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Vorwort
Der nunmehr vorliegende vierte Band der Schriftenreihe beschäftigt sich ausschließlich mit einer der beiden Säulen, auf denen die heutige WredowStiftung ruht. Neben der Kunstschule mit ihrem vielfältigen Programm sind dies die Wredow-Sammlungen, bestehend aus der Kunstsammlung, der Kunstbibliothek und dem Archiv. Mit ihren Bestandteilen bilden die Sammlungen heute eine der historisch bedeutsamsten und größten privaten Kollektionen von Werken der bildenden Kunst und der Kunstgeschichte im Land Brandenburg. Sie entstanden vor 150 Jahren auf Initiative des Stifters August Wredow zur Unterstützung des Zeichenunterrichts an der nach ihm benannten Kunstschule in seiner Geburtsstadt Brandenburg an der Havel. Laut Satzung bestand das Ziel darin, die »Teilnahme des Publikums an der Pflege des guten Geschmacks« zu ermöglichen.
Die Idee zu diesem Band entstand bereits 2019. Zu diesem Zeitpunkt lagen erste Ergebnisse des zwei Jahre zuvor begonnenen Erfassungs- und Digitalisierungsprojektes vor, die es ermöglichten, auf dieser Grundlage die wechselvolle Geschichte der Sammlung sowie ihren Umfang und ihre Struktur nachzuzeichnen. Nunmehr, weitere drei Jahre später, kann das Wissen über die Sammlungen der Wredow-Stiftung in dieser Publikation auf dem aktuellsten Stand dargestellt werden. Zugleich wird der Versuch einer Einordnung der Wredow-Sammlungen in zwei Richtungen unternommen: In Hinblick auf ihre Entstehung – dem Aspekt des Sammelns von Kunst und des Stiftens – als historisches Phänomen des 19. Jahrhunderts und in Hinblick auf die kunsthistorische Bedeutung von Druckgrafiken aus der Zeit zwischen dem 15. und 20. Jahrhundert, die den weitaus überwiegenden Teil der gesammelten Objekte ausmachen und in deren Vielfalt hier ein Einblick ermöglicht wird.
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Zunächst beschäftigen sich zwei Beiträge mit dem historischen Kontext des Sammelns im 19. Jahrhundert. Roland Krischke zeigt in seinem Text über die Kunstsammlung Bernhard August von Lindenaus in Altenburg wesentliche Motive für das Sammeln von Kunst bis zu dessen Tod 1854 auf, wie die ästhetische Erziehung der Öffentlichkeit und die Vermittlung künstlerischer Fähigkeiten in technischen Berufen. Der sächsische Minister Bernhard August von Lindenau gründete in seiner thüringischen Heimatstadt Altenburg eine Kunstschule mit Museum. Ähnlich wie bei den Wredow-Sammlungen, allerdings etwa ein Vierteljahrhundert früher, standen die Bedürfnisse einer gewerblichen Kunstschule zunächst im Vordergrund
Agostino de’ Musi gen. Veneziano, Akanthusranke mit Vogel und Fliege, 1530 –1535, Kupferstich, 1875–1883, Lichtdruck.
der Sammler-Aktivitäten. Trotz der unterschiedlichen Biografien der beiden Sammler Lindenau und August Wredow und trotz teilweise unterschiedlicher Sammlungsschwerpunkte, ergeben sich doch eine Reihe von Parallelen in der Entstehungsgeschichte ihrer Kollektionen, die Ansatzpunkte für eine vertiefende und vergleichende Untersuchung über im 19. Jahrhundert entstandene Kunst- und Zeichenschulen und deren Kunstsammlungen bieten. Der Beitrag von Wolfgang Rose ist auf die Wredow-Sammlungen fokussiert. In seinem ersten Teil beleuchtet der Autor die Geschichte der WredowSammlungen von ihrer Entstehung im gerade gegründeten Deutschen Kaiserreich 1871/72 bis zum Ende der DDR-Zeit. Der zweite Teil des Textes gibt Einblick in das seit 2017 laufende Projekt zur Erfassung und Digitalisierung der Sammlungen. Das Ziel einer Rekonstruktion der historischen Sammlung, die seit ihrer Übernahme durch das Stadtmuseum im Jahr 1950 in dessen Beständen ›aufgegangen‹ war, rückt durch dieses Projekt inzwischen in greifbare Nähe. Mit diesem Text liegt nunmehr, obwohl wesentliche Bestände noch auf ihre ›Wiederentdeckung‹ warten, der bisher umfassendste Überblick über die 150-jährige Geschichte, den Umfang und die Struktur der Wredow-Sammlungen vor und bietet eine solide Grundlage für die weitere wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Materie.
Der Text von Ulrike Eydinger führt in die jahrhundertelange Diskussion über den Kunstcharakter von Druckgrafiken ein und leistet damit einen Beitrag zur Frage der kunsthistorischen Bedeutung der Wredow-Sammlungen. Die Autorin zeigt, wie sich allmählich das moderne Verständnis von der autonomen künstlerischen Arbeit der Stecher und Holzschneider im druckgrafischen Produktionsprozess herausbildete. Darüber hinaus befasst sie sich näher mit einer speziellen druckgrafischen Technik – der Schabkunst, auch Mezzotinto genannt – deren Erfindung im 17. Jahrhundert und Entwicklung bis ins 19. Jahrhundert sie umfassend und kenntnisreich erläutert. Damit leitet sie inhaltlich zum letzten Teil des Bandes über, einem ersten Katalog britischer Mezzotinto-Arbeiten aus dem Bestand der Wredow-Kunstsammlung.
Die Idee zu dieser von Wolfgang Rose verantworteten Zusammenstellung entstand bereits 2019 als bei der Erfassung der Sammlungsobjekte eine Zeit lang besonders häufig Schabkunstblätter aufgenommen wurden, die von britischen Künstlern stammten. Gleichzeitig vollzog sich in diesem Jahr der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Dadurch sensibilisiert fiel auf, dass viele Motive der Mezzotinto-Werke entweder auf Vorlagen kontinental-europäischer Künstler beruhten oder europäische Persönlichkeiten darstellten. Insofern war es nur noch ein kleiner Schritt, eine Kollektion von 27 Arbeiten zu erstellen, die als Hommage an die historisch weit zurückreichenden britisch-europäischen Beziehungen und an ihren auf vielen Gebieten befruchtenden Charakter gedacht ist. Der Ausbruch der Covid-19-Pandemie verhinderte bisher die Präsentation einer öffentlichen
Ausstellung, die deshalb bis jetzt für Interessierte im Internet auf der Plattform museum digital (https://brandenburg.museum-digital.de/index.php?t= institution&instnr=75&cachesLoaded=true) zu erfahren ist. Nun vermittelt auch der vorliegende Katalog einen Eindruck davon.
Ein solch umfassendes Erfassungs- und Digitalisierungsprojekt wie das der Wredow-Sammlungen benötigt vielfältige Unterstützung und Hilfen.
Da ist zuvörderst die finanzielle Absicherung der Forschungen durch die Ostdeutsche Sparkassenstiftung, durch die Stadt Brandenburg an der Havel und durch das Land Brandenburg zu benennen, ohne die es diese bisher einzigartige Aufbereitung nicht geben würde. Hervorzuheben und mit einem uneingeschränkten Dank zu begleiten ist die bislang einzigartige Zusammenstellung der gegenwärtig erfassbaren, aber weit gestreuten Materialien der Wredow-Sammlungen durch Wolfgang Rose und die wieder umsichtige redaktionelle Begleitung des Druckvorhabens durch Kristina Hübener. Zu danken ist ebenso Ulrike Eydinger und Roland Krischke für ihre fundierten Beiträge, die Erhellendes zum historischen und kunsthistorischen Kontext der Wredow-Sammlungen mitteilen. Darin einbezogen sind die Fotografen Thomas Deuer und Jürgen Schröder, die durch ihre ausgezeichneten Aufnahmen von Sammlungsobjekten einen bildlichen Eindruck von den Schätzen vermitteln, die in den Sammlungen der Wredow-Stiftung aufbewahrt werden. Der Stadt Brandenburg an der Havel – hier insbesondere den Mitarbeiterinnen des Stadtmuseums und des Stadtarchivs sowie den Mitarbeitern des IT-Bereichs – ist besonders Dank zu sagen für die Unterstützung des Projekts durch ihre fachliche Kompetenz und freundliche Hilfsbereitschaft. Geschäftsführer Dipl. Ing. Ralf Herrmann und sein Team der Firma Industrieelektronik Brandenburg GmbH haben mit der Bereitstellung und Installation der Hard- und Software die Grundlagen dafür geschaffen, die eine solch umfangreiche Erfassung und Digitalisierung der Wredow-Sammlungen benötigt, um die vielfältigen Arbeitsschritte zu bewältigen.
Der BeBra Wissenschaft Verlag mit seinem Lektor Matthias Zimmermann und Programmleiter Robert Zagolla haben auch diesen Band der Schriftenreihe umsichtig betreut und die Drucklegung in der gewohnten Qualität auf den Weg gebracht.
Prof. Dr. Detlef Karg Brandenburg an der Havel, Juli 2022