Prolog
»Neu-Cladow hatte den Zauber, den es ausgeübt, zum guten Teile seinen Gästen zu danken«1 , schreibt der Kunsthistoriker, Schriftsteller und Sammler Johannes Guthmann (1876 –1956) in seinen 1955 erschienenen Lebenserinnerungen Goldene Frucht. Begegnungen mit Menschen, Gärten und Häusern. Hat man einmal Neu-Cladow besucht und den Blick vom grünen Plateau vor dem in warmem Gelb leuchtenden Gutshaus über das weite Blau der Havel in die Ferne schweifen lassen, so mag man Guthmanns Gedanken kaum folgen, scheint doch der Ort an sich ein Juwel – und der Zauber ganz von selbst vorhanden zu sein. Für Guthmann jedoch ist Neu-Cladow in seinen Erinnerungen nicht zuerst mit der überwältigenden Natur oder dem frühklassizistischen Herrenhaus verbunden, das er um 1910 zu einem modernen Musenhof umgestalten ließ. Für ihn sind es vielmehr seine Gäste, die den ganz besonderen Zauber Neu-Cladows bedingen. Von welcher Art Zauber aber spricht er? Wer waren jene Gäste, die für Johannes Guthmann das wesentliche Merkmal Neu-Cladows darstellen? Und welcher gemeinsame Geist war hier so wirksam, dass Guthmann sich noch nach Jahrzehnten in leuchtenden Farben so lebendig daran zu erinnern vermag, dass es dem Leser scheinen will, als sei kein Tag vergangen seit jenen Abenden auf der Terrasse des Gutshauses, an die sich auch Guthmanns Gäste noch lange Zeit später als an den eigentlichen »Sinn« Neu-Cladows erinnern …? Nachdem der Bauunternehmer Robert Guthmann Neu-Cladow 1887 erworben hatte, galt die Sorge und das Sehnen seines feinsinnigen und schöngeistigen Sohnes Johannes von früh an dem Erhalt und der Pflege des mutmaßlich von David Gilly um 1800 erbauten Herrenhauses. Der Vater räumte dem Sohn nach Abschluss seines Studiums der Kunstgeschichte
Max Slevogt: Dr. Johannes Guthmann, 1918
1 Johannes Guthmann: Goldene Frucht. Begegnungen mit Menschen, Gärten und Häusern, Tübingen 1955, S. 325.
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Mimen Musen Memoiren.indb 7
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