Ein denkmal für Itzik Rachmiels (Leseprobe)

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zung. Wer hätte schon geahnt, dass dieser gar nicht einmal besonders herausragende, man kann sogar sagen eher ungebildete Mann, mit einem Wort, ein Schuster und Sohn eines Schusters, ein so bedeutender Mensch war, ein Partisan, einer der sechsunddreißig verborgenen Gerechten16 und ein Held. Wer hätte geahnt, dass sich in der Wohnung dieses unauffälligen Wertusshener Schusters so etwas tat. Einflussreiche Juden des Gettos zogen achselzuckend zwei unterschiedliche Schlüsse: Entweder man habe in der Unterkunft des Schusters gestohlenes Leder gefunden, denn was hätte man anderes bei einem Schuster finden sollen? Weshalb sonst wohl sehe man sich dazu veranlasst, einen Schuster mit seiner ganzen Familie einzusperren? Oder – noch bemerkenswerter: Heute schnappen sie sich einen Schuster, also einen völlig unbedeutenden Menschen, und morgen einen Menschen von Rang und Namen. Kennen denn diese Räuber und Mörder überhaupt den Unterschied? Doch wie sagt Mendele: »Aber nicht davon wollte ich sprechen.« Zwei Tage lang überlegte man im Wald hin und her und entschied sodann, dass Itzik wieder auftauchen solle. Zum einen dürfe man nicht eine ganze Familie oder gar das ganze Getto aufs Spiel setzen und zum anderen seien die Rumänen nicht die Deutschen. Sie seien bestechlich und man habe lose Verbindungen zu ihnen. Man werde Itzik freikaufen. Außerdem war ungewiss, was Itziks Familie dort alles ausplaudern würde. Dass Itzik standhalten würde, wusste man; auf ihn konnte man sich verlassen. Kurzum: Itzik ging in das Gemeindeamt und gab sich dort zu erkennen. Die Familie ließ man frei und knöpfte sich erst einmal ihn vor. Passanten, die just in jenen Tagen an dem Gebäude vorbeigingen, in dem Gemeinde25


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