

Kinder vor der Auslage des Kaufhauses Gerngroß mit Spielzeug, Wien um 1970.


Harald Havas
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Kinder vor der Auslage des Kaufhauses Gerngroß mit Spielzeug, Wien um 1970.


Harald Havas

10 ahnzuckerln und Schulmilchlacken – In der Schule



L36 ego und Langweile im Kinderzimmer – Nach der Schule



24 chwarzfahren und Seuchen- teppiche – Unterwegs in Wien



52 ienerwaldwandern und Safaripark – Freizeit am Wochenende
ahlknopf und Brieffreunde –In Kontakt sein













Kasperl und Pezi aus der Puppenbühne Urania wurden von allen Kindern heiß geliebt! Ganz im Gegensatz zu einer anderen Figur, die diesem Buch den Titel gab.
Positive und negative Erinnerungen sind natürlich höchst individuell. Aber es gibt auch so etwas wie kollektive Erinnerungen, insbesondere an die Kindheit, die bei fast jedem wohligen Schauer oder aber Gänsehaut auslösen. In Österreich, insbesondere in Wien, stellt zum Beispiel die Eskimo-Eistafel eine solche kollektive positive Erinnerung dar. Jeder erinnert sich noch an sein Lieblingseis und an die Spannung, ob es im Sortiment des nächsten Jahres noch auf der Tafel zu finden sein würde. Mehr dazu später. Eine negative kollektive Erinnerung, um nicht zu sagen das Trauma einer Generation, war jedoch ohne jeden Zweifel die Puppenwelt von Arminio Rothstein. Der Puppenspieler, Musiker, Zauberer und vielfache Künstler meinte es sicher nicht böse, aber viele seiner Puppen verfolgten uns Kinder der siebziger Jahre bis in unsere Träume. Vor allem Albträume. Es war aber schwer bis unmöglich, ihnen auszuweichen. Kinderfernsehen gab es so gut wie keines, also versammelte sich ganz Jung-Österreich brav jeden Mittwochnachmittag vor dem Fernseher, um die wöchentliche Kasperlsendung zu sehen. Kaum jemand warf zuvor einen Blick ins Fernsehprogramm, um festzustellen, welcher Kasperl heute an der Reihe war, und so war die Spannung
groß. Bei mir lief das folgendermaßen ab, und ich weiß, dass ich diese emotionale Einschätzung mit fast allen Altersgenossen und -genossinnen teile. Erschien mit einem fröhlich melodischen „RütütüüRütütüü-Rütütütüditüütdi“ der Kasperl von der Urania samt Pezi auf dem Bildschirm, waren da sofort Glücksgefühle. Der Urania-Kasperl war klug und super, hatte eine nette Großmutter und sein Begleiter Pezi war süß und lieb und lustig und gerade ausreichend tollpatschig. Und erst der Drache Dagobert! Ich sage nur „Dagobert, Dagobert, Bussi!“
Wenn der Strolchi-Kasperl – also der, der einen klugen Hund als Begleiter hatte – erschien, war das auch nicht schlecht. Ich glaube, der hatte auch eine nette Großmutter. Eher in die Kategorie Trostpreise fielen die anderen Kasperlfiguren mit so vielfältigen Begleitern wie dem Computer-Roboter Adolar oder dem Vogel Gabriel. Wenn sich allerdings der Clown Habakuk auf dem Bildschirm zeigte, also Arminio Rothstein verkleidet als Clown, war die Freude sofort gedämpft. Und eine bange Frage stieg auf: Würde heute wieder ER auftauchen? Er, der nicht genannt werden darf?
Der Clown Habakuk, also Herr Rothstein verkleidet, sah so ähnlich aus wie später Clown Enrico, war aber viel ernster, und ich sage jetzt einmal, grenzunsympathisch. Jedenfalls nichts für Leute
mit Coulrophobie, die klinische Bezeichnung für die Angst vor Clowns. Doch Habakuk war nicht das größte Problem, auch nicht der Habakuk-Kasperl, den ich ebenfalls als unsympathisch oder zumindest nervig in Erinnerung habe. Das Problem war, dass praktisch in jeder Sendung der Erzfeind dieses speziellen Kasperls auftauchte, der Zauberer – soll ich es wagen, ihn zu nennen? – Tintifax! Nicht nur war Tintifax böse und gemein und sah fürchterlich aus, er kam zusätzlich immer mit fürchterlicher Musik daher! Wobei man noch dazu sagen muss, dass beim Puppentheater Habakuk sowieso immer seltsame Klänge zu hören waren, irgendwie abstrakt und atonal. Aber wenn Tintifax auftauchte … Schauder pur. Abdrehen war keine Option. Weder sobald klar war, dass dieser Mittwochnachmittag von Habakuk dominiert werden würde, noch beim Auftauchen des Zauberers selbst. Ja, es war ein ungutes Gefühl, ja, es war erschreckend … aber es war Fernsehen! Noch dazu das einzige, das für Kinder zur Verfügung stand. Es gab keine Möglichkeit umzuschalten. Der zweite Sender FS2 sendete zu diesem Zeitpunkt meist noch gar nicht. Und es gab nur zwei, FS1 und FS2. Auch auf Videorekorder konnte man nicht ausweichen, da sie sozusagen noch nicht erfunden waren, beziehungsweise in Österreich Ende der Siebziger noch nicht in familienver-
träglichen Preisen erhältlich. Wenn man also Fernsehen wollte – und man wollte –, musste man da durch. Tintifax hin oder her.
Das galt auch für die Ableger vom HabakukKasperl. Denn so wie Pezi seinen eigenen Spin-off in der Betthupferl-Serie „Familie Petz“ hatte, hatte der Clown Habakuk ebenfalls eine eigene.
Die Betthupferl-Sendung, Montag bis Freitag gegen 18 Uhr, war das einzige tägliche Kinderfernsehen und somit ein Pflichttermin. Habakuk wurde hier von dem nervigen Affen Tobi und dem nur marginal minder nervigen Hund Tobias begleitet. Zwar waren die Betthupferl-Episoden, es gab gelegentlich sogar längere Sendungen mit dem Duo am Wochenende, glücklicherweise nach fünf Minuten vorbei, aber eigentlich hätte man doch lieber die Barbapapas gesehen … Doch zurück zur Titelfigur. Der Zauberer Tintifax hatte eine grüne Hautfarbe. Das wusste nur niemand. Denn wenn jemand einen Fernseher hatte, dann war

Tintifax, wie er leibt und lebt! Der Schrecken der Kinderzimmer, das Trauma der Boomer bis in die Gegenwart …

der schwarz-weiß. Egal ob im eigenen Haushalt oder beim Nachbarn, zu dem man durfte, um sich die Kasperl-Sendung anzuschauen. Auch die Fernsehzeitung nutzte wenig, denn Magazine waren zum Großteil ebenso schwarz-weiß. Das war so in den siebziger Jahren. Umso größer
der Schock, als in dem einen oder anderen Haushalt schließlich der Farbfernseher Einzug hielt und der Zauberer Tintifax nicht nur böse und fürchterlich war, sondern auch noch grün! Wobei ihm die Farbgebung auch einiges von seinem Schrecken nahm. Überhaupt war die HabakukKasperl-Welt in Farbe weitaus erträglicher als in schwarzweiß. Dass zu dieser Zeit alles bunter wurde als all die Jahre zuvor – Zeitungen, Fernsehen, Werbung, Autos –, gehört zu den erfreulicheren Erinnerungen der Kindheit der siebziger Jahre. Von solchen handelt dieses Buch hauptsächlich.
Übrigens: Als Tintifax grün wurde, war ich eigentlich schon zu alt für ihn. Gott sei Dank.

Das „Narrenkastl“ und Objekt der Sehnsucht der 70er Jahre. Immerhin schon in Farbe. Die „Fernbedienung“ unserer Eltern waren aber noch wir selbst.

kein einheitliches Jahrzehnt. Grob gesagt waren sie zweigeteilt. Während die erste Hälfte noch eher den sechziger Jahren und generell der Nachkriegszeit ähnelte, änderte sich ab der Hälfte der siebziger Jahre extrem viel. Abgesehen von den vielen Reformen der sozialdemokratischen Mehrheitsregierung, was auch große Auswirkungen auf Kinder hatte, wie gratis Schulbücher und Schulfreifahrt, begannen langsam und gemächlich die Elektronik und die ersten Computer Einzug zu halten.
Diese Entwicklung setzte sich Anfang der achtziger Jahre fort und war in gewisser Weise Mitte der Achtziger abgeschlossen.
Rund um 1985 waren wir in unserer heu-
tigen Gegenwart angekommen. Jedenfalls ist das meine These und ich hab sie im Buch „Kottan, Kreisky und kein Kabelfernsehen“ ausführlich dargelegt.
Diese soziokulturellen Veränderungen betrafen natürlich auch die Kindheit der siebziger Jahre. Und zwar unterschiedlich je nachdem, ob man in dieser Zeit noch in den Kindergarten ging, in die Volksschule oder bereits ein junger Jugendlicher war. Dieses Buch versucht all diese Lebensräume zu berücksichtigen.

Viel Spaß dabei!

Mit den Schulsparheften sollten wir zu braven kleinen Sparern erzogen werden. Und zu braven Konsumenten.

Eine typische Wiener Volksschulklasse der 1970er, darunter der Autor (in der zweiten Reihe der Linke von den beiden mit der Brille).


Wenn man Leute nach ihrer Kindheit fragt, ist eines der ersten Themengebiete, das verlässlich aus den Tiefen der Erinnerung auftaucht, die Schulzeit. Eigentlich nicht verwunderlich, verbringt man doch als Kind den halben Tag, mit Nachmittagsbetreuung oder Hort fast den ganzen Tag, in der Schule. Hinzu kommt ein mehr oder weniger langer Schulweg, Lernen und Hausübungen machen. Und das alles acht Jahre lang, im Gymnasium sogar zwölf. Mit Durchfallen mehr.
Die Erinnerungen an die (zehn-)tausenden dort verbrachten Stunden bleiben naturgemäß eher schwammig. Oft zum
Glück, denn was man dabei als Erstes vergisst, fasste eine Freundin von mir einmal gut zusammen, die vor einigen Jahren auf Einladung einer ihrer ehemaligen Lehrer einen Tag in der Schule verbracht hatte. Danach meinte sie kopfschüttelnd: „Ich hab ganz vergessen, wie endlos langweilig so ein Schultag ist.“
Trotz des Vergessens oder Verdrängens der Gesamtzeit sind es doch die vielen kleineren Ereignisse und Erlebnisse, die in Erinnerung bleiben. Natürlich sind viele davon individuell, aber erstaunlich viele auch kollektiv. Bei den Kindern der siebziger Jahre betrifft das etwa die Schulmilch-Aktion und die „Zahnzuckerln“.
Billie: „Meine Schule lag am Landstraßer Paulusplatz, gleich vis-a-vis der NÖM-MolkereiAuslieferung. Eine meiner Lieblingserinnerungen ist das Milchholen: Jede Woche waren zwei andere Kinder die sogenannten Milchwarte und holten von NÖM einen wirklich schweren Kübel, gefüllt mit kleinen Milch- und Kakao-Packerl. Der Metallbügel (Henkel) hat so richtig in die Hände geschnitten, aber wir waren unglaublich stolz und haben uns so erwachsen gefühlt!“
Tatsächlich erinnere
ich mich selbst nur sehr lückenhaft an meine Zeit in der Volksschule, in meinem Fall von 1970 bis 1974.
Klar, ein wenig an das Gebäude, die Gänge, den Turnsaal, ein wenig an einige Klassenkameraden und Klassenkameradinnen, unter ihnen vor allem an jene, die mit mir auch in dieselbe Pfadfindergruppe gingen. Natürlich nur Buben, denn die männlichen Wölflinge und die weiblichen Wichtel waren streng getrennt. Ich erinnere mich auch an unsere Klassenlehrerin und an einige Ausflüge. Aber das meiste sind einfach nur einzeln aufblitzende Dias mit großen Lücken dazwischen.
So wie früher auch nur Urlaubsreisen und spezielle Anlässe fotografiert wurden, denn jedes einzelne Bild war teuer.


Nicht viel anders ergeht es mir mit meiner Erinnerung an die Gymnasialzeit. Ein kompletter Spielfilm oder gar eine komplette virtuelle Rekonstruktion der Zeit und der Orte würde sich daraus zwar nicht herstellen lassen, aber es gibt hier wie auch in allen anderen Themenbereichen des Buches ausreichend Berichtenswertes mit gleichzeitigem Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Vieles lässt sich durch die Augen anderer
Meist standen die Tische in den Klassen damals fest in Reih und Glied! Nur in Freistunden oder bei progressiven Lehrern wurden sie manchmal verrückt.
Zeitzeugen und Zeitzeuginnen widerspiegeln und erweitern. Und so lässt sich doch ein buntes Bild einer an sich eher grauen Zeit zeichnen.
Am besten erinnere ich mich an meinen Volksschulweg. Für den Hinweg wählte ich immer die kürzeste Strecke, nicht zuletzt, weil ich oft spät dran war. Laut Google Maps beträgt die Strecke 400 Meter und wäre in 5 Minuten zu
überwinden. In meiner Erinnerung kommt es mir länger vor, sowohl in Metern als auch in Minuten. Vor allem im Winter.
Zwar gab es damals noch keine nennenswerten Fußgängerzonen, aber glücklicherweise führte mich der Weg von der elterlichen Wohnung fast ausschließlich durch Nebenstraßen. Eine kurze Stiege hinauf, eine lange schmale Gasse fast ohne Autoverkehr entlang, dann eine lange Treppe abwärts. Ja, Wien ist streckenweise ziemlich gebirgig, jedenfalls geht es öfter bergauf und bergab als man als Fußgänger bewusst wahrnimmt. Danach galt es noch eine belebte Straße zu überqueren. Nota bene absolvierte ich den Weg, wie praktisch alle Schulkinder damals, bereits ab der ersten Klasse allein. Helikoptereltern, die ihren Nachwuchs das erste Jahr oder sogar die gesamte Volksschulzeit (vielleicht sogar noch danach) zur Schule brachten und abholten, gab es so gut wie gar nicht. Im Prinzip glaube ich, dass

An den Kaugummi-Automaten, damals noch mit unverpackten Kugeln lose gefüllt, konnte man nicht vorbeigehen, wenn man noch ein paar Groschen einstecken hatte.

es heute auch nicht gefährlicher ist als damals, nur die Vorsicht und, teilweise, übertriebene Angst der Eltern haben im Laufe der Zeit zugenommen. Was übrigens für viele Bereiche galt: So durften in den siebziger Jahren Hunde auch noch ohne Leine und ohne Beißkorb frei neben ihren Besitzern laufen. Manchmal sogar ohne ihre Besitzer. Wir hatten etwa einen Hund, ein Mittelpudel namens Tommy, der sehr zufrieden und autonom jeden Tag allein Gassi ging und wieder zurückkam, und das mitten in der Innenstadt. Doch zurück zu meiner einzigen Straßenüberquerung. Hier gab es glücklicherweise einen Zebrastreifen. Manchmal nach der Schule auch behütet von einem Verkehrshelfer oder den damals neuen Politessen. Diese schick uniformierten Polizeihelferinnen mit papierschiffartigem Käppi durften im Vergleich zu echten Polizisten mindere Dienste verrichten, wie Strafzettel verteilen oder Kindern
über die Straße helfen. Eingeführt wurden sie 1971 und es dauerte bis 1990, bis aus den ersten von ihnen vollwertige Polizisten wurden.
Tatsächlich weiß ich gar nicht, ob es die Verkehrshelfer wirklich jeden Tag nach der Schule gab. Ich weiß nur, dass wir einmal für das Fernsehen dabei gefilmt wurden, wie gerade eine der schick gekleideten Politessen für uns den Verkehr aufhielt. Wir mussten mehrmals hin- und hergehen, was wir sehr lustig und absurd fanden, bis die Sache im Kasten war.
Vielleicht sind mir die Verkehrshelfer auch deshalb nicht so gut in Erinnerung, weil ich häufig andere Rückwege wählte, die zwar länger, aber dafür deutlich interessanter waren. Etwa die Strecke, an der es einen kleinen Kaugummiautomaten bei einem Hauseingang gab, bei dem ich immer wieder mein Glück versuchte. Tatsächlich war der Automat eher ein Glücksspielautomat. Er war oft kaputt und das Geld
fiel durch oder blieb ohne Warenausgabe stecken. Es war immer spannend, ob ich –für zuerst 50 Groschen und später einen Schilling – zumindest eine der drei (!) versprochenen Kugeln herausbekam. Ich glaube, meine Mutter hat sich sogar einmal bei der Herstellerfirma beschwert. Die noch interessantere und zeitweise gruselige Strecke war die unter einer Brücke hindurch und eine dunkle und nicht immer wohlriechende überdachte Seitentreppe hinauf. Am oberen Ende der Treppe erwartete mich die Belohnung in


Schülerlotsen gab es nicht immer. Und wenn man Glück hatte, war es eine hilfsbereite Politesse.


Form eines Zuckerlgeschäftes. Die waren damals noch recht häufig. In Ermangelung von Supermärkten gab es nicht so viele Möglichkeiten, sich süße Sachen zu kaufen, abgesehen von Konditoreien und beim Würstelstand. Allerdings interessierten mich die offen angebotenen Schoko(bruch)stücke, Seidenzuckerln und Konfekte wenig. Mein Blick war immer fest auf die Auslage gerichtet, in der es ein Sortiment der neuesten Pickerlalben, also Klebebildalben, und Klebebilder selbst gab. Die Auswahl war groß und wechselte häufig. Lange vor Panini. Sportalben waren eher selten dabei, die gab es gerade einmal bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen und interessierten mich sowieso weniger. Dafür hatte ich ein Album über Flugzeuge und Flughäfen, ein Album über Züge und andere Transportmittel und ein ganz besonderes Album mit Pflanzen: Wenn man an den Bildern kratzte, konnte man den Duft der jeweiligen Gewächse riechen! Ich hatte zwar nur fünf Bilder im Album, aber den Geruch von Kräutern und Blumen konnte man noch Jahrzehnte später erkratzen und erschnüffeln. Andere Alben, wie
ein breitformatiges mit Fred Feuerstein und den anderen Zeichentrickfiguren der Hanna-Barbera Studios, wiederum zeichneten sich durch die panoramaartige Gestaltung aus. Zu jeder der vielen unbekannten und geheimnisvoll wirkenden Zeichentrickserien, von denen außer den Feuersteins und später den Jetsons bei uns gar keine liefen, gab es eine breite Doppelseite mit leeren silhouettenhaften Stellen, in die man die jeweiligen Figuren passgenau einfügen konnte. Wenn man konnte! Ganz anders als die meisten anderen Alben, in denen

es nur langweilige Rechtecke gab, die es zu füllen galt.
Außerdem gab es die kleinen und großen „Kalkitos“ genannten Folder, mit diversen Szenen, Arealen und Fantasy, in die man Figuren und Landschaftsteile nach eigener Lust und Laune einrubbeln konnte.



Sammelalben mit bunten Pickerln und „Kalkitos“ mit Szenen, die man sich per Rubbeln selbst gestalten konnte, waren
Ein besonderer Schatz aus dieser Zeit sind Karl-May-Alben mit Bildern aus den Filmen. Es muss sich dabei allerdings um alte Restposten gehandelt haben, denn die Bilder aus dickem Papier waren noch nicht einmal selbstklebend, man musste sie mit Klebstoff hineinpicken. Natürlich reichte mein Taschengeld selten für mehrere Papierbriefchen mit neuen Bildern. Aber man bekam immer das Album gratis dazu, wenn man ein gewisses Kontingent einer Serie erwarb. So bin ich noch heute stolzer Besitzer einer „Sammlung von Sammelalben“, in denen jeweils nur eine Handvoll Bilder zu finden sind. Natürlich habe ich manchmal in der Schule getauscht. Aufgrund der Fülle der Sammelalben gab es jedoch selten andere Kinder, die dieselben Alben hatten. Das änderte sich erst im Gymnasium, als zu großen Sportanlässen wie den Olympischen Spielen oder Fußball-

äußerst beliebt.





Comichefte waren in der fernsehlosen Zeit, und das war der größte Teil der Zeit, eine der wenigen Möglichkeiten, sich in (bunte!) Abenteuer und lustige Funny-Welten zu stürzen. Die Hefte wurden zigmal gelesen, verborgt und getauscht.


WMs Alben herauskamen, die wirklich jeder hatte. Mindestens das Album von den Olympischen Winterspielen in Tirol 1974 habe ich sicher noch. Dazu kamen Alben von Disney-Filmen und Blockbustern wie
Andreas: „Meine Volksschule war in der Börsegasse. Praktischerweise war ums Eck ein Zuckerlgeschäft, in dem viel Taschengeld landete. Vieles davon für Sammelalben und dazugehörige Pickerln.“

„Krieg der Sterne“. Besonders letzteres hatte fast jeder. Es gehört damit zu den wenigen, die viele Leute aufgrund des großen Tauschangebots sogar voll bekommen haben.
Diese Sammelalben waren damals eine der spärlichen Möglichkeiten, die Kinderwelt etwas bunter zu machen. Denn die späten sechziger und frühen siebziger Jahre waren sehr grau. Die Gebäude waren grau, weil sie noch nicht restauriert oder gesäubert waren. Die Zeitungen waren grau, Farbfotos in Zeitungen gab es noch nicht. Das Fernsehen war grau, jedenfalls bei uns daheim. Zwar wurde die erste Farbsendung des ORF schon am 1.1.1969 ausgestrahlt – passenderweise das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker –, aber bis sich Farbfernsehen und vor allem Farbfernseher so richtig durchsetzten, sollte es noch eine Weile dauern (siehe Kapitel „Betthupferl und Kojak“). Sogar die Zeitschriften waren größtenteils schwarz-weiß, nur die Titelbilder waren bunt. Nur Reklametafeln waren größtenteils farbenfroh, aber von denen gab es nicht so viele. Vor allem auf Litfaßsäulen –wann die Großflächenplakate der GEWISTA aufkamen weiß ich gar nicht – waren sie in den Siebzigern noch selten. Das Ende meines Heimwegs war fast immer die Trafik um die Ecke. Ich kannte die Trafikantin sehr gut, schließlich wurde ich öfter von meiner Mutter hinuntergeschickt, damals ganz normal, um dort

Zigaretten zu kaufen –wie damals üblich oft eine ganze Stange, in dem Fall die leichteste Marke der Austria Tabakwerke namens „da capo“. Aber das war nicht der Grund, wieso ich das Geschäft fast täglich aufsuchte. Ich wollte nachsehen, ob es neue Comics gab. Ich war schon immer extremer Comic-, soll heißen Bildgeschichten-Fan, sogar bevor ich echte Comics besaß: Am Anfang stand ein Bussibär-Abo und eine stattliche Sammlung von Pixi-Büchern, die ich bis heute besitze. „Micky Maus“ war gut, „Fix und Foxi“ waren okay, „Felix“ gab es selten. Meine Lieblingsserie war aber „Pepito“, wie „Fix und Foxi“ ebenfalls aus dem Hause Kauka –meine erste (fast) lückenlose Comicsammlung, immer und immer wieder gelesen. Die Hefte wurden gerne in die Schule mitgenommen und untereinander getauscht. Sammelalben und Comics spiegelten meine Sehnsucht nach mehr Farbe und Buntheit wider, in einer grauen Zeit, von der ich gar nicht wusste, dass sie grau war, weil das einfach war, wie die Welt eben war. Sogar die Schulbücher waren schwarz-weiß, abgesehen von einigen Schmuckfarben. In sie hineinzuschreiben war streng verboten!

Bussi Bär war eine Art „Einstiegsdroge“ in die Comic-Welt von Rolf Kauka. Immerhin von den meisten Eltern akzeptiert, weil ja didaktisch wertvoll!


Bücher galten noch als etwas Heiliges. Freie Felder, um Aufgaben zu lösen, etwa in Englisch oder Mathematikbüchern, gab es erst später. Die ersten fast durchgehend farbigen Schulbücher waren meiner Erinnerung nach die Geographiebücher, zum Teil auch die Geschichtsbücher.
Offenbar war ich mit dieser Sehnsucht nicht allein. Es gab geradezu einen gesellschaftlichen Aufbruch hin zu mehr Farbenfreude. Im Laufe des Jahrzehnts wurden die Kleidungsstücke bunter, die Autos wurden bunter, einfach alles. Zwar wusste ich auch das nicht, aber Österreich, ja, die ganze Welt verabschiedete sich langsam von der Nachkriegszeit. Doch zurück in die Schule. Der größte Unterschied zu heute ist wahrscheinlich die Größe der Schulklassen. Auf einem Foto aus meiner Volksschulzeit zähle ich 30 Kinder, auf einem anderen 33. Mit einer Lehrerin. Obwohl es unter der Kinderschar sicher das eine oder andere schwierige gab. So wie mich. Ich war wahrscheinlich so etwas, das man heute als ADHS-Kind bezeichnen würde. Meine Volksschullehrerin hat meinen Eltern einmal gesagt, dass sie mit einem wie mir pro Klasse fertig wird, mehr würde sie nicht schaffen. Eine Methode, mir

Buntstifte, vor allem Filzstifte, waren ein großer Schatz und wurden nur ungern verborgt.

und anderen Störenfrieden Herr zu werden, war, sie in die Ecke zu stellen. Ja, das war damals noch ein Ding. Wenigstens hatten wir keine Eselsmützen oder wurden körperlich gezüchtigt.
Im Gymnasium war ich in der C Klasse –die, in der alle Durchgefallenen aufgenommen wurden. Von anfangs mindestens 34 Kindern, es kann auch das eine oder andere mehr gewesen sein, bis zur siebenten Klasse sind wir praktisch nicht geschrumpft. Dafür wurden wir im Sprachunterricht immer geteilt. Bis zur achten Klasse, da waren wir „nur“ noch 31 und die Teilungsregel galt erst ab 32!
Die Schule war so, wie man sich das Klischee einer Schule vorstellt: Tische für jeweils zwei Kinder in Reih und Glied Richtung Tafel ausgerichtet. Eine lockere Aufstellung der Tische oder Sitzkreise war noch weitgehend unbekannt. Außerdem wurde die ganze Zeit gesessen außer vielleicht beim Singen im Musikunterricht.
Dass die Zeit langsam bunter wurde, war auch an den Schulsachen abzulesen. Die am Anfang der siebziger Jahre noch einheitlich in Grau oder Blau gehaltenen Schulhefte wurden bunter, zeitgemäß oft in Giftgrün, manchmal auch mit Motiven versehen, etwa einer kleinen Trollfigur, die es auch als Radiergummi zum Aufstecken am Ende der Bleistifte gab. Geschrieben wurde mehrheitlich mit dem Bleistift oder mit Tinte. Für letztere stellte sich der im Laufe dieser Zeit aufkommende Tintenkiller als wahrer Segen heraus. Mit Schreibstift am anderen Ende zum Drüberschreiben. Leider ging das nur einmal pro Stelle.
Auch Löschblätter waren noch Standard, obwohl sie kaum jemand benutzte. Die modernen Füllfedern mit den einsteckbaren Plastikpatronen, deren Verschlusskugeln man, wenn die Patrone leer war, herausnehmen und wozu auch immer sammeln konnte, tropften nämlich kaum.
Dafür konnte
man die Löschblätter für kreative Kunstwerke verwenden.
Überhaupt machte sich die damals fortschreitende Kommerzialisierung auf allen Gebieten auch bei den Schulsachen bemerkbar: immer neue bunte Füllfedern, immer größere Sets an Jolly-Buntstiften und Filzstiften, erbitterte Konkurrenz zwischen Jolly und Pelikan um den größeren Farbkasten usw. Dazu kamen viele Werbungen für all diese Dinge, der fröhlich bunte Kapitalismusmarkt inklusive Kindersektor war endgültig auch in Ös-
Pixi-Bücher
und solche von anderen Verlagen waren auch eine Möglichkeit, in andere Welten einzutauchen. Auch wenn man dafür vielleicht sogar schon etwas zu alt war.



terreich ausgebrochen. Alternativ oder zusätzlich begann der Trend, alles mit Pickerln zu verschönern. Schulhefte, Schulbücher, wenn man sich traute, Schultaschen und auch Schultische.
Plastik, Massenproduktion und Marketing machten das Jahrzehnt auch zum Jahrzehnt der Aufkleber. Abgesehen von den gekauften, erjagte man welche von Tankstellen oder Automechanikern.
Warum auch immer, hatte fast jeder Aufkleber von Reifen wie Good Year oder Semperit irgendwo kleben. Dazu welche von verschiedenen Skimarken, politischen Parteien und einiges mehr. Marketing, Massenproduktion und Kapitalismus hatten allerdings noch nicht alle Bereiche übernommen. Etwa was die Schuljause betraf. Die bestand noch kaum aus gekauften Produkten. Standard waren belegte Brote in Alufolie, damals oft noch (und inkorrekt)
Stanniolpapier genannt, meist mit Wurst oder Käse, dazu Obst, meist ein Apfel. Und selten bis nie ein Stück Schokolade oder eine andere Süßigkeit. Das einzige Süße in der Schule während meiner Volksschulzeit waren die bereits angesprochenen Fluoridtabletten, vulgo Zahnzuckerln. Die waren zwar süß, aber nicht besonders wohlschmeckend, weshalb viele von ihnen ausgespuckt am Boden landeten. Andere Kinder horteten wieder mehrere davon, um sie dann alle gleichzeitig genüsslich zu lutschen oder zu zerbeißen, was aus medizinischer Sicht keine besonders schlaue Idee war.

Ein Wurst- und/oder Käsebrot und ein Apfel, nicht immer geschnitten, waren meistens das höchste der Gefühle als von den Eltern mitgegebene Schuljause. Natürlich ohne eigene Box einfach in Alufolie gewickelt.

Eigene Jausenboxen hatte niemand, jedenfalls niemand, den ich kannte. Dafür war die Alufolie nach dem Auswickeln der Brote noch vielfältig einsetzbar: Man konnte aus ihr Ringe formen, beliebt waren etwa Ohrringe zum Anklemmen, und natürlich Kugeln, die fleißig hin- und hergeworfen oder als Fußballersatz verwendet
wurden. Bis jemand draufgetreten ist und der Ball als flache Aluscheibe am Boden zurückblieb. Kaum ein Klassenzimmer oder Gang ohne solche Artefakte.
Getränke wurden anfangs nie mitgegeben, denn Wasser kam in der Schule schließlich aus der Wasserleitung. Außerdem gab es die staatlich geförderte Schulmilch-Aktion, um den Kindern in Form von Milch oder Kakao wertvolles Calcium zuzuführen. Die zweite Option auf etwas Süßes während der Schulzeit. Die Milch kam in frühen Formen der Tetra Paks, damals noch Milchkarton genannt. Der Name Tetra Pak stammt übrigens von der Form des Tetraeders, also einer Pyramide mit drei Seiten. Denn so sahen die frühesten Modelle dieser Verpackungsform aus. Wie z. B. „Sunkist“ – die ersten Getränke, die manchmal zur Jause mitgegeben wurden, aufgrund des „hohen“ Vitamin-C-Gehalts in dem „gesunden“ Orangensaft. Wobei der Orangensaftanteil schon damals sehr gering gewesen sein dürfte. Die kleinen Pyramiden und quaderförmigen Milchpackerln eigneten sich nach dem Trinken hervorragend als improvisierte Spritzpistolen! Bis sie ebenso flach getreten am Boden landeten, wo sie den Alufolienfußbällen Gesellschaft leisteten.

Die Schulmilch – oder der von vielen bevorzugte Schulkakao – war eine willkommene Abwechslung, sorgte aber oft für eine große Sauerei im Klassenzimmer.

Apropos Spritzpistolen. Eine andere Möglichkeit, Mitschüler zu beschießen, waren die U-Hakerln. Kleine Papierstreifen, mehrfach gefaltet und abgeknickt mit Gummiringerln verschossen. Jugendliche Soziopathen griffen sogar zu verbogenen
Büroklammern als Munition, glücklicherweise eher selten. Auch die dicken großen Einweckgummis wurden gerne verschossen. Über den Daumen gespannt flogen sie erstaunlich weit, ohne zuvor an den Fingern hängen zu bleiben. Sie wurden auch zu Hause als Spielzeug benutzt, etwa um Dosenpyramiden umzuwerfen. Bei Schulausflügen wurde die Jause von vielen Eltern aufgewertet. In den meisten Fällen in Form von Mannerschnitten und einem Trinkbehälter mit Himbeersaft oder Tee. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Trinkbehälter aus Plastik erinnern. Wir waren die erste Generation, in der Plastik langsam, aber sicher alle Bereiche des Lebens eroberte. Das Ding war keine Thermoskanne, sondern ein seltsames Ovoid in Trübweiß mit einer roten breiten Kappe, die als Trinkbecher zu verwenden war. Das alles mit ziemlicher Sicherheit
S usanne: „Schulmilch-Aktion: Wer’s nicht kennt, das war ein Angebot für die Pause – es gab Kakao oder Bananenmilch in Viertelliter-Tetrapäckchen. Theoretisch auch Milch – aber die Einzige, die das bestellt hat, war die Frau Lehrerin, und zwar für ihren Kaffee. Der Klassenordner hatte einen kleinen Plastik-Anker, mit dem hat man das Packerl aufgestochen – da, wo der Strohhalm reinkam. Mann, war das eine Sauerei!“

in keiner guten Qualität, ich kann mich noch lebhaft erinnern, dass ich das speckige Ding eher grauslich fand. Manchmal auch den Himbeersaft.
Billie: „Mein Gymnasium war direkt am Rand des Simmeringer Herderparks. Und ja, auch zu der Zeit gab es schon ‚Maturastreiche‘. Unsere Burschen haben damals den roten Mini unseres Chemielehrers über die Sträucher in die Sandkiste des Parks gehoben! Ich weiß bis heute nicht, wie er den damals wieder rausgekriegt hat …“



Im Gymnasium gab es zuerst Kleinigkeiten beim Schulwart zu kaufen, dann, durchgesetzt vom Schulsprecher, ein kleines Buffet, in Form eines Tischs unter den Treppen, und später sogar einen Kaffeeautomaten. Der Topschlager beim Buffet waren lange Zeit neben diversen Süßigkeiten die Joghurts von Nömix, in geradezu unfassbar vielen Geschmacksrichtungen. Kaffee wurde nur von den coolen Oberstuflern konsumiert, bevorzugt in der großen Pause im Raucherkammerl, wo sich Schüler und Schülerinnen, Lehrer und Lehrerinnen kollegial gegenseitig die Zigaretten anzündeten. Für Unterstufler war es eine Mutprobe, schnell in den rauchgeschwängerten Raum zu laufen

Die regelmäßigen Besuche beim Schularzt waren immer sehr gefürchtet. Man wusste nie, ob der Onkel Doktor für die nächste Impfung ein Zuckerstück oder eine Nadel auspackte. [Symbolbild]

und schnell wieder zu verschwinden, bevor ein Lehrer einen maßregeln konnte. Je nach Veranlagung konnte man dabei als Passivraucher tief Luft holen oder sich die Nase zuhalten und die vorher eingeatmete Luft anhalten.

BIm Rahmen der Schwelle zum erwachsenen oder zumindest postpubertären Dasein, gab es außerdem die schulärztlichen Untersuchungen. Abgesehen von den verpflichtenden Impfungen – wenn man Glück hatte als bitterer Tropfen auf einem Stück Zuckerwürfel, wenn man Pech hatte, was gefühlt wesentlich öfter vorkam, gespritzt in den Oberarm – gab es gelegentliche und manchmal, sagen wir einmal leicht übergriffige „Gesundenuntersuchungen“. Wie das tatsächlich hieß, und was dabei überprüft wurde, etwa ob wir vielleicht unterernährt wären, weiß ich nicht mehr. Uns hat niemand informiert und keiner hat gefragt. Ebenso unangenehm, jedenfalls für die meisten, war der Turnunterricht, also der
illie: „Eine meiner Erinnerungen an die 8 Jahre Gymnasium sind die Hofpausen. Alle MUSSTEN in der ‚langen Pause‘ (20 Minuten) um 11 Uhr die Klassen verlassen und im Innenhof auftauchen, das wurde von den Lehrkräften überwacht. Im Hof mussten wir dann tatsächlich Runden drehen, nur die Größeren durften am Rand rumstehen. Erst Jahre später habe ich bestimmte Vergleiche dazu gezogen!“






in den weiterführenden Schulen. Denn Turnen in der Volksschule war noch eitel Wonne und Völkerball. Später wurde das anders. Wobei das vermutlich eher eine Frage der Persönlichkeit des jeweiligen Lehrers war. Meiner war über lange Strecken sadistisch veranlagt. Jedenfalls war das unser Eindruck. Bei jedem kleinen Missgeschick, Fehler oder Widerspruch hieß es sofort: auf den Boden und sechs Klappmesser und sechs Liegestütz! Bei gutem Wetter war es noch schlimmer, denn dann ging es in den nahen Park und wir mussten riesige Runden laufen. Es gab zwar einen Abkürzer, aber der war riskant. Manchmal lauerte genau an dieser Stelle unser Lehrer und dann hieß es erneut auf den Boden und … Besonders das Laufen wurde von allen gehasst. Damals ist niemand in seiner Freizeit gelaufen. Wer freiwillig gelaufen ist und kein Berufssportler war, war weder ein Jogger (der Begriff kam erst in den achtziger Jahren auf) noch ein Läufer, er war ein Spinner.
Der Turnunterricht war nur etwas für die maximal 10 bis 20 % der begeisterten Sportler, außer es standen Volleyball, Völkerball oder Sitzfußball auf dem Programm.
tigen Südosttangente.
Auch dort wurde gelaufen, seltener gab es amüsantere Dinge wie Weit-

sprung. Besser wurde das alles erst später mit einem anderen Lehrer, der uns im Wesentlichen die ganze Zeit Fußball spielen ließ. Im kleinen Turnsaal, und der war wirklich klein, Sitzfußball. Leute mit, nun, geringerem Interesse und sportlichen Fähigkeiten, die sowieso von keinem Team gewählt wurden, verbrachten ihre Zeit meist bei philosophischen Gesprächen im Umkleidekammerl. Ich weiß das, denn ich war einer dieser Nerds.
Auch bei vielen Mädchen war der Turnunterricht nicht beliebt. Ich erinnere mich noch an eines, das sich drei Wochen hintereinander bei der Turnlehrerin damit entschuldigte, dass sie ihre Tage hätte. Ein biologisches Wunder.
BZum ebenso verhassten Nachmittagsturnen musste man extra wieder in die Schule fahren, oder zu einem Sportplatz, in meinem Fall zu der nicht gerade günstig gelegenen Birken-Wiese bei der heu-

illie: „Nein, die Sportlichste war ich wirklich nicht. Aber die Aussage meiner Turnprofessorin in den späten 70ern – ‚Traxler, du hängst am Reck wia a Kartoffelsock!‘ – war auch nicht wirklich motivierend, mich mehr mit dem Turnunterricht zu beschäftigen. Beim Völkerball hab ich mich immer gleich zu Beginn abschießen lassen, damit es schnell vorbei war. Dass ich dadurch beim Auswählen nicht grade beliebt war, hat meine Freude am Turnunterricht auch nicht verstärkt. Und als wir dann schließlich die sommerlichen Temperaturen ausnutzend am Grenzacker Sportplatz Runden ‚zum Aufwärmen‘ laufen mussten, war es ganz vorbei. Mein am meisten gehasstes Fach!“




Die Sendezeit im Fernsehen dehnte sich erst langsam aus. Ein Nachmittagsprogramm, egal was, stand während der Woche so gut wie nie zur Verfügung.

Die Schulskikurse konnten super oder furchtbar sein. Super, wenn man es in eine der oberen Gruppen schaffte. Furchtbar, wenn einer der Turnlehrer sadistisch war und einen „zur Ertüchtigung“ endlos lang über ebene Loipen scheuchte.

Nach einer schweißtreibenden Stunde verschwitzt wieder ins Gewand zu steigen und dann vielleicht noch eine Schularbeit zu haben, war kein Vergnügen. Geruchsmäßig vermutlich auch nicht für die Lehrer.
Und dann gab es natürlich noch die Skikurse. Voll mit Anekdoten, meist aus dem Bereich Illegales. Wie Besuche in den Mädchenzimmern, Alkohol, zum Verstecken und Kühlen aus dem Fenster gehängt,

Amouröses, Zigaretten und „lustige“ Zigaretten. Hier hat wohl jeder und jede eigene Erinnerungen, über die wir an dieser Stelle den Mantel des Schweigens breiten wollen.
: „Schikurs in der HinterWir hatten einen Turnlehrer, der morgens immer dann die Zimmer kontrollierte, wenn wir Mädels dabei waren, uns zu waschen (das Waschbecken war im Zimmer, gleich bei der Tür). War bestimmt Zufall, oder? Warum überhaupt ein männlicher Lehrer Mädchenzimmer kontrollieren musste, würde ich heute auch sehr in Frage stellen. Damals kamen wir nicht auf die Idee, uns bei Lehrerinnen oder Eltern zu beschweren, wir haben es selbst gelöst.“

Die Stadtbahn, übrigens noch mit Linksverkehr, wurde erst Anfang der achtziger Jahre langsam durch die U-Bahn ersetzt.


Die Bewegung in der Kindheit unterteilt sich in zwei Bereiche: in autonome Bewegung und in Wege, bei denen man von jemandem begleitet und/oder wohin gebracht wurde.
Der erste Bereich war anfangs eingeschränkt. Vielleicht gibt es ja Ausnahmen, aber für viele von uns begann das Abenteuer, allein unterwegs zu sein, irgendwann im Laufe der ersten Klasse der Volksschule. Mit den Ausnahmen meine ich nicht Kinder, die erst ab der zweiten oder dritten Klasse allein zur Schule gingen, sondern eher solche, die sogar schon allein zum Kindergarten spazierten, zu-
mindest gegen Ende der Kindergartenzeit, wenn die Einrichtung nicht weit weg war. Dazu kamen kleine Wege, wie Einkaufen zu gehen, Freunde oder Großeltern zu besuchen oder zu einem Sportverein, zum Musikunterricht oder zu den Pfadfindern und Ähnlichem zu gehen (siehe Kapitel „Lego und Langeweile im Kinderzimmer“). Diese Wege waren vor allem im Winter, wenn es schon sehr früh dunkel wurde, durchaus ein wenig gruselig. Handys gab’s natürlich nicht, aber jedes Kind hatte einen Telefon-Schilling bei sich, als eiserne Reserve, die man auf keinen Fall für Süßigkeiten ausgeben durfte, damit
man jederzeit eine der vielen Telefonzellen benutzen könnte, um im Falle der Fälle zu Hause anrufen zu können. Telefonnummern kannte man auswendig, im Mindestfall die eigene. Was in meinem Fall (63 33 13, man beachte die Sechsstelligkeit) nicht allzu schwer war.
Die begleitete Mobilität reduzierte sich mit der Zeit auf Urlaubsfahrten, Familienbesuche, Ausflüge und andere Aktivitäten im familiären Kontext.
Das ist heute nicht viel anders als in den siebziger Jahren, außer dass so manche Helikoptereltern ihre Kinder noch lange nach der ersten Volksschulklasse nicht

alleine zur Schule oder zu diversen Nachmittagsaktivitäten gehen lassen. Die Art der Mobilität war jedoch anders. Grundsätzlich ging man zu Fuß. Niemand (!) benutzte einen Roller, vor allem deshalb nicht, weil ein mit großen Luftreifen ausgestatteter Tretroller nur etwas für Kleinkinder war und es keine Auswahl an chromglänzenden oder bunten, coolen Scootern gab. Es fuhr auch niemand mit dem Fahrrad zur Schule. In meinen ganzen vier Jahren Volksschule und acht Jahren Gymnasium kannte ich nur eine einzige Person, die mit dem Rad zur Schule fuhr.
Fahrräder waren ein reines Freizeitinstrument, außer man war Sportler. Es war zwar üblich, dass man eine Fahrradprüfung ablegte, die einen zumindest theoretisch dazu in die Lage versetzte, bereits ab ca. 10 Jahren allein in der Stadt Rad zu fahren, aber das Fahrrad wurde in den inneren Bezirken trotzdem kaum als Verkehrsmittel benutzt.
Ja, es gab Skateboards schon in den siebziger Jahren! Eigene Anlagen fand man aber nur bei Reisen ins Ausland. Wie hier in England.

Die ersten Skateboards gab es in den siebziger Jahren, auch ich hatte eins, aber auch die nahm kaum jemand für den Schulweg. Ebenso wenig Rollerskates, also die neonfarbenen mit den großen Plastik-
rädern, die in den achtziger Jahren aufkamen und die alten komischen Fußschienen mit Minirädern ablösten. Die ersten Rollerskates waren noch im klassischen 2x2 Reifensystem gestaltet, angeordnet wie bei einem Auto, die cooleren und besseren Inlineskates kamen erst viel später auf. Rollerblades, die Firma, die sie erfand, wurde erst 1982 in den USA gegründet.
In meinen TeenagerJahren packte mich dann doch ein bisschen die Abenteuerlust und Neugier und ich erkundete meinen Bezirk und umliegende Bezirke manchmal allein mit dem Fahrrad und machte eine für mich damals erstaunliche Entdeckung: Wien ist total gebirgig! Also vielleicht nicht in Transdanubien und auf der Mazzesinsel (die abgesehen von „zweiter Bezirk plus zwanzigster Bezirk“ tatsächlich keinen anderen Namen hat) oder stellenweise für ein paar Häuserblocks, aber sonst eigentlich eh überall. Sogar im ersten Bezirk, wo ich zu Hause war. Da gibt es so steile Strecken, sagen wir vom Hohen Markt die Marc-Aurel-Straße hinunter, dass man nicht einmal ein Skateboard gefahrlos benutzen kann und sich mit einem Fahrrad bergauf ziemlich plagt. Gangräder waren nicht die Norm. Die meisten Kinder verfügten über irgendeine Art von Klapprad, meist ohne Gangschaltung oder maximal mit drei Gängen. Luxusräder wie damals den populären

Ein eigenes, einfaches Fahrrad hatte fast jeder.
Aber es diente kaum der Mobilität, sondern war ein reines Freizeitinstrument.

Highriser, eine Art Chopper in Fahrradform, hatte kaum jemand. Gang räder mit meist fünf bis zehn Gängen waren besonders österreichisch, selten und cool. Der Begriff City Bike und entsprechende Modelle kamen erst in den Achtzigern auf, als sich das Leben langsam in Richtung der heutigen Gewohnheiten änderte. Auch was Fahrräder betrifft, die man damals nicht mit in die Stadt- und U-Bahn nehmen durfte. Nur in die Schnellbahn durften Räder mit, was man aber nur für Ausflüge und nicht für den innerstädtischen Verkehr nutzte. Soll heißen, der Bewegungsradius als Kind und Jugendlicher war daher eingeschränkt.
Übrigens: Wenn man Fahrrad fuhr, dann natürlich ohne Helm. Und diese komischen Lederstreifen trugen auch nur professionelle Rennradfahrer.
Viel verbreiteter war der Umstieg von den Füßen auf das erste Moped. Immerhin 50 km/h und führerscheinfrei ab 16! Hatte nicht jeder. Schon gar nicht eine Vespa, außer man war Mod oder Popper, aber wer wollte das schon sein. Ich gehörte zu den Glücklichen, die mit 16 ein Moped beka men. Genauer ge sagt ein KTM Duo mit einer langen Sitzbank, was mir im Gegensatz zu den meisten anderen, vor allem Puch-Fahrern, die Möglichkeit gab, jemanden mitzunehmen. Als Bedingung für das Moped musste ich von meinen Eltern aus den Klein motorradführerschein (Ak) machen. Das war zwar nicht notwendig für mein heißes Eisen, aber gut. Die Fahr schule war relativ weit von uns entfernt, weshalb ich, paradoxerweise, mit mei nem Moped zur Fahrschu le fuhr. Den Kleinmotor radführerschein hatte ich anfangs nicht besonders ernst genommen und erst bei der Prüfung gemerkt, dass der gesamte Verkehrsstoff
für den B-Schein und den A-Schein abgefragt wurde. Ich bin bombig durchgerasselt und musste ein zweites Mal antreten. Dafür flutschte ich später beim B-Schein durch.
Dass man den Führerschein für das Auto machte, war praktisch Standard. Die meisten bekamen den Führerscheinkurs, damals wie heute nicht gerade billig, zur Matura geschenkt. Also nicht den Schein, aber den Kurs. Das Fahren zu üben mit
Mit 16, und wenn die Eltern es finanzierten, war für viele ein Moped der erste Schritt zur autonomen Erkundung der Welt! Oder zumindest der umliegenden Bezirke.



mit Papa oder durchaus auch Mama war ebenfalls Standard.
Wir fassen zusammen: kein Fahrrad, Moped erst viel später, Auto noch später. Damit wenden wir uns dem Elefanten im Raum zu: dem öffentlichen Verkehr. Volksschulen sind in Wien in den meisten Fällen gut zu Fuß zu erreichen. Bei den höheren Schulen ist das, auch aufgrund der Aufteilung in verschiedene Zweige – damals vor allem Hauptschule und Gymnasium –, ein wenig anders. Daher benutzte ein Wiener Kind von früh an regelmäßig Bus, Straßenbahn und Stadtbahn. Schnellbahn eher am Wochenende für Ausflüge. Die Rede ist hier natürlich vom alleine Fahren. Denn klarerweise erfolgte auch die begleitete Mobilität in den ersten Lebensjahren immer wieder per Öffis, auch wenn die siebziger Jahre das Jahrzehnt des Autos waren und in vielen Familien sogar zwei davon zur Verfügung stan den.


Für Kinder oder ihre Begleiter waren die Öffis, die damals noch niemand so nannte, dafür sagte man öfters Bim zur Straßenbahn, nicht ganz unproblematisch. Von Niederflur keine Spur. Damals galt es, steile und hohe Stufen zu erklimmen, um vor allem in die Straßenbahnen zu gelangen. Auch in die meisten Busse. Eine gewaltige Hürde für die Mamas, solange man noch im Kinderwagen lag, und durchaus eine Herausforderung für kleine Kinderbeine bis ins späte Volksschulalter. Da nütz-

ten auch die Haltestangen bei den Türen wenig. So ungern man die Stufen in Bus oder Bim erklomm, so gerne stürzte man sich aufgeregt ins Obergeschoss der Doppeldeckerbusse. Ja, in Wien verkehrten damals Doppeldeckerbusse – und zwar ziemlich lang und auf mehreren Linien. Persönlich kannte ich nur den Doppeldeckerbus auf der Strecke des 13A. Ein irres Erlebnis da oben in der ersten Reihe vorne zu sitzen, vor allem auf der bergauf und bergab führenden „Todesstrecke“ zwischen sechstem und neuntem Bezirk. Bis heute bleiben Busse dort bei Glatteis gelegentlich hängen. Ein wenig vergleichbar zur ersten Reihe Obergeschoß im Bus war das Gefühl, bei Straßenbahnen im zweiten angehängten Waggon ganz vorne zu sitzen. Auch da konnte man sich dem Gefühl hingeben, sozusagen das Fahrzeug selbst zu steuern.


Auch Wien hatte einst Doppeldeckerbusse. Vor allem auf der Linie 13 eine spannende Bergund Talfahrt, wenn man oben vorne saß!

: „Aufgewachsen im ersten Bezirk in der Johannesgasse war der City-Bus sehr praktisch, der damals durch die Kärntnerstrasse fuhr und eine Station Ecke Johannesgasse/Kärntnerstrasse hatte. Später fuhr ich manchmal mit der Ringlinie zum Schottengymnasium, obwohl ich zu Fuß auch nicht mehr Zeit brauchte. Je nach Lust und Faulheit.“







dem Weg zum Inneren des Wagens war eine Tür. Damit erklärt sich auch eine für spätere Generationen wahrscheinlich kryptische Zeile in dem berühmten Wolfgang-Ambros-Lied „Zwickt’s mi“, die da lautet: „Gestern fahr i mit der Tramway Richtung Favoriten, draußen regnt’s und drinnen stinkt’s und i steh in der Mitten.“ Ja, eine Fahrt auf einer durch maximal ein lächerliches Einhängeseil gesicherten Plattform war damals noch üblich. Man konnte also durchaus auf die davonfahrende Straßenbahn aufspringen, beziehungsweise abspringen, um einem Schwarzkappler, also Kontrolleur, zu entgehen. Letzteres auf jeden Fall deutlich gefährlicher.

Eine typische Straßenbahn bei einer typischen Straßenbahhaltestelle, komplett mit mehreren Stufen, die zu erklimmen waren. Von Niederflur noch keine Spur!
Damals gab es sogar noch Straßenbahnen mit zwei Waggons, die deutlich kürzer als die später verwendeten waren. Bis die langen Straßenbahnen mit den Drehgelenken aufkamen. Ziemlich cool,
wenn man sich auf den Spalt des Drehgelenks kurz vor einer scharfen Kurve stellte. Tatsächlich verkehrten noch bis 1978 Straßenbahnen mit offenen Plattformen nach den Stufen. Erst auf
Diese offenen Straßenbahnen erklären auch eine Anekdote, die ich gerne erzähle: Wir hatten damals einen Hund, der gerne allein spazieren ging. Allerdings nicht nur das, denn gelegentlich sprang er auch auf die Straßenbahnen und fuhr mit, wie wir von glaubhaften Augenzeugenberichten wussten.
Die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln war auch aus anderen Gründen abenteuerlich. Die Einführung der Schülerfreifahrt brachte einen zwar zur und von der Schule, aber nirgendwohin sonst. Erst später gab es die zusätzliche Monatsmarke für unbeschränktes Fahrvergnügen, aber das war eine Frage des Budgets der Eltern. Daher gab es bei knapper Kasse, und wessen Kasse war als Kind und Jugendlicher nicht knapp, nur folgende Option: bei der Stra-

ßenbahn in den zweiten Waggon einsteigen und hoffen, dass kein Kontrolleur im Wagen war oder unbemerkt zustieg. Allerdings erfolgten die meisten Kontrollen genau aus diesem Grund genau im zweiten Wagen. Die Schwarzkappler, klas sisch mit schwarzem Mantel und schwarzer Kappe versehen, konnte man oft noch rechtzeitig durch die Fenster erspähen und schnell aussteigen, aber irgendwann kamen die Zivilkontrolleure auf. Die waren etwas schwieriger zu erkennen, doch dem geschulten SchwarzfahrerBlick entgingen sie nicht: Es waren immer Männer im mittleren Alter. Und die fehlten damals im Bild der öffentlichen Verkehrsmittel fast vollständig. Männer von 18 bis 60 fuhren Auto. Daher fielen sie in Bus, Bahn und Bim sofort auf. Aber das allein war es nicht. Meist waren sie auffällig unauffällig in Freizeitkleidung gekleidet. Etwa in Bluejeans mit Jeansjacke. Das eindeutigste Erkennungszeichen war dann ein Ledertäschchen

Schaffner und Schaffnerinnen waren noch bis zum Ende der siebziger Jahre ein vertrauter Anblick. Und auf jeden Fall deutlich beliebter als die oft heimtückisch agierenden Schwarzkappler!

ums Handgelenk – gefüllt mit dem Handwerkszeug des Kontrolleurs, also „Strafzettel“, Geld und Ersatzfahrschein. Außerdem waren die Herrn Kappler selten allein. Meist betraten zwei gleichzeitig den vorderen und hinteren Ausgang des Gefährts. Wenn man darauf achtete,

konnte man also durch den Mittelausgang entwischen. Doch auch hier lernten die Kontrolleure dazu, bei zwei Stationen hintereinander versetzt einzusteigen und sich nicht so auffällig zu kleiden. Erst wenn beide drinnen waren, erhoben sie sich und der Ruf „Fahrkarten bitte!“ schallte durch den Waggon.
Eine zweite Taktik, die aber eiserner Nerven bedurfte, war oft erfolgversprechender. Nämlich im ersten Waggon, also im Triebwagen, direkt beim Schaffner hinten einzusteigen und dabei selbstbewusst dreinzuschauen und zu agieren – entweder mit direktem Blick auf den Schaffner, in vielen Fällen eine Schaffnerin, an diesen vorbei ins Wageninnere oder nicht zu rasch nonchalant in eine Ecke zu schlendern. In den meisten Fällen funktionierte diese „Ich habe ein Recht, hier zu sein, ich habe einen Fahrschein“-Aura prächtig. Und wenn nicht, dann musste man eben, wenn vom Schaffner angesprochen, einen Fahrschein kaufen. Die Ge-