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Hintergrund
Doppelverwendungsfähig sind solche Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Die Europäische Union (EU) reguliert deren Ausfuhr hauptsächlich auf der Grundlage von Beschlüssen des Wassenaar-Abkommens zur Kontrolle konventioneller Waffen und doppelverwendungsfähiger Güter. Rechtlich einschlägig ist in der Europäischen Union die Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom Mai 2009 (Dual-Use-VO). Im September 2016 stieß die Europäischen Kommission (KOM) den offiziellen Reformprozess dieser Verordnung an. Dieser Prozess konnte bisher nicht abgeschlossen werden, weil die Vorschläge der KOM, die Forderungen des Europäischen Parlamentes (EP) und die Ansichten der Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat (Rat) sehr weit auseinander lagen. Die Mitgliedsstaaten sind auch aufgrund ihrer Kompetenz in nationalen Sicherheitsfragen mit der Durchführung der Ausfuhrkontrollen betraut und müssen deshalb die Reform besonders kritisch begleiten.
Hintergrund der Reformbemühungen sind die massiven Menschenrechtsverletzungen in den Ländern des arabischen Frühlings. Nach den Ereignissen im Frühjahr 2010 wurden Regimekritiker systematisch unterdrückt und durch telekommunikationstechnische Überwachungsgüter (TKÜ) von den jeweiligen Landesbehörden identifiziert und verfolgt. Als politische Reaktion hierauf stand daher im Zentrum der Verhandlungen der Dual-Use-Reform der Wunsch der KOM und des EP, die europäische Ausfuhrkontrolle mit einem Paradigmenwandel an die Ereignisse des arabischen Frühlings anzupassen. So sollten verwendungsbezogene Ausfuhrkontrollen – sogenannte Catch-All oder Auffangregeln – den Missbrauch von TKÜ zur Verletzung von Menschenrechten ausschließen.
Catch-All-Regeln dienen nicht der human security
Bisher ist die verwendungsbezogene Ausfuhrkontrolle der Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen verpflichtet und dient damit den Zielen der nationalen Sicherheit. Catch-All Regeln zum Schutz vor der illegitimen Verwendung von TKÜ würden eine Verschiebung der verwendungsbezogenen Ausfuhrkontrolle hin zum sogenannten human security-Ansatz bedeuten. Anders als der national security-Ansatz formuliert dieser einen erweiterten und auf Individualrechte (z. B. Meinungs- und Versammlungsfreiheit) ausgerichteten Sicherheitsbegriff. Die deutsche Industrie stellt nicht den human security-Ansatz in Frage. Sowohl die Änderungen in der Antifolterverordnung als auch die Neulistungen in den internationalen Exportkontrollregimen und die EU-Embargos, in denen Güter zur internen Repression gelistet wurden, trug die verfasste Industrie mit. Der BDI unterstützt ausdrücklich den stärkeren Schutz von Menschenrechten. Catch-All-Regeln sind jedoch aus Sicht der Industrie kein geeignetes Mittel zum Schutz von Menschenrechten. Zu keinem Zeitpunkt im Verlauf der Reformbemühungen ist es gelungen, die kritischen Fälle konkret zu benennen und die Kontrollen auf den Schutz vor interner Repression in Drittländern maßzuschneidern. Eine human security Catch-All würde damit Unternehmen enormen Unsicherheiten aussetzen, ohne einen effektiven Schutz von Menschenrechten zu ermöglichen.
Catch-All-Regeln und Ihre Funktionsweise
Bei Diskussionen von Catch-All-Kontrollen kommt es oft zu Missverständnissen aufgrund einer möglichen Übersetzungsfalle. Im Gegensatz zu listenbasierten Kontrollen, bei denen kontrollierte Güter durch ihre technische Beschreibung identifizierbar werden, handelt es sich bei Catch-All-Kontrollen um unspezifische Auffangregeln und eine Verpflichtung der Wirtschaftsbeteiligten zur Selbstkontrolle. Catch-All-Kontrollen können mögliche Gefahren keineswegs samt und sonders abwenden – in dem Sinne, dass eben kein engmaschiges Netz jede Ausfuhr unterbindet, wie der englischsprachige Titel suggeriert. Konkret bedeutet dies: auch wenn Güter nicht gelistet sind, können sie genehmigungspflichtig sein, wenn die Ausfuhrverantwortlichen Kenntnis oder den begründeten Verdacht haben, ein bestelltes Gut könnte im Bereich der Massenvernichtungswaffen relevant sein oder militärisch in einem Embargoland verwendet werden. Verwendungsbezogene Ausfuhrkontrollen sind darauf angelegt, das ingenieurstechnische Wissen der Wirtschaftsbeteiligten zu nutzen, um bei der komplexen Herstellung von Massenvernichtungswaffen Sand ins Getriebe zu streuen. Die technische Spezifikation bei der Auftragsvergabe gibt den Wirtschaftsbeteiligten Auskunft über das technische Potential