William S. Schlamm (Leseprobe)

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beachtung zwangsweise von einem Scheitern seiner publizistischen Aktion? Sind Schlamms ›Spuren‹ tatsächlich verblasst? Ist sein Lebensweg einer Untersuchung nicht Wert? Oder erzielte, wie Elm es formuliert, sein Oeuvre im Hinblick auf die politische Geisteshaltung in der Bundesrepublik längerfristig doch Wirkung? Schließlich wurde mit dem Konrad-Adenauer-Preis sein Lebenswerk ausgezeichnet, wenngleich sein Rat ab den siebziger Jahren in der westdeutschen Politik und Presse niemanden mehr erreichte: Größte Prominenz hatte Schlamm Anfang der sechziger Jahre – just in einer Zeit, da mit dem Mauerbau 1961 und der Kubakrise 1963 dramatische Höhe­ punkte der Ost-West-Spannungen erreicht waren. Umgekehrt beförderte der droh­ende nukleare Showdown fast zwangsläufig erste Konzepte der Entspannung, die sich auf die starre westdeutsche Haltung zur Wiedervereinigung auswirken mussten.33 Auch in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur standen die Zeichen der Zeit auf Ver­ änderung – ein Wandel, den die baldige Nichtbeachtung des Hardliners in der Öffentlichkeit nachhaltig dokumentiert.34 Wenngleich die große Aufregung um Schlamm rasch nachließ, blieb er in seiner radikalen Ablehnung der Neuen Ostpolitik bis weit in die siebziger Jahre doch einer der streitbarsten Kolumnisten der bundesdeutschen Presse. Dank dieser lebenslangen publizistischen Tätigkeit stützt sich die Untersuchung auf umfangreiche Quellen. Schlamm schrieb in zahlreichen Presseorganen und veröffentlichte sieben Bücher. Dem 1937 verfassten Werk ›Diktatur der Lüge‹, einer Abrechnung mit Stalin, die den Sozialismus gegen dessen Kommunismus verteidigt und die Pseudo-Verwirklichung kommunistischer Ideen in der UdSSR anprangert, folgte 1940 in der amerikanischen Emigration ›This Second War of Independence‹, eine Analyse des Zusammenbruchs der westlichen Demokratien unter dem Ansturm Hitlers. Nach ›Die Grenzen des Wunders‹, seinem größten Erfolg, erschienen in den sechziger Jahren drei weitere zeitgeschichtliche Bücher: ›Die jungen Herren der alten Erde‹ von 1962 ist eine Kritik der Politik Kennedys und ein heftiger Angriff gegen den »Pragmatismus der Generation um Vierzig«; in ›Wer ist Jude?‹ thematisiert Schlamm das Verhältnis der Juden zum Staat Israel; ›Vom Elend der Literatur‹ schließlich ist ein scharfer Angriff auf die ›Sex-Literatur‹ der Gegenwart und eine Polemik gegen zeitgenössische Literaturkritik. Auch publizierte Schlamm eine Auswahl seiner Kolumnen für die Welt am Sonntag in ›Am Rande des Bürgerkriegs‹, während Artikel aus der Zeitbühne unter dem Titel ›Zorn und Gelächter‹ erschienen. ›Glanz und Elend eines Jahrhunderts‹ war eine Festschrift zum 90-jährigen Bestehen des Pharma-Unterneh33 Zur Notwendigkeit einer Neuorientierung siehe Kleßmann: Zwei Staaten, S. 82–94; Arnulf Baring: Machtwechsel. Die Ära Brandt-Scheel, in Zusammenarbeit mit Manfred Görtemaker, Berlin 1998, S. 233–252. 34 Doering-Manteuffel: Westernisierung, S. 311.

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