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Zukunft des Sanitätsdienstes und der Streitkräftebasis .................... Seite

Die (Luft-)Verteidigung der eigenen Grenzen

Der lange Weg zu den früheren Fähigkeiten

(BS/Dorothee Frank) Die Ukraine reagiert auf den schwelenden Konflikt mit Mobilisierung und Aufrüstung, nachdem ihr der internationale Zusammenhalt ein zu unsicheres Pfund zu sein scheint. Mehrere Länder liefern Panzerabwehrwaffen, vor allem Javelin. Neben der Panzerabwehr soll auch die Luftverteidigung ausgebaut werden, wofür die bereits gelieferten Stinger kaum ausreichen. Es braucht modernere, größere Systeme, über die auch Deutschland nur begrenzt verfügt.

Es ist kein großes Geheimnis: Die deutsche Luftverteidigung ist aktuell in einem schlechten Zustand. Bei der Luftverteidigung sind dabei im Kern drei große Bereiche zu betrachten: Abwehr ballistischer Langstreckenraketen, Abwehr von Flugzeugen und ihnen ähnelnden unbemannten Systemen sowie Lenkflugkörpern, Nächstbereichsverteidigung gegen Hubschrauber sowie tieffliegenden Systeme. Raketenabwehr

Die Abwehr ballistischer Langstreckenraketen ist gewissermaßen die Königsdisziplin, da es sich bei diesen fast ausschließlich um nuklear bestückte Wirkmittel handelt, die ganze Städte ausradieren können. Die Bekämpfung sollte im sogenannten Upper Tier, also außerhalb der Atmosphäre, mit einem Direkttreffer geschehen, damit kein nuklearer Fallout trotz Vernichtung der Rakete Schaden anrichtet. Für diese Königsdisziplin sollte MEADS kommen, später in TLVS umgewandelt. Doch es kam nicht. Aktuell verfügt Deutschland über zwölf Patriot-Systeme, die ab 1989 der Bundeswehr zuliefen. Viel hängt allerdings vom Lenkflugkörper ab: Modernisierte Patriots könnten mit dem ursprünglich für MEADS entwickelten Lenkflugkörper PAC-3 MSE die Raketenabwehr sehr gut übernehmen. Weshalb im vergangenen 13. Rüstungsbericht vom Mai 2021 auch zu lesen war: “Im fachlichen Vorschlag des BMVg an das Parlament zur zukünftigen Ausrichtung der bodengebundenen Luftverteidigung wird TLVS planerisch als nachrangig gegenüber der Modernisierung Patriot und dem Luftverteidigungssystem Nah- und Nächstbereichsschutz bewertet.” Allerdings sind die Lenkflugkörper PAC-3 MSE teuer und müssten über einen Foreign Military Sale der USA beschafft werden. Im 14. Rüstungsbericht, der am 13. Januar 2022 veröffentlicht wurde, taucht der Name PAC-3 MSE noch nicht einmal mehr auf. Stattdessen ist dort in Bezug zu TLVS zu lesen: “Da erst mit Aufstellung des Haushaltes 2022/55. Finanzplan hinsichtlich der Finanzierung und in Folge zum weiteren Vorgehen im Projekt TLVS entschieden wird, ruhen die beiden Vergabeverfahren für die Realisierung TLVS mit der Bietergemeinschaft TLVS und der Diehl Defence sowie der Foreign Military Sales Case mit der US-Regierung.” Es gibt also vorerst keine ballistische Raketenabwehr für Deutschland.

Das Flugabwehrraketengeschwader 1 “Schleswig-Holstein” mit Patriot auf der NATO Missile Firing Installation (NAMFI) auf Kreta Foto: BS/Bundeswehr, Nurgün Ekmekcibasi

Klassische Luftverteidigung

Nun wird auch Russland die Ukraine wahrscheinlich nicht mit nuklear-ballistischen Raketen angreifen, viel wahrscheinlicher ist der reine Einsatz der Luftwaffe. Um Flugzeuge abzuwehren, braucht es einen Flächenschutz, den auch die deutschen PatriotSysteme leisten könnten, obwohl es hierfür eine größere Stückzahl bräuchte. Im Rahmen der MEADS-Entwicklung war allerdings auch ein deutsches Unternehmen damit beauftragt worden, ein modulares, verlegefähiges, modernes und günstiges Luftverteidigungssystem zu entwickeln. Diehl Defence erfüllte diesen Auftrag und schloss 2014 die Entwicklung von IRIS-T SL (Surface Launched) ab. Das System gibt es in zwei Versionen. IRIS-T SLS (short range) nutzt als Wirkmittel den Lenkflugkörper, der auch bei der Luftwaffe im Einsatz ist. IRIS-T SLM (medium range) nutzt eine für die bodengebundene Luftverteidigung optimierte Version des IRIS-T-Lenkflugkörpers. IRIS-T SL ist ein vollständiges Luftverteidigungssystem, das aus den Komponenten Feuerleitzentrale, Radar und FlugkörperStartgerät sowie einem kompletten integrierten Logistik- und Support-Konzept besteht. Der Erstkäufer von IRIS-T SLS war Schweden, gefolgt von Ägypten und Norwegen. Schweden hatte dabei als erstes Land erfolgreich nationale Technologien für “seine” IRIS-T SLS genutzt und dadurch den modularen und integrationsfähigen Aufbau des deutschen Systems bewiesen. Die Version IRIS-T SLM war ein deutscher Wunsch, der Ende 2021 einen weiteren Meilenstein erreichen konnte. In mehreren Testschüssen stellte es unter realistischen Einsatzbedingungen seine Leistungsfähigkeit unter Beweis und erfüllte die Erwartungen in vollem Umfang. “Die Schüsse dienten dem Nachweis der technischen und operationellen Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems entsprechend der Erwartungshaltung von Kunden und Märkten”, so das Unternehmen.

Vorhaben Nah- und Nächstbereichsschutz

Da TLVS weiter ruht, ist IRIST SL nun Teil des deutschen Vorhabens Nah- und Nächstbereichsschutz (NNbS), mit dem die Fähigkeitslücke in der mobilen Luftverteidigung geschlossen werden soll. Das Projekt wird in mehreren Phasen realisiert. Innerhalb des Teilprojektes 1 “Erstbefähigung Land” steht die Beschaffung von Fahrzeugen zum Schutz vor Feuerwaffen, Lenkflugkörpern, Raketen, Marschflugkörpern und unbemannten Fluggeräten an, also das Spektrum von IRIS-T SL. Vorgesehen ist ein Umfang von vier Feuereinheiten, die Ausschreibung erfolgt voraussichtlich noch in diesem Jahr. Hiermit würde der Schutz von drei Brigaden und Divisionstruppen einer Division möglich, so die Einschätzung der Bundeswehr. Die Beschaffung des Teilprojekts 1 wird 600 bis 700 Millionen Euro kosten. Als Gesamtkosten werden 1,3 Milliarden Euro geschätzt, wobei hier die Lebenslaufkosten mit enthalten sind. Was IRIS-T SL für all jene Länder, die in ihren Luftwaffen bereits IRIS-T haben, besonders interessant macht, ist die Wiederverwendbarkeit der Lenkflugkörper. Wenn das Verfallsdatum für die Luftwaffen-Lenkflugkörper abgelaufen ist, könnten sie für die Luftverteidigung weiterverwendet werden. Dieselbe kostengünstige Zweitverwertung des Lenkflugkörpers ist auch für die Züge kurzer Reichweite vorgesehen. Hierfür soll IRIS-T SL auf einem Eagle integriert werden. Der Eagle 6×6 soll dabei vier IRIS-T SL durch eine extra Rahmenkonstruktion tragen können. Allerdings ist die IRIS-T mit einem Gewicht von 90 kg und etwa drei Metern Länge ein großer Lenkflugkörper, der beim Eagle ein zusätzliches Nachladefahrzeug erforderlich machen würde.

Sachstand in der Bundeswehr

Die Bundeswehr listet in der Übersicht ihrer Luftverteidigungssysteme neben den zwölf Patriots nur noch das Leichte Flugabwehrsystem (LeFlaSys) Ozelot auf Wiesel 2 Basis, das Flugabwehrsystem Mantis und die Fliegerfaust 2 Stinger auf. Die Patriots benötigen eine Modernisierung, um auf den neuesten Stand der Technik zu kommen. Und weder die Sensorik noch die mitgeführten Stinger-Abwehrraketen des Ozelots sind auf technologisch hochstehende Bedrohungen ausgelegt. Vom nicht mobilen Mantis existieren wiederum nur zwei Stück. Es gibt in der Bundeswehr also aktuell keine Systeme, mit denen eine gleichwertige Luftwaffe abgewehrt werden könnte. Es müssten die Amerikaner zu Hilfe eilen.

Ukraine folgt dem üblichen Drehbuch

(BS/df) Nach Ansichten der US-Regierung spitzt sich die Situation in der Ukraine zu. Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Rear Admiral (ret.) John F. Kirby, sagte, das aktuelle Vorgehen folge demselben Drehbuch, das bereits 2014 bei der Besetzung der Krim zu sehen war. “Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen: Wir haben Informationen, die darauf hindeuten, dass Russland bereits aktiv daran arbeitet, einen Vorwand für eine mögliche Invasion zu schaffen”, sagte Kirby. “Wir haben Informationen, dass sie eine Gruppe von Agenten in Stellung gebracht haben, um eine False Flag Operation durchzuführen. Also eine Operation, die wie ein Angriff auf Russland oder die russischsprachigen Menschen in der Ukraine aussehen soll, als Vorwand für einen Einmarsch. Außerdem haben wir Hinweise darauf, dass staatliche russische Influencer damit beginnen, ukrainische Provokationen zu erfinden, sowohl in staatlichen als auch in Sozialen Medien, um wiederum im Voraus zu versuchen, einen Vorwand für einen Einmarsch zu liefern.” Kirby betonte: “Wir haben dieses Vorgehen bezogen auf russische Geheimaktivitäten schon einmal gesehen. Es könnte sich um eine Mischung aus verschiedenen Personen innerhalb der russischen Regierung handeln, sei es aus dem Geheimdienst, den Sicherheitsdiensten oder sogar dem Militär. Sie verbinden ihr Personal oft in einem solchen Ausmaß, dass die Grenzen nicht unbedingt klar sind, wem diese bei der Durchführung einiger dieser verdeckten und geheimen Operationen konkret unterstellt sind.”

Waffenlieferungen an die Ukraine

(BS/df) Welche Aussagen bezüglich des Ukraine-Konflikts offiziell zu treffen sind, da sind sich Bundesregierung, NATO und EU einig. Welche Handlungen sich daraus ergeben, ist allerdings weder eindeutig noch koordiniert. So hat Deutschland ein besonderes Problem mit der Lieferung von Waffen in potenzielle Krisen- und Kriegsgebiete. Ein weiteres Problem hat Deutschland damit, dass die Bevölkerung durchaus auf das russische Gas angewiesen ist – und über diesen Hahn entscheidet Putin. Während Deutschland also darauf besteht, nur nicht letale Wirkmittel an die Ukraine zu liefern, sehen andere Nationen in genau diesen Rüstungsexporten ein wichtiges Mittel zur Ertüchtigung der ukrainischen Streitkräfte und somit Abschreckung Russlands. So plant Estland die Lieferung von Panzerabwehrsystemen Javelin und 122mm-Haubitzen. Litauen hat Flugabwehrraketen Stinger zugesagt, Tschechien 152mm-Artilleriemunition. Die USA werden ebenfalls Javelin und Munition liefern, Großbritannien Panzerabwehrwaffen der neuen Generation. Die Niederlande verlegen F-35 Kampfflugzeuge nach Bulgarien für Schutzaufgaben. Und Deutschland? Außenministerin Annalena Baerbock sagte Mitte Januar der Ukraine zu, dass Mitarbeiter des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) den ukrainischen Behörden bei der Aufklärung der Urheber des Cyber-Angriffs helfen sollen. Des Weiteren soll das BSI sogar ukrainische Cyber-Abwehrkräfte ausbilden. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht sagte zudem, Deutschland werde der Ukraine im Februar ein komplettes Feldlazarett inklusive Ausbildung liefern. Ganz unbeteiligt bleibt Deutschland also nicht.

Vereinbarungen NATO-Ukraine

(BS/df) Die NATO Communications and Information Agency (NCI Agency) und die Ukraine haben am 17. Januar eine neue Vereinbarung über die Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit bei technologiebezogenen Projekten unterzeichnet. Die Beziehungen zwischen der NATO und der Ukraine reichen bis in die frühen 1990er Jahre zurück, beschreibt die NCI Agency. Die Zusammenarbeit habe sich im Laufe der Zeit weiter vertieft und sei für beide Seiten von Vorteil. So leiste die Ukraine einen aktiven und wichtigen Beitrag zu Operationen und Missionen unter NATO-Führung. “Wir haben mehrere Jahre lang erfolgreich mit der Ukraine zusammengearbeitet, wichtige Fähigkeiten bereitgestellt und Wissen ausgetauscht”, sagte der Generaldirektor der NCI Agency, Ludwig Decamps. “Im Rahmen dieses erneuerten Abkommens werden wir unsere Zusammenarbeit mit der Ukraine vertiefen, um sie bei der Modernisierung ihrer Informationstechnologie und Kommunikationsdienste zu unterstützen und gleichzeitig Bereiche zu identifizieren, in denen Schulungen für ihr Personal erforderlich sind. Unsere Experten sind bereit, diese wichtige Partnerschaft fortzusetzen.”

Start von Allied Spirit

(BS/df) Am 21. Januar 2022 begann in Hohenfels die Übung Allied Spirit 22. Allied Spirit soll die Integration von Verbündeten und Partnern in einer wettbewerbsorientierten Gefechtsübungsumgebung realisieren. Vom 21. Januar bis zum 5. Februar üben hierfür rund 5.200 Soldatinnen und Soldaten aus 15 Nationen, darunter Deutschland, Großbritannien, Kosovo, Italien, Lettland, Litauen, Moldawien, Niederlande, Polen, Portugal, Slowenien, Spanien, Türkei, Ungarn und die USA. “Im Gegensatz zu den SaberJunction- und Combined-Resolve-Übungsserien im JMRC, bei denen US-Einheiten die Kernarbeit leisten und dabei von Verbündeten und Partnern unterstützt werden, steht bei Allied Spirit eine alliierte Einheit im Mittelpunkt der Ausbildung”, beschreibt Sgt. Cory Reese vom 7th Army Training Command. “Im Fortschreiten von Allied Spirit wurden Divisionshauptquartiere von US-amerikanischen und alliierten Einheiten in die Übung integriert, um die Möglichkeiten zur Durchführung von Divisionsplanungen und -manövern zu verbessern.” Die Übung wird von der 1.Panzerdivision des Deutschen Heeres geleitet, deren Stab die Führung einer multinationalen Brigade und anderer Elemente übernimmt. Die 1. Panzerdivision ist Teil des 1. Deutsch-Niederländischen Korps der NATO. Allied Spirit ist in erster Linie eine Brigade-Übung, in der komplexe und vor allem multinationale Landkampfoperationen in realistischen Szenaren durchgeführt werden, wofür eine sichere und vor allen Dingen interoperable Kommunikation über alle NATOKanäle hinweg gewährleistet sein muss.

MELDUNGEN Rüstungsbericht und materielle Einsatzbereitschaft

(BS/df) Mitte Januar haben der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, und Staatssekretär Benedikt Zimmer den 14. Rüstungsbericht und den Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr II/2021 vorgestellt. “Auf dem Weg zur Wiedererlangung der Fähigkeiten der Bundeswehr entsprechend den Vorgaben des Weißbuchs von 2016 und der Konzeption der Bundeswehr von 2018 sowie entlang des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr wurden planerische Meilensteine erreicht”, ist in dem Rüstungsbericht zu lesen. Demnach wurden im vergangenen Jahr 8,7 Mrd. Euro in militärische Beschaffungen, 4,5 Mrd. Euro in die Materialerhaltung, 3,4 Mrd. Euro in Betreiberlösungen sowie 1,7 Mrd. Euro in die Wehrforschung, Entwicklung, Erprobung (FEE) investiert. In diesem Zeitraum bewilligte der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zudem Projekte für insgesamt 23,3 Mrd. Euro. Im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 31. Oktober 2021 liefen der Bundeswehr an Waffensystemen aus Kategorie-A-Projekten eine Fregatte Klasse 125, zwei NH90 TTH, drei NH90 NTH (Sea Lion) sowie drei Schützenpanzer Puma zu. Insgesamt erfährt der Leser in dem 14. Rüstungsbericht allerdings wenig Neues gegenüber der Vorgängerversion. Die materielle Einsatzbereitschaft befindet sich laut dem zeitgleich veröffentlichten Bericht ebenfalls auf einem guten Weg, um die Fähigkeiten vor der Ära von der Leyen wiederzuerlangen. “Die materielle Einsatzbereitschaft aller 71 Hauptwaffensysteme hat sich im Berichtszeitraum insgesamt verstetigt und in einigen Bereichen leicht verbessert”, schreibt der Generalinspekteur in seinem Überblick. “Sie liegt mit durchschnittlich 77 Prozent geringfügig über den 76 Prozent aus dem letzten Bericht. Unsere Zielgröße von 70 Prozentdurchschnittlicher materieller Einsatzbereitschaft übertrafen hierbei 38 Hauptwaffensysteme, elf lagen unter 50 Prozent (davon sechs Altsysteme). Die durchschnittliche materielle Einsatzbereitschaft von Kampffahrzeugen lag bei 71 Prozent, für Kampfeinheiten der Marine bei 72 Prozent, für die Kampf- und Transportflugzeuge bei 65 Prozent, für alle Unterstützungsfahrzeuge (Logistik, Sanität und CIR) bei 82 Prozent und bei den Hubschraubern weiterhin bei 40 Prozent.” Was allerdings nicht vergessen werden darf, ist, dass die Einsatzbereitschaft in diesem Bericht nicht vom Gesamtbestand gerechnet wird, sondern vom Verfügungsbestand. Nehmen wir als Beispiel die 350 Pumas, wo der Verfügungsbestand aktuell bei 236 Pumas liegt. 75 Prozent entsprechen dann 177 tatsächlich einsatzbereiten Pumas.

Technologiesprung beim U212 CD

(BS/df) Das deutsch-norwegische U-Boot-Projekt U212 CD wird eine voll-digitale Sensorsuite von Hensoldt erhalten. Der Auftrag umfasst sechs optronische Systeme, bestehend aus einem Optronikmastsystem OMS 150, einem OMS 300 sowie jeweils einem Panorama-Überwachungssystem i360°OS für die sechs U-Boote der norwegischen und deutschen Marine. Es handelt sich dabei um einen Technologiesprung, bei dem die traditionelle Direktsicht eines Periskopsystems durch eine digitale und laut Hersteller “rumpfundurchdringende” Systemlösung abgelöst wird. Die Kombination aus OMS 150 und OMS 300 wird für die Klasse U212 CD zum ersten Mal realisiert. Das OMS 150 wird dabei in seiner multispektralen Ausführung als Such- und Überwachungs-Optronikmast eingesetzt. Der Stealth-Optronikmast OMS 300 übernimmt die sogenannte “Attack”-Funktion. Die Entwickler bei Hensoldt haben mit dem OMS 300 zudem einen visuell und über Radar schwer detektierbaren Optronikmast geschaffen. Hensoldt Optronics-Geschäftsführer Andreas Hülle sagt: “Mit dieser Kombination erhalten die neuen U-Boote eine SensorAusstattung, die höchste Detektionsfähigkeiten auch bei schlechter Sicht mit einem hohen Automatisierungsgrad verbindet und damit die Handlungs- und Überlebensfähigkeit der Boote wesentlich verbessert.”

Mörser-Modernisierung

(BS/df) Die Mörserwaffensysteme der Bundeswehr werden einer Modernisierung unterzogen. Nach dem Upgrade sollen die Waffenanlagen in der Lage sein, die Mörsermunition der neuen Generation (NG) verschießen zu können. Hierfür werden die Rohre mit Liderungsringen ausgestattet. Bereits 2021 hatte das Unternehmen Rheinmetall Multispektralnebel-Mörserpatronen DM75 NG und Infrarot-LeuchtMörserpatronen DM56 NG an die Bundeswehr ausgeliefert.

Zudem erhält die Bundeswehr neue 120mm-Mörsermunition. Die von Rheinmetall neu entwickelte Munitionsfamilie besitzt eine verbesserte Präzision und Reichweite. Die Patronen sind mit einer neuen Generation an Wirkmassen ausgestattet und verfügen über ein neu entwickeltes Treibladungssystem. Der Auftrag für die Modernisierung und die zusätzliche Munition, der bis 2023 abgeschlossen sein soll, ging Mitte Januar an Rheinmetall. Combat Management System für schwedische Minenjäger

(BS/df) Die schwedische Marine erhält das Combat Management System (CMS) Albatross von Elbit Systems. Albatross ist ein skalierbares CMS mit offener Architektur, das den Bedienern ein gemeinsames operatives Bild zur Verfügung stellt. Dabei werden die Daten der Unter- und Überwassersensoren als Echtzeitdaten, Live-Videostreaming und Bilddaten in einem Lagebild zusammengeführt, was den operativen Handlungsspielraum erweitert, die Flexibilität erhöht und eine effektive Entscheidungsfindung ermöglicht. Albatross soll innerhalb der nächsten 34 Monaten auf den Minenjägern der SPÅRÖ-Klasse integriert werden. Tobias Wennberg, General Manager von Elbit Systems Schweden, sagte anlässlich des Auftrags: “Wir freuen uns über das Vertrauen, das die schwedische Verteidigungsmaterialverwaltung und die schwedischen Streitkräfte in unsere Lösungen setzen. Wir als Unternehmen sehen eine wachsende Nachfrage nach unserem Marineportfolio.” Die Vernetzung aller Einheiten der Marine könnte der nächste Schritt sein.

Kommunikation in der Landes- und Bündnisverteidigung

Ableitungen für die Bundeswehr aus der Starkregenlage

(BS/Oberst i.G. Michael Volkmer*) Nach der Starkregenlage im Juli 2021 kam es zu großflächigen Überschwemmungen mit über 180 Toten, katastrophalen Folgen für Mensch und Umwelt. Rund 200.000 Menschen waren von zentralen Versorgungsleistungen abgeschnitten. Führen, zielgerichtetes Reagieren und das Informieren der Bevölkerung durch lokale Krisenstäbe waren entscheidend.

Stromausfälle führten u. a. zu flächendeckenden Ausfällen der digitalen (IP-basierten) Kommunikationsinfrastruktur. Vielfach war die Infrastruktur der Krisenstäbe selbst durch das Hochwasser betroffen, was ein Ausweichen erforderlich machte. Die für das lokale Krisenmanagement zuständigen Stellen waren in diesen Tagen mit diffusen Lagebildern konfrontiert. Mit dem Digitalfunk BOS existiert in Deutschland ein modernes digitales Kommunikationsnetz, das speziell für die “Blaulichtorganisationen” durch die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben bereitgestellt wird. Aber auch dieses Netz hatte mit Ausfällen regionaler Sende- und Empfangsanlagen zu kämpfen. Viele Einsatzkräfte, die im Raum mobil unterwegs waren, waren ohne Kommunikationsanbindung und konnten untereinander und mit Krisenstäben nicht kommunizieren. Führungsfähigkeit in der Landes- und Bündnisverteidigung

Im Szenario der Landes- und Bündnisverteidigung ist es erforderlich, die für die Sicherstellung der Kernführungsfähigkeit der Streitkräfte benötigten IT-Netze und -Systeme (Kernfähigkeiten IT) robust und durchhaltefähig (resilient) bereitzustellen. Diese Forderungen dürfen sich nicht nur auf die militärische Verteidigung und militärische Kräfte beschränken, sondern sie müssen alle staatlichen Organe und Institutionen der Zivilverteidigung mit einbeziehen. Die Starkregenlage im Juli 2021 machte wie unter einem Brennglas sichtbar, wie in einer gesamtstaatlichen Krise – im Extremfall bis hin zum Verteidigungsfall – zivile Organisationen und Bundeswehr zusammenarbeiten müssen. Sie hat auch deutlich aufgezeigt, wo dringender Handlungsbedarf besteht. Die Herausforderungen für den Erhalt der Führungsfähigkeit in einem Szenario der Landes- und Bündnisverteidigung sind vergleichbar mit denen in der Starkregenlage: • großflächige Beschädigungen oder Zerstörungen von (IT-)Infrastrukturen, • flächendeckende und langanhaltende Ausfälle von Stromnetzen und öffentlichen sowie staatlichen Mobilfunk-, Telefon- und Internetinfrastrukturen, • Nichtverfügbarkeit von Lagebildern für Einsatzzentren und -kräfte in einer dynamischen und komplexen, existenziellen Lage. Im Verteidigungsfall kann eine mögliche direkte Einwirkung durch einen militärischen Gegner, sei es kinetisch durch Waffeneinsatz, Cyber-Angriffe oder elektronischen Kampf, die Lage zusätzlich verschärfen. Die zuverlässige Bereitstellung von Informations- und Kommunikationssystemen in einem solchen “Contested Environment” zur Sicherstellung der Führungsfähigkeit der Bundeswehr und für alle Organe und Institutionen der Zivilverteidigung ist eine Ressort- und Bund-Länder-übergreifende Aufgabe. Kommunikationssysteme der Bundeswehr

Die Bundeswehr ist aufgrund ihres Auftrages auf ein Szenar mit nicht vorhandenen bzw. stark eingeschränkten Kommunikationsinfrastrukturen grundsätzlich vorbereitet. Gerade bei der Landes- und Bündnisverteidigung muss eine autarke (von kommerziellen Betreibern weitgehend unabhängige) Kommunikationsfähigkeit als Grundlage für eine bruchfreie Zusammenarbeit aller Beteiligten garantiert sein. Allerdings sind derzeit die Abhängigkeiten von digitalen kommerziellen Kommunikationsinfrastrukturen in Deutschland hoch. Neben ihren traditionellen Truppenfunksystemen verfügt die Bundeswehr u.a. über eigene Satellitenkommunikationsgeräte und -systeme, die während der Flutkatastrophe sehr schnell für zivile Krisenstäbe und Einsatzkräfte bereitgestellt werden konnten. Mit der Beschaffung neuer taktischer Kommunikationssysteme hat die Bundeswehr einen zukunftsfähigen Weg für ein eigenes, schnell aufbaubares digitales Mobilfunknetz eingeschlagen. Mit dem neuen System Zellulare Netze verlegefähig (ZNV) wird die Bundeswehr ab 2023 über eigene Fähigkeiten mittels hochbeweglicher Basisstationen in Container- sowie “Kistenlösungen” verfügen, die mit dem Digitalfunk BOS interoperabel sind. Dies ist ein wesentlicher Schritt hin zu resilienten Kommunikationsnetzen bei Landes- und Bündnisverteidigung, die aber auch im Rahmen von subsidiären Unterstützungsleistungen im Katastrophenfall zum Einsatz kommen können.

Eine Koordinierung kann im Einsatz nur mit funktionierender Kommunikation wirksam erreicht werden.

Foto: BS/Bundeswehr, Tom Twardy

Soldaten unterstützten die Hilfskräfte auch durch den Bau von provisorischen Brücken. Foto: BS/Bundeswehr, EKT

Autarke und resiliente Informations- und Kommunikationssysteme

Die privaten und öffentlichen IP-basierten Kommunikationsnetze und -systeme sind aktuell nur sehr eingeschränkt für hohe Verfügbarkeiten bei großflächigen und tagelangen Stromausfällen ausgebaut. Für die Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationssysteme der Bundeswehr lassen sich auch aus der Starkregenkatastrophe im Juli 2021 einige Ableitungen festhalten: 1. Ein umfassendes Lagebild ist sowohl in der Landes- und Bündnisverteidigung als auch für existenzielle Krisen- und Katastrophenlagen erforderlich. Dieses ist resilient und ressortübergreifend zu führen. Dafür sind eingeübte Strukturen und Prozesse zwingende Voraussetzung. 2. Die missionskritische ortsfeste IT-Infrastruktur sowie Führungseinrichtungen sind so resilient und in Teilen georedundant auszuplanen, dass jederzeit eine Kernführungsfähigkeit gewährleistet werden kann. Eine ressortübergreifende Vermaschung von Führungszentren schafft im Katastrophenfall und in der Landes- und Bündnisverteidigung Resilienz. 3. Die Bereitstellung der dafür notwendigen IT-Services ist unabhängiger von öffentlichen Stromnetzen und zivilen Telekommunikationsnetzen zu gestalten. Stationäre, mobile und verlegefähige Sende- und Empfangsanlagen müssen bei Stromausfällen tagelang autark weiterbetrieben werden können. 4. Vorrangschaltungen für bestimmte Nutzerkreise/-gruppen müssen schnell eingerichtet werden können, damit bei überlasteten Netzen lageabhängig priorisiert werden kann. 5. Mobilfunksysteme der Bundeswehr sind so auszulegen, dass sie das Digitalfunknetz BOS ad hoc und komplementär erweitern oder punktuell auch unter extremen Bedingungen ersetzen können. 6. Eine Erhöhung von Netzabdeckungen in funkkritischer Geografie (wie z. B. im Ahrtal) muss durch einfach zu betreibende “fliegende” Systeme (Ballons, Zeppeline, Drohnen etc.) ermöglicht werden. 7. Künftig müssen redundante Notfall-, Informations- und Kommunikationssysteme Ausfälle von Primärnetzen ad hoc anteilig kompensieren können. 8. Das Zusammenwirken der Bundeswehr mit BOS-Kräften und IT-Betriebsstellen muss regelmäßig geübt werden. 9. Für den Einsatz in Deutschland müssen breitbandfähige Frequenzbänder (vgl. 5G-Netze) exklusiv für “Blaulichtkräfte” und die Bundeswehr bereitgestellt werden, um die Führungsfähigkeit bei Landes- und Bündnisverteidigung sowie bei Krisen- und Großschadensereignissen sicherstellen zu können. Die Bedarfe der Sicherheitsbehörden müssen insbesondere bei einer möglichen Lizenzvergabe im derzeitigen Rundfunkband (470 – 694 MHz) adäquat berücksichtigt werden. So müssen z.B. Systeme von BOS und Bundeswehr interoperabel sein, aber auch ad hoc mit voller Leistungsfähigkeit parallel nebeneinander betrieben werden können. Ohne entsprechende Frequenzzuweisungen kann weder ein autarker Digitalfunk BOS noch das neue Mobilfunknetz der Bundeswehr das in einer Krise deutlich erhöhte Kommunikationsaufkommen stabil decken. Zusammenfassung

Die Flutkatastrophe im Juli 2021 hat deutlich gezeigt, dass für eine erfolgreiche Krisenbewältigung erprobte Krisen-(Führungs-)stäbe, robust verfügbare Kommunikationsmittel, eingeübte Führungs- und Krisenverfahren sowie ein erprobtes Krisen- und Informationsmanagement auf allen Ebenen bereitstehen müssen. Die schnelle und stabile Informationsweitergabe zwischen den Führungseinrichtungen sowie Einsatz- und Rettungskräften aus Bund, Ländern, Kreisen und Kommunen ist ein entscheidender Erfolgsfaktor in der gesamtstaatlichen Krisenbewältigung und damit auch bei der Landes- und Bündnisverteidigung. Fallen die hierfür notwendigen Kommunikationsnetze in Gänze aus, werden Führungsvorgänge und die Erstellung von Lagebildern unmöglich oder erheblich verzögert. Flächendeckende Notfallnetze beim Totalausfall der Primärnetze existieren nicht (mehr). Die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen ist vor dem Hintergrund der gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge zugunsten der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) und der Bundeswehr zu priorisieren (z.B. Zuweisung von Frequenzen). Dabei sollten sich alle staatlichen Akteure mit Sicherheitsaufgaben auf die Führungsfähigkeit am fordernsten Szenar Landesverteidigung ausrichten. Ziel muss sein, dass auf Grundlage stabiler und hochverfügbarer Netze Führungseinrichtungen und Einsatzstäbe führungsfähig bleiben. Führungsorganisationen und -verfahren müssen etabliert sein und regelmäßig beübt werden. Nur so kann schnell reagiert werden, nur so können die richtigen Kräfte zur richtigen Zeit am richtigen Ort eingesetzt werden. Denn nur wer führungsfähig ist, ist in einer kritischen Lage relevant und kann handeln. *Oberst i.G. Michael Volkmer, Referatsleiter CIT II 1, BMVg

Zum Thema siehe auch Artikel "Hilfe bei der Hochwasserlage 2021" auf Seite 46 in dieser Ausgabe.

Hilfe bei der Hochwasserlage 2021

Erfahrungen aus einem Einsatz in zerstörtem Gelände

(BS/Dr. Hesse*) Wie stabil sind die Hänge nach dem Hochwasser noch? Welche Infrastruktur wurde in welchem Maße durch das Hochwasser in Mitleidenschaft gezogen? Die schnelle und fachkundige Beantwortung dieser und vieler weitere Fragen war drängend direkt nach dem Hochwasser in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021: für Betroffene, Anwohner und Einsatzkräfte.

Das in Euskirchen liegende Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr (ZGeoBw), das sich mitten im Hochwasserkrisengebiet befand, hält Expertise für die Beantwortung eben solcher Fragen bereit und brachte diese unmittelbar ein.

Da die Liegenschaften des ZGeoBw, die GeneralmajorFreiherrvonGersdorffKaserne und die MercatorKaserne, selbst nicht vom Hochwasser betroffen waren, konnten bereits ab dem 15. Juli zeitweise bis zu 83 Zentrumsangehörige zeitgleich im Rahmen der Soforthilfe und später, im Zeitraum vom 23. bis 27. Juli 2021, als Teil der Amtshilfe eingesetzt werden, um bei der Bewältigung der Schadenslage nach den Unwettern zu unterstützten.

Soldatinnen und Soldaten des ZGeoBw arbeiteten an der Seite der zivilen Hilfskräfte und Einwohner von Bad Münstereifel. Foto: BS/ZGeoBw

Vergleiche des Zustandes der Infrastruktur über Erstellung von Luft- und Satellitenbildkarten vor und nach dem Hochwasser. Bild: BS/ZGeoBw

Ersthilfe in zerstörtem Gebiet

In Bad Münstereifel wurde eine zentrale Anlaufstelle für Kräfte der Bundeswehr im Raum eingerichtet. Von hier aus wurden die Informationsweitergabe an die eigenen Kräfte und die Verbindungsaufnahme zu zivilen Hilfskräften koordiniert, da in den ersten Tagen der Katastrophe keine Mobilfunkanbindung möglich war. Da die Infrastruktur in der engen Altstadt von Bad Münstereifel nahezu vollständig zerstört war, konnte hier kein schweres Gerät eingesetzt werden. In Bad Münstereifel halfen die Soldatinnen und Soldaten gemeinsam mit den zivilen Hilfskräften, die Straßen zugänglich zu machen. Neben Personal stellte das ZGeoBw einer Vielzahl an Material (u.a. SEA 20 KW, Vermessungsgerät) sowie geländegängige Transportfahrzeuge (u.a. Eagle; Widder; UTF 5, 10 und 15) bereit. Im Stadtteil Arloff wurden 15Tonner zur Schuttbeseitigung und für Aufräumarbeiten eingesetzt, um die Infrastruktur schnellstmöglich für Rettungswege wieder nutzbar zu machen. Weiter wurden Transportkapazitäten zur Evakuierung von Personal und für den Abtransport von Material aus den überschwemmten Gebieten zur Verfügung gestellt.

Lagebilder für die Helfer

Als ReachbackKomponente arbeiteten ab dem 19. Juli 2021 bis zu 25 Zentrumsangehörige zeitgleich für die fachliche GeoInfoUnterstützung. Es wurden insgesamt 35 Fachaufträge bearbeitet. Diese erstreckten sich von der Erstellung von Wetterberichten und vorhersagen für die Bundesländer NordrheinWestfalen und RheinlandPfalz inklusive Prognosen zur Hochwassersituation und der Pegelstände durch die Meteorologen bis zur Verteilung von ca. 20.000 gedruckten Karten. Um die Einsatzkräfte zu koordinieren und auch verschiedene Hilfskräfte zu verbinden, wurden in den Stäben und Lagezentren des Hochwassergebietes topografische Karten benötigt. Da es im Katastrophengebiet zum Teil keinen Strom und keine Internetverbindung gab, konnten keine digitalen Karten zum Einsatz kommen. Insgesamt wurden in den ersten beiden Tagen nach Beginn der Katastrophe über 14.000 Kartenblätter verteilt, die genau für so einen Fall vom gesamten deutschen Staatsgebiet im Kartenlager in Euskirchen vorgehalten werden. Schwerpunkte waren die Kartenblätter Neuenahr und Euskirchen. Der Einsatz von Hilfskräften ohne Ortskenntnis im Raum bedurfte einer guten Kartengrundlage. Hierzu wurden sowohl detaillierte Karten im Maßstab 1:5.000 als auch topografische Karten und Luftbildkarten zur Verfügung gestellt, um den Einsatzkräften eine gute Grundlage zur Orientierung an die Hand zu geben. Darüber hinaus wurden Karten und Informationen über das Geoinformationsportal des ZGeoBw digital als Downloads bereitgestellt. Das ZGeoBw fertigte zudem Luft und Satellitenbildkarten von verschiedenen Überschwemmungsgebieten vor und nach dem Hochwasser an. Auf Grundlage der Bildaufnahmen aus TornadoFlügen sowie eigener Drohnenaufnahmen wurden Karten vom betroffenen Gebiet erstellt, auf denen der Zustand von Brücken − aktiv, inaktiv, unbekannter Zustand, zerstört – dargestellt wurde, um einen Überblick über die aktuelle Nutzbarkeit von Infrastruktur nach dem Hochwasser für die Hilfskräfte bereitzustellen.

Lage im Katastrophengebiet

(BS/df) Die Flutkatastrophe geschah in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 und traf vor allem die Region Trier, das Erft- und Ahrtal. Während nach über einem halben Jahr die Evaluation des Einsatzes für die Bundeswehr nahezu abgeschlossen ist und Lehren für die Zukunft gezogen werden, befinden sich die betroffenen Gebiete weiterhin im Ausnahmezustand. Nicht jeder hat Heizung, Infrastruktur ist bei weitem noch nicht aufgebaut. Bürokratische Hürden behindern überall.

So stammen viele Gebäude an der Ahr aus dem 19. Jahrhundert. Diese hatten Bestandsschutz, was bedeutet, dass beispielsweise die Brandschutztreppen nicht ganz so breit sein müssen, wie bei heutigen Gebäuden vorgeschrieben. Wenn allerdings zu viel neu gemacht wird, erlischt der Bestandsschutz an einem Gebäude. Und wenn sehr viel an einem Gebäude zerstört ist, dann muss auch sehr viel erneuert werden. Aber es gibt noch weitere Sperren, die der Staat den von der Katarstrophe getroffenen Menschen in den Weg legt. Spenden dürfen dank des deutschen Spendenrechts nicht an Unternehmen ausgezahlt werden, eine Novellierung dieses Gesetzes ist nicht vorgesehen. Staatliche Hilfsgelder können oft nur beantragt werden, wenn ein halbes Buch an Formularen eingereicht wird.

Auch der Wiederaufbau geht nur mit halber Kraft voran. Statt neuer Stellen zum Management des Wiederaufbaus zu schaffen, wurden diese teilweise mit Pensionären und Rentnern im Ehrenamt besetzt. Die Katastrophe ist den Regionen weiterhin deutlich anzusehen. Der Staat muss hier noch viel lernen – und damit ist nicht die Bundeswehr gemeint. Sicherheit des Geländes

Bad Münstereifel war eines der Gebiete, welches am schwersten durch die Hochwasserkatastrophe betroffen war und ist. Ein geologisches Erkundungsteam des ZGeoBw prüfte im Rahmen der Amtshilfe in Bad Münstereifel Brücken auf Befahrbarkeit und bewertete die Hangstabilität, um mögliche Hangrutschungen zu orten. Die Fachleute der Einsatzgeologie und der Einsatzvermessung waren vor Ort, um Georisiken im Raum zu bewerten, Brückenvermessungen vorzunehmen und den örtlichen Behörden zur Seite zu stehen, da die hohe Anzahl an zerstörten Gebäuden und Brücken durch die zivilen Kräfte nicht zu bewerkstelligen war. Es wurden Messungen zu Erdrutschungen und Geländeverschiebungen angefertigt und die Untergrundstabilität untersucht sowie beurteilt, um weitere Risiken zu identifizieren. In Schönau und Schleiden wurden Hangrutschungsmessungen vorgenommen, Pegelmessstellen an der Ahr für das THW errichtet und Ankerplatten aufgemessen sowie Brücken und Bauwerksmonitoring durchgeführt. In Erftstadt erfolgten die Schadensaufnahme an der NATOPipeline sowie Untergrundsondierungen für das Landeskommando NordrheinWestfalen. Die Geologen bewerteten außerdem Georisiken bei einer Untertageanlage bei Mechernich.

Unterstützung trotz eigener Betroffenheit

Obwohl 158 von 1.000 Angehörigen des ZGeoBw am Standort Euskirchen unmittelbar sowie eine Vielzahl weiterer mittelbar vom Hochwasser betroffen waren, konnte das ZGeoBw mit seiner fachlichen Expertise sowie seinem Personal und Material auf diese Weise vielfältige Hilfe in der und für die Region leisten.

*Dr. Franziska Hesse, Pressearbeit - Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr

Zum Thema siehe auch Artikel "Kommunikation in der Landes- und Bündnisverteidigung" auf Seite 45 in dieser Ausgabe.

Atomuhren zur Reduzierung der GPS-Abhängigkeit

(BS/df) Angesichts der steigenden Zahl an Satelliten sowie der Vorbereitungen verschiedener Streitkräfte, die Ressource Weltraum im Notfall für den Gegner ausschalten zu können, ist die Abhängigkeit militärischer Systeme vom GPS durchaus schwierig. Während sich die Geolokation durch Koordinaten, Beleuchter oder Suchköpfe ersetzen lässt, ist dies bei der ebenfalls durch GPS synchronisierten Zeit nicht möglich. “Die Synchronisierung der Zeit in der modernen Kriegsführung – bis auf Milliardstel und Billionstel Sekunden genau – ist entscheidend für den Erfolg der Mission. HightechRaketen, Sensoren, Flugzeuge, Schiffe und Artillerie sind auf Atomuhren auf GPSSatelliten angewiesen, die eine Zeitgenauigkeit im Nanosekundenbereich gewährleisten”, beschreibt die amerikanische Rüstungsforschungsagentur DARPA das Problem. “Ein Zeitfehler von nur ein paar Milliardstel Sekunden kann dazu führen, dass die Positionierung um einen Meter oder mehr abweicht. Wenn GPS von einem Gegner gestört wird, würde sich die Zeitsynchronisation schnell verschlechtern und militärische Operationen gefährden.” Damit die amerikanischen Streitkräfte in Zukunft weiterhin in Umgebungen ohne Satellitenversorgung und somit auch ohne GPS agieren können, will die DARPA mit der Finanzierung des Programms Robust Optical Clock Network (ROCkN) robuste optische Atomuhren mit geringer Größe, geringem Gewicht und geringem Stromverbrauch entwickeln. “Das Ziel ist es, die optischen Atomuhren von den aktuell bestehenden, aufwendigen Laborkonfigurationen in kleine und robuste Versionen zu überführen, die auch außerhalb des Labors eingesetzt werden können”, sagte Tatjana Curcic, ProgrammManagerin im Defense Sciences Office der DARPA. “Wenn wir erfolgreich sind, würden diese optischen Uhren eine 100fache Steigerung der Präzision bzw. eine Verringerung des Zeitfehlers im Vergleich zu den bestehenden MikrowellenAtomuhren bieten und eine verbesserte Beibehaltung der Zeitgenauigkeit im Nanosekundenbereich von einigen Stunden bis zu einem Monat demonstrieren.” In einem ersten Schritt sollen die Forscher eine tragbare optische Atomuhr entwerfen, die in ein Kampfflugzeug oder einen Satelliten passt und eine Genauigkeit von Pikosekunden (Billionstelsekunden) für 100 Sekunden bietet. Erste Ergebnisse sollen innerhalb der nächsten zwei Jahre vorliegen.

Weitere Amphibienfahrzeuge für das U.S. Marine Corps

(BS/df) Das U.S. Marine Corps erhält 33 weitere Amphibienfahrzeuge (Amphibious Combat Vehicles – ACV) durch Aufstockung des zweiten Loses. Bereits im Dezember 2020 wurde die erste Option für die ACVProduktion in vollem Umfang (Los 1) für die ersten 36 Fahrzeuge und im Februar 2021 die zweite Option für weitere 36 Fahrzeuge an das Unternehmen BAE Systems vergeben, das gemeinsam mit IVECO Defence Vehicles diese Amphibienfahrzeuge entwickelte und herstellt. Die Lieferung von zwei Varianten der ACVFahrzeugfamilie an das Marine Corps wurden bereits beauftragt: die ACVPersonentransportvariante (ACVP) und die ACVKommandoariante (ACVC). BAE Systems erhielt zudem einen Konstruktions und Entwicklungsauftrag für eine Variante mit 30mmKanone (ACV30). Weiterhin befindet sich ein Bergungsfahrzeug (ACVR) in der Planung. Das U.S. Marine Corps beauftragte zudem eine Studie, um die Integration von unbemannten Systemen bzw. die Verbringung und Steuerung eines Schwarms durch eine weitere ACVVariante zu prüfen.

Frankreich realisiert erste national zugelassene Plattform

(BS/df) Mitte Januar stellte Thales die erste rein französische Kollaborationsplattform vor, die zur Verarbeitung von eingestuften Informationen zugelassen ist. Sichere Anwendungen auf der Plattform unterstützen neue hybride (physische und virtuelle) Arbeitsverfahren sowie kollaborative Räume für die Benutzer. “TrustNet Restricted” ist somit die erste ThalesCloudLösung für den vertraulichen Bereich. Alle Dienste können mit jedem Informationssystem mit eingeschränktem Zugang vernetzt werden, wobei Lösungen wie der “Secure Collaboration Hub – Restricted” von Ercom, dessen Akkreditierung für den eingestuften Zugang allerdings noch aussteht, zum Einsatz kommen, der Audio und Videokonferenzen, Bildschirmfreigabe, Messaging und die gemeinsame Nutzung von Dokumenten unterstützt. Die Plattform wurde von Thales in enger Zusammenarbeit mit der französischen Agentur für die Sicherheit von Informationssystemen (ANSSI) und dem französischen Verteidigungsministerium entwickelt, bevor sie nun die offizielle Zulassung für “Country Eyes Only” und “Restricted” bekam. Sie ist aktuell die einzige Plattform in Frankreich, die diese Zulassungen erhalten hat.

Frankreich beschafft BarracudaTarnsysteme

(BS/df) Die französische Rüstungsbeschaffungsbehörde DGA hat mit Saab einen Rahmenvertrag über die Lieferung von multispektralen BarracudaTarnsystemen unterzeichnet. Der Vertrag umfasst dabei sowohl die Lieferung neuer Tarnsysteme als auch eine Phase der Systemanpassung in Zusammenarbeit mit der DGA. Das französische Programm hat Pioniercharakter und ist in verschiedene Kooperationsphasen gegliedert. Neben der Lieferung der Tarnsysteme für die Einsatzgebiete des französischen Heeres umfasst der Auftrag zudem eine gemeinsame Arbeitsphase, in der die BarracudaTarnlösungen speziell an die Einsatzanforderungen des französischen Heeres angepasst werden, sodass die Tarnung genau dem benötigten Spektrum und den Spezifikationen entspricht. Der Vertrag hat eine Laufzeit von acht Jahren und sieht jährliche Lieferungen vor.

Schon auf den ersten Blick sieht das nach einer erfolgreichen Ingenieursbiografie aus, die sich entlang dem Grundthema mobile Nachrichtentechnik zielgerichtet Schritt für Schritt entwickelt hat. Peter Stuckmann wurde 1973 im Sauerland geboren, wo er in Lüdenscheid bis zum Abitur mit 18 Jahren das Gymnasium besuchte. Danach ging es zum Studium der Elektrotechnik und Informationstechnik an die RWTH Aachen. 1999 schloss er mit dem Titel DiplomIngenieur ab. 2003 folgte eine von der Universität ausgezeichnete Promotion zum Thema: “Traffic engineering concepts for cellular packet radio networks”. Das Forschungsteam an der RWTH habe damals erstmals die Übertragung von Daten über die Funkschnittstelle entwickelt, erzählt Peter Stuckmann: “Als ich dazu kam, ging es überwiegend um die Evolution der GSM-Netze, damit Daten übertragen werden können. Wir haben Simulatoren gebaut und Tools entwickelt, damit der Netzaufbau letztendlich geplant werden kann.” Die akademischen Aktivitäten mündeten in der Gründung des universitätsnahen Start Ups AixCom GmbH, das die entwickelten Produkte vermarktete. Die Aktivitäten von AixCom wurden dann von P3, der späteren Umlaut SE übernommen und sind damit heutzutage in Accenture aufgegangen.

Von Aachen nach Paris

Die Karrierewahl war keineswegs elterlicherseits vorgegeben. Stuckmann wuchs als Einzelkind in einer kulturell interessierten Familie auf. “Mein Vater war Geisteswissenschaftler – Anglistik und Germanistik”, erzählt er. Die Mutter war Bankkauffrau. Das Thema IT und Telekommunikation habe ihn interessiert, aber der “typische Bastler”, wie man ihn in diesen Bereichen oft findet, sei er nie gewesen. Vielmehr habe er sich für das “Big Picture” interessiert, wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Aspekte der Technologie inklusive. Dieses Interesse steckte mit hinter dem Entschluss, das Start Up aufzugeben und bei Orange in Paris anzuheuern, um bei der Entwicklung von Standards für einen großen Netzbetreiber mitzuwirken. Private Überlegungen spielten bei der Entscheidung, nach Paris zu gehen, allerdings auch eine Rolle. Seine inzwischen geschiedene Ehefrau Sylvie, eine Juristin, hatte Peter Stuckmann schon zu Promotionszeiten kennengelernt. Sie ist Französin: “Ich bin damals zeitweise zwischen Paris und Aachen gependelt.” Trotz der Begeisterung für Paris habe das Paar sich schon früh das belgische Brüssel als Lebensmittelpunkt vorstellen können, das geografisch wie kulturell einen guten Kompromiss zwischen Paris und Aachen darstelle. Zudem sei die Kommission mit ihren weitreichenden Möglichkeiten im Research-Management von Zukunftstechnologien ein interessanter Arbeitgeber gewesen: “Wir hatten ja schon durch unser Forschungsprogramm in Aachen gute Kontakte zu den Kollegen von der Europäischen Kommission.” Folgerichtig hatte Stuckmann noch zu seinen Aachener Zeiten an einem “Concours”, dem Personalauswahlverfahren der europäischen Institutionen, teilgenommen.

Umfangreiches und langwieriges Verfahren

Diese regelmäßig ausgeschriebenen EU-Auswahlwettbewerbe testen die Kandidatinnen und Kandidaten aus den Mitgliedstaaten in einem komplizierten mehrstufigen Verfahren auf schriftlicher wie mündlicher Basis. Wer besteht, erhält schließlich einen Rangplatz auf einer sogenannten Eignungsliste – aber damit

Langfristig geplant

Eine deutsche Karriere in Europa

(BS/Dr. Barbara Held) Als promovierter Ingenieur kam Peter Stuckmann 2004 zur Europäischen Kommission. Dem Anfang als Projektleiter in der damaligen Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien (DG Infso) folgten verschiedene Verwendungen bei der Nachfolgeorganisation. Heute ist er Referatsleiter “Kommunikationsnetze der Zukunft” und stellvertretender Direktor in der Abteilung Netze der Zukunft in der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien (DG Connect).

Peter Stuckmann ist Referatsleiter innerhalb der Europäischen Kommission. Dabei ist er für die Kommunikationsnetze der Zukunft zuständig. Foto: BS/privat

noch lange keine Anstellung. Der Listenplatz ist erst die Voraussetzung dafür, sich bei den EU-Institutionen bewerben zu dürfen. “Aber man kann sich ja nie darauf verlassen, dass das klappt”, fasst Stuckmann die Erfahrung vieler Aspiranten zusammen. Deshalb habe er parallel seine Karriere in Paris betrieben: “Ich wäre auch gern noch ein paar Jahre bei Orange geblieben. Es war interessant und hat Spaß gemacht.” Aber dann kam die Nachricht aus Brüssel, und seit 2004 arbeitet er nun als Beamter in der Europäischen Kommission in der Digitalpolitik. Und damit hat seine Ingenieurskarriere eine andere Richtung genommen.

Ein- und Aufstieg bei der Kommission

“Ich habe im Bereich Mobilfunk angefangen”, erzählt Stuckmann rückblickend auf seine Projektleiterzeit. Das ist auch der Bereich, in dem er derzeit wieder arbeitet. Innerhalb der DG Connect ist er dann von den technisch-wissenschaftlichen hin zu überwiegend rechtlichpolitischen Themen gewechselt. Zwischen 2010 und 2012 arbeitete der EU-Beamte an der neuen EU-Roaming-Verordnung mit, durch die die Roaming-Gebühren zwischen den Mitgliedstaaten abgeschafft wurden. Die Befriedigung ist unverkennbar: “Da haben wir für die Bürgerinnen und Bürger der Union wirklich etwas erreicht.” Danach war er zwischen 2012 und 2015 als Sachgebietsleiter für europäische Frequenzpolitik verantwortlich. In der Folge wurde das Themenspektrum wieder deutlich breiter: Von 2015 bis 2017 begleitete Stuckmann als Assistent den DG-ConnectGeneraldirektor Roberto Viola, der auch heute noch diese Generaldirektion leitet. Die Zusammenarbeit mit dem damals für DG Connect zuständigen Kommissar Günther Oettinger (CDU) hat er als angenehm in Erinnerung: “Er ist sehr kollegial.” Damals hatte die DG Connect mit Oettingers Kabinett die digitale Binnenmarktstrategie für die Union entwickelt, die Europa für den Wettbewerb in der globalen digitalen Welt fit machen soll. Technologie-Regulierung und Politik sind inzwischen seine persönlichen Interessensgebiete: “Wenn man die technische Seite der Dinge versteht, kann man da etwas beitragen.” Digitalpolitik für Europa

Seit 2017 ist Stuckmann nunmehr Leiter des Referats “Konnektivitätssysteme der Zukunft”, das die Politik-Strategie sowie Forschungs- und Ausbauförderung der Kommission für 5G und 6G maßgeblich gestaltet. Die Aufgaben der DG Connect hätten sich seit seinen Anfängen in der Kommission grundlegend verändert, stellt er fest. Als er dort anfing, betrieb das Referat, das er heute leitet, hauptsächlich Forschungs- und Entwicklungsförderung. Das ist unter dem aktuellen “Horizon Europe-Programm” nur noch Teil der Arbeit. Heute stehen der Auf- und Ausbau der Netze, zum Beispiel von 5G über die Connecting Europe Facility (CEF), auch im Vordergrund. Ziel ist es, die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Anbieter und Netzbetreiber sowie die digitale Souveränität Europas zu etablieren und auszubauen. Seit Anfang 2021 ist Stuckmann zusätzlich stellvertretender Direktor der Abteilung “Netze der Zukunft”. Heute blickt er auf ganze 17 Jahre in Brüssel zurück, die längste Zeit, die Stuckmann je an einem Ort gelebt hat. Nach wie vor fühlt er sich wohl hier. Aber Flämisch habe er bisher dennoch nicht gelernt, antwortet Stuckmann auf die entsprechende Nachfrage. Er lernt lieber Italienisch, um sich bei Urlauben im Süden gut verständigen zu können. Dabei ist Brüssel offiziell zweisprachig – Französisch und Flämisch. Allerdings werden rechtlich und politisch bedeutende Themen in der Kommission vorwiegend auf Französisch und Englisch verhandelt.

Eine Expat-Familie in der Hauptstadt Europas

Auf professionelles Französisch war Stuckmann durch seine Lebensgefährtin und spätere Frau schon zu seinen Pariser Zeiten bestens vorbereitet. Und sehr gute Englisch-Performanz in Wort und Schrift versteht sich von selbst, wenn man Mobilfunktechnik auf Promotionskurs studiert hat. Die Töchter Clara und Lilly sind bereits 16 und 14 Jahre alt, leben in Brüssel und besuchen die europäische Schule. Da die Kinder

Der EU-Beamte aus Deutschland ist studierter und promovierter Ingenieur. Außerdem verfügt er über Erfahrungen in der Arbeit innerhalb von Start Ups. ursprünglich mit Französisch als Muttersprache aufwuchsen, kommt das dortige Angebot ihrer Kompetenz im Deutschen zugute: In der Schule können sie Unterrichtsfächer sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch abdecken. Die Betreuung sei 50:50 auf Mutter und Vater aufgeteilt, erklärt Stuckmann, da auch die Mutter in der Stadt geblieben sei. Wo es einmal zum Studium hingehen soll, sei ungewiss. Insgesamt gebe es bei den Absolventinnen und Absolventen der europäischen Schule die Tendenz, Brüssel zu verlassen. Man fühle sich als Europäer, da man mit den Eltern und an der Schule in der “Expat-Bubble” lebe. Ein Studium in Frankreich oder Großbritannien sei sehr kostenintensiv, erklärt der Vater der potenziellen Studentinnen mit Blick auf die Zukunft, genauso in den USA, die obendrein noch sehr elitäre Aufnahmeregeln hätten. Ein Studium irgendwo in Belgien oder Deutschland sei leichter zu verwirklichen.

Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit

In seiner Freizeit interessiert sich Stuckmann für Theater, Konzerte und vor allem Kino, was allerdings in den Zeiten von Corona ziemlich gelitten hat. Für den Film “Dune” begeistert er sich aktuell. Im vergangenen Sommer war er mit seinen Töchtern auf den Spuren des Films “Call Me by Your Name” in der italienischen Lombardei unterwegs. Sie hätten sich am Hauptdrehort Crema einquartiert und seien die Lokalitäten anderer Szenen der Liebesgeschichte, die in den 1980er-Jahren spiele, abgefahren. “Das hat Spaß gemacht!” Überhaupt zieht es Stuckmann zum Urlaub in den Süden. Mit der Familie hat er früher viel Zeit in Südfrankreich verbracht. Der Sommerurlaub 2020 führte sie wieder dorthin, zunächst in die Gegend von Avignon und später zum Surfen an die Atlantikküste, wo die Großeltern in der Gegend von Bordeaux wohnen. Sport im Allgemeinen macht ihm Spaß: Fußball, aber auch Tennis, das er selbst regelmäßig spielt. Der Tennisverein biete zudem den Vorteil, mit Belgiern zusammen zu sein und sich so integrieren. In den Zeiten der Pandemie ist Fahrradfahren als sportlicher Ausgleich hinzugekommen. Der Brüsseler Stadtwald Bois de la Cambre ist nicht weit von seiner Wohnung entfernt und bietet die Möglichkeit zu ausgedehnten Ausfahrten im Grünen. Für den Weg ins Kommissionsbüro komme das Fahrrad weniger infrage, weil der Dresscode der Kommission mit sportlicher Betätigung nicht immer kompatibel sei.

Ein Typ für das Home Office

An das pandemiebedingte Home Office hat er sich gut gewöhnt. Das liege ihm, erklärt Stuckmann: “Ich bin jetzt nicht der Typ, der immer viele Leute um sich herum haben muss.” Networking sei eigentlich nicht so seins. Aber im Kontext seiner Arbeit mache er das natürlich: “Und das macht mir inzwischen auch Spaß.” Da kommt ihm zupass, dass das künftige Arbeitszeitmodell der Kommission grundsätzlich drei Home Office-Tage pro Woche vorsieht. Ihm gefällt die Aussicht, tageweise zu Hause zu arbeiten, zwischendurch ein paar Konferenzen zu besuchen und dann wieder ein paar Tage ins Büro zu gehen, für Meetings und den Austausch mit Kollegen. Obwohl Meetings eigentlich nicht so seine Sache sind: “Bei mir gibt es zum Beispiel keine Serien-Termine an jedem zweiten Donnerstag oder so. Bei mir muss es immer einen Grund geben für das Meeting.” Ausnahme sei der Jour fixe seines Referats, der einmal pro Woche, aber mindestens alle zwei Wochen stattfinde, damit alle auf dem Laufenden seien. Rund 20 Leute umfasst derzeit das Referat. Insgesamt 800 bis 900 Kolleginnen und Kollegen arbeiten in der GD Connect, einer Art Digitalministerium auf europäischer Ebene mit finanzkräftigen Förderprogrammen. Eine Zukunft mit Perspektiven

Pünktlich zu Weihnachten wurde Stuckmann dann noch – zusätzlich zu seinen aktuellen Aufgaben – zum “Interim Executive Director of the Smart Networks and Services Joint Undertaking” (SNS JU) ernannt. Dieses neue “gemeinsame Unternehmen” zwischen der EU und der Industrie manage und koordiniere europäische Forschung und Entwicklung zu 5G und 6G. Das SNS JU soll die Spitzenposition Europas bei der Konzeption und richtungsweisenden Standardisierung von 6G-Technologie festigen. Darüber hinaus soll es den Ausbau von 5G-Infrastrukturen und -Nutzung in Europa vorantreiben. Im Grunde genommen sei das eine Art administratives Start Up, stellt Stuckmann fest, der diese neue Herausforderung mit Freude angenommen hat. Er soll übergangsweise das gemeinsame Unternehmen, an dessen Konzeption er schon beteiligt war, strategisch wie organisatorisch aufbauen. Und so schließt sich der Kreis am Ende wieder: Mit seinem Start Up-Engagement bei AixCom hat Stuckmann vor fast 20 Jahren einmal angefangen und sich davon verabschiedet, als er nach Europa ging. Nur ist das Budget von SNS JU möglicherweise etwas höher: Angesetzt sind 1,8 Milliarden Euro für die nächsten sieben Jahre. Die Frage, wie es karrieretechnisch weitergeht, stellt sich somit im Moment nicht. Mit Ende 40 ist der Ruhestand noch in der Ferne. Entwicklungsmöglichkeiten gibt es recht zahlreich. Und die strategischen Politik-Themen mit technischem Bezug werden in der europäischen Zentrale ohnehin nicht so schnell ausgehen. Daneben gibt es auch noch so spannende Gebiete wie die Regulierung der großen Internetplattformen oder interessante koordinierende Funktionen in den Zentralstellen der Kommission.