunft bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen in Deutschland also verstärkt darum gehen, diejenigen Leistungen zu identifizieren, die für die Bürgerinnen und Bürger in digitaler Form den größten Mehrwert bieten. Leuchtturmprojekte sollen deswegen auch in die Digitalstrategie der Bundesregierung aufgenommen werden, welche derzeit vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) erarbeitet wird. “Die Strategie soll einen übergreifenden Rahmen für die Digitalisierung bilden und sich nicht im Klein-Klein verlieren”, erklärt Benjamin Brake, der im BMDV die Abteilung Digital- und Datenpolitik leitet. Ein erster Entwurf soll noch vor der dies-

jährigen Sommerpause vorliegen. Außerdem werde die Strategie im kommenden Jahr um ein Digitalbudget ergänzt, kündigt Brake an. Inwiefern Gelder aus diesem Budget für die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen eingesetzt werden können, ist noch unklar. Das Budget könnte sich allerdings an der Gestaltung des österreichischen Digitalisierungsfonds orientieren. Wie ExMinisterin Schramböck ausführt, könnten Projekte Mittel aus diesem Fonds nur erhalten, wenn mindestens zwei Bundesministerien an dem Projekt beteiligt seien und die Ergebnisse darüber hinaus für alle, auch zum Beispiel Gemeinden, abrufbar seien. Ähnliche Kriterien sind grundsätzlich auch für Deutschland denkbar. Auch könnte man beispielsweise festlegen, das Mittel nur zur Verfügung gestellt werden, wenn es für die Projektergebnisse eine ausreichend große Nachfrage bei Bürgern und Unternehmen gibt. Wie schnell die Entwicklung digitaler Vorhaben und Leistungen bei einer Setzung von Prio-

ritäten gehen kann, zeigt sich unter anderem im Kontext der Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Ernst Bürger, Abteilungsleiter Digitale Verwaltung und Steuerung OZG im BMI, weist darauf hin, dass man innerhalb von zehn Tagen die zentrale Plattform Germany4Ukraine entwickelt habe. Auch würden beim OZG Leistungen für Geflüchtete vorgezogen, wie zum Beispiel der Antrag auf einen Aufenthaltstitel. So zeigt sich: Eine Priorisierung könnte dabei helfen, noch einmal Schwung in die Umsetzung des OZG zu bekommen. Zumindest erhoffen sich das viele OZG-Verantwortliche. Einen Schwung, den es laut CIO Krebs zum ersten Mal mit den drei Milliarden Euro aus dem Corona-Konjunkturpaket 2020 gab. “Diese Mittel kamen aber zu spät, wir haben das Geld nicht mehr auf die Straße bekommen”, so Krebs. Trotzdem wird erwartet, dass auch wegen der Priorisierung noch in diesem Jahr einige Online-Leistungen dazukommen – zum Beispiel im FIT-Store der Föderalen IT-Kooperation (FITKO), wo momentan erst vier Leistungen zu finden sind. Diese Hoffnung formuliert FITKO-Präsidentin Dr. Annette Schmidt: “Auch wir glauben, dass der Booster dabei helfen wird, bis Jahresende einige wichtige Leistungen in die Fläche zu bekommen.”

Basis moderner Verwaltung

Digitale Schule: schnelles Handeln gefragt

Welche Herausforderungen bietet die E-Akte?

Glasfaser als einzige Lösung für den langfristigen Bedarf

(BS/tr) Die E-Akte wird schon in einigen Teilen der Bundesrepublik mit großem Erfolg eingesetzt. So sind bis 2022 in Baden-Württemberg allein knapp 19.300 Arbeitsplätze mit der E-Akte ausgestattet worden. Doch die Umsetzung auf eine komplett digitale Verwaltung sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Man könne an der E-Akte auch vorbeiarbeiten, so Prof. Dr. Robert Müller-Török, Professor für E-Government an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg.

(BS/Stefan Kondmann) Bildungseinrichtungen im ganzen Land stehen vor der wichtigen Aufgabe, ihre Angebote und ihre Verwaltung zu digitalisieren. Gleichzeitig müssen Schulen die junge Generation auf die digitale Zukunft vorbereiten. Doch längst nicht alle erfüllen die hierfür notwenigen technischen Voraussetzungen. Damit der Sprung ins digitale Zeitalter gelingt, ist schnelles Handeln aller verantwortlichen Akteure gefragt: Schulen brauchen leistungsfähige Telekommunikationsinfrastrukturen, idealerweise auf Basis von Glasfaser.

Bis 2024 soll in Baden-Württemberg der Rollout der E-Akte abgeschlossen sein. “Die E-Akte ist ein zentraler Baustein zur medienbruchfreien Kommunikation und Vorgangsbearbeitung in der Verwaltung”, erklärte Dr. Daniela Oellers, Gesamtprojektleiterin des Projektes “Landeseinheitliche E-Akte” im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg. Durch Dienstleistungsportale wie zum Beispiel “service-bw” und das Angebot von Basisdiensten über digitale Schnittstellen ließe sich ein vollständig digitaler und medienbruchfreier Verwaltungsprozess darstellen. Weitere Dienste ließen sich ebenfalls ohne Probleme anbinden, so Oellers. Es gebe jedoch auch einige Herausforderungen und “Stolpersteine” bei der breiten Einführung der E-Akte. So bedeute eine Erweiterung der Schnittstellen einen erhöhten Entwicklungsaufwand. Unterschiedliche Systeme müss-

ten fehlerfrei miteinander kommunizieren und auch Themen wie Sicherheit und Datenschutz dürften nicht vergessen werden, sagt Oellers.

An der E-Akte vorbeiarbeiten Ein weiterer wichtiger Punkt ist auch die flächendeckende Einführung der E-Akte. “Es bringt nichts, nur den halben Markt zu haben”, erläuterte Müller-Török. Alle Dienststellen müssten an die E-Akte-Systeme angeschlossen werden, damit das Prinzip reibungslos funktioniere. Sonst werde an der E-Akte vorbeigearbeitet. In diesem Punkt sieht er in Deutschland noch einigen Nachholbedarf. So sei vor allem vergessen worden, die komplette diplomatische Vertretung Deutschlands in anderen Ländern an das E-Akte-System anzubinden. Dies zu ändern, bedürfe eines großen Aufwands, so MüllerTörök. Die deutsche Verwaltung müsse sich im Klaren sein, dass

die Einführung der E-Akte mit organisatorischen Veränderungen einhergehen werde.

Mehr Sicherheit Marc Horstmann, Prokurist und Leiter der Geschäftsfelder Justiz und Europa bei Governikus, sieht große Probleme beim Thema Sicherheit. “Elektronische Daten und Dokumente weisen generell keinerlei Authentizität auf und haben keine Rechtsverbindlichkeit”, so Horstmann. In seinen Augen ist die E-Akte an sich zu kurz gedacht. Er erhofft sich ein erhöhtes Maß an Sicherheit durch den Einsatz von Kryptographie. Durch dieses Verfahren soll durch elektronische Siegel und Signaturen die Authentizität der Dokumente sichergestellt werden. Horstmann stimmte den anderen Referenten zu, dass ein flächendeckender Einsatz der E-Akte in der deutschen Verwaltung noch einiges an Arbeit benötige.

Spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie haben digitale Lehr- und Lernmethoden an Schulen in ganz Deutschland Einzug gehalten. Dennoch reichen die zur Verfügung stehenden Bandbreiten häufig nicht aus – der Bildungssektor hinkt bei der Digitalisierung hinterher. Glasfaser ist die einzige Übertragungstechnologie, die den zunehmenden Bedarf auch langfristig abdecken kann: Sie ermöglicht Internetgeschwindigkeiten von bis zu 100 GBit/s, ist damit nahezu unbegrenzt skalierbar und absolut zukunftssicher. 1&1 Versatel hat im Bildungsbereich bereits zahlreiche Digitalisierungsprojekte realisiert. So hat der Telekommunikationsspezialist zwischen 2017 und 2020 über 600 Schulen in ganz Schleswig-Holstein ans Netz gebracht. Außerdem wird 1&1 Versatel bis Ende 2024 mehr als 550 Berliner Schulen

mit Glasfaser ausstatten. Ein besonders gelungenes Beispiel ist zudem die Rundumlösung für den Dansk Skoleforening for Sydslesvig e. V., der in Schleswig-Holstein zahlreiche Schulen und Kindergärten betreibt: Die Kindergärten werden mit Bandbreiten von je 100 MBit/s und die Schulen mit je einem GBit/s ans Internet angebunden. Über eine SD-WAN-Standortvernetzung können Lehrkräfte zudem ortsunabhängig auf alle zentralen Dienste und Anwendungen im Vereinsrechenzentrum wie etwa Telefonie-Server oder Drucker zugreifen. Eine ebenfalls integrierte Sicherheitslösung steuert und überwacht den gesamten Internetverkehr des Vereins, von der Abwehr von Cyber-Attacken bis hin zur Sperrung bestimmter Websites unter Jugendschutzgesichtspunkten. Bildungseinrichtungen müssen jetzt reagieren und ihre Digitali-

Stefan Kondmann, hier als Experte auf dem Digitalen Staat 2022, ist Vertriebsleiter Bund und Länder bei 1&1 Versatel. Foto: BS/Trenkel

sierung forcieren. Dabei müssen sie Hand in Hand mit Kommunen und Telekommunikationsanbietern Lösungen entwickeln und konsequent umsetzen – damit Deutschland auch in Zukunft in der oberen Bildungsliga mitspielen kann.

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Behörden Spiegel / Juni 2022

“W

enn man sich so in den Behörden umhört, sagen 44 Prozent, dass sie nicht wissen, ob sie KI einsetzen wollen. Jeder Zweite!”, ruft Nikolaus Hagl von SAP Deutschland frustriert aus. Woran liegt dieses Zögern? Nach wie vor sähen viele Verwaltungsangestellte in KI zunächst eine Gefahr für ihren Arbeitsplatz.

Ist mein Arbeitsplatz in Gefahr? Dabei müsse allerdings zwischen zwei Arten von Tätigkeiten unterschieden werden, erklärt Dr. Sven Stephen Egyedi Beauftragter für die Digitalisierung und die Auslands-IT sowie CIO beim Auswärtigen Amt. Auf der einen Seite stünden hochkomplexe Tätigkeiten und Entscheidungen. Als Beispiel dafür nennt Eqyedi einen Polizeieinsatz. Aber auch die Entscheidung darüber, ob Deutschland Waffen an die Ukra­ ine liefern soll, wird so bald keine Maschine für uns treffen. Auf der anderen Seite stehen die verwaltungstypischen Routinetätigkeiten. Einen Brief öffnen, die Antworten in eine Tabelle eintragen, das Ganze ins nächste System kopieren, einen Bescheid erstellen. Alle diese Tätigkeiten könne eine Maschine übernehmen, sagt Raymond Klotz, Ma-

Künstliche Intelligenz massenhaft Der Weg vorwärts für die öffentliche Verwaltung (BS/Benjamin Hilbricht) Im Auswärtigen Amt (AA) arbeitet eine Künstliche Intelligenz (KI). Sie durchforstet ein Meer von Daten nach Mustern und errechnet die Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Ereignisse eintreten. Das ist nur ein Beispiel, wo der Öffentliche Dienst KI einsetzt. In der breiten Fläche der Verwaltung kommen die selbstlernenden Algorithmen jedoch kaum zum Einsatz. Dem stehen viele Sorgen entgegen. Doch es gibt Wege, KI in die Breite zu tragen. nager Public Sector Germany bei UiPath. “Wiederkehrende, einfache Tätigkeiten werden ersetzt.” Damit würden die Menschen frei, sich mit komplexeren Themen zu befassen. In Anbetracht dessen, wieviel Zeit in der Verwaltung auf solche Tätigkeiten verwendet werde, würde sich da auch ein schlagkräftigeres System entwickeln. “Wir sprechen von volldigitalen Workflows”, sagt Steven Hand­ grätinger, Bereichsvorstand Public Sector bei Bechtle.

Hochkomplexe Tätigkeiten Allerdings gibt es hier auch kritische Stimmen. “Wenn ich sechs Stunden hochkomplexe Tätigkeiten habe und zwei Stunden Routinearbeiten, dann schiebe ich Letztere gerne mal dazwischen, um mich zu erholen”, erklärt Mo­ ritz Heuberger von der Universität Potsdam. Anstelle dessen könne

Fünf Experten diskutieren über Künstliche Intelligenz in der Verwaltung. V.l.n.r.: Dr. Sven Stephen Egyedy, Moritz Heuberger, Dr. Alfred Kranstedt, Raymond Klotz und Nikolaus Hagl Foto: BS/Trenkel

eine Sachbearbeiterin nicht acht Stunden hochkomplexen Tätigkeiten nachgehen, führt er weiter aus. Zwar sei das Feedback zur

Alle mitnehmen

KI skalieren

Digitalisierung selbst macht noch keine smarte Stadt (BS/Malin Jacobson) Den Ansatz, Städte (durch Digitalisierung) intelligenter zu machen, gibt es bereits seit gut zwei Jahrzehnten. In vielen Städten wurden seitdem Smart-City-Konzepte entwickelt, weiterentwickelt und zur Anwendung gebracht. Sowohl die digitalen Anwendungsmöglichkeiten als auch die Gesellschaft und deren Ansprüche an die moderne Verwaltung haben sich mit der Zeit gewandelt. Und damit auch das Verständnis von Smart City. Das Verständnis von Smart City hat sich geändert. Während Städte lange technologiegetrieben waren, verstehe man heutzutage unter Smart City eine nachhaltige und integrative Stadtentwicklung, erläuterte Frauke Janßen, Beauftragte für Digitalisierung des Deutschen Städtetags, in ihrem Impuls. “Digitalisierung selbst macht noch keine smarte Stadt”, so ihr Statement. Stattdessen müsse man sich in den Kommunen fragen, wie man leben wolle, welche Herausforderungen es gebe und wie man diese Ziele erreichen könne – “erst dann kann Digitalisierung ansetzen und uns an unser Ziel bringen”. Dem stimmte auch Sin­ dy Würffel, EU-Projektmanagerin der Stadt Ulm, zu: “Smart City ist kein Etikett wie “Kurort”, sondern steht bei uns für das Konzept der Stadt.” In Ulm habe man sich – um die Frage zu klären, wie die Bürgerinnen und Bürger leben wollen und welche Herausforderungen es gebe – zwei Jahre Zeit genommen, erläutert die Projektmanagerin. Auf die Frage, ob zwei Jahre Bürgerbefragung in unserer heutigen Gesellschaft noch zeitgemäß seien, erklärte sie, es brauche Zeit das ganze kommunale Ökosystem, um zu informieren und von nachhaltigen Veränderungen zu überzeugen. “Stadthistorie kann nicht von heute auf morgen auf Schnellspurmodus umgestellt werden. 3.200 Mitarbeitende müssen mitgenommen werden – es reicht nicht, wenn nur einzelne Abteilungen die Dringlichkeit sehen.” Auch in Köln habe man sich zwei Jahre Zeit für die Strategieplanung genommen, ergänzte Dirk Blauhut, Stabsstelle Digitalisierung der Stadt Köln. Allein um alle Gremien zu informieren, habe man ein halbes Jahr benötigt. Er plädierte zudem dafür, das Potenzial und die Kreativität der Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen stärker in den Blick zu nehmen. Das funktioniere nur über zielgruppenorientiertes Werben, erklärte er auf die Frage wie man die Menschen erreichen könne, um neue Konzepte für

Prozessautomatisierung aus der Verwaltung generell sehr positiv. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freuten sich, wenn ihnen Routinearbeiten abgenommen würden.

Wie lässt sich mit Best Practices die Kooperation im Bereich Smart City verbessern? Hierzu diskutierte ein Panel unter der Moderation von Frauke Janßen, Beauftragte für Digitalisierung beim Deutschen Städtetags.

Deshalb will die Öffentliche Verwaltung KI für sich erschließen. Breit und flächendeckend. Bisher sind die meisten KI in der Verwaltung allerdings sogenannte “Leuchtturmprojekte”. Das sei zwar ein erster Schritt hin zu mehr KI im Öffentlichen Dienst: “Ich freue mich über jeden Leuchtturm, der aufgebaut wird”, erklärt Marc Schlingheider, Leiter des Geschäftsbereichs Öffentlicher Sektor bei IBM. Dennoch sei da das Problem, dass Leuchttürme Manufaktur-Produkte seien. Das heiße, die Hersteller schneiderten sie individuell auf die Erfordernisse eines Kunden zu.

Stattdessen benötige die Verwaltung ein Massenprodukt. “Wir brauchen einen Standard, den wir individualisieren und in die Breite tragen können”, sagt Gerald Jenner, Geschäftsfeldentwickler bei Dataport. Seine Idee ist, statt speziellen

Künstlichen Intelligenzen eine Art Muster-KI zu entwickeln, die sein Team dann nur noch an die Bedürfnisse des Kunden anpassen müsse. Etwa wie ein Anzug von der Stange, bei dem der Hausschneider noch einmal die Ärmel kürze oder die Hose auslässe, je nach Bedarf.

Ängste überwinden Sören Bergner, Unterabteilungsleiter beim Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), fügt hinzu, dass KI-Technologie auch Akzeptanz brauche. Denn sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch die Anwenderinnen und Anwender in den Ämtern hätten Ängste. “Ich verstehe die Sorge der Bürger, gerade wenn KI im Bereich der Sicherheit angewendet wird”, sagte er. Aber die öffentliche Verwaltung könne und müsse den Ängsten begegnen. “Wir müssen bei allem, was wir tun, Transparenz schaffen. Welche Daten sammelt die KI und was macht sie damit?”, erläutert er seine Strategie. Für die Anwender in der Verwaltung hingegen müsse eher erklärt werden, wie KI-Anwendungen sich auf ihre Arbeitsprozesse auswirkten. Das Beratungs- und Kompetenzzen­ trum des BMI sei da ein gutes Unterstützungswerkzeug. Bergner fasst zusammen: “Wir brauchen Transparenz in der Gestaltung und in der Anwendung von KISystemen.”

Der Bereichsvorstand für den Public Sector bei Bechtle, Steven Handgrätinger, sagt: “Es gilt digitale Resilienz zu erzeugen.” Foto: BS/Trenkel

Souveränität über Plattformunabhängigkeit Zentralisierung führt in die Abhängigkeit

(BS/Paul Schubert) “Online-Services, die wie ein Formular auf dem Amt auszufüllen sind, stehen nicht für eine erfolgreiche Digitalisierung”, stellte Thomas Bönig, Leiter des Amtes für Digitalisierung, Organisation und IT der Stadt Stuttgart auf dem Kongress Digitaler Staat klar. Die Technik verändere die Umwelt stärker, als es der die Verwaltung zu diskutieren: Verwaltungsmitarbeitenden, in Mensch je in der Lage wäre, schlussfolgerte der Referatsleiter. Um digitale Souveränität zu schaffen, brauche “Direkt auf Veranstaltungen und dem sie sich beispielsweise mit es neben einer bundesweiten Cloud-Lösung auch “Open Source als Grundprinzip”, forderten die Teilnehdurch Tür-zu-Tür-Geschäft, nur Open Source auseinandersetzen menden der Diskussionsrunde “Mehr Unabhängigkeit für Deutschland und Europa” auf dem Fachkongress. Foto: BS/Trenkel

eine Maßnahme wird nicht helfen.” Beispielsweise durch Hackathons, Boys’ and Girls’ Day oder ein Seniorencafé könne man Gruppen zusammenbringen und den gesamtgesellschaftlichen Austausch fördern. In Ulm habe man die Menschen zum einen über die Vereinsebene erreicht, ergänzte Würffel, zum anderen habe man Workshops veranstaltet und die Bürgerinnen und Bürger nicht nach Problemfeldern, sondern nach Lösungen gefragt. Dadurch habe sich der Einzelne wertgeschätzt gefühlt und man habe das kommunal vorhandene Potenzial nutzen können, erklärte die Projektmanagerin.

Umgang mit den Endgeräten Neben der Kommunikation sei auch der geschulte Umgang mit internetfähigen Endgeräten entscheidend für das Gelingen der Verwaltungsdigitalisierung, so Würffel. Daher habe die Stadt Ulm während der Pandemie mit der dortigen Universität Informationen darüber zusammengetragen, was die Menschen an Know-how bräuchten, um mit ihren Endgeräten umgehen und so die digitalen Angebote der Verwaltung nutzen zu können. Als Konsequenz habe man Digitallotsen ausgebildet, die den Bürgerinnen und Bürgern Hilfestellung bieten könnten. Auch einen Kreativraum für die

könnten, gebe es, eräuterte die Projektmanagerin. Würffel: “Denn nur wenn unsere Mitarbeitenden geschult sind, können sie es an die Bürger weitergeben.” Kommunikation und Austausch seien zudem wichtig, um Vertrauen aufzubauen, so Lars-Oliver Schröder, CMO & CSO von XignSys. Das gelinge nicht von heute auf morgen, sondern müsse kontinuierlich wachsen. Hierbei sei auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Städten und Projekten entscheidend. Dass man mittlerweile einfach in anderen Städten anrufen und fragen könne, wie man dort Herausforderungen angehe, hob auch Blauhut positiv hervor. Während früher jede Stadt eher für sich selbst gesprochen habe, könne man nun kommunenübergreifend Lösungsansätze angehen. Die Zusammenarbeit sei jedoch noch ausbaufähig, meinte Janßen. Momentan gibt es ihrer Meinung nach noch viele Reibungsverluste, da vergleichbare Projekte oft nichts voneinander wüssten und sich daher nicht austauschen könnten. Außerdem müsse das Ziel sein, dass nicht nur vom BMI geförderte Modellkommunen ihre Smart-City-Konzepte ausbauen könnten, sondern deren Erkenntnisse auch in die Fläche getragen würden. “Wir bleiben noch im Networking hängen und schaffen den Sprung nach außen nicht.”

Durch die Digitalisierung werde der Faktor Mensch in Zukunft wohl mehr und mehr ergänzt, erklärte Bönig. “Ergänzt, nicht ersetzt”, fügte er an. Um einen guten Fortschritt zum Erreichen digitaler Souveränität zu etablieren, seien kreative Ideen, vor allem aus der öffentlichen Verwaltung, notwendig: “Die Verwaltung ist gewohnt, sich aus der Wirtschaft zu bedienen.” Des Weiteren wünscht sich der Referatsleiter eine bundesweite Cloud-Lösung für die Kommunen: “Dann könnte man mit den großen Digital-Anbietern im Gleichschritt gehen.” Konkurrenz belebe das Geschäft, so Bönig. Eine ähnliche Argumentation vertritt auch Harald Joos, Chief Information Officer im Bundesministerium der Finanzen (BMF). Er forderte einen “nationalen Hyperscaler”. Voraussetzung dafür sollte es sein, dass der Bund bestimme, welche Technik dabei verwendet werden solle: “Auch wenn sie trotzdem noch aus den USA kommen sollte”, scherzte der CIO des BMF. Open Source spielt in der Debatte über die Etablierung von digitaler Souveränität eine große Rolle. Es sollte das “Grundprinzip der Arbeit werden”, erklärte Joos. Der größte Vorteil von Open-SourceSoftware sei die Offenlegung des

Quellcodes: “Damit kann man oft eine bessere Qualität erreichen, es muss allerdings trotzdem an der Software gearbeitet werden”, erklärte Joos. Die Plattformunabhängigkeit hält der Beamte ebenfalls für einen Key-Faktor.

Dezentralisierung als Schlüsselelement Um die Unabhängigkeit zu garantieren, schlug Ansgar Kückes, Chief Architect Public Sector von Red Hat, Dezentralisierung vor: “Keiner will sich nur auf einen Anbieter verlassen müssen.” Man sei so lange nicht souverän, solange man auf fremde Lösungen angewiesen sei. Man habe auch nicht mehr die Zeit, auf die Produkte zu warten: “Wir müssen flexibel und schnell bei den Entwicklungen von SoftwareLösungen sein”, forderte Kückes. Dennoch solle man aufhören, davon zu reden, zu welchem Zeitpunkt man endlich digital souverän sein könne: “Das Erreichen von digitaler Souveränität ist zwar ein Ziel, aber es geht vor allem um den Prozess und darum, Schritt für Schritt besser zu werden”, folgerte der Firmenvertreter.

Es lebe das Baukastenprinzip Ein weiterer wichtiger Faktor zum Erreichen digitaler Souve-

ränität ist die der Austauschbarkeit. Es reiche nicht aus, sich auf mehrere Anbieter verlassen zu können, es sollte auch eine Standardisierung in den Produkten erreichen werden. Cle­ mens Otte, Head of Government Relations bei der Software AG, rief dazu auf, sich von monolithischen IT-Infrastrukturen zu verabschieden und auf ein “Baukastenprinzip” zurückzugreifen. Dabei könnten Produkte bei Bedarf einfach ausgetauscht werden. Auch bemängelte er die zu starke Abhängigkeit von internationalen Konzernen. Des Weiteren kritisierte er die Diskussion über den Nutzen von Open-Source und proprietärer Software: “Das ist oft eine ideologische Diskussion. Digitale Souveränität heißt nicht, ausschließlich auf Open-SourceSoftware zu setzen.” Wichtig ist ihm die Hoheit über die Daten. In punkto Datenhoheit bekämen manche Bürger/-innen ein falsches Bild vermittelt, so Bernhard Hecker, Head of Public Affairs Europe von SUSE: “Bei der Corona-Warn-App ist besonders aufgefallen, wie genau die Nutzenden bei Produkten des Bundes hinschauen.” Dabei sei die Corona-Warn-App die kleinste Datenkrake. Wer die größte ist? “Facebook”, erwiderte Hecker.


Digitaler Staat

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“E

s gilt eine digitale Resilienz zu erzeugen und das ist alternativlos”, sagt Steven Handgrätinger, Bereichsvorstand Public Sector bei Bechtle. Resilienz ist die Fähigkeit, Krisen zu überstehen und daraus zu lernen. Ohne diese Fähigkeit kommt die Verwaltung nicht mehr aus, denn die Krisen häufen sich. Corona, die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, der russische Angriff auf die Ukraine. “Wir haben gelernt: Die nächste Krise kommt”, fasst Dr. Uda Bastians, Beigeordnete und Leiterin des Dezernats Recht und Verwaltung beim Deutschen Städtetag, das Gefühl in der Verwaltung zusammen. Die Verwaltung muss reagieren, und so werden Krisen zu Innovationsbeschleunigern. Durch die Corona-Pandemie zum Beispiel wurden digitale Krankenbescheinigungen, Online-Anträge, Home Office und Videokonferenzen selbstverständlich. In der aktuellen Lage launcht das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) Internetseiten, um Geflüchtete aus der Ukraine über das Leben in Deutschland zu informieren. Unter der Regie des Brandenburger Innenministeriums entstand zudem ein Online-Antrag, mit dem Geflüchtete digital einen Aufenthaltsstatus

“Trotz aller Kritik hat sich der Föderalismus über lange Zeit bewährt”, unterstrich Dr. Christoph Baron. Seit der Pandemie bleibe jedoch der Eindruck, “da geht noch was”, so der Direktor Öffentlicher Sektor bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Drei Aufgaben müssten unbedingt angegangen werden: Erstens seien die Strukturen zu überprüfen und das föderale System weiterzuentwickeln. In dem Zusammenhang müsse zweitens über ein “Mehr” auf Bundesebene nachgedacht werden. Allerdings sei ein Zentralstaat nicht für alles geeignet, zeigte Baron im selben Atemzug die Grenze dieser Aufgabe auf. Und schließlich gehört für den Direktor Öffentlicher Sektor dringend eine Reduzierung der Zuständigkeitsebenen zu einer leistungsfähigen Staatsorganisation. “Wir müssen die digitale Kleinstaaterei endlich beenden und länderübergreifend einheitliche Standards bei der Digitalisierung setzen”, so die Forderung Barons. In diesem Kontext müsse der Staat als Regulierer auftreten,

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Der Digitalisierungsspagat Verwaltung zwischen Onlinezugangsgesetz und Start Up-Kultur (BS/Benjamin Hilbricht) Bodybuilder kennen das Problem: Für einen Spagat muss man flexibel sein. Mit aufgeblähten Oberschenkeln turnerische Paradeleistungen abzuliefern, wird dagegen schwierig. Ähnliches gilt für die öffentliche Verwaltung. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) ist quasi der starke Muskel der Verwaltungsdigitalisierung. Es schafft Ziele und universelle Standards. Aufgrund des OZGs werden auch die Gelder für die Digitalisierung zur Verfügung gestellt. Aber eine starke und eher starre Gesetzesstruktur könnte die deutsche Verwaltung daran hindern, kreativ zu werden und schnell Lösungen für die Probleme der Digitalisierung zu entwickeln.

Expertinnen und Experten diskutieren in der Runde "Post-Corona: Chance zur Neuaufstellung" beim Kongress Digitaler Staat über die Digitalisierung. V.l.n.r. Dr. Uda Bastians, Stefan Manke, Prof. Dr. Kristina Sinemus, Dr. Margarete Schramböck, Dr. Hilmar Schmidt und Moderatorin Dr. Eva-Charlotte Proll. Fotos: BS/Trenkel

in Deutschland beantragen können. Der Wandel war ungeplant, doch Prof. Dr. Kristina Sinemus, hessische Staatsministerin für Digitale Strategie und Entwicklung, glaubt: “Grundsätzlich ist

es so, dass der Zufall Evolution immer beschleunigt hat.” Doch wenn es um Verwaltungsprozesse geht, hat das OZG vielleicht mehr bewirkt als die Pandemie. “Erst war da der Druck durch

das OZG”, sagt Stephan Manke, Staatssekretär im niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport. “Ich war auch erst skeptisch, aber dadurch kamen Gelder und die Verpflichtung, anzufangen.” Zwar würde sein Ministerium es nicht schaffen, alle Dienste bis Ende des Jahres digital anzubieten. Dennoch: “Wir sind auf einem Weg, der gar nicht mehr aufzuhalten ist.” Manke bricht eine Lanze für einen Top-Down-Ansatz bei der Digitalisierung. Ein ganz anderes Bild malt Bastians: “In den 90er Jahren waren die Kommunen Vorreiter der Digitalisierung. Es gab da nicht so viele Vorgaben.” Damals hätten die Gemeinden in Eigenregie begonnen, Verwaltungsleistungen zu digitalisieren. Das ist kein leichtes Unterfangen, denn viele deutsche Gesetze enthalten die sogenannte Schriftformerfordernis. Danach müssen Dokumente in Papierform

vorliegen – samt Unterschrift der Kundin oder des Kunden. Das behindert die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen. “Wir brauchen nicht zehn verschiedene Eigentumsbegriffe. Wir brauchen Gesetze, die digitalisierbar sind”, kritisiert Bastians. Das OZG habe noch zusätzliche Regeln geschaffen, die die Digitalisierung noch erschweren. Dadurch müssten die Maßnahmen noch mehr Anforderungen erfüllen. Jetzt werde schon das OZG 2.0 diskutiert, welches “viele, viele Geburtsfehler” habe. Beispielsweise das Problem der Finanzierung: “Da sind wir als Kommunen die letzten in der Kette. Wir können nicht irgendwelche hehren Ziele voranstellen und hinten fehlt das Geld, um sie zu finanzieren”, kritisiert Bastians. Zudem könnten die gesetzlichen Strukturen selbst ein Problem werden. “Innovation entsteht

Es kommt auf die Standards an Wie der Staat leistungsfähiger und intelligenter werden kann (BS/jf) Die Staatsorganisation und der Föderalismus stehen seit Beginn der Corona-Pandemie und vor allem im Zuge der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) in der Kritik. Kritik zu üben, ist das Eine – es besser zu machen, das Andere. Doch wie kann ein intelligenter Föderalismus und eine leistungsfähige Staatsorganisation aussehen?

Diskutierten eifrig über die Notwendigkeit von Standards vorgegeben durch den Bund (v.l.n.r.): Dr. Ralf Kleindiek, CDO des Landes Berlin und Staatssekretär für Digitales und Verwaltungsmodernisierung, Dr. Ariane Berger, Leiterin Digitalisierung beim Deutschen Landkreistag und Dr. Christoph Baron, Direktor Öffentlicher Sektor bei KPMG.

wie es bei der Breitbandversorgung im ländlichen Raum schon geschehe. Dafür müssen letztlich genügend Haushaltsmittel bereitstehen. Dem konnte Dr. Ariane Berger, Leiterin Digitalisierung beim

Deutschen Landkreistag (DLR), nur zustimmen. “Wir haben eine Intelligenzreserve!" sagte sie. Das seien Kooperationen. Dazu müsse klar über verfassungsrechtliche Ebenen hinweg gedacht werden. Doch dafür brauche

es einen Informationsverbund. Dieser sei bei der Umsetzung des OZG bereits geübt worden. Allerdings stecke der sprichwörtliche Teufel im Detail, nämlich in den Verwaltungsvereinbarungen und den Finanzierungsfragen.

Für die Digitalisierungsexpertin stehe damit der Bund in der Pflicht, langfristig für eine schlagfertige Finanzierung zu sorgen. Zugleich müssten jedoch die Finanzierungsausgleichsgesetze der Länder novelliert werden, forderte Berger: “Das geht ohne eine Verfassungsänderung.” “Wenn wir den Staat digitalisieren wollen, müssen wir uns die Frage stellen, wie viel Föderalismus wir brauchen und wo wir darauf verzichten können”, sagte Stefan Krebs, Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnologie des Landes Baden-Württemberg. Beim Thema Standards sind für ihn zwei Faktoren von Bedeutung. Zum einen werde die Föderale IT-Kooperation (FITKO) für die Umsetzung von Standards immer

in Freiräumen” erklärt die ehemalige Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort der Republik Österreich, Dr. Margarete Schramböck. Eine Fülle von gesetzlichen Vorschriften fördere eher die Entstehung eines Status Quo. “Große Unternehmen haben dasselbe Problem”, fügt Schramböck hinzu, “die geben die Innovation an Start Ups raus.” Sinemus weist darauf hin, dass es in Deutschland schon Ansätze gebe, die Innovation zu institutionalisieren. Da wäre der Govtech-Campus, in dem Bund, Länder und Akteure aus der Tech-Szene gemeinsam Lösungen für die Digitalisierung erarbeiten. Bund und Länder fördern hier an mehreren Standorten in Deutschland gezielt Start Ups, um später von ihren Erfindungen zu profitieren. Innovativ sein, werden und bleiben ist für die Verwaltung jedenfalls alternativlos. Denn die Krisenmultiplikation werde nicht aufhören, lautet die Einschätzung von Dr. Hilmar Schmidt, Managing Director bei Kienbaum. Die Verwaltung sitzt also weiterhin im Spagat zwischen starker, starrer Struktur und innovativen Freiräumen.

wichtiger. Zum anderen seien die Kommunen stärker einzubinden. Schließlich würden Letztere 80 Prozent der Leistungen erbringen, seien aber im Staatsgefüge als Teil der Länder verfassungsrechtlich nicht vertreten. Es sei jedoch der falsche Weg, wenn der IT-Planungsrat Fachverfahren einheitlich vorschreiben wolle. “Das kann nur schief gehen” , so der bekennende Föderalismusfreund aus Baden-Württemberg. Stattdessen brauche es ein agiles, eigenverantwortliches Handeln aller Akteure. Und: “Wir müssen mal wirklich kleine Lösungen bauen, die dann auch funktionieren.” Dr. Ralf Kleindiek, CDO des Landes Berlin und Staatssekretär für Digitales und Verwaltungsmodernisierung in der Hauptstadt, konnte dem nicht wiedersprechen. Ganz im Gegenteil. Es gehe um nicht weniger, als das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat zu erhalten und zu stärken. “Dazu ist der Erfolg der Digitalisierung unabdingbar.”


Digitaler Staat / Informationstechnologie

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N

orwegen nimmt seit Jahren eine Vorreiterrolle im Bereich der Onlinedienste für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen ein. Das Panel thematisierte den länderübergreifenden fachlichen Austausch Hessens mit Norwegen zum Thema Digitalisierung, den die Königlich Norwegische Botschaft in Deutschland und der Hessische Rechnungshof im Jahre 2018 initiierten. Panelteilnehmer/-innen waren Katrine Haukenes, Erste Botschaftssekretärin der Königlich Norwegischen Botschaft in Deutschland, Dr. Dörthe Koerner, Rechtsberaterin im norwegischen Registerzentrum Brønnøysundregistrene, Patrick Burghardt, Digitalstaatssekretär und CIO des Landes Hessen sowie Dr. Walter Wallmann, Präsident des Hessischen Rechnungshofs. Haukenes beschrieb einführend das von ihr beobachtete “Rekordtempo der Digitalisierung während der Coronakrise”. Dabei verwies sie auf einige Auswirkungen des Digitalisierungsschubs in Deutschland, wie bspw. die gestiegenen finanziellen Mittel, das vermehrte Angebot an Online-Diensten, aber auch die verstärkte grenzüberschreitende Kooperation. Im Anschluss stellte Dr. Koerner die Digitalisierung in Norwegen

Hessisch-norwegischer Dialog Digitalisierungspotenziale erkennen und gemeinsam ergreifen (BS/Dr. Ralf Sieg*) Im Rahmen des Kongresses Digitaler Staat beschäftigte sich ein vom Hessischen Rechnungshof organisiertes Panel mit dem Thema “Lessons learned von Norwegen – Innovationspotenziale des Public Sector nutzen!”.

Katrine Haukenes, Erste Botschaftssekretärin der Königlich Norwegischen Botschaft in Deutschland, und Dr. Dörthe Koerner, Rechtsberaterin im norwegischen Registerzentrum Brønnøysundregistrene, gaben einen fundierten Einblick in den Stand der Digitalisierung in Norwegen. Foto: BS/Trenkel

und deren zugrundeliegende Philosophie vor. Sie stellte fest, dass in Norwegen alle über 15 Jahre alten Einwohnerinnen und Einwohner die vom Staat angebotenen digitalen Dienstleistungen nutzen. Mit Blick auf die Register, in denen die Daten der Bürgerinnen und Bürger nur ein-

mal erfasst werden und dann für andere Prozesse abgerufen und wiederverwertet werden können (die Umsetzung des sogenannten Once-Only-Prinzips), betonte sie: “Vertrauen ist der Kit, der die Gesellschaft zusammenhält. Deshalb ist es auch so wichtig, dass der Gesellschaft in Norwegen

korrekte und gesicherte Informationen zur Verfügung gestellt werden.” Dr. Koerner freute sich über die Zusammenarbeit mit dem Land Hessen und sah daran einen großen Nutzen: “Wir lernen über uns und wir lernen über andere. Das spielt eine große Rolle für uns.” Präsident Dr. Wallmann bedankte sich zunächst für die sehr gute Zusammenarbeit mit den norwegischen Kolleginnen und Kollegen: “Sie haben uns die Türen geöffnet und wir sind auf ein Land gestoßen, dass unglaublich transparent ist.” Er präsentierte daraufhin die beim Digitalisierungsvorreiter Norwegen beobachteten Erfolgsfaktoren und den Vergleich einiger Prozesse. Dabei stellte er dar, dass man bei Themen wie vernetzten Registern, Once-Only-Prinzip, digitaler Inklusion und von Bürgern her gedachten Prozessen viel von Norwegen lernen kann. Mit Blick auf Medienbrüche und rechtliche Rahmenbedingungen

stellte er fest: “Wenn man sich überlegt, wie viele Anträge mit einer Unterschrift versehen werden müssen, bevor ein Verwaltungsvorgang überhaupt losgeht, merkt man, dass rechtlich noch etwas getan werden muss.”

Digitale Verwaltung Hessen 4.0 Abschließend präsentierte Digitalstaatssekretär Patrick Burghardt die Strategie Digitale Verwaltung Hessen 4.0, die im letzten Jahr verabschiedet wurde. Er betonte, dass die Strategie auch von Erkenntnissen seines Norwegenbesuchs geprägt wurde. Die Strategie beinhaltet auch Punkte, die nach seiner Auffassung eher etwas untypisch für eine Verwaltung sind. So werden Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen und andere Interessensgruppen als Kunden definiert. Diesen Kunden werden sogenannte “Nutzenversprechen” gegeben. Eines der Kernprinzipien der digitalen Verwaltung soll

Ideen en masse

F

aszinierend ist es jedoch allemal, was die Innovationseinheiten den geladenen Gästen präsentierten. Beispielsweise hat die Innovationseinheit “BWI innoX” ein Tool entwickelt, mit dessen Hilfe sich wortwörtlich “durch Wände schauen” lässt. Basis ist ein rund 1,5 Kilogramm schwerer Kasten, welcher vor der zu durchblickenden Wand platziert werden muss. Mithilfe von Radarwellen wird ermittelt, ob sich Personen hinter der Wand aufhalten. Auch erkennt das System, ob die Personen sitzen, stehen oder gehen. Dabei kommt KI zum Einsatz, die hierfür trainiert wurde. “Wenn ich weiß, ob sich Personen hinter einer Wand befinden, gehe ich ganz anders vor und erhalte taktische Vorteile”, erklärt Projektleiter Heiko Reiter. Dies gelte sowohl für soldatische Aufgaben wie im Häuserkampf als auch beispielsweise für Rettungseinsätze durch die Feuerwehr. Wie alle präsentierten Ideen befindet sich das System noch im Status eines Experiments. Die Bundeswehr muss nun entschei-

Behörden Spiegel / Juni 2022

BWI innoXperience in Bonn zeigt großes Potenzial innovativer Technologien (BS/Matthias Lorenz) Ob Ankleiden mit digitalen Hilfsmitteln, durch Wände schauen mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) oder Ausbildung mittels Virtual Reality (VR). Die drei Innovationseinheiten der BWI, dem IT-Dienstleister der Bundeswehr, arbeiten zur Zeit an vielen Ideen. Erste Minimum Viable Products (MVP) stellten sie auf der BWI innoXperience vor, welche im Vorfeld der AFCEA Fachausstellung stattfand. Ob die Entwicklungen über den Status eines Experiments hinausgehen, steht jedoch nicht fest. den, ob sie das System einsetzen will und dieses dementsprechend weiterentwickelt werden soll. Eine denkbare Weiterentwicklung wäre beispielsweise, dass System tragbar zu machen, so dass es von einer Einsatzkraft nur noch vor die entsprechende Wand gehalten werden muss. Bis jetzt wird es auf einem Stativ platziert. Im Rahmen einer Vorstellung beim Kommando Feldjäger habe es sehr positives Feedback gegeben, berichtet Reiter. Was für dieses Projekt gilt, trifft auch auf alle anderen Innovationen zu, welche die BWI bei der Ausstellung zeigt. Ob sie den Status eines Experiments verlassen, entscheidet sich daran, ob die Bundeswehr in ihnen einen wirklichen Nutzen sieht und die Tools einsetzen will. Auf

den ersten Blick erschließt sich jedoch für alle präsentierten Experimente ein Mehrwehrt. So hat man beim Cyber Innovation Hub, der zweiten Innovationseinheit, ein vernetztes System entwickelt, mithilfe dessen sich ein Force-on-Force-Training im Rahmen von Schießausbildungen realisieren ließe, also Einheiten im Training gegeneinander kämpfen könnten. Dabei nutzen sie Waffennachbauten, welche alle Eigenschaften der echten Waffe haben, statt Kugeln aber Laser verschießen. Mit Sensoren ausgestattete Westen erkennen Treffer und mithilfe einer schmerzhaften elektrischen Muskelstimulation spürt der Soldat, dass er getroffen wurde. Dadurch, so die Hoffnung der Projektentwickler, würden die Soldaten bei der Übung in eine

deutlich realistischere Situation versetzt. Des Weiteren haben sich die Innovationseinheiten auch mit der Optimierung interner Abläufe beschäftigt. So wurde eine Applikation entwickelt, mit der sich Soldaten mittels ihres eigenen Smartphones vermessen können und so schnell passende Einsatzkleidung bestellen können. Die Vermessung durch den Schneider entfiele. Die App wurde bereits an 50 Soldaten getestet. Die dritte Innovationseinheit der BWI, die “Schmiede – Coding Force BW”, zeigt eine Anwendung, mithilfe derer sich Soldaten in einer neuen Kaserne digital “onboarden” können. Anstatt anhand vieler Zettel von Station zu Station zu gehen, weist ihnen die Anwendung den richtigen

Weg. Auch wird ihnen gezeigt, welche Aufgaben sie an der jeweiligen Station zu erfüllen haben. Das Programm wurde skalierbar entwickelt, ließe sich also relativ einfach in vielen Kasernen einsetzen. Es bliebt die Frage, warum die Innovationen nicht alle unter dem Dach einer Innovationseinheit entwickelt werden. Matthias Görtz, Chief Technology Officer der BWI und übergeordneter Leiter der drei Innovationseinheiten, erklärt hierzu, die Einheiten hätten verschiedene Aufgaben. So widme sich die Schmiede beispielsweise den Innovationen in der nicht-militärischen IT. “Darüber hinaus gibt es für Innovationen viele Ansätze”, so Görtz. Die innoX fokussiere sich beispielsweise mehr auf markt-

DIGITAL DIGITALE VERWALTUNG IN HESSEN VISION | AGENDA | UMSETZUNG 08. Juni 2022 | Bad Homburg

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dabei das “Once-Only-Prinzip” sein. Die Kunden sollen zukünftig ihre Daten gegenüber der Verwaltung nur einmal angeben müssen und diese anschließend mit ihrer Einwilligung zwischen den Behörden austauschen lassen können. Dies soll durch das Projekt der Registermodernisierung des IT-Planungsrats gemeinsam zwischen Bund, Ländern und Kommunen erreicht werden. Staatssekretär Burghardt zog hier den Vergleich zu Norwegen: “Bei dem effizienten und nutzerorientierten Umgang mit Daten können wir viel von Norwegen lernen. Dort sind die Register ein wesentliches Fundament für volldigitalisierte Verwaltungsprozesse. Auf diesem Weg sind wir mit dem Registermodernisierungsgesetz in Deutschland inzwischen ebenfalls. Jetzt gilt es, die Potenziale auch zu nutzen.” Alle Panelteilnehmer/-innen waren sich einig, die Zusammenarbeit zwischen Norwegen und Hessen auch künftig fortzusetzen, um gegenseitig weiter voneinander zu lernen. Hierzu wird bereits im diesjährigen Herbst ein weiterer Digitalisierungsworkshop in Hessen stattfinden. *Dr. Ralf Sieg ist Leiter des Präsidentenbüros und Pressesprecher beim Hessischen Rechnungshof.

und forschungsgetriebene Innovationen, was man als “revolutionären” Ansatz bezeichnen könne. Dagegen komme der Cyber Innovation Hub stark aus der technologischen Ecke, ein eher “evolutionärer” Ansatz. Des Weiteren ist es für Görtz wichtig, dass die Innovationseinheiten ihre Arbeit auch nach außen kommunizierten. Nicht jedem in der Bundeswehr sei die Relevanz der Einheiten von vorneherein klar. “Die Menschen, die sich mit den strategischen Fragen der Bundeswehr beschäftigen, sehen die Relevanz sofort”, sagt Görtz. Einige Entwicklungen sind bereits über den Status eines MVP hinaus und werden regulär eingesetzt. Görtz nennt hier die digitale Informationsmappe für die Leitungsebene des Bundesverteidigungsministeriums, hinter der ein vollständiges Redaktionssystem steckt. Auch der Bundeswehr-Messenger ist ein solches Beispiel. Diese könnte demnächst sogar als Blaupause für andere Behörden-Messenger dienen.


Workflow

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I

nwiefern in Kommunalverwaltungen bereits mit der E-Akte gearbeitet wird, unterscheidet sich stark von Verwaltung zu Verwaltung. In einigen Kommunalverwaltungen wird noch größtenteils mit Papier die Aktenarbeit verrichtet, andere Behörden haben nahezu komplett auf die digitale Arbeit umgestellt. Die Stadt Witten fungiert dabei als Leuchtturmprojekt: “Die EAkte Witten wird bereits in über 96 Prozent der Prozesse in der Stadt verwendet”, erklärt Volker Staupe, Projektleiter für die Einführung der elektronischen Akte in der Stadt Witten. Staupe erklärt stolz, dass der EnnepeRuhr-Kreis “fast komplett mit der standardisierten E-Akte aus Witten” versorgt werde. Bis auf eine Stadt verwendeten alle anderen acht Gemeinden das gleiche System, erklärt der Projektleiter.

Keine Papiermonster mehr Vorbehalte bei Mitarbeitenden werden ausgeräumt (BS/Paul Schubert) Die Einführung der elektronischen Akte (E-Akte) war ein Paukenschlag in der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Vor allem durch die Corona-Pandemie zeigte sich, dass die papierbasierte Arbeit der Vergangenheit angehören muss. Die Herausforderungen waren neben der technischen Umsetzung auch Vorbehalte bei den Mitarbeitenden: “Schaffe ich das?”, fragten sich so einige, vor allem digital unerfahrene, Personen in der Verwaltung. Einige Städte schufen dafür spezielle Digitalisierungsbeauftragte, die den Menschen die Angst nehmen sollten – mit Erfolg. Auch die Gerichte stellen sich schrittweise auf die digitale Arbeit ein, in Nordrhein-Westfalen werden neue Akten bei zahlreichen Gerichten nur noch als E-Akten geführt. Vorteile der digitalen Bearbeitung: “Das Berechtigungskonzept kann effektiv gemanagt werden und der Pflegeaufwand bei den Rechtegruppen im System wird erleichtert.” Des Weiteren könnten – je nach Ähnlichkeit der E-Akte Systeme – die Kommunen auf standardisierte Schulungen zurückgreifen, um die Mitarbeiter/-innen bei der Umstellung mitzunehmen.

Einige Vorteile

Angst vor der Umstellung

Die Vorteile der Nutzung liegen auf der Hand: Die E-Akte ermöglicht einheitliches Arbeiten in der gesamten Verwaltung, eine aufgeräumte Metadatenstruktur und benötigt weniger Support und Weiterbildungen bei den Mitarbeitenden. Patrick Vieler, Anwendungsbetreuer IT bei der Stadt Witten schilderte auf dem E-Akte Praxis-Symposium des Behörden Spiegel die weiteren

Genau hier liegt aber der Hase im Pfeffer: Viele Mitarbeitende in der Verwaltung sind an die Papierakte – liebevoll “pAkte” genannt – gewöhnt. Die Ängste, bei der Digitalisierung nicht mitgenommen zu werden, sind groß, dementsprechend braucht es hier eine clevere Strategie der Verantwortlichen. Die Stadt Flensburg kennt diese Sorgen nur zu gut und steuert dagegen. Die Hauptsorgen

Führungspersonen eine besondere Aufgabe bei der Umstellung auf die elektronische Arbeit übernähmen. Sie müssten als “Vorprescher” agieren, um die Mitarbeitenden von höchster Stelle bei den Digitalisierungsaufgaben mitzunehmen.

Digitale Gerichtsarbeit

Für den elektronischen Datenverkehr in der Justiz in Nordrhein-Westfalen gibt es für Gerichte, Staatsanwaltschaften u. a. bis Anfang 2026 verschiedene Umsetzungsfristen. Isabelle Biallaß, Richterin am Amtsgericht Essen, erläutert den bisherigen Umsetzungsstand. Foto: BS/Schubert

“Ich fühle mich nicht kompetent genug, wie soll ich jemals mit der E-Akte arbeiten?” oder “jüngere, digital affinere Mitarbeiter/-innen

Agilen Erfolg und Fortschritt messen … und kontinuierliche Verbesserung ermöglichen (BS/André Henke) Im letzten Teil unserer Artikelserie haben wir beleuchtet, welche standardisierten Termine implementiert werden müssen, um ein agiles Programm nach SAFe kontinuierlich voranzutreiben und den Austausch sowie die Transparenz sicherzustellen. Am Ende eines jeden vierteljährlichen Inkrementes müssen allerdings produktive Ergebnisse fertiggestellt und der Mehrwert integriert sichtbar gemacht werden – hierzu dient ein gesonderter Regeltermin: der sogenannte Inspect & Adapt Workshop. Was genau hat es mit dem “Inspect & Adapt Workshop auf sich? Der Inspect & Adapt Workshop” (zu Deutsch: Workshop zur Inspektion und Anpassung) verfolgt primär das Ziel, die produktiven Ergebnisse des agilen Vorhabens außenwirksam allen relevanten Stakeholdern vorzustellen, die Planungsgenauigkeit und den Mehrwert der entstanden ist, zu messen und Verbesserungen am Vorgehen zu identifizieren. Hierzu ist der zum Ende eines Quartals stattfindende, knapp drei bis vier Stunden lange Termin in drei Teile aufgeteilt:

1. PI-System-Demo Die PI-System-Demo ist der zentrale Termin am Ende eines Inkrementes, in welchem die agilen Teams ihre produktiven Ergebnisse allen relevanten Stakeholdern vorstellen. Relevante Stakeholder sind bei uns insbesondere die jeweiligen Produktmanager aus dem Nds. Innenministerium, unser CIO und die OZG-Ressortverantwortlichen (OZG-R). Dieser Termin bietet damit eine maximale Transparenz, ebenübergreifend, bzgl. Ergebnissen und Fortschritten. Üblicherweise stimmen sich die Teams im Vorfeld ab, um bei diesem Termin einen präsentablen integrierten Fortschritt des gesamten Programmes der vergangenen drei Monate, bestehend aus allen Teamergebnissen, vorführen zu können. PowerPoint und Statusreporte sind hier tabu. In diesem Teil des Termins können nach den Vorstellungen zudem Fragen an die Teams adressiert und Feedback geben werden. Kurz: maximale Transparenz und eine direkte Einbindung aller! Aufgrund der Vielzahl der Projekte, der Komplexität und vorhandener Gremienstrukturen haben wir hier jedoch eine kleine Anpassung durchgeführt. Wir haben die PI-System-Demo mit unseren Gremienstrukturen synchronisiert. Die Rückfragen und das Feedback, insbesondere unserer OZG-R, behandeln wir am gleichen Tag im Rahmen des

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aufkommen wird, ob die Planung der Projekte auch André Henke, Programmumgesetzt wurde. leitung Digitale Verwaltung Dieser Teil des Niedersachsen, NiedersächsiInspect & Adapt sches Ministerium für Inneres Workshops stellt und Sport sicher, dass wir Foto: BS/Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport kontinuierlich sicherstellen, dass wir den angestrebten Mehrwert auch am Ende liefern. Kurz: Messbarkeit und Qualitätskontrolle über die gesamte Zeit, die auf Mehrwert fokussiert – nicht fiktive Meilensteine oder Statusslides mit Ampeln.

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sogenannten OZG-Boards unter einem standardisierten Tagesordnungspunkt.

2. Quantitative and Qualitative Measurement Im direkten Anschluss wird oftmals der Teilnehmerkreis reduziert. Ziel des “Quantitative and Qualitative Measurement” ist es, den Fortschritt und die Planungsgenauigkeit zu quantifizieren. Hierzu betrachten die Auftraggeber die von den Projekten gelieferten Ergebnisse und deren Mehrwert. Jener Mehrwert wird zum Ende eines Inkrementes bewertet und mit der ersten Abschätzung vom Anfang des Inkrementes (drei Monate zuvor) verglichen. Im Laufe der Inkremente sollte sich hier ein zunehmend positiver Trend abzeichnen, welcher zeigt, dass Teams zunehmend den initial geschätzten Mehrwert auch am Ende abliefern. Bei uns im DVN-Programm ist dies seit der Durchführung des Quantitative and Qualitative Measurement geschehen. Wir sehen hier eine kontinuierliche Verbesserung, da die Teams besser darin werden, ihre Planungen realistisch zu gestalten. Dieser Teil des Workshops ist erfolgskritisch, da früher oder später die Frage

werden mich ersetzen” werden entsprechend adressiert. Durch FAQ-Listen und Newsletter zur E-Akte werden die Probleme benannt und Ansprechpartner/innen angeboten. Eine besonders interessante Idee ist die der “Fake Biografien”. Mit dieser Methode der Stadt Flensburg werden Biografien von fiktiven Personen verschickt, die ihre Ängste vor der E-Akte formulieren – mit möglichen Lösungsmöglichkeiten. Dort konnten sich nach Aussage einer Mitarbeiterin der Stadt Menschen “wiederfinden” und sich bewusst werden, dass sie mit ihren Problemen nicht allein seien. Die Beauftragte der Stadt Flensburg erklärte außerdem, dass

Doch nicht nur in den Kommunalverwaltungen, auch in der Justiz hält die E-Akte mehr und mehr Einzug. In NordrheinWestfalen arbeiteten insgesamt etwa 226 Gerichte und Behörden mit jeweils 25.000 Anwender/innen mit ihr, erklärte Isabelle Biallaß, Richterin am Amtsgericht Essen. Vor dem 01.01.2018 hatten Gerichte bereits auf freiwilliger Basis den elektronischen Rechtsverkehr eingeführt. Damit konnten Personen Anträge digital einreichen. Durch das “Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerich-

ten” aus dem Jahr 2013 wurde die Rechtsgrundlage für eine flächendeckende Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Aktenführung geschaffen.

Standardisierung als großer Vorteil Die E-Akte wird bezirks-, fachbereichs- und gerichtsbarkeitsübergreifend eingesetzt. Die flächendeckende Einführung der E-Akte in NRW soll Mitte 2025 abgeschlossen werden. “Neue Akten werden bei zahlreichen Gerichten bereits jetzt als elektronische Akten geführt. Zum Stichtag der Einführung bereits anhängige Verfahren werden weiter als Papierakten geführt”, erläuterte Biallaß auf dem E-Akte- Symposium. Laut Aussage der Richterin erfolgt eine schrittweise Umstellung. Papierakten nähmen kontinuierlich ab-, E-Akten stetig zu. Auch in der Justiz ergeben sich durch die Standardisierung der Prozesse einige Vorteile, stellt Biallaß da: “Die Lesbarkeit wird optimiert, es wird keine Doppelerfassung mehr vorgenommen und es gibt Werkzeuge zur Durchdringung und Strukturierung der Akte.” Ein weiterer großer Vorteil sei die Möglichkeit zur parallelen Arbeit in der Akte durch mehrere Personen und die Ortsungebundenheit.

Auf dem E-Akte Praxis Symposium des Behörden Spiegel konnten die Teilnehmenden in verschiedenen Stationen und in persönlichen Gesprächen den Umsetzungsstand der E-Akte in verschiedenen Regionen und Anwendungsbereichen erfahren. Foto: BS/Schubert

3. Problem Solving Workshops Im Anschluss an diesen Termin finden in einer agilen Implementierung nach SAFe sogenannte “Problem Solving Workshops” statt. Diese dienen dazu, Herausforderungen, die im Rahmen des vergangenen Inkrementes entstanden sind, aufzulösen. Hierzu werden oftmals kleinere Gruppen gegründet, die sich entsprechend mit einer Herausforderung befassen und eine klassische “Fischgräten-Analyse” (auch: Fishbone Analysis & Root Cause Analysis) durchführen, um die Treiber hinter entsprechenden Problemen zu identifizieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Kurz: Herausforderungen werden regelmäßig kollaborativ betrachtet und Maßnahmen unmittelbar eingeplant und umgesetzt. Das ist agil! Wie geht es weiter? Losgelöst von den Grundlagen einer SAFe-Implementierung wie einem LACE (Teil 2), einem PI-Planning (Teil 3), den SAFe-Regelterminen (Teil 4) und dem Inspect & Adapt Workshop (Teil 5) gibt es zahlreiche weitere Grundlagen für eine erfolgreiche Implementierung wie diverse Rollen und Artefakte. Bevor ich allerdings über diese berichte, erörtere ich in den kommenden zwei Artikeln etwas Besonderes in unserer Reihe “Agilität in der Praxis” – seien Sie gespannt, es wird sich lohnen!

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Informationstechnologie

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Kooperation vereinbart

Über kurz oder Lang – Für ein digitales Deutschland –

OZG-Hub soll aufgebaut werden

Bürgerzentrierung? Bürgerzentrierung! Eine Kolumne von Christina Lang Alle sprechen davon: Nutzeroder besser gesagt Bürgerzentrierung. Ohne Bürgerzentrierung keine moderne, digitale Verwaltung. Und ohne eine digitale Verwaltung kein modernes, digitales Deutschland. Nicht zuletzt der neue Koalitionsvertrag fordert dies deutlich. Doch was steckt hinter dem Schlagwort, das seit Jahren schon in Papieren, auf Panels und in Workshops gefordert wird? Der Diskurs findet häufig auf einem so abstrakten Niveau statt, dass es uns allen leichtfällt, den Forderungen folgenlos zuzustimmen. Was es deshalb nicht braucht: noch mehr Theorie und Konzeptpapiere. Was wir stattdessen benötigen? Mut zur Veränderung, Konsequenz und die Erlaubnis für ein ganz anderes – agiles – methodisches Vorgehen in der Praxis. Wir müssen von Beginn an und kontinuierlich neben den Fachverantwortlichen aus der Verwaltung auch die Nutzer/-innen – sprich unsere Bürger/-innen – aktiv in den Entwicklungsprozess digitaler Anwendungen einbinden. Wir müssen akzeptieren, dass sich Lösungen nicht am Reißbrett oder in Gremien definieren lassen. Wir müssen uns erlauben, zunächst Problemräume zu durchdringen und dann gemeinsam mit den relevanten

Christina Lang ist Chief Executive Officer (CEO) d e s D i g i ta l S e r vi ce . Foto: BS/DigitalService

Beteiligten Schritt für Schritt nach der bestmöglichen Lösung suchen. Und wir müssen dabei bewusst offen bleiben für die Erkenntnisse, die wir erst im Umsetzungsprozess sammeln werden. Dazu hilft es, so früh wie möglich mit einer ersten lauffähigen Version an die Nutzergruppe heranzugehen, Feedback einzuarbeiten und das Produkt in kurzen Zyklen immer besser zu machen. Kurzum: Wir müssen digitale Anwendungen unseres Staates nach modernen, agilen und bürgerzentrierten Methoden entwickeln. Denn Bürgerzentrierung heißt nicht nur, Bürger/-innen als Zielgruppe oder Kund(inn)en zu verstehen, wenn sie sich ummelden oder eine Steuererklärung abgeben. Konsequente

Bürgerzentrierung geht weit darüber hinaus: Die Bürger/innen und deren Bedürfnisse müssen im Zentrum staatlichen Handelns stehen – allen voran bei der Digitalisierung. Der Fokus bürgerzentrierten Arbeitens liegt darauf, für die Gesellschaft messbar Mehrwert zu schaffen und konkrete Probleme zu lösen – einfach zugänglich, digital, schnell und gemeinsam mit den Betroffenen. Bei der Realisierung von staatlichen Vorhaben bedeutet Bürgerzentrierung daher eine radikale Abkehr vom traditionellen Projektmanagement, wie es in der Verwaltung seit Jahrzehnten in Digitalprojekten angewandt wird. Mit Lasten- und Pflichtenheften und oft jahrelangem Vorlauf zwischen Fach-, IT- und Beschaffungsabteilungen. Der

DigitalService wurde als zentrale Digitalisierungseinheit im Oktober 2020 aus der Wiege gehoben – der Bund kaufte kurzerhand ein Start-Up auf, statt eine E-Government-Agentur neu aufzubauen. Als InhouseSoftware-Entwicklungseinheit kämpfen wir seitdem hart für die notwendigen Freiheiten und den Rahmen für ernsthaft agiles, bürgerzentriertes Vorgehen. In der Zwischenzeit konnten wir gemeinsam mit verschiedenen Projektpartner(inne)n zeigen, dass Digitalisierung der Verwaltung mit Bürgerzentrierung gelingen kann. Ergebnisorientiert und datenbasiert. Dabei haben wir unheimlich viel ausprobiert und gelernt, haben Fehler gemacht und Herausforderungen identifiziert. Eines ist klar – skalieren können wir Bürgerzentrierung nicht alleine. Auch wir sind nur Teil eines komplexen Ökosystems, das endlich dafür sorgen muss, dass die deutsche Verwaltung den Sprung ins digitale Zeitalter schafft und dort nicht weiter an Anschluss verliert. Ich freue mich, Sie hier an dieser Stelle ab sofort monatlich an diesem Unterfangen teilhaben zu lassen. Mit allem, was dazugehört: Erfolgen, Scheitern und Lernerfahrungen. Lassen Sie uns den Weg gemeinsam gehen. Für ein digitales Deutschland.

(BS/lma) Das Land Baden-Württemberg und der Freistaat Sachsen bauen ihre schon 15 Jahre währende Zusammenarbeit bei den Serviceportalen weiter aus. Entsprechendes sieht eine Kooperationsvereinbarung beider Länder vor, welche der sächsische CIO und Staatssekretär Thomas Popp und der baden-württembergische CIO Stefan Krebs unterzeichneten. Unter anderem werden die beiden Länder eine Einkaufsgemeinschaft bilden.

Der baden-württembergische CIO Stefan Krebs (links) und sein sächsischer Amtskollege Thomas Popp nach der Unterzeichnung der KooperationsvereinFoto: BS/Sächsische Staatskanzlei barung.

In diesem Rahmen werden die Entwicklungsdienstleistungen für die Serviceportale neu vergeben. “Zudem werden wir ein neues gemeinsames Projekt bearbeiten, das für ganz Deutschland interessant werden kann”, kündigte Staatssekretär Popp an. Bei diesem Projekt handele es sich um den sogenannten OZGHub, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung beider Länder. Konkret solle mit Mitteln des Konjunkturpakets des Bundes eine Online-Plattform entstehen, auf der parallel Verwaltungsleistungen entwickelt und länderübergreifend zu Nutzung bereitgestellt werden könnten. “Der OZG-Hub ist ein weiterer Baustein in unserem ganzheitlichen Digitalisierungsansatz”, sagt CIO Krebs. Generell teilen

beide CIOs die Überzeugung, durch die Kooperationsvereinbarung in der Verwaltungsdigitalisierung schneller vorankommen zu können. “Sachsen profitiert von der engen Zusammenarbeit mit Baden-Württemberg”, erklärt Popp. Das sächsische Serviceportal solle die zentrale Anlaufstelle für diejenigen sein, die Zugang zur digitalen Verwaltung suchten. Deswegen müsse es bedarfsgerecht weiterentwickelt werden. Sein Amtskollege Krebs ergänzt: “Durch den engen Schulterschluss mit dem Freistaat Sachsen schaffen wir auch in der Digitalisierung einen echten Mehrwert und schöpfen Synergien.” Man gehe voran und setze klare Maßstäbe. Das Konzept zeige, dass man gemeinsam erfolgreicher sei.

Digitalrat berufen Augenmerk auf dem ländlichen Raum (BS/lma) Ab sofort gibt es in Sachsen-Anhalt einen Digitalrat. Aufgabe des Gremiums sei unter anderem die Beratung von Dr. Lydia Hüskens, Ministerin für Infrastruktur und Digitales in Sachsen-Anhalt, in den Bereichen Technologie, Innovation und Digitalisierung, heißt es seitens des Ministeriums. Der Rat solle seine Themen frei bestimmen und entsprechende Empfehlungen geben.

WISSEN SCHÜTZT Angriffe auf die IT erfolgreich abwehren 23.06. KÖLN | 28.06. STUTTGART | 05.07. ONLINE

V.l.n.r.: Philipp Möser, Gerald Swarat, Prof. Dr. Susanne Schmidt, Tobias Kremkau, Digitalministerin Dr. Lydia Hüskens, Landes-CIO Bernd Schlömer, Prof. Dr.Ing. habil. Sanaz Mostaghim, Prof. Dr. Jana Dittmann, Ann Cathrin Riedel und Sophie Vogt-Hohenlinde Foto: BS/Viktoria Kühne, Ministerium für Infrastruktur und Digitales

Ein Hauptaugenmerk liege auf der Digitalisierung im ländlichen Raum. Ziel sei die Entwicklung von Lösungsansätzen, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen die Ziele der Landesregierung mit Blick auf die zunehmende Digitalisierung bestmöglich verwirklicht werden könnten. Folgende neun Personen erhielten von Ministerin Hüskens ihre Berufungsurkunde: • Prof. Dr. Jana Dittmann, Otto-vonGuericke-Universität Magdeburg (OvGU), Professorin für Multimedia und Sicherheit, • Prof. Dr.-Ing. habil. Sanaz Mostaghim, OvGU, Lehrstuhl für Computational Intelligence, • Prof. Dr. Jürgen Stember, Hochschule Harz, Fachbereich Verwaltungswissenschaften, • Sophie Vogt-Hohenlinde, Referentin im Public-Affairs-Team des Bitkom und zuständig für Landespolitik sowie für Themen der digitalen Gesellschaft und Teilhabe, • Ann Cathrin Riedel, Vorsitzende von LOAD e. V. – Verein für liberale Netzpolitik, • Prof. Dr. Susanne Schmidt, OvGU, Leiterin des Lehrstuhls für Inter-

nationales Management, • Tobias Kremkau, Mitgründer des deutschen Coworking-Bundesverbands GCF und Leiter des Landesbüros Sachsen-Anhalt der CoWorkLand-Genossenschaft, • Gerald Swarat, Leiter des Berliner Büros des Fraunhofer Instituts für Experimentelle Software und Engineering IESE und • Philipp Möser, Co-Geschäftsführer des DigitalService.

Impulse für Digitalstrategie erhofft Die Digitalisierung sei eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung des Bundeslandes in nahezu allen Lebensbereichen, erklärte die Ministerin. Dem werde durch die Zusammensetzung des Digitalrats Rechnung getragen. “Für die Gestaltung und Steuerung der erforderlichen Prozesse ist die aktive Mitwirkung von Expertinnen und Experten aus den Bereichen Wissenschaft und Zivilgesellschaft enorm wichtig”, betonte Hüskens. Auch bei der Erarbeitung der Strategie “SachsenAnhalt Digital 2030” erhofft sie sich vielfältige Impulse vonseiten des Gremiums.

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Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juni 2022

Seite 37

Vitako zeigt Wirkung Impact-Analyse kommunaler IT-Dienstleister (BS/lma) 5,1 Milliarden Euro – so viel Geld wird jährlich durch die digitalen Dienste der Mitglieder der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister Vitako eingespart. Zumindest ist dies das Ergebnis einer Studie, welches die IW Consult, ein Tochterunternehmen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), im Auftrag von Vitako durchgeführt hat (s. hierzu auch die Grafik rechts). Die Studie wurde Mitte Mai beim Vitako-Frühjahrsempfang präsentiert. Die Einsparungen betreffen sowohl die Verwaltung selbst als auch Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger. Konkret könnten Investitionen in die Verwaltungsdigitalisierung Ressourcen (vor allem Steuergelder) auf drei Ebenen einsparen, heißt es in der Studie. Zum einen reduziere sich der Verwaltungsaufwand in den Behörden, wodurch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeitszeit effizienter nutzen könnten. Dies lasse sich mit einem Wert von rund 2,4 Milliarden Euro pro Jahr beziffern. Zweitens könnten auch die Bürgerinnen und Bürger Zeit einsparen (im Wert von 900 Millionen Euro). Dies gelte drittens auch für Unternehmen, weswegen dort produktiver gearbeitet werden könne (Wert: 1,8 Millionen Euro). Die größten Einsparungen werden dabei in NRW erzielt (1,25 Milliarden Euro). In einigen Bundesländern spart die Verwaltung am meisten Geld (Bsp. NRW, Baden-Württemberg), in anderen die Unternehmen (Bsp. Berlin, Thüringen).

Wertschöpfung von rund vier Milliarden Euro Die Studie hat jedoch nicht nur die erzielten Einsparungen errechnet, sondern auch die wirtschaftliche Bedeutung der Vitako-Mitgliedsunternehmen errechnet. Insgesamt werde eine gesamte Wertschöpfung von

rund vier Milliarden Euro erzielt. Diese Summer ergibt sich sowohl aus der Wertschöpfung der Mitgliedsunternehmen selbst (direkter Effekt, 1,5 Milliarden) und aus der Wertschöpfung von Unternehmen, welche Vorleistungen für die IT-Dienstleister übernehmen (indirekter Effekt, 1,8 Milliarden). Dazu kommt die Wertschöpfung, welche aus dem Konsum der Beschäftigen in den Mitgliedsunternehmen selbst und den Vorleistungsunternehmen entsteht (induzierter Effekt, 0,6 Milliarden Euro). Als Grund für die Zahlen wird unter anderem genannt, dass die kommunalen IT-Dienstleister Synergien schaffen würden. Außerdem, so Vitako, erziele man einen Mehrwert, der sich nicht finanziell beziffern lasse. Beispielsweise erleichtere die Digitalisierung die Teilhabe der Bevölkerung an demokratischen Prozessen und am demokratischen Dialog. Durch das Garantieren der IT-Sicherheit habe die Bevölkerung das nötige Vertrauen, die digitalen Angebote wahrzunehmen. Dr. Ralf Resch, Geschäftsführer von Vitako, bilanziert, die Studie habe gezeigt, dass die Verwaltungsdigitalisierung sowohl für die Verwaltung als auch für Unternehmen und Bürger einen sehr hohen Nutzen habe. “Damit das Potenzial weiter ausgeschöpft werden kann, ist eine dauerhafte und solide Finanzierung der kommunalen IT mehr als dringlich”, so Resch weiter.

Die Kosteneinsparungen durch digitale Dienste der Vitako-Mitglieder, aufgeschlüsselt nach Ländern.

Grafik: BS/Vitako/iw

Föderales Entwicklungsportal online Umsetzung von IT-Projekten soll beschleunigt werden (BS/lma) Die Föderale IT-Kooperation (FITKO) mit Sitz in Frankfurt am Main hat das Föderale Entwicklungsportal online gestellt. Sie war vom IT-Planungsrat mit der Entwicklung und Umsetzung beauftragt worden. Ziel des Portals sei es, Entwicklerinnen und Entwicklern, welche Softwarelösungen im Kontext föderaler IT-Infrastrukturen von Bund und Ländern entwickelten, einen umfassenden Überblick über bestehende Informationsangebote etwa zu technischen Rahmenbedingungen oder zu bereits existierenden Standards und Schnittstellen zu geben, erklärt die FITKO in einer Mitteilung. Die Umsetzung von IT-Projekten soll so beschleunigt werden. Bisher sei die Fragmentierung von Informationen, welche die Entwickler zur Umsetzung föderaler IT-Lösungen benötigten, ein Problem gewesen. “Es ist wich-

tig, dass wir diese Menschen in die Lage versetzen, schnell und effizient Lösungen für die Verwaltung zu schaffen”, erläutert Marco Holz, IT-Architekt im Föderalen IT-Architekturmanagement der FITKO, in diesem Kontext. Dazu gehöre auch, dass man ihnen die Suche nach qualitativ hochwertiger technischer Dokumentation, Leitfäden oder existierenden Schnittstellen im föderalen Kontext abnehme und nach Möglichkeit auch Entwicklungsressourcen an einem Ort zur Verfügung stelle. Dies sei bis jetzt noch kein Standard. Deswegen soll das Portal als gemeinsamer Wissensspeicher

dienen, der von den Softwareentwicklern genutzt und gemeinschaftlich weiterentwickelt werden kann. Hierzu sei auch ein offener Feedback-Kanal über die Open CoDE-Plattform geschaffen worden. “Wir möchten mit dem Portal einen Ort für einen Wissensaustausch zwischen Entwicklern untereinander schaffen und den Aufbau eines modernen Lösungsökosystems fördern”, sagt Holz. “Damit wird gleichzeitig ein ‚Single Point of Truth‘ geschaffen, an dem sich auch Leistungs- und Umsetzungsverantwortliche in OZG-Projekten orientieren können.”

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Mehr Mittel für Open Source Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses entscheidend (BS/lma) Im Rahmen der sogenannten “Bereinigungssitzung” passierte der Haushaltsentwurf für den Bundeshaushalt 2022 den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags. Insgesamt liegen die Ausgaben höher als von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) entworfen. Hiervon profitieren beispielsweise Digitalisierungsvorhaben aus dem Bereich des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI). Die Mittel des Haushalts sollen unter anderem für die weitere Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), die Dienstekonsolidierung, den Ausbau der Netze des Bundes sowie die digitale Souveränität der Verwaltung eingesetzt werden. Die Open Source Business Alliance (OSB) begrüßt, dass nun rund 51 Millionen Euro für die Stärkung von Open Source vorgesehen seien – eine Aufstockung um 37,5 Millionen Euro gegenüber den ursprünglichen Planungen. Laut OSB würden für den Aufbau des Zentrums für Digitale

Souveränität nun 8,3 Millionen Euro vorgesehen, was einen entscheidenden Schritt für die digitale Souveränität in Deutschland und Europa bedeute. Das Projekt “Open CoDE”, auf dem Bund, Länder und Kommunen den Quellcode von Open Source Software teilen können, werde demnach 713.000 Euro erhalten. Des Weiteren seien 32 Millionen Euro für den Souveränen Arbeitsplatz vorgesehen. Dieses Projekt solle der Verwaltung dabei helfen, mittels Open Source-Lösungen unter anderem für Bürosoftware oder Videokonferenztools von

proprietärer Software unabhängiger zu werden. “Eine resiliente und innovationsfähige Gesellschaft kann es nur mit einem hohen Grad digitaler Souveränität in Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft geben. Trotz der auch durch den schrecklichen Angriffskrieg in der Ukraine noch einmal dringlicher gewordenen dazu umzusetzenden Maßnahmen fehlte eine entsprechende Finanzierung zu unserer großen Enttäuschung in den bisherigen Haushaltsentwürfen”, erklärt Peter Ganten, Vorstandsvorsitzender der OSB.

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Informationstechnologie

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Behörden Spiegel / Juni 2022

Auch Polizeibeschäftigte haben Rechte Schadensersatz im Beschäftigungsverhältnis (BS/Dirk Weingarten) Wie bereits in den letzten beiden Ausgaben des Behörden Spiegel (April 2022, S. 35 und Mai 2022, S. 30) schmackhaft gemacht, gibt es nun endlich geldwerte Hinweise im Hinblick auf die Obliegenheiten (auch) des Dienstherrn. Schon der April-Beitrag im Behörden Spiegel enthielt einen Ausblick auf den Datenschutz im Innenverhältnis. Diesen gilt es nun ein wenig unter die Lupe zu nehmen.

V. l. n. r.: Dr. René Rüdinger (CFO, Materna-Gruppe), Martin Grüning (Geschäftsführer Materna Infrastructure Solutions GmbH), Robert Knapp (Geschäftsführer Materna Infrastructure Solutions GmbH), Michael Hagedorn (Vorstand Public Sector & Security, Materna-Gruppe) Foto: BS/Materna

Neue Materna-Tochter IT-Systemhaus für Sicherheitsbehörden gegründet (BS/Christine Siepe*) Die Materna-Gruppe hat ein eigenes IT-Systemhaus gegründet, das spezialisiert ist auf IT-Infrastrukturlösungen für Organisationen der Inneren und Äußeren Sicherheit. Das neue Unternehmen firmiert als Materna Infrastructure Solutions GmbH und ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen. Der digitale Wandel hat alle Bereiche der Gesellschaft erreicht. Die Polizeiarbeit verabschiedet sich zunehmend von tradierten Vorgehensweisen und verändert sich stark im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung. Damit einher gehen massiv steigende Datenvolumen, rapide ansteigende Fallzahlen, hohe Anforderungen an eine schnelle Rechenleistung und neue Aufgaben im Cyberraum. Kommunikation muss zunehmend auf den Geheimhaltungsstufen “Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch” (VS-NfD) erfolgen. Auch für die digitale Souveränität Deutschlands ist die Bereitstellung von skalierbaren, hochverfügbaren und sicheren IT-Infrastrukturlösungen eine zentrale Voraussetzung. Für diese Herausforderungen bietet die Materna-Neugründung Leistungen an: von der Beratung über die Konzeption bis zur Implementierung komplexer Rechenzentrumsinfrastrukturen, die hochverfügbar, sicher und skalierbar sind. Materna Infrastructure Solutions beliefert deutsche Sicherheitsbehörden mit schlüsselfertigen IT- und Rechenzentrumsinfrastrukturen, die höchste Ansprüche an Leistung, Flexibilität und CyberSicherheit erfüllen. Die IT von Sicherheitsbehörden unterscheidet sich in einigen Punkten sehr deutlich von anderen Behörden – seien es besonders strenge IT-Sicherheits-anforderungen wie bei hochsensiblen

Daten oder Flexibilität in der Reaktion auf besondere Lagen, wie z. B. bei Großschadensereignisse wie im Ahrtal. Auch ist polizeiliche IT-Infrastruktur viel besser planbar, wenn man weitergehende Kenntnisse über polizeiliche Fachanwendungen aus Bereichen wie digitale Forensik, Videoanalyse oder Telekommunikationsüberwachung hat. Für genau diese Aufgaben stellt sich die Neugründung mit hochspezialisierten Mitarbeitern auf. Realisiert werden schlüsselfertige Gesamtlösungen, die gezielt an der Schnittstelle zwischen polizeilicher Fachlichkeit und dem Rechenzentrum als Maschinenraum der Digitalisierung wirken. Die Lösungen basieren auf modernen Dell-Systemen, dem führenden Lieferanten für ITInfrastrukturen in den Rechenzentren von Sicherheitsbehörden. Mit Lösungen von VMware sind Behörden bestens vorbereitet auf die Einführung von Private Cloud-Infrastrukturen sowie die Sicherung von Cloud-basierten Workloads. Der Technologiefokus sind VMware Cloud Foundation und VMware Tanzu.

Erfahrenes Team Geschäftsführer sind Martin Grüning und Robert Knapp. Grüning wechselt von Dell Technologies zur Materna-Gruppe. Bei dem Technologieanbieter war Grüning zuletzt mehrere Jahre als Chief Technology Officer Government tätig. Knapp war zuvor über zehn

Jahre als Geschäftsbereichsleiter Cloud & Infrastructure Services für den Bundeswehrdienstleister BWI tätig und wechselte Mitte 2021 zur Materna-Gruppe. Das Team besteht aus erfahrenen und zertifizierten Infrastruktur- und Sicherheits-Experten sowie IT-Architekten und Projektmanagern. “Wir unterstützen Sicherheitsbehörden mit modernen Technologieplattformen und optimieren damit zum Beispiel die Polizeiarbeit durch Digitalisierung. Unsere Projekte rangieren von kleineren Anlagen bis hin zu umfangreichen Polizei-Clouds, die wir beraten, konzipieren, umsetzen und auch betreiben. Wir sind auf Wachstum ausgerichtet und werden unser Team rasch vergrößern”, sagt Grüning. “Diese Projekterfahrung lässt sich gut auf den militärischen Bereich übertragen. Auch im Verteidigungsbereich werden wir künftig aktiv sein”, ergänzt Knapp. “Wir sind bereits seit vielen Jahren ein verlässlicher Partner für IT-Lösungen in Sicherheitsbehörden und besitzen eine hervorragende Reputation in der öffentlichen Verwaltung”, sagt Michael Hagedorn, Vorstand Public Sector & Cyber Security der Materna-Gruppe; in seiner Ressort-Verantwortung ist das neue Unternehmen angesiedelt. *Christine Siepe leitet die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Materna.

Die digitale Verwaltung auf dem Sprung Was sind die nächsten Züge?

30. Juni 2022 Maritim Hotel Stuttgart

www.bw-4-0.de

#bw40

Im Zweifel entscheiden die Gerichte Hier nur ein kurzes Blitzlichtgewitter: Nachdem eine Biologin bei ihrem Arbeitgeber ausgeschieden war, löschte dieser trotz Aufforderung der Ausgeschiedenen ihre Daten nicht von der Homepage. Darin sah das ArbG Neuruppin (Urt. v. 14.12.2001 – Az.:

2 Ca 554/21) eine rechtswidrige Datenverarbeitung, die zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts führte und daraus folgernd wurde ein immaterieller Schadensersatz in Höhe von 1.000 Euro seitens des Gerichts zugesprochen. An dieser Stelle sei der Hinweis erlaubt, dass gemeinhin der Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 DSGVO auch Elemente der Wirksamkeit und Abschreckung beinhalten soll. Beiläufig weist das ArbG außerdem darauf hin, dass es auch keiner “Löschaufforderung” bedurfte, sondern der Arbeitgeber aufgrund

Wie kann man solche Fälle vermeiden?

Wie kann man seitens des Dienstherren solche Fälle vermeiden? Ein Löschkonzept tut Not oder schlichtes Nachdenken. Nimmt es der Arbeitgeber mit der Auskunftspflicht (Art. 15 DSGVO) nicht so genau und leistet diese erst verspätet, sind schon mal schnell 1.500 Euro ausgeurteilt (ArbG Neumünster, Urt. v. 11.08.2020 – 1 Ca 247 c/20). Die Kammer war der Auffassung, dass ein Schadensersatz von 500 Euro pro Monat der verspäteten Auskunft angemessen, aber auch erforderlich sei; macht bei drei Monaten Dirk Weingarten, Erster Po1.500 Euro. Beim lizeihauptkommissar, Ass. LAG Hamm wurjur. und zertifizierte Fachkraft für Datenschutz, ist seit über den schließlich zwölf Jahren behördlicher Da1.000 Euro Schatenschutzbeauftragter (bDSB) densersatz wegen bei der Polizei Hessen und verspäteter und koordiniert seit über zehn unzureichender Jahren die bDSBn der Polizei Datenauskunft Hessen. (LAG Hamm, Urt. Foto BS/HöMS V. 11.05.2021 – Az.: 6 Sa 1260/20) zugesprochen. Genauso sah es auch das LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 18.11.2021 – Az.: 10 Sa 443/21), verspätete oder unvollständige Auskünfte kosten den Arbeitgeber 1.000 Euro. Datenschutz Bleibt zum Abschluss noch der Hinweis, dass diese “Nebeneinin der Polizei künfte” weder genehmigungsTeil 6: Innenverhältnis noch anzeigepflichtig sind und bei der Steuer auch nicht anzugeben, dafür aber auch nicht “allgemeiner arbeitsrechtlicher ruhegehaltsfähig. Nebenpflichten” wie auch aufgrund bestehender datenschutzrechtlicher Pflichten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses MELDUNG eine umgehende Entfernung der Zukünftig digitale Daten von der Homepage zu verGeburtsanzeigen anlassen habe. Wie verhält es sich mit dem In- (BS/lma) Das Bundeskabinett tranet? Nach Einschätzung des hat einen Gesetzentwurf beVerfassers nicht wesentlich an- schlossen, mit dem das Persoders, da es sich dabei genauso nenstandsrecht fortentwickelt um die Verarbeitung personen- werden soll. So soll die Geburtsbezogener Daten handelt. Kann anzeige künftig auch digital mögder Arbeitgeber nachweisen, dass lich sein. Die Übermittlung der er ein Profil fahrlässig auf der Anzeigen und Nachweise soll Homepage nicht löschte, macht über das Nutzerkonto erfolgen. das (statt 1.000 Euro) “nur” 300 Dieses gehört zu den BasisleisEuro “mehr” im Portemonnaie tungen, welche im Rahmen der (LAG Köln, Urt. v. 14.09.2020 – OZG-Umsetzung angeboten werAz.: 2 Ca 358/20). den müssen.

Grafik: BS/Hoffmann unter Verwendung von CoreDESIGN, stock.adobe.com

BADENWÜRTTEMBERG

Polizeibeschäftigte haben selbstredend, genauso wie andere Beschäftigte, auch Dienstherren gegenüber Rechte. Diese sind im Wesentlichen in den Art. 12 ff DSGVO niedergeschrieben. Schon die exponierte Stellung respektive frühzeitige Nennung der “Rechte betroffener Personen” in der DSGVO im dortigen Kapitel III. macht die besondere Bedeutung dieser Thematik deutlich. Konkret beinhaltet das III. Kapitel nach einem ausführlichen Hinweis in Art. 12 DSGVO auf “Transparente Informationen und Kommunikation” insbesondere folgende Rechte Beschäftigter: Informationspflicht bei Erhebung personenbezogener Daten bei Betroffenen (Art. 13 DSGVO), ein Auskunftsrecht (Art. 15 DSGVO), Recht auf Berichtigung (Art. 16 DSGVO), auf Löschung (Art. 17 DSGVO), auf Einschränkung der Verarbeitung (Art. 18 DSGVO), auf Datenübertragbarkeit (Art. 19 DSGVO) und Widerspruchsrecht (Art. 20 DSGVO). Der Art. 82 DSGVO normiert sodann die Konsequenzen, indem dort in Abs. 1, S. 1 steht: “Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen […].” Und weiter geht’s im Abs. 2, S. 1: “Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde.” Zack, das sitzt erst mal. Und aus diesem Grund ist Art. 82 DSGVO derzeit häufig die erste Wahl, wenn es um lukrativen Nebenverdienst geht. Auch ohne Rechtsbeistand ist ein Schreiben an den Dienstherren schnell formuliert. Und dann, ja dann entscheiden im Zweifel die Gerichte.


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Behörden Spiegel / Juni 2022

A

ktuell existiert eine Vielzahl verschiedener StarkregenGefahrenkarten, die insbesondere von einzelnen Kommunen oder Ländern in Auftrag gegeben wurden. Wenn diese Karten für ein Gebiet vorliegen, liefern sie wichtige Hinweise über die Risiken, die von extremen StarkregenEreignissen ausgehen: Wo liegen potenzielle Überschwemmungsflächen? Wie hoch steht das Wasser in diesen Überschwemmungsflächen? Wie schnell fließt dort das Wasser? Welchen Weg nimmt es voraussichtlich? Welche Gebäude oder wichtigen Elemente der Infrastruktur liegen in den gefährdeten Gebieten?

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Gefahren einheitlich darstellen BKG und Partner arbeiten an deutschlandweiter Hinweiskarte zu Starkregen (BS/Dr. Martin Lenk) Bisher ist es nicht möglich, die von Starkregen ausgehenden Gefahren bundesweit in einer einheitlichen Karte darzustellen. Das soll sich ändern. Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) arbeitet in enger Zusammenarbeit mit den Bundesländern an einer deutschlandweiten Hinweiskarte zu Starkregengefahren.

Nur Teile des Bundesgebiets abgedeckt Die einzelnen Karten decken aber nur Teile des Bundesgebietes ab und nicht die gesamte Fläche. Sie unterscheiden sich teilweise in den zugrunde gelegten Daten und Berechnungen sowie in den Kartendarstellungen. Unterschiedliche Daten, Karten und Darstellungen machen es aber schwierig, wenn Planer oder auch Einsatzkräfte in einer Katastrophenlage grenzübergreifende Entscheidungen treffen müssen. Für die gesamte Fläche in Deutschland fehlt es daher an einer nach einheitlichen Grundsätzen erarbeiteten durchgängigen Karte. Prof. Paul Becker, Präsident des BKG, sagt dazu: “Aktuell verbleiben großflächige Gebiete, für die es keine Karten gibt. Außerdem machen Starkregen und Sturzfluten keinen Halt vor administrativen Grenzen.

Berechnete Wasserstände (blau) und Fließgeschwindigkeiten (rot) bei einem extremen Starkregen-Ereignis (Auszug Karte NRW)

ment insbesondere für Wetterlagen mit extremen StarkregenEreignissen zu verbessern.

Der Anfang: Hinweiskarte Starkregengefahren NRW

Bereits im Jahr 2019 hat das BKG ein Pilotprojekt initiiert und eine landesweite Karte zu Starkregengefahren in Nordrhein-Westfalen erstellt. Als Datengrundlagen dienten Niederschlagsbeobachtungen des Deutschen Wetterdienstes (KOSTRA-DWD, “Koordinierte Starkniederschlagsregionalisierung und -auswertung des DWD”) sowie Gelände- und Nutzungsdaten der Deutschen Landesvermessung und des BKG. Für das Pilotprojekt kooperierte das BKG mit den zuständigen Umwelt- und VermessungseinDr. Martin Lenk, Leiter der Abrichtungen des teilung Geodienstleistungen Landes Nordam Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG). rhein-Westfalen. Die erstellten Foto: BS/BKG Karten sind seit O k t o be r 2 02 1 Daher benötigen wir eine Karte frei im Geoportal Deutschland mit vergleichbaren Ergebnissen zugänglich: www.bkg.bund.de/ für das gesamte Bundesgebiet.” starkregen-nrw. Sie wurden auWie wichtig eine solche Karte ist, ßerdem im Klimaanpassungsporzeigte beispielsweise die Flutka- tal von NRW veröffentlicht: www. tastrophe im Juli 2021. In Teilen klimaanpassung-karte.nrw.de. Die für NRW erzeugte Karte von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Belgien und darüber stellt die berechneten Überfluhinaus verursachte Starkregen tungsflächen dar, wie auch die beispiellose Zerstörungen; es gab darin zu erwartenden Wasserüber 220 Tote. Das Ausmaß die- stände und Fließgeschwindigser Katastrophe verdeutlicht den keiten für seltene und extreme Handlungsdruck, die Prävention Niederschläge. Diese in der Karte und das Katastrophenmanage- dargestellten Ergebnisse sind

einfach und verständlich für die Öffentlichkeit, für Fachexperten und Einsatzkräfte als Web-Karte frei und offen verfügbar. Sie bieten eine wichtige und notwendige Informationsgrundlage vorran-

gig für präventive Maßnahmen. Die Deutschlandkarte ist eine notwendige Ergänzung und ein Bindeglied zu den lokal im Detail konkreten, aber nur vereinzelt vorliegenden “Vor-Ort-Karten”.

Grafiken: BS/BKG

Vom Pilotprojekt zur Deutschlandkarte Im Oktober 2021 hat das BKG das Folgeprojekt gestartet. In diesem werden die Modellierung und Kartierung auf wei-

tere Bundesländer ausgedehnt. Hierzu gehören die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die genannten Länder, die Bundesanstalt für Gewässerkunde und die Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser wirken in einem Projektbeirat aktiv mit. Das Projektende ist für das vierte Quartal 2023 vorgesehen. Gleichzeitig arbeitet das BKG mit seinen Partnern daran, wie eine deutschlandweite Karte bis 2024/2025 fertiggestellt werden kann. Das Projekt des BKG deckt sich mit dem Ziel der Bundesregierung, notwendige Maßnahmen für die Klimaanpassung Deutschlands aktiv voranzutreiben. Im laufenden Koalitionsvertrag sind bundesweite Standards für die einheitliche Bewertung von Hochwasser- und Starkregenrisiken als Voraussetzung für Gefahrenkarten vorgesehen. Mit dem Projekt des BKG kann die Bundesregierung dieses Ziel bis zum Ende der Legislaturperiode erreichen.

Wissing kritisiert Chatkontrolle Aktuelle Gesetzesentwurf der EU-Kommission (BS/lma) Ein in der vergangenen Woche präsentierter Gesetzesentwurf der Kommission der Europäischen Union (EU) ist viel kritisiert worden. Der Entwurf zielt darauf ab, sexuellen Missbrauch von Kindern zu verhindern oder zumindest aufzuspüren. Dafür sollen Online-Anbieter unter anderem Chats in Kommunikationsdiensten nach entsprechenden Inhalten durchsuchen. Daran entzündet sich die Kritik. Die Sorge ist: Wenn eine Technik, die in Chats verdächtige Inhalte erkennen soll, einmal implementiert ist, kann sie theoretisch auch für das Aufspüren anderer Inhalte genutzt werden. Nun hat auch Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) zum Entwurf Stellung bezogen. “Allgemeine Chatkontrollen sind nicht hinnehmbar”, erklärt der FDP-Politiker. Zwar habe der Schutz von Kindern vor Missbrauch höchste Priorität. Gleichzeitig müssten jedoch auch digitale Bürgerrechte geschützt werden wie ein Recht auf Verschlüsselung. Man brauche einen geschützten Raum privater Kommunikation. “Einige der Vorschläge der Kommission beunruhigen mich, weil sie einen Eingriff in den geschützten Raum der Vertraulichkeit der Kommunikation darstellen könnten”, so Wissing. Seitens der Kommission heißt es, der neue Gesetzesvorschlag nehme die Anbieter von Internetdiensten in die Pflicht. Diese müssten Material über sexuellen Kindesmissbrauch in ihren Diensten aufdecken, melden und entfernen. Außerdem müssten sie das Risiko, dass ihre Dienste missbraucht werden, bewerten

und mindern. Klar ist, dass die Anbieter hierfür Software einsetzen müssen. Da auch Kontaktanbahnungen (Cybergrooming) aufgedeckt werden sollen, müssen auch Textnachrichten durchsucht werden. “Die Erkennungstechnologien dürfen nur für die Aufdeckung von sexuellem Kindesmissbrauch eingesetzt werden. Die Anbieter müssen Technologien einsetzen, die nach dem Stand der Technik in der Branche am wenigsten in die Privatsphäre eingreifen und dafür sorgen, dass die Fehlerquote falsch positiver Ergebnisse so gering wie möglich ist”, schreibt die Kommission. Welche Technologien genutzt werden sollen, schreibt der Gesetzesentwurf nicht vor. Anbieter sollen laut Artikel 10 des Entwurfs jedoch beispielsweise kostenlos auf Technologien zurückgreifen dürfen, welche von einem im Gesetzentwurf vorgesehenen

EU-Zentrum für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs zur Verfügung gestellt werden. Die EU-Kommissarin für Inneres, Ylva Johannson, begründet den Entwurf damit, dass sexueller Missbrauch von Kindern eine reelle und wachsende Gefahr darstelle. “Die Meldungen sorgen dafür, dass Ermittlungen aufgenommen werden und Kinder unmittelbar vor weiterem Missbrauch bewahrt werden können.” Der Vorschlag enthalte klare Pflichten für Unternehmen, den Missbrauch von Kindern aufzudecken und zu melden, wobei der Schutz der Privatsphäre aller Beteiligten, insbesondere auch der Kinder, durch starke Schutzmechanismen gewährleistet werde. Genau das bezweifeln Kritiker wie Wissing. Offen sei unter anderem die Frage, wie damit umzugehen sei, wenn aufgrund von technischen Verfahren eine

Vielzahl von Verdachtsmeldungen eingingen, die sich im Nachhinein als offensichtlich falsch herausstellten. “Es darf nicht passieren, dass unbescholtene Bürgerinnen und Bürger unbegründet des Kindesmissbrauchs verdächtigt werden”, warnt der Minister. Tiemo Wölken, Mitglied des Europäischen Parlaments für die SPD, schreibt auf Twitter, der Entwurf sei eine Katastrophe – er beinhalte “alles, was das Überwachungsherz begehrt”. Wölken kritisiert auch das Technologieangebot des geplanten EU-Zentrums: “Bürger/-innen sollen mit ihren Steuern den großflächigen Einsatz von Spionagesoftware gegen sich selbst auch noch finanzieren.” Der Parlamentarier fordert anstatt eines Generalschlüssels für Chatnachrichten mehr Mittel für die Polizei und mehr europäische Zusammenarbeit im Kampf gegen Kindesmissbrauch.

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IT-Sicherheit

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s gibt nicht wenige Vorhaben in der Verwaltungsdigitalisierung, die sinnvoller sind als die Entwicklung einer digitalen Identität, mit der man sich beim Umgang mit Behörden oder im Geschäftsverkehr mit Firmen ausweisen kann. Dass der Personalausweis eine Institution in Deutschland ist, kann jeder bestätigen. Aber eine Anmeldungsmöglichkeit z. B. für Internet-Portale zu schaffen, ist bisher nicht gelungen. Um sich bei Online-Plattformen freizuschalten, ist oft die Möglichkeit gegeben, sich via Facebook- oder Google-Konto zu registrieren. Eine Registrierung ohne die TechGiganten? Hier bisher schwer möglich. Damit die deutsche Verwaltung handlungsfähig bleibe, brauche sie eine IT-Sicherheits-Architektur, die skalierbar und vertrauenswürdig sei, erklärt Dr. Markus Richter, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik. Der Rückschlag, dass nicht alle OZG-Leistungen bis zum Ende des Jahres verfügbar gemacht werden könnten, müsse wettgemacht werden, erklärte Richter. Der Fokus aller Bun-

Behörden Spiegel / Juni 2022

Ein europäisches Personenkennzeichen Ohne EU nur doppelte Arbeit (BS/Paul Schubert) Um digitale Souveränität zu erreichen, muss auch die Authentifizierung von Personen und Verträgen digital möglich werden. Die eiDAS-Verordnung des Europäischen Parlaments bietet letzteres: einen EU-Standard für elektronische Signaturen. Bei dem Projekt der digitalen Identitäten sollen durch den Chip im Personalausweis die persönlichen Daten der Bürgerinnen und Bürger verschlüsselt in den Smartphones gespeichert werden können, um sich bei Online-Diensten bei Unternehmen und Behörden identifizieren zu können. Es bleiben aber Fragen offen. desprojekte laute daher: “Wir müssen schauen, wie viele Menschen unsere Digital-Projekte erreichen”, so der CIO-Bund.

Großes Vertrauen – auch von der Opposition Aber selbst in der Opposition ist man beim Thema der digitalen beziehungsweise sicheren Identitäten optimistisch. Nadine Schön, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, urteilte auf einem Parlamentarischen Abend der Bundesdruckerei, dass “die Ampel das Thema richtig priorisiert hat”. Die Zusammenführung und Koordinierung von eiDas, SmarteID und dem Schaufenster “Digitale Identitäten” sei allerdings anspruchsvoll. Und zumindest bei der Verteilung der Ressorts

Die Steuer-ID gibt es für jede-/n deutsche Staatsbürger/-in mit der Geburt. Hat man damit nicht schon die Grundlage für eine sichere digitale Identität? Foto: BS/Steve Buissinne, pixabay.com

Das Nutzen der Steuer-ID als Personenkennzeichen ist eine gute Idee. Allerdings stellt sich die Frage, ob man nicht auf eine einheitliche europäische Lösung drängen sollte. Die Verhinderung von Mehrfacharbeit ist eine Grundvoraussetzung für effektiven Bürokratieabbau. Foto: BS/Dušan Cvetanovi, pixabay.com

ist Schön “ein bisschen skeptisch, ob die Aufstellung richtig gewählt wurde, um die guten Ziele zu erreichen”. Benjamin Brake, Abteilungsleiter Digital- und Datenpolitik beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), ist sich sicher, dass durch das Projekt der elektronischen Identätiten (EI) eine höhere Digitalisierungsakzeptanz erreicht werden dürfte: “Wir müssen die EI über die Kernthemen hinaus weiter nutzen, sei es beim digitalen Führerschein

oder für Prepaid-Funktionen in der Wirtschaft.”

Warum nicht die Steuer-ID? Um eine eindeutige Zuweisung zur Identität zuzulassen, könnte sich die Steuer-ID anbieten.

Dennoch bleibt weiter die Frage, welche Konsequenzen eine eindeutige Zuweisung über die Steuer-ID für digitale Identitäten hätte. Diese Idee stehe aktuell in der Evaluierung, erklärte Misbah Khan, Ordentliches Mitglied für

Informationen bündeln EfA bei Cyber-Attacken (BS/Paul Schubert) “Cyber-Sicherheit ist kein Einzelthema, deshalb sind immer alle Behörden gleich betroffen”, so Michael George, Sachgebietsleiter Cyberabwehr beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz. Dennoch könnten sich die Behörden nicht immer gegenseitig mit Informationen versorgen, erklärte Mathias Bölle, Abteilungsleiter Cybercrime beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg: “Die Bürger/-innen verstehen nicht, warum sie die gleichen Informationen an mehreren Stellen abgeben müssen”, sagte der Polizist. Das Problem sei durch die strikte Trennung im Grundgesetz zwischen einzelnen Behörden entstanden, so Matthias Mielimonka, Chef-Koordinator beim Nationalen Cyber-Abwehrzentrum (NCAZ). Das NCAZ besitze zwar Partnerschaften mit der Cyberabwehr Bayern und den Schwerpunktstaatsanwaltschaften Cyber aus Bamberg und Köln, sei bei der Informationsweitergabe aber dennoch begrenzt, erklärte Mielimonka.

BSI ohne Weitergabe­ beschränkungen

Hannover Congress Centrum Mehr Informationen unter

www.sicherheitstag-niedersachsen.de

Eine gemeinsame Veranstaltung von

Bündnis 90/Die Grünen im Digitalausschuss des Bundestags. “Beim Konzept der Steuer-ID wird aktuell geprüft, ob es verfassungskonform gestaltet werden kann”. Khan selbst wünscht sich hier Offenheit für Kritik, etwa vonseiten Datenschützenden, deren Beurteilungen von der letzten Regierung nicht genug beachtet wurden. Diese Lösung wäre dennoch wohl die praktikabelste: eine eindeutige Identität – von Geburt an zugewiesen, die man als Authentifizierung bei Verwaltung, Wirtschaft und Freizeit nutzen könnte. Nichtsdestotrotz bleiben die wichtigsten Fragen offen: Warum wird das Konzept nicht gleich europäisch verortet? Eine große Problematik bei der Entwicklung einer digitalen Identität wäre es, wenn sich die EU-Kommission entscheidet, ein EU-weites System einzuführen und damit die Arbeit der Bundesverwaltung nichtig machen würde. Des Weiteren muss die Frage gestellt werden, wo diese Identität gespeichert werden soll? Auf dem Handy? Oder sogar als QR-Code auf einer kleinen Schlüsselkarte, wie es manche mit ihrem digitalen Impfausweis handhaben? Schließlich die Frage nach dem Datenschutz: Es gibt also noch einige Punkte, die zu klären wären. Eines ist jedoch sicher: Niemand würde seine sensiblen Daten gerne mit Google oder Facebook teilen wollen, wenn es eine dezentrale und datenschutzfreundliche Lösung von der Bundesverwaltung gäbe. Aber ohne eine Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission werden wir diese Projekte wohl mehrmals durchleben müssen.

Einzig das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hätte keine rechtlichen Weitergabebeschränkungen, so Dr. Dirk Häger, Abteilungsleiter OC Operative Cyber-Sicherheit beim BSI. Häger forderte in einer Diskussionsrunde auf dem 25. Europäischen Polizeikongress eine “höhere Akzeptanz einer offenen Diskussion über Betroffenheit bei Cyber-Angriffen”. Er klagte an, dass er “große Probleme” bei der Weitergabe der Daten habe. Die Cyber-Kriminellen selbst seien “bestens vernetzt und tauschen sich gegenseitig aus”. Er stellte klar, dass er dies auch Betroffenen empfehle. “Die richtigen Signale” gingen von Unternehmen aus, die aus der Not eines Cyber-Angriffs eine Tugend gemacht hätten: “Es gibt angegriffene Unternehmen, die mit ihren Vorfällen durch das Land touren und darüber berichten”, so Häger. Hiermit werde eine viel höhere Awareness geschaffen, als je mit einer IT-Sensibilisierungskampagne bei den jeweiligen Unternehmen erreicht werden könnte, stellte der Abteilungsleiter klar. Auch Vera Lindenthal-Gold, Leiterin des CyberCompetence-

Gefahrenabwehr ist überwiegend Ländersache. Das gilt auch für die CyberAbwehr. Weitergabebeschränkungen für Informationen über Cyber-Angriffe können allerdings die Kooperation zwischen einzelnen Stellen erschweren. Foto: BS/Gerd Altmann, pixabay.com

Center Hessen, forderte eine intensivierte Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden, Landesministerien und Verfassungsschutz. “Alle Informationen der Länder müssen zum Bund, damit er die Informationen wieder weiterverteilen kann.” Des Weiteren benötigten die Länder auch Informationen über Cyber-Attacken aus dem Ausland: “Und diese Informationen können nur vom BSI kommen”, erklärte Lindenthal-Gold.

Lösegeld sensibles Thema Ein anderes, ebenfalls ambivalentes Thema bei der Bund-Länder-Kooperation ist das Zahlen von Lösegeld bei Cyber-Angriffen. Während der Bund “niemals Lösegeld zahlen würde”, seien die Kommunen dafür eher bereit, berichtet Häger. Vor allem die Landeskriminalämter bringe das in die Bredouille, sagt Abteilungsleiter Bölle: “Natürlich handeln wir grundsätzlich nach dem Credo, dass Lösegeldzahlungen

abzulehnen sind, damit das Modell Ransomware as a Service nicht noch weiter gefördert wird”, erklärt der Polizist. Die Kommunen stelle das aber mitunter vor Probleme. In manchen Fällen hätten Sie aus ihrer Sicht gar keine andere Wahl haben als zu zahlen, um wenigstens an einen Teil der verschlüsselten Daten zu kommen. In diesen Situationen könnten die Landeskriminalämter aber wenigstens die Kontaktaufnahme zu den Täter/-innen zu ihrem Vorteil nutzen: “Folge dem Geld“ kann ein Ansatz zur Strafverfolgung werden. Des Weiteren kann man auch mit den Kriminellen in Verhandlung gehen und die geforderte Summe verringern”, so Bölle. Allerdings stellt der Abteilungsleiter klar, dass bei einer Lösegeldzahlung nicht garantiert sei, ob die Daten überhaupt erlangt würden oder in welchem Umfang. Im schlimmsten Fall zahlten die Geschädigten Geld für eine Leistung, die sie nie erhielten.

Strafverfolgung trotz ­Kooperation schwierig Auch wenn “Folge dem Geld“ ein Ansatz sein kann, gestaltet sich die Strafverfolgung bei Cyber Crime technisch und rechtlich schwierig. “Es gibt keinen Tatort“, erklärt Angela Komp, Oberstaatsanwältin der Zentralund Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen. Auch sie kann bestätigen, dass Ransomware as a Service immer beliebter werde: “Aktuell hat unsere Behörde 58 Rechtshilfeersuchen im Ausland gestellt, ein großer Teil davon ist diesem Kriminalitätsbereich zuzuordnen.“ Cyber Crime könne nur behördenübergreifend bekämpft werden, so Komp.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / Juni 2022

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ehörden Spiegel: Jeden Tag sind Meldungen über Sicherheitslücken, Angriffsversuche und Systemausfälle zu verzeichnen. Wie bewerten Sie die aktuelle Bedrohungslage für die sächsische Verwaltung? Wie gut ist sie aufgestellt?

Thomas Popp: Die Gewährleistung der IT-Sicherheit stellt für die sächsischen Behörden eine besondere Herausforderung dar. Bereits im Vorfeld des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bestand eine hohe Gefährdungslage aufgrund von Schwachstellen in Softwarekomponenten, die Cyber-Attacken erst ermöglichen. Denken Sie nur an die Exchange-Lücke oder die Log4Shell Schwachstelle – beides vom BSI mit der höchsten Warnstufe Rot versehen. Daneben gibt es ein permanent hohes Grundrauschen bei Cyber-Angriffen. Die gemeinsamen Schutzsysteme von kommunalem und Landesverwaltungsnetz wehren täglich eine Vielzahl von Angriffen verschiedenster Angriffsvektoren erfolgreich ab. Im Kontext des Krieges haben wir weitere technische Maßnahmen veranlasst, um insbesondere die Übergänge von Diensten in das Internet abzusichern. Insgesamt bewerte ich die Lage als angespannt, aber wir haben Mittel und Wege, uns zu schützen. Behörden Spiegel: Wie versucht die sächsische Staatsregierung, Bürgerinnen und Bürger vor Cyber-Attacken zu sensibilisieren?

Live-Hackings für Schülerinnen und Schüler Sächsische Staatsregierung sensibilisiert für IT-Sicherheit (BS) Sensibilisierungsaktionen gegen Cyber-Attacken sind in der heutigen Zeit notwendiger denn je. In Sachsen werden sogar schon Schülerinnen und Schüler auf die Thematik aufmerksam gemacht. Ein Interview mit dem Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung der sächsischen Staatsregierung Thomas Popp über Aufklärung über Cyber-Sicherheit und die Cyber-Bedrohungslage im Freistaat.

“Das Wissen um CyberGefahren und CyberVorkehrungen gehören zur Kompetenz-Grundaus­stattung in diesen Zeiten.”

angebote der Polizei und auf die Aktivitäten zum Verbraucherschutz verweisen, die das BSI forciert.

zunächst selbst verpflichtet, sich über Risiken und Nebenwirkungen zu informieren und entsprechend zu handeln. Angebote dafür Popp: Vor der Corona-Pandemie findet man leicht. Im gab es zusammen mit den sächsiFamilien- und Freun“Eine unsichere Digitalisierung deskreis ist immer jeschen Volkshochschulen und der Verbraucherzentrale regelmäßig können wir uns nicht erlauben: mand, den man fragen kann. Es sollte eben Sensibilisierungsveranstaltungen nicht als Gesellschaft und erst nicht so sein, dass Viele für Bürgerinnen und Bürger, sorecht nicht als Staat .” genannte Live-Hackings. Bei den über Bildschirmgröße, gut 50 Veranstaltungen hatten Prozessorkapazitäten wir über 5.000 Teilnehmer. Wir und Speichergeschwinprüfen derzeit, dieses Format Wie bei allen anderen Bereichen digkeit diskutieren können, aber wieder aufleben zu lassen. Zudem im Leben gilt jedoch auch bei nur Wenige die Einstellungen und möchte ich auf die Präventions- der Cyber-Sicherheit: Jeder ist Verhaltensweisen für die datensparsame, sichere Nutzung des Endgeräts kennen. Das Wissen um Cyber-Gefahren und Cyber-Vorkehrungen gehören zur Kompetenz-Grundausstattung in Krisenvorsorge für Wirtschaft, Behörden und Kommunen diesen Zeiten.

Risiko Blackout

(BS/Florian Haacke/Dr. Christian Endreß) Die Funktionsfähigkeit und Behörden Spiegel: Werden SchüStabilität der modernen Gesellschaft ist von einer funktionierenden lerinnen und Schüler in Sachsen Infrastruktur und Stromversorgung abhängig. Ein Stromausfall durch- in dieser Thematik besonders unbricht dieses System. Dabei sind die möglichen Ursachen für einen terstützt? Stromausfall nahezu grenzenlos – seien es Cyber-Angriffe auf die Versorgungsinfrastrukturen, Naturkatastrophen oder gezielte Sabotage. Popp: Im Rahmen der bereits Mit diesem Fachbuch findet erstmals eine interdisziplinäre Betrachtung des Themas “Blackout” aus allen relevanten Bereichen statt. Ein lang anhaltender und flächendeckender Stromausfall hätte massive Auswirkungen auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Doch wie sehen diese Auswirkungen konkret aus? Insgesamt 21 erfahrene Expertinnen und Experten aus Kommunen, Behörden und der Wirtschaft haben ihr Wissen sowie ihre berufliche Erfahrung in das Werk eingebracht. Sie beleuchten die grundlegenden Zusammenhänge bei einem Stromausfall aus unterschiedlichen Perspektiven und analysieren die Risiken und die Folgewirkungen, mit denen wir uns deutlich intensiver beschäftigen müssen. Entstanden ist eine in dieser Zusammensetzung einmalige praxisnahe Betrachtung des Themas “Blackout”. Sie will das Bewusstsein für die Thematik schärfen und mit konkreten Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Behörden zur Problemlösung beitragen. Das neu erschienene Fachbuch “Risiko Blackout – Krisenvorsorge für Wirtschaft, Behörden und Kommunen”, herausgegeben von den Autoren dieses Beitrags, erscheint zu einem Zeitpunkt, der für alle Akteure

genannten Live-Hackings gab es mehrfach Veranstaltungen, die

Das Buch “Risiko Blackout – Krisenvorsorge für Wirtschaft, Behörden und Kommunen” ist im April dieses Jahres erschienen.

Foto: BS/Richard Boorberg Verlag

der Sicherheitsarchitektur eine besondere Herausforderung darstellt. Es liefert einen wichtigen Beitrag zur aktuellen sicher­ heitspolitischen Diskussion und gibt gute Denkanstöße für Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Behörden und Unternehmen. Erhältlich ist das Buch direkt beim Richard Boorberg Verlag, www.boorberg.de, oder im Fachbuchhandel. *Florian Haacke und Dr. Christian Endreß sind die Herausgaber des Buches.

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die Sicherheitsverordnung zum OZG-Portalverbund sehe ich grundsätzlich positiv. Sie ergänzen, wofür wir mit unserem Landesgesetz den Boden bereitet haben: Informationssicherheit ist ein Grundpfeiler der Digitalisierung! Wir müssen das bei allen Digitalisierungsmaßnahmen von Anfang an mitdenken und das muss bei den Führungskräften anfangen. Behörden Spiegel: Mit zunehmenden fachlichen Anforderungen benötigt die Verwaltung vermutlich auch mehr Personal mit den entsprechenden Kompetenzen. Wie will der Freistaat Sachsen dem Problem des Fachkräftemangels im IT-Bereich bzw. IT-Sicherheitsbereich in der Verwaltung entgegenwirken?

Popp: Wichtig ist zunächst, ein möglichst genaues Bild über die Entwicklung vorliegen zu haben. Dafür hat die Sächsische Staatsregierung eine StrategieThomas Popp ist Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung, Mitglied der Staatsregierung und CIO sowie Beauftragter der kommission – Organisation/ Sächsischen Staatsregierung für die Kulturhauptstadt Europas 2025. Personal unter meiner Leitung eingesetzt. Die Kommission er Foto: BS/Matthias Rietschel arbeitet verlässliche Informationen darüber, welche staatlichen Aufgaben mit welchem Personaleinsatz zu bewältigen sind. Die Ergebnisse der Kommission werden eine verlässliche Basis für die künftige Aufgaben- und Personalpolitik im Freistaat Sachsen sein. Schon jetzt wissen wir, dass sich speziell an Schülerinnen und cherheit sind unbedingt notwen- uns der Fachkräftemangel im Schüler richteten. Zudem unter- dig und keinen Deut zu scharf. IT-Bereich große Probleme bestützen wir das Sächsische Lan- Eine unsichere Digitalisierung reiten wird. Für Spezialisten desamt für Schule und Bildung am können wir uns nicht erlauben: im IT-Bereich bzw. IT-Sicher“Safer Internet Day”. Zu diesem nicht als Wirtschaft, nicht als heitsbereich ist der Konkurjährlichen Aktionstag richten wir Gesellschaft und erst recht nicht renzkampf mit der Wirtschaft in Sensibilisierungsformate speziell als Staat. Wir in Sachsen haben vollem Gange. Das gilt auch für für Schulen aus. Während der mit dem Sächsischen Informati- andere Fachbereiche. Die demoCorona-Pandemie geschah dies onssicherheitsgesetz eine starke grafische Entwicklung setzt den online. 2022 haben ungefähr 2.100 rechtliche Grundlage geschaf- gesamten Arbeitsmarkt unter Schülerinnen und Schüler aus 39 fen, um die Wehrhaftigkeit ge- Druck. Schulen an den Angeboten teil- gen Cyber-Angriffe zu erhöhen Wir setzen auf eigene Ausbilgenommen. Das pädagogische und fortlaufend an die jeweiligen dungs- und FortbildungsangeboPersonal wird in separaten Ver- Lagebedingungen anpassen zu te, um dies wenigstens teilweise anstaltungen ebenfalls fortgebildet. können. Dieses Gesetz stellt die abzufedern. Wir versuchen, die So wird ihm das Rüstzeug an die Geschäftsgrundlage für unser Verwaltung als den attraktiven Arbeitgeber bekannt zu machen, Hand gegeben, das Thema Cyber- Handeln dar. der er ist. Dazu gehöSicherheit an geeigneter Stelle im ren die Vereinbarkeit Unterricht einzubinden. “Auch bei der Cyber-Sicherheit von Familie und Beruf, eine sinnstiftenBehörden Spiegel: Die Geset- gilt: Jeder ist zunächst selbst verde Tätigkeit für das ze zur Informations- und Cyberpflichtet, sich über Risiken und Gemeinwesen und Sicherheit werden immer schärfer zeitgemäße Arbeitsund enthalten immer mehr Anfor- Nebenwirkungen zu informieren derungen. Was kommt auf die deutund entsprechend zu handeln.” platzausstattung sowie sche Verwaltung in den nächsten flexible ArbeitszeitmoMonaten und Jahren zu? Ist das delle. Dieses Bündel an angemessen? Andere rechtliche Rahmen Vorteilen lässt den Umstand einer wie das IT-Sicherheitsgesetz teilweise geringeren Vergütung im Popp: Die bestehenden Gesetze des Bundes, die neue NIS2- Staatsdienst für viele Jobsuchenzur Erhöhung der Informationssi- Richtlinie oder auch zuletzt de in den Hintergrund treten.


IT-Sicherheit

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as bringt den Chef des BSI dazu, sich über ein Thema zu äußern, das, wie er selber sagt, “gerade in der Diskussion” ist? Die Antwort ist einfach. Seit dem Überfall auf die Ukraine sind viele alte Gewissheiten dahin. Auch darüber, wie Verteidigung im Cyber-Raum auszusehen hat. “Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zeigt, wie sträflich die Themen IT-Sicherheit und Zivilschutz in den vergangenen Jahren vernachlässigt wurden. Durchtragende Antworten auf neue sicherheitspolitische Herausforderungen wie hybride Bedrohungen gab es nicht. Das rächt sich in Zeiten, in denen die IT-Sicherheitslage extrem angespannt ist”, erklärt Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen Bundestagsfraktion.

Gegen die Linie Wohl aus diesem Grund ist auch wieder der Hackback im Gespräch. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) äußerte sich positiv, nur um einige Tage später zurückzurudern. Schönbohm erweckte in einem Interview den Eindruck, aktive Cyber-Abwehr zu befürworten. Es gab Kritik. Danach blieb er erst einmal still. Auf dem Europäischen Polizeikongress legte er dann – trotz seiner gegenteiligen Ankündigung – noch einmal nach. Es habe Hinweise aus der Bevölkerung gegeben, was alles nicht ginge. Er spielte vor allem auf die Sorge an, dass Hackbacks schlimme Kollateralschäden verursachen könnten. Das BSI sei auf diese Gefahren hingewiesen worden, sagte Schönbohm. Dann erklärte er: “Die Sicherheitsbehörden überlegen nicht, was alles nicht geht, sondern was notwendig ist. Und ich glaube, das wird auch getan werden.”

Behörden Spiegel / Juni 2022

Das Nötige wird getan werden Das Für und Wider: der Cyber-Gegenschlag (BS/Benjamin Hilbricht) “Darauf werde ich keine Antwort geben – auch wenn ich es gerne möchte”, sagte Arne Schönbohm, der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), auf dem 25. Europäischen Polizeikongress. Er wurde gefragt, was aus Sicht des BSI notwendig sei in Sachen aktiver Cyber-Abwehr. Vor Kurzem hatte Schönbohm allerdings erklärt, dass aktive Gegenmaßnahmen hilfreich sein könnten. Und das, obwohl im Koalitionsvertrag steht: “Hackbacks lehnen wir als Mittel der Cyber-Abwehr grundsätzlich ab.” Zu Deutsch: Wenn das BSI überlegt, ob in Zukunft zurückgehackt wird, dann wird es den erwarteten Nutzen höher gewichten als die möglichen Gefahren. Falls die Cyber-Sicherheitsbehörde zu dem Schluss kommt, dass digitale Gegenschläge einen Hack nachhaltig beenden, dann wird sie sie einsetzen.

Der Gegenschlag Aber wieso ist die aktive CyberAbwehr so umstritten? Die Idee des Hackbacks ist, das System des Angreifers zu identifizieren und auszuschalten. Dabei gibt es eine Staffelung von Maßnahmen, angefangen bei der Identifikation über die Übernahme der feindlichen Computer bis hin zur vollkommenen Zerstörung des gegnerischen Systems. Diese aggressive Vorgehensweise kritisiert Manuel Atug von der AG KRITIS: “Der Hackback ist keine effektive Abwehr. Damit wurde kein Schaden verhindert oder wiedergutgemacht. Es bleibt der Geschmack eines Vergeltungsschlags.” Befürworter der aktiven Gegenmaßnahmen leugnen das gar nicht. Es gehe um den Abschreckungseffekt, erklärt Dr. Sandro Gaycken, Experte für Cyber-Verteidigung und Leiter des Digital Society Instituts an der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin. “Die Erfahrung zeigt, dass Hacker, die von aktiven Gegenmaßnahmen betroffen waren,

erst nach einem halben bis einem Jahr wieder aktiv sind. Und sie greifen dasselbe Ziel nicht mehr an. Das sind die einzigen Maßnahmen, die einen nachhaltigen Sicherheitseffekt erzielen.”

Wer war das? Gegnerinnen und Gegner des Hackbacks führen zwei Argumente gegen ihn ins Feld. Einmal ist da das Attributionsproblem: Es ist schwer bis unmöglich, zu sagen, wer für eine Attacke im Cyber-Raum verantwortlich ist. “Im Cyber-Raum kann eine Aktion sehr schnell falsch attribuiert werden”, warnt Atug. Das liegt nicht nur daran, dass die wenigsten Akteure ihr Werk signieren. Vor allem nutzen sie für illegale Aktionen nicht ihre eigenen Systeme, sondern kapern die von anderen. “Gerichtsverwertbar können Sie dann meistens maximal nur sagen: Von diesem System aus wurde ich angegriffen”, erklärt Atug deshalb. Was man dagegen quasi nie sagen könne: Der Besitzer dieses Systems hat mich angegriffen.

Als Cyber Crime getarnte Kriegshandlungen Russland – darin sind sich Gaycken und Atug einig – macht sich diese Attributionsschwierigkeiten wie alle anderen auch zunutze. Da sei die Conti-Gruppe, erzählt Atug, die normalerweise Ransomware vertreibe. Aus geleakten Chatdokumenten der ContiGruppe scheine hervorzugehen,

schenleben gefährdet. “Das ist ein Mythos, diese Kollateralschäden gibt es fast nicht. Man kann sie mit sauberem Containment gut ausschließen. Es ist so schwierig, nur ein Target zu treffen, dass man eh wahrscheinlich nichts versehentlich trifft”, entgegnet Gaycken auf dieses Argument. “Da gibt es eine Menge “smoke and mirrors” aus der Hackerszene.” Gaycken argumentiert weiter, dass die Hacker immer ein Command & Control-System hätten. Von dem aus steuerten sie die gekaperten Systeme. Das Ziel des Gegenschlags sei das Command & Control-Zentrum, nicht der zwischengeschaltete Proxy. “Diese Vergeltungsschläge funktionieren im Labor und auf Folien immer sehr gut”, erwidert Atug. “Aber Sie wissen nicht, wie das dadurch zurück angegriffene System in Wirklichkeit reagiert und was dahintersteckt – im Extremfall ein relevantes System deutscher Kritischer Infrastruktur. Man fährt auf Sicht im Nebel und denkt vermeintlich, dass der große Knall ausbleibt.”

Kontraproduktive Debatte erneut führen? Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), unterhält sich am Rande des Europäischen Polizeikongresses mit Dr. Eva-Charlotte Proll. (Foto: BS/Trenkel)

dass die Tätergruppierung mit dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB zusammenarbeite. Durch solche Kooperationen tarne Putin seine Cyber-Angriffe als Verbrechen, statt sie als Kampfhandlungen zu erkennen zu geben, sagt Atug. Das könnte Russland jedoch auch zum Nachteil gereichen. “Wir haben bei den Russen den Vorteil, dass sie viele ihre Aktionen als Cyber-Verbrechen tarnen”, erklärt Gaycken. Denn wenn die russische Armee oder die Geheimdienste sich nicht zu

erkennen gäben, dann könnten sie sich auch nicht beim deutschen Staat über aktive Gegenwehr beschweren.

Kollateralschäden nicht zu verhindern Hackback-Gegner befürchten, dass der Cyber-Gegenschlag großen Schaden anrichten könnte. Was, wenn ein Hacker sich zum Beispiel auf die IT-Infrastruktur eines Krankenhauses draufgesetzt habe und der Gegenschlag diese zerstöre? Der aktive Gegenschlag hätte dann aktiv Men-

“Die Union ist krachend damit gescheitert, eine verfassungskonforme Hackback-Regelung vorzulegen. Ich empfehle dringend, derart zeitraubende, am Ende kontraproduktive Debatten nicht erneut zu führen”, fordert von Notz deshalb. Nach einem kurzen Auflodern scheint die Hackback-Debatte wieder in sich zusammengefallen zu sein. Doch unter der Asche schwelt sie vor sich hin. Warum sonst sollte der BSI-Präsident erst sagen, dass er nichts über aktive Gegenmaßnahmen in der Cyber-Abwehr sagen wird, und dann, dass die Sicherheitsbehörden alles tun würden, was nötig sei?

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Münchner Cyber Dialog 2022 Cloud Security – eine Herausforderung

22.–23. Juni 2022

Sebastian Fiedler MdB (SPD), Kriminalpolitischer Sprecher des Bundestages, Kriminalhauptkommissar

Markus Hartmann, Oberstaatsanwalt als Hauptabteilungsleiter, Leiter der Zentralund Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen

Heinz-Dieter Meier, Direktor i. d. Bundespolizei (a. D.)

Dirk Fleischer, CSO/ CISO, Dürr AG

Dr. Matthias Kampmann, Leiter F&E Koordination, IT-Sicherheitscluster e. V.

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Medienpartner:

Kooperationspartner:

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Referenten und Referentinnen:


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Berlin und Bonn / Juni 2022

KNAPP

Statistik und Politik Teile der Politisch Motivierten Kriminalität werden unterschiedlich zugeordnet

Allianz gegen Sprengungen

(BS/Marco Feldmann) Eigentlich existieren bundesweit einheitliche Richtlinien zur Erfassung und Einordnung der jeweiligen Phänomenbereiche im Bereich der Politisch Motivierten (BS/mfe) In Hessen haben InKriminalität. Auch bestimmte Ausnahmefallkonstellationen sind eigentlich bundeseinheitlich normiert. Grundlage ist ein Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK) aus dem Jahre nenministerium, Landespolizei 2001. Berlin und Baden-Württemberg gehen nun aber einen Sonderweg. Möglicherweise gibt es bald auch bundesweit Veränderungen. und Bankenwirtschaft ein neues

I

m Ländle werden antisemitische Straftaten seit 2019 nicht mehr automatisch dem Phänomenbereich PMK-rechts zugeordnet. Vielmehr werden für die Zuordnung laut Stuttgarter Innenministerium vor allem die vorhandenen Tatsachen zur Tätermotivation sowie die Umstände der Tat berücksichtigt. Sofern überhaupt keine Anhaltspunkte zur Motivation vorliegen, erfolgt die Erfassung antisemitischer und fremdenfeindlicher Delikte in Baden-Württemberg im Phänomenbereich “PMK-nicht zuzuordnen”. In der Bundeshauptstadt ist Mitte letzten Jahres eine veränderte Regelung zur Erfassungspraxis in Kraft getreten, die bundesweit bei Weitem noch nicht konsentiert ist. Demnach werden von Unbekannt verübte Fälle von fremdenfeindlichen oder antisemitischen Taten, bei denen eine eindeutige Zuordnung zu einem Phänomenbereich nicht möglich ist, nicht mehr – quasi von Amts wegen – dem Phänomenbereich PMK-rechts zugeordnet. Vielmehr erfolgt, wie im Ländle, eine Einordnung bei "PMK-nicht zuzuordnen".

Immer wird der Einzelfall untersucht Das mag statistisch sauberer sein, widerspricht aber dem geltenden IMK-Beschluss. Zudem führt es zu einem Problem, das die Polizei Berlin selbst einräumen muss: “Daher sind valide Trendaussagen zu Anstieg oder Rückgang des Fallaufkommens in beiden Phänomenbereichen nicht möglich.” Gleichwohl sei im Bereich PMK-rechts nach wie vor das höchste Fallaufkommen zu verzeichnen. So wurden für das vergangene Jahr 14 antisemitische Gewaltdelikte aktenkundig. Sieben davon entfielen auf den Phänomenbereich PMK-rechts,

Die konkrete Eingruppierung und Kategorisierung Politisch Motivierter Kriminalität (PMK) ist immer eine Abwägung verschiedener Faktoren. Aus diesem Grunde erfolgt sie deutschlandweit auch nicht einheitlich – zumindest bei antisemitischen und fremdenfeindlichen Straftaten. Foto: BS/alswart, stock.adobe.com

drei wurden bei PMK-ausländische Ideologie eingruppiert und vier im Bereich PMK-nicht zuzuordnen. Alle anderen Bundesländer verfahren so, wie in der IMK ver­‑ einbart und vom Bundeskriminalamt (BKA) empfohlen. Beispielhaft sei hier auf Brandenburg verwiesen. Aus dem Potsdamer Innenministerium heißt es dazu, dass das bundeseinheitliche Definitionssystem des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch Motivierter Kriminalität (KPMDPMK) die Grundlage für statistische Erfassungen bilde. Dabei unterliege jeder Sachverhalt einer Einzelfallbetrachtung und könne immer nur einem Phänomenbereich (rechts, links, ausländische Ideologie, religiöse Ideologie oder nicht zuzuordnen) zugeordnet

werden. Deshalb wolle man dem Berliner Vorgehen auch nicht folgen. Gleiches ist explizit unter anderem aus Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern zu vernehmen. Auch Bremen und Nordrhein-Westfalen verfahren auf diese Weise. Im bevölkerungsreichsten Bundesland findet bei Politisch Motivierter Kriminalität zudem eine dreistufige Qualitätssicherung statt. Auf der ersten Stufe stehen dabei die Kreispolizeibehörden, dann folgt das Landeskriminalamt (LKA) und schließlich das BKA.

PMK ist eine Eingangsstatistik Im Gegensatz zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) handelt es sich beim Zahlenwerk zur PMK

um eine “lebende Statistik”. Da Letztere eine Eingangsstatistik ist, wird jeder Fall sofort nach Bekanntwerden gezählt. Bei der PKS geschieht dies erst nach dem Abschluss der Ermittlungen. Das kann sich teilweise lange hinziehen. Im Gegensatz dazu unterliegen die Fälle der PMK bis zum Abschluss der Ermittlungen – gegebenenfalls sogar bis zum rechtskräftigen Gerichtsurteil – einer fortlaufenden Bewertung gemäß der angenommenen Tatmotivation. Neue Erkenntnisse können folglich zu Aktualisierungen und Veränderungen führen. Zudem können PMK-Fälle auch erst nach dem Statistikabschluss bekannt und damit gezählt werden. Aus diesem Grunde kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Veränderungen bei den Fallzahlen. Dabei gilt, dass Straftaten der PMK zugeordnet werden, wenn nach Würdigung der Tatumstände beziehungsweise der Tätereinstellung unter anderem Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Delikte den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sie sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten.

Umfangreicher Kriterienkatalog Gleiches gilt, sofern es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich die Taten gegen die freiheitlichdemokratische Grundordnung beziehungsweise eines ihrer Wesensmerkmale oder den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten. Ein weiteres Kriterium für eine entsprechende Einstufung kann sein, wenn die Straftaten eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des

Bundes oder eines Landes zum Ziel haben.

IMK-Arbeitskreis prüft immer noch Im Bereich der PMK könnten in Zukunft erhebliche Veränderungen anstehen. Denn derzeit befasst sich laut Brandenburger Innenministerium eine polizeiliche Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit der Entwicklung der aktuellen PMKFallzahlen. Außerdem hat die IMK auf Vorschlag Nordrhein-Westfalens im Sommer vergangenen Jahres einen Beschluss zu einer bundesweit einheitlichen, präziseren Erfassung und Zuordnung der Motivationslage gefällt. Im Zuge dessen soll auch die Sonderregelung zu antisemitischen und fremdenfeindlichen Straftaten überprüft werden. Denn Ziel muss es laut Bundesinnenministerium (BMI) sein, Taten, bei denen eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist, künftig flächendeckend und bundeseinheitlich festzuhalten. Der entsprechende Prüfprozess – auch hinsichtlich einer möglichen Anpassung der Ausfüllanleitung zur Kriminaltaktischen Anfrage in Fällen Politisch Motivierter Kriminalität (KTAPMK) – innerhalb des zuständigen Arbeitskreises der IMK läuft aber noch. Hier wäre eine rasche Entscheidung wünschenswert. Denn zum einen sind Alleingänge einzelner Bundesländer nicht zielführend. Und zum anderen nimmt das Problem der PMK an Bedeutung zu. Sie erreichte 2021 einen neuen Höchststand und stieg im Vorjahrsvergleich um über 23 Prozent auf mehr als 55.000 Delikte bundesweit an. Es ist Zeit, zu handeln.

Die Finanzierung der Sicherheit Wohin mit den Verteidigungsausgaben? (BS/Dorothee Frank) Das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen zur Ausstattung der Streitkräfte war eine große Geste, die Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit den Spitzen seiner Ampelregierung überraschend im Februar vollzog. Nun zeichnet sich allerdings ab, dass gerade dieses Sondervermögen zum Desaster für die Regierung werden könnte. Es ist ein “An die Wand fahren” mit Ansage. Hundert Milliarden sollten die Streitkräfte auf ein Niveau bringen, mit dem sich tatsächlich ein signifikanter Beitrag zur Verteidigung der NATO leisten ließe. Da dieser Betrag zwar sehr groß ist, gleichzeitig aber immer noch nicht zum Defizitausgleich reicht, fingen fast im selben Moment die internen Verteilungskämpfe an. Die Teilstreitkräfte und militärischen Organisationsbereiche vermittelten ihren Bedarf an das BMVg. Hier wird zur Zeit eine Liste mit den Vorhaben erstellt. Wie üblich gut aufgestellt zeigten sich Marine und Luftwaffe, ihre Projekte summieren sich zusammen bereits auf 79 Milliarden. Ebenfalls frühzeitig konnte die Streitkräftebasis ihre Wünsche – und die absolute Notwendigkeit zur Erfüllung derselben – flächendeckend kommunizieren. Diese sind allerdings bescheidener, etwas über sieben Milliarden wurden angemeldet.

Somit bleiben für die größte Teilstreitkraft, das Deutsche Heer, sowie die weiteren militärischen Organisationsbereiche gerade einmal 14 Milliarden. Diese Verteilung ist das große Problem, da eine Regierung, die mit einem solch großen Versprechen zur Ausstattung der Bundeswehr in ihre Amtszeit geht, sich vor der nächsten Wahl dann auch an der Hoflage messen lassen muss. Und die wird angesichts der vielen Großprojekte auf der Liste genau so aussehen wie heute. Kein FCAS- Kampfflugzeug, kein Schwerer Transporthubschrauber, kein MGCS-Kampfpanzer, keine neuen Fregatten und kein neues Luftverteidigungssystem werden 2025 in der Bundeswehr sein. Sie werden zwar vor der Wahl im Zulauf sein,aber noch nicht vor Ort bei der Truppe. Und wenn doch, dann in so geringer Stückzahl, dass sie kaum medienwirksam in Beziehung mit dem Sondervermögen platziert

werden können. CDU und AfD werden das zu nutzen wissen. Deutlich mehr Erfolg, mehr sichtbaren Output bis zur Wahl, könnten nur die kleineren bzw. beherrschbareren Systeme etwa der Streitkräftebasis oder des Heeres bringen. Und natürlich die Digitalisierungsprojekte, die einen auch für die Soldaten sichtbaren Gamechanger auf dem Gefechtsfeld darstellen. D-LBO Basic (siehe hierzu auch das Interview auf Seite 52) wäre ein Weg, der bis zur nächsten Bundestagswahl weitgehend ausgerollt sein könnte. Dieses Problem trifft im Übrigen nicht nur das Sondervermögen. So beschloss der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages im Mai auch den Verteidigungsetat für das Haushaltsjahr 2022. Dieser steigt um 3,5 Milliarden Euro auf 50,4 Milliarden Euro. Von diesen zusätzlichen Mitteln sollen 1,2 Milliarden für militärische Beschaffungen, 625 Millionen für Forschung,

Entwicklung und Erprobung sowie 513 Millionen für Materialerhaltung verwendet werden. Hinzu kommen die sonstigen Betriebsausgaben, um die aktuell teilweise erheblich steigenden Kosten für den laufenden Betrieb zu finanzieren. “Mit dem Budget wird die Bundeswehr zum Beispiel die Vollausstattung der Soldatinnen und Soldaten mit ihrer persönlichen Ausstattung und allen Bekleidungssätzen schnell anstoßen können. Weiterhin können große Rüstungsvorhaben, wie die Beschaffung der Eurodrohne, des Systems Pegasus zur weiträumigen Überwachung und Aufklärung aus der Luft oder des Seefernaufklärers P-8A Poseidon, fortgesetzt werden. Daneben können beispielsweise das Vorhaben SatComBw Stufe 3 begonnen und die Digitalisierung der Bundeswehr vorangetrieben werden”, berichtete das BMVg. Alles wieder Großprojekte, die zur nächsten Bundestagswahl nicht fertig

nutzbar in vorzeigbarer Stückzahl auf dem Hof stehen werden. Dass die Digitalisierung am Ende als Anhang genannt wird, falls die anderen Programme noch Geld übrig lassen, scheint die Bedeutung derselben erkennen zu lassen. Logistikfahrzeuge, Funkgeräte und Battle Management Systeme mögen nicht so schick sein, wie Panzer oder Luftverteidigungssysteme. Andererseits ist gerade wegen der fehlenden Logistik auch der erste russische Vorstoß in der Ukraine gescheitert. Und die Digitalisierung hat das Potenzial, die Fähigkeiten der deutschen Streitkräfte enorm zu potenzieren. Zudem befinden sie sich mit jeweils um die sieben Milliarden Euro in einem bezahlbaren Rahmen. Es wären Projekte, die vorzeigbar sind und die Bundeswehr enorm verbessern. Und die zeitgerecht zulaufen können, damit das Sondervermögen nicht wie ein Fail für die Regierung aussieht.

Bündnis geschlossen. Die 15 Gründungsmitglieder der “Allianz Geldautomaten” haben sich dem Kampf gegen Sprengungen solcher Geräte verschrieben. Der Zusammenschluss, der insbesondere der verstärkten Kooperation dienen soll, ist bundesweit bislang einmalig. Mit ihrer Hilfe soll die Anzahl von Geldautomatensprengungen in Hessen signifikant gesenkt werden. 2021 wurden in Hessen 56 Geldautomaten beschädigt und zum Teil vollständig zerstört. Künftig soll im Kampf gegen diese Kriminalitätsform das Risikoanalysetool “Geldautomatenlagebild operativ” (GLB operativ) zum Einsatz kommen. Eine ähnliche Vorhersagesoftware wird bereits gegen Wohnungseinbruchdiebstahl verwendet. Durch GLB operativ können alle Geldautomaten, die mit qualitativen Daten wie Standort, Fabrikat und Sicherheitsvorkehrungen hinterlegt sind, einer Risikobewertung unterzogen werden. Daraufhin kann dann jeweils eine Wahrscheinlichkeitsprognose für eine Sprengung des Automaten erstellt werden.

Sofortprogramm Munitionsaltlasten (BS/bk) Im Haushaltsausschuss des Bundestages wurden erstmalig Bundesmittel für die Bergung von Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee beschlossen. Mit dem Geld soll die Beseitigung von Munitionsaltlasten an den deutschen Küsten vorangetrieben werden. Das Programm wird aus einem neuen Titel zur Stärkung des nationalen Meeresschutzes finanziert, der beim Bundesumweltministerium (BMUV) angesiedelt ist. Noch in diesem Jahr sind zur Deckung der Planungskosten inklusive der Auswahl und der Erkundung 400.000 Euro eingeplant. In den Folgejahren 2023 bis 2025 sollen für den nationalen Meeresschutz insgesamt je 22 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Von diesem Geld soll auch das Sofortprogramm finanziert werden. Wie viel Geld dem Programm zufließen soll, ist noch unklar. Final werden die Haushaltsmittel mit den Beschlüssen des Bundestagsplenums und des Bundesrates zum Bundeshaushalt auf den Weg gebracht.

Rheinland-Pfalz nutzt Handykamera (BS/mfe) Die rheinland-pfälzische Landespolizei nutzt als erste Polizeibehörde bundesweit eine Handykamera. Ein entsprechendes Pilotprojekt startet für zunächst drei Monate beim Polizeipräsidium Trier. Anschließend ist für ein Vierteljahr die Erprobung beim Mainzer Polizeipräsidium vorgesehen. Die Technik MONOcam arbeitet ähnlich wie bereits bekannte Abstands- und Geschwindigkeitsüberwachungssysteme. Dabei wird der Verkehrsfluss aus einer erhöhten Position betrachtet. Das System, das in den Niederlanden schon länger in der Anwendung ist, achtet auf Mobiltelefone im Bereich des Fahrers und auf eine entsprechende Handhaltung.


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Europäischer Polizeikongress Der Hase und der Igel

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ußerdem solle es eine europaweite Bargeldobergrenze geben. Zudem müsse – nicht nur im Bereich der Geldwäschebekämpfung – die Kooperation zwischen den Behörden weiter verbessert werden. Und das auch grenzüberschreitend. Gleiches gelte im Kampf gegen Kriminalität im und aus dem digitalen Raum.

Ausnutzung des Ukraine-Krieges An Vernetzung und Internationalisierung führe kein Weg vorbei, unterstrich Engelke, der den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine eindeutig verurteilte und der Ukraine massive Unterstützung zusagte. Gleiches gelte bei der Aufklärung und Verfolgung von Kriegsverbrechen, die Russland in der Ukraine systematisch begehe. Hier führe das Bundeskriminalamt (BKA) im Auftrag des Generalbundesanwaltes bereits ein Strukturermittlungsverfahren. Außerdem unterstützten BKA und Bundespolizei das Land technisch, etwa mit Nachtsichtgeräten und Forensikausstattung. Massive Kritik an Russland äußerte auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. So nutze das Land Vergewaltigungen als Kriegsmittel. Den Opfern dieser Taten müsse umfassend geholfen werden. Aber nicht nur die militärischen Mächte nutzten Gewalt als Mittel. “Ukrainische Flüchtlinge, besonders Frauen und Kinder, werden durch Kriminelle an der Grenze abgefangen”,

Die Ausbreitung der Organisierten Kriminalität in Europa (BS/Marco Feldmann/Dorothee Frank) Die Bundesregierung und insbesondere das Bundesinnenministerium (BMI) wollen das Vorgehen gegen Organisierte Kriminalität (OK) und Cyber Crime in der laufenden Legislaturperiode noch weiter intensivieren. Das kündigte der beamtete Staatssekretär im BMI, Hans-Georg Engelke, auf dem Europäischen Polizeikongress an. So wolle man sich unter anderem für flächendeckende und europaweit vernetzte Vermögens- und Transparenzregister einsetzen. verletzlicher und ausnutzbarer würden, bei gleichzeitiger Reduzierung der zu deren direktem Schutz einsetzbaren Polizisten oder deren Handlungsmöglichkeiten, seien Kriege ein Nährboden für Verbrecher. “Die Auswirkungen des Kosovo-Krieges sind immer noch auf den Straßen Europas zu sehen”, beschrieb Steele den Polizeialltag und warnte vor den Waffen, die aktuell zu hunderttausenden in die Ukraine gingen. Diese würden weder registriert noch der Verbleib oder Einsatz dokumentiert. Die Waffen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die man aktuell überall in Europa in den Händen krimineller Banden und von Mitgliedern der OK finde, seien allerdings mittlerweile veraltet. “In die Ukraine gehen viel fortschrittlichere Waffen als je zuvor”, warnte Steele. “Und unsere örtliche Polizei wird sich in den nächsten zehn, 15 oder 30 Jahren mit diesen Waffen befassen müssen.”

Vernetzung ausbauen Die Bedeutung von Vernetzung – auch international – unterstrich Österreichs Innenminister, Magister Gerhard Karner. Des

Nichts ohne Cyber-Sicherheit

Zum ersten Mal fand der Europäische Polizeikongress im hub27 der Berliner Messe statt. Dem Interesse tat das keinen Abbruch. Insgesamt konnten rund 1.400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßt werden.

werden, forderte der Wiener Ressortchef. Als weitere wichtige Handlungsfelder im Bereich der Inneren Sicherheit identifizierte Karner die Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus sowie das Vorgehen gegen Cyber-Kriminalität. Denn vor allem bei den beiden erstgenannten Themen komme es darauf an, Gefahren möglichst schon im Keim zu ersticken, so der Wiener Ressortchef. Und gegen CyberKriminalität helfe nur eine enge Kooperation aller beteiligten Akteure, auch international und grenzüberschreitend, meint der österreichische Politiker.

“Amazon für Kriminelle”

Der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, wies auf die Gefahren durch Cyber Crime hin. Fotos: BS/Boris Trenkel

beschrieb Calum Steele, Generalsekretär der Scottish Police Federation und Präsident des europäischen Gewerkschaftsverbandes EuroCOP. “Es ist einer der niederträchtigsten Aspekte menschlichen Verhaltens, dass es Menschen ohne jede Moral gibt, die für finanziellen Profit die schwächsten und am meisten schutzbedürftigen Mitglieder unserer Gesellschaft ausbeuten.” Hierdurch wirkten sich alle Krisen und Kriege der Welt immer auch direkt auf die Arbeit der Polizeien aus, da sich Strukturen von Banden, von Organisierter Kriminalität bilden und ausbreiten könnten. Dadurch, dass in Konflikten bestimmte Menschengruppen, meistens Frauen und Kinder,

Weiteren plädierte er für eine noch stärkere Bekämpfung der OK, insbesondere der Schleusungskriminalität. Dafür müsse allerdings der Außengrenzschutz deutlich besser und robuster werden, meint Karner. Er fordert: “Wir müssen wissen, wer sich auf dem europäischen Kontinent aufhält.” Allerdings gebe es bislang noch keinen europaweiten Überblick über erfolgte Mehrfachregistrierungen von Flüchtlingen und Migranten und damit keine Möglichkeiten, diese zu verhindern. Karner verlangte, dass Binnengrenzkontrollen innerhalb der Europäischen Union auch künftig möglich sein müssten. Das müsse unbedingt im neuen Schengen-Kodex verankert

agiere, verliere sich Deutschland im Föderalismus. “Ein gutes Beispiel ist Italien mit der Guardia die Finanza”, sagte Lehnert. Deren Effektivität sei jüngst erst wieder bei der Durchsetzung der Sanktionen gegen Russland deutlich geworden. “Wir hatten gerade einmal Arbeitskreise gebildet, da hat die Guardia di Finanza schon die ersten Jachten an die Kette gelegt.”

Der Leiter des Büros zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) des österreichischen Bundeskriminalamtes, Magister Karl Ornetsmüller, beschrieb zudem einige der bisher gewonnen Erkenntnisse zur OK in Österreich. “OK-Gruppierungen sind für uns die Sicherheitsgefahr des 21. Jahrhunderts”, sagte Ornetsmüller. “Die sind teilweise organisiert wie klassische Dax-Unternehmen, von der Rechtsabteilung bis zum CEO.” Auch das Waren- und Dienstleistungsangebot der kriminellen Verbindungen sei dementsprechend vielfältig. “Diese OK-Gruppierungen reduzieren sich nicht auf Drogen, sondern machen beispielsweise auch Waffenlieferungen und Auftragsmorde”, beschrieb Ornetsmüller. “Es handelt sich quasi um ein Amazon für Kriminelle.” Besonders besorgniserregend sei dabei die steigende Verbindung zwischen Terrorismus und OK, zwischen Extremismus und Wirtschaft. Die wirtschaftlich professionell aufgestellte OK nutze jede neu entstehende Situation. “Nehmen wir als Beispiel Covid”, sagte Ornetsmüller. Die Jugendarbeitslo-

sigkeit sei durch die Pandemie stark gestiegen und die OK habe dies sehr schnell ausgenutzt, indem sie nun verstärkt Jugendliche für Aufgaben wie Waffenlieferungen oder andere Transporte rekrutiere. “Diese Jugendlichen sind für die OK Kanonenfutter.” Als weitere aktuelle Entwicklung nannte Ornetsmüller eine “extreme Zunahme der Gewalt, besonders bei den Westbalkangruppen”. In Wien hätten die Ermittlungsbehörden Material von extremsten Folterungen durch diese OK sichergestellt, dessen Auswertung aufgrund der Unmenschlichkeit der Szenen für die Ermittler überaus belastend sei. Sogar den Ermittlungsbehörden gegenüber werde mit Gewalt und Einschüchterung gearbeitet. “Man geht jetzt auch auf die Polizeistrukturen los”, sagte Ornetsmüller. “Das Wohnzimmerfenster eines Ermittlers wurde zum Beispiel durchschossen.”

das Gericht bänden. Diese Anwälte verfügten über Ressourcen, mit denen kein Richter oder Staatsanwalt mithalten könne. Diese Entwicklung – und die erkennbaren Defizite der deutschen Rechtspraxis – seien allerdings kein Alleinstellungsmerkmal der Bundesrepublik. So habe auch Italien, nachdem es fast komplett durch die Mafia korrumpiert gewesen sei, seine Gesetze anpassen müssen. “Wir haben keinen Mafia-Paragrafen, wir haben keine Beweisumkehr”, sagte Hehne. “Dabei sind die MafiaParagrafen in Italien auch nur eingeführt worden, um effektive Maßnahmen gegen die OK zu haben. Um die OK überhaupt bekämpfen zu können.” Von Italien könne man auch bei der Bekämpfung der Geldwäsche sehr viel lernen, sagte Jörg Lehnert, Gruppenleiter

Neben der analogen Sicherheit ist auch die Cyber-Sicherheit essenziell für die allgemeine Sicherheit. Das unterstrich der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm. Außerdem wies er auf die inzwischen enge Verknüpfung zwischen Organisierter Kriminalität (OK) und Cyber Crime hin. Denn, so Schönbohm weiter, OK-Gruppierungen verdienten durch Cyber-Kriminalität mittlerweile deutlich mehr als durch den Verkauf von Drogen. Außerdem seien eine zunehmende Industrialisierung der Cyber-Kriminellen und ein vermehrter Rückgriff auf Crime as a Service festzustellen. Bei Letzterem ließen sich im Darknet kriminelle Fähigkeiten leicht einkaufen. Auch der Krieg in der Ukraine wirke sich auf die CyberSicherheitslage aus, erläuterte Schönbohm, der das BSI als die Cyber-Sicherheitsbehörde der Bundesrepublik bezeichnete. So sei Hacktivismus, den es auf beiden Seiten und für beide Kriegsparteien gebe, inzwischen eine reale Gefahr. Bei vielen Bürgerinnen und Bürgern sowie bei zahlreichen Unternehmen herrsche aber dennoch weiterhin Sorglosigkeit, bemängelte der BSI-Chef. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verurteilte den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ebenfalls. Der derzeitige Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK) betonte: “Wir

Professionalisierung der OK Diese beschriebene professionelle Aufstellung der Banden, Clans und OK bedeutet mittlerweile ein großes Hemmnis bei der Bekämpfung. Nicht nur die Ermittlungen, auch die Verfahren dauern immer länger. Peter Hehne, Abteilungsleiter Auswertung und Ermittlungen beim Landeskriminalamt (LKA) Thüringen, beschrieb aus der Praxis: “Die Verfahren gegen OK laufen im Durchschnitt über 18 Monate – und dann sieht man die guten OK-Ermittler, die wir eigentlich für weitere Verfahren brauchen, wochenlang zum Gericht gehen.” Dort würden die Beschuldigen selbst bei kleineren Delikten mit ganzen Armeen hochprofessioneller und gut aufgestellter Anwälte auftauchen, welche die Ermittler in dauernden Befragungen über Wochen und Monate zeitlich an

Der beamtete Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI) Hans-Georg Engelke, kündigte ein stärkeres Vorgehen gegen Organisierte Kriminalität (OK) und Cyber Crime an.

Geldwäscheaufsicht bei der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. In Deutschland könne man die fast 400 Behörden, die für Geldwäschebekämpfung und -aufsicht zuständig seien, nicht verbinden, weil es keine einheitliche Steuerung gebe. Während die OK als einheitlich geführter Konzern

wollen alles tun, um die Ukraine in ihrem Freiheitsdrang zu unterstützen.” Allerdings dürfe Deutschland nicht Kriegspartei werden. Herrmann unterstrich die Bedeutung einer effektiven Registrierung von Flüchtlingen. Nur so könnten Straftäter identifiziert und Geflohene vor Ausbeutung geschützt werden.


Europäischer Polizeikongress

Behörden Spiegel / Juni 2022

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ie ganz überwiegende Mehrheit der Bevölkerung stimmt der republikanischen rechtsstaatlichen Demokratie zu”, stellte Joachim Herrmann (CSU), bayerischer Innenminister, zunächst einmal auf dem Europäischen Polizeikongress klar. Viele Radikale hätten die Corona-Politik als Aufhänger für ihre Ablehnung des Staates genommen. Besonders die sogenannten Corona-Spaziergänge, die vor allem seit dem Dezember des vergangenen Jahres Auftrieb bekommen hätten, hätten die diskutierte Impfpflicht als Punkt des Anstoßes genommen. Diese “Spaziergänge” seien eine große Herausforderung gewesen, weil diese komplett unerwartet gekommen seien, sagt der Innenminister Brandenburgs, Michael Stübgen (CDU). Nach seinen Beobachtungen seien viele Bürgerliche unter den Demonstranten gewesen. “Das letzte Mal, dass die demonstrieren waren, war wahrscheinlich 1989”, sagt Stübgen. Ausschlaggebende Gründe sieht der Brandenburger im Dauerstress durch die Corona-Maßnahmen, die seiner Meinung nach manchmal nicht nachvollziehbar waren, in den Lockdowns und der Impfpflicht. Ein derartiges Demonstrationsaufkommen könne es jederzeit wieder geben. “Es war großer Unfug, dass die Corona-Demonstrationen nur aus Rechten bestanden”, bestätigt Hermann die Beobachtungen seines Kollegen. Auch in Bayern habe es keinen monolithischen Block gegeben. Dennoch gebe es Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland.

Sicherheitsbehörden im Dauerstress Umgang mit Radikalisierungen in der Gesellschaft

Verschiedene Vorstellungen Neben dieser unterschiedlichen Datenqualität erschwerten zudem die unterschiedlichen Vorstellungen, wie ein Datenhaus aufgebaut werden müsse, eine zielgerichtete Auswertung, zeigt

nicht mehr entwaffnen, weil er ein Reichsbürger ist. Wir müssen erst mal beweisen, dass er eine Gefahr ist”, kritisiert der Bayer.

Uneinigkeit über Europol

(BS/Bennet Klawon/Benjamin Hilbricht) Ob nun Corona-Pandemie, wirtschaftliche Unsicherheiten oder Ukraine-Krieg — in den vergangenen zwei Die verschiedenen sicherheitsJahren stand die Gesellschaft unter Dauerstress. Bei einigen Gruppen führte dieser Stress zu einer Radikalisierung. In der Folge stiegen und steigen politischen Herausforderungen immer noch die Anforderungen an die Sicherheitsbehörden in Deutschland. hätten gezeigt, dass eine ZusamAuch mit dem Abflachen des pandemischen Geschehens und dem Auslaufen der Corona-Schutzmaßnahmen würden diese weiter demonstrieren gehen, glaubt Herrmann. Das beherrschende Thema ändere sich derzeit stark. Im Fokus der Demonstrationen sei jetzt vor allem der Ukraine-Krieg mit all seinen Folgen.

Absichten unbekannt Kritisch gesehen wird aber von beiden Ministern, dass politische Gruppierungen und Parteien die Proteste für ihre Ideologie und Zwecke nutzen wollen. “Demonstriere ich gegen ein einzelnes Thema wie zum Beispiel die Impfpflicht? Das ist völlig legitim. Aber benutze ich das Thema nur, um eine andere Ideologie durchzusetzen, wie zum Beispiel die Reichstreue? Das ist dann ein Problem”, sagt Herrmann. Dabei stellt die Reichsbürgerszene ein besonderes Problem dar. “Ehrlich gesagt habe ich das am Anfang nicht ernst genommen. Königstreue gab es in Bayern ja immer. Das ist eher was für den Komödienstadl. Da wird ständig das Grundgesetz falsch zitiert”, so der Minister weiter. Es seien viele “Spinner” dabei und es werde auch (antisemitische) Hetze betrieben. Aber was diese

Wie sollen Polizei und Gesellschaft mit Radikalisierungen umgehen? Dazu sprachen (v.l.n.r.): Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), Uwe Proll (Moderation) und Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU). Foto: BS/Trenkel

letztlich bezwecken wollten, sei unklar. Auch Stübgen steht dem Phänomen etwas ratlos gegenüber: “Viele der Thesen, die hier wiederbelebt werden, gab es schon im Mittelalter.” Auch die Verschwörungstheorien der QAnon-Strömung, welche die Trump-Administration als Instrument zur Wählermobilisierung eingesetzt habe, zählten dazu. Die Verschwörungserzählungen haben sich während der CoronaPandemie auch in Deutschland

verbreitet und bedienen ein ebenso wirres Weltbild. “Warum diesen Quatsch so viele Europäer glauben, das kann ich mir nicht erklären”, zeigt Stübgen sich ungläubig. Beide Unionspolitiker sprechen sich für eine Unvereinbarkeit des Glaubens an Verschwörungstheorien mit einer Tätigkeit im Öffentlichen Dienst aus. “Zur wehrhaften Demokratie gehört, dass wir Reichsbürger oder Ähnliche auf keinen Fall im Öffentlichen Dienst arbeiten lassen

dürfen. Wer bestreitet, dass es diesen Staat überhaupt gibt, der hat überhaupt nichts auf der Payroll des Staates zu suchen”, betont der bayerische Innenminister. Ebenso müssten solchen Personen auch die Waffenlizenzen entzogen werden. Ein Entzug sei jedoch durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerG) schwieriger geworden. “Nach diesem famosen Urteil ist ja nicht mehr ganz klar, dass dieser Reichsbürger einen Mord plant. Deswegen dürfen wir ihn

Die richtigen Fragen stellen

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rominente Fälle, wie der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, könnten zwar erfolgreich aufgeklärt werden, doch stelle sich im Anschluss die Frage, ob sich solche Fälle nicht verhindern ließen, sagt Andreas Röhrig, Präsident des hessischen Landeskriminalamts (LKA). Viele Daten und Informationen zur Auswertung und Analyse lägen entweder schon bei den Behörden oder könnten durch andere Quellen erschlossen werden. Doch diese Daten hätten häufig unterschiedliche Formate, obwohl sie aus den eigenen Beständen stammten, was ein Zusammenführen erschwere. Oder diese Daten seien “schmutzig”, also ungeordnete Daten, die aus Ermittlungen stammten. All das erschwere eine Verknüpfung und eine automatisierte Auswertung. Derzeit nutzen die Ermittler in Nordrhhein-Westfalen Daten aus 117 Quellen. Die digitalen Spuren finden sich dabei in den Chat-Protokollen von Messangern, den E-Mail-Verläufen, den Bord-Computern von Autos, den Zugangsprotokollen bei Smart Home-Anwendungen oder in den polizeieigenen Beständen. “Es war noch nie so komplex, mit den Daten umzugehen und es wird noch komplexer”, prophezeit Sebastian Pieper, Sales Director bei Cellebrite.

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Auswertung von polizeirelevanten Daten (BS/bk) Die Digitalisierung des Alltags hat massive Folgen für die polizeiliche Arbeit. Die Datenmengen bei der Polizei — vor allem auch bei den Ermittlungen — steigen stetig. Dies kann die Polizeien vor Probleme stellen. Jedoch gibt es auch ungehobene Schätze in dem Datenkonvolut der Behörden und diese können einen Mehrwert bieten. Zum Heben braucht es jedoch eine anwendungsgeleitete Strategie. Scientist werden müsse. Zwar gebe es schon IT-Lösungen wie von Alteryx, die einen Low- und No-Code-Ansatz verfolgten. Die Sachbearbeiter sollten in die Lage versetzt werden, selbst Daten für ihre Zwecke zu nutzen, erklärt Nadine Brehm, Director Enterprise Sales von Alteryx.

Data Literacy steigern

Wie muss die Dateninfrastruktur bei den Polizeien aussehen? Dazu diskutierten (v.l.n.r.): Alexander Wolf, Andreas Röhrig, Dirk Kunze, Dr. Benjamin Karer und Nadine Brehm. Foto: BS/Klawon

sich Dirk Kunze, Leiter des Landesprojekts “Datenbankübergreifende Analyse und Recherche” (DAR) beim Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-Westfalen und Leiter der Kriminalinspektion eins des Polizeipräsidiums Aachen, überzeugt. Dem kann sich Röhrig anschließen. Er sieht die Digitalisierung als einen Hausbau. In Hessen habe man schon eine gute Statik, dennoch müssten auch die weiteren Ausbauten und die Renovierungen mitgedacht werden. “Haben wir auch den Mut, zu verändern?”, fragt sich in dem Zusammenhang der hessische LKA-Präsident. Zwar gebe es immer wieder Pläne. Diese würden jedoch nur schleppend umge-

setzt werden. Am Ende müsse eine Datenstruktur stehen, die die Polizistinnen und Polizisten befähige, das Datenkonvolut zu analysieren. Geschäftsprozesse müssten dabei als Matrixorganisation gedacht werden. Selbst nach dem Aufbrechen der Silostrukturen der Behörden müssten die Daten eingesammelt werden, um sie beispielsweise den verdächtigen Personen zuzuordnen. Doch damit nicht genug, die Daten müssten aufbereitet und prozessiert werden, erklärt Jens Reumschüssel, Director of Sales DACH von Exterro. Dies bedeutet, dass zum Beispiel Sprachdateien zu Textdateien umgewandelt und Bilder auf verschiedene Elemente, wie Waffen

oder Nummernschilder, durchsucht und diese mit Schlagwörtern versehen werden müssen. Dies brauche enorme Rechenleistung, sagt Serdar Günal Rütsche. Er ist Chef Cyber Crime bei der Kantonspolizei Zürich sowie Leiter des Netzwerks Digitale Ermittlungsunterstützung Internetkriminalität (NEDIK) der Schweizer Polizei. Die Neuerungen müssten zudem auch von der Belegschaft mitgetragen werden. Man brauche Personal, das die Daten auswerten und die Analysetools nutzen könne, sagt Kunze. Dafür müsse das Personal geschult und fortgebildet werden. Dies heiße aber nicht, dass jeder Sachbearbeiter im Polizeidienst Data

Nichtdestotrotz müsse auch die Datenaffinität aller Sachbearbeiter gesteigert werden, fordert Kunze. Ebenso sieht er die heutigen Führungskräfte in der Pflicht, sich in diesem Themenbereich unbedingt weiterzubilden, da die Kompetenz im Bereich der Datenauswertung im bisherigen Karriereweg nicht ausreichend vermittelt werde. Auch Dr. Benjamin Karer, Senior Consultant bei CGI Deutschland, sieht Bedarf zur Steigerung der “Data Literacy”. “Die Polizisten müssen lernen, die richtigen Fragen zu stellen”, sagt Karer. Wenn das nicht passiere, würden auch die besten Daten nicht helfen. Er sieht zudem noch viel Potenzial bei der Datenauswertung durch Streifenpolizisten. Bisher seien die Analyse und die Auswertung von Daten hauptsächlich von den Kriminalpolizeien getrieben. Aber dank Mobile Policing ergäben sich weitere Möglichkeiten. Die Beamtinnen und Beamten könnten durch eine automati-

menarbeit auf europäischer Ebene nötig sei. “Generell gilt: Wir brauchen in vielen Bereichen noch mehr internationale Zusammenarbeit, zum Beispiel im Bereich Kinderpornografie”, sagt Herrmann. Nur über die Konsequenz, die aus dieser Feststellung erwächst, herrscht Uneinigkeit. “In der Tat bin ich nicht dafür, Europol zu einer Art europäischem FBI mit umfangreichen Befugnissen auszubauen.” Man habe in Deutschland ja schon das Bundeskriminalamt (BKA). Er sieht es skeptisch, eine weitere übergeordnete Ebene zu installieren. Europol mit Exekutivbefugnissen auszustatten, sei der falsche Weg. Sein Kollege aus Potsdam hätte damit weniger Probleme. “Da exekutive Befugnisse zu haben, da sehe ich überhaupt kein Problem”, so Stübgen. Bei der Zusammenarbeit mit dem BKA gebe es ja schon Befugnisse. Dabei verweist er auf die Rolle der Behörde bei der Entschlüsselung von Enchrochat. “Nichts von dem würden wir ohne die Beteiligung von Europol hinbekommen. Ich habe mir vorgenommen, das bei Erfolgen immer mit zu nennen, damit die Leute mitbekommen, wie wichtig Europol bei der Verfolgung grenzüberschreitender Kriminalität jetzt schon ist”, erklärt Stübgen.

sierte Abfrage von verfügbaren Datensätzen schon auf der Einsatzfahrt informiert werden und dadurch gegebenenfalls bessere Taktiken einsetzen. Eine bessere Planung auf Grundlage von Datenauswertung verspricht sich auch Alexander Wolf, Senior Berater bei der Disy Informationssysteme GmbH. Gerade viele vorhandene Daten bei den Behörden hätten einen räumlichen und zeitlichen Bezug. Daraus ließe sich eine interaktive und aktuelle Lagedarstellung kreieren. Durch die Aktualität ergebe sich eine bessere Einsatzplanung als aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). “Es gibt heutzutage so viele Möglichkeiten, wie noch nie”, sagt Röhrig. Sie müssten nur effektiv genutzt werden.

Beamte an der Front entlasten Zur Entlastung der polizeilichen IT-Labore könnte ein dezentraler Ansatz beitragen. Durch eine sogenannte “Frontline Forensics” verspricht sich Jörg Majerhofer, Area Sales Manager Germany von MSAB HQ, Abhilfe für die Spezialistinnen und Spezialisten. Die Idee dahinter ist folgende: Mit einer IT-Lösung, die bei kleinen Straftaten zum Einsatz kommt, sollen die Kolleginnen und Kollegen vor Ort etwa Mobiltelefone auslesen können und nur die Daten sichern, die gebraucht werden. “Wir müssen selektiv rangehen. Wir brauche nicht immer alle Daten “, sagt Majerhofer. Dafür brauche es vordefinierte Fälle und zielgerichtete Vorgaben, wann Frontline Forensics eingesetzt werden könne.


Europäischer Polizeikongress

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m Bereich der Bachelorarbeiten wurden Hanna Maria Knühl und Sabrina Mistler geehrt. Knühl erhielt für ihre an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung – Fachbereich Kriminalpolizei beim Bundeskriminalamt – verfasste Abhandlung zur sekundären Viktimisierung im Kontext polizeilicher Betreuungsmaßnahmen ein Preisgeld in Höhe von 1.200 Euro. Darin betonte sie, dass der Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 signifikante Defizite mit Blick auf die Opferbetreuung durch verantwortliche Einsatzkräfte offenbart habe. Es sei von sekundärer Viktimisierung der Betroffenen durch die beteiligten Behörden auszugehen, merkt sie kritisch an. Im Rahmen der Abhandlung stellte Knühl fest, dass für eine adäquate Opferhilfe das Zusammenwirken mehrerer verschiedener Akteure erforderlich sei. Polizistinnen und Polizisten könnten dabei ihren Beitrag zur Verhinderung zusätzlicher Belastungen für die Betroffenen durch eine entsprechende Vorbereitung auf künftige Einsatzlagen leisten, so Knühl. Dafür konzipierte sie allgemeingültige, praxisorientierte Handlungsempfehlungen.

“Zukunftspreis Polizeiarbeit” verliehen Sechs Abschlussarbeiten ausgezeichnet (BS/Marco Feldmann) Auch auf dem diesjährigen Europäischen Polizeikongress ist wieder der “Zukunftspreis Polizeiarbeit” vergeben worden. Es wurden insgesamt sechs Arbeiten von Absolventen des Fachhochschulbereichs Polizei sowie von Universitäten mit Preisgeldern in Höhe von 5.000 Euro prämiert. Damit wurde auch die Exzellenz der polizeilichen Ausbildung – sowohl im Bachelor- als auch im Masterbereich – gewürdigt. Handreichung zur Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer sowie ein Arbeitsblatt und ein Hilfestellungsbuch für die Kinder zur Vertiefung des gelernten Stoffes. Mistler bekam 800 Euro. Bei den Masterarbeiten ging der erste Platz (Preisgeld 1.200 Euro) an Veronika Lemke. Sie erhielt die Ehrung für ihre an der

Wurden mit dem “Zukunftspreis Polizeiarbeit" geehrt: Benjamin Böhm (2. v. l.), Anna-Sophie Schneider (3. v. l.), Hanna Maria Knühl (3. v. r.) und Veronika Lemke (r.). Ebenfalls auf dem Bild: Moderator Dieter Wehe (ganz links) und Laudator Hans-Jürgen Hohnen (2.v.r.). Zwei weitere Preisträger (Sabrina Mistler und Christoph Fothen) konnten ihre Auszeichnung nicht persönlich in Empfang nehmen. Foto: BS/Boris Trenkel

Polizeiakademie Niedersachsen verfasste Abhandlung “Eine Führungshaltung, die in die (der) Zukunft führt!? – Einladung zur Reflexion der eigenen Haltung als Führungspersönlichkeit”. Darin versucht sie die Forschungsfrage zu beantworten, inwiefern mit der Haltung der Führungspersönlichkeit den Herausforderungen in der Arbeitswelt begegnet werden kann. Denn sogenannte New Leadership-Ansätze erteilten dem Management immer öfter eine Absage.

Auf dem zweiten Platz in dieser Kategorie landete Sabrina Mistler,, die bei der Preisverleihung selbst nicht vor Ort sein konnte. Sie hatte ihre Abschlussarbeit an der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz zum Phänomen des Cyber Groomings auf Gaming-Plattformen geschrieben. Dabei erarbeitete Mistler ein Präventionsvideo für Kinder. Ziel ist es, Kindern das Phänomen des Cyber Groomings altersgerecht zu vermitteln und sie vor möglichen Gefahren bei OnlineSpielen zu schützen. Das Video soll Schulen in Rheinland-Pfalz zur Verfügung gestellt werden. Im Anhang befinden sich eine

Soft Skills immer wichtiger Zugleich würden Soft Skills, Gesundheit, Lebensqualität, Sinn- und Wertefragen sowie die Frage nach (weiteren)

Die Staatsanwältin der EU Leider nicht für alle Delikte zuständig (BS/df) Die europäische Generalstaatsanwältin Laura Codruţa Kövesi erklärte beim Europäischen Polizeikongress die Fähigkeiten und Vorgehensweise ihres European Public Prosecutor’s Office (EPPO). Die Arbeit nahm EPPO am 1. Juni 2021 auf. “Seitdem sind wir über 2.800 Anzeigen nachgegangen und haben über 500 aktive Ermittlungen eröffnet”, beschrieb Kövesi. “Rund 20 Prozent davon waren grenzübergreifend.”

Erläuterte ihre Arbeit: die europäische Generalstaatsanwältin Laura Codruţa Kövesi. Foto: BS/Boris Trenkel

polizeiliche Handlungsfelder und Herausforderungen identifiziert, welche durch klare Handlungsempfehlungen in die Praxis übertragen wurden. Als besonders wichtig wurden dabei die frühzeitige Schaffung und Intensivierung wechselseitiger Kommunikationsstrukturen sowie die Stärkung des bürgerlichen, demokratischen Protestes zur Verhinderung extremistischer Beeinflussungen ausgemacht.

Potenzial erkennen und heben

Künftige Führung im Fokus

Präventionsvideo erstellt

In die Zuständigkeit des EPPO fallen dabei grenzüberschreitender Mehrwertsteuerbetrug mit einem Gesamtschaden von mindestens zehn Millionen Euro, andere Arten von Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU, Korruption, welche die finanziellen Interessen der EU schädigt, Veruntreuung von EU-Geldern oder -Vermögenswerten durch einen öffentlichen Bediensteten, Geldwäsche und Organisierte Kriminalität (OK) sowie andere Straftaten, die untrennbar mit einer der vorgenannten Kategorien verbunden sind. Kövesi nannte drei Vorteile, die sich beim Hinzuziehen des EPPO ergäben: 1. Geschwindigkeit, 2. Zugang zu Informationen, 3. Kohärenz bei der Ermittlung. So könnten beispielsweise grenzüberschreitende Hausdurchsuchungen innerhalb von Wochen

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und nicht Monaten ermöglicht werden. Zudem hätte EPPO Zugang zu Daten von verschiedensten Strafverfolgungs- und Polizeibehörden wie etwa Europol. Und bezogen auf die Kohärenz sagte Kövesi: “Wir vereinheitlichen den Ansatz zur Betrugsbekämpfung in der EPPO-Zone.” “Unsere Hauptgegner sind organisierte kriminelle Gruppen”, sagte Kövesi. Diese Gruppen weiteten ihre Aktivitäten mit ganz klaren Geschäftsmodellen auf internationaler Ebene aus. “Ein nationaler Ansatz ist dementsprechend nicht mehr zeitgemäß”, betonte Kövesi und beschrieb, wie das Korruptionsrisiko sich im Zuge der Corona-Pandemie erhöht habe. Zum Abschluss gab die Staatsanwältin den Zuhörern des Polizeikongresses noch auf den Weg: “Im Grunde hört unsere Arbeit nie auf.”

Bedürfnissen der Beschäftigten zunehmend an Bedeutung gewinnen – auch bei der Polizei. Zugleich gelte das bestehende polizeiliche Führungsmodell KFS als überholt, so Lemke. Deshalb wird es ihr zufolge immer wichtiger, auch bei der Polizei eine Führungshaltung einzunehmen, die die Frage nach guter Führung in unsicheren Zeiten mit einem Coachingansatz beantwortet. Dieser müsse sich an den wesentlichen menschlichen Grundbedürfnissen orientieren, aber auch an die besonderen polizeilichen Rahmenbedingungen angepasst werden. Es komme

darauf an, vom Boss zum Coach zu werden und mehr im Team zu führen, findet Lemke. Auf Platz zwei der Masterarbeiten kam Benjamin Böhm. Er setzte sich mit der Rolle der Polizei im Rahmen der Suche nach einem Atommüllendlager auseinander. Dafür erhielt er 800 Euro. Dabei wurde durch die Anwendung einer Szenariotechnik in mehreren Schritten die Haltung relevanter Akteure – zum Beispiel der Landkreise, Umweltverbände und extremistischer Gruppierungen – zur Endlagersuche beleuchtet. Aus den hieraus gewonnen Einschätzungen wurden dann

Über 600 Euro Preisgeld durfte sich Anna-Sophie Schneider freuen. Sie wurde für ihre an der Steinbeis-Hochschule Berlin verfasste Masterarbeit “Wissenschaftliche Untersuchung humaner Exkremente zur Generierung einer effizienten Spurensicherungsmethode sowie Spurenauswertung” geehrt. Darin bemängelt sie, dass der Kotspur wegen ihrer Seltenheit und ihrer Schwierigkeit bei der mikrobiologischen Untersuchung aufgrund der enthaltenen Darmbakterien im Rahmen kriminalistischer Untersuchungsprozesse noch immer eine geringe Bedeutung als Sachbeweis zugesprochen werde. Das sei nicht gerechtfertigt und führe zu Wissensdefiziten und Handlungsunsicherheiten. 400 Euro Preisgeld erhielt schließlich Christoph Fothen. Er hat seine Masterarbeit an der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) verfasst. Sie beschäftigt sich mit der polizeilichen Verkehrsunfallaufnahme im Zeitalter teilautomatisierten Fahrens an der Nahtstelle zur Arbeit Unfallsachverständiger. Darin entwickelt er konkrete, aus den Forschungsergebnissen abgeleitete Handlungsnotwendigkeiten für eine zukunftsorientierte, qualitativ hochwertige polizeiliche Verkehrsunfallaufnahme. Fothen konnte seinen Preis leider ebenfalls nicht persönlich vor Ort in Empfang nehmen.

Vorabendempfang in neuer Location (BS/mfe) Der traditionelle Vorabendempfang zum Europäischen Polizeikongress des Behörden Spiegel hat in diesem Jahr in einer neuen Location stattgefunden. Nachdem das Event jahrelang in der rumänischen Botschaft abgehalten wurde, trafen sich die Referentinnen und Referenten sowie die Ehrengäste nun in der Botschaft der Republik Österreich in Berlin. Zu Gast war unter anderem der Innenminister der Alpenrepublik, Magister Gerhard Karner. Er begrüßte die Gäste und wünschte neben einem gelungenen Kongress für diesen Abend vor allem einen guten Austausch. Denn: “Der persönliche Kontakt ist durch nichts zu ersetzen.” Auch der Hausherr, Österreichs Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, Seine Exzellenz Dr. Peter Huber, freute sich nach zwei Jahren CoronaPandemie wieder über das persönliche Aufeinandertreffen. Er machte deutlich, dass Austausch und Miteinander sehr wichtig seien.

Österreichs Innenminister, Magister Gerhard Karner, unterstrich die Bedeutsamkeit persönlicher Kontakte.

Der österreichische Botschafter in Deutschland, Dr. Peter Huber, begrüßte die Gäste des Vorabendempfangs zum 25. Europäischen Polizeikongress des Behörden Spiegel. Fotos: BS/Hilbricht


Europäischer Polizeikongress

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iele Straftaten spielen sich digital ab. Zudem ist ein großer Teil der Ermittlungsarbeit eine Suche in Facebook-Profilen, Bildern, Videos, Audio-Dateien und Chatprotokollen. Deshalb ist das wohl größte Problem der Digitalisierung die schiere Menge an Daten, mit denen die Behörden klarkommen müssen. “Wie sollen wir uns ohne Künstliche Intelligenz einen Reim auf diese Datenmenge machen?”, fragte Irakli Beridze. Der Leiter des Zentrums für Künstliche Intelligenz und Robotik beim Interregionalen Forschungsinstitut der Vereinten Nationen für Kriminalität und Rechtspflege (UNICRI) spricht damit eine Kerntechnologie moderner Polizeiarbeit an. Er ist überzeugt, dass der Einsatz nötig, aber auch ethisch vertretbar sei. Für das Jahresende kündigte er gleich ein Handbuch an, wie man KI auf eine Weise nutzen könne, die mit den Menschenrechten vereinbar sei.

KI zum Zwecke der Gesichtserkennung Lea Wedekind von Europol stimmte Beridze zu: “Moderne Technologie und KI sind eine Voraussetzung für moderne Polizeiarbeit. Wir sehen KI aber nicht als Allheilmittel, sondern als ein Hilfsmittel, ohne das wir bei Big Data aufgeschmissen wären.” “Ein Abgleich von Bildern ist Standard. Ohne würden wir der Arbeit gar nicht Herr werden”, erklärte Wedekind. Die Polizei nutze KI, um zum Beispiel Personen auf Fahndungsfotos zu identifizieren. Wenn der Algorithmus zum Beispiel Gemeinsamkeiten mit einem Facebook-Profilfoto entdecke, könne die Polizei so den Namen einer gesuchten Person herausfinden. Dennoch dürfe die Polizei auch dieses Werkzeug nicht in jedem Kontext einsetzen, schränkte sie ein. Zum Beispiel werde es

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Daten- oder Täterschutz? Der Rechtsstaat und die digitale Transformation der Polizei

unterschiedliche User Interfaces haben, solange es Schnittstellen gibt und die Daten insgesamt gleich sind.”

Rechtsstaat oder schon Täterschutz? (BS/Benjamin Hilbricht) Einmal angenommen, die Sicherheitsbehörden hätten Geld wie Heu und unbeschränkte Befugnisse. Welche Geräte und

Programme würde sie einkaufen, welche Technologien würde sie nutzen? Vermutlich wären die Polizeien nicht wiederzuerkennen. Schon jetzt ist Trotzdem frustrieren all diese technisch weit mehr möglich, als die Behörden einsetzen dürfen. Künstliche Intelligenz (KI), Vorratsdatenspeicherung, Fingerabdruck-Scan per Einschränkungen viele in den Smartphone und Live-Gesichtserkennung sind nur einige Beispiele. Das meiste davon ist jedoch rechtlich und ethisch umstritten. Sicherheitsbehörden. Wann

Expertinnen und Experten diskutieren auf dem 25. Europäischen Polizeikongress darüber, welche digitalen Mittel die Polizei künftig einsetzen soll: Lea Wedekind (Europol), Thomas Striethörster (Moderator), Irakli Beridze (UNICRI) und Guido Brockmann (eu-LISA) (v.l.n.r.). Fotos: BS/Trenkel

eine Live-Gesichtserkennung in der EU nicht geben. Technisch gesehen wäre es möglich, die Gesichter von Bürgerinnen und Bürgern mit einer Datenbank abzugleichen, während sie sich im öffentlichen Raum bewegten. Voraussetzung sei erstens, dass sie dabei gefilmt würden. Zweitens müsse die Polizei KI mit den Daten füttern. Diese Maschine gleiche dann riesige Datenmengen miteinander ab und identifiziere die gefilmten Personen. Doch für Live-Gesichtserkennung fehle die rechtliche Grundlage, sagte Wedekind. Außerdem gilt das Verfahren als nicht ethisch. “Da kommen Erinnerungen an einen gewissen Roman von Orwell auf”, kommentiert Guido

Brockmann, Leiter Product Management bei der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (eu-LISA). Im Roman “1984” von George Orwell überwacht der Staat seine Bürger überall mit Kameras und Mikrofonen.

Biometrische Datenbanken für Europol Allerdings entwickelt und implementiert eu-LISA die IT-Systeme für EU-Sicherheitsbehörden wie Europol und Frontex. Zu diesen Systemen zählen unter anderem das “Shared Biometric Matching System”. Darin werden die biometrischen Daten von Menschen

“Der Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er die Organe, die das Recht durchsetzen, auch selbst an das Recht bindet”, sagte Manuel Höferlin (FDP).

gespeichert, die aus Drittstaaten in die EU einreisen. Mittels solcher Datenbanken wollen die europäischen Sicherheitsbehörden Kriminelle identifizieren, die keine EU-Bürger sind. Auch solche Datenbanken wecken bei Gegnern die Erinnerung an Orwell. Aber das sind europäische Projekte. Daneben stehen auch typisch deutsche Probleme. Es gibt 16 Polizeien, eine Bundespolizei und so weiter und so fort. Gerade im Bereich IT-Sicherheit fordern Expertinnen und Experten schon seit Jahren eine stärkere Zen­ tralisierung. Doch dem steht der deutsche Föderalismus entgegen. Der ist in der Verfassung verankert, denn die Sicherheitskompetenz wollten die Autoren des

Grundgesetzes nach den Erfahrungen des Dritten Reichs nicht mehr beim Zentralstaat bündeln. “Aus IT-ProjektmanagementSicht ist das eine große Herausforderung”, gibt Manuel Höferlin, Innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, zu. “Aber es ist auch lösbar – wenn alle mitmachen wollen.” Es gebe verschiedene Wege zum Ziel. Vielleicht könnten alle Polizeien unterschiedliche Versionen derselben Systeme benutzen. Höferlin erklärte: Wenn die Polizeien nicht dasselbe System nutzen wollten, dann müssten sie zumindest dafür sorgen, dass sie Daten austauschen könnten. “Dann spielt es am Ende keine Rolle, ob die Landesbehörden

immer die Sprache auf rechtliche Beschränkungen bei der polizeilichen Nutzung gewisser Technologien kam, grummelte es irgendwo im Saal beim Europäischen Polizeikongress. Die Frage steht im Raum: Ist das noch Rechtsstaat und Datensicherheit oder schon Täterschutz? “Ich denke, dass der Weg der EU, bei dem der Mensch im Zentrum steht, der richtige Weg ist”, antwortete Beridze. Yves Rolland, Programm-Berater für Polizeiangelegenheiten beim Direktorat für allgemeine Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit beim Europäischen Rat, stimmte ihm zu. Doch bei manchen EU-Staaten sei die Lage besser als bei anderen. “Wir sind nicht alle auf demselben Level, soweit es Polizeiarbeit betrifft.” Denn in einigen EUStaaten würden Menschenrechte und Datenschutz längst nicht so genau genommen wie in Deutschland oder Frankreich. Ein Punkt, den Rolland sehr kritisch sieht.

Können und dürfen Natürlich verbieten weder die EU noch der deutsche Staat den Sicherheitsorganen alle Tools, die sie haben wollen. Aber manchmal darf die Polizei Mittel nicht einsetzen, die technisch durchaus im Bereich des Möglichen lägen. Können und dürfen fallen dabei auseinander. Das habe einen guten Grund, erklärt Höferlin: “Der Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er die Organe, die das Recht durchsetzen, auch selbst an das Recht bindet”, unterstreicht der FDP-Politiker aus dem Deutschen Bundestag.

Aktualität fehlt

Smart ohne Papier

Polizeiliche Kriminalstatistik bald in Echtzeit?

Human Error wird vermieden

(BS/bhi) “Für die heutige Situation ist das polizeiliche Lagebild zur Kriminalität nicht mehr aktuell genug”, kritisiert Udo Littke, CEO bei Atos Deutschland. Verbrechen sei schnell geworden, insbesondere im CyberRaum ändere sich die Lage minütlich. Statt einer Statistik einmal im Jahr schlägt er ein Echtzeitlagebild vor, bei dem Realdaten eingebunden werden.

(BS/sp) Geschäftsabschlüsse digital durchzuführen, hat einige Vorteile. So könne eine Automatisierung der Prozesse vorgenommen werden und es sei keine Papier- oder Formulararbeit notwendig, erklärt Mario Hempel, Director Sales Development Public Sector von Bechtle, auf dem Europäischen Polizeikongress. Auch andere “smarte” Ansätze wurden diskutiert.

Jürgen Schomakers, Managing Partner bei Esri, spricht von der “Wissenschaft des Wo”. Alles spiele sich irgendwo ab: sogar Cyber-Verbrechen. Die Polizei könne Karten mit Informationen zur Verbrechensbekämpfung kombinieren. Beispielsweise habe seine Firma Corona-Infektionen auf einer Deutschland-Karte visualisiert. Diese seien täglich mit den Meldungen des Robert Koch-Instituts (RKI) aktualisiert worden. So sei ein Echtzeit-Lagebild entstanden. Littke macht folgenden Vorschlag: Eine Karte, auf der sowohl die Verbrechen gemeldet würden als auch Live-Bilder von Überwachungskameras vor Ort per Mausklick verfügbar seien. Daneben gebe es noch andere Arten von Daten, die für die Verbrechensverfolgung interessant seien. Die Polizei könne Geodaten, Drohnenflugbilder, Videos von Überwachungskameras und Daten von IT-Sensoren alle in eine Applikation einbinden. Zudem

Die Rede ist von Smart Contracts. Sie seien eine kostengünstige Option zum Abschluss von Geschäftsprozessen, bei denen kein Zwischenhändler nötig sei und die auch kostengünstiger durchgeführt werden könnten. Üblicherweise würden sie verwendet, um die rechtsgültige Abwicklung eines Vertrages zu automatisieren. Dabei entfielen die Papier- und Formulararbeit. Eine Anwendungsoption sei beispielsweise die Zulassung von Kraftfahrzeugen, so Hempel. Oft seien Smart Contracts so ausgelegt, dass sie automatisch in Kraft träten, etwa wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien. Dabei sei keine menschliche Unterstützung notwendig – womit damit auch eine häufige Fehlerquelle vermieden werde, erklärte der Firmenvertreter von Bechtle. Andere Digitalansätze sah der IT-Experte zwiegespalten. Hempel kritisierte den Ansatz der selbstbestimmten Identität (Selfsovereign Identity) wie den des

Jürgen Schomakers (l.), Managing Partner bei Esri, und Udo Littke (r.), CEO bei Atos Deutschland, forderten noch mehr Digitalisierung. Foto: BS/Trenkel

seien öffentlich zugängliche Informationen wie Flug-, Verkehrsund Wetterdaten interessant für die Verbrechensbekämpfung. Wenn die Beamten all das in einer

Karten-Applikation bündelten, entstehe ein wirklich umfassendes Lagebild der Kriminalität, betonte der Wirtschaftsvertreter Udo Littke.

Mario Hempel, Director Sales Development Public Sector von Bechtle, erklärt die Vorteile der Smart Contracts. Foto: BS/Trenkel

Online-Ausweises des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI). Er sei zwar im Ansatz richtig, käme jedoch zu spät, um staatliche Souveränität sicherzustellen. Ferner fehle

“Design by Security”, also dass darauf geachtet werde, bei der Entwicklung der Software die ITSicherheit vollends mitzudenken, bemängelte Hempel. Es bleibt also noch einiges zu tun.


Europäischer Polizeikongress

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atrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, erklärte, die Mehrheit der Bevölkerung befürworte nach wie vor das demokratische Regierungssystem Deutschlands, insofern könne von einer direkten Spaltung nicht die Rede sein. Man muss ihrer Meinung nach aber “diejenigen, die die Demokratie in Frage stellen, genau beobachten und Gesetzesverstöße ahnden”. Die Gelsenkirchener Polizeipräsidentin und kommende Düsseldorfer Beigeordnete, Britta Zur, stimmte dem zu und appellierte: “Wir als Polizei müssen offen und ansprechbar sein und so den Extremisten den Nährboden nehmen.” Denn die Unsicherheit der Bevölkerung sei in den letzten Jahren vor allem für die Polizei spürbar geworden, die auf der Straße den Staat und die Entscheidungen der Regierung repräsentieren müsse.

Behörden Spiegel / Juni 2022

Spaltung der Gesellschaft? Soziale Medien beeinflussen Polizeiarbeit (BS/mj) Reagieren wir zu aufgeregt auf die vermeintliche Spaltung der Gesellschaft? Darüber herrschten auf dem Europäischen Polizeikongress unterschiedliche Meinungen. Bezüglich des Einflusses der Sozialen Medien war man sich hingegen (fast) einig.

Gefahr durch Globalisierung “Doch, wir sind gespalten und verunsichert”, meinte hingegen Ahmad Mansour, Psychologe, Autor sowie Geschäftsführer der Mansour-Initiative für Demokratieförderung und Extremismus-Prävention (MIND). Einen Grund hierfür sieht er in der Globalisierung und dem damit einhergehenden schnellen Austausch von Informationen. “Wir alle konsumieren von morgens bis abends Nachrichten. Das hat uns aber nicht klüger gemacht,

Diskutierten über eine mögliche gesellschaftliche Spaltung (v.l.n.r.): Britta Zur, Ahmad Mansour, Dr. Eva-Charlotte Proll (Moderation), Katrin Göring-Eckardt und Dr. Nikolai Horn. Foto: BS/Trenkel

sondern verunsicherter.” Beispielsweise komme ein Konflikt in Gaza keine 24 Stunden später in Berlin an und entfalte dort seine Konsequenzen. In seinen Augen regen wir uns so sehr auf, dass der gesellschaftliche Diskurs immer enger und enger werde. “Demokratie bedeutet aber, miteinander in Streit zu gehen und

das auszuhalten.” Problematisch sind laut Dr. Nikolai Horn, Digitalisierungsexperte beim Think Tank iRights.Lab, Philosoph und ehrenamtlicher Leiter der AG Ethik der Initiative D21, auch die zunehmende Emotionalisierung der Debatte und der Wunsch vieler Menschen, die Welt einfach erklärt zu bekommen – beides

bediene der Extremismus. Und die Sozialen Medien unterstützten diese Entwicklung, indem sie mit ihren Algorithmen dafür sorgten, dass “die Menschen sich nicht mehr aus ihrer Bubble bewegen”, ergänzte Mansour. Er plädierte dafür, dass Politiker sich einmischen und Jugendliche über die Gefahren einseitiger

Information aufgeklärt werden müssten. Soziale Medien hätten jedoch auch wunderbare Funktionen, argumentierte Horn. Sie könnten vernetzen und Kommunikation herstellen beziehungsweise vereinfachen, beispielsweise für Journalisten in Krisengebieten. Seiner Meinung nach haben Soziale Medien eine

Kanalisierungsfunktion, welche hervorbringe, “was sich eh schon in den Menschen befindet”, z. B. Selbstdarstellung, Gewalt, aber auch Argumente und Gemeinschaftssinn – sie seien ein Brennglas der Gesellschaft. Göring-Eckardt kritisierte in diesem Zusammenhang die Geschwindigkeit, mit der in Sozialen Medien Themen behandelt würden. Es werde erwartet, innerhalb von zwei bis drei Minuten auf Schlagzeilen zu reagieren, sodass keine Zeit bleibe, Hintergründe und Fakten zu überprüfen. “Man muss sich selbst extrem kon­ trollieren, die eigenen Aussagen ständig überprüfen und ist dadurch oft zu spät im Diskurs”, erklärte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Für Vollzugsbeamtinnen und -beamten stelle dies noch eine ganz eigene Gefahrenquelle dar, erläuterte Zur. “Jeder Einsatz kann zu jeder Zeit gefilmt werden”, führte sie aus, “wovon meistens nur ein paar Sekunden online gestellt werden, sodass die dargestellten Situationen völlig aus dem Zusammenhang gerissen werden.” Für Außenstehende würde so die Arbeit der Polizei oft völlig falsch dargestellt. Es sei daher wichtig, proaktive Aufklärungsarbeit zu leisten, folgerte die Polizeipräsidentin. Und Göring-Eckardt ergänzte: “Für mich als Bürgerin ist es super, dass Polizei auf Social Media ist und ich da direkt und mit einem Augenzwinkern Informationen bekomme.”

Die Maschinen ermitteln mit

Innovation auf Anfrage

Mit Chatbots und AR-Brillen gegen das Verbrechen

Sichere Ausrüstung in Kooperation mit der Industrie

(BS/Benjamin Hilbricht) Wenn man sich die Polizei der Zukunft vorstellt, denkt man an Cyborgs in Kampfanzügen, die in düsteren, verregneten Betonwüsten Verbrecher verhaften, noch bevor sie ihre Straftat begangen haben. Doch die Zukunft, wie sie jetzt schon in den Forschungsstätten der europäischen Polizeien entsteht, ist subtiler. Polizeikräfte tragen Brillen, die ihnen Handlungsanweisungen geben, und Roboter vernehmen Missbrauchsopfer. Rechtlich stehen die neuen Technologien jedoch noch auf wackeligen Füßen.

(BS/tkl) Es ist ein schizophrenes Bild: Die europäischen Polizeien haben diverse Probleme und Anliegen, die mit der entsprechenden Ausrüstung gelöst werden könnten. Und die Industrie hat viele Lösungen beziehungsweise die entsprechenden Ansätze. Trotzdem gibt es diverse Projekte, die scheinbar nicht vorankommen. Woran liegt das?

Der klassische Ablauf eines Streifeneinsatzes braucht Zeit. Der Polizist muss eine Situation beobachten, sich orientieren, eine Entscheidung treffen und dann handeln. In der Regel gebe es zu viele Informationen, sagt Iván Martínez von der Lokalpolizei Valencia. Deswegen dauere es, bis eine Polizeikraft eingreifen könne. Wenn eine Polizistin zum Beispiel einen Mann sieht, der geschlagen wird, muss sie handeln. Doch welcher Teil der Szene ist relevant für sie? Wird die Frau, die daneben steht und schreit, sich einmischen? Steckt in den ausgebeulten Taschen des Geschlagenen ein Messer?

Brille gibt Anweisungen an Einsatzkräfte Das Problem der Informationsflut will die Lokalpolizei Valencia lösen, indem sie Polizeikräfte mit sogenannten Augmented-RealityBrillen (AR-Brillen) ausstattet. “Augmented Reality” bedeutet, dass reale Bilder mit computergenerierten Inhalten ergänzt werden. Beispielsweise legen Apps wie Snapchat Hundeschnauzen und andere Simulationen über die Kamerabilder der Userinnen und User. Nach dem gleichen Prinzip sollen die AR-Brillen die Trägerin oder den Träger mit Echtzeitinformationen über das, was sie sehen, versorgen. Damit sollen Polizisten schneller Entscheidungen treffen und handeln können. Zum Beispiel könne die

Nada Milisavljevic, Team Leader beim Cluster B.4 Innovation & Security Research der EU-Kommission, stellt das Forschungsprojekt zu Chatbots vor. Diese automatisierten Programme könnten bei der Befragung von Opfern häuslicher Gewalt helfen. Foto: BS/Trenkel

Brille zeigen, wie ein Beamter einer verletzten Person Erste Hilfe leisten muss. Oder bei einer terroristischen Gefahrenlage könnte sie den Beamten darauf hinweisen, wo die Waffen sind. Sogar bei der Entschärfung von Sprengsätzen könnte die Brille Anweisungen einspielen. Das Gerät sortiert die Informationsflut und gibt dem Polizisten damit einen Fokus. Dabei gibt es eine Kraft vor Ort und einen Planer im Hintergrund. Während der Planer im Hintergrund die Situation analysiert, folgt die Einsatzkraft dann nur noch nach bestem Wissen den Anweisungen. Das Projekt nennt

sich DARLEnE, kurz für Deep AR Law Enforcement Ecosystem. Universitäten überall in der Europäischen Union (EU) nehmen teil, auch ein Standort in Bayern. Die EU finanziert.

Chatbots gegen das Totschweigen Doch auch die eigenen Forschungszentren der EU forschen an der technischen Zukunft der Polizeiarbeit. Das Cluster B.4 Innovation & Security Research der EU-Kommission untersucht zum Beispiel den Einsatz von Chatbots bei der Befragung von Opfern häuslicher Gewalt. “Leute sprechen offener über häusliche

Gewalt, wenn sie mit Chatbots reden. Sie fühlen sich nicht beurteilt”, erklärt Nada Milisavljevic, Team Leader beim Cluster B.4. Übergriffe und Gewalt gegen Partnerinnen und Partner hätten in der Corona-Krise deutlich zugenommen. Dieses Feld hat seit jeher eine hohe Dunkelziffer. Denn oft tun die Opfer sich schwer, über ihre Beziehungen und ihre gewalttätigen Partner zu reden. Insbesondere ist die polizeiliche Befragung eine belastende ­Situation für Betroffene. Chatbots könnten hier helfen, indem sie die Befragungen von Opfern übernehmen. Natürlich ist das noch Zukunftsmusik und weder juristisch noch durch Forschung abgestützt.

Rechtlich durchaus bedenklich Während die Forscher gerade an Studien über die Wirksamkeit arbeiten, ist der Einsatz von Chatbots bei der Vernehmung noch rechtliches Neuland. Gilt eine Aussage, die ein Chatbot aufgenommen hat vor Gericht? Der Gesetzgeber wird das klären müssen. Klar hingegen ist, dass nicht alle Funktionen der AR-Brille eingesetzt werden dürfen. Denn theoretisch könnte sie auch Personen identifizieren. Aber europäisches Datenschutzrecht verbietet das. Und auch die deutschen Datenschutzbehörden würden hier sehr genau hinschauen.

Wenn es nach Gerhard Schaub, Präsident des PolizeibeamtenVerbands Kommunalpolizeien (PBV KomPol) Zürich, geht, dann ist das vor allem ein Problem der frühzeitigen Kommunikation. Denn wenn die Polizeien schon sehr früh mit ihren Wünschen an die Unternehmen heranträten, dann könnten die Unternehmen bestehende Produkte entsprechend anpassen, oder speziell für den jeweiligen Bedarf entwickeln. Am Ende eines solchen Prozesses stünde dann zwar nicht immer die viel beschworene Goldrandlösung, aber für die Praxis würde es ja in der Regel schon ausreichen, wenn man mit der Lösung “leben kann”, so Andreas Backhoff, Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder. Besonders bei Problemen, die generell nicht nur Polizeien, sondern auch andere Sektoren beträfen, böten sich hier Gelegenheiten, auf bestehende Technologien aufzuspringen. ESG habe unter anderem aus diesem Grund angefangen, aus Innovationsprojekten vermehrt auch Produkte zu entwickeln, die auf dem militärischen und zivilen Markt angeboten werden könnten. Das berichtete Peter Pretscher, Product Manager Aviation Equipment bei ESG.

Den Markt erkunden Gerhard Schaub empfiehlt, erfahrene Kolleginnen und Kollegen auf Messen und Tagungen zu

schicken, um dort zu erkunden, was der Markt an neuen Ansätzen und Produkten zu bieten habe. So blieben die Polizeien immer auf dem neuesten Stand und könnten mit Problemen auch gezielt auf die Industrie zugehen, sodass Hersteller und innovative Firmen ihr Angebot entsprechend auf die Bedarfe ausrichten könnten. Das wäre auch im Rahmen des Vergaberechts möglich und habe vor einigen Jahren im Falle einer Schutzweste sehr gut funktioniert. Diese sei in der gewünschten Beschaffenheit mittlerweile von mehreren Anbietern verfügbar. Die angebotenen Lösungen würden außerdem zunehmend flexibler. Eines aber gelte es bei der Beschaffung sicherer Ausrüstung zu bedenken, so Schaub: “Wichtig ist, dass wir gutes Material bekommen. Und das kostet halt. Das müssen wir uns immer vor Augen halten.” Hier dürfe nicht am falschen Ende gespart werden, betont auch Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG): “Die Ausrüstung der Polizei muss immer ein bisschen robuster sein als die der Gegenseite. Und so sicher, wie für die Polizeibeamtinnen und -beamten notwendig.“ Er gibt jedoch auch zu bedenken, dass nicht alles, was technisch möglich sei, auch rechtlich erlaubt sei. “Das ist auch gut so. Das ist der Rechtsstaat”, so Wendt.


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / Juni 2022

B

ehörden Spiegel: Sie sind der neue Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns. Was steht auf Ihrer Agenda ganz oben?

Ausbilden und Digitalisieren

Medienkompetenz der Bürger stärken. Behörden Spiegel: Was muss bei der Digitalisierung der Polizei getan werden?

Innenminister Pegel will Landespolizei M-V in die Zukunft führen

Christian Pegel: Ganz besonders wichtig ist für uns momentan das Gewinnen von ausreichend Personal für die Bereiche Polizei sowie Brand- und Katas­ trophenschutz. Das treibt uns derzeit massiv um. Eigentlich wollen wir hier rund 6.200 Polizeistellen besetzen. Momentan sind davon nur etwa 5.900 besetzt. Wir müssen massiv ausbilden, um die erheblichen pensionierungsbedingten Abgänge in Mecklenburg-Vorpommern zu kompensieren und zusätzlich unsere Gesamtstärke aufzubauen. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass möglichst viele ihre Ausbildung in diesem Bereich auch tatsächlich abschließen.

Pegel: Gott sei Dank handelt es sich bei diesen Personen nur um einen ganz kleinen Teil der Beschäftigten. Aber auch hier gilt: Jeder von ihnen ist ein Fall zu viel, da so Ängste bei den Bürgerinnen und Bürgern ausgelöst werden und das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden erschüttert wird. Leider sind wir in Mecklenburg-Vorpommern in dem Bericht auf den vordersten Rängen, wenn man die Zahl der Fälle prozentual an der Gesamtzahl der Beschäftigten misst.

Behörden Spiegel: Was ist Ihnen noch wichtig?

Behörden Spiegel: Was wollen Sie dagegen tun?

Pegel: Ich bin davon überzeugt, dass wir die Polizei sowie die Beamtinnen und Beamten auf der Straße durch die Digitalisierung massiv entlasten und länger im Dienst halten können. Außerdem müssen sie dann während ihrer Schichten deutlich seltener auf die Dienststelle zurückkehren, um Schreibarbeiten zu erledigen. Eine gute Digitalisierung bei der Polizei fördert das Interesse an diesem Beruf bei jungen Leuten. Davon bin ich überzeugt. Zugleich hat uns der Landtag aufgegeben, mögliches Fehlverhalten einzelner Polizeibereiche in der Vergangenheit transparent aufzuklären. Dafür gibt es nun einen Untersuchungsausschuss im Schweriner Landtag.

Pegel: Dabei handelt es sich um extrem ehrliche Zahlen, da wir unsere Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren bereits gründlich untersucht haben. Wir haben eine Vielzahl von Disziplinarverfahren eingeleitet und erleben eine sehr kon­struktiv agierende Verwaltungsgerichtsbarkeit, die unser Vorgehen oftmals stützt. Wir haben auch bereits Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund ihrer nachgewiesen extremistischen Einstellung aus dem Dienst entfernt. Hier müssen Bund und Länder aber noch mal nach besseren Lösungen bei rechtlichen Möglichkeiten suchen und über die tradierten Grundsätze des Berufsbeamtentums sowie das Disziplinarrecht sprechen. Es ist sehr schwer zu ertragen, dass Menschen ganz eindeutig rechtsextremistisch verwurzelt und eingestellt sind, aber dennoch nicht aus dem Dienst

Behörden Spiegel: Jüngst wurden Zahlen zu möglichen Extremisten in den Sicherheitsbehörden bekannt. Wie ist die Lage in Mecklenburg-Vorpommern?

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(BS) Er ist erst seit einigen Monaten im Amt, hat aber bereits eine große Agenda: Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel äußert sich der Sozialdemokrat unter anderem zu Herausforderungen in den Bereichen Ausbildung und Digi- Pegel: Die Digitalisierung der talisierung. Die Fragen stellten Uwe Proll und Marco Feldmann. Polizeien erfolgt in enger Ab-

Christian Pegel (SPD) ist seit November 2021 Minister für Inneres, Bau und Digitalisierung des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Zuvor war er dort Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung. Pegel gehört seit Oktober 2016 dem Schweriner Landtag an. Screenshot: BS/Hilbricht

entfernt werden können. Es ist den Bürgern nicht zu erklären, dass Verfassungsfeinde innerhalb staatlicher Organe weiter aktiv sein dürfen. Hier braucht es noch mehr Konsequenz. Behörden Spiegel: Braucht es weitere Strafverschärfungen im Kampf gegen Angriffe auf Polizisten? Die letzten Verschärfungen haben offenbar nichts gebracht. Pegel: Es stimmt, dass die Strafverschärfungen alleine nicht die Lösung bringen. Dennoch glaube ich, dass wir immer wieder schauen müssen, ob es an einzelnen Stellen im Strafgesetzbuch Nachbesserungen und Nachschärfungen braucht. Das allein reicht jedoch nicht aus. Der Kampf gegen Gewalt gegen Angehörige des Öffentlichen Dienstes ist eine gesamt-

gesellschaftliche Aufgabe, die die Politik alleine nicht bewältigen kann. Es kommt auch darauf an, das Gewaltmonopol des Staates klar anzuerkennen und Gewalt gegen Polizisten zu stigmatisieren und Täterinnen und Täter zu isolieren. Hier braucht es ein klares Bekenntnis der Gesellschaft. Das Strafrecht alleine reicht nicht aus. Behörden Spiegel: Wie erklären Sie sich die Radikalisierung auf Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen? Pegel: Dort gibt es eine kleine radikale Gruppe, die leider größer geworden ist. Das Gefühl, staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie vermeintlich hilflos ausgeliefert zu sein, hat manche offenbar in die Radikalisierung getrieben.

“Ich bin davon überzeugt, dass wir die Polizei sowie die Beamtinnen und Beamten auf der Straße durch die Digitalisierung massiv entlasten und länger im Dienst halten können.”

stimmung zwischen Bund und Ländern. In diesem bundesweit abgestimmten Korridor werden wir uns weiterbewegen. In Mecklenburg-Vorpommern möchte ich die verschiedenen Digitalisierungsprojekte, die derzeit bei der Landespolizei stattfinden, an einer Stelle bündeln. Das soll eine Art IT-Dienstleister für die Polizei werden. Außerdem dürfen wir bei der Digitalisierung der Polizei die Kriminalpolizei nicht vergessen. Künftig soll kein Polizist mehr zwingend den Notizblock benötigen. Das zu schaffen ist aber eine jahrelange Aufgabe. Behörden Spiegel: Werden Sie die Polizei robuster ausstatten?

Momentan ist die Mobilisierung allerdings wieder deutlich geringer. Es gibt jedoch weiterhin eine Gruppe, die sich offenbar politisch nicht mehr mitgenommen fühlt und davon überzeugt ist, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Das erschwert Diskussionen massiv. Dennoch werden Politik und Gesellschaft die Aufgabe haben, immer wieder auf diese Gruppe zuzugehen. Behörden Spiegel: Welche Maßnahmen braucht es noch? Pegel: Wir müssen noch mal schauen, ob das Strafrecht gegen Hass und Hetze im Netz verschärft werden kann. Dort gibt es oftmals gar keine Hemmungen mehr. Das ist aus meiner Sicht nicht hinnehmbar. Es braucht auch mehr polizeilichen Druck. Zudem müssen wir die

Pegel: Innerhalb der derzeitigen Regierungskoalition in Mecklenburg-Vorpommern ist unstrittig, dass wir Distanzelektroimpulsgeräte erst einmal nicht näher in den Blick nehmen. Wir werden Funkstreifenwagenbesatzungen damit zunächst nicht ausstatten. Denn diese Kräfte sind, was ihre Ausstattung, die sie an sich tragen, betrifft, durchaus bereits an der Grenze des Möglichen angekommen. Da geht vom Gewicht her, das sie am Körper tragen, kaum noch mehr. Wir haben uns vielmehr auf Körperkameras konzentriert, die wir nun flächendeckend ausrollen wollen. Wir wollen damit deeskalierend wirken. Und das scheint zu funktionieren. Das komplette Videointerview findet sich in der Mediathek von "Digitaler Staat Online" (www.digitaler-staat.online/mediathek/): Suchbegriff: Pegel.

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Katastrophenschutz

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Es ist viel zu tun

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on einer "Hochwasserdemenz" kann man angesichts der Beiträge zur Flutkatastrophe 2021 auf der Tagung nicht sprechen. Dieses Ereignis ist immer noch Dreh- und Angelpunkt für die Überlegungen und Analysen zum Hilfeleistungssystem. Selbst in von der Flut nicht betroffenen Kommunen zeigen die Erfahrungen und Bilder Wirkung. "Das Thema Bevölkerungsschutz wurde in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Deswegen ist eine Analyse der kürzlichen Krisen wichtig”, sagt der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU). Im Kleinen habe sich auch in seiner Stadt schon etwas im Nachgang der Katastrophe getan. Zum einen treibe die Stadt, wie überall auch im Rest von Deutschland, die Modernisierung der Sireneninfrastruktur voran. Eine viel wichtigere Weiche sei in der Kompetenzverteilung gestellt. Man habe jetzt die Reglungen geändert, sodass auch der Direktor der Feuerwehr den Katastrophenfall ausrufen könne, wenn der Oberbürgermeister oder seine Stellvertreter nicht greifbar seien. Dies sei eine wichtige Lehre gewesen, um auch im Fall der Fälle handlungsfähig zu bleiben. Neben dem politischen müsse auch der finanzielle Rahmen geschaffen werden. Dies stelle aber Kommunen vor Schwierigkeiten, berichtet Schuchardt. “Geld kann nur einmal ausgegeben werden”, so der Oberbürgermeister. Als Entscheidungsträger müsse man immer den Ausgleich zwischen Katastrophenschutz und anderen kommunalen Aufgaben finden.

An vielen Stellschrauben drehen

Lehren und Forderungen auf der vfdb-Tagung (BS/Bennet Klawon) An der Stärkung des Zivil- und Katastrophenschutzes müsse angesichts der vergangenen und kommenden Katastrophen und Krisen weitergearbeitet werden, zeigt sich Dirk Aschenbrenner, Präsident der Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes (vfdb), auf der diesjährigen Jahrestagung überzeugt. Auch weitere Expertinnen und Experten sehen Handlungsbedarf. Im Fokus stehen die Überarbeitung der Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 (FwDV 100) oder das Krisenmanagement der Länder. Auch das geplante Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz von Bund und Ländern (GeKoB) trifft bei den Experten auf Vorbehalte. Ausstattung – bei allen Themen gebe es Verbesserungsbedarf. Gerade die Führungssysteme müssten überarbeitet werden. Zwar hätte die Führung auf Ebene unterhalb der Verbände, also bis zur Zugebene, gut funktioniert, doch darüber habe es erhebliche Schwierigkeiten gegeben. Besonders hinderlich für eine erfolgreiche Bewältigung habe sich die Uneinheitlichkeit der Führungssysteme erwiesen. Deshalb müsse die FwDV 100 dringend überarbeitet werden. “Dies wissen wir schon seit Jahren”, so Cimolino. Die Vorschrift müsse weiterentwickelt und konkretisiert werden. Die Weiterentwicklung setze aber auch eine weitere Professionalisierung von ausreichend viel Personal sowie den Aufbau von Redundanzen voraus. Zudem müssten die verschiedenen Führungsebenen besser miteinander verbunden, die Ausstattung verbessert sowie die Nutzung von Geodaten oder der Bildübertragung angeglichen werden. Ebenso müssten international bewährte Standards in die Überarbeitung miteinfließen. “Nur wenn wir aus Fehlern lernen, sind wir Profis, egal ob im Haupt- oder Ehrenamt”, resümiert Cimolino seine Analyse.

Überarbeitung der FwDV 100 alle fünf Jahre Das Weichen auch im Kata-

strophenschutz selbst neu gestellt werden müssen, zeigt auch die Analyse der vfdb-Expertenkommission, die im Spätsommer des vergangenen Jahres im Nachgang an die Flutkatastrophe einberufen wurde. Dr. Ulrich Cimolino, Vorsitzender der Kommission und Branddirektor bei der Feuerwehr Düsseldorf, hat einen ganzen Strauß an Punkten, die unbedingt angegangen werden müssten. Angefangen beim Dauerthema Warnung über Führungssysteme, Kommunikation und Versorgung hin zu

Der Forderung nach einer Überarbeitung schließt sich auch Prof. Dr. Peer Rechenbach, Mitglied des vfdb-Referats 13 (FI) – Forschungsmanagement und -information, an. “Die FwDV 100 ist jetzt schon 23 Jahre alt. Doch so was muss man alle fünf Jahre aktualisieren”, fordert Rechenbach. In ihrem jetzigen Zustand sei die Vorschrift nicht mehr aktuell. Sie müsse aber für Bereiche weiterentwickelt werden, die es vor 23 Jahren in dieser Form noch nicht gegeben habe und die somit noch nicht geregelt seien. Dies umfasse

Dirk Aschenbrenner, Leiter der Dortmunder Feuerwehr und Präsident der vfdb, eröffnete die 68. Jahrestagung der Vereinigung. Fotos: BS/Klawon

Das Führungssystem in der Flutkatastrophe 2021 sei nicht optimal gewesen. Davon zeigt sich Dr. Ulrich Cimolino überzeugt.

Benno Fritzen kritisiert die Zusammensetzung des geplanten Gemeinsamen Kompetenzzentrums Bevölkerungsschutz (GeKoB).

u. a. viele digitale Aspekte. Sie müsse aber auch die Weiterentwicklungen und Optimierungen von Verfahren angepasst werden, so der Experte. “Wir müssen bei der Analyse auch immer das Gute herausarbeiten, sonst besteht die Gefahr, dass wir alles über Bord werfen.” Ziel der Weiterentwicklung müsse sein, die FwDV 100 zu einer umfassenden Katastrophendienstvorschrift auszubauen. Dabei solle man sich an internationalen Standards orientieren. Natürlich dürfe dabei die kommunale bzw. örtliche Einsatzleitung nicht überfrachtet werden, da die internationalen Vorbilder andere Ressourcen zur Verfügung hätten. Anhaltspunkte für die Weiterentwicklung dieser Vorschrift, aber auch von weiteren Verfahren, könnten Lösungen und Guidelines von internationalen Organisationen sein, wie z. B. das United Nations Disaster Assessment and Coordination (UNDAC) Field Handbook oder die INSARAG Guideline. In diese Handbücher und Leitfäden seien die Erfahrungen von mehreren Großschadenslagen, die der durchschnittliche Katastrophenschützer meist nur einmal in seinem Leben sehe, eingeflossen. Dabei sollten die Vorgaben nicht eins zu eins übernommen

werden, sondern müssten an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden. Rechenbach sieht die kommunale Ebene in der Pflicht, in einem Bottom-upVerfahren tätig zu werden. “Nicht auf irgendein Bundeszentrum warten, sondern selber machen”, fordert er.

schutz und Katastrophenhilfe (BBK) angesiedelt werden soll, bereitet so manchem Bauchschmerzen. Gerade an der Zusammensetzung der permanenten Kontaktpersonen dort entzündet sich Unmut. “Wo bleibt die Feuerwehr?”, fragt sich Benno Fritzen, Leitender Branddirektor der Feuerwehr Münster a. D. Er kritisiert, dass nur das Technische Hilfswerk (THW), die Bundespolizei sowie die Bundeswehr permanent in

Geringe Bereitschaft für ein Ehrenamt Wichtigkeit erkannt, aber keine Konsequenz (BS/bk) Trotz Ukraine-Krieg, Flutkatastrophe oder Corona-Pandemie ist die Bereitschaft für ein ehrenamtliches Engagement nicht gestiegen. Dies geht aus dem zweiten Ehrenamtsmonitor des Malteser Hilfsdienstes (MHD) hervor. Wie schon im vergangenen Jahr führte das Unternehmen YouGov im Auftrag der Hilfsorganisation eine repräsentative Umfrage unter 2.000 Erwachsenen in Deutschland zu ihrer Einstellung zu ehrenamtlichem Engagement durch. Auffällig bei der Umfrage ist, dass die Befragten (rund ein Drittel) sich spontan hilfsbereit zeigen, aber nur wenige sich langfristig in einer Hilfsorganisation engagieren wollen. Die Zahl derer, die sich länger binden wollen, liegt wie im vorherigen Ehrenamtsmonitor bei nur sieben Prozent. Von diesen sieben Prozent sind bereits fünf Prozent ehrenamtlich tätig. Dabei äußerten sich die Befragten durchaus sorgenvoll zu den kommenden gesellschaftlichen Herausforderungen. Rund drei Viertel der befragten Personen sahen den Themen Migration und Zuwanderung (76 Prozent), Pandemien (75 Prozent) und Naturkatastrophen (72 Prozent) mit mehr Beunruhigung als früher entgegen. Gleichzeitig wissen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage um die Bedeutung des Ehrenamtes bei der Bewältigung von Krisensituationen. 70 Prozent halten das Ehrenamt bei der Bewältigung von Naturkatastrophen für wichtig und sehr wichtig. Nur noch höher (73 Prozent) wird die Bedeutung des Amtes für den so-

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zialen Zusammenhalt bewertet. In diesem Zusammenhang ist zwar die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, leicht gestiegen – von 28 Prozent auf 31 Prozent – doch bei 54 Prozent hat sich die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, nicht verändert. Unter dem Eindruck der Flutkatastrophe 2021 ist die Bereitschaft, spontan helfen zu wollen, konstant bei 35 Prozent geblieben. Als Konsequenz aus diesem Missverhältnis von geringer Bereitschaft und den drängenden Herausforderungen fordert die Hilfsorganisation die Schaffung von verlässlichen Strukturen. “Die kurzfristige Hilfsbereitschaft reicht nicht aus, wo Zeit und Qualifikationen erforderlich sind, um wirkungsvoll helfen zu können. Daher müssen die auf langfristiges Engagement angelegten Strukturen im Bevölkerungsschutz gestärkt werden, damit diese im Notfall zur Verfügung stehen. Außerdem gilt es, die Hürden für den Eintritt ins Ehrenamt zu senken”, schreiben die Autorinnen und

Autoren der Ehrenamtsmonitors. Eine Lösung könnte laut den Autoren die Schaffung eines “Gesellschaftsdienstes im Bevölkerungsschutz”, der eine vierjährige freiwillige Selbstverpflichtung vorsieht, sein. Für einen solchen Aufbau eines neuen Freiwilligendienstes im Bevölkerungsschutz für alle Altersgruppen, mit umfassender Ausbildung und mehrjährigem ehrenamtlichen Einsatz im Bevölkerungsschutz, sprachen sich in der Umfrage über 60 Prozent aus. “Die breite Zustimmung für einen “Gesellschaftsdienst im Bevölkerungsschutz” und die Stärkung der bereits tätigen Hilfsorganisationen zeigt, dass unsere Forderungen auf Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen. Nun ist es an der Politik, die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen und bestehende Strukturen zu festigen. Unsere Gesellschaft braucht Ehrenamt, nicht nur in Krisenzeiten, wir brauchen auch Strukturen, die eine dauerhafte Versorgung sicherstellen”, erklärte dazu MHD-Präsident Georg Khevenhüller.

Und wo bleibt die Feuerwehr? Und dieses Bundeszentrum, also das GeKoB, welches beim Bundesamt für Bevölkerungs-

dieses Zentrum eingebunden werden sollen. Die Feuerwehren sollen nach derzeitigen Plänen nur fallweise hinzugezogen bzw. über individuelle Vereinbarungen eingebunden werden. Dies sei aus mehreren Gründen problematisch. Zunächst einmal spreche die Größe des Personalstammes der Feuerwehren mit 1,1 Millionen Mitgliedern gegen eine nachrangige Position. Ebenso seien die Feuerwehren schon von der Zuständigkeit her prädestiniert, permanent am GeKoB beteiligt zu sein. “So wird das nichts”, sagt Fritzen. “Wenn zu der Größe auch die Zuständigkeit kommt, dann sollte man überlegen, neben THW, Bundespolizei und Bundeswehr die Feuerwehren als gesetzte Organisationen mit operativ-taktischem Sachverstand auch mit in das GeKoB zu nehmen.” Die Zuständigkeit als staatliche Organisation in der Gefahrenabwehr, die nicht der Zivilschutz sei, werde auf Ebene der Feuerwehr im Alltag tausendmal gelebt. Dort sei auch die meiste Kompetenz, die meisten Helfer und die größte Führungskräfte. Deshalb sei es geboten, die Organisation als gesetzt zu betrachten. Man brauche alle Akteure in dem Zentrum, um effektiv Krisen und Katastrophen zu bewältigen. Es könne aber nicht sein, dass die größte und zuständige Organisation nur eventuell dabei sei, so Fritzen.

Thesen zur Zukunft der Stabsarbeit Arbeitsgruppe formuliert Anforderungen und Entwicklungspotenziale (BS) Expertinnen und Experten aus Praxis und Forschung, Behörden, Einsatzorganisationen und Unternehmen haben in mehreren Workshops von 2021 bis 2022 acht Thesen zur Zukunft der Stabsarbeit erarbeitet (siehe Abbildung). Motivation war es, die nötige gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Stabsarbeit in all ihren Facetten zu erzeugen und zielgerichtete Diskussionen anzustoßen. Die Thesen sollen Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen sowie Entscheidungsträgerinnen und -träger sowie Anwenderinnen und Anwender anregen, Lösungen zu suchen, zu finden und umzusetzen. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass Stäbe unterschiedlichster Zuständigkeit und Ausprägung herausragende Stellungen innehaben. Sie sind im öffentlichen und privaten Bereich ein Führungsinstrument zur Bewältigung außergewöhnlicher Ereignisse, wie beispielsweise Notfälle, Krisen oder Katastrophen. Ereignisbewältigung verlangt – vor allem im Bevölkerungsschutz – Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure. Zwar arbeiten alle Akteure mit Stäben; dennoch ist die Zusammenarbeit über Organisationsgrenzen bislang schwierig. Dies zeigt nicht zuletzt die Bewältigung der Flutkatastrophe in Deutschland 2021. Die Stabsarbeit in Deutschland hat für die Ereignisbewältigung schon heute eine große Bedeutung, was, auf die Zukunft gesehen, noch zunehmen wird. Um die gesellschaftliche Resilienz unter sich verändernden Rahmenbedingungen zu erhöhen, bedarf die Stabsarbeit einer Weiterentwicklung ihrer Strukturen und Prozesse sowie einer Ressourcenerhöhung. Das Zielbild sollten kompatible, leistungsfähige und durchhaltefähige Stäbe sein. Dieses gilt bei aller Unterschiedlichkeit für Notfall-, Krisen- und Führungsstäbe in Organisationen verschiedener Bereiche (z. B. Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Bevölkerungsschutz, Stäbe der zivil-militärischen Zusammenarbeit der Bundeswehr, Hilfsorganisationen, Unternehmen), auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen Aufgaben (z. B. operativ, administrativ, strategisch). In zwei Thesen wird ein Überblick über die Rahmenbedingungen für die Stabsarbeit gegeben, die derzeit als eher ungünstig diagnostiziert werden. Zudem wird festgestellt, dass gleichzeitig auch die Anforderungen an

Stäbe und Stabsarbeit steigen werden. Um dem zu begegnen, gehen die weiteren Thesen auf die Menschen, die Organisation und die Arbeitsmittel ein, aus denen Stäbe letztlich bestehen. Es wird dafür plädiert, den Menschen als Verantwortungsträger im Mittelpunkt der Stabsarbeit zu verstehen. Entsprechend sollen Mensch, Technik, Technologie und Organisation im Zusammenhang betrachtet werden. Die Weiterentwicklung der Stabsarbeit sollte systematisiert werden. Neben einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess sollten u. a. Praxis und Forschung bzw. die unterschiedlichen Anwender stärker zusammenarbeiten. Hieran schließt sich als Endpunkt die Forderung an, die grundsätzlich bewährte FeuerwehrDienstvorschrift 100 gezielt weiterzuentwickeln und an neue Anforderungen anzupassen. THESEN ZUR ZUKUNFT DER STABSARBEIT

1

DIE RAHMENBEDINGUNGEN FÜR DIE STABSARBEIT SIND AKTUELL EHER UNGÜNSTIG UND MÜSSEN VERBESSERT WERDEN

2

ZUKÜNFTIG WERDEN DIE ANFORDERUNGEN AN STÄBE STEIGEN

3

MENSCHEN TRAGEN IN DER STABSARBEIT DIE VERANTWORTUNG UND STEHEN DEMENTSPRECHEND IM MITTELPUNKT

4

DER UMGANG MIT TECHNISCHEN SYSTEMEN, TECHNIKEN UND RÄUMEN MUSS ANGEMESSEN SEIN

5

DIE ORGANISATION MUSS DEN ANFORDERUNGEN DES EINSATZES ENTSPRECHEN

6

TECHNISCHE SYSTEME, ARBEITSMITTEL & RÄUME MÜSSEN DEN AKTUELLEN BEDARFEN UND MÖGLICHKEITEN ENTSPRECHEN & EINE WIRKSAME STABSARBEIT ERMÖGLICHEN

7

DIE WEITERENTWICKLUNG DER STABSARBEIT MUSS SYSTEMATISIERT WERDEN

8

DAS FÜHRUNGSSYSTEM DER FWDV 100 BEDARF EINER GEZIELTEN WEITERENTWICKLUNG ENTSPRECHEND ZUKÜNFTIGER ANFORDERUNGEN

DOWNLOAD DER THESEN

Die Thesen liefern keine Lösungen, sondern weisen in mögliche Richtungen. Jede These behandelt holzschnittartig einen Aspekt des Stabes bzw. der Stabsarbeit. Aufgrund der Kürze des Papiers können die Aussagen nicht für jeden Stab bzw. für jede Organisation genau passen. Die nötigen Differenzierungen sind in der Diskussion und in der Umsetzung zu leisten. Jede These kann für sich stehen. Für ein Gesamtbild müssen die Thesen im Zusammenhang gelesen werden. Der Kreis der beteiligten Erstellerinnen und Ersteller teilt sich auf in die Arbeitsgruppe, die Autorinnengruppe und die Mitzeichnenden. Die Arbeitsgruppe war an der Erarbeitung der Thesen in Workshops beteiligt. Die Autorinnen und Autoren haben die Thesen auf Grundlage der Workshopdiskussionen und anschließender Rückmeldungen formuliert. Die Mitzeichnenden tragen die Thesen mit und geben den Aussagen durch ihre Zustimmung Gewicht. Sie werden in einem separaten Dokument als Anlage zum Thesenpapier geführt. Der Kreis der Beteiligten freut sich über Rückmeldungen und steht für die organisationsübergreifende Entwicklung von Lösungen gerne bereit. Das Thesenpapier ist das initiale Dokument und wird mit dem Fortschritt der Zeit möglicherweise weiterentwickelt. Die Thesen werden in diesen Wochen in verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht und auf Fachtagungen vorgetragen. Das Papier und die Mitzeichnungsmöglichkeit sind über den nebenstehenden QR-Code sowie unter https://plattform-ev.de/stabsarbeit/index.html abzurufen. Die Thesen wurden formuliert von Franziskus Bayer, Frank Fiedrich, Dominic Gißler, Gesine Hofinger, Andreas Karsten und Christoph Lamers in Autorenschaft für die Arbeitsgruppe.


Interschutz

Behörden Spiegel / Juni 2022

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Gemeinsame Antworten entwickeln

Sicherheit.Leben

Neuausrichtung des Katastrophen- und Zivilschutzes

Der 29. Deutsche Feuerwehrtag

(BS/Boris Pistorius) Deutschland, Europa und die Welt stehen angesichts des Angriffs auf die Ukraine vor einer komplett neuen Sicherheitslage. Das hat nicht nur Folgen für die Außenpolitik und die äußere Verteidigung Deutschlands, sondern ist zugleich eine zentrale Herausforderung für unsere Innere Sicherheit. Gerade in einer von Krisen geprägten Zeit – neben den Folgen des Ukraine-Krieges stehen wir vor dramatischen Entwicklungen angesichts des fortschreitenden Klimawandels – ist es entscheidend, dass sich Industrie, Wissenschaft, Politik sowie Einsatzkräfte der Feuerwehren, des Rettungswesens und des Bevölkerungsschutzes vernetzen. Einen idealen Rahmen dafür bildet die Weltleitmesse Interschutz.

(BS/Karl-Heinz Banse) Der 29. Deutsche Feuerwehrtag findet vom 20. bis 25. Juni 2022 unter dem Motto “Sicherheit.Leben” in Hannover statt. Parallel lockt die Weltleitmesse Interschutz in diesem Zeitraum Interessierte aus Feuerwehr, Rettungswesen, Bevölkerungsschutz und Sicherheit zum “Einsatzort Zukunft”. Der 29. Deutsche Feuerwehrtag findet in Zusammenarbeit mit dem Land Niedersachsen, dem Landesfeuerwehrverband Niedersachsen, der Stadt Hannover sowie der Feuerwehr Hannover in der niedersächsischen Landeshauptstadt statt.

In Niedersachsen haben wir wichtige Schritte für einen modern aufgestellten Katastrophenschutz gemacht. Wir haben etwa die Erkenntnisse der Krisen und Katastrophen der vergangenen Jahre – Corona-Pandemie, Flutkatastrophe, Moorbrände, des Klimawandels insgesamt und nun des Krieges in der Ukraine – in einen umfangreichen Runderlass zur “Gliederung und Sollstärke der Einheiten des Katastrophenschutzes” einfließen lassen. Geplant sind eine umfangreiche Aufstellung des Betreuungsdienstes, der Ausbau der Logistik- und Versorgungsfähigkeiten, die Stärkung des Wasserrettungsdienstes für Sturmflut- und Hochwasserlagen sowie die Unterstützung von Pflegeleistungen. Auch die zentralen Landeseinheiten und die Materialvorhaltungen für besondere, überregional relevante Schadenslagen sollen erweitert werden. Zusätzlich sind der Ausbau der Satellitenkommunikationstechnik und der Aufbau eines Satellitenkommunikationsnetzwerkes für alle Katastrophenschutzbehörden geplant. Die Landesregierung hat zudem das Gesetz zur Änderung des niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes beschlossen. Damit werden die Krisenmanagementstrukturen angepasst und weiterentwickelt, um so noch effektiver aktuellen Entwicklungen entgegenzutreten und für bestmögliche Rahmenbedingungen bei der Weiterentwicklung des Katastrophenschutzes zu

organisationen, die entscheidende Stütze bei der Neuausrichtung des Katastrophenund Zivilschutzes. Boris Pistorius (SPD) ist niedersächsischer Innenminister. Sie stellen sich den wachsenden Foto: BS/Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport Herausforderun gen und einer sich ständig verändernden Sichersorgen. Außerdem bauen wir heitslage. Darüber hinaus soll dedamit insbesondere die Reakti- ren Innovationskraft durch eine onsfähigkeiten in unserem Bun- Neustrukturierung der Kreisfeudesland weiter aus und sind so erwehrbereitschaften gefördert auf Krisenlagen jeglicher Art noch werden. Hierfür stellt das Land besser vorbereitet. zusätzlich jährlich fünf Millionen Diese Maßnahmen und Anpas- Euro bereit. In den Jahren 2020 sungen müssen immer finanzi- bis 2023 konnten darüber hinaus ell abgedeckt sein. Die Landes- insgesamt weitere zehn Millionen regierung hat deshalb ein von Euro für die Wald- und Vegetatimir initiiertes Ad-hoc-Paket im onsbrandbekämpfung eingesetzt Umfang von 40 Millionen Euro werden. Einen ersten Eindruck zur Stärkung des niedersächsi- davon vermitteln wir bei der Inschen Bevölkerungs- und Katas- terschutz 2022, wo am Stand der trophenschutzes auf den Weg niedersächsischen Feuerwehren unter dem Motto “Einsatzort Zugebracht. Mit diesen zusätzlichen Mitteln kunft” eine Einheit für die Vekönnen wir den Katastrophen- getationsbrandbekämpfung in schutz in Niedersachsen deutlich Niedersachsen vorgestellt wird. stärken und noch besser für neue Wir leben in herausfordernden Herausforderungen aufstellen. Zeiten, die sich nachhaltig auf Diese werden zusätzlich zu den unsere Gesellschaft und auch auf knapp 18 Millionen Euro bereit- unser Verhältnis zur Inneren und gestellt, die ohnehin jährlich für Äußeren Sicherheit auswirken. diesen Bereich eingeplant sind. Die äußere Verteidigung durch Dadurch wird die Finanzierung die Bundeswehr und die Innere kurzfristiger und mittelfristiger Sicherheit der Bevölkerung sind Maßnahmen ermöglicht. Dane- zwei Seiten derselben Medaille. ben wird das im Haushaltsplan Deshalb ist ein weiterer wich2022 mit zehn Millionen Euro tiger Schritt, dass wir jetzt mit veranschlagte Sirenenprogramm unseren internationalen und euwie geplant fortgeführt. ropäischen Partnern gemeinsam Die Feuerwehren in Niedersach- Antworten auf diese Herausforsen bleiben, neben den Hilfs- derungen entwickeln.

Auswirkungen auf auch die Feuerwehrtechnik

Katastrophenlagen, Pandemiebekämpfung, Bevölkerungsschutz vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges – die Probleme unserer Zeit spiegeln sich mehr denn je auch in den Feuerwehren wider. Vor diesem Hintergrund ist die Durchführung des 29. Deutschen Feuerwehrtages und der Interschutz 2022 nach zweimaliger pandemiebedingter Verschiebung wichtiger denn je. Wir werden die beiden sich ergänzenden Feuerwehr-Großveranstaltungen auch dazu nutzen, um gegenüber den politischen Entscheidungsträgern klare Positionen einzunehmen und Forderungen zu unterstreichen. So werden sich unter anderem Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil dem direkten Gespräch mit Führungskräften der Feuerwehrverbände stellen. Bringen auch Sie sich hier ein! Resilienz, Internationalität und Gewaltprävention werden deutliche Schwerpunkte der Fachveranstaltungen während des Deutschen Feuerwehrtages sein. Die ganze Welt steht aktuell vor gewaltigen Herausforderungen. Das wirkt sich auch auf die Feuerwehren aus. Ein gemeinsamer Blick auf Möglichkeiten, Ideen, Trends und Perspektiven gehört deshalb ganz selbstverständlich zu unseren Aufgaben. Mit dem Zukunftskongress wollen wir dazu ein aktuelles Forum bieten. Es ist mir sehr wichtig, dass wir bei unserem Symposium “Gewalt gegen Einsatzkräfte – Feuerwehr und Politik wehren sich” hochkarätige Diskutanten

Sie sich für unsere Fachveranstaltungen an! Diese sind im Sinne des Vernetzungsgedankens inteKarl-Heinz Banse ist Präsident des Deutschen Feuerwehrvergraler Bestandteil bands (DFV). des 29. Deutschen Feuerwehrtages. Foto: BS/Rico Thumser, DFV Überall in Hannover selbst ist der Status als “Weltzu den Fragen “Wie verhindern feuerwehrhauptstadt” sichtbar: wir Gewalt? Wie unterstützen Beim “Tag der Feuerwehr” am wir Betroffene?" gewinnen konn- Dienstag, 21. Juni, wird es von ten. Die Veranstaltung findet 10 bis 18 Uhr in der Innenam Freitag, 24. Juni 2022, von stadt auf dem zentral gelegenen 10 bis 12:30 Uhr im Conven- Trammplatz zur Eröffnung der tion Center statt und wird im Großveranstaltung Feuerwehr Rahmen des Bundesprogramms zum Erleben geben. Ich freue “Zusammenhalt durch Teilhabe” mich darauf, dass sich die Feuerdes Bundesinnenministeriums wehr in allen Facetten präsentieveranstaltet. Ich freue mich ren wird – von der Brandschutzdarauf, hier mit vielen Feuer- erziehung für die Kleinsten mit wehrangehörigen diskutieren dem VGH-Brandschutzmobil bis zu können. hin zu mächtigen HubrettungsDer Gemeinschaftsstand des fahrzeugen der Feuerwehr. Am DFV auf der Interschutz (Halle Samstag, 25. Juni 2022, findet 27, Stand D38) umfasst zahlrei- von 10 bis 18 Uhr das große Trefche Partner. Damit zeigt er die fen historischer FeuerwehrfahrVielfalt des Feuerwehrwesens, zeuge zusammen mit den “Red um die der Deutsche Feuerwehr- Knights” (International Firefighverband nach innen wie außen ters Motorcycle Club) statt. Der eine Klammer des Zusammen- Oldtimer- und Motorradkorso halts bildet. Auf der Plaza als führt von der Messe über die zentraler Kommunikationsfläche Innenstadt und wieder zurück. laufen interessante Vorträge aus Täglich von 10 bis 18 Uhr soll der Facharbeit des Deutschen zudem in Hannover FeuerwehrFeuerwehrverbandes, etwa zu musik erklingen. Feuerwehr leistet als lernende Elektromobilität, Krebsrisiko, belastenden Einsätzen, Ret- Einheit ihren Beitrag im Sinne tungshunden, FwDV 500, So- der Sicherheit für die Menschen cial-Media-Strategien und vielem und als zivilgesellschaftlicher mehr. Informieren Sie sich unter Akteur für ein friedliches Mitwww.feuerwehrtag.de über das einander – gestern, heute und aktuelle Programm und melden in Zukunft: Sicherheit.Leben!

Neuer Auftritt, neue Produkte, neue Technik

VDMA-Geschäftsführer im Interview

Präsentation von Steigtechnik und Transportlogistik auf der Interschutz

(BS) Es gebe Licht und Schatten bei der aktuellen Lage der Maschinenbauer, sagt Dr. Bernd Scherer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Feuerwehrtechnik. Lieferengpässe beträfen auch die Fertigung von Feuerwehrfahrzeugen. An Lösungen werde aber schon gearbeitet. Die Fragen stellte Bennet Klawon.

(BS/Bettina Sauter*) Geballtes Know-how, eine ganze Reihe an Innovationen und ein 3D-Erlebnis der Spitzenklasse: All das erwartet die Besucherinnen und Besucher der Interschutz 2022 am Stand der Munk Rettungstechnik (Stand J02 in Halle 26). Der Technologie- und Innovationsführer für Steigtechnik- und Rollcontainerlösungen für den Brand-, Rettungs- und Katastropheneinsatz präsentiert sich in Hannover mit neuem Markenauftritt als starker Partner für Feuerwehren und Hilfsorganisationen.

Behörden Spiegel: Wie ist die momentane Lage der Maschinenbauer im Hinblick auf Feuerwehrtechnik?

Dr. Bernd Scherer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Verbands Deutscher Maschinenund Anlagenbau (VDMA) und Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Feuerwehrtechnik.

Scherer: Die Lage stellt sich aktuell, wie in vielen anderen Segmenten des Maschinen- und Anlagenbaus, zweigeteilt dar. Auf der Marktseite können wir nach wie vor sehr positive Nachrichten vermelden, die Lieferseite dagegen zeigt sich ausgesprochen angespannt. Der Auftragsbestand der Feuerwehrtechnikindustrie bewegt sich anhaltend auf sehr hohem Niveau. Branchenweit entsprechen die vorhandenen Aufträge einer Produktionsdauer von mehr als einem Jahr – ein Wert, der nicht nur im FeuerwehrtechnikSegment einen Rekord darstellt. Die Auftragsbücher sind voll, die Innovationsfülle erzeugt einen regelrechten Nachfragesog. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist in manifesten Liefer- und Logistikengpässen zu sehen. Die kaum vorhersehbare Kostenentwicklung erschwert die Kalkulation erheblich. Insofern wäre es an der Zeit, Ausschreibungen auf Basis von Stoffpreisgleitklauseln zu flexibilisieren.

Zeit bei Komponenten, aber auch in der Transportlogistik erleben, sind ihrem Ursprung nach in erster Linie pandemiebedingt. Stahl-, Mikrochip- und Containermangel bremsen Industrieunternehmen allerorten aus. Der Ukraine-Krieg hat die Problematik natürlich weiter verschärft; denken Sie beispielsweise an die stark eingeschränkte Kabelbaumfertigung in der Ukraine, die auch hierzulande zu signifikanten Friktionen geführt hat. Lieferfragen sind momentan segmentübergreifend im Fokus, ganz unabhängig davon, ob wir über Fahrgestelle, Aufbauten oder Ausrüstung sprechen. Auch strategische Überlegungen, z. B. Beschaffungsmodelle von morgen, werden in der Industrie praktisch überall angestellt.

Behörden Spiegel: Wie stark wirken sich die verschiedenen Engpässe aus?

Behörden Spiegel: Welche Rolle wird die E-Mobilität in der Zukunft spielen?

Scherer: Die spürbaren Engpässe, die wir nun schon seit längerer

Scherer: Elektrische Antriebslösungen sind im Werkzeugkasten

Foto: BS/Varnhorn

der Entwickler und Konstrukteure unserer Branche längst zu einer festen Größe geworden. Ihre Verwendung ist allerdings segment- und einsatzabhängig. Als Fahrantrieb für bestimmte Feuerwehrfahrzeuge im urbanen Umfeld ist der Elektroantrieb sicher eine sinnvolle Option, die zunehmend gezogen wird. Auch Nebenantriebe eignen sich für die Elektrifizierung, da sie gut und wirkungsvoll realisierbar sind. Andererseits gibt es nach wie vor auch gute Gründe für saubere Verbrennungsmotoren, so etwa mit Blick auf die kontinuierliche Einsatzbereitschaft unter allen denkbaren Bedingungen. In Verbindung mit klimaneutralen E-Fuels ist der Dieselmotor auch langfristig ein Modell, mit dem zu rechnen ist. Angesichts der erforderlichen Skaleneffekte hängt der Elektrifizierungserfolg in unserer Industrie indessen maßgeblich von der weiteren Entwicklung im Batterie- und Lkw-Sektor ab.

“Die Interschutz ist das Event schlechthin für das Lösch- und Rettungswesen. Die vergangene Präsenz-Auflage liegt bereits sieben Jahre zurück. In diesem Zeitraum hat sich sehr viel getan. Umso mehr freut es mich, dass wir unsere Highlights endlich wieder live präsentieren und uns dem Fachpublikum mit dem neuen Markenauftritt als Munk Rettungstechnik vorstellen können”, sagt Ferdinand Munk, Inhaber und Geschäftsführer der Munk Group (Günzburg). Im Jahr 2021 hatte die Günzburger Steigtechnik GmbH die Weichen für eine wachstumsstarke Zukunft gestellt und sich unter dem Dach der Munk Group eine neue Markenstruktur gegeben: Die Munk Rettungstechnik ist dabei der Geschäftsbereich, der an seinem neuen Firmenstandort im benachbarten Leipheim das Produktsortiment an Multifunktions-, Steck- und Schiebeleitern, Rettungsplattformen, Werkzeugkästen und Rollcontainern sowie die komplette Gerätehausausstattung repräsentiert.

3D-Show zum Miterleben Der Interschutz-Auftritt der Munk Rettungstechnik hat es in sich: Die RettungstechnikExperten präsentieren neue Produkte und nutzen dafür auch völlig neue Technologien, wie zum Beispiel eine aufsehenerregende audiovisuelle

Die Munk Rettungstechnik präsentiert auf der Interschutz dem Fachpublikum ihre innovativen Rettungstechniklösungen. Foto: BS/Munk Rettungstechnik

Projektionsshow, die das breite Sortiment an Rollcontainern in hautnah erlebbaren Einsatzszenarien zum Leben erweckt. “So hat man Rollcontainer auf einer Messe noch nie erlebt. Die Besucher können sich wirklich auf ein Spektakel freuen”, verspricht Ferdinand Munk “Großes Kino” wartet auf die Besucher am Stand der Munk Rettungstechnik. Weiteres Highlight: Mit einer VR-Brille lassen sich weitere Produktneuheiten realitätsnah virtuell erleben und die Interschutz-Gäste können sich hier in verschiedene Einsatzszenarien beamen. Alle Neuheiten und ihre Klassiker aus dem Pro-

duktsortiment präsentiert die Munk Rettungstechnik nicht nur live vor Ort und virtuell, sondern auch im neuen Rettungstechnik-Ratgeber Nr. 9, der zur Interschutz 2022 neu aufgelegt wird. Dieser zeigt sich auch so digital wie nie zuvor. Denn neben der Printversion wird pünktlich zur Interschutz auch eine neue, hochfunktionale Digitalvariante verfügbar sein: Auf www.steigtechnik.de/ katalog können Anwender dann direkt online im digitalen Ratgeber blättern und navigieren. *Bettina Sauter ist Leiterin Unternehmenskommunikation bei der Munk Group.


Verteidigung

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Behörden Spiegel: Sind Sie zufrieden mit dem Grad an Digitalisierung im Heer? Pieper: Aktuell? Nein! Wie könnte ich auch? Denn digital plus dnalog ergibt immer noch dnalog. Und das spiegelt unsere derzeitige Situation vor allem im Bereich der Übertragung wider. Unsere Funkgeräte haben 40 Jahre auf dem Buckel. Sie setzen gerade mal 16 Kbit um. Und das auch nur, wenn nicht gleichzeitig gefunkt wird. Unsere Gefechtsstandtechnik ist veraltet. Neue Systeme wie die Zellularen Netze Verlegefähig leiden noch unter Kinderkrankheiten. Die Themen Datenhaltung, Datenverarbeitung von Big Data, korrespondierende Fabric- und Analytics-Ansätze verzeichnen weitgehend Fehlanzeige. Das Projekt GMN 1, welches dieses Thema zumindest im Ansatz für die verlegefähige Ebene lösen soll, stolpert so vor sich hin, dass wir es nicht vor Ende der Dekade sehen werden. Und von dem eigentlich erforderlichen ganzheitlichen, über alle Ebenen und Dimensionen hinweg durchgängigen Shared Information Space im Sinne eines Defence-Cloud-Ansatzes möchte ich gar nicht erst reden. Gemeinsam versuchen die Teilstreitkräfte mit dem Kommando CIR, hier die notwendigen Grundlagearbeiten zu machen. Aber keiner von uns ist personell für dieses Mega- bzw. Meta-Thema aufgestellt. Behörden Spiegel: Was fehlt? Pieper: Jetzt könnte ich ja noch mal auf die eben gegebene Antwort verweisen. Doch wenn man den Blick etwas aufzieht, dann sind es wohl die erforderliche Schwerpunktsetzung und das richtige Bezugssystem. Oder mit anderen Worten das fehlende angemessene Big Picture. Und das ist in meinen Augen die Defence Cloud. Ein Thema, dass ministeriell noch gar nicht besetzt ist. Die Aufstellung von BMVg CIT mit Kommando CIR ist als Teil der zukunftsorientierten Schwerpunktsetzung definitiv der richtige Schritt. Top-Arbeit wird dort geleistet. Aber zum einen fehlt es einfach an der entsprechenden Dienstpostenausstattung, um das Gesamtthema angemessen zu bearbeiten. Zum anderen ist CIT genuin eher technikorientiert ausgerichtet. Doch Digitalisierung als Kernelement unseres

Umsetzung der Digitalisierung im Heer Shared Information Space über alle Ebenen und Dimensionen (BS) Am 6. Dezember 2018 gab der damalige Inspekteur Heer, General Jörg Vollmer, den Startschuss Digitalisierung für das deutsche Heer. 2019 folgte die Einrichtung der Funktion eines Chief Digital Officers im Kommando Heer mit einer entsprechenden Abteilung, in der Digitales und die klassische Führungsunterstützung zusammengefasst wurden. Der Behörden Spiegel sprach mit Brigadegeneral Frank Pieper, der seit Februar 2020 Chief Digital Officer für landbasierte Operationen im Kommando Heer ist. Die Fragen stellten Dorothee Frank und Reinhard Wolski. Umsetzung des Sondervermögens – und respektvoll sage ich: ein Stück weit der Devise “Kopf über Herz” folgend – Führungsfähigkeit und Digitalisierung massiv ins Geld gebracht haben. Und das ist dann durchaus tatsächlich eine Zeitenwende. Denn schon häufig in den letzten Dekaden wurden die Thema Führungsfähigkeit, Command and Control, NetOpFü, oder welcher Begriff gerade modern war, hoch priorisiert. Und dennoch bei der Verteilung der Gelder stets hinten eingereiht. Dieser Teufelskreis scheint jetzt durchbrochen.

“Zur Beschleunigung der Modernisierung im Heer soll noch vor dem Flächenrollout von D-LBO eine Basisdigitalisierung sichergestellt werden”,

Behörden Spiegel: Ich erinnere mich an Konzepte zur Vernetzten Operationsführung oder Versorgung der letzten Meile. Haben wir in der Digitalisierung ein Erkenntnis- oder ein Umsetzungsproblem? Pieper: Vernetzte Operationsführung bzw. NetOpFü steht als Begriff nach wie vor für das “so what?”. Also für das Ziel, welches mit einer Digitalisierung der Operationsführung auf allen Ebenen erreicht werden soll. Alle, die bereits vor gut 15 Jahren NetOpFü betrieben haben, waren absolut auf dem richtigen Track. Allein, es fehlte ein konkretes Projekt. Und so konnten sie NetOpFü nicht in Geld bringen bzw. über die berühmte planerische Ablauflinie schieben. Mit D-LBO setzen wir hier neu an. Getreu der Devise: Man verliert zwangsläufig ab und zu mal. Die Kunst ist es, das nicht zur Gewohnheit werden zu lassen. Heute wissen wir, dass die damals geplante Vernetzung nicht nur horizontal in einer Ebene erfolgen darf, sondern auch vertikal sein muss. Benötigt wird ein Defense Cloud Act, der die strategische über die verlegefähige mit der taktischen Ebene verbindet. Als gemeinsamer Datenraum, mit abgestimmten Ebenen und Qualitäten in der Datenhaltung, Datenbereitstellung und Datenverarbeitung. Mit harmonisierten Datenaustauschprotokollen. Und mit Algorithmen, die sowohl Pla-

Richtschütze im Schützenpanzer Puma. Der Puma ist das erste Großsystem, bei dem die Vernetzung mitgedacht wurde. Foto: BS/Bundeswehr, Maximilian Schulz

taktisch-operativen Denkens und Handelns, die Umsetzung ihres osmotischen, alle Handlungsfelder durchdringenden Charakters, erfordert die entsprechende DNA in unserem Kerngeschäft: Kampf. Aber irgendwer muss das Thema im Herzen tragen und integrativ umsetzen. Und das ist schwierig. Oft ist die umfassende und durchgängige Digitalisierung unseres Kerngeschäftes Kampf immer noch etwas “alongside to serious soldiering”. Weil es auch, dass muss ich zugeben, schwerer zu erklären ist als ein weiterer Panzer und seine direkt archaisch ableitbare Wertschöpfung. Aber ich will nicht nur schimpfen. Tatsache ist, dass das BMVg und die militärische Führung bei der

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nungsprozesse wie auch Split Second Decisions präzise unterstützen. Und während plattformbezogene oder gering skalierte Digitalisierung wie die Vernetzung von Aufklärungsdrohnen und Schützenpanzern beispielsweise breite Akzeptanz finden, ist der umfassende Ansatz, der auch mit den Begriffen All Domain oder Multi Domain Operations beschrieben werden kann, dann doch für viele “one step beyond future”. Und, um Ihre Frage zu beantworten: Für eine wirklich umfassende Digitalisierung ist sowohl ein Erkenntnis- als auch ein Umsetzungsproblem zu attestieren. Wobei man fairerweise sagen muss, dass wir viele grundlegende Ausrüstungslücken haben,

sagt Brigadegeneral Frank Pieper, Chief Digital Officer für landbasierte Operationen im Kommando Heer. Foto: BS/BWI, Pascal Villain

die zunächst einmal geschlossen werden müssen. Digitalisierung ist ja vornehmlich eine Frage der Qualität. Derzeit leiden die Landstreitkräfte aber vorrangig unter fehlender Quantität. Die Kunst ist es wohl, beide Stränge heute so aufzusetzen, dass sie bereits kurzfristig, d.h. bis 2025 intelligent ineinandergreifen. Behörden Spiegel: Wann wird die erste Brigade der Landstreitkräfte, einschließlich der Enabler, resilient mit sprach- und datenfähigen, verschlüsselten Funkgeräten für das Gefecht der Verbundenen Waffen ausgestattet sein? Pieper: Zeit für positive Botschaften. In einem Kraftakt haben Leitung und Führung der Bundeswehr angewiesen, dass im Sinne von Sofortmaßnahmen, die vorhandenen Landstreitkräfte, mit anderen Worten die vielzitierte Hoflage, mit einer Variante des Programms D-LBO ausgestattet werden. Arbeitsbegriff: D-LBO Basic. Dieser Ansatz stattet jede verfügbare und geeignete Plattform mit einem modernen Software Defined Radio, einem Kommunikationsserver auf dem unser CORE laufen wird sowie mit verbauten und/oder mobilen Endgeräten mit dem BMS als Bedienungsoberfläche aus. Damit stellen wir schon vor dem Flächenrollout von D-LBO eine Basisdigitalisierung sicher. Eine Basisdigitalisierung, die bereits in der Division 2025 komplett auf Divisionstruppen und drei Brigaden ausgerollt sein könnte. Damit wäre eine mehr als hinreichende und konkurrenzfähige Führungsfähigkeit der mobilen Ebene sichergestellt. Doch genau an dem Punkt Resilienz wird dann auch der Unterschied zum eigentlichen Programm D-LBO deutlich und unterstreicht dessen ungebrochene Bedeutung. D-LBO Basic stützt sich allein auf VHF/UHF ab. D-LBO in voller Ausprägung sieht bereits für die mobile Ebene die Nutzung von fünf unterschiedlichen Übertragungswegen vor. Wobei genau diese Redundanz der entscheidende Beitrag zur Resilienz ist. Die erste voll nach dem Programm D-LBO digitalisierte Brigade kann bei gutem Verlauf 2027 erreicht werden. Behörden Spiegel: Welche Erfahrungen hat die VJTF-Brigade einschließlich der Enabler, mit dem Battle Management System gemacht? Pieper: Grundsätzlich ausgezeichnete Erfahrungen. Die Nutzer sind überzeugt. Allein das

analoge Nadelöhr der Funkgeräte verhindert derzeit eine auch nur ansatzweise umfassende Nutzung des BMS. Wenn wir jedoch D-LBO Basic wie geplant an den Start bringen, dann werden wir 2025 mit der Kombination aus BMS, CORE und modernem Funkgerät ziemlich gut unterwegs sein. User Acceptance wird definitiv nicht unser Problem sein, da bin ich mir sicher.

Mega Con­stellations. Hier liegt meiner Ansicht nach die Zukunft punktgenauer Breitbandverbindungen. Behörden Spiegel: Welche dieser Projekte könnten in diesem Jahr noch angestoßen werden? Pieper: Da kann man zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren. Noch kennt ja keiner den Wirt-

tigen. Als Beispiel sei das BMS genannt. Und hier schließt sich der Kreis. Während MGCS und FCAS schlagkräftig im BMVg vertreten sind und ihre Ideen pushen können, ist das koordinierende Element, welches sicherstellt, dass diese Entwicklungen technologisch harmonisiert laufen, schlichtweg nicht vorhanden. Ich habe dazu ja in einer der vorigen Fragen ausgeführt: Integration, beginnend mit den Architekturen und den konzeptionellen Ansätzen, ist decisive. Behörden Spiegel: Wer sind Ihre Ansprechpartner auf gleicher Ebene in den anderen militärischen Organisationsbereichen? Pieper: Die Digitalisierung Landbasierter Operationen organisieren wir über die AG Digitalisierung Land, in der alle Stakeholder vertreten sind. Das funktioniert gut bis ausgezeichnet. Für das Thema Multi Domain Battle haben sich die Stellvertreter der klassischen Teilstreitkräfte und Kommando CIR in einem Format zusammengefunden und versuchen, u. a. den operativ-taktischen Ansatz einer Defence Cloud zu etablieren. Ministeriell wird über unterschiedliche Formate, aber vor allem über das Steuerungspanel Digitalisierung ein Abgleich der Projekte und Vorhaben erreicht. Und auch wenn man mich für die jetzt folgende Aussage mit dem Gesicht nach unten begräbt: Ich glaube jedoch, dass wir hier externe Unterstützung und Beratung brauchen. Hier müssen Fachleute ran, die bereits globale Clouds betreiben und Fachleute, die schon Großunternehmen auf die digitale Schiene gesetzt haben – eventuell koordiniert über die BWI und die Bw Consulting. Das muss man sehen. Aber allein werden wir keine Defence Cloud designen und aufziehen können. Behörden Spiegel: Welche Lehren lassen sich aus dem Krieg in der Ukraine für die Digitalisierung des Heeres ziehen?

Die erfolgreiche Einführung eines Battle Management Systems ist ein gewaltiger Technologiesprung für die Soldatinnen und Soldaten. Foto: BS/Systematic

Behörden Spiegel: Welche weiteren großen Projekte finden aktuell statt? Pieper: Hier sind zwei Handlungsstränge zu betrachten. Zum einen sind wir dabei, die Division 2025 mit Brückenprojekten in Sachen Führungsfähigkeit schnell konkurrenzfähig zu machen. Das ist der Schwerpunkt. Denn nur reale Kräfte produzieren reale Abschreckung. Die Kunst ist es, die Realisierung der Zielsysteme dabei nicht aus den Augen zu verlieren. Zielsysteme. das sind zum Beispiel die verlegefähigen und mobilen Rechenzentren, also GMN 1 und GMN 3. Das ist aber auch der dringend benötigte Richtfunk mit dem System TaWAN, Tactical Wide Area Network. Und das ist das Projekt Gefechtsstand Access Net, GAN. Des Weiteren laufen beim Kdo CIR Ergänzungsbeschaffungen und Verbesserungen im Projekt SatComBw Stufe 2, von denen wir stark profitieren. Noch nicht projektiert, aber ein Herzensthema, ist die Ausstattung der vorgezogenen Gefechtsstände von Division und Brigade mit D-LBO auf sogenannten Geschützten Beweglichen Führungseinrichtungen, kurz GBF. Damit würden wir das Gefecht aus Gefechtsständen heraus führen können, die während der Fahrt arbeitsbereit sind und keinerlei Auf- und Abbauzeiten mehr benötigen. So kann man jeden noch so schnellen OODA- Loop des Gegners unterlaufen. Was wir mit F&T jetzt zeitnah angehen müssen, ist das Thema Mikrosatelliten und

schaftsplan für das Sondervermögen. Was ich sagen kann, ist, dass D-LBO Basic noch dieses Jahr mit einer Auswahlentscheidung angeschoben wird. Verwiesen sei auch auf die laufenden Ausschreibungen im 1. Kräftedispositiv D-LBO sowie zum Soldatenfunkgerät VHF/UHF, die alle im Zeitplan sind. Da ist das BAAINBw richtig gut unterwegs. Und zuletzt bauen wir darauf, dass die von mir angesprochenen Hebel zur Sicherstellung der Führungsfähigkeit der Division 2025 Mitte 2022 so entschieden werden, dass über Ergänzungsbeschaffungen und das Ausschöpfen von Rahmenverträgen auch modernes Gerät wie das VS-Geheim fähige SVFuA ab 2023 vermehrt zuläuft. Behörden Spiegel: Parallel finden in anderen Bereichen ebenfalls Entwicklungen statt, beispielsweise eine Combat-Cloud im NGWS-Programm. Wie fließen die Erkenntnisse zusammen? Pieper: Das ist eine ausgezeichnete Frage zu einer äußerst komplexen Materie. Daher werde ich meine Antwort stark zuspitzen. Hier gilt es, vom richtigen Ende her auf das Problem zu schauen. Entscheidend wird es sein, dass die Zukunftsprojekte NGWS und FCAS, die echte Langläufer sind, nicht eigene disjunkte und pro­ prietäre Lösungen entwickeln, sondern vielmehr die jetzt im Rahmen der Digitalisierung aufgesetzten Korsettstangen in ihren Lösungen als Rahmenbedingungen setzen und diese berücksich-

Pieper: Unser Weg ist genau der richtige. Beschleunigung wird natürlich gern genommen. Und wenn Sie so wollen, ist D-LBO Basic genau ein Element dieser Beschleunigung. Was lehrt uns die Ukraine? Zunächst einmal die überragende Bedeutung von OSINT. Mit einer KI-gestützten Korrelation offener Quellen kann man mindestens ebenso gute Intelligence betreiben wie mit rein militärischen Sensoren. Und da bin ich wieder beim Thema Daten und KI. Wer in solchen Konflikten seine eigenen Daten nicht schnell und präzise mit OSINT-Daten korrelieren kann, gerät ins Hintertreffen. Was noch? Auf der anderen Seite zeigt die ukrainische Armee, wie man schon mit einer Teildigitalisierung bzw. Teilvernetzung unter Nutzung vor allem von UAV eine qualitativ und quantitativ überlegene Streitmacht bekämpfen kann. Millionenteures Großgerät, zerstört durch 100.000-Dollar- Drohnen. Das ist Realität und sollte uns in der Ausrichtung unserer Streitkräfte zu denken geben. Nun ist es offensichtlich, dass die Russen einen Großteil ihres Hightech-Geräts und ihre digitalisierten Kräfte in der Ukraine nicht einsetzen. Daher warne ich vor vorschnellen Schlüssen bezogen auf unsere technologische Überlegenheit. Dennoch zeigt der Krieg, dass Führung, Command und Control modern und digitalisiert sein müssen. Die Russen sind schwerfällig in der Operationsführung, u. a. auch deshalb, weil sie ihre Gefechtsstände viel zu langsam verlegen können und viel zu unbeweglich sind. Ceterum censeo: Wir brauchen mobile Gefechtsstände, um nicht im Fall der Fälle die gleichen Effekte zu haben!


Wehrtechnik

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Ausstehende Entscheidungen in der IT

MELDUNGEN

Kampfpanzer-Ringtausch (BS/df) Deutschland genehmigt weitere schwere Waffensysteme für die Ukraine. Wie das BMVg mitteilte, werden 15 Leopard2-A4-Kampfpanzer an Tschechien gehen, das dafür wiederum seine vorhandenen Kampfpanzer russischer Bauart an die Ukraine liefert. Das System firmiert mittlerweile unter dem Namen “Ringtausch”, obwohl es sich eigentlich um eine lineare Weitergabe von Systemen handelt. Deutschland begrüße die Absicht des tschechischen Staates, die Ukraine durch die Abgabe von schweren Waffen aus eigenen Beständen signifikant zu unterstützen, teilte das Verteidigungsministerium mit. Um keine Lücken in der Verteidigungsfähigkeit der Tschechischen Republik entstehen zu lassen, werde Deutschland diese Abgabe adäquat kompensieren. “Daher wird Deutschland die Lieferung von 15 Leopard-2-A4Panzern, die bei der deutschen Rüstungsindustrie stehen, einleiten”, führte das BMVg aus. “Die dabei entstehenden Kosten werden durch den deutschen Staat

getragen. Im Lieferumfang werden auch Munition und Ersatzteile sein. Hierzu werden gerade alle notwendigen Vereinbarungen vorbereitet.” Deutschland finanziert dabei nicht nur die Leoparden für Tschechien, sondern wird auch die tschechischen Soldatinnen und Soldaten an dem für sie neuen Kampfpanzer ausbilden. “Der Ringtausch mit Tschechien ist ein weiteres, sehr gutes Beispiel dafür, wie wir der Ukra­i­ ne schnell und unkompliziert in ihrem mutigen Kampf gegen die russische Aggression beistehen können. Tschechien liefert schwere Waffen, wir helfen beim Schließen der Lücken mit Leopard-Panzern aus deutschen Industriebeständen”, betonte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. “Wir werden zudem mit unseren tschechischen Verbündeten in Zukunft bei der Rüstung, aber auch bei der strukturellen Zusammenarbeit unserer Streitkräfte noch enger zusammenarbeiten. Das ist der richtige Weg, um Europas Rolle in der NATO zu stärken.”

Neuordnung der Sicherheit (BS/df) Beim Treffen der Chiefs of Defence der NATO wurde Mitte Mai deutlich, wozu das Bündnis in dieser aus militärischer Sicht vergleichsweise kurzen Zeit fähig ist. Der SACEUR, General Tod Wolters, stellte die Leistungen heraus, die, abgesehen von den Waffenlieferungen im Wert von über vier Milliarden Dollar an die Ukraine, seit dem russischen Angriff geleistet wurden. “Wir haben Elemente der NATO-Reaktionskräfte entsandt, um unsere Forward Defence zu stärken. Wir haben jetzt acht Gefechtsverbände unter NATO-Kommando, die entlang der Ostflanke stationiert sind”, beschrieb General Wolters. “Unter meiner Verantwortung als Supreme Allied Commander Europe befinden sich jetzt über 42.000 Soldaten und 120 Flugzeuge in höchster Alarmbereitschaft. Über 20 Schiffe sind einsatzbereit. Unser Heereskontingent hat sich verzehnfacht. Für die Luftverteidigung haben wir die Zahl der Kampfjets, die den Himmel patrouillieren, um 50 Prozent erhöht. Im maritimen Bereich haben wir die Standing Naval Forces aufgestockt. Die USA tragen nun mit mehr als 100.000 Soldaten zu unserer kol-

lektiven Verteidigung, zu unseren Bemühungen um Sicherheit und Abschreckung bei.” Während des Treffens wurden die anwesenden Chiefs of Defence auch durch den Befehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Generalleutnant Walerij Saluschnyj, über die Lage in seinem Land informiert. An diesem Teil der Sitzung nahmen ebenfalls Vertreter Schwedens und Finnlands teilt. Die beiden Länder hatten Mitte Mai gemeinsam ihre offiziellen Anträge auf Mitgliedschaft in der NATO gestellt. Zudem nahmen an einem weiteren Tagesordnungspunkt die Generalstabschefs von Australien, Japan, Neuseeland und Südkorea teil, um gemeinsam mit den Vertretern der NATO-Streitkräfte Reaktionsmöglichkeiten auf die neue globale Sicherheitslage zu erörtern. “Eines können wir mit Gewissheit sagen: Die Zeit ist nicht mehr unser Freund”, sagte Admiral Rob Bauer, Vorsitzender des Military Committee der NATO. “Da wir ein Verteidigungsbündnis sind, ist es in erster Linie unser Gegner, der den Zeitplan bestimmt. Und das bedeutet, dass wir immer bereit sein müssen, das Unerwartete zu erwarten.”

Das zu hoffnungsvolle Weltbild (BS/df) Der Ukraine-Krieg hat das sicherheitspolitische Gefüge der Welt erschüttert und die nordischen Länder befinden sich in besonders exponierter Lage. Der Behörden Spiegel veranstaltete daher in Zusammenarbeit mit dem Norwegischen Botschafter und PwC Strategy& (Germany) GmbH das BSC 2022 Pre-Event. Bei dieser Diskussionsrunde wurden die Auswirkungen und Handlungsmöglichkeiten eruiert. “Es ist unmöglich für uns, so weiterzumachen, wie wir es vorher gemacht haben”, sagte Torgeir Larsen, Botschafter des Königreichs Norwegen in Deutschland, zu den Beziehungen zwischen seinem Land und Russland. Nach dem Ende des Kalten Krieges habe man auf Kooperation, auf das Einhalten gemeinsamer Werte, auf eine friedliche Existenz neben- und miteinander gehofft. All dies sei durch den Angriff Russlands auf die Ukraine zerstört worden. “Wir kennen nicht die Konsequenzen”, sagte Larsen. Man wisse, dass die Konsequenzen für die gesamte Welt, für die Wirtschaft, die Menschen und das Zusammenleben groß sein werden. “Aber wie groß, das wissen wir nicht.”

General a. D. Hans-Lothar Domröse, in seiner letzten Verwendung Oberbefehlshaber des Allied Joint Force Command Brunssum, fokussierte den Kern der Erschütterung des Sicherheitsgefüges mit einem persönlichen Rückblick. Er habe sich bei seinen offiziellen Besuchen in den baltischen Staaten und Polen oftmals gewundert, warum er als deutscher General so gut behandelt werde. Und als Antwort bekommen: “Because you have changed.” “Von Adenauer bis heute Scholz, keinem Bundeskanzler würde man vorwerfen, dass er irgendwie auch nur annähernd Naziartig wäre”, betonte General a. D. Domröse. Das neue Deutschland und die Nachkriegsgenerationen seien als etwas anderes als das Naziregime anerkannt worden. Es habe die Aussöhnung gegeben. “Und das war der Gegensatz zu den Russen”, sagte General a. D. Domröse. Diese Botschaft habe er aus den osteuropäischen Ländern oftmals vernommen, dass Russland sich nicht geändert habe. Die Sendung ist auf www.digitaler-staat.online in der Mediathek unter dem Suchbegriff "Der Krieg in der Ukraine" abrufbar.

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Ergebnisse der AFCEA-Fachausstellung (BS/Dorothee Frank, Matthias Lorenz) “Überaus zufrieden” – so lautet das Fazit des Leiters der AFCEA-Fachausstellung, Friedrich W. Benz, im Nachgang der Ausstellung 2022, auf der so viele Menschen und Aussteller wie nie zuvor waren. Das Hauptdiskussionsthema waren natürlich die 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr. Spekulationen gab es genügend über die Verwendung, dennoch ist weiterhin nicht eindeutig, wie es mit vielen IT- und Digitalisierungsprojekten weitergeht. Oftmals stehen bei Programmen noch grundlegende Entscheidungen aus. Klar ist: Der Ball liegt meist im Feld der Bundeswehr beziehungsweise des BMVg. Als Beispiel kann das Programm “Zellulare Netze Verlegefähig” (ZNV) dienen. Ziel ist ein verlegefähiges, digitales Funknetz, welches sowohl mit TETRA als auch mit LTE arbeiten kann. Im Januar 2021 hatte der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hierfür 254 Millionen Euro freigegeben. Mit ZNV lassen sich die sichere Kommunikation und Datenverbindung sowohl stationär als auch verlegefähig realisieren. Hierfür sind in Containern die verschiedenen Elemente gebündelt, um Kommunikationsnetze unabhängig von jeglicher Infrastruktur aufzubauen. Genauer gesagt handelt es sich um ein zellulares Funksystem, welches Sprach- und Schmalbanddatenübertragung über den Bündelfunkstandard “Terrestrial Trunked Radio” (TETRA) abwickelt. Die breitbandige Datenübertragung erfolgt über den Mobilfunkstandard “Long Term Evolution” (LTE). Das damit aufgebaute Funknetz soll eine Reichweite von mehreren Kilometern haben, abhängig von topografischen Gegebenheiten. Das Projekt wird von der Firma Motorola umgesetzt. Zum genauen Sachstand konnte man auf der AFCEA-Fachausstellung jedoch keine Angaben machen. Das Projekt sei eine Herausforderung, heißt es. Man sei bemüht, Programmlücken in Absprache mit dem BAAINBw zu lösen. Auch was das Auftragsvolumen angehe, könne es noch Verschiebungen geben. Zweifel werden geäußert, ob von den 100 Milliarden etwas für Kommunikationssysteme übrigbleiben wird.

Tactical Core als Kern von D-LBO Fest steht: Es müssen Entscheidungen des BMVg folgen – beispielsweise bei der Digitalisierung Landbasierter Operationen (D-LBO). Im Rahmen von D-LBO liefert die Firma Blackned den sogenannten Tactical Core an die Bundeswehr. Das System stellt eine übergreifende Kommunikationsplattform dar, über das Informationen schnell weitergegeben werden sollen.

Durch die Nutzung von mobilen “Tactical Nodes” wie zum Beispiel Fahrzeugen entsteht ein mobiles Netzwerk, welches hardwareunabhängig funktionieren soll. Es soll damit eine aufwuchsfähige Middleware für aktuelle und künftige IT-Vorhaben geschaffen werden. Beim Tactical Core wurden bereits erste Meilensteine erreicht. In der Woche vor der Ausstellung habe man vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die Empfehlung für die VS-NfD-Freigabe erhalten, berichtet Maximilian Aster, Marketing Manager bei Blackned. Der finale Prozess werde wahrscheinlich im Sommer abgeschlossen sein. Des Weiteren führe man momentan mit der Bundeswehr monatlich Proofs of Concept durch. Hier würden immer verschiedene Szenarien erprobt, um zu testen, wie sich das System im Feld verhalte, beschrieb Aster. Doch im Projekt stößt man auch auf einige Herausforderungen. So soll der Soldat das System im besten Fall mit einem Consumer Product (meist ein Smartphone) nutzen, weil ihm dies eine einfache Benutzeroberfläche bietet. Getestet habe man das System beispielsweise mit einem Gerät der Firma Samsung, sagt Aster. Dies werde von Samsung nun aber gar nicht mehr hergestellt. Somit stellten lange Beschaffungsprozesse eine Herausforderung dar.

Kommende Meilensteine des Tactical Cores Als nächsten großen Meilenstein hat die Firma das Jahr 2023 in den Blick genommen. Dann sollen erste Panzerdivisionen mit dem System beliefert werden. Die Ausstattung der Panzerdivisionen sei der erste logische Schritt. Wann alle Panzerdivisionen über den Tactical Core verfügten, könne man zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht absehen. Zurzeit befindet man sich jedoch noch in der Entwicklungsphase. Mithilfe einer Partnerfirma (Immarsat) sollen demnächst auch Satelliten in das Netzwerk eingebunden werden können. Auch

An den Mobile Connection Hub können sich Soldaten mit ihren Endgeräten anschließen und mit Hardware-basierter Verschlüsselung Informationen laden, so die Idee von roda computer. Foto: BS/Matthias Lorenz

plane man, Waffensensorik in das System zu integrieren. Dies kann zum Beispiel in Kampfsituationen hilfreich sein. Feuert ein Soldat seine Waffe ab, meldet das System automatisch, um welchen Soldaten es sich handelt und gibt weitere Informationen wie den Standort durch.

Neue Entwicklungen aus der Industrie Weitere Firmen präsentierten bei der AFCEA-Fachausstellung Prototypen und zeigten, was möglich ist. So beispielsweise roda computer, wo man einen Mobile Connection hub entwickelt hat, von dem die Endgeräte der Soldaten sicher Informationen laden können. Momentan befinde man sich bei diesem noch in der Konzeptphase, erklärt ein Vertreter des Unternehmens. Um in die nächste Phase überzugehen (Weiterentwicklung, Anpassung), müsse die Bundeswehr nun genaue Anforderungen kommunizieren. Ähnliches gilt für das IT-Sicherheitspaket, welches roda in Kooperation mit der Softwarefirma Rohde & Schwarz entwickelt. Hier befindet man sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium, zur Zeit werden Komptabilitätstests durchgeführt. Das Ziel ist, robuste Geräte von roda mit der Festplattenverschlüsselung R&S Trusted Disk anzubieten.

Auch beim mobilen Gefechtsstand haben Unternehmen die Initiative ergriffen. Den Prototyp eines solchen, verbaut in einem PMMC G5 der Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft (FFG), zeigte der Gemeinschaftsstand von griffity defense und einigen Partnerfirmen bereits im vergangenen Jahr auf der Fachausstellung. Die Nachfrage nach einem mobilen Gefechtsstand sei bei der Bundeswehr auf jeden Fall da, so eine Vertreterin von griffity. Konkrete Anforderungen seitens der Armee gebe es jedoch nicht. Man selbst wäre bereit, den nächsten Schritt zu gehen und beispielsweise gemeinsam mit der Bundeswehr einen Prototyp zu bauen. Man habe gezeigt, was alles möglich sei.

Abbildung im Haushalt oder Sondervermögen So wurde auf der AFCEA-Fachausstellung vor allem deutlich, dass viele Unternehmen mit eigenen Innovationen internationale Trends aufgreifen. Eine weitere Erkenntnis lautet, dass der Einfluss des 100-Milliarden Euro-Sondervermögens auf die IT-Vorhaben der Bundeswehr noch nicht einschätzbar ist, auch von Fachleuten und Experten aus dem militärischen Bereich nicht. Denn obwohl die Digitalisierung der Enabler schlechthin ist, wurde in der Vergangenheit das Geld im Zweifelsfall doch in neue Panzer, Schiffe oder Flugzeuge statt in die vergleichsweise günstigen Vorhaben von Führungsunterstützung, Vernetzung oder Kommunikation investiert. Besonders das Heer war oftmals der Leidtragende, da sich durch den Investitionsstau die Summe für eine Erneuerung auf mehrere Milliarden Euro summiert hatte. Das Sondervermögen könnte es richten. Oder eine Investition von rund 500 Millionen Euro pro Jahr, abgebildet im regulären Haushalt des BMVg. Hiermit ließe sich die Führungsunterstützung auf ein modernes, resilientes und an neue Technologien adaptierbares Niveau heben. Ein Weiter-so kann und darf es für die Einheiten des Heeres zumindest nicht mehr geben.


Wehrtechnik

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Schützenpanzer Puma VJTF

MELDUNGEN

Fähigkeiten – Ausstattung – Modernisierung

Frankreichs erste Serval (BS/df) Anfang Mai hat das französische Heer die ersten geschützten Mehrzweckfahrzeuge (VBMR-L) Serval erhalten. Diese wurden im Rahmen des Scorpion-Programms zur Erneuerung der Armee entwickelt. Der Serval ist ein gepanzertes 4×4-Fahrzeug mit einem Gewicht von 15 bis 17 Tonnen. Er verfügt über einen vom Fahrraum aus fernbedienbaren Turm, Bedrohungsdetektoren und das Scorpion-Kampfinformationssystem (SICS), das es ermöglichen soll, die taktische Situation nahezu in Echtzeit mit den anderen Scorpion-Fahrzeugen zu teilen. Zusätzlich zu den zwei Besatzungsmitgliedern können bis zu acht mit dem Soldatensystem FELIN ausgestattete Infanteristen transportiert werden. Der Serval ist eines von vier neuen gepanzerten Fahrzeu-

gen – die weiteren sind Griffon, Jaguar und das Mörsersystem MEPAC  – die im Rahmen des Scorpion-Programms entwickelt wurden. Bis Ende 2020 wurden 364 Serval bei den Unternehmen Nexter und Texelis durch die französische Beschaffungsbehörde DGA bestellt. Insgesamt sollen bis 2030 978 Serval-Fahrzeuge, davon 70 im Jahr 2022, an das französische Heer ausgeliefert werden. Die Fahrzeuge sollen die alten VABs ersetzen, die seit über 40 Jahren im Einsatz sind. Der Serval soll in den französischen Eingreiftruppen, bei der leichten Infanterie sowie den Gebirgsjägern und Fallschirmjägern eingesetzt werden. Aufgrund seiner Größe und des Gewichts ist er auch gut luftverlegefähig. So können zwei Serval in Kampf­ reihenfolge mit einer A400M transportiert werden.

Programmierbare Carl-Gustav (BS/df) Bei Schießübungen zu Beginn des Monats präsentierte Saab vor Vertretern von 30 verschiedenen Nationen ein neues Feuerleitgerät mit der Bezeichnung FCD 558. Das ebenfalls gezeigte neue programmierbare Carl-Gustav-Geschoss HE 448 ist in der Lage, mit dem Feuerleitgerät 558 über ein Protokoll namens Firebolt zu kommunizieren. Das HE-448-Geschoss liefert dem

FCD 558 genaue Informationen über den Geschosstyp und die Treibladetemperatur und kombiniert diese mit der vom Bediener eingegebenen Zieldistanz, um die beste Flugbahn zu bestimmen. Dies bedeutet, dass die Bediener von Carl-Gustaf in der Lage sein werden, eine geladene Patrone schnell zu konfigurieren und so ihre operative Effektivität zu erhöhen.

Kommunikation der australischen Fregatten (BS/df) Die Fregatten des Hunter Class Frigate Program (HCFP) der Royal Australian Navy (RAN) erhalten ein integriertes Kommunikationssystem von Rohde & Schwarz Australien. BAE Systems Australia, die den Lead beim australischen Programm hat, erteilte den entsprechenden Auftrag zur Entwicklung und Herstellung an Rohde & Schwarz Australien. “Während des Jahres 2021 lag unser Schwerpunkt auf der Zusammenarbeit mit australischen Unternehmen zur Unterstützung des Prototypenbaus, um die Materialien und Dienstleistungen für den Bau der Prototypenblöcke in der hochmodernen Osborne Naval Shipyard in Südaustralien bereitzustellen”, sagte Craig Lockhart, Managing Director von BAE Systems Maritime Australia. “Da

wir nun die Überprüfung der Systemdefinition hinter uns haben, werden unsere Beziehungen zu den Originalherstellern deutlich zunehmen. Rohde & Schwarz wird grundlegende Design-Inputs für unsere Kommunikationsfähigkeit auf der Hunter liefern.” Der Head of Maritime Domain von Rohde & Schwarz Australia, Kieran McLaughlin, sagte, das Unternehmen werde die Erfahrungen aus der Integration seines Naval Integrated Communications System (NAVICS) in die Fregatte Type 26, die derzeit an die Royal Navy ausgeliefert wird, sowie in die Evolved Cape Class Patrol Boats (ECCPB) für die RAN nutzen. “Wir haben inzwischen mehr als 40 Marinen mit unseren skalierbaren, modularen und anpassbaren Lösungen beliefert”, betonte McLaughlin.

Thales übernimmt RUAG Simulation & Training (BS/df) Thales hat die Übernahme von RUAG Simulation & Training abgeschlossen. RUAG Simulation & Training hatte rund 500 Beschäftigte – darunter 50 in Deutschland am Standort Wedel  – sowie einen Umsatz von rund 90 Millionen Euro im Jahr 2021. “Die Konsolidierung wird die Präsenz von Thales insbesondere auf dem Markt für landbasierte Lösungen ergänzen und gleichzeitig die bewährten Fähigkeiten des Unternehmens bei Anwendungen für Hubschrauber und Militärflugzeuge stärken. Die Übernahme bietet darüber hi­ naus die Möglichkeit, den lokalen Fußabdruck in den wichtigsten Regionen (Frankreich, Schweiz, Deutschland und Großbritannien) zu festigen und in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Australien auszubauen”,

lautete die Mitteilung von Thales. Die Zusammenarbeit soll unter anderem die Entwicklung von Hybridlösungen der nächsten Generation beschleunigen, die hochwertige Live- und SynthetikFähigkeiten miteinander kombinieren werden. Nach Abschluss des formellen Übernahmeverfahrens wird der nächste Schritt darin bestehen, die Integration beider Unternehmen einzuleiten, um einen effizienteren Geschäftsbetrieb zu gewährleisten und gleichzeitig die Kontinuität der operativen Tätigkeiten für die Streitkräfte der verschienen Nationen zu gewährleisten. Diese Übernahme verbindet über 1.400 Beschäftige in sechs Ländern: Frankreich, Schweiz, Deutschland mit den Standorten Koblenz und Wedel bei Hamburg, Großbritannien, Vereinigte Arabische Emirate, und Australien.

Slowenien kauft Boxer (BS/df) Slowenien bestellte jüngst 45 Boxer in vier unterschiedlichen Varianten für 281,5 Millionen Euro. Die Auslieferung ist von 2024 bis 2026 vorgesehen. Der Boxer ist ein geschütztes 8×8-Radfahrzeug. Seine modulare Architektur sowie der stabile Rahmen erlauben eine sehr große Variantenvielfalt, die Bandbreite

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reicht vom Verwundetentransporter bis hin zur Integration eines fernbedienbaren Turms mit 30-mm-Maschinenkanone und Lenkflugkörper. Bisher sind über 1.500 Fahrzeuge in zwanzig unterschiedlichen Versionen für Australien, Deutschland, Großbritannien, Litauen und die Niederlande unter Vertrag.

(BS/Ronny Ittner*) Der Schützenpanzer (SPz) Puma ist das neue Gefechtsfahrzeug der Panzergrenadiertruppe des Heeres. Im Vergleich zu seinem Vorgänger besticht der SPz Puma durch sein hydropneumatisches Fahrwerk und sein entkoppeltes Laufwerk, welches eine höhere Agilität im Gelände zulässt. Des Weiteren verfügt er über eine voll stabilisierte Bordmaschinenkanone im Kaliber 30 mm, welche das Bekämpfen von Zielen bis zu einer Entfernung von 3.000 m auch während der Fahrt ermöglicht. Beim Faktor Schutz kann der SPz Puma mit reaktiven Modulen gegen Panzerabwehrhandwaffen und einem Multifunktionalen Selbstschutzsystem (MUSS) zur Abwehr von Panzerabwehrlenkraketen auftrumpfen.

Besonders herauszustellen ist die digitale Führungsfähigkeit des SPz Puma VJTF. Hier wurde zum ersten Mal ein vollständiges digitales System zum Führen des Gefechts in ein Kampffahrzeug der Bundeswehr integriert. Die Panzergrenadiere des Heeres werden im Verbund mit der Panzertruppe eingesetzt. Daher muss das Gefechtsfahrzeug der Panzergrenadiere in puncto Agilität, Mobilität und Schutz mit dem Kampfpanzer Leopard interoperabel sein.

Entwicklungsgeschichte Seit seiner konzeptionellen Entwicklung ab Mitte der 1990erJahre wird das System durch die Weiterentwicklung der Panzertruppen eng begleitet. Seit dem Beginn der Auslieferung im Jahr 2015 wurden bisher 350 Fahrzeuge an die Bundeswehr übergeben. Der SPz Puma ersetzt den seit 1971 im Dienst befindlichen SPz Marder. Die Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung führte dazu, dass beim SPz Puma einige noch in Entwicklung befindliche Anteile vorgezogen werden mussten, welche durch die Zeit der Stabilisierungsoperationen, insbesondere des Einsatzes in Afghanistan, zurückgestellt waren. Somit wurde der SPz Puma VJTF konzipiert. Dieser stellt eine erhebliche Leistungssteigerung im Vergleich zum Seriensystem dar. Die noch verbliebenen Herausforderungen sind inhaltlich und zeitlich beherrschbar, sodass unter Verpflichtung aller Prozessbeteiligten mit klarem Arbeits- und Zeitplan, die Abstellung der verbliebenen Defizite vereinbart werden konnte. Ein fester Wille, gemeinsam – d. h. Amtsseite, Industrie und Truppe – auf der Basis festgeschriebener Meilensteine den Durchbruch hin zur Einsatzreife des Systems zu erreichen, wurde festgelegt. Dieses vom Managementprozess (CPM) grundsätzlich abweichende Vorgehen auf Basis eines gemeinsamen Meilensteinplans mit enger Begleitung aller Schritte durch die Verantwortlichen für die Weiterentwicklung, erbrachte dann den entscheidenden und raschen Erfolg. Im Jahr 2023 stellt Deutschland die Very High Readiness Joint Task Force 2023 (VJTF 2023) Land im Rahmen der NATO Response Force. Hier wird auch erstmals der SPz Puma VJTF eingesetzt. Im Rahmen der taktischen Nachuntersuchung im Februar 2021 wurde die taktische Kriegstauglichkeit des SPz Puma VJTF 2023 durch die Gruppe Weiterentwicklung Panzertruppen im Amt für Heeresentwicklung festgestellt. Der Weg zum Einsatz des Systems in der VJTF 2023 war geebnet.

Panzerabwehrfähigkeit Mit der voll integrierten Waffenanlage “Mehrrollenfähiges Leichtes Lenkflugkörpersystem” (MELLS) verfügt der SPz Puma VJTF als erster Schützenpanzer der Bundeswehr über ein System, welches es erlaubt, Panzerabwehrlenkraketen ohne weitere Vorbereitungen im Gefecht direkt vom Kommandanten- oder Richtschützenplatz aus abzufeuern und zu lenken. Die Waffenanlage verfügt über zwei

Panzerabwehrlenkflugkörper vom Typ Spike LR1, welche es dem Richtschützen ermöglichen, Ziele mit hohem Schutzniveau auf eine Entfernung von bis zu 4.000 m zu bekämpfen. Nach Abschuss des Lenkflugkörpers (LFK) hat der Schütze drei Varianten der Zielbekämpfung. Bei Variante eins wird der LFK von Hand ins Ziel gesteuert, im Gegensatz dazu kann bei Variante zwei ein markiertes Ziel selbst angesteuert und dieses bei Bedarf gewechselt oder die Flugbahn manuell korrigiert werden. Hierbei kann zwischen den Modi “Tagsicht” und der “Wärmebildsicht” gewählt werden. Gesteuert wird der LFK mittels Draht, welcher während der Flugphase abgerollt wird. Als Variante drei ist der “Fire and Forget”-Modus wählbar, hierbei steuert der LFK selbstständig ein markiertes Ziel an, ein Eingreifen ist nach Abschuss nicht mehr möglich. Mit der Fähigkeit, Panzerabwehrlenkflugkörper zu verschießen, kann sich der SPz Puma VJTF nun auch gegen Kampfpanzer zur Wehr setzen, was zum Beispiel im Flankenschutz einen deutlichen Vorteil darstellt. So erhöht sich der Einsatzwert des SPz Puma VJTF gegenüber Kampfpanzern deutlich.

Mit dem “Mehrrollenfähigen Leichten Lenkflugkörpersystem” (MELLS) besitzt der SPz Puma VJTF eine wirksame Panzerabwehrwaffe. Foto: BS/Bundeswehr, Andreas Heep

nen Soldaten (Gladius) und eines für die Schützenpanzer (FISH), wurden durch das gemeinsame Battle-Management-System (BMS) Tacnet für den gesamten Panzergrenadierzug ersetzt. Der SPz Puma VJTF ist jetzt mit bis zu vier digitalen und zwei analogen Funkgerät ausgestattet. Das BMS Tacnet ermöglicht dem Zugführer, seine Schützenpanzer und abgesessenen Schützentruppsoldaten auf einer digitalen Lagekarte in Echtzeit zu erkennen (Blue Force Tracking). Es ist somit ein hilfreiches Mittel zur Planung des weiteren Vorgehens. Die abgesessenen Schützen verfügen je nach Aufgabenbereich

Der SPz Puma bildet mit dem System Panzergrenadier eine Einheit, vernetzt und auf die jeweiligen Anforderungen anpassbar. Foto: BS/Bundeswehr, Ralf Zwilling

Verbesserte Aufklärungsfähigkeit Durch eine umfassende Modernisierung der Sichtsysteme von Panzerwanne und Turm wird eine merkliche Verbesserung der Aufklärungsfähigkeit der Besatzung bewirkt. Die bisherigen Sichten für Kommandant und Richtschütze wurden von SchwarzWeiß auf Farbe umgestellt. Für den Kraftfahrer wurde zusätzlich zu den für Panzer üblichen Winkelspiegeln ein Kamera-Monitor-System installiert, welches ihm zur besseren Orientierung beim Fahren dienen soll. Elf Kameramodule ermöglichen via Farb- und Wärmebild eine 360°-Sicht um den Schützenpanzer herum und bieten eine optimale Grundlage zur Steuerung, Führung und Aufklärung. Neben dem Richtschützen, Kommandanten und Kraftfahrer verfügen ebenso die aufgesessenen Schützen unabhängig voneinander über zwei Bildschirme mit Touch-Funktion. Darauf können Auffälligkeiten im Gelände direkt und schnell markiert und dem Kommandanten übermittelt und angezeigt werden. Durch die verbesserten Sichtsysteme ist es nun einfacher, sich im Gelände auch unter Luke zu orientieren und Bedrohungen früher zu erkennen.

Führungsfähigkeit Auch die Führungsfähigkeit des SPz Puma VJTF wurde im Rahmen der Modernisierung angepasst. Es wurden neue digitale Funkgeräte integriert. Zwei eigenständige, unabhängige Systeme, eines für die abgesesse-

über bis zu zwei Funkgeräte, ein robustes Tablet sowie ein “Headup-Display”. Da inzwischen jeder Soldat über eine Funkanbindung verfügt, die in den Gehörschutz integriert ist, ist die Kommunikation innerhalb der Gruppe ohne Sichtverbindung und trotz eines erhöhten Lärmpegels möglich.

Duellsimulation Mit der Variante VJTF wurde an den SPz Puma ein System zur Duellsimulation adaptiert. Die meisten Fahrzeuge und Handwaffen der Bundeswehr verfügen über diese Möglichkeit. Um hier also uneingeschränkt an Übungen teilnehmen zu können, war die Fähigkeit zur Duellsimulation ein notwendiger Bestandteil für eine vollumfängliche Nutzung des SPz Puma VJTF. Die Simulation des Duells wird auf Grundlage eines Lasers, der den Schuss darstellt, und Sensoren sowie Reflektoren an Fahrzeugen, welche die Laserstrahlen erkennen und reflektieren, umgesetzt. Jeder Schuss vom Schützenpanzer sendet einen Laserstrahl zum Ziel, den dieses reflektiert. Da jedes Sensormodul auf eine bestimmte Position am Schützenpanzer programmiert ist, wird die Trefferinformation zum einen an den Schützen zurückgesendet und zum anderen an den Getroffenen weitergeleitet. Somit haben alle Übungsteilnehmer die notwendigen Informationen, um realitätsnah üben zu können. Grundlage für die Waffenwirkung im Ziel ist ein Verwundbarkeitsmodell, welches Informationen zur Waffe, Munition und

zum Ort des Treffers auswertet und den erwarteten Schaden berechnet. Beim SPz Puma VJTF sind nun auch Module vorhanden, welche den Beschuss an das Fahrzeuginnere weiterleiten und auf Grundlage des Verwundbarkeitsmodells Reaktionen der Simulationssysteme der Soldaten hervorrufen. Wie bereits erwähnt, haben die meisten Fahrzeuge der Bundeswehr die Fähigkeit zur Duellsimulation, jedoch mussten die Module beispielsweise beim Schützenpanzer Marder aufwendig angebracht und verkabelt werden. Beim SPz Puma VJTF werden die Sensormodule batteriebetrieben und verbinden sich kabellos mit der Bedieneinheit. Somit ist das Einrüsten mit drei Soldaten schnell und benutzerfreundlich realisierbar. Aus ökonomischen Gründen wurde beim SPz Puma die Entscheidung getroffen, anstelle von Manöverpatronen, welche bisher den Geschossknall und Blitz simuliert haben, einen Lautsprecher und eine Blitzleuchte zu montieren. Diese Möglichkeit zur Simulation von Schüssen besteht in Zukunft auch außerhalb der Duellsimulation. Die Bedienung läuft nach Start des Simulationsmodus identisch zur Bedienung im “scharfen” Einsatz. Schüsse werden je nach Munitionsart auf dem Zielbildschirm dargestellt, wobei keine weiteren Anbauten im Fahrzeug notwendig sind. Die Fähigkeit zur Duellsimulation ermöglicht es, Übungen dynamisch und realitätsnah zu gestalten. Gerade durch die einfache Bedienung und Anwendung sind die natürlichen Abläufe kaum eingeschränkt und werden somit dem Grundsatz “übe wie du kämpfst” gerecht.

Schlusswort Der Schützenpanzer Puma VJTF ist hoch mobil und kann sich selbst gegen Ziele mit hohem Schutzniveau zur Wehr setzen. Mit seinen zahlreichen Aufklärungsmitteln, im Verbund mit der modernisierten Führungsfähigkeit, verfügt dieser Schützenpanzer über ein umfassendes Lagebild. Somit ist der SPz Puma VJTF ein Begleiter für den Kampfpanzer Leopard 2 auf Augenhöhe, auch wenn es im Rahmen der Einführung einige Herausforderungen für Gerät und Truppe zu bewältigen galt. Der Schützenpanzer Puma VJTF stellt mit seinen neu erlangten Fähigkeiten einen Meilenstein in der Entwicklung der deutschen Panzertruppen dar. Im nächsten Schritt wird der durch den SPz Puma VJTF erlangte Fähigkeitsgewinn auch in den Serienfahrzeugen umgesetzt, dann als (Nachrüstmaßnahme) zum SPz Puma S1. *Hauptmann Ronny Ittner ist Dezernent für die Panzergrenadiertruppe im Amt für Heeresentwicklung


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Behörden Spiegel / Juni 2022

S

tatt mit Kollegen im Fachgespräch hört er sich nun die fantastischsten Geschichten der Kinder an. Anstelle von Geschäftsreisen stehen Ausflüge zum Köln-Bonner Flughafen oder zur Hüpfburgstadt auf der Tagesordnung. Online-Meetings hat er gegen Bastelarbeiten, den Mittagssnack gegen gemeinsames Hohes-C-Pudding-Kochen und die Ruhe am Schreibtisch gegen Weinen, Schreien, aber – und vor allem – gegen ganz viel Lachen eingetauscht. Wie kam es zu dieser Wende in Michael Debies beruflicher Laufbahn? Der 60-jährige Wirtschaftswissenschaftler hatte die Chance, als insichbeurlaubter Beamter aus einem der drei Postnachfolgeunternehmen ein spezielles Programm, den “Engagierten Ruhestand” in Anspruch zu nehmen. Hier hat man die Möglichkeit, ab dem vollendeten 55. Lebensjahr mit nur geringen Abschlägen in den Vorruhestand zu gehen, wenn man einen zwölfmonatigen Bundesfreiwilligendienst, oder 1.000 Einsatzstunden bei einer gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Einrichtung leistet. Die Regelung soll laut Willen der Bundesregierung kostenneutral für den Bundeshaushalt sein. Die Postnachfolgeunternehmen sind dazu verpflichtet, die finanziellen Mehrbelastungen aus dem vorzeitigen Beginn des Ruhestands dem Bund voll zu erstatten. So kam es, dass Michael Debie jetzt in Bonn in einer katholischen Kindertagesstätte sein soziales Engagement erbringt. “Ich finde das sehr gut, dass man auf die Idee des Engagierten Ruhestandes gekommen ist und sich die Beamten nicht einfach so in den vorzeitigen Ruhestand verabschieden. Insbesondere für die sozialen Einrichtungen ist das ein großer Gewinn”, betont er.

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Als Beamter in der Privatwirtschaft Von der Bundespost zur Telekom AG – und jetzt in der Kita (BS/Lora Köstler-Messaoudi) An diesem Montagmorgen sitzt Michael Debie in der Frühe vor einer gelben Minion-Brotdose auf einem kleinen Stuhl an einem ebenso kleinen Tisch zusammen mit einer ganz und gar nicht kleinen Schaar Kindergartenkinder. Alle im Alter zwischen zwei und sechs Jahren. Noch wenige Wochen zuvor hat er als sogenannter “Senior Expert” als betriebswirtschaftlicher Berater für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und für die Mitbestimmungsgremien, also den Konzernbetriebsrat, die Gesamtbetriebsräte und den Europäischen Betriebsrat, in der Konzernzentrale der Deutschen Telekom in Bonn gearbeitet .

Reparieren, spielen, aufräumen: Bevor er in den Ruhestand geht, wagte Michael Debie noch einmal einen Perspektivenwechsel. Er arbeitet für 1.000 Stunden in einer Kindertagesstätte und stellt fest, dass er nicht nur mit Zahlen, sondern auch mit Kindern “sehr gut kann”.

Fotos: BS/lkm/privat

Doch zum Einsatz in der Haus-

Rechnungswesen auskannten.

-Experte des Konzernbetriebsra-

da die Kölner Postämter zu der Zeit hohe Personalfehlbestände hatten und deshalb vor allem die ledigen Beamtenanwärter nach Köln versetzt wurden. So war der erste Einsatz für Michael Debie in der Organisationsstelle des damaligen Paketpostamts Köln 2 in Köln-Deutz. “Heute würde man das die Strategieabteilung nennen und das war auch mein Sprungbrett”, erklärt er. Die Deutsche Bundespost hatte damals eine eigene Bank, den “Post- Spar- und Darlehnsverein Köln”, heute die PSD Bank Köln eG. Hier bewarb sich Michael Debie und war von 1991 bis 1992 in der Abteilung Hypotheken und Baufinanzierung tätig.

aber in kürzester Zeit eine HGBkonforme Bilanz vorliegen, damit das Unternehmen an die Börse gehen konnte”, erklärt Michael Debie. Er bewarb sich also 1992 über die Oberpostdirektion Köln und wurde direkt Unterabteilungsleiter für Finanzen in der Telekom-Niederlassung Aachen. Als sein Vorgesetzter in Rente ging, wurde er Abteilungsleiter Finanzen der Niederlassung. Sieben Jahre später wurde die Niederlassung jedoch im Rahmen einer Zentralisierung mit den Niederlassungen Düren und Mönchengladbach zusammengelegt. Das hatte zur Folge, dass von drei Abteilungsleitern Finanzen nur einer gebraucht wurde. “Ich war damals zu jung und damit überzählig”, so der damals 38-Jährige. Sein Niederlassungsleiter gab ihm daraufhin den Tipp, dass der damalige Konzernbetriebsratschef Wilhelm Wegner noch einen Experten in Betriebswirtschaft suchte. So kam es, dass Michael Debie ab 1998 Senior

bis zum Vorruhestand. “Es war eine wahnsinnig spannende Zeit. Das war für mich genau der richtige Schritt”, so Michael Debie. Die Deutsche Telekom hat sich sehr schnell von einem ehemaligen Staatsunternehmen in ein börsennotiertes Unternehmen gewandelt und ist in den letzten 25 Jahren rasant, auch über Deutschland hinaus, gewachsen. Wer Michael Debie über diese Zeit reden hört, merkt, mit wie viel Elan und Herzblut er hier mit dabei war. Noch heute kennt er die wichtigen Bilanzzahlen aus seiner aktiven Zeit und spricht von “wir”, wenn er über die Telekom redet. Er berichtet mit Stolz von erfolgreichen Unternehmensund Globalisierungsstrategien der Telekom und darüber, was die Telekom für den Standort Deutschland tut. “Es gibt kein Kommunikationsunternehmen in Deutschland, dass mehr investiert als die Deutsche Telekom”, so Michael Debie. Allein in Deutschland investiere der

Von der Elektro- und Lampen­ verwaltung im Hauptpostamt Bisher buchte die Behörde ja tes bei der Deutschen Telekom abteilung zur Bundespost Aachen kam es dann doch nicht, nur kameralistisch. Nun musste wurde. Hier blieb er dann auch

Angefangen hat Michael Debie seine berufliche Laufbahn mit einer kaufmännischen Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann in Aachen, seinem Geburtsort. Er arbeitete dort bei der damals viertgrößten deutschen Kaufhauskette, der Horten AG, in der Elektro- und Lampenabteilung. Doch schon früh war ihm klar, dass er mehr wollte. Als sich die Chance bot, fing Michael Debie deshalb ein BWL-Studium mit Schwerpunkt Finanzen und Rechnungswesen an der RWTH Aachen an. Nach seinem Diplom im Jahr 1987 arbeitete er zunächst für einen Immobilienmakler in Mönchengladbach, doch auch hier wollte er nicht für immer bleiben. Als er erfuhr, dass die Deutsche Bundespost Betriebswirte für den gehobenen Dienst sucht, bewarb er sich deshalb im Jahr 1988 dort – mit Erfolg. Trotz seines BWL-Studiums musste Michael Debie dort noch eine 14-monatige Anwärterzeit mit Laufbahnprüfung absolvieren. “Ich hatte keine Wahl, ich musste diese Ausbildung machen”, so Michael Debie, der damit aber auch ein zweites Diplom zum Verwaltungswirt in der Tasche hatte und Bundesbeamter auf Lebenszeit wurde. Noch während seiner Anwärterzeit trat 1989 die Postreform I in Kraft. Mit ihr wurde die bis dahin einheitliche Deutsche Bundespost in die Deutsche Bundespost Postdienst, die Deutsche Bundespost Postbank sowie die Deutsche Bundespost Telekom aufgespalten. Michael Debie kam per Los zum Postdienst. Hier war er für die Hausverwaltung (heute: Facility-Management) eingeplant und machte dafür extra einen Postführerschein. “Man durfte die gelben VW-Autos nicht fahren, wenn man diesen Führerschein nicht hatte”, erinnert sich Michael Debie lachend.

“Ich war zu jung und überzählig” 1993 ereilte ihn die Postreform II, in deren Zuge die Deutsche Telekom 1995 eine Aktiengesellschaft wurde. “Man hat dort händeringend nach Betriebswirten gesucht, die sich mit

Insichbeurlaubung (BS/lkm) Die Insichbeurlaubung ist ein Sonderfall der Beurlaubungsregelungen im deutschen Beamtenrecht. Sie ist ein Spezialfall eines Sonderurlaubs unter Wegfall der Besoldung. Die aus der Postreform II hervorgegangenen Postnachfolgeunternehmen Deutsche Telekom AG, Deutsche Post AG und Deutsche Postbank AG haben die bei der Deutschen Bundespost beschäftigten Beamten übernehmen müssen (Art. 143b GG). Bei einer Insichbeurlaubung ruht die Verpflichtung zur Amtsausübung im übertragenen Amt, aber der Beamtenstatus bleibt erhalten. Der Beamte ist weiterhin beihilfe- und pensionsberechtigt und von der Arbeitslosenversicherung befreit. Die Regelung soll die personelle Beweglichkeit erhöhen, indem sie den neu gegründeten Aktiengesellschaften ermöglicht, bei ihnen beschäftigte Beamte befristet zu beurlauben und zugleich mit ihnen Arbeitsverträge zu schließen, die nicht den Zwängen des öffentlichen Dienstrechts unterliegen. In versorgungsrechtlicher Hinsicht wird mit

der Anrechnung der Beurlaubungszeit auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit erreicht, dass die Versorgungsanwartschaften der Beamten fortgeführt werden. Sie haben somit keine negativen Auswirkungen auf die spätere Versorgung. Die Zeit der Beurlaubung wird auch in die Berechnung des Besoldungsdienstalters einbezogen, das für die Bemessung des Grundgehalts der Beamtenbezüge maßgebend ist. Beamte können schließlich in der Insichbeurlaubung im Rahmen einer regelmäßigen Laufbahnentwicklung auch befördert werden, wenn sie dort eine höherwertige Tätigkeit ausüben und nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung befördert werden könnten. Der beamtenrechtliche Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung bleibt erhalten. Die Bewilligung der Insichbeurlaubung setzt dieZustimmung des betroffenen Beamten voraus. Es besteht kein Anspruch auf eine Insichbeurlaubung. Ihre Genehmigung steht im Ermessen des Dienstherrn.

Konzern mehr als vier Milliarden Euro jährlich, weltweit seien es pro Jahr 18 Milliarden Euro (jeweils ohne Investitionen in das Frequenzspektrum)

Beamtenstatus nicht öffentlich gemacht Scherzhaft merkt Michael Debie aber auch an, dass es besser gewesen sei, wenn man innerhalb der Telekom in den letzten 26 Jahren nicht unbedingt öffentlich gemacht habe, dass man Beamter sei. “In meiner E-Mail-Signatur habe ich den Diplom-Verwaltungswirt lieber rausgenommen. Der Status als insichbeurlaubter Beamter, bei dem das aktive Beamtenverhältnis ruht, mit einem außertariflichen Arbeitsvertrag bot für mich eine leistungsorientierte Bezahlung nach den Regeln der freien Marktwirtschaft mit variablen Gehaltsbestandteilen nach persönlicher Zielerreichung. Insofern bereue ich nicht, dass ich seiner Zeit mit sehr geringen Anwärterbezügen bei der Deutschen Bundespost begonnen habe und später im Vergleich zu den Angestellten mit geringeren Beamtenbezügen entlohnt wurde.” Das seit 1996 bei der Deutschen Telekom eingeführte Instrument der “insichbeurlaubung” habe ihn finanziell gegenüber den Angestellten in leitenden Funktionen nicht benachteiligt und biete ihm jetzt als Beamten die Möglichkeit, das Angebot des Engagierten Ruhestands anzunehmen, so Michael Debie. Nicht alle Beamten sind wie Michael Debie bei der Telekom geblieben. Im Zuge der Flüchtlingswelle wechselten 2015 viele Beamte in die Stadtverwaltungen, um hier bei den Asylverfahren zu unterstützen. “Die Telekom hat diesen Kolleginnen und Kollegen entsprechende “Rucksäcke” für den Wechsel mit auf den Weg gegeben, wie z. B. die Beibehaltung der aktuellen Beamtenbezüge auch bei unterwertiger Beschäftigung in den Verwaltungen oder eine Rückkehr in den Konzern innerhalb einer “Probezeit”.” Er hätte auch Lehrer werden können, dieses Angebot gab es von der Telekom auch. Eine gute Freundin von ihm habe sich für diese Laufbahn entschieden und sei mittlerweile Studiendirektorin (A 15) an einem Berufskolleg. Generell findet Michael Debie immer wieder lobende Worte für die Telekom und ihren Umgang mit den Beamten im Konzern: “Die Telekom investiert seit 2016 bis 2024 jährlich bis zu 1,4 Milliarden Euro für den Vorruhestand ihrer Beamten, das

ist nicht wenig.” Aktuell arbeitet Michael Debie unentgeltlich für die Kita St. Adelheid Bonn, weil er als Ruheständler bereits seine Pension mit geringen Abzügen (ca. 8,8 Prozent) erhält, den Rest übernehme die Telekom (ca. zehn Prozent). Auf den Kindergarten ist er eher durch einen Zufall gekommen. Eine Zahnarzthelferin gab ihm den Tipp, dort einmal anzurufen. Nach einem Schnuppertag entschied er sich direkt für diese Kita, obwohl es noch andere gab, zu denen er morgens einen nicht so weiten Weg hätte. “Es gefiel mir hier von Anfang an, ich komme sehr gut mit der Kita-Leiterin und auch mit den Kolleginnen klar”, so Michael Debie. Obwohl es zu Beginn auch Vorbehalte im Team gab: “Man fragte sich schon, "Was will denn jetzt ein Verwaltungsbeamter bei uns?“, berichtet er und muss lachen. Trotz dieser anfänglichen Skepsis seien die Erzieherinnen alle angenehm von ihm überrascht. “Vor allem von meinen handwerklichen Fähigkeiten”, scherzt er. “Ich hänge Spannseile und Regale auf und repariere kaputtes Spielzeug.” Doch nicht nur das, der Verwaltungsbeamte bring viel Humor mit in die Kita und findet Gefallen auch an einfachen Aufgaben. “Ich bringe gern das Geschirr zur Spüle, denn dort trifft man sich mit den Kolleginnen aus den anderen Gruppen in der Kita und kann sich austauschen. Auch wenn Seife oder Toilettenpapier aufgefüllt werden muss oder der Müll rausgebracht werden soll, mache ich das immer ohne Aufforderung. Immerhin sind die Kolleginnen die Fachkräfte, sie sollen durch mich mehr Zeit für die Kinder haben und ich mache den Rest.” Doch auch mit den Kindern kann Michael Debie sehr gut. Nie sieht man ihn draußen, ohne dass er nicht mit den Kleinen in Aktion ist. “Das Turnen mit den Kindern macht mir sehr viel Spaß”, erzählt Michael Debie ,der auch privat viel Sport macht. Auch Brot bäckt er mit den Kindern. Hierfür bringt er seine eigene Mühle und Knetmaschine mit und mahlt mit ihnen gemeinsam Mehl für den Teig. “Viele Kinder haben vorher noch nie gesehen, wie Körner aussehen”, erklärt Michael Debie. Eine Erzieherin unterstütze ihn dabei, indem sie Bilder von verschiedenen Kornarten sammele und den Kindern die Unterschiede erkläre.

Zu geringer Lohn “Manchmal sage ich, dass ich meinen Beruf verfehlt habe, weil ich das hier mit den Kindern so gerne mache”, meint Michael Debie. Eigentlich plant er nach seiner Zeit bei der Kita eine Weltreise mit seinem Wohnmobil. Da dieses aufgrund von Lieferengpässen aber noch auf sich warten lässt, will er – nachdem er die 1.000 Stunden geleistet hat – evtl. weiter für die Kita als Springer zur Verfügung stehen. Dabei gibt er aber auch zu bedenken: “Ich mache das hier für eine überschaubare Zeit, denn langfristig ist es schon eine große Herausforderung, mit diesem Lärmpegel und der hohen körperlichen Anstrengung umzugehen.” Sobald man in der Kita ankomme, sei man Ansprechpartner; sich wie im Büro zurückzuziehen, ginge hier nicht. “Die Kinder nehmen keine Rücksicht darauf, ob du erst noch die Schuhe ausziehen musst.” Er findet es deshalb nicht gerecht, wenn man Investmentberatern, Bankern oder auch Börsenmaklern, denen man sein Geld anvertraue, mehr als das Doppelte bzw. Dreifache an Geld gebe, als den Erzieherinnen, denen man die eignen Kinder anvertraue. “Die Gesellschaft sollte darüber einmal nachdenken”, findet Michael Debie: “Das ist sauer verdientes Geld für eine so wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe!”


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DIE RICHTIGE WAHL FÜR DEUTSCHLAND Der H-47 Chinook steht schon heute als risikoarme und zuverlässige Lösung für Deutschlands SchwerlastMissionen bereit. Über 6 Millionen absolvierte Flugstunden und mehr als 950 Chinooks im weltweiten Einsatz belegen seine Erschwinglichkeit und unerreichte Einsatzvielfalt. Der Chinook kann unter den härtesten Bedingungen und in den anspruchsvollsten Umgebungen fliegen und somit auch die herausforderndsten Missionen der deutschen Bundeswehr problemlos erfüllen. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Interoperabilität mit den

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