
DAS MAGAZIN FÜR KREISLAUFWIRTSCHAFT & BIOÖKONOMIE

DAS MAGAZIN FÜR KREISLAUFWIRTSCHAFT & BIOÖKONOMIE
Norbert Totschnig
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft
Sehr geehrte
Leserinnen und Leser, die Europäische Union hat bereits mit dem Green Deal und dem Aktionsplan Kreislaufwirtschaft den Übergang in eine ressourceneffiziente und wettbewerbsfähige Kreislaufwirtschaft eingeleitet. Ziel ist dabei das Erreichen der Klimaneutralität zu unterstützen und die wirtschaftliche Entwicklung vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln.
Dieser Transformationsprozess wird durch die neuen strategischen EULeitprogramme, den „Clean Industrial Deal“ und den „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“, weiterentwickelt. Neben der Stärkung des Standorts und der Dekarbonisierung spielt die Kreislaufwirtschaft dabei eine Schlüsselrolle, da sie es ermöglichen soll, die Abhängigkeiten von kritischen und strategischen Rohstoffen zu verringern. Vor diesem Hintergrund ist auch die Einführung eines EU-Kreislaufwirtschaftsgesetzes vorgesehen, mit dem der gemeinsame Markt der Sekundärrohstoffe und Abfälle gestärkt wird, um hochwertiges Recycling zu forcieren.
Dadurch werden ökologische Verantwortung und wirtschaftlicher Erfolg miteinander verknüpft. Denn eine wettbewerbsfähige Kreislaufwirtschaft kombiniert Nachhaltigkeit mit ökonomischer Effizienz, um Ressourcen zu sparen, Abfall zu minimieren und gleichzeitig Unternehmen dabei zu unterstützen, am Markt erfolgreich zu sein. Sie fördert innovative, zirkuläre Produkte und neue Geschäftsmodelle, wodurch auch der Technologie-, Wirtschaftsund Industriestandort Österreichs gestärkt wird.
In Österreich bildet die Kreislaufwirtschaftsstrategie die Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung von konkreten Maßnahmen für den Übergang der Wirtschaft und Gesellschaft in eine klimaneutrale, ressourceneffiziente und nachhaltige Kreislaufwirtschaft bis 2050. Die Strategie integriert die zehn Kreislaufwirtschaftsgrundsätze – von Rethink & Redesign, Reuse bis hin zum Recycling – und sieht vor, dass der Rohstoffbedarf künftig vorrangig aus nachhaltigen Sekundärressourcen gedeckt wird.
Gerade in volatilen Zeiten ist es notwendig, den Kurs in Richtung Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu halten – zur Sicherung unserer Natur- und Lebensgrundlagen und unseres Wohlstandes.
Ihr
Mag. Norbert Totschnig MSc
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft
1 Vorwort – Bundesminister Norbert Totschnig
3 Editorial – Valerie-Sophie Schönberg
4 Vorwort – Haimo Primas, Holcim Österreich
4 Vorwort – Thomas Ott, Mondi Flexible Packaging
5 Vorwort – Martin Schaller, Raiffeisen-Landesbank Steiermark
7 Jetzt das Richtige tun!
8 Dekarbonisierung nur mit Kreislaufwirtschaft
10 Transformationspfade: Drei Ansätze, ein Ziel
11 Kompass Kreislaufwirtschaft
12 Schrittweise Produktentwicklung
13 Beleuchtung im Kreislauf
14 Diese Hebel reduzieren Elektroschrott
15 Flasche zu Flasche, Big Bag zu Big Bag
16 Büromöbel anders gedacht
17 Zweites Leben für Hotel- und Büromöbel
18 Mode mit Mission – Österreichische Konzepte
19 Second Hand: Booster für die Kreislaufwirtschaft
20 Einkaufsstrategie mit Zukunft
21 Zirkuläre Beschaffung im öffentlichen Sektor
22 Wir sind auf einem guten Weg
24 Neun Jahre Social Urban Mining
25 Zirkularität mit KI im Bauwesen
26 Zukunftsfähiges Bauen für morgen
27 Bauen im Kreis mit dem Zirkularitätsfaktor
28 Letzte Meile zur Tourismusdestination
29 Zirkulär tagen, grün übernachten
30 Circular Tourism: Von Theorie zur Praxis
32 Städte als Inkubatoren
33 Smart entsorgen im Ressourcenpark Graz
34 Circular Cities & Regions Roundtable
35 Welche Verwertung wünscht sich Altbrot?
36 Zirkuläre Bioökonomie – quo vadis?
37 Erfolgsmodell regenerative Landwirtschaft
39 Coopetiton als Wettbewerbsvorteil
40 Rückblick auf Neuerungen durch den Green Deal
42 Normen, Standards, Hemmnisse
43 Circular Economy Act – der nächste Schritt
44 Zukunft der EU-Binnenmarkt- und Industriepolitik
46 Wertvolle Rohstoffe und ihre Lieferketten
47 Fahrzeugbau im Fokus
48 Textilabfall – Von Fast zu Slow Fashion
49 Finanzierung für Textilkreisläufe
50 Ökodesign oder raus – neue EU Produktstandards
51 Chancen des Digitalen Produktpass
52 Materialsubstitution – eine Sackgasse?
53 EU-Regulatorischer Rahmen für Verpackungen
54 CircX: Nutzer:innen-zentriert und systemisch
55 G‘schichtl drucken mit Wettbewerbsvorteil
57 Global schließen sich die Kreise
58 World Expo in Japan mit 3R+
60 Innerkoreanische Grenze als “grünes Band”
61 Venture Capital: Von Papyrus zu Kunststoff
62 Georgiens nachhaltige Transformation
63 Kompetenzen statt Wissen in Norwegen
64 Der finnische Weg
65 UK repariert nach österreichischem Vorbild
66 Netzwerk für internationale Orte der Zukunft
67 Die Rolle der Europäischen Investitionsbank
68 Städte und Regionen setzen Akzente
70 Circular Valley Convention 2025
71 Deutschland springt auf den Zug mit auf
73 Vom Skill zum Spill – wie Fähigkeiten Kreise ziehen
74 Stillstand ist keine Option
76 Kompetenzen – heute und morgen
77 Designexpertise für Geschäftsmodellinnovationen
78 Alumni als Innovations-Multiplikator:innen
79 Brücke zwischen Bildung und Wirtschaft
80 KMU fit für morgen
81 Die Reparatur-Ausbildung reparieren
82 Eine Reise in eine zirkuläre Zukunft
84 Ausblick 2025
CIRCULAR INSIDER AUSTRIA Nr. 4 | 2025 • Herausgeber, Medieninhaber und Verleger: Circular Economy Forum Austria, Palais Eschenbach, 1010 Wien, Eschenbachgasse 11 • Unternehmensgegenstand: Gemeinnütziger Verein zur Förderung der Kreislaufwirtschaft, ZVRnr.1702109789 • Für den Inhalt verantwortlich: Valerie-Sophie Schönberg, Karin Huber-Heim, Sandra Wohlauf • Layout: Mad Nice Group GmbH • Copyrights: Circular Change, www.circularchange.com • Fotos: beigestellt, Unsplash.com, Freepik.com • Druck: CRADLE TO CRADLE CERTIFIED ® Silver, Samson Druck, 5581 St. Margarethen • Herstellungsort: Samson Druck Straße 171, 5581 St. Margarethen, Österreich • Satz- und Druckfehler vorbehalten • Information gemäß § 24 Mediengesetz und §§ 3 Z 2 und 5 E-Commerce-Gesetz. Coverfoto: © Steven Lelham, Unsplash.com, Bildbearbeitung: Mad Nice Group GmbH
Mitglied
Liebe Leserinnen und Leser, Liebe Circular Community, Liebe Anpacker:innen und Umsetzer:innen,
wir starten in eine Phase, in der Wettbewerb neu gedacht werden muss. Die Ausgangslage ist alles andere als komfortabel – Investitionen stocken, Planungssicherheit ist rar, einzelne Wirtschaftsakteure drohen im globalen Wettbewerb unterzugehen. In dieser Herausforderung liegt die besondere Chance, Österreich durch die kollaborative Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft zukunftsfähig und international wettbewerbsfähig zu positionieren.
Denn klar ist: Im globalen Rennen um Innovation, Nachhaltigkeit und Resilienz reicht es nicht, nur schneller zu sein. Wer heute bestehen will, braucht starke Allianzen und den Mut, neue Wege zu gehen.
Der Hase und der Igel Erinnern wir uns an die Geschichte vom Hasen und Igel: Der schnelle, selbstsichere Hase verspottet den Igel – woraufhin dieser ihn zum Wettlauf herausfordert. Doch der Igel spielt nicht nach den üblichen Regeln. Er stellt seine Frau ans Ziel – und während der Hase sich verausgabt, ertönt immer wieder: „Ich bin
schon da!“. Nicht Tempo bringt den Sieg, sondern ein kluger Plan, Teamarbeit und die Fähigkeit, neu zu denken.
If you can’t outrun them –outsmart them.
Coopetition ist das Stichwort der Stunde: Wenn in einer Kreislaufwirtschaft Mitbewerber:innen zu Partner:innen werden, entstehen neue, skalierbare Geschäftsmodelle – entlang von Wertschöpfungsketten oder über Branchengrenzen hinweg. Gerade kleinere Akteur:innen können so international Relevanz gewinnen.
Die unterschiedlichen Rubriken des Magazins zeigen, wo das „Team Österreich“ steht, wer bereits im internationalen Wettbewerb mitmischt (International), welche Strategien wir verfolgen sollten (Rahmenbedingungen) und welches Wissen und Training wir brauchen (Aus- und
Weiterbildung), um den nächsten Abschnitt gemeinsam zu meistern.
Gemeinsam: stronger, smarter, circular Ein herzliches Dankeschön an alle Partner:innen, Unternehmen und Autor:innen, die mit Know-how, Weitblick und Praxis dieses Magazin mitgestaltet haben - insbesondere das Redaktionsteam Karin HuberHeim und Sandra Wohlauf!
Seitdem wir den CIRCULAR INSIDER AUSTRIA das erste Mal herausgegeben haben, hat sich in Österreich vieles in die richtige Richtung bewegt. Wenn ich nächstes Jahr zum bereits dritten Mal als Herausgeberin des Circular Insider 5|26 fungieren darf, wollen wir auf die zurückgelegten Kilometer blicken: Packen wir’s an – mit vereinten Kräften, klug, wettbewerbsstark.
Ihre, Eure, Valerie-Sophie Schönberg
Mitglied des Vorstands Circular Economy Forum Austria
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
im globalen Ressourcenverbrauch steht Bauen an oberster Stelle – eine enorme Verantwortung für uns als Baustoffherstellerin, hier das Richtige zu tun. Denn wir alle brauchen eine gebaute Umwelt mit sicheren und stabilen Wohnungen, Straßen, Schulen und Krankenhäusern. Und die Weltbevölkerung wächst weiter, jedes Monat wird weltweit Manhattan neu gebaut.
Wir müssen daher das Bauen neu denken und „besser mit weniger bauen“ umsetzen. Neue Konzepte für die Kreislaufwirtschaft sind entscheidend, denn Rohstoffe wie Sand und Kies werden rarer, Flächennutzung muss effizient erfolgen.
In der Produktion von Zement erreichen wir in Österreich 50 % Kreislaufanteil. Urban Mining für Betonbruch oder Ziegel ist ein fixer Teil unseres Geschäftsmodells. Statt Öl und Gas verwenden wir aufbereitete, nicht mehr recyclefähige Abfälle aus dem gelben Sack als Ersatzbrennstoffe. Rest- und Nebenprodukte der Stahloder Papierindustrie werden zu Ersatzrohstoffen. Und natürlich verwenden
wir auch Baurestmassen für die Erzeugung von neuen Baustoffen.
Besser mit weniger zu bauen bedeutet auch, anders zu bauen. Hochstabile Beton-Innovationen oder bionische Formen reduzieren den Materialverbrauch. Thermische Bauteilaktivierung nutzt Beton als Batterie für Heizen und Kühlen. Beton selbst kann unendlich oft im Kreislauf geführt werden. Damit überzeugt dieser langlebige Baustoff ökologisch und ökonomisch bei einem ganzheitlichen Blick auf Nachhaltigkeit. Wir schaffen damit für alle mehr Wert bei weniger Menge. In Österreich haben viele dieser Innovationen ihren Ursprung und wurden als Best Practice international übernommen.
Das ausgezeichnete, übergreifende Zusammenspiel von Industrien ist die Voraussetzung, unseren hohen Entwicklungsstand weiter auszubauen. Das Circular Economy Forum Austria leistet dabei einen wichtigen Beitrag. Denn das Miteinander von Industrie, Expert:innen aus Wissenschaft, aber auch der tägliche Innovationsgeist unserer Mitarbeiter:innen sind der Motor für die Kreislaufwirtschaft. Denn sie entscheiden täglich, das Richtige zu tun.
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
fragen Sie zehn Menschen nach ihrem Verständnis von Kreislaufwirtschaft und Sie werden vermutlich zehn unterschiedliche Antworten erhalten. Aus Sicht eines Verpackungs- und Papierunternehmens ist klar: Eine kluge Verpackung hat heute ein zweites Leben!
Ein Paradigmenwechsel also: Weg von der linearen „Nehmen-Machen-Wegwerfen“-Wirtschaft hin zu einer Kreislaufwirtschaft, in der Produkte und Materialien kontinuierlich wiederverwendet und recycelt werden. Dabei geht es nicht um einen Kampf zwischen Plastikund Nicht-Plastik-Verpackungen, sondern es geht um nachhaltige oder nicht nachhaltige Verpackungen auf Basis von Materialien, die möglichst lange im Kreislauf gehalten werden. Und es geht darum, Kreislaufwirtschaft als Business Case zu begreifen.
Haimo
Primas CEO Holcim (Österreich) und Holcim CE Cement Holding
Mondi beschäftigt sich dazu beispielsweise mit dem Aufbau von Systemen zur Rückgewinnung von Fasern. Wir sind Mitbegründer einer Allianz zur Verbesserung der Kreislauffähigkeit von gebrauchten Papiersäcken in der Bauindustrie. „Paper Sacks Go Circular“ ist
eine in Spanien gestartete Allianz aus 12 europäischen Unternehmen repräsentativ für die gesamte Wertschöpfungskette – Bauunternehmen, Entsorgungsfachbetriebe, Recycler, unsere Kunden, Branchenverbände: Gebrauchte Säcke werden gesammelt, getrennt und zu Papier recycelt. Ziel ist es, das Recycling von Papiersäcken für Baumaterialien wie Zement zu verbessern und dabei Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Aspekte in Einklang zu bringen. Wissend, dass in Spanien Bauabfälle mehr als 30 % des gesamten Abfallaufkommens ausmachen und die Verwertungsquote aktuell nur 48 % beträgt! Diese Allianz wurde nun bereits in eine umfassendere Initiative, „Construction Goes Circular“, ausgeweitet, die auch andere Bauabfallmaterialien mit einbezieht und in weiteren europäischen Ländern, unter anderem Österreich, ausgerollt wird.
Entscheidend dabei ist die Idee von „Abfall hat einen Wert“ als Geschäftsmodell auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette zu fördern! So gelingen Lösungen, die ökologische und ökonomische Interessen in Einklang bringen.
Thomas Ott CEO Mondi Flexible Packaging
Sehr geehrte Leserinnen und Leser, als Raiffeisen-Landesbank Steiermark sehen wir in der Kreislaufwirtschaft einen grundlegenden Ansatz, um wirtschaftliches Handeln mit ökologischer und gesellschaftlicher Verantwortung zu verbinden. Kreislaufwirtschaft ist für uns kein Trend, sondern ein zentraler Hebel für eine nachhaltige Zukunft. In der Welt der Geldkreisläufe sind wir zuhause – mit einer starken Verankerung in der ökonomischen Säule der Nachhaltigkeit. Gleichzeitig übernehmen wir Verantwortung und gestalten aktiv mit.
Deshalb haben wir die Kreislaufwirtschaft als strategisches Entwicklungsfeld definiert. Hier bringen wir uns als Bank nicht nur finanziell, sondern auch inhaltlich und strukturell ein – im Dialog mit Unternehmen, Institutionen und der Gesellschaft. Unser Ziel ist es, gemeinsam den Wandel hin zu einem bewussteren und effizienteren Umgang mit Ressourcen zu ermöglichen und voranzutreiben.
Dabei setzen wir auf das, was uns stark macht: die Verbindung von Tradition und Innovation. Als Center of Gravity in
der Steiermark vernetzen wir regionale Stakeholder:innen, initiieren neue Projekte und begleiten unsere Firmenkund:innen bei der Entwicklung profitabler, nachhaltiger Geschäftsmodelle. Mit unserer Initiative Kreislaufwirtschaft schaffen wir Perspektiven – zukunftsfit, aus der Region, für die Region. Denn wir sind überzeugt: Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft gelingt nur gemeinsam.
Das Prinzip Re:think fordert uns alle –es verlangt ein Umdenken weg von linearen hin zu zirkulären Wertschöpfungssystemen. Systeme, in denen der Blick aufs Ganze zählt und jede:r einen Beitrag leisten kann. Unsere Mitgliedschaft im Circular Economy Forum Austria stärkt genau diesen Zugang. Sie eröffnet neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Pionierunternehmen und Vordenker:innen der österreichischen Kreislaufwirtschaft – ganz im Sinne unserer Überzeugung: WIR bewegt. WIR schafft neue Wege. Für Generationen und Regionen.
Martin Schaller
Generaldirektor der RaiffeisenLandesbank Steiermark AG
Von Karin Huber-Heim
Mit dem Regierungsprogramm 20252029 setzt die neue österreichische Bundesregierung ein deutliches Signal: Die Kreislaufwirtschaft wird als integraler Bestandteil einer zukunftsfähigen Industrie-, Umweltund Innovationspolitik positioniert. Sie soll zur Sicherung von Standortqualität, Resilienz und Wertschöpfung beitragen.
Im Zentrum steht die Weiterentwicklung der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie mit einem konkreten Umsetzungsplan. Im Fokus: der Aufbau eines funktionierenden Sekundärrohstoffmarktes, die Umsetzung des Masterplans Rohstoffe 2030 sowie die Beseitigung regulatorischer Hemmnisse, unter anderem durch eine Evaluierung und etwaige Anpassung des Abfallwirtschaftsgesetz (AWG). Österreich positioniert sich explizit als Vorreiter innerhalb der „Central European Circular Region“.
Die industriepolitische Stoßrichtung betont die Unabhängigkeit bei strategischen Primär- und SekundärRohstoffen. Neben Recyclingmaßnahmen sollen zunehmend digitale und KI-gestützte Lösungen angewendet werden. Ein gezielter Ausbau von EPR-Systemen, insbesondere für Textilien, sowie Anreize in der öffentlichen Beschaffung sollen die Nachfrage nach kreislauffähigen Produkten stimulieren.
Qualifizierungsoffensiven, Innovationsanreize sowie die Rolle der Bauwirtschaft als Transformationsmotor dienen als sektorenübergreifende Hebel. Kreislaufwirtschaft wird dabei klar als technologieoffenes, systemisches Querschnittsthema verstanden.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Betriebe in allen Sektoren – von der Produktion über Handel bis hin zur Bauwirtschaft – sollten sich auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen sowie Potenziale entlang der gesamten Wertschöpfungskette identifizieren. Investitionen in kreislauffähiges Produktdesign, digitale Rück-
verfolgbarkeit, ReUse-Modelle und innerbetriebliche Materialkreisläufe werden zunehmend erwartet. Gleichzeitig eröffnen sich neue Geschäftschancen durch Partnerschaften entlang zirkulärer Lieferketten. Wer jetzt strategisch in zirkuläre Innovation investiert, sichert sich einen Wettbewerbsvorsprung im kommenden Jahrzehnt.
Neue Erkenntnisse zu Synergien und Konflikten unterschiedlicher Strategien
Von Willi Haas & Nina Eisenmenger
Das politisch gesetzte Ziel der Klimaneutralität erfordert die Dekarbonisierung des Konsums und wirtschaftlicher Aktivitäten: Gebäude müssen gedämmt und Heizungen ausgetauscht werden, der Verkehr muss auf 100 % Ökostrom umgestellt werden und Industrie sowie Gewerbe müssen fossilbetriebene Geräte und Maschinen ersetzen.
Doch wie lassen sich diese Ziele mit der Kreislaufwirtschaft vereinbaren, die darauf abzielt, den Verbrauch
von Primärrohstoffen sowie die Abfall- und Emissionsproduktion drastisch zu senken?
Ein interdisziplinäres Team von Forscher:innen der Universität für Bodenkultur (BOKU) und des Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) hat diese Frage für die Sektoren Gebäude, Verkehr (Personen- und Güterverkehr) sowie Elektrizität untersucht. Es wurde konkret geprüft, wie Maßnahmen zur Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft und Bodenverbrauch gemeinsam erreicht werden können.
Maßnahmen zur Dekarbonisierung
Die bloße Dekarbonisierung führt zu einer 7 %-igen Reduktion des Materialverbrauchs bis 2040 – im Vergleich zu einem Referenzszenario. Der Wegfall fossiler Energieträger überkompensiert den zusätzlichen Materialverbrauch für Umbauten. Allerdings wird das Ziel der Kreislaufwirtschaft verfehlt, da hier eine Reduktion des Materialverbrauchs um 25 % bis 2030 und um 80 % bis 2050 angestrebt wird. Die Dekarbonisierung erfordert zudem erhebliche Mengen an Ökostrom sowie kri-
tische Rohstoffe wie Lithium und seltenen Erden. Hierfür sind schnellere Genehmigungsverfahren und stabile Lieferketten notwendig.
Maßnahmen entlang der R-Strategien
Durch die Anwendung der R-Strategien der Kreislaufwirtschaft (refuse, rethink, reduce) sowie der Verlängerung von Lebensdauern (slow) kann der Materialbedarf zusätzlich gesenkt werden. Wird die Wohnfläche pro Kopf im Neubau reduziert und der Individualverkehr auf effiziente öffentliche Verkehrsmittel sowie Rad- und Fußverkehr umgestellt, führt dies zu einer Verbesserung von 15 % und einer geringeren Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen. Trotzdem werden die Kreislaufwirtschafts- und Bodenverbrauchsziele nicht erreicht.
Dekarbonisierung x starke Kreislaufwirtschaft Erst eine Kombination aus Dekarbonisierung und einer starken Kreislaufwirtschaft kann die Dreifachziele
erfüllen. Dies erfordert Maßnahmen wie den Stopp des Ausbaus von Gebäuden und Straßen auf unbebautem Land, eine längere Nutzung von Gebäuden, die Verlagerung von Verkehr und konsequentes Car-Sharing. Diese Maßnahmen reduzieren den Materialbedarf bis 2040 um 75 %. Der reduzierte Bedarf an Ökostrom und ein kleinerer Fuhrpark verringern zudem Risiken bei Genehmigungen und in den Lieferketten für kritische Rohstoffe.
Besonders bemerkenswert ist der Anstieg der Zirkularitätsrate in diesem Szenario: sie steigt von nur 12 % bei Dekarbonisierung auf 34 % bei einer starken Kreislaufwirtschaft, weil der Verbrauch an Primärrohstoffen erheblich gesenkt wird.
Chancen für Wirtschaftswachstum Da ein häufiger Einwand ist, dass solche Maßnahmen die Wirtschaft schrumpfen lassen, Arbeitsplätze kosten und das Einkommen verringern, wurde dies ebenfalls mit einer Makromodellierung analysiert.
Wie die Ergebnisse zeigen, kann ein starkes Kreislaufwirtschaftsszenario die Ziele der Klimaneutralität und der österreichischen Kreislaufwirtschaftsstrategie erreichen und dabei Wertschöpfung und Beschäftigung generieren.
Das hängt allerdings stark davon ab, wie die eingesparten Ressourcen verwendet werden: Werden frei gewordene Finanzmittel nicht gespart, sondern in die Dienstleistungsbranche investiert, wird nicht nur das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gesteigert, sondern auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor gefördert. Dies führt zu einer nachhaltigen und inklusiven Wirtschaftsentwicklung.
Mehr auf www.wifo.ac.at/ publication/269098/
Von Fabio Damm & Johannes Klinglmayer
Eine erfolgreiche Transformation hin zu mehr Kreislaufwirtschaft im Unternehmen kann in unterschiedlichen Formen auftreten – von der sukzessiven Einführung kreislauffähiger Produkte und Dienstleistungen, über intensive Kollaborationen mit dem Ökosystem, bis hin zu radikalen Änderungen des Geschäftsmodells. Die nachfolgenden Pfade bieten Orientierung für die systematische Veränderung in Richtung Kreislaufwirtschaft im eigenen Unternehmen.
Top-Down
Der Top-Down Ansatz eignet sich für etablierte Unternehmen sowie tiefgreifende Geschäftsmodelltransformationen und erfordert finanzielle Ressourcen sowie Entscheidungsstabilität. Unternehmen können Dynamik durch Leuchtturmprojekte
Merkmale strategischer Transformationspfade
erzeugen. Dieser Ansatz beginnt mit einer umfassenden Bestandsaufnahme und systematischer Ableitung von Zielen und Maßnahmen aus der Kreislauf-Vision mittels Tools wie der „Sustainability Balanced Scorecard“ oder dem „EFQM-Modell“.
Bottom-Up
Der Bottom-Up Ansatz fokussiert auf konkrete Use Cases, die als Keimzellen für Veränderungen fungieren. Entscheidend ist hier die Qualität der Zusammenarbeit zwischen Projektpartnern: offene Kommunikation, gemeinsame Ziele und faire Aufgabenteilung stehen im Vordergrund. Erfolgreiche Pilotprojekte liefern Einblicke ins Transformationspotential und Überzeugungskraft für weitere Initiativen. Ein solcher Ansatz eignet sich besonders für frühe Transformationsphasen und
kann strategische Top-Down-Initiativen ergänzen.
Der Sideways-In Ansatz reduziert Innovationsrisiken durch strategische Partnerschaften und die gezielte Nutzung von Förderinstrumenten. Der Fokus liegt auf systematischer Lösungserarbeitung in einem geschützten Umfeld, wobei sogenannte „Lead Customer“ die Erprobung erster Umsetzungsschritte ermöglichen. Dieser Ansatz ist besonders geeignet bei regulatorischen Änderungen oder im Kontext technologischen Wandels. Erfolgsvoraussetzungen: ein klarer umrissener Nutzungsraum und geringe externe Abhängigkeiten.
Mehr auf www.lcm.at/transformation-topics
Ein neues Online-Self-Assessment-Tool bietet KMU kostenfrei Analysen, Empfehlungen und Praxisbeispiele
Von Andreas Van-Hametner
Der Kompass Kreislaufwirtschaft liefert Orientierung, wo Ihr Unternehmen aktuell steht – und wie Sie Ihre Kreislauffähigkeit strategisch und praxisnah weiterentwickeln können.
Zwei Wege zur Einschätzung: Schnelltest und Langtest Der Schnelltest bietet in wenigen Minuten eine erste Standortbestimmung. Wer tiefer einsteigen will, nutzt den Langtest: In rund 20 Minuten erhalten Sie eine detaillierte Analyse entlang zentraler Unternehmensbereiche – von Produktdesign über Geschäftsmodell bis hin zu Organisation und Kommunikation. Am Ende steht eine fundierte Auswertung mit maßgeschneiderten Empfehlungen – übersichtlich, verständlich und als PDF speicherbar.
Beispiele: Was andere Unternehmen schon tun Fallstudien bieten weitere Einblicke in Strategien, Herausforderungen und Erfolge österreichischer Betriebe. So setzt etwa Zumtobel auf modular reparierbare Leuchten oder Erdal auf nachfüllbare Verpackungen. Die Plattform Secontrade vernetzt Anbieter:innen und Abneh-
mer:innen von Sekundärrohstoffen digital, während die Materialnomaden auf rückbaubare, wiederverwendete Bauelemente setzen. Die Holding Graz integriert etwa mit dem Ressourcenpark Kreislaufansätze in die kommunale Infrastruktur, die Altstoff Recycling Austria AG (ARA) entwickelt datenbasierte Lösungen für Verpackungskreisläufe. Weitere Beispiele werden laufend auf der Website hinzugefügt.
Fahrpläne für zentrale Unternehmensbereiche Ergänzend zu den Tests bietet der Kompass konkrete Fahrpläne für Bereiche wie Produktdesign, Produktion, Logistik, Innovation, Geschäftsmodell oder Kommunikation. Diese
Roadmaps zeigen praxisnahe, wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen –vom Quick Win bis zur langfristigen Transformation. Sie helfen Unternehmen dabei, ressourcenschonende, zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Der Kompass wurde im Rahmen der FTI-Kreislaufwirtschaft-Ausschreibung 2023 der FFG von Circular Economy Forum Austria, Ressourcen Forum Austria und dem Institut für Managementwissenschaften der TU Wien entwickelt.
Mehr auf www. kompasskreislaufwirtschaft.at
Von Rainer Pamminger & Wolfgang Wimmer
Wer zirkuläre Produkte entwickeln will, braucht einen klaren, strukturierten Prozess. Vier Schritte helfen dabei, den Wandel vom linearen zum zirkulären Design effektiv umzusetzen.
1) Umweltprofil bestimmen
Der Weg zu zirkulären Produkten beginnt mit der Bestimmung des Umweltprofils – etwa durch die Erstellung eines CO2-Fußabdrucks für Produkte (Product Carbon Footprint, PCF). Er dient als Grundlage, um gezielt Kreislaufstrategien zur Verbesserung auszuwählen. Besonders hilfreich ist dabei die Konzentration auf sogenannte Hotspots, also die größten Umweltauswirkungen über den Lebenszyklus hinweg.
2) Kreislaufstrategie und Produktanforderungen
Basierend auf PCF-Daten und recht-
lichen Vorgaben, gilt es eine Kreislaufstrategie zu wählen und entsprechende Produktanforderungen umzusetzen. Für ressourcenintensive Produkte sind Reparatur und Wiederaufbereitung entscheidend. Enge Kreisläufe helfen, den Produktwert bestmöglich zu erhalten. Wichtige Designprinzipien sind hierbei die Zerlegbarkeit, Modularität und Wiederverwendbarkeit von Komponenten.
3) Geschäftsmodell anpassen
Die Gestaltung des richtigen Geschäftsmodells macht die Wiederverwendung wirtschaftlich. Anstelle des Verkaufs kann ein nutzungsbasiertes Modell stehen – der Hersteller bleibt Eigentümer, holt Produkte zurück und führt hochwertige Komponenten erneut in die Produktion ein (Remanufacturing). So wird geschlossene Kreislaufführung mög-
lich und ungenutzte Wertschöpfungspotenziale werden sichtbar.
4) Kommunikation optimieren
Abschließend geht es um die Optimierung der Umweltkommunikation, denn Transparenz schafft Vertrauen und Wettbewerbsvorteile. Neben etablierten Standards wie dem „Digitalen Produktpass“ (DPP) oder dem „Energy Label“ kann auch die Kreislauffähigkeit eines Produkts – etwa über das „Product Circularity Data Sheet“ nach ISO 59040 – dokumentiert werden. Wichtig ist dabei der Fokus auf relevante Umweltkennzahlen, um die Wirkung nachvollziehbar zu machen.
Mehr auf http://ecodesign.at
Von der Theorie in die Praxis: wie eine Circular Economy bei der Zumtobel Group etabliert wird
Die Umsetzung von Kreislaufwirtschaftsaspekten in produzierenden Unternehmen erfordert einen umfassenden Transformationsprozess. Dieser beinhaltet die Analyse des gesamten Produktlebenszyklus, die Entwicklung von Geschäftsmodellen basierend auf Kreislaufwirtschaftsprinzipien und die Berücksichtigung von Aspekten wie Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit in der Produktentwicklung.
Bei der Zumtobel Group wurden 2021 die „Circular Design Rules“ (CDRs) von Harald Gründl / Institute for Design Research Vienna in die Entwicklungsabteilung integriert und seither vom Lichtkonzern weiterentwickelt. Heute sind sie fester Bestandteil des Produktentwicklungsprozesses. Das Rahmenwerk basiert auf drei Bestandteilen: Circular Sourcing, Circular Design und Circular Systems.
Circular Sourcing schafft Transparenz über die „zirkuläre Qualität“ der Materialien: Durch systematisches Abfragen bei Zulieferern zum Recyclinganteil, der Recyclingfähigkeit und zu gegebenfalls umweltkritischen Inhaltsstoffen entstand ein umfassender Datenpool, welche zum Beispiel die Ermittlung des Recyclinganteils auf Produktebene erlaubt.
Circular Design
Circular Design integriert von Beginn an zirkuläre Prinzipien in die Produktentwicklung. Design Teams fokussieren sich auf Schlüsselfragen zu Aspekten wie einer einfachen Zerlegbarkeit, Langlebigkeit und Verfügbarkeit von Ersatzteilen. Ein durchdachtes Design ermöglicht spätere Modernisierung, Wiederverwendung oder effektives Recycling.
Schematische DarstellungZerlegbarkeit VIVO II Strahler
Circular Systems
Circular Systems gestaltet den Übergang in den nächsten Kreislauf durch Prozesse, Geschäftsmodelle und Angebote zur Lebensdauerverlängerung. Für die Zumtobel Group stehen Wartung und Modernisierung sowie Remanufacturing im Fokus. Ersatzteile, Nachrüstsätze und sogenannte Refurbishment-Kits werden angeboten, um die Produktlebensdauer zu verlängern. Für geeignete Produkte werden Rücknahme- und Wiederaufbereitungsprozesse entwickelt, um Komponenten in Neuprodukten einzusetzen.
Die zirkulären Produktattribute und Services tragen zu einer effektiveren Ressourcennutzung und damit verbundenen CO₂ Reduktion bei. Auch wird eine valide Informationsgrundlage gebildet, welche in einem kommenden EU Digital Product Passport benötigt wird.
Mehr auf www.z.lighting/de/
Die Elektroindustrie wächst – und mit ihr der Elektroschrott. Kreislaufwirtschaft als Gebot der Stunde
Von Karin Granzer-Sudra
Elektro- und Elektronikgeräte enthalten wertvolle Rohstoffe wie seltene Erden, Gold und Kupfer. Trotz ihres wirtschaftlichen Werts – die Elektro- und Elektronikindustrie ist mit einer Produktion von EUR 24,6 Mrd. Österreichs drittgrößter Wirtschaftszweig – werden viele dieser Materialien nicht zurückgewonnen. Resultat: das Abfallaufkommen wächst und Elektroschrott zählt inzwischen weltweit zu den am schnellsten wachsenden Abfallströmen. Mit 15 kg pro Kopf und Jahr liegen die Österreicher:innen hier sogar über dem EU-Schnitt.
Status quo und Herausforderungen
Die zentrale Frage lautet: Welche Hürden bestehen für die Kreislaufwirtschaft im Elektroniksektor und wie kann effektive Unterstützung aussehen? Eine ÖGUT-Studie im
Auftrag des österreichischen Klimaschutzministeriums (BMK) beleuchtet die Herausforderungen. Positiv ist, dass fast zwei Drittel der befragten Unternehmen bereits Maßnahmen umsetzen, die über Recycling hinausgehen.
Dennoch gibt es technologische, marktseitige und regulatorische Hürden. Besonders nicht kreislauffähiges Design, Schadstoffe und schwierige Trennbarkeit erschweren Reuse und Recycling.
Rechtliche Unsicherheiten bezüglich nationaler Vorgaben und EU-Rechtsakten sowie bürokratische Hürden für Sekundärrohstoffe erschweren zusätzlich den Markt. Beispielsweise gelten für recycelte Materialien oft
strengere Vorschriften als für Primärrohstoffe, was die wirtschaftliche Nutzung einschränkt. Zusätzlich bremsen fehlende Kooperationen, hohe Kosten für Sekundärrohstoffe und eine geringe Nachfrage nach kreislauffähigen Produkten den Markt.
Lösungsansätze
Die Studie empfiehlt, internationale Zusammenarbeit bei technischen Normen zu fördern und kreislaufgerechtes Design sowie innovative Geschäftsmodelle zu integrieren. Auch die Einbindung von Kreislaufwirtschaftskriterien in Bildungsprogramme und Förderinstrumente ist wichtig, um nachhaltige Innovationen gezielt zu stärken.
Mehr auf www.fti-ressourcenwende.at
Starlinger-Technologie sorgt nicht nur bei PET-Flaschen für einen geschlossenen Kreislauf
Der in Wien ansässige Maschinenbauer deckt mit seinen Anlagen für gewebte Verpackungen aus Kunststoff den gesamten Produktionsprozess bis hin zum Recycling ab. Als Weltmarktführer exportiert die Starlinger & Co GmbH Produktionstechnologie für Kunststoffgewebesäcke in die ganze Welt. Besonders in Asien, Afrika und Lateinamerika sind die robusten und leichten Säcke eine beliebte und weitverbreitete Verpackung für trockene Schüttgüter wie Zement oder Mehl und Zucker.
Damit sie und andere Kunststoffverpackungen nicht in der Umwelt oder auf Mülldeponien landen, nutzt Starlinger sein jahrzehntelanges Know-How im Kunststoffrecycling, seinem zweiten Unternehmensstandbein. Weltweit werden Millionen Tonnen recycelter Kunststoffe
auf Starlinger-Anlagen produziert; im Bereich PET- und PolyolefinRecycling zählt das Familienunternehmen zu den führenden Technologieanbietern.
„Durch unsere langjährige Tätigkeit in der Branche wissen wir, dass Kunststoffe zu den nachhaltigsten Verpackungsmaterialien zählen: Sie sind leicht, rohmaterialsparend, lebensmitteltauglich, recycelbar“, erklärt Harald Neumüller, CSO von Starlinger.
„Wir möchten Konzepte wie ‚Design for Recycling‘ für Verpackungen aus Kunststoff etablieren und zu einer Norm machen. Nur so können funktionierende geschlossene Verpackungskreisläufe entstehen.“
Bereits mit Kunden umgesetzt wurde das von Starlinger entwickelte „Circular Packaging“-Konzept für Big Bags aus Polypropylen. Dabei werden gebrauchte Big Bags gesammelt und recycelt, um daraus neue Big Bags mit hohem Anteil an recyceltem Polypropylen zu fertigen. Auch die Erfahrungen aus dem PET-Bereich brachte Starlinger ein und entwickelte die Technologie zur Herstellung von Gewebe und Big Bags aus PET. Der Vorteil dieses Kunststoffs: Nach dem Recyceln entspricht die Qualität jener von Neuware. So wie Getränkeflaschen können zum Beispiel Big Bags hergestellt werden, die zu 100 % aus recyceltem PET gefertigt sind. Aus dem Sack wird wieder ein Sack – der Kreis schließt sich.
Mehr auf www.starlinger.com
Workshop zu zirkulären Büromöbeln
Abschreiben, ersetzen, wegwerfen? Völlig intakte Büromöbel sollen nicht länger im Sperrmüll landen
Von Markus Palzer-Khomenko
In der österreichischen Möbelproduktion machen Büromöbel knapp 12 % des Marktes aus, was einem jährlichen Umsatz von rund EUR 300 Millionen entspricht. Das Problem: Der Großteil dieser Möbel landet früher oder später im Sperrmüll. Weltweit werden jedes Jahr bis zu 57 Millionen Tonnen Büromöbel entsorgt. Im Auftrag des Österreichischen Klimaschutzministeriums (BMK) untersuchte das Climate Lab neue, zirkuläre Geschäftsmodelle, die dies verhindern sollen.
Internationale Beispiele
• Das dänische Unternehmen Nornorm bietet Büromöbel als Abonnement an. Über eine App können Möbel gebucht und ausgetauscht werden. Auch das Climate Lab gehört zu den Kunden und passt regelmäßig das Inventar an – ganz ohne Entsorgung der alten Möbel.
• Ein weiteres dänisches Unternehmen, Circular Furniture, unterstützt den An- und Verkauf gebrauchter Büro- und Loungemöbel.
• Das deutsche Unternehmen Twins Company vertreibt Möbel aus Wohnungsauflösungen und großen gewerblichen Quellen.
Best Practice aus Österreich
• Das Unternehmen Reoffice bietet eine ganzheitliche BüromöbelDienstleistung an und bringt gebrauchte Möbel als refurbished Produkte über ihren Online-Shop wieder auf den Markt.
• Wiesner Hager setzt bereits bei der Produktentwicklung auf ökologische Designkriterien, wie Zerlegbarkeit, Reparatur und Wiederaufbereitung. Unbrauchbare Teile werden recycelt oder ersetzt, was den Materialeinsatz und die CO₂-Emissionen bei
Drehstühlen um bis zu 80 % reduziert.
• Auch Bene beschäftigt sich intensiv mit Refurbishment und prüft verschiedene zirkuläre Geschäftsmodelle.
• Die Caritas Wien betreibt mit dem Carla Depot ein Geschäft, das gut erhaltene Büro- oder Geschäftseinrichtungen aus Großspenden weitervermittelt.
Daraus erkennt man, dass auch im Bereich der Büromöbel das Geschäftsmodell Circularity Schule macht: hier anzusetzen bietet großes Potenzial für eine Zukunft, in der Ressourcenschonung und Umweltschutz immer wichtiger werden.
Mehr auf https://climatelab.at/ abschlussbericht-zirkulaerebueromoebel/
Hotelzimmer werden umgebaut, Büroflächen neu gestaltet –doch was passiert mit der Einrichtung?
Von Benedikt Kramer & Stefanie Siedelmann
Gerade bei größeren Mengen gleichartiger Möbel fehlen oft Zeit, Kapazität und Struktur, um sinnvolle Anschlussnutzungen zu ermöglichen. Das Ergebnis: intakte Stücke landen zu oft im Abfall.
Erstversuch in Tirol
In Tirol wurde nun eine Lösung getestet, die zeigt, wie es anders geht. Bei den Hotels Alpenresort Schwarz und Familienhotel Stern wurde im Zuge von Umbauten der gesamte Möbelbestand systematisch erfasst, fotografiert und über bestehende Netzwerke aktiv zur Weiterverwendung angeboten. Himmelbetten, Holzvertäfelungen, Waschbecken, Tische und sogar Vorhänge fanden neue Abnehmer:innen – darunter Mitarbeitende, Privatpersonen und regionale Betriebe. Besonders wichtig: eine strukturierte Planung, damit Abholung, Logistik und Kommunikation am Abholtag reibungslos funktionieren.
Als Upcycling-Inspiration wurden außerdem Vorhangstoffe für neue Dienstkleidung verwendet und stabile Tischbeine mit neuen Platten kombiniert. Regionale Abnehmer:innen vereinfachten zusätzlich Transport und Organisation. Die große Nachfrage, sowohl von Privatpersonen als auch von Mitarbeitenden des Hotels, zeigte das Potenzial für die Weitervermittlung von Hotelinventar.
Ausblick Online-Plattform
Die Erfahrung zeigt die bestehende Nachfrage auf, wenngleich der Aufwand für die Vermittlung für einzelne Organisationen noch unverhältnismäßig hoch ist. Ziel ist daher eine Online-Plattform namens „Circular Inventory“, die Prozesse digitalisiert und skaliert. So können künftig größere Möbelposten aus Hotel- und Büroausstattungen effizient, ressourcenschonend und regional vermittelt werden.
Statt gut erhaltene Produkte zu entsorgen, werden Angebot und Nachfrage gezielt zusammengebracht und so Ressourcen geschont. Hinter der Initiative steht eine Kooperation aus dem Verein noamol, dem Beratungsunternehmen cemit und dem Software-Start-up revitalyze.
Mehr auf https://www.noamol.at/ news/circular-inventory
Upcycling und Recyling sind ökologisch und wirtschaftlich sinnvolle Konzepte für die Modebranche
Von Nadine Schratzberger
Die Modeindustrie steht vor einem gravierenden Problem: Jährlich landen Tonnen an Textilien im Müll, obwohl wertvolle Materialien darin enthalten sind. In Österreich zeigen Unternehmen jedoch, dass Alternativen möglich sind. Upcycling, Recycling und neue Nutzungskonzepte bieten Lösungen, um Textilabfälle zu reduzieren und neue Wertschöpfungsketten zu etablieren.
Upcycling-Labels mit Design-Fokus
Marken wie Refished und Kontiki setzen auf nachhaltige Mode. Refished verarbeitet recycelte Materialien wie Zementsäcke zu Taschen und kombiniert Upcycling mit ethischer Produktion. Kontiki nutzt überschüssige Textilien, um daraus Unikate zu schaffen – oft in Kooperation mit sozialen Initiativen.
Recycling-Startups mit Technologieeinsatz
Um recycelte Fasern in neue Kleidungsstücke zu integrieren, entwickelt das Christian Doppler (CD) Labor der TU Wien Verfahren zur Wiederverwertung alter Fasern, etwa durch chemische und mechanische Trennung von Textilmischungen. Unternehmen wie Turns nutzen Recycling-Technologien, um Textilmüll in neue Garne umzuwandeln.
Sharing- und Repair-Modelle
Kleidertausch, Mietmodelle und Reparaturen gewinnen an Bedeutung. Resi Slow Fashion bietet Reparaturdienstleistungen an, während Uptraded eine App für den Austausch kaum getragener Kleidung bereitstellt. Neworn bietet Mietmodelle für Babykleidung und Simply Repair fördert DIY-Reparaturen.
Nachhaltige Outdoor-Mode MONTREET, ein österreichisches Label, produziert funktionale Outdoor-Mode aus recycelten Materialien. Das Unternehmen setzt auf Kreislaufdesign, reparierbare Kleidung und faire Produktion als Alternative zur konventionellen OutdoorMode.
Österreich hat eindeutig das Potenzial, eine Schlüsselrolle in der Kreislaufwirtschaft der Modebranche zu übernehmen. Hohe Produktionskosten und begrenzte Skalierbarkeit erschweren allerdings das Wachstum nachhaltiger Mode. Dazu gilt es, Förderungen, gesetzliche Rahmenbedingungen und Kooperationen zwischen Industrie und Forschung zu stärken.
Mehr auf www.fashionrevolution austria.com
Durch den Handel gebrauchter Güter auf willhaben werden jährlich potenziell 136.000 Tonnen CO2e vermieden
Als Österreichs größter digitaler Marktplatz erreicht willhaben monatlich 3,8 Millionen Unique User (ÖWA 01/2025). Mit dieser Reichweite fungiert die Plattform als Hebel für die Kreislaufwirtschaft, wie die von Vaayu durchgeführte „Second Hand Effect“-Studie zeigt. Denn: Allein durch die Verwendung des Marktplatzes sparen die willhabenNutzer gemeinsam jährlich potenziell 136.000 Tonnen CO₂ Äquivalente (CO₂e).
So wurde der Second Hand Effect 2023 berechnet
Die Analyse basiert auf Daten von mehr als acht Millionen auf willhaben verkauften Gegenständen und Erkenntnissen aus Befragungen von mehr als 14.000 Nutzern zum Kaufund Verkaufsverhalten. Diese Informationen und der detaillierte Fuß-
abdruck der verkauften Gegenstände wurden mithilfe der API und firmeneigenen LCA Modelling Engine von Vaayu verarbeitet, um die Vorteile des Online-Kaufs von Second HandArtikeln in den ausgewählten Kategorien zu berechnen. Dabei wurden besonders hohe CO₂e-Einsparungen in folgenden Champion-Kategorien festgestellt:
1. Wohnen / Haushalt / Gastronomie:
52.014 Tonnen CO2e
2. Sport / Sportgeräte:
50.578 Tonnen CO2e
3. Computer / Software: 11.620 Tonnen CO2e
4. Baby / Kind:
7.007 Tonnen CO2e
5. Games / Konsolen: 5.482 Tonnen CO2e
Die Top 5 Marktplatz-Kategorien laut Vaayu, Second Hand Effect, 2023
Alle beschriebenen Emissionen gelten als „potenziell vermieden“, da sie das Ergebnis einer hypothetischen Berechnung sind. Sie beinhaltet eine Gegenüberstellung des tatsächlichen Szenarios (Kauf eines gebrauchten Artikels über willhaben) und eines hypothetischen Alternativszenarios (Kauf eines vergleichbaren neuen Artikels) sowie die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Second Hand-Kauf tatsächlich einen Neukauf ersetzt.
willhaben: „Positiven Impact weiter ausbauen“ Sylvia Dellantonio, Geschäftsführerin von willhaben, erklärt: „Die Ergebnisse der aktuellen Second Hand Effect-Studie belegen eindeutig, dass die positiven Auswirkungen von Second Hand auf den ökologischen Fußabdruck sowohl messbar als auch erheblich sind. Zudem zeigt sich ein großes Potenzial, in Zukunft einen noch größeren Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten und damit den positiven Impact weiter auszubauen.“
Das erweiterte 10R-Framework zeigt, wie Kreislaufwirtschaft
systematisch im Einkauf verankert wird
Von Ines Maria Sturm
„Circular Procurement“ ist ein kraftvoller Hebel für eine nachhaltige Zukunft: Bereits beim Einkauf von Produkten und Materialien werden die Weichen für die Qualität und Langlebigkeit sowie für den Werterhalt der Ressourcen gestellt. Durch kluge Strategien lässt sich die Kreislaufwirtschaft Schritt für Schritt im Beschaffungswesen verankern.
Strategie der ÖBB
Wie das funktioniert, zeigt das erweiterte „10R-Framework“ der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Es stellt interne Ansätze dar, die zur Umsetzung zirkulärer Strategien im Einkauf beitragen. Die Ergebnisse sprechen für sich:
Bereits heute liegt der Anteil kreislaufwirtschaftlicher Kriterien an den
ökologischen Ausschreibungskriterien der ÖBB bei über 20 %.
Ein zentrales Element für den Erfolg von Circular Procurement ist die gezielte Schulung der verantwortlichen Beschaffer:innen.
Die richtige Mischung macht den Unterschied Erfolgreiche Ausschreibungen setzen auf einen ausgewogenen Mix aus innovativen und bewährten Kriterien. Auf der einen Seite steht der Einsatz neuer, zirkulärer Materialien mit hohem Innovationspotenzial. Auf der anderen Seite bewähren sich auch Maßnahmen mit geringerem Innovationsgrad – etwa verlängerte Garantien oder die Zusicherung von Ersatzteilen zur Lebensdauerverlängerung von Produkten. So wird si-
ÖBB 10R-Framework Circular Procurement
chergestellt, dass Zirkularität vorangetrieben wird, ohne die verfügbaren Zeitressourcen zu überfordern. Denn je innovativer eine Ausschreibung ist, desto mehr Zeit muss in der Regel für die Umsetzung eingeplant werden.
Circular Procurement ist somit ein Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunft und wirtschaftlichem Erfolg: Unternehmen, die zirkulär beschaffen, sparen Ressourcen und stärken ihre Wettbewerbsfähigkeit sowie Versorgungssicherheit. Wer heute auf Circular Procurement setzt, verschafft sich morgen einen Vorsprung – für eine nachhaltige Wirtschaft, eine gesunde Umwelt und den langfristigen Erfolg des eigenen Unternehmens.
Der naBe-Aktionsplan fördert nachhaltige Beschaffung und unterstützt die Kreislaufwirtschaft
Von Gerhard Weiner
Seit dem 1. Juli 2021 ist der „Österreichische Aktionsplan für nachhaltige öffentliche Beschaffung“ (naBeAktionsplan) in einer neuen Fassung in Kraft. Mit einem jährlichen Beschaffungsvolumen von rund EUR 70 Mrd. kommt der öffentlichen Hand eine zentrale Rolle zu: Sie kann über bewusste Vergabeentscheidungen nicht nur umweltfreundliche und sozial verantwortliche Produkte und Dienstleistungen fördern, sondern auch die heimische Wirtschaft und Innovation stärken.
Der naBe-Aktionsplan zielt darauf ab, die Vergabe von Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen so zu gestalten, dass geschlossene Energie- und Materialkreisläufe unterstützt und negative Umweltauswirkungen minimiert werden. Für 16 Produktgruppen wurden dafür konkrete Kriterien definiert, die umweltfreundliche und sozial verantwortliche Beschaffungen ermöglichen.
Frühzeitige Berücksichtigung von Kreislaufaspekten
Die Kreislaufwirtschaftsstrategie des Bundes fordert die Berücksichtigung
der Prinzipien wie Refuse, Rethink und Reduce bereits in frühen Phasen des Beschaffungsprozesses – etwa im Bedarfsmanagement. Der Einsatz von Recycling-Baustoffen, die Wiederverwendung von Materialien oder langlebige, reparaturfähige Geräte sind Beispiele für solche Ansätze. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Bereichen Hoch- und Tiefbau, Textilien und Verpackungen. Hier können durch gezielte Maßnahmen zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs wesentliche Beiträge zur Kreislaufwirtschaft geleistet werden.
Praktische Umsetzung
Gut geeignet für den Start in die zirkuläre Beschaffung ist die Bewertung der Produktgruppen entlang Produktkomplexität und technischer Lebenslauf. Fragen Sie sich:
• Ausgaben: Wie hoch sind die Ausgaben für diese Kategorie?
• Risiko: Wie hoch ist das Risiko in dieser Kategorie?
• Umfang: Welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Nachhaltigkeit habe ich?
• Einflussnahme: Welchen Einfluss auf Markt und Lieferkette habe ich?
Der naBe-Aktionsplan bietet nicht nur klare Vorgaben, sondern auch praxisnahe Unterstützung für Beschaffungsverantwortliche - mit der naBe-Plattform als zentrale Anflaufstelle.
PORR CEO Karl-Heinz Strauss erklärt, mit welchen Hebeln sein Unternehmen die CO2e-Emissionen senkt
Sie haben vor kurzem angekündigt, dass die SBTi das Commitment der PORR zu den Science Based Targets bestätigt hat. Ein großer Schritt für die PORR?
Ein wichtiger Schritt. Die PORR ist ja bereits sehr aktiv, wir setzen viele Maßnahmen zur Reduzierung unserer Emissionen. Im Rahmen der SBTi können wir nun auf wissenschaftlicher Basis mit anderen an einem Strang ziehen. Die PORR hat sich mit dem Bekenntnis zu den Science Based Targets dazu verpflichtet, wissenschaftlich fundierte Klimaziele zur kurzfristigen Emissionsreduzierung bis 2030 in den nächsten 48 Monaten einzureichen. Dabei geht
es um eine Reduktion um 43 % für Scope 1 und Scope 2 sowie 25 % für Scope 3, also eine sehr deutliche Verringerung. Für uns bedeutet das, dass wir in den nächsten Monaten in einem ziemlichen Tempo in die Ausrollung unserer Maßnahmen gehen.
Ich freue mich auch sehr, dass EcoVadis diesen Schritt honoriert hat; das Commitment war mit ein Grund, weshalb wir heuer eine Goldmedaille erhalten haben.
Welche Möglichkeiten gibt es, um den CO2-Ausstoß am Bau zu reduzieren?
Das haben wir uns im Rahmen unserer Dekarbonisierungsstrategie sehr genau angesehen und dabei sieben strategische Hebel definiert. So stammt zum Beispiel der Großteil unserer Scope-1-THG-Emissionen aus dem Einsatz fossiler Energie in unseren Geräte- und Fuhrparks. Das heißt, hier ist der wirksamste Hebel die Elektrifizierung und die Um-
Im Rahmen ihrer Dekarbonisierungsstrategie hat die PORR folgende sieben Hebel definiert:
1. Alternative Treibstoffe und Elektrifizierung für Baugeräte, Maschinen & Fuhrpark
2. Einsatz von Grünstrom
3. Klimafreundliche Immobilien auf eigenen Standorten
4. Optimierte Mischverfahren bei Asphalt und Beton
5. Einkauf emissionsärmerer Materialien & Transport
6. Abfälle vermeiden – reduzieren – recyclen
7. Verlängerung des Lebenszyklus bei IT-Hardware
stellung auf emissionsärmere Treibstoffe. Wir sind bereits laufend dran.
Und bei Scope-2 und Scope-3?
Bei den Scope-2-Emissionen liegt unser größter Hebel in dem Ersatz von zugekauftem, nicht-erneuerbarem Strom durch Grünstrom. Maßnahmen sind etwa unser Photovoltaik-Rollout und unsere erste eigene Bürgerenergiegemeinschaft. In Österreich rüsten wir 30 Dächer und Freiflächen mit PV-Anlagen aus. Auch unsere anderen Heimmärkte sind in Sachen Photovoltaik sehr aktiv. Der Löwenanteil unserer Scope-3-Emissionen hängt mit dem Einkauf von CO2e-intensiven Baustoffen wie Stahl, Zement, Beton und Bitumen zusammen. Im ersten Schritt legen wir 2025 im Einkauf den Product Carbon Footprint als Vergabekriterium fest, langfristig
werden wir emissionsärmere Materialien bevorzugen. Zu diesen drei Hebeln kommen noch weitere, wie zum Beispiel die Abfallvermeidung, -reduzierung und -recycling und die Optimierung unserer Mischverfahren in der Herstellung von Beton und Asphalt (siehe Kasten). Wir haben damit bereits einen sehr konkreten Fahrplan, wie wir uns verbessern werden.
Man hört immer wieder von der „CO2e-neutralen Baustelle“ –inwieweit ist das realistisch?
Die 100 % CO2e-neutrale Baustelle ist derzeit eher ein Gedankenexperiment, weil sie unter anderem die CO2e-neutrale Herstellung der Baustoffe sowie einen ebensolchen Anund Abtransport zur und von der Baustelle impliziert. Es gibt dazu etliche Forschungs- und Pilotprojekte,
an denen wir maßgeblich beteiligt sind. Wir nähern uns ihr mit den genannten Hebeln und Maßnahmen und sind auf einem guten Weg. Man kann derzeit also eher von einer CO2e-reduzierten oder nachhaltigen Baustelle sprechen. Wichtig sind die Weiterentwicklung und Zertifizierung der nachhaltigen Baustelle. Dabei ist die Grundlage und größte Herausforderung eine einheitliche Ökobilanzierung für die Vergleichbarkeit von Baustellen und die Messung der Wirksamkeit von Maßnahmen auf Projektebene. Wir sind hier als Bauunternehmen sehr dahinter.
Mehr auf
Von Jasmin Bermadinger
Seit der Einführung der RecyclingBaustoffverordnung im Jahr 2016 hat Österreich einen wichtigen Standard für den „zirkulären Rückbau“ geschaffen. Diese Verordnung verpflichtet dazu, wiederverwendbare Bauteile bei großvolumigen Rückbauprojekten zu dokumentieren und bei Bedarf für die Wiederverwendung vorzubereiten. Parallel dazu wurde das Konzept des Social Urban Mining (SUM) von BauKarussell entwickelt, das erfolgreich in vielen Projekten umgesetzt wird und den Anforderungen von ESG (Environment, Social, Governance) entspricht.
Beim SUM werden sozialwirtschaftliche Partner in den Rückbau von Gebäuden eingebunden, um diese für Sanierungen oder Abrisse vorzubereiten. Der Fokus liegt auf einem hohen Wiederverwendungsgrad und
der qualitativen Trennung von Wertstoffen. Damit ist SUM ein Beispiel für einen innovativen Ansatz, der die Kreislaufwirtschaft vorantreibt – mit Mut, Pioniergeist und Kooperationen. Um auch die Bauwende voranzutreiben, müssen neue Ideen kontinuierlich erprobt werden, was durch die Gründung der BauKarussell Genossenschaft unterstrichen wird.
Für öffentliche Auftraggeber und Kommunen hat sich der Rückbau mit SUM als erfolgreich erwiesen. Universitäten, Kasernen und Stadien –das Immobilien-Repertoire der öffentlichen Hand erfordert einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. Daher hat sich das Konzept von SUM als Best Practice etabliert und ist mittlerweile auf der naBe-Plattform verankert.
Bislang konnten durch Social Urban Mining 195 Menschen qualifiziert und rund 37.000 Arbeitsstunden geschaffen werden. Dabei wurden über 1.808 Tonnen Material bewegt, wovon über 40 % ins Reuse gelangten.
Derzeit wird daran gearbeitet, sowohl die Qualifizierung als auch die Beschäftigungsfelder für die Sozialwirtschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Rückbaus und Reuse im Bauwesen weiter auszubauen – von der Bestandserfassung über die Logistik bis hin zur Vermittlung.
Mehr auf https://www.baukarussell.at/
Von Anna-Vera Deinhammer & Elena Stelzig
Das Leitprojekt KRAISBAU des Bundesministerium für Innovation, Mobilität und Infrastruktur (BMIMI) verdeutlicht, wie essentiell Koordination und Kommunikation für Multi-Stakeholder-Projekte sind: Mit 32 Partnerorganisationen entlang der Wertschöpfungskette ist KRAISBAU eher ein Tanker als ein Schnellboot – flankiert von agilen Beibooten. Die Startphase dauerte etwa doppelt so lange wie bei homogenen Konsortien. Unterschiedliche fachliche Perspektiven und inhaltliche Sprachunterschiede, etwa zwischen analogen Praktiker:innenn und digitalen Innovator:innen, müssen laufend geklärt werden. Der Lernprozess ist intensiv, doch das Konsortium steht auf einem stabilen, weil breiten Fundament.
Eine zentrale Herausforderung bleibt die Abschätzung der Wirkungsfolgen auf nachgelagerte Akteur:innen. Während klassische Projekte klare Strukturen haben, erfordert dieses diverse Konsortium eine iterativ-dynamische Arbeitsweise. Dies macht den Prozess langsamer, aber robuster.
KRAISBAU setzt auf einen „Zoom-In-Zoom-Out“-Ansatz: enge inter- und transdisziplinäre Vernetzung für Synergien sowie gezielte Silo-Arbeit für tiefgehende Analysen.
Die Skalierbarkeit bleibt herausfordernd – von Sekundärmaterialien bis zur rechtlichen Integration. Erste Ergebnisse zeigen, dass Arbeitsbereiche mit längeren Entwicklungsphasen durch die Vernetzung mit
Frontrunnern beschleunigt werden können. Dieser Prozess baut sich nun Stück für Stück auf, da wir durch die Sprachangleichung lernen, Ambiguität und systemische Unsicherheit als Innovationspotenzial zu nutzen.
Eine Parallele zur KI-Entwicklung ist erkennbar: Fortschritte entstehen durch die Vernetzung von Datenstrukturen und Automatisierung. KI-gestützte Bauteilerfassung und digitale Zwillinge schaffen fundierte Entscheidungsgrundlagen. Gleichzeitig zeigt ein erster Demonstrator, der sich dem zirkulären Rückbau widmet, dass diese Ansätze die Bauwirtschaft nachhaltiger gestalten werden.
Mehr auf www.kraisbau.at
Die aws fördert mit „Building(s) Tomorrow“ und „Circular DigiBuild“ zirkuläre Lösungen im Bauwesen
Von Collin Flesner
Die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft (aws) fördert mit Eigenförderinitiativen wie „Building(s) Tomorrow“ und Beteiligung an „Circular DigiBuild“ die Implementierung von Kreislaufwirtschaft, um Ressourcenverbrauch und CO2- Emissionen im Bausektor zu reduzieren.
Förderung zirkulärer Bauprojekte
„Building(s) Tomorrow“ fördert Projekte, die zirkuläre Ansätze in der Planung, Konstruktion und dem Rückbau von Gebäuden umsetzen. Dabei werden neue Technologien und Verfahren zur Wiederverwendung von Materialien, zur Reduktion von Abfällen und zur Nutzung erneuerbarer Ressourcen getestet. Aktuell sind im Rahmen der Initiative mehrere Projekte in Umsetzung – mit innovativen Lösungen
wie dem Einsatz von recyceltem Baumaterial, modularen Bauweisen oder der Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden.
Digitale Lösungen für die Kreislaufwirtschaft
Im Interreg-Projekt „Circular DigiBuild“ werden digitale Technologien wie Big Data und KI aus verschiedenen Ländern untersucht, um die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen zu fördern. Drei Pilotprojekte werden umgesetzt, darunter auch eines in Österreich. Ein zentraler Bestandteil des Projekts ist die Erstellung einer nationalen Aktionsstrategie für Österreich, die als Leitlinie für zukünftige Entwicklungen dient. Unternehmen werden ermutigt, sich aktiv an den Projektaktivitäten zu beteiligen und Netzwerke sowie
Plattformen für den Austausch zu schaffen.
Unternehmen als zentrale Akteure Beide Initiativen tragen zur Kreislaufwirtschaft im Bausektor bei, indem sie Innovationen fördern und digitale Lösungen entwickeln. Unternehmen profitieren von Förderungen, Wissenstransfer und der Möglichkeit, sich aktiv an der Transformation des Bausektors zu beteiligen. Gemeinsam tragen sie dazu bei, Materialflüsse nachhaltiger zu gestalten, digitale Werkzeuge für zirkuläres Bauen zu entwickeln und eine langfristige Veränderung im Bausektor anzustoßen.
Mehr auf www.aws.at
Ein strukturiertes Bewertungssystem schafft in Wien neue Standards im Bauwesen
Von Bernadette Luger & Iris Wrana
In Wien soll ab 2030 kreislauffähiges Planen und Bauen Standard bei Neubau und Sanierung sein. Um dies verbindlich zu machen, benötigen wir einheitliche Angaben, was mit „zirkulärem Bauen“ überhaupt gemeint ist und woran sich die Zirkularität eines Neubaus beziehungsweise einer Sanierung konkret misst. Im Rahmen des Programms „DoTank Circular City Wien 2020-2030“ haben Expert:innen der Stadt Wien daher mit der Universität für Bodenkultur (BoKu) ein vorläufiges Set an Bewertungsparametern entwickelt: den Zirkularitätsfaktor (ZiFA) 1.0 mit acht übergeordneten Kategorien und 30 Kriterien, die entlang der EUAbfallhierarchie zugeordnet sind.
Zirkularitätsfaktor 1.0 Indikatoren
Berücksichtigt werden etwa verbaute Materialien, Ökobilanz, Flexibilität, Nutzungsintensität, Langlebigkeit oder Rückbau.
Test- und Optimierungsphase
Der ZiFa 1.0 wird nun zwei Jahre lang in Testanwendungen erprobt. An konkreten Bauprojekten, beispielsweise im Stadtentwicklungsgebiet Nordwestbahnhof, lassen sich sinnvolle Ziel- und Grenzwerte ausloten und Praktikabilität und Anwendbarkeit sicherstellen. Als Ergebnis dieser Optimierungsphase sollen Ende 2026 ein in der Praxis erprobtes, umfassend reflektiertes und weiterentwickeltes Kriterienset sowie eine Bewertungssystematik
zirkulärer Maßnahmen in Form eines ZiFa 2.0 vorliegen. Qualitative Nachweise wie Rückbau- oder Nachnutzungskonzepte werden dabei mitgedacht.
Transformationswerkzeug
ZiFa 2.0
Der künftige ZiFa 2.0 korrespondiert mit den Strategien der Stadt Wien und deckt die Vorgaben wesentlicher Rahmenwerke auf EU-, nationaler oder Landesebene ab. Die Bedeutung des ZiFa 2.0 geht weit über eine reine Bewertungsmethodik hinaus: Durch die Integration der Indikatoren in künftige Verordnungen, Richtlinien oder Beschaffungsprogramme sowie Vorgaben in Bauträger Wettbewerben und Einbezug in digitale Systeme wie BIM (Building Information Modeling), wird er zum Transformationswerkzeug für das zirkuläre Bauen der Stadt Wien. Damit nimmt die Stadt eine aktive Rolle bei diesem Prozess ein und baut – buchstäblich – auf qualitätsvolles und leistbares Wohnen.
Kreislauffähige Mobilitätskonzepte als Schlüssel für die letzte Meile im nachhaltigen Tourismus
Von Valerie-Sophie Schönberg
Der österreichische Verkehrssektor verursacht rund 30 % der CO2-Emissionen in Österreich. Ein Großteil davon ist auf den Individualverkehr zurückzuführen – auch bei der An- und Abreise zu Hotels oder Ferienregionen. Die sogenannte „Last Mile“ – also der Weg vom Bahnhof oder Flughafen bis zur Unterkunft – entscheidet oft darüber, ob Gäste für die Anreise auf das Auto verzichten können und wollen.
Berücksichtigt man Daten der Statistik Austria und dem Verkehrsclub Österreich (VCÖ) von 2023, lenkt jede fünfte Person in Österreich nie ein Auto. Die Österreich Werbung beschreibt im Kontext des Mega-
trend Mobilität, dass die Erreichbarkeit der Tourismusdestinationen mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine immer größere Rolle für die jüngere Gästeschicht spielt, die umweltbewusst und/oder autofrei reist.
Hotels, Regionen und Unternehmen haben hier die Chance, durch intelligente Mobilitätslösungen neue Standards zu setzen. Etwa mit vergünstigten Zimmerpreisen oder Eintrittstickets bei Anreise mit dem öffentlichen Verkehr, Gepäcktransfers oder Shared-Taxi-Angeboten, die mit lokalen Betreibern oder Gemeinden organisiert werden. Auch technische Lösungen bieten Potenzial: Apps, die Fahrpläne, Shuttle-Services und Mikro-Mobilitätsangebote bündeln, oder E-Bike-Verleihsyste-
me mit Rücknahmegarantie sind nur einige Beispiele.
Für Unternehmen und Verbände im Tourismus bedeutet das Konzept der „Last Mile“ eine Chance zur Differenzierung und Innovation. Sie können neuartige Dienstleistungen oder Produkte entwickeln, die nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sondern auch auf die spezifischen Bedürfnisse und Vorlieben ihrer Kund:innen zugeschnitten sind. Das steigert die Wettbewerbsfähigkeit: Wer sich als nachhaltiger Gastgeber positioniert, punktet bei einer wachsenden Zielgruppe. Und wer sich mit Städten und Regionen vernetzt, schafft Synergien – für Gäste, Umwelt und Geschäftsmodell gleichermaßen.
Shared Mobility für die letzte Meile
Ausblick vom DC Tower bis zum Stephansdom
Henriette Stadthotel Vienna setzt beim Umbau auf Kreislaufwirtschaft
Zwischen grünem Prater und Altstadt gelegen, hat sich das familiengeführte Stadthotel Henriette Vienna zu einem Vorreiter der nachhaltigen Hotellerie entwickelt. Über 170 Nachhaltigkeitsmaßnahmen wurden umgesetzt: das Frühstück ist regional, die Natur-Bettwaren sind mikroplastikfrei, geputzt wird chemiefrei mit Trockendampf. Eine Luft-Luft-Wärmepumpe und viele weitere Maßnahmen haben den CO₂-Verbrauch pro Übernachtung um ca. 90 % unter dem Branchenschnitt gesenkt. Für sein Engagement wurde das Hotel 2024 mit dem TRIGOS Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet.
Vom Altbauparkett zur modernen Kreislaufwirtschaft
Den entscheidenden Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft machte das Hotel Anfang des Jahres mit einem
umfassenden Umbau. „Hotelzimmer werden ca. alle zehn Jahre renoviert – dabei entsteht viel Müll, funktionstüchtige Einrichtungen müssen oft entsorgt werden. Wir haben uns gefragt: Geht das auch anders?“, erzählt Geschäftsführerin Verena Brandtner-Pastuszyn. Statt auf Wegwerfmaterialien setzt das Hotel deshalb auf langlebige und recycelte Baustoffe, die im Kreislauf bleiben und Geschichten in sich tragen. So wurde in den renovierten Zimmern etwa ein 200 Jahre alter Parkettboden aus einem Wiener Zinshaus Stäbchen für Stäbchen neu verlegt.
„Cirular-Living-Räume“ als logische Konsequenz
Die Schränke bestehen aus Metallstäben, die dank Eckverbindern vollständig zerlegbar und wiederverwendbar sind. Auch die anderen Möbel sind auf Flexibilität ausgelegt:
Das Bett erhält durch ein austauschbares Kopfteil einen neuen Look, ohne ersetzt werden zu müssen. Auf feste Einbauten wurde bewusst verzichtet – so können die Räume jederzeit angepasst werden. Möbelplatten aus recyceltem Kunststoff, schadstofffreie mineralische Wandfarbe und Trennwände aus Stroh sorgen für ein gesundes Raumklima.
Zirkulär Tagen
Auch die neuen Seminarräume sind kreislauffähig gestaltet. Damit richtet sich das Hotel an Unternehmen, die Nachhaltigkeit ins Zentrum stellen. Für Brandtner-Pastuszyn schließt sich mit den Circular-Living-Räumen ein Kreis: „Wir haben lange Zeit gar nicht gewusst, dass das, was wir tun, nachhaltig ist. Es war für uns einfach logisch.“
Mehr auf www.hotelhenriette.at
Tiroler Positionspapier zeigt Chancen für den heimischen Tourismussektor auf
Von Anna Köhl
Tourismus macht rund 10 % des weltweiten BIP aus – und verursacht 9-12 % der globalen CO2-Emissionen. Das jährliche Branchenwachstum von fast 5 % erfordert nachhaltigere Lösungen. Die Kreislaufwirtschaft bietet hier vielversprechende Ansätze: Sie reduziert Umweltbelastungen, schafft wirtschaftliche Chancen und stärkt die Zukunftsfähigkeit des Sektors.
Studien zeigen: Mit zirkulären Ansätzen könnten die Emissionen im Tourismussektor bis 2030 um ganze 41 % sinken. Welche konkreten Chancen sich daraus für Betriebe ergeben und welche Initiativen bereits erfolgreich umgesetzt werden, zeigt das Positionspapier „Circular Tourism – von Theorie zu Praxis“.
Hebel und Handlungsfelder
Der Tourismus bietet viele Anknüp-
fungspunkte für Kreislaufwirtschaft – von Reparatur und Energieeffizienz über Synergien bis hin zu Regionalität und Sharing. Vier zentrale Hebel:
1. Mobilität & Transport: Flugreisen und Autoverkehr sind Hauptemittenten, verstärkt durch Billigflüge und häufigere Kurzreisen. Bei gleichbleibendem Wachstum wird Mobilität 2030 für 45 % der Emissionen verantwortlich sein – ohne direkten Einfluss auf die Umsätze.
2. Unterkünfte & Gastgewerbe: Hotels verursachen 30 % der Emissionen. Einsparpotenziale liegen in Renovierung, modularer Bauweise, Energieeffizienz und künstlicher Intelligenz (KI) gegen Lebensmittelverschwendung.
3. Outdoor-Marken & Ausrüstung: Reparaturprogramme, zirkuläre Materialien, Sharing-Plattformen und Pay-per-Use-Modelle steigern Produktlebensdauer und Nutzung zum Vorteil von Kund:innen und Umwelt.
4. Destinationen & Regionen: Öffentlichkeitswirksame Programme von Tourismusverbänden wie „Plan T“ oder „Bewusst Tirol“ können Hebel für Kreislaufwirtschaft sein, indem sie regionale Wertschöpfung und nachhaltige Praktiken fördern.
Voneinander lernen
Erfolgreiche Umsetzungsbeispiele gibt es im In- und Ausland. Das österreichische Hotel Kogler zeichnet sich durch Ressourcenschonung und Kosteneffizienz durch Upcycling aus, indem alte Möbel restauriert und neu designt genutzt werden. Als „Labor für Kreislaufwirtschaft“ positioniert sich das Green Solution House in Dänemark als Hotel mit Solarpanels, recycelten Baumaterialien und Wasserwiederverwendung. Die KI-gestützte Küchenwaage „Winnow“ reduziert in Pilotprojekten Lebensmittelabfälle um 36 %.
Wirtschaftliche Chancen für Tourismusbetriebe Kreislaufwirtschaft reduziert nicht
nur den ökologischen Fußabdruck, sondern bringt Betrieben echte Vorteile: geringere Betriebskosten, neue Einnahmequellen und stärkere Kundenbindung durch innovative Dienstleistungsangebote und eine grüne Positionierung. Sie erhöht die Resilienz gegenüber Krisen und Preisschwankungen durch Regionalität und zirkuläre Lieferketten. Eine Umsetzung erfordert Kooperation entlang der Wertschöpfungskette – eröffnet Tirol und Österreich aber die Chance auf eine führende Rolle im nachhaltigen Tourismus.
Positionspapier Tirol
Das Positionspapier „Circular Tourism - von Theorie zu Praxis“ wurde durch das Circular Economy Forum
Austria im Auftrag des Kompetenzzentrums Nachhaltigkeit der Tirol Werbung auf Basis von Recherche und einem partizipativen Prozess mithilfe eines Stakeholder Workshops im Rahmen der Circular Week Tirol erarbeitet. Details und weiterführende Informationen zu bestehenden Initiativen aus dem In- und Ausland sowie konkrete Handlungsmöglichkeiten finden sich im online verfügbaren Positionspapier –mit österreichweiter Relevanz für Akteur:innen im Tourismus.
Mehr auf https://www.tirolwerbung.at/ kreislauftwirtschaft
Kreislaufwirtschaft beginnt mit Einzelinitiativen –die Stadt Graz zeigt es vor
Von Thessa Doncheva
In Graz fördern verschiedene Projekte mit klingenden Namen die gemeinsame Nutzung und Reparatur von Gegenständen, um Ressourcen zu schonen und Abfall zu vermeiden. Hier ein Überblick über diese Initiativen:
BackCup
Dieses Mehrweg Angebot der Stadt Graz umfasst mittlerweile drei Varianten:
1. BackCupCLASSIC: Für den umweltfreundlichen Coffee-to-go
2. BackCupEVENT: Für Veranstaltungen aller Art
3. BackCupFOOD: Ergänzt Lieferservices mit nachhaltigen Verpackungen
Dingeborg
Als „Bibliothek der Dinge“ bietet die Grazer Stadtbibliothek über 150 Gegenstände und Geräte zur Ausleihe an, darunter Artikel aus den Bereichen Freizeit, Fitness, Haus und Garten sowie Technik. Dies fördert die gemeinsame Nutzung und reduziert den Bedarf an Einzelkäufen.
tim
„tim“ steht für „täglich.intelligent. mobil“ und bezeichnet das Carsharing-Angebot in Graz. Mit strategisch platzierten Stationen ist es sowohl mit dem Fahrrad, zu Fuß als auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar und unterstützt flexible Mobilität.
Graz ist NiCE!
Das Projekt „From Niche to CentreStadtzentren als Orte kreislauffähiger Konsumformen“ zielt darauf ab, Leerstände zu nutzen und Geschäftsmodelle zu fördern, die auf Kreislaufwirtschaft basieren. Dies trägt zur Belebung der Stadtzentren und zur Förderung nachhaltiger Konsumpraktiken bei.
GRAZ repariert
Das Netzwerk von Reparaturbetrieben „GRAZ repariert“ bietet Informationen und Unterstützung bei der Reparatur von Gegenständen über ein Webportal und gemeinsame Veranstaltungen. Ziel ist es, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern und der Wegwerfmentalität entgegenzuwirken.
Bei allen Unterschieden ist die zugrundeliegende Idee immer dieselbe: Durch gemeinsame Nutzung und Reparatur werden Ressourcen geschont, Abfall vermieden, die Wertschöpfung erhöht und gleichzeitig die Lebensqualität in der Stadt verbessert.
80 Abfallarten, QR-Code-Zugang und eine kluge App: Der Ressourcenpark Graz macht Entsorgen einfach
Der Ressourcenpark Graz bietet den Grazer:innen moderne Abfallentsorgung auf 20.000 m². Im Oktober 2022 eröffnet, leistet er einen wichtigen Beitrag zu Klimaschutz und Ressourcenschonung.
Über 80 Abfallarten können hier getrennt gesammelt und recycelt werden – ein benutzer:innenfreundliches Leitsystem sorgt dabei für eine einfache Handhabung. 2023 wurde dem Ressourcenpark im Rahmen des Holzbaupreises Steiermark ein Anerkennungspreis für Öffentliche oder Gewerbliche Bauten verliehen.
Vier Zonen ermöglichen eine effiziente Entsorgung:
1. Re-Use-Zone: Noch funktionstüchtige Gegenstände wie Möbel oder Bücher können hier kostenlos abgegeben werden. Sie werden in Carla-Shops weiterverwendet.
2. Wertstoff-Zone: In der Wertstoff-Zone können Papier, Metalle, Kunststoffe und andere recycelbare Materialien kostenfrei entsorgt werden.
3. Reststoff-Zone: Sperrmüll, Bauschutt sowie Baum- und
Strauchschnitt können kostenpflichtig abgegeben werden.
4. Problemstoff-Zone: Farben, Lacke, Elektrogeräte und andere problematische Abfälle werden in dieser Zone sicher entsorgt.
Besonders kund:innenfreundlich ist das smarte Zugangssystem zur kostenpflichtigen Reststoff-Zone: Grazer:innen ab 16 können sich registrieren und erhalten einen persönlichen QR-Code. Mit diesem QR-Code können sie pro Jahr bis zu fünfmal für jeweils EUR 6 bis zu 200 Kilogramm Abfall in der ReststoffZone entsorgen.
Die Registrierung erfolgt bequem über die Graz Abfall-App, die Website oder eine Servicestelle. Wer Abfälle für die Reststoff-Zone mit einem Fahrrad oder Lastenrad anliefert, kann das als Dankeschön für den Umweltschutz seit Mai 2023 kostenlos tun.
Die kostenlos verfügbare Graz Abfall-App bietet zudem Infos zu Abfuhrterminen, Abfalltrennung und aktuelle News. Seit der Eröffnung wurden bereits über 73.000 Nutzer:innen registriert, was fast der Hälfte aller Grazer Haushalte entspricht.
Das zeigt: Der Ressourcenpark trifft den Nerv der Zeit und setzt neue Maßstäbe in der modernen Abfallwirtschaft. Jetzt gleich die Graz Abfall-App downloaden!
Mehr auf holding-graz.at/abfall
Von Valerie-Sophie Schönberg
Städte und Regionen sind zentrale Akteure im Übergang zur Kreislaufwirtschaft, nicht nur durch die Potenziale in der Reduktion des Ressourcenverbrauchs, sondern vor allem durch die Möglichkeiten der regionalen Gestaltung inklusiver, regenerativer Systeme, der Steuerung von Infrastruktur und Umsetzung innovativer Lösungen nah an den Bedürfnissen der Bevölkerung. So können sie als Vorreiter für den systemischen Wandel wirken.
KI-Vision einer zirkulären österreichischen Stadt
Eine zirkuläre Stadt zielt darauf ab, Wohlstand zu generieren, die Lebensqualität zu erhöhen und die Resilienz für Stadt und Bewohner:innen zu verbessern, während sie den Wertschöpfungsprozess von der Nutzung endlicher Ressourcen entkoppelt.
Dies fördert nicht nur ökologische Nachhaltigkeit, sondern stärkt auch die regionale Versorgung, indem lo-
kale Kreisläufe aufgebaut werden. Die zirkuläre Transformation erhöht die Resilienz gegenüber globalen Störungen der Lieferketten und stärkt die Unabhängigkeit. Außerdem kann die soziale Inklusion und Angebote für die Bevölkerung gefördert werden, indem Produkt als Dienstleistungen für alle zugänglich werden.
Schwerpunkte für den Transformationsprozess
Der Transformationsprozess erfordert gezielte Maßnahmen, wie die Schaffung von Ressourcen- und Abfallmanagementsystemen, die Förderung zirkulärer Geschäftsmodelle oder die Umsetzung nachhaltiger Infrastrukturprojekte. Besonders wichtig ist der Fokus auf regionale Wertschöpfungsketten und enge Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um innovative Lösungen zu entwickeln und zu skalieren. Beispiele von Best Practices aus ganz Europa und die Vernetzung von Akteur:innen sind hierbei entscheidend.
Format für Vernetzung und Kompetenzaufbau
Der „Circular Cities & Regions Roundtable“ (CCRR) bietet quartalsweise eine Plattform für den strukturierten Austausch zwischen Städten, Gemeinden und Regionen Österreichs, um die regionale Umsetzung der Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Das Format wird vom Circular Economy Forum Austria organisiert, mit Unterstützung des BMLUK (vormals BMK) und in Kooperation mit den Standortagenturen der Bundesländer.
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Innovative Verwertung von biogenen Roh- oder Reststoffen durch lokale Kooperationen
Von Christine Bertl & Kathrin Zirn
Rund 210.000 Tonnen Brot und Gebäck landen in Österreich jedes Jahr im Müll – das zeigen aktuelle Abfallstatistiken. Findet dieses Lebensmittel nicht den Weg in unseren Magen, verliert es rasch seinen materiellen Wert. Im besten Fall wird es noch in Biogasanlagen verwertet oder als Tierfutter eingesetzt.
Doch das volle Potenzial einer höherwertigen stofflichen Nutzung wird bislang kaum ausgeschöpft. Gerade in Städten, die durch hohen Verbrauch und große Abfallmengen zu Ressourcensenken werden, ist das eine besondere Herausforderung. Die Stoffströme zwischen Stadt und Land verlaufen häufig ineffizient –das Resultat: wertvolle biogene Ressourcen wie Altbrot bleiben ungenutzt.
Datenerhebung von Restbiomasseströmen
Im EU-Horizon-Projekt RURBANIVE entwickeln alchemia-nova und BioBASE daher gemeinsam eine Methodik zur Förderung einer regionalen zirkulären Bioökonomie. Ziel ist es, den Zugang zu biogenen Reststoffen wie Altbrot effizienter zu gestalten. In einem ersten Schritt werden Restbiomasseströme von Altbrot, Altspeiseöl und Fruchtresten in Wien und Niederösterreich identifiziert, analysiert und gemeinsam mit regionalen Akteursgruppen validiert.
Verwertungspotenzial aufzeigen
Die gewonnenen Daten werden in einer Materialflussanalyse grafisch aufbereitet, um Optimierungspotenziale für innovative Verwertungswege sichtbar zu machen. Darauf aufbauend folgt eine Multikriterienanalyse,
die verschiedene Verwertungsoptionen hinsichtlich ihrer ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen strukturiert bewertet.
Mit diesem integrativen Ansatz entsteht ein ganzheitliches Modell, das zirkuläre Geschäftsmodelle fördert und regionale Kreislauflösungen unterstützt. Erste Analysen zeigen bereits vielversprechende Potenziale – doch damit diese auch wirtschaftlich tragfähig werden, braucht es zusätzlich gezielte Anreize und politische Unterstützung. Denkbar sind etwa regulatorische Erleichterungen, finanzielle Förderungen oder ein bevorzugter Marktzugang für die Nutzung biogener Reststoffe.
Mehr auf https://rurbanive-project.eu/
Warum zirkuläre Prinzipien für biobasierte Innovationen unverzichtbar sind
Von Armin Winter
Bioökonomische Geschäftsmodelle konzentrieren sich auf biobasierte Innovationen mit dem Ziel, fossile Produkte und ihre negativen Umweltauswirkungen zu ersetzen. Doch allein die Substitution fossiler Rohstoffe reicht nicht aus, um Umweltbelastungen zu vermeiden: Auch der Anbau biogener Materialien erfordert Energie, Arbeit und Nährstoffe. Lineare Geschäftsmodelle führen zu einer Intensivierung der Landwirtschaft, etwa durch Monokulturen und erhöhten Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln. Daher müssen auch Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und entlang der 10R-Strategien gestaltet werden.
Instrumentenkoffer aus der Natur Bei langlebigen Rohstoffen wie Holz oder Stroh lässt sich dies relativ ein-
fach umsetzen – aber wie ist es mit vergänglichen oder leicht abbaubaren Materialien?
Hier bietet die Natur mit Enzymen wertvolle Werkzeuge: Sie beschleunigen chemische Prozesse in Pflanzen, Tieren und Menschen. Pilze und Insekten nutzen sie zum Abbau organischer Stoffe, um daraus Wachstumsbausteine zu gewinnen.
Die Biotechnologie greift diesen Mechanismus auf, um aus organischen Reststoffen neue Produkte zu erzeugen.
Anwendung in Österreich
Österreichische Start-ups wie Hut & Stil, Livin Farms oder Prime Insects zeigen, wie sich biogene Reststoffe
in hochwertige Wertstoffe verwandeln lassen. Auch Reploid AG verwertet mit dem Futterinsekt „Schwarze Soldatenfliege“ organische Abfälle aus Industrie und Landwirtschaft und produziert daraus Proteine, Fette und Chitine für biobasierte Anwendungen. Das Unternehmen wurde dafür 2024 mit dem europäischen LIFE Award ausgezeichnet. Neben der Technologie liegt das Erfolgskonzept in der Kooperation: die Anlagen werden gemeinsam mit den Kunden betrieben.
Zirkuläre Geschäftsmodelle der Bioökonomie sind auf enge Kooperationen entlang der gesamten Wertschöpfung angewiesen. Entscheidend ist daher ein systemischer Ansatz, der über Unternehmensgrenzen hinaus Kreislaufprinzipien ins Zentrum stellt.
Wie Kreislaufwirtschaft Böden schützen, Innovation fördern und die Resilienz der Betriebe stärken kann
Von Karin Huber-Heim
Die Landwirtschaft steht vor immensen Herausforderungen: Klimawandel, degradierte Böden, und instabile Lieferketten. Gleichzeitig muss sie eine stetig wachsende Weltbevölkerung ernähren. Die regenerative Kreislaufwirtschaft bietet hier eine zukunftsweisende Lösung. Sie geht über klassische Recycling-Ansätze hinaus und zielt darauf ab, natürliche Systeme aktiv zu regenerieren.
Die Grundprinzipien der regenerativen Kreislaufwirtschaft lauten:
1. Förderung der biologischen Regeneration
Gesunde Böden sind das Fundament einer nachhaltigen Landwirtschaft. Methoden wie Humusaufbau, minimalinvasive Bodenbearbeitung und Fruchtfolgesysteme steigern die Fruchtbarkeit und fördern die Biodiversität.
2. Reduktion von Abfall und Verschwendung Effiziente Ressourcennutzung spielt eine Schlüsselrolle. Kreislaufbasierte Tierhaltung, Kompostierung und die Verwertung von Agrarrest-Rohstoffen reduzieren Verluste und erhöhen die betriebliche Effizienz.
3. Design für langfristige Nutzung
Neue landwirtschaftliche Systeme setzen auf nachhaltige Produktionsweisen. Agroforstwirtschaft oder Permakultur
integrieren Gehölze in landwirtschaftliche Flächen und verbessern damit langfristig die Umweltbilanz.
4. Kohlenstoffbindung
Landwirte können CO2 durch gezielte Maßnahmen im Boden speichern und erhalten im Rahmen des „Carbon Farming“ Zertifikate für ihren Beitrag zum Klimaschutz – siehe auch die EU-Verordnung über die Zertifizierung von CO2-Entfernung und CO2-armer Landwirtschaft (CRCF).
Wirtschaftliche Chancen durch Innovation
Regenerative Kreislaufwirtschaft eröffnet auch wirtschaftliche Potenziale: Digitale Plattformen erleichtern den Austausch von Maschinen und Ressourcen, Biogasproduktion aus organischen Abfällen senkt Kosten und symbiotische Kooperationen zwischen Landwirtschaft, Industrie und Energieerzeugern schaffen neue Geschäftsmodelle. Durch die regenerative Kreislaufwirtschaft können Betriebe nicht nur nachhaltiger wirtschaften, sondern auch langfristig widerstandsfähiger und profitabler werden. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, diesen Wandel aktiv zu gestalten.
Kooperation mit Mitbewerb schafft wichtige Rahmenbedingungen für Zirkularität
Von Marijke Janz
Die Beziehung zwischen Wettbewerbern gilt als konfliktgeladen – geprägt von Konkurrenz um Marktanteile, Kostenvorteile und Fachkräfte. Vor diesem Hintergrund wirkt eine Zusammenarbeit im Wettbewerb paradox, doch gerade im Kontext der Kreislaufwirtschaft eröffnen sich durch sogenannte „Coopetition“ strategische Potenziale.
Coopetition steht für eine partnerschaftliche Kooperation (Cooperation) im Wettbewerb (Competition).
Sie kann bilateral oder im Netzwerk mit Wettbewerbern erfolgen – verbindend sind etwa gemeinsame Herausforderungen wie volatile Rohstoffpreise, unsichere Liefererketten, Materialverfügbarkeiten sowie Marktanforderungen.
Geschlossene Materialkreisläufe (Closed-Loop-Lösungen) sind nicht nur ressourcenschonend, sondern auch strategisch bedeutsam, da sie Abhängigkeiten verringern und Risiken minimieren. Sie erfordern gemeinsame Standards sowie Rückführungs- und Verarbeitungsprozesse. Wie das funktionieren kann, demonstriert die Circular Packaging Initiative der Plattform Efficient Consumer Response (ECR). Sie beschäftigt sich mit Zirkularität, Bewertung und Stammdaten zu Verpackungen – gemeinsam mit zahlreichen Partnern aus Handel und Industrie.
Coopetition ist hier aus unterschiedlichen Gründen ein Gamechanger: Durch faire Aufteilung von Kosten und vereinte Kompetenzen werden kreislauffähige Entwicklungsprozesse leistbar. Gleichzeitig können dabei vielfältige Bedürfnisse berücksichtigt werden, was die Ergebnisse skalierbar macht. Ein Beispiel ist das kürzlich von Austrian Airlines, City Airport Train, ÖBB, Österreichische Post, SALESIANER und Wiener Linien präsentierte innovative Rückgabesystem für gebrauchte Dienstbekleidung.
Einheitliche Branchenlösungen und gemeinsame Reichweite können auch das Verhalten von Endverbrau-
cher:innen positiv beeinflussen: So hat der österreichische Kaffee- und Teeverband mit der Altstoff Recycling Austria AG (ARA) ein Sammelund Recyclingprojekt für benutzte Kaffeekapseln gestartet. Neben Billa Plus und führenden Kaffeeproduzenten sind auch Verpackungsunternehmen wie Constantia Flexibles und Greiner Packaging beteiligt.
All das zeigt: Coopetition in der Kreislaufwirtschaft kann nicht nur strategische Vorteile schaffen, sondern auch durch passende Rahmenbedingungen zur nachhaltigen Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen.
Der Green Deal hat die Weichen für die EU als Weltmarktführer in der Kreislaufwirtschaft gestellt
Von Manfred Mühlberger
Als Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 2019 den „Green Deal“ verkündete, legte die EU-Kommission einen ehrgeizigen Plan zur Erreichung einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft in Europa vor. Zahlreiche Verordnungen und Richtlinien folgten, die von Rat und Parlament in Kraft gesetzt wurden.
Besonders im Fokus des öffentlichen Diskurses standen dabei die „Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung“ (CSRD) und das „Lieferkettengesetz“ (CSDDD). Zentrales Strategiedokument für die Kreislaufwirtschaft ist der „Circular Economy Action Plan“, der nachhaltige und zirkuläre Produkte zur Norm machen soll.
Bewertung von Unternehmensaktivitäten
Die EU-Taxonomie Verordnung (2020) verankert den „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“ darüber hinaus als eines der sechs Umweltziele. Die zugehörigen detaillierten technischen Bewertungskriterien wurden mittlerweile festgelegt: Damit eine wirtschaftliche Tätigkeit „taxonomie-konform“ ist, muss sie wesentlich dazu beitragen, eines der sechs definierten Umweltziele zu erreichen und darf keines dieser Ziele wesentlich beeinträchtigen.
Klarheit für Verbraucher:innen Ab 2026 tritt eine Richtlinie in Kraft, die die Rechte von Verbraucher:innen stärkt und Werbeaussagen wie
„klimaneutral“ oder „ökologisch“ stark einschränkt. Ebenso wird der Umweltzeichen-Dschungel reglementiert. Gegen Greenwashing richtet sich auch die noch in Verhandlung stehende „Green Claims Directive“, die Unternehmen verpflichten soll, freiwillige Umweltaussagen nachvollziehbar nachzuweisen.
Circular by Design
Ein wichtiger Hebel für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist die Neufassung der „Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte“ (ESPR), die 2024 in Kraft getreten ist. Sie gilt nun für nahezu alle Produktklassen und definiert 16 sogenante Ökodesignanforderungen. Jährlich wird die EU-Kommission Mindest-
anforderungen für zwei bis drei Produktgruppen festlegen, beginnend mit Textilien und Schuhen sowie Eisen und Stahl. Die Verordnung führt zudem den digitalen Produktpass ein, der produktspezifische Informationen allen Akteur:innen der Wertschöpfungskette zugänglich macht. Ab 2026 wird auch ein Vernichtungsverbot für unverkaufte, funktionstüchtige Verbraucherprodukte eingeführt.
Verlängerung des Produktlebenszyklus
Die „Richtlinie zum Recht auf Reparatur“ soll den Reparatursektor fördern und die Verbraucher:innen stärken, indem Hersteller reparaturfähiger Produkte verpflichtet wer-
den, diese fünf bis zehn Jahre nach dem Kauf zu reparieren und Ersatzteile sowie Reparaturinformationen bereitzustellen. Bis Juli 2026 muss diese Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden.
Industrien im Wandel
Die EU-Textilstrategie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten bis 2025 ein flächendeckendes System zur getrennten Sammlung von Alttextilien einführen. Unternehmen werden im Sinne der „Erweiterten Herstellerverantwortung“ (EPR) verpflichtet, die Kosten für Sammlung, Sortierung und Recycling von Textilien zu übernehmen. Die neue „Verpackungsund Verpackungsabfall-Verordnung“ verpflichtet Hersteller von Kunst-
stoffverpackungen ab 2030 einen Mindestanteil an Recyclingmaterial sicherzustellen – bis 2033 müssen alle Verpackungen recyclebar sein.
Inzwischen hat jedoch der „Clean Industrial Deal“ den Green Deal in der Prioritätensetzung der Kommission weitgehend abgelöst. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken und gleichzeitig die Dekarbonisierung voranzutreiben. Ein wichtiger Bestandteil dieses Plans ist auch die Umsetzung des „Critical Raw Materials Act“, wobei die Kreislaufwirtschaft eine zentrale Rolle spielt.
Von Veronika Reinberg
Die ISO 59000 Normenfamilie schafft erstmals einen einheitlichen internationalen Rahmen, der Unternehmen aus allen Branchen eine klare Orientierung und Hilfestellung bei der Implementierung von Kreislaufwirtschaftslösungen bietet.
Für die Transformation zur Kreislaufwirtschaft spielen Normen und Standards eine zentrale Rolle. Als Produktstandards bringen sie zum Teil aber auch Einschränkungen für zirkuläre Lösungen. Dazu wurde in einer Kurzstudie zur Elektro- und Elektronikindustrie ermittelt, welcher Bedarf an Normen und Standards besteht und welche Vorgaben die Umsetzung hemmen.
Als entscheidend schätzen die befragten Expert:innen vor allem die Standardisierung in den Bereichen Zerlegbarkeit und Reparierbarkeit von Geräten ein. Damit wären unter anderem Reparatur und Recycling von Komponenten einfacher und damit auch kostengünstiger.
Ein weiterer bedeutender Bedarf an Normen besteht in der Schaffung einheitlicher Kriterien für die Informationen über den Aufbau und die Nutzungsgeschichte von Produkten und Anlagen. Dieser Bereich wird zunehmend durch den Digitalen Produktpass adressiert, der bald eine Lösung für die Bereitstellung von Informationen bieten soll.
Als Hemmnis der Kreislaufführung von Materialien wurde der erhöhte Aufwand für Analysen bei sekundären im Vergleich zu primären Rohstoffen gesehen.
Auch beim Zugang zu den Normungsgremien auf europäischer und internationaler Ebene wurde eine Problematik identifiziert: Aufgrund der damit verbundenen Kosten können sich kleinere Akteur:innen, wie NPOs und kleine Unternehmen, oft nicht einbringen, wodurch eine umfassende Einbeziehung aller Anspruchsgruppen nicht immer gegeben ist.
Mehr auf www.bmimi.gv.at/ themen/klima_umwelt/abfall/ Kreislaufwirtschaft/publikationen
EU plant Schritte für Dekarbonisierung, Ressourcensicherung und Wettbewerbsfähigkeit
Von Sophia Kratz
Die EU hat den „Clean Industrial Deal“ für die Periode 2024-2029 vorgestellt. Er soll zur Dekarbonisierung und mehr Wettbewerbsfähigkeit beitragen – Teil davon ist auch der für 2026 angekündigte „Circular Economy Act“ (CEA).
Hier stehen Unabhängigkeit im Ressourcenbereich, das Schaffen von Resilienz, die Reduktion von Abfall und CO2-Emissionen, die Senkung von Produktionskosten und ein nachhaltiges Industriemodell im Fokus.
Geplant ist eine Überarbeitung der Richtlinien zu Abfall und Deponierung sowie zu Elektro- und Elektronik-Altgeräten, ergänzt durch Maßnahmen wie die Harmonisierung der Umweltsteuer und die Rückgewinnung kritischer Rohstoffe.
Das European Environmental Bureau (EEB) beschreibt für die Ausgestaltung vier Prioritäten:
1. Nachhaltiges Ressourcenmanagement braucht Reduktionsziele im Ressourcenbereich und ein europäisches Ressourcengesetz. Als Vorbild dienen die wirksamen Reduktionsziele für CO₂-Emissionen.
2. Die Adaptierung wirtschaftlicher und fiskalischer Rahmenbedingungen ist essentiell, damit Konsument:innen nachhaltige Entscheidungen treffen können und die Steuerlast von Arbeit zur
Extraktion von Rohstoffen verlagert wird. Eine grüne Fiskalreform führt wiederum dazu, dass bereits vorhandene Initiativen von Mitgliedsstaaten systematischer angegangen werden. Teil davon ist auch die Etablierung zirkulärer öffentlicher Beschaffung.
3. Ein drittes Element stellt die Etablierung einer Produktpolitik dar, welche Wiederverwendung und Reparatur erleichtert. So können bereits beschlossene Regularien ihre Wirkung entfalten.
4. Zuletzt kann der CEA als Ausgangspunkt für einen Realitätscheck in Bezug auf Abfall und Recycling dienen. Bisher sind hier nur marginale Veränderungen angedacht. Für einen positiven Effekt für die Kreislaufwirtschaft braucht es aber zum Beispiel auch die Vermeidung aller Arten von Abfall. Ökologische und ökonomische Ziele können also unter dem CEA vereint werden, sofern die Kommission ambitioniert genug vorangeht.
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Zwei Schlüsselberichte zeigen: Europas
Wettbewerbsfähigkeit braucht zirkuläres Denken
Von Karin Huber-Heim
Zwei von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Berichte beeinflussten maßgeblich die wirtschaftspolitischen Strategien, die Europas Industrie für die Zukunft rüsten sollen. Beide betonen die zentrale Rolle der Kreislaufwirtschaft für die Wettbewerbsfähigkeit Europas.
Die Zukunft des Binnenmarktes
Enrico Letta, ehemaliger italienischer Ministerpräsident, legt in seinem Bericht „Much More Than a
Market“ (2024) den Fokus auf die Stärkung des EU-Binnenmarktes und dessen Anpassung an neue geopolitische Gegebenheiten. Er fordert eine Binnenmarkt-Strategie, die die Kreislaufwirtschaft integriert, da die Grenzen zwischen Waren und Dienstleistungen zunehmend verschwimmen. Ein europäischer Wissensraum und die Förderung von Forschung und Innovation sollen die Industrie global wettbewerbsfähig machen. Kreislaufwirtschaft ist dabei ein zentrales Element, um die euro-
päische Wirtschaft widerstandsfähiger und nachhaltiger zu gestalten. Letta betont auch die Bedeutung privater Investitionen und einer harmonisierten Kapitalmarktunion zur Finanzierung gemeinsamer Ziele.
Die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit
Mario Draghi, ehemals Präsident der Europäischen Zentralbank, analysiert in seinem Bericht „The Future of European Competitiveness“ die Herausforderungen für die europäische Industrie und Unternehmen. Auch er sieht in der Kreislaufwirtschaft einen zentralen Baustein für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit. Er plädiert für vereinfachte, flexiblere Regulierung, um vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu entlasten – zentrale Akteur:innen im Übergang zur Kreislaufwirtschaft. Seine vorgeschlagene „regulatorische Pause“ soll Raum für wirkungsvollere, innovationsfördernde Vorschriften schaffen.
Auch die Dekarbonisierung müsse mit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit vereinbar sein – und die Kreislaufwirtschaft könne hier beides verbinden. Beide Berichte zeigen: ohne Kreislaufwirtschaft keine zukunftsfähige EU.
Nachhaltiger und wettbewerbsfähiger
Ihre Empfehlungen sind bereits in zentrale Initiativen der EU eingeflossen:
Der „Clean Industrial Deal“ (CID) greift viele von Draghis Vorschlägen auf. Er soll die europäische Industrie dekarbonisieren und zugleich wettbewerbsfähiger machen – zentral sind dafür kreislauforientierte Technologien und Praktiken. Auch die von Draghi geforderten regulatorischen Erleichterungen für KMU wurden übernommen.
Der „EU Competitiveness Compass“ – basierend auf Draghis Analysen –bietet einen strategischen Rahmen
für die Arbeit der Kommission in den nächsten fünf Jahren. Er betont die Notwendigkeit, wirtschaftliches Wachstum mit Nachhaltigkeit zu verbinden und sieht die Kreislaufwirtschaft als zentralen Baustein dieser Strategie. Lettas Empfehlungen zu Forschung, Innovation und einem europäischen Wissensraum wurden ebenfalls berücksichtigt. Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten soll gemeinsame Ziele im Bereich der Kreislaufwirtschaft erreichbar machen. Die Harmonisierung der Kapitalmärkte und die Mobilisierung privater Investitionen ist notwendig, um die finanziellen Mittel für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft bereitzustellen.
Kreislaufwirtschaft ist unverzichtbar
Der „Clean Industrial Deal“ und der „EU Competitiveness Compass“, Binnenmarkt-Stärkung, Forschung und Innovationsförderung mit smarter Regulierung und gezielter Unterstützung von KMU – diese umfassende Herangehensweise soll Europas Wettbewerbsfähigkeit sichern und seine Rolle im globalen Übergang zur Kreislaufwirtschaft stärken. Die EU setzt damit ein klares Zeichen: Wirtschaftlicher Erfolg und ökologische Nachhaltigkeit müssen Hand in Hand gehen, um den Herausforderungen der Zukunft erfolgreich zu begegnen.
Kritische Rohstoffe in der Lieferkette
Kreislaufwirtschaft reduziert Abhängigkeiten und macht Lieferketten widerstandsfähiger
Von Gregor Gluttig
Unser Wirtschaftssystem basiert auf geplanter Obsoleszenz: 1924 beschlossen führende Lampenhersteller, die Lebensdauer von Glühbirnen künstlich zu verkürzen – ein Prinzip, das bis heute in vielen Branchen gilt. Doch nicht nur kurzlebige Produkte belasten unsere Umwelt, sondern auch die damit verbundene Ausbeutung essentieller Ressourcen. Kritische Rohstoffe wie Gold, Zink oder Kupfer, die häufig in fernen Ländern abgebaut werden, könnten in wenigen Jahrzehnten erschöpft sein. Gleichzeitig wurden in den letzten Jahrzehnten Lieferketten verlängert:
Ein Computerchip durchläuft bis zu 70 internationale Stationen, bevor er verbaut wird. Krisen wie der Ukraine-Krieg oder die Suezkanal-Blockade 2021 zeigen die Anfälligkeit dieser Strukturen.
Auch Handelskonflikte, steigende Zölle sowie geopolitische Spannungen verschärfen die Lage weiter und treiben die Kosten für Unternehmen in die Höhe.
Unternehmen sollten daher Transparenz in ihre Lieferkette bringen –Studien zufolge kennen nur 2 % ihre vollständige Struktur. Eine Risikoanalyse hilft, Störanfälligkeiten zu erkennen, indem Infrastruktur und Lieferanten geprüft werden. Unternehmen sollten ermitteln, welche Knotenpunkte besonders anfällig für Unterbrechungen sind – sei es durch politische Instabilität, Naturkatastrophen oder logistische Engpässe. Um Risiken zu minimieren, gilt es, Partnerschaften mit Zulieferern zu intensivieren, lokale Lieferanten gezielt aufzubauen und Kreislaufwirtschaft zu nutzen.
Genau hier setzt der „Clean Industrial Deal“ der EU an: Er zielt darauf ab, kritische Materialien effizienter einzusetzen und ihre Wiederverwendung zu fördern. Dabei soll ein europäisches Zentrum für kritische Rohstoffe entstehen, das Einkaufsvorteile für Unternehmen schafft. Zusätzlich werden gesetzliche Vorgaben entwickelt, um seltene Materialien möglichst lange im Wirtschaftskreislauf zu halten.
Unternehmen sind daher gut beraten zu handeln: Wer frühzeitig auf eine nachhaltige und resiliente Lieferkette setzt, sichert langfristige Wettbewerbsvorteile und stärkt zugleich die Unabhängigkeit Europas.
EU fördert Kreislaufwirtschaft im Automotive durch neue Regelungen
Von Fabian Holly
Die Europäische Union (EU) forciert die Integration der Kreislaufwirtschaft in die Automobilbranche. Ein zentrales Element dieser Strategie ist der Vorschlag für eine Verordnung zur kreislauforientierten Fahrzeugkonstruktion. Diese soll die bestehende Altfahrzeugrichtlinie und die Typengenehmigungsrichtlinie ablösen und neue Anforderungen zur Wiederverwendbarkeit, Recyclingfähigkeit und Verwertbarkeit einführen.
Zu den wesentlichen Inhalten zählen:
• Mindestrezyklatanteil: Ein verbindlicher Anteil an recyceltem Kunststoff, insbesondere aus Altfahrzeugen, sowie an Materialien wie Stahl und Aluminium.
• Strategie für die Kreislaufwirtschaft: Maßnahmen zur Erfüllung der Anforderungen an kreislauforientiertes Produktdesign.
• Digitaler Kreislaufpass: Dieser Pass bietet einen detaillierten Überblick über den ökologischen Fußabdruck eines Fahrzeugs entlang seines gesamten Lebenszyklus (cradle to grave).
Die geplante Verordnung zielt darauf ab, die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft in der Automobilindustrie strukturell zu verankern und den Übergang zu einer nachhaltigen Fahrzeugproduktion zu fördern. Durch strengere Anforderungen an Wiederverwendung, Recycling und ressourcenschonendes Design soll die Effizienz im Materialkreislauf verbessert werden.
Die Verordnung ist eng mit anderen EU-Regulierungen verknüpft, wie der Batterieverordnung, die einen digitalen Batteriepass einführt und Anforderungen an das End-of-LifeManagement stellt. Weitere Initiativen wie der „Critical Raw Materials Act“ (CRMA) und der „Carbon Border Adjustment Mechanism“ (CBAM) unterstützen diese Ziele, indem sie die Rohstoffversorgung sichern und Carbon Leakage verhindern.
Die EU-Vorschriften zur Kreislaufwirtschaft stellen damit einen wichtigen Schritt dar, die Automobilindustrie nachhaltig zu transformieren.
Diese zukunftsfähige Ausrichtung der europäischen Automobilindustrie bietet die Chance, global eine Vorreiterrolle in Sachen Innovationen und nachhaltigen Technologien zu übernehmen. Für tiefere Einblicke laden wir zu unserem Format „Industry Circle – Automotive“ ein, wo Expert:innen unterschiedlicher Bereiche der Kreislaufwirtschaft wertvolle Einblicke in aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen geben.
Mehr auf www.circulareconomyforum.at/ termine
an, aber
Von Reinhard Backhausen
Jährlich kaufen Europäer:innen durchschnittlich 26 Kilogramm Textilien. Entsorgt werden etwa 11 Kilogramm, wobei der Großteil davon verbrannt wird oder auf Deponien landet. Vor allem bei Altkleidern wird nur 1 % zu neuer Kleidung recycelt, da Technologien für das Recycling von Textilien zu neuen Fasern noch in den Kinderschuhen stecken. In der EU entstehen dadurch jährlich ca. 12,6 Millionen Tonnen Textilabfall (in Österreich: 230.000t/Jahr). Durch den Kauf von Textilien pro Jahr pro Person werden rund 270 Kilogramm CO₂-Emissionen verursacht (gesamt 121 Mio Tonnen).
Strategien zur Bewältigung des Problems des Textilabfalls betreffen vor allem die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle für den Verleih von Kleidung sowie die Gestaltung von
haltbaren Produkten, die Wiederverwendung und Recycling ermöglichen. Der massive Anstieg des Textilkonsums wird vor allem durch die Fast Fashion-Bewegung vorangetrieben, die durch soziale Medien zusätzlich an Fahrt gewinnt.
Deswegen ist es wichtig, auch bei den Käufer:innen anzusetzen, indem das Konzept von „Slow Fashion“ gefördert und die Verbraucher:innen für nachhaltigere Alternativen sensibilisiert werden.
Die EU-Kommission hat im März 2022 im Rahmen des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft eine neue Strategie für Textilien vorgestellt, die darauf abzielt, Textilien haltbarer, reparierbar, wiederverwendbar
und recycelbar zu machen. Die neue Strategie umfasst außerdem neue Ökodesign-Anforderungen für Textilien, einen digitalen Produktpass sowie die Reduktion von Fast Fashion
Zwei Jahre später legte das Europäische Parlament im März 2024 Vorschläge für neue Vorschriften für Textilabfälle vor: Die überarbeitete Abfallrichtlinie führt erweiterte Herstellerverantwortung ein, was in der Praxis bedeutet, dass die Hersteller oder Vertreiber von Textilien die Kosten für die getrennte Sammlung, Sortierung und das Recycling selbst tragen müssen. Darüber hinaus sind die EU-Mitgliedstaaten seit Anfang 2025 verpflichtet, Textilien für die Wiederverwendung und das Recycling getrennt zu sammeln.
Von Matthias Neitsch
Eigentlich wollte die EU die lineare Textilwirtschaft zirkulär machen, Fast Fashion auslaufen lassen und die Sammlung und Verwertung aller Textilien ankurbeln. Aber es kam anders: Sogenannte „Ultra Fast Fashion“ verdrängt gebrauchte Kleidung aus dem afrikanischen und asiatischen Markt und führt bei uns zu Mengensteigerungen sowie Qualitätsverschlechterungen der noch immer rein auf Re-Use fokussierten Altkleidersammlung.
Sammelqualität als Herausforderung
Damit nicht genug, schwemmt die EU-Getrenntsammelpflicht seit heuer Massen an Altkleidern mit schlechter Sammelqualität in den ohnehin schon angespannten EUMarkt – denn viele Länder beginnen jetzt, ihre Sammlungen aufzubauen.
Niedrigere ReUse-Qualitäten kön-
nen weder exportiert noch recycelt werden. Zusätzlich hat der UkraineKrieg die Exportwege nach Südosteuropa und Asien erschwert. Heimische Recyclingkapazitäten stehen noch nicht zur Verfügung, denn textile Sekundärrohstoffe sind nicht nur teurer, sondern wegen minderer Qualität auch unbeliebter in der Produktion.
Zwar boomt der Absatz von hochqualitativer Gebrauchtkleidung, aber dieser kann die Kosten für Sammlung und Verwertung der niedrigeren Qualitäten nicht mehr finanzieren. Erste Chargen landen in der Verbrennung, Container werden abgezogen, Gemeinden denken über Stützungen nach.
Die Zeit drängt
Bis die verpflichtende Sekundärfaser-Beimischungsquote und die Fi-
nanzierungsverantwortung der Hersteller frühestens 2028 operativ greifen, kann die Textilsammlung und Verwertung aus eigener Kraft nicht überleben. Die EU-Kommission erwägt aktuell trotz eindringlicher Appelle keine Überbrückungshilfe, sondern verweist auf die nationale Ebene.
Es braucht eine öffentliche Überbrückungsfinanzierung für Sammlung, Sortierung, Verwertung und Aufbau von inländischen Anlagekapazitäten, die dann von den künftigen EPR-Systemen refundiert wird. Denn es ist teurer, eine zusammengebrochene Textilsammlung wieder neu aufzubauen, als die bestehenden Strukturen zu erhalten und für die Herausforderungen ab 2028 bereits jetzt gut aufzustellen.
Die neue Ökodesign-Verordnung verändert den Markt und macht nachhaltige Produkte zur Norm in der EU
Von Christian Richter-Schöller
Mit der neuen Ökodesign-Verordnung (VO [EU] 2024/1781) wird der europäische Markt grundlegend neu geordnet. Nachhaltige Produktgestaltung wird für viele Produkte nicht länger eine Option, sondern eine regulatorische Anforderung. Die Verordnung ersetzt die bisherige Ökodesign-Richtlinie und erweitert ihren Anwendungsbereich erheblich: Fast alle physischen Produkte müssen nachhaltiger sein – insbesondere müssen sie langlebiger, energieeffizienter, reparierbarer und recyclingfähiger sein. Damit wird ein zentrales Ziel der EU-Kreislaufwirtschaftsstrategie umgesetzt.
Ein Kernstück der neuen Vorschriften ist der digitale Produktpass, der Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette schafft.
Er wird zum Beispiel Informationen zu Materialien, Herstellungsprozessen, CO₂-Fußabdruck und Entsorgungsmöglichkeiten enthalten. Verbraucher und Unternehmen erhalten so detaillierte Einblicke in die Nachhaltigkeitsleistung eines Produkts –ganz einfach im Internet abrufbar. Langfristig könnte der digitale Produktpass eine zentrale Rolle in der Produktpolitik der EU spielen und den Zugang zu nachhaltigen Alternativen erheblich erleichtern.
Die neue Verordnung betrifft allerdings nicht nur herstellende Unternehmen, sondern auch Importeure, Händler und Fulfillment-Dienstleis-
ter. Sie sind verpflichtet, Produkte entsprechend den neuen Vorgaben zu kennzeichnen und alle relevanten Informationen bereitzustellen. Bei Verstößen drohen Sanktionen wie Verwaltungsstrafen oder Einschränkungen beim Marktzugang. Ökodesign-Compliance wird zur License to Operate – sprich: Wer die neuen Anforderungen nicht erfüllt, riskiert erhebliche Marktbarrieren.
Die Umsetzung erfolgt schrittweise: Delegierte Rechtsakte konkretisieren die Anforderungen für verschiedene Produktgruppen. Besonders im
Fokus stehen derzeit Textilien sowie Eisen und Stahl. Die entsprechenden Vorgaben werden noch dieses Jahr erwartet.
Vorbereiten kann man sich aber schon jetzt: Wer auf internationale Standards und Leitlinien setzt, wird richtig liegen, weil sich die delegierten Rechtsakte am Bestehenden orientieren. Unternehmen, die bereits heute ihre Prozesse anpassen und nachhaltige Innovationen vorantreiben, werden langfristig im Wettbewerb profitieren.
Mehr Transparenz, besserer Service – wie Unternehmen von der Einführung des DPP profitieren können
Von Katharina Ionică
Der digitale Produktpass (DPP) ist ein zentraler Bestandteil der zirkulären und digitalen Transformation. Die EU setzt bereits den rechtlichen Rahmen für den DPP, da er Teil der EU-Batterieverordnung sowie der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR) ist. Weitere Normen und Standards werden die Vorgaben konkretisieren.
Der DPP sammelt wichtige Produktdaten und macht diese über den gesamten Lebenszyklus transparent. Dazu gehören Informationen zu
verwendeten Rohstoffen, RecyclingMöglichkeiten, Betriebsanleitungen und Herstellerangaben. Zudem können umweltbezogene und soziale Indikatoren integriert werden. So kann der Produktpass informierte Kaufentscheidungen fördern, Reparaturen, Ersatzteilbeschaffung und Recyclingmöglichkeiten erleichtern und dadurch CO₂-Emissionen und Ressourcenverbrauch reduzieren.
Unternehmen können den DPP als neuartige Kommunikationsschnittstelle zu (End-)Kunden nutzen oder
als Plattform für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle wie Product-as-a-Service und Ersatzteilverkauf. Zudem ermöglicht er die Optimierung von Transportwegen und die vorausschauende Wartung durch Echtzeitdaten und steigert so Produktqualität und Kundenbindung.
Der DPP der Leuchte des Unternehmens Tridonic weist konkret sechs Kategorien auf: Produktübersicht, technische Daten, Umweltdeklarationen, Garantiebedingungen, Materialzusammensetzung, zirkuläres Produktdesign und Recyclingmöglichkeiten. Zudem sind Servicefunktionen wie eine erweiterte Garantieoption und ein Nachbestellprozess demonstriert. Ein „Lifetime Indicator“ überwacht in Echtzeit die verbleibende Lebensdauer des LEDTreibers anhand kritischer Parameter in der Nutzungsphase.
Der DPP des Produkts ist mit denen der einzelnen Komponenten verlinkt, was die Transparenz über die gesamte Liefer- und Recyclingkette hinweg erheblich steigert – mit Vorteilen für Unternehmen, Endkund:innen und Recyclingunternehmen im Hinblick auf gezielte und vorausschauende Wartung, Verbesserung der Reparierbarkeit sowie das Refurbishment und Remanufacturing.
Der Austausch von Materialien für Umweltschutz löst keine Systemfehler.
Von Arthur Erdem
Materialsubstitution beschreibt den Austausch von knappen Rohstoffen durch Material mit geringeren Umweltauswirkungen. Beispielsweise sind Kunststoffe auf Erdölbasis schwer recycelbar und tragen erheblich zur Umweltverschmutzung bei. Alternativen wie Papier oder Biokunststoffe sollen hier Abhilfe schaffen und die Abhängigkeit von knappen Ressourcen verringern.
Die Herausforderungen der Substitution
Doch Alternativen sind nicht immer nachhaltiger. Ein Beispiel ist die Substitution von Plastik, denn die Herstellung von Papier erfordert oft mehr Wasser und Energie als Plastik. Ein Ersatz von 10 % der Kunststoffverpackungen in Deutschland durch Papier würde 1,5 Millionen Tonnen Papier erfordern – das entspricht 26 Millionen Bäumen.
Auch Biokraftstoffe gelten als klimafreundliche Alternative zu fossilen Brennstoffen, doch ihr Anbau führt oft zur Abholzung von Regenwäldern und verdrängt Flächen für die Nahrungsmittelproduktion.
Die Illusion der Nachhaltigkeit durch Substitution
Die Materialsubstitution allein löst auch nicht das Problem eines steigenden Ressourcenverbrauchs. In Deutschland stieg die Menge an Verpackungsabfällen von 15,6 Millionen Tonnen (1995) auf 19,7 Millionen Tonnen (2021), obwohl die Bevölkerung nur um 3,7 % wuchs. Die Zahl der Supermarktartikel (Stock Keeping Units, SKU) verdoppelte sich in derselben Zeit fast.
Der Ersatz schädlicher Materialien durch „nachhaltigere“ Alternativen kann das Grundproblem – übermä-
ßigen Konsum – verschleiern. Wenn Unternehmen statt Plastik Bioplastik nutzen, ohne die Verpackungsmenge zu reduzieren, bleibt die Umweltbelastung hoch.
Der richtige Weg
Statt rein auf Materialsubstitution zu setzen, braucht es tiefgreifende Veränderungen. Kreisläufe müssen gestärkt, Materialien langlebig, wiederverwendbar und recycelbar gestaltet werden. Gleichzeitig gilt es, das Konsumverhalten zu verändern: Weniger, aber langlebige und reparierbare Produkte sollten zur Norm werden. Oberflächliche Lösungen reichen nicht – gefragt sind systemische Ansätze, die Ressourcenschonung und Wiederverwertung ins Zentrum rücken.
EU-Vorgaben treiben nachhaltige Verpackungen voran –Chancen und Pflichten für Unternehmen
Von Saskia Fix & Werner Kössler
Fossile Kunststoffe zählen zu den bereits überschrittenen planetaren Grenzen („Novel Entities“) und gefährden die Ökosysteme massiv. Verpackungsabfälle tragen wesentlich zur Umweltverschmutzung bei – Prognosen zufolge könnte bis 2050 mehr Kunststoff als Fisch in den Weltmeeren schwimmen. Laut EU-Parlament verursachte jede:r EU-Bürger:in 2021 durchschnittlich 189 kg Verpackungsabfall – über 20 % mehr als noch 2012. Ohne Gegenmaßnahmen wird bis 2030 ein weiterer Anstieg um 19 % (bei Kunststoffverpackungen sogar um 46 %) erwartet.
Um dieser Krise entgegenzuwirken, setzt die EU auf gesetzliche Maßnahmen wie die kürzlich verabschiedete Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (PPWR), die Einwegkunststoffrichtlinie (Single Use Plastic Directive, SUPD) und die noch
geplante Richtlinie über Umweltaussagen (Green Claims Directive, GCD).
Die 2025 in Kraft getretene PPWR stellt Anforderungen an einheitliche Verpackungs- und Abfallkennzeichnungen, Recyclingfähigkeit, den Einsatz von Post-Consumer-Rezyklaten, Wiederverwendbarkeit, Pfandsysteme sowie Leerraumgrenzen von maximal 50 % bei Transportverpackungen. Weitere Vorgaben betreffen zum Beispiel Verbote für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS), Anforderungen zur Verpackungsminimierung, Dokumentationspflichten durch die EU-Konformitätserklärung und Abfallvermeidungsziele.
Ab 2026 gelten Vorgaben für die Verpackungsdokumentation und ab 2028 Regelungen der Verpackungsreduzierung. Ab 2030 müssen Unter-
nehmen die Recyclingfähigkeit nach Leistungsniveaus einhalten, sich an strikte Vorgaben zur Verwendung von Rezyklaten bei Kunststoffverpackungen und Umweltanforderungen halten. Ab 2030 gelten für Kunststoffverpackungen die Anforderungen an eine höhere Recyclingquote und strengere Umweltanforderungen. Auch Unternehmen außerhalb der EU sind betroffen, sofern sie Verpackungen in den EU-Binnenmarkt einführen.
Unternehmen weltweit sind gefordert, sich dieser Herausforderung zu stellen und gleichzeitig von den Chancen der Gesetzgebung zu profitieren. Dazu zählen nicht nur Kosteneinsparungen durch Verpackungsoptimierung, sondern auch die Erschließung neuer Geschäftsmodelle in einer zunehmend zirkulären Wirtschaft.
Wie die Kombination aus Business und Human Experience zirkuläre Geschäftsmodelle erfolgreich macht
Von Gerhard Seizer & Heiko Tullney
Die Umsetzung nachhaltiger Modelle scheitert oft nicht an regulatorischen Vorgaben, sondern an einer mangelnden Akzeptanz durch die Nutzer:innen. Ein Negativbeispiel ist die EU-weite „Tethered Caps Regulation“, die vorgibt, dass bei Getränkeverpackungen die Verschlüsse fest am Behälter angebracht werden müssen. Formal korrekt, empfinden Kund:innen sie im Alltag jedoch oft als irritierend.
Ein gegenteiliges Beispiel liefert der Werkzeughersteller Hilti, der Ge-
schäftskunden „Bohren als Service“ anbietet: Die Handwerker:innen erhalten stets einsatzfähige Geräte, während es sich für Hilti lohnt, Ressourcenverbrauch und Emissionen der Produkte zu reduzieren – ökonomische Vorteile vereinen sich so mit einem positiven Nutzererlebnis.
Hier setzt CircX (Circular Experience) an: Geschäfts- (Business Experience, BX) und Nutzerperspektive (Human Experience, HX) werden kombiniert. Damit zirkuläre Lösungen erfolgreich sind, müssen sie finanziell soli-
de konzipiert sein und intuitiv erlebbar die Lebenswirklichkeit ihrer Nutzer:innen ansprechen.
Business Experience betrachtet Nachhaltigkeit systemisch: Sie schafft Ökosysteme, in denen Unternehmen mit Zulieferern und Mitbewerb kollaborativ Stoffkreisläufe schließen, etwa durch „Coopetition“-Modelle –also der Zusammenarbeit von Wettbewerbern, wie zum Beispiel bei der Entwicklung von Standardmodulen. So können wirtschaftlich solide Bedingungen für Kreislaufwirtschaft aufgebaut werden.
Die Human Experience dagegen betont die emotionale Dimension und macht nachhaltige Angebote begehrenswert. Ziel ist eine intuitive Erlebniswelt, die kognitive, sensorische und soziale Aspekte integriert. Dadurch soll etwa eine SmartphoneReparatur attraktiver als Neukauf werden und gebrauchtes Equipment emotional wertvoller sein als Neuware.
CircX vereint also die geschäftliche (BX) mit der menschlichen Dimension (HX). Sie macht Circular Economy nicht zur regulatorischen Pflicht, sondern zum holistisch gestalteten, emotional positiv aufgeladenen Geschäftsmodell – und garantiert so ihren langfristigen gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Erfolg.
Mehr auf www.indeed-innovation. com/the-mensch/
Von Andreas Köhazy
„Wir brauchen Planbarkeit“ – dieser Satz hat im unternehmerischen Buzzword-Bingo einen Ehrenplatz. Doch echte Planbarkeit ist das Ergebnis klarer Strategien, mutiger Entscheidungen und vor allem einer Kommunikation, die Orientierung schafft. Unternehmen, die ihre Vorreiterrolle gezielt inszenieren, stechen nicht nur den Mitbewerb aus –sie werden zum Leuchtturm für Stakeholder:innen in stürmischen Zeiten. Im breiten B2C- wie B2BMarkt gilt: Preis schlägt Nachhaltigkeit, Marke schlägt aber Preis.
Circularity ist der Jackpot für authentische Marken. Unternehmen, die sich als Innovationstreiber positionieren, können höhere Preise durchsetzen,
langfristige Kundenbeziehungen aufbauen und als Arbeitgeber punkten.
Echte Kreislaufwirtschaft ermöglicht, valide „Green Claims“ zu nutzen, ohne in die Greenwashing-Falle zu tappen. Somit wird die Wahrheit zum Ass im Ärmel gegenüber der Konkurrenz – sofern sie emotionalisiert erzählt wird.
Es mag für Nachhaltigkeits-Manager:innen verlockend sein, aufwändig erarbeitete Kreislaufprozesse transparent nach außen darzustellen. Doch erst Geschichten verwandeln eine trockene Info-Kampagne in eine führende Marke: Die Kommunikation von bildhaften Circular Success Stories macht die Vision einer besseren Zukunft heute schon sicht-
bar, übernimmt soziale Verantwortung durch Einbezug der Nutzer:innen und schafft Vertrauen.
• Wie lässt sich der Lebenszyklus der Produkte als Story erzählen?
• Sind die Kund:innen schon zu den Held:innen geworden?
• Wie hat der Zirkularitätsaspekt Anderen bereits Nutzen, Ersparnis oder Unterhaltung in den Alltag gebracht?
Der wahre Booster: Kreisläufe emotional zugänglich machen, Alltagsnutzen in den Vordergrund stellen und gleichzeitig fundierte Daten als Fundament im Hintergrund bereitstellen – ohne dabei in „Technokratie-Blabla“ zu verfallen. Das Ziel ist nicht, sich fehlerfrei zu präsentieren, sondern den attraktivsten Zukunftsweg zu zeigen.
Von Harald Friedl
Im internationalen Kontext zeigt sich: Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft nimmt Fahrt auf – und bietet enormes Potenzial für Wirtschaft und Umwelt.
Global: 75 Roadmaps und 2.880 Maßnahmen
Ein Bericht von Chatham House und UNIDO hat erstmals 75 nationale Roadmaps zur Kreislaufwirtschaft analysiert, die fast 3.000 politische Maßnahmen in 17 Sektoren umfassen. Zu den zentralen Trends zählen finanzielle Anreize wie reduzierte Mehrwertsteuern für Reparaturen, Materialsteuern und Mechanismen zur Finanzierung von Kreislaufprojekten. Europa setzt mit 48 % der Roadmaps auf quantitative Ziele und konkrete Planungen. Fraglich bleibt, ob das politische Klima bestehende Regelungen gefährden könnte – eine Herausforderung, die es zu meistern gilt.
Message bei Investor:innen angekommen?
Eine aktuelle Analyse der Investmentbank J.P. Morgan unter dem Titel „Warum eine Kreislaufwirtschaft in Betracht ziehen?“ beleuchtet die wirtschaftlichen Chancen zirkulärer Modelle. Der Markt wächst rasant: In Nordamerika wird bis 2030 eine jährliche Wachstumsrate von 25 % prognostiziert – ein deutliches Signal für wachsendes Investoreninteresse.
Künstliche Intelligenz und Daten als neue Treiber
Technologien wie Künstliche Intelligenz revolutionieren die Ressourceneffizienz. Scale-ups wie SOLARCYCLE nutzen KI, um 95 % der Materialien aus ausgedienten Solarpaneelen zurückzugewinnen. Unternehmen wie Cyclize dekarbonisieren chemische Prozesse mithilfe maschinellen Lernens. Laut einem aktuellen Forbes-Artikel ermöglicht KI
eine „zirkuläre Monetarisierung“ durch serviceorientierte Preismodelle, die Langlebigkeit fördern und Wegwerfprodukte zunehmend ersetzen – ein entscheidender Schritt für nachhaltige Geschäftsmodelle.
Marketing neu gestalten
Das neue Marketing-Playbook der Ellen MacArthur Foundation zeigt praxisnahe Ansätze, wie Unternehmen zirkuläre Geschäftsmodelle wie Sharing, Wiederverkauf oder Reparaturdienste fördern können. Erfolgreiche Beispiele sind etwa eBays Kampagne für Secondhand-Mode oder IKEAs CIRKULÄR-Initiative: Der Verkauf gebrauchter Möbel stieg durch gezielte Anreize um nahezu 30 %. Marketing geht hier über klassische Verkaufsstrategien hinaus – es schafft langfristige Beziehungen und normalisiert nachhaltiges Verhalten im Alltag der Verbraucher:innen.
Japan zeigt Zukunft: Die Expo 2025 wird zum Labor für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft
Von Sandra Wohlauf
Dieses Jahr wird Osaka, Japans drittgrößte Stadt, zum globalen Schaufenster für nachhaltige Zukunftsideen. Unter dem Motto „Designing Future Society for Our Lives“ bringt die Weltausstellung (Expo) 2025 auf der künstlichen Insel Yumeshima vom 13. April bis 13. Oktober über 150 Teilnehmerländer, internationale Organisationen, Unternehmen und NGOs zusammen – mit dem Ziel, die Weltöffentlichkeit zu sensibilisieren und gemeinsame Antworten auf globale Herausforderungen zu entwickeln.
Denn Weltausstellungen sind längst keine reinen Bühnen nationaler Selbstdarstellung mehr: Die Expo 2025 versteht sich selbst als People’s Living Lab – ein Experimentierfeld, das konkrete Lösungen für globale Probleme erlebbar macht. Sie ist allerdings nicht nur Kulisse, sondern selbst aktiver Akteur: In Architektur, Betrieb und Kommunikation verfolgt sie ein tiefgreifendes Nachhaltigkeitskonzept, das konsequent auf Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung setzt.
Eine Grüne Vision gibt den Takt vor Mit einem Event Sustainability Management System (ESMS) nach ISO20121-Zertifizierung steht bei der Expo die sogenannte Green Vision im Zentrum – ein Konzept, das gemeinsam mit Expert:innen aus Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft entwickelt und laufend weiterentwickelt wird. Es gliedert sich in vier Bereiche: Dekarbonisierung, Ressourcenzirkulation und Kreislaufwirtschaft, natürliche Umwelt sowie Querschnittsthemen.
Außerdem wird auf die „3R+Renewable“-Strategie gesetzt: Reduzieren (reduce), Wiederverwenden (reu-
se), Recyceln (Recycle) – ergänzt durch den Einsatz erneuerbarer Ressourcen. Dazu zählen Maßnahmen wie der Verzicht auf Einwegplastik, digitale statt papierbasierte Kommunikation, wiederverwendbare Bau- und Ausstattungselemente sowie eine effiziente Lebensmittelverwendung. Ein „Code of Sustainable Procurement“ verpflichtet zudem alle Länder und Veranstalter konsequent zu nachhaltigem Handeln.
Ein Gelände voller Kreise Schon im äußeren Erscheinungsbild spiegelt die Expo das Thema Kreislauf wider: Herzstück des Geländes ist der „Grand Ring“ – eine massive, hölzerne Kreisstruktur, die das zentrale Areal umgibt, in dem sich die Pavillons der teilnehmenden Länder präsentieren. Besonders hervorzuheben ist hier der deutsche Beitrag: Mit „Wa! Germany“ stellt Deutschland nämlich die Kreislaufwirtschaft sogar ins Zentrum seines Auftritts. Der Pavillon, entworfen vom Laboratory for Visionary Architecture (LAVA), folgt einem kreisförmigen Konzept aus Stahl und Holz, das nach der Expo vollständig in den Materialkreislauf zurückgeführt werden kann. Im Inneren erleben Besucher:innen innovative Anwendungen – von Myzel-Werkstoffen bis hin zu Textilien aus biobasierten Reststoffen –, die neue Perspektiven auf eine zirkuläre Produktion eröffnen.
Österreichischer Beitrag
Gleich dem Grand Ring setzt auch Österreich auf ein markantes HolzStatement – wenn auch nicht kreis-, sondern spiralförmig in Form eines Notenbands. Zusätzlich unterstreicht es durch das „Innovation Lab Austria“ seine Rolle als Innovationsstandort, mit Hubs wie dem österreichischen Green Tech Valley Cluster. Über die sechs Monate ver-
teilt werden zukunftsweisende Projekte vorgestellt – von Green Tech und nachhaltigem Bauen über Mobilität und KI bis hin zu Biowissenschaften und Kreativwirtschaft.
Mit der Expo 2025 entsteht in Osaka demnach ein globales Schaufenster für nachhaltige Ideen und zirkuläres Denken – welche Impulse sie tatsächlich setzt, wird sich im Laufe des Jahres zeigen.
Mehr auf https://www.expo2025.or.jp/en/
Von Bernhard Seliger
Wie wichtig die Förderung von kreislauffähigen Konzepten und Nachhaltigkeit auch in schwer zugänglich, von Konflikt gezeichneten Gebieten ist, zeigt die Hanns-Seidel-Stiftung – eine weltweit tätige Organisation mit dem Ziel, Demokratie und nachhaltige Entwicklung zu fördern.
Seit 2004 engagiert sich das Büro in Seoul besonders für Umwelt- und Entwicklungsprojekte im innerkoreanischen Grenzgebiet – einer Region, die trotz jahrzehntelanger militärischer Konfrontation wertvolle Rückzugsräume für bedrohte Arten bewahrt. Dabei werden Konzepte zum Schutz der Umwelt entwickelt, die den Wunsch der Menschen nach Frieden und wirtschaftlicher Entwicklung mit den Erfordernissen des Naturschutzes in Einklang bringen.
Ein wachsender Schwerpunkt liegt in der Förderung der Kreislaufwirtschaft: Gemeinsam mit Partnern wie dem südkoreanischen Umweltministerium, lokalen Regierungen und NGOs werden Lösungen für grüne Energie, Abfallmanagement und ressourcenschonende Landwirtschaft entwickelt. In der Pandemiezeit entstand eine Reihe digitaler Austauschformate zu grünem Wachstum, die u.a. Wiederverwertung und nachhaltige Ressourcennutzung thematisierten.
Viele Teile des Grenzstreifens sind inzwischen als Biosphärenreservate, Naturschutzgebiete oder als Teil des UNESCO Welterbes geschützt, darunter die wichtigen Wattenmeergebiete im Gelben Meer. Vorbild war dabei das „Grüne Band“, die ehemalige Grenzzone zwischen West- und
Ostdeutschland. Nordkorea, das während einer Hungersnot und Energiekrise in den 1990er Jahren viele seiner Wälder abgeholzt hat, wurde durch Musteraufforstungen geholfen und der Weg in internationale Umweltabkommen wie die Ramsar-Konvention über Feuchtbiotope geebnet.
Auch international vernetzt sich die Stiftung weiter: In Vietnam unterstützt sie gemeinsam mit dem ASEM SMEs Eco-Innovation Center (ASEIC) in Südkorea Start-ups, die innovative Ideen für die Kreislaufwirtschaft entwickeln – ein zukunftsweisender Beitrag zu globaler Ressourcenschonung und regionaler Stabilität.
Mehr auf https://korea.hss.de/
Musteraufforstung in Sangsori in Nordkorea
Risikokapitalinvestitionen kombiniert mit Beratungsexpertise
Eman
Die Verschmutzung durch Abfälle ist ein wachsendes Problem in der MENA-Region (Middle East and Northern Africa) und trägt zur Umweltzerstörung bei.
Die Region steht aufgrund des hohen Verbrauchs, unzureichender Infrastruktur für die Abfallentsorgung und der weit verbreiteten Verwendung von Einwegplastik vor Herausforderungen. Das wachsende Bewusstsein, die Bemühungen um gesetzliche Regelungen und der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft geben jedoch Anlass zur Hoffnung auf Verbesserung.
Die Kreislaufwirtschaft bietet eine Lösung für viele wirtschaftliche, ökologische und soziale Herausforderungen, mit denen die Region konfrontiert ist. Durch die Umstellung kann sie die Wirtschaft diversi-
fizieren, die Ressourceneffizienz verbessern, Umweltzerstörung verringern und sich als Vorreiter in der globalen grünen Wirtschaft positionieren. Dabei geht es nicht nur um Nachhaltigkeit, sondern auch um den Aufbau widerstandsfähiger, zukunftssicherer Volkswirtschaften, die in der Lage sind, sich an eine sich rasch verändernde globale Landschaft anzupassen.
Nach Angaben des Weltwirtschaftsforums beträgt die Finanzierungslücke für Projekte der Kreislaufwirtschaft in der MENA-Region bis 2030 etwa 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Es gibt eine Welle junger Kreislaufinnovationen, und Start-ups sind führend bei emissionsarmen Kreislauflösungen und Produkten. Da sich
Risikokapitalgeber (Venture Capitalists, kurz VCs) in der Region aber bisher auf digitale Technologien konzentriert haben, besteht eine Finanzierungslücke, die Averroes Ventures nun füllen möchte.
Mit einer Kombination aus technischer Erfahrung des Teams, praktischer Unternehmensführung und Investitionen sollen innovative KMU und Start-ups gefördert werden, die Abfall und Treibhausgasemissionen durch Recyclingtechnologien, Materialinnovationen und die Umwandlung von Abfall in Wertstoffe reduzieren wollen. Das Start-up-Labor wird sich im ersten Schritt auf die Unterstützung und den Aufbau von Start-ups konzentrieren, die auf die Kreislaufwirtschaft in Ägypten hinarbeiten und dazu beitragen, den Kunststoffabfall zu reduzieren.
Von Dariusz Prasek
In Georgien wurden im Rahmen der „Vision 2050“ zehn strategische Ziele formuliert – darunter die Schaffung von Arbeitsplätzen, Abfallreduktion, Steigerung des Recyclings, Energieeffizienz und eine nachhaltigere Land- und Wasserwirtschaft.
Status Quo
Die „Georgian Society of Nature Explorers Orchis“ (GSNE Orchis) hat 99 Wirtschaftssektoren kartiert und 14 Sektoren mit besonders hohem Kreislaufpotenzial identifiziert. Das Ziel der Steigerung der Zirkularitätsrate der georgischen Wirtschaft auf 9,1% innerhalb eines Jahrzehnts erscheint bescheiden. Angesichts der aktuellen Rate von 1,3 % bzw. Lücke von 98,7% ist dies allerdings ein bedeutender Schritt. Ein Großteil der Ressourcen ist in langfristigen Vermögenswerten wie der Infrastruktur gebunden. Bereits 2018 wurde im Abfallwirtschaftsgesetz dazu die erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) eingeführt.
Transformationsschwerpunkte Georgien konzentriert sich auf sechs zentrale Wirtschaftsbereiche:
• Landwirtschaft: Ressourcenschonende Produktion und Reduzierung von Lebensmittelverschwendung
• Fertigung: Ausbau des industriellen Potenzials und Integration in globale Kreislaufwirtschaftsmodelle
• Importreduktion: Förderung lokaler Wertschöpfungsketten und Verringerung der Abhängigkeit von Importgütern
• Handel & Tourismus: Etablierung nachhaltiger Konzepte für Einzelhandel und Tourismusbranche
• Bauwesen: Implementierung ressourceneffizienter Bauverfahren
• Infrastruktur: Modernisierung veralteter Systeme zur Reduktion von Abfall und Emissionen
Die zugehörigen wirtschaftlichen Handlungsfelder sind Ressourcenund Abfallmanagement, Metallproduktion und Bergbau, AbfallstromManagement sowie Energieeffizienz und erneuerbare Energien.
Die Roadmap
Mit Unterstützung des United Nations Development Programme (UNDP) und der schwedischen Regierung wurde eine Strategie entwickelt, die auf vier Säulen basiert: Kreislaufinnovation, Kulturwandel, Regulierungen und regionale Anpassungen. Gelingt diese Umsetzung, könnte Georgien eine führende Rolle in der regionalen Kreislaufwirtschaft übernehmen und ein Modell für nachhaltiges, integratives Wachstum schaffen.
Von Cathrine Barth
Designer:innen arbeiten mit Abfall- und Materialströmen, Programmierer:innen verwalten Lebenszyklusdaten und der Community Lead ist in regenerativem Denken geschult.
Ein Modell, das sich in erfolgreichen Start-ups zeigt – und keine visionäre Anekdote, sondern die Realität für Unternehmen, die zirkuläre Geschäftsmodelle in ganz Europa einführen. Doch die für ihre Umsetzung erforderlichen Fähigkeiten standen lange Zeit im Schatten.
Taxonomie für Kompetenzen Ein wichtiger Durchbruch gelang 2023 mit der Veröffentlichung der Studie zu „Employee Skills for Circular Business Model Implementation: A Taxonomy“ (Straub et al.), die auf Daten von über 2400 Mitarbeiter:innen in zirkulären Start-ups basiert. Sie definiert eine Taxonomie von 40 wesentlichen Fähigkeiten, die sich
auf sechs strategische Bereiche verteilen:
1. Business Innovation, z. B. Design Thinking, Lean-Methoden
2. Operations, z. B. zirkuläre Logistik, Produkt-ServiceSysteme
3. Soziale Dimensionen, z. B. Co-Creation mit Stakeholder:innen, Transformation-Management
4. Systemdenken, z. B. LCA, MFA, Feedbackschleifen
5. Digitalisierung, z. B. Rückverfolgbarkeitstools, Datenanalyse
6. Technische Kompetenz, z. B. Materialfluss-Management, additive Fertigung, Reparaturdesign
Die Arbeitskräfte von morgen müssen mit Komplexität umgehen, Zusammenarbeit fördern und regenerativ denken können. Kreislaufwirtschaft ist keine Aufgabe, sondern ein Paradigma.
Der nordische Circular Classroom Finnland war das erste Land, das die Kreislaufwirtschaft in den nationalen Lehrplan der Sekundarstufe II integrierte. Dänemarks Designschulen legen den Schwerpunkt auf Systemdesign und Materialerzählungen. Schwedens Universitäten bauen starke Brücken zwischen Industrie und Wissenschaft. Norwegen experimentiert mit hyperlokalen Innovationslaboren und interkommunalen Lernstrukturen.
Bei diesen Initiativen geht es nicht nur um neue Inhalte – sie spiegeln auch eine Veränderung in der Art und Weise wider, wie Bildung organisiert wird, indem sie interdisziplinäre Formate, „problembasiertes Lernen“ (problem-based learning) und öffentlich-private Zusammenarbeit umfassen.
Finnland will bis 2035 eine CO2-neutrale, zirkuläre Gesellschaft als Basis einer erfolgreichen Wirtschaft
Von Werner Merzeder
Bereits 2016 hat Finnland als erstes Land eine Circular Economy Roadmap ausgearbeitet – gefolgt von einem strategischen Programm für eine Kreislaufwirtschaft im Jahr 2021. Darin wurde festgeschrieben, dass Finnland bis 2035 CO2-neutral und zirkulär sein möchte. Dabei gilt:
• Der inländische Gesamtverbrauch an heimischen Primärrohstoffen darf das Niveau von 2015 nicht übersteigen, und
• die Ressourcenproduktivität sowie die Zirkularitätsrate (CMU) müssen verdoppelt werden.
Freiwillige Verpflichtung aller Akteur:innen
Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, wird aktuell mit dem Green Deal für die Kreislaufwirtschaft ein neuartiges finnisches Steuerungsinstrument eingeführt. Es handelt sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung, bei der teilnehmende Organisationen verbindlich zusagen, ihren Verbrauch an natürlichen Ressourcen zu senken. Sie setzen sich wirksame Ziele sowie Maßnahmen, die eine CO2-arme Kreislaufwirtschaft fördern.
Der Green Deal richtet sich an Unternehmen, Industrieverbände, Gemeinden und Regionen. Denn um einen erfolgreichen Wechsel zur Kreislaufwirtschaft einzuleiten, müssen alle gemeinsam auf gemeinsame Ziele hinarbeiten – es braucht mehr als kleine, individuelle Pilotprojekte. Es bedarf einer engen Zusammenarbeit über alle Bereiche hinweg, politische Kohärenz, die Umsetzung und Skalierung von Innovationen sowie ein langfristiges Engagement für Maßnahmen, die auf einen systemischen Wandel abzielen.
Finnland als nordischer Vorreiter Dass Finnland bereits auf einem guten Weg ist, wurde erst kürzlich bestätigt. In einer Untersuchung von Cradlenet und RISE unter 809 börsennotierten Unternehmen im gesamten nordischen Raum belegten finnische Unternehmen im Circular Economy Index den ersten Platz. Der Index misst, wie stark die Kreislaufwirtschaft in der Unternehmensstrategie und den Geschäftstätigkeiten verankert ist – ein klarer Beleg für Finnlands Vorreiterrolle in der Region.
Mehr auf http://ym.fi/en/circulareconomy-green-deal
Von Karin Huber-Heim
In einem bedeutenden Schritt zur Förderung der Kreislaufwirtschaft hat Großbritannien im März 2025 ein Pilotprogramm für Reparaturgutscheine eingeführt. Das Programm wurde in drei Bezirken Londons gestartet und bietet Verbraucher:innen finanzielle Anreize, defekte elektronische Geräte reparieren zu lassen, anstatt sie zu ersetzen.
Das sechsmonatige Pilotprojekt ermöglicht es den Teilnehmer:innen, bis zu 50 % der Reparaturkosten für Haushaltsgeräte zu sparen. Die staatliche Initiative wird vom The Restart Project ReLondon und FixFirst unterstützt, die sich für nachhaltige Konsumpraktiken einsetzen.
Die Einführung des Reparatur-Bonus folgt einem erfolgreichen Vorbild: In Österreich deckt der Reparaturbonus bis zu EUR 200 der Reparaturkosten
für elektronische Geräte ab, was zu einem signifikanten Anstieg der Reparaturaktivitäten und zur Reduzierung von Elektroschrott geführt hat.
Das Programm wird in Großbritannien als wichtiger Schritt zur Förderung nachhaltiger Konsumpraktiken und zur Unterstützung lokaler Reparaturbetriebe angesehen. Reparaturwerkstätten sollen nicht nur Reparaturdienstleistungen anbieten, sondern auch das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum und die Bedeutung der Reparaturkultur fördern.
Trotz der positiven Resonanz stehen Reparaturinitiativen vor Herausforderungen – darunter ein Mangel an qualifizierten Techniker:innen und die Notwendigkeit, Reparaturfähigkeiten in der Bevölkerung zu fördern.
Organisationen wie The Restart Project fordern daher zusätzliche Maßnahmen, darunter die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Reparaturen und die Einführung neuer Ausbildungsprogramme im Reparaturbereich.
Die Ergebnisse des Pilotprojekts könnten den Weg für eine landesweite Einführung ebnen und dazu beitragen, lokales Handwerk zu fördern und die Umweltauswirkungen des Konsums zu reduzieren. Großbritannien setzt damit ein Zeichen für eine nachhaltigere Zukunft, in der Reparieren statt Wegwerfen zur Norm wird.
Mehr auf www.fixfirst.io/de/
Wo motivierte Städte und Regionen voneinander lernen, gemeinsam handeln und Zukunft gestalten
Von Victoria Miles & Jolien De Graeve
In ganz Europa stehen Städte und Regionen im Zentrum der zirkulären Transformation. Dabei sehen sich viele lokale Behörden und Stakeholder:innen mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert: der Skalierung zirkulärer Initiativen, der Einbindung von Interessengruppen
sowie der Überwindung politischer und finanzieller Barrieren.
Die „Circular Cities and Regions Initiative“ (CCRI) unterstützt mit einer Kombination aus technischer und finanzieller Hilfe sowie durch Wissensaustausch, Peer Learning
und einem Partnerschaftsprogramm. CCRI Communities of Practice bringen lokale und regionale Entscheidungsträger:innen zusammen, um Herausforderungen mit Expertise zu bewältigen.
Durch die Teilnahme an einer Community of Practice tauschen Städte und Regionen sich zu spezifischen Herausforderungen aus, entwickeln Lösungen und erhalten fachkundige Anleitung. Das Twinning-Programm vertieft diesen Austausch, indem es Städte direkt miteinander verbindet, damit sie eng zusammenarbeiten und gemeinsam an realen Lösungen für die zirkuläre Wirtschaft arbeiten. Im April 2025 wurden die ersten vier ins Leben gerufen. Sie bieten Raum für tiefergehende Gespräche zu Themen wie Stadtplanung, neue Rollen kommunaler Abfallunternehmen oder Unterstützung lokaler zirkulärer Unternehmen. Diese Aktivitäten fördern Wissen zur Kreislaufwirtschaft durch Fallstudien, Whitepapers zu Forschungslücken und Leitfäden für Praktiker:innen.
Empfehlungen für EU- und nationale Entscheidungsträger:innen sollen helfen, bestehende Barrieren abzubauen. Die Erkenntnisse werden über (online-)Veranstaltungen und Publikationen mit Interessierten geteilt. Engagierte Städte und Regionen profitieren von Expertise, praktischer Hilfe und einem starken Netzwerk, um zirkuläre Ambitionen Realität werden zu lassen.
Finanzierung als Hebel für den Übergang zur wettbewerbsfähigen
Von Maria Blanco Herbosa & Dorothee Teichmann
Der europäische Grüne Deal sieht vor, dass Europa bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral wird. Dafür ist ein Wandel hin zur Kreislaufwirtschaft nötig, für den die EU-Kommission bereits einen umfassenden politischen Rahmen geschaffen hat. Trotzdem lag die Kreislauffähigkeitsrate in der EU 2023 bei nur 11,8 %. Das zeigt: Es besteht dringend weiterer Handlungsbedarf. Ein wichtiger Schritt ist der 2026 erwartete Circular Economy Act der neuen EU-Kommission. Er soll die Kreislaufwirtschaft wettbewerbsfähiger machen.
Projektfinanzierung und Kompetenzaufbau
Die Europäische Investitionsbank (EIB) unterstützt diesen Wandel mit Finanzierungen. Von 2020 bis 2024 stellte sie EUR 5,1 Mrd. für 153 Kreislaufprojekte bereit und berät zudem Projektträger:innen und die öffentliche Hand bei der Entwicklung geeigneter Projekte. In Zusammenarbeit mit der EU-Kommission hat die EIB das „Circular City Centre – C3” gegründet: Mit Sensibilisierung, Wissensaustausch und Beratung begleitet es EU-Städte – darunter auch Wien – auf ihrem Weg in die Kreislaufwirtschaft. Über das Beratungsprogramm JASPERS unterstützt die EIB Behörden und Projektträger:innen bei der Umsetzung von zirkulären Strategien in konkrete Projekte für EU-finanzierte Investitionen.
Zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft entlang von Wertschöpfungsketten beteiligt sich die EIB am Programm „Switch to Circular Economy Value Chains“. Es steht unter der Leitung der UNIDO (United Nations Industrial Development Organization) und richtet sich gezielt an große multinationale EU-Unternehmen. 2019 gründete die EIB zudem mit den größten nationalen Förderbanken der EU die „Joint Initiative on Circular Economy“ für mehr Investi-
tionen in die Kreislaufwirtschaft. Ziel ist ein Finanzierungsvolumen von EUR 16 Mrd. bis Ende 2025. Die EIB ist außerdem aktives Mitglied der Arbeitsgruppe der multilateralen Entwicklungsbanken zur Kreislaufwirtschaft. Ihr Bericht „The Circular Economy in Motion“ zeigt anhand von Projektbeispielen, wie die Banken den Übergang zur Kreislaufwirtschaft fördern.
Mehr auf www.eib.org/circular-economy
The 15 Circular Steps for Cities
Von Valerie-Sophie Schönberg
Fast 70 % der Weltbevölkerung lebt in Städten – sie sind nicht nur Drehund Angelpunkt von Wirtschaft und Gesellschaft, sondern auch von Ressourcennutzung und Abfallaufkommen. Weltweit suchen urbane Zentren nach Wegen, den Übergang zur Kreislaufwirtschaft zu gestalten, indem sie regenerative und zugängliche Systeme schaffen.
Eine zirkuläre Stadt zielt darauf ab, Wohlstand zu generieren, die Lebensqualität zu erhöhen und die Resilienz von Stadt und Bürger:innen zu stärken – bei gleichzeitiger
Entkopplung der Wertschöpfung von der Nutzung endlicher Ressourcen.
So wandeln sich Städte von Konsumenten zu Treibern nachhaltiger Innovation. In Europa entstehen vielfältige Modelle – in südlichen Regionen, wie in Portugal, Spanien, Italien und Frankreich, über nördliche Vorreiter in Finnland und Norwegen bis zur nahegelegenen Achse Prag–München–Zürich oder in den deutsch-belgischen Grenzregionen. Auch in Österreich realisieren Städte wie Wien und Graz zirkuläre Strategien und Pilotprojekte.
Katalonien: Strukturierte Entwicklungspfade
In der spanischen Region ermöglicht eine umfassende Roadmap zur Kreislaufwirtschaft bis 2030 verschiedenen Akteursgruppen, koordinierte Entwicklungspfade zu verfolgen. Zwei mehrjährige Aktionspläne definieren zentrale Handlungsfelder und konkrete Maßnahmen – etwa den Ausbau industrieller Symbiosen über eine Austauschplattform für Ressourcen und Nebenprodukte oder die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Wiederverwendungszentren.
Visuelle Darstellung der Handlungsanweisungen für vier Akteursgruppen
Helsinki-Uusimaa: Innovationszentren
In der finnischen Region Uusimaa rund um Helsinki fördern sogenannte „Circular Hubs“ die gemeinsame Entwicklung von Lösungen, den Austausch bewährter Praktiken sowie die Vernetzung verschiedenster Akteur:innen. Ziel ist ein innovationsfreundliches Ökosystem zur Umsetzung zirkulärer Geschäftsmodelle. Thematische Schwerpunkte sind unter anderem Ernährung, Bauwesen, Kunststoffe, Textilien, Energieproduktion und Elektronik.
NRW und Flandern: Grenzüberschreitende Kooperation
Die Regionen Nordrhein-Westfalen in Deutschland und Flandern in Belgien arbeiten seit 2023 verstärkt zusammen, um unter einem gemeinsamen Markenzeichen in zentralen
Sektoren wissenschaftlich und wirtschaftlich zu kooperieren. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die 2025 stattfindende Circular Valley Convention in NRW, Düsseldorf.
Diese Beispiele zeigen: Der Weg zur zirkulären Stadt ist kein Zufall, sondern das Ergebnis strategischer Planung, kooperativer Umsetzung und gelebter Innovationsfreude.
Vorreiterstädte profitieren von zahlreichen Vorteilen – darunter wirtschaftliche Impulse und nachhaltiges Wachstum durch neue Arbeitsplätze in zukunftsfähigen Branchen. Die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten erhöht ihre Unabhängigkeit von globalen Lieferketten und macht sie resilienter ge-
genüber Krisen. Einheitliche Standards und Zielsetzungen schaffen zudem Planungssicherheit für nachhaltige Investitionen durch Unternehmen. Zirkuläres Wirtschaften und der Einsatz neuer Technologien senken Treibhausgasemissionen und Ressourcenverbrauch.
Städte und Regionen, die mutig voranschreiten, können Vorbilder für einen systemischen Wandel werden – und das über Grenzen hinweg. Orientierung bieten europäische Initiativen wie die 15 Circular Steps for Cities der Europäischen Investitionsbank (EIB), die Circular Cities and Regions Initiative (CCRI) der EUKommission, die Declaration of Cities for a Circular Economy sowie der österreichische Circular Cities & Regions Roundtable des Circular Economy Forum Austria.
Expo mit zirkulären Lösungen und innovativen Technologien in Düsseldorf
Von Karin Huber-Heim
Am 12. und 13. März 2025 versammelte sich in Düsseldorf das Who’s who der Kreislaufwirtschaft zur ersten Circular Valley Convention. Unter dem Motto „Uniting Industries for a Circular Tomorrow“ trafen sich über 1.000 Vertreter:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Start-ups und Politik am Areal Böhler, um gemeinsam Lösungen für die Kreislaufwirtschaft der Zukunft zu entwickeln. Im Zentrum der Convention standen Fragen der Transformation:
Wie lassen sich industrielle Prozesse kreislauffähig gestalten? Welche Innovationen braucht es, um Wertschöpfung neu zu denken? Und wie kann der Wandel sektorübergreifend gelingen?
Mehr als 200 Vortragende aus über 30 Ländern lieferten Antworten und Einblicke in neueste Entwicklungen. Die Messe Düsseldorf organisierte das Event gemeinsam mit der Circular Valley Stiftung und in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut UMSICHT als wissenschaftliche Leitung. Begleitet wurde das Programm von einer umfangreichen Expo, die neueste Technologien und Best Practices aus der Circular Economy präsentierte.
Die Keynotes reichten von strategischen Einblicken großer Konzerne bis hin zu praxisnahen Start-up-Pitches. Zu den Hauptredner:innen der Veranstaltung gehörten renommierte Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen der Kreislaufwirtschaft, wie Prof. Dr. Holger Hanselka, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Joe Murphy, Executive Lead
der Ellen MacArthur Foundation, Sean Jones, Chief Sustainability Officer bei Microsoft Deutschland sowie Katja Busch, CCO der DHL Group u.v.m.
Besondere Beachtung fanden auch die österreichischen Beiträge: Karin Huber-Heim, Präsidentin des Circular Economy Forum Austria, betonte die Rolle von Partnerschaften für die Transformation, Andreas Leitner, OMV, gab Einblicke in das Projekt ReOil und die STRABAG stellte zukunftsweisende Ansätze für zirkuläres Bauen vor.
Die Circular Valley Convention 2025 zeigte: Kreislaufwirtschaft ist keine Zukunftsvision – sie findet längst statt.
Mehr auf http://www.cvc-duesseldorf.com/
Circular Economy wird in Deutschland zum Wirtschaftsfaktor –Industrie, Forschung & Start-ups ziehen mit
Von Fritz Lietsch
Vor allem in der Industrie zeigt sich in Deutschland ein zunehmender strategischer Wandel hin zur Circular Economy.
Nach intensiver Beschäftigung mit der Umsetzung der CSRD, sind Unternehmen nun zunehmend bereit, fundamentale Veränderungen ihrer Geschäftsmodelle anzugehen. Maßgeblich stimulierend wirkte dabei die „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS), die im Sommer 2024 veröffentlicht wurde. Diese neue Initiative setzt ambitionierte Zielvorgaben zur Ressourcenschonung und zur Reduktion des primären Rohstoffbedarfs in deutschen Unternehmen.
Parallel dazu entwickelt sich die wissenschaftliche Landschaft dynamisch weiter: So wurde mit EUR 3,7 Mio. an Fördermitteln ein „Zukunftslabor Circular Economy“ am Zentrum für digitale Innovationen Niedersachsen (ZDIN) etabliert. Das Fraunhofer-IFF forscht an innovativen Methoden, um mithilfe von Künstlicher Intelligenz Elektronikschrott automatisiert und zerstörungsfrei zu demontieren und dem Recyclingkreislauf zuzuführen. Die „Initiative Circular Valley“ will die Metropolregion Rhein-Ruhr als globales Zentrum für die Kreislaufwirtschaft aufbauen.
Ein Accelerator-Programm zur Förderung von Start-up-Unternehmen aus aller Welt, die im Bereich der Kreislaufwirtschaft aktiv sind, sowie
die Circular Valley Convention der Messe Düsseldorf sollen Bewegung in die Sache bringen. Auch die Bewegungen XaaS (Everything as a Service), von Systemiq, die Circular Economy Benchmark von indeed und der Cradle2Cradle Ansatz von EPEA und dem C2C e.V. nehmen in Deutschland immer mehr Fahrt auf.
Refurbishing entwickelt sich zu einer festen Größe bei der Beschaffung,
vor allem im Bereich der IT und Unternehmenskooperationen, wie bei Chemiekonzern Covestro, dem Taschenhersteller Freitag und dem Textilhersteller Heytex, welche Impulse für praxisnahe, nachhaltige Lösungen setzen – sie stecken Unternehmen mit linearen Geschäftsmodellen in die Tasche.
Mehr auf www.forum-csr.net
Neue Kompetenzen für die Kreislaufwirtschaft – warum Unternehmen nicht nur umdenken, sondern umlernen müssen
Von Valerie-Sophie Schönberg
Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft (KLW) erfordert nicht nur entsprechende Technologien – sie ist eine sozio-technische Transition. Es braucht neue Geschäftsmodelle, innovative Prozesse und vor allem: Menschen mit den richtigen Fähigkeiten. Wer zirkulär wirtschaften will, muss bestehende Routinen hinterfragen und Neues lernen – das gilt besonders für Start-ups, die Circular Business Models (CBMs) entwickeln.
Die Ergebnisse einer Studie von Kirchherr et al. (2023) zeigen eindrucksvoll, welche Kompetenzen in Kreislauf-Start-ups tatsächlich gebraucht werden – und wie sie sich von klassischen Profilen unterscheiden. Denn: Unternehmen haben einen enormen Einfluss auf Konsumgewohnheiten und ökologische Rah-
menbedingungen. Als zentrale Hebel für die Transformation ist es umso wichtiger, dass sie auf die richtigen Skills setzen.
Die Forscher:innen analysierten die Profile von über 2.400 Mitarbeitenden in 113 zirkulären Start-ups und entwickelten daraus eine Skill-Taxonomie mit 40 Fähigkeiten, gegliedert in sechs Kategorien. Dazu zählen:
• Business Innovation Skills, z. B. nachhaltige Geschäftsstrategien, Projektmanagement
• Operational Skills, z. B. Umweltmanagement, Governance
• Social Skills, z. B. Storytelling, Leadership, Kundenservice
• System Skills, z. B. Wertschöpfungspartnerschaften, PolicyMonitoring
• Digital Skills, z. B. Datenanalyse, Anwendungsentwicklung
• Technical Skills, z. B. kreislaufgerechtes Produktdesign, Umwelttechnik
Überraschend: Viele Mitarbeitende greifen zwar auf Kompetenzen der Skill-Taxonomie zurück, bezeichnen sie aber (noch) nicht entsprechend.
Was tun? Empfehlungen sind unter anderem Skill Mapping, gezieltes Recruiting, Up- und Reskilling sowie mehr Aus- und Weiterbildung mit KLW-Bezug. Denn echte Zirkularität beginnt im Kopf – und braucht die richtigen Tools im Werkzeugkasten.
Wer
Wussten Sie, dass der Earth Overshoot Day in Österreich 2024 bereits am 1. August war? Dieser Tag macht uns deutlich, wie schnell wir die natürlichen Ressourcen aufbrauchen, die uns die Erde jedes Jahr zur Verfügung stellen kann. Ein klarer Weckruf, der zeigt, wie dringend ein Umdenken erforderlich ist.
Das lineare „Wegwerfsystem“ hat ausgedient Zirkuläre Geschäftsmodelle sind längst keine Zukunftsvision mehr, sondern ein entscheidender Schritt hin zu einer nachhaltigeren und profitableren Wirtschaft. Aber was bedeutet das konkret? Die Kreislaufwirtschaft stellt den klassischen
„Take, Make, Waste“-Ansatz auf den Kopf und setzt stattdessen auf die Prinzipien „Make, Use, Recycle“:
• Erneuerbare Energien nutzen
• Produkte & Materialien länger im Umlauf halten
• Abfall durch Wiederverwendung vermeiden
Die Roadmap zur Kreislaufwirtschaft
Der grüne Wandel erfordert kluge Marktanreize und klare Vorgaben. EU-Initiativen wie der Green Deal setzen den Rahmen, während Standards wie die ISO 59004 eine methodische Grundlage liefern. Die ISO 59004 hilft, die wichtigsten Begriffe und Konzepte zu verstehen und bietet praktische Anleitungen für die Umsetzung.
Die Kreislaufwirtschaft braucht kluge Köpfe
Die Nachfrage nach Know-how zur Förderung zirkulärer Wertschöpfung ist hoch. Instrumente, die Qualität signalisieren und Vertrauen schaffen, sind daher wichtiger denn je. Die richtige Expertise ist entscheidend, um die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft erfolgreich umzusetzen.
Die Macher:innen von heute benötigen solides Wissen und die rich-
tigen Werkzeuge, um erfolgreich zu agieren. Austrian Standards hat gemeinsam mit führenden Expert:innen einen innovativen Lehrgang mit Zertifizierung zum „Certified Circular Economy Officer“ entwickelt, der praxisorientierte Kenntnisse und die Anwendung neuer Geschäftsmodelle zur Kreislaufwirtschaft vermittelt. Was hinter den Begriffen Cradle to Cradle, Doughnut Economy & Biomimicry steckt, wie all die regulatorischen Vorgaben einzuordnen sind und was es mit dem Life Cycle Assessment auf sich hat, sind ein paar Themen von vielen, die behandelt werden.
Der Lehrgang schließt mit der Zertifizierung nach ISO 59004 ab. Ausgebildete Circular Economy Officer erhalten damit einen objektiven Nachweis Ihrer erworbenen Kompetenzen im Bereich der Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit und erzielen einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt.
„In Zeiten, in denen Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung mit unternehmerischen Verantwortung Hand in Hand gehen, bietet unser Lehrgang mit Zertifizierung nicht nur einen beruflichen Vorteil, sondern die Qualifikation, die Sie benötigen, um aktiv und wirksam zum Wandel der Wirtschaft beizutragen.“
Florian Hirner, Head of Austrian Standards Academy
Austrian Standards Academy: Lernen vom Original
Die Austrian Standards Academy ist die erste Adresse für praxisnahe Weiterbildung im Bereich Standardisierung & Innovation.
Lernen vom Original: Die Austrian Standards Academy vereint Fachwissen, Erfahrung und Innovation. Mit Bildungsangeboten von und mit Expert:innen, die die Standards für eine zirkuläre Zukunft prägen, sind Unternehmen und Fachleute bestens auf kommende Herausforderungen vorbereitet.
Mehr zum Lehrgang mit Zertifizierung erfahren: https://t1p.de/poqkv
Wer sich gut auskennt, weiß auch, dass es noch viel mehr zu lernen gibt
Über ein Jahr lang beschäftigten sich die KMU Forschung Austria und die Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) mit der Erhebung des Qualifizierungsbedarfs in der Kreislaufwirtschaft (KLW). Daraus wurden branchenspezifische Empfehlungen entwickelt, welche Qualifizierungsangebote es öster-
reichweit braucht. Eine wichtige Grundlage hierfür stellte eine Klassifikation der für die KLW notwendigen Kompetenzen nach Beducci et al. (2024) dar. Diese unterscheidet zehn Kompetenzfelder, von Management über das Design bis zur stofflichen Verwertung.
Wer sich gut auskennt weiß: Es gibt noch mehr zu lernen Als branchenübergreifende Erkenntnisse kristallisierten sich unter anderem die großen Unterschiede in Sachen Vorwissen heraus. So konnten zwei Gruppen unterschieden werden: einerseits die sogenannten „Pioniere“, welche ihre eigenen Kenntnisse in Sachen KLW höher einschätzen. Gleichzeitig stufte diese Gruppe auch ihre eigenen Qualifizierungsbedarfe sowie die der gesamten österreichischen Wirtschaft höher ein. Auf der anderen Seite stehen die sogenannten „Einsteiger:innen“, welche ihre Kenntnisse, aber gleichzeitig auch ihre Bedarfe niedriger einschätzen.
Grundausbildung umfasst nur wenige explizite KLW-Inhalte Auch die österreichischen Lehrpläne standen auf dem Prüfstand. Fazit: Während es nur vereinzelt explizite Lehrmaterialien im Bereich KLW gibt, wird das Thema häufig implizit über „verwandte“ Themen wie Nachhaltigkeit behandelt. Dabei geht der ganzheitliche Anspruch der KLW –der eine grundlegende Transformation unseres Wirtschaftssystems verlangt – verloren. Beginnend mit der schulischen Ausbildung sollte die KLW auch in den darauffolgenden Bildungsebenen stark verankert werden, um ein breites Bewusstsein in allen Berufen zu schaffen.
Neben der großen thematischen Bandbreite und konkreten Empfehlungen bietet die Studie auch inspirierende Good Practices aus Finnland, Niederlande und Deutschland. Also: Reinlesen lohnt sich!
Mehr auf https://www.oegut.at/de/ projekte/?gCat=13
Erkenntnisse zum Zusammenspiel von Designexpertise und transformationswilligen
Von Ronja Grossar & Harald Gründl
Das Projekt „Circular Design – von der Theorie in die Praxis kommen“ erforschte 2023-24 die Bedeutung von Circular Design in österreichischen Unternehmen, als Teil der FTI-Initiative Kreislaufwirtschaft des Bundesministeriums für Klimaschutz (BMK). Ausgangspunkt waren die „Circular Design Rules“ des Institute of Design Research Vienna, von denen für die Studie jeweils ein Fragenset für Unternehmen und eines für Designschaffende abgeleitet wurde.
Dabei zeigte sich, dass bereits viele Unternehmen Circular Design einen entscheidenden Erfolgsfaktor für die Realisierung der Kreislaufwirtschaft erkennen. Dennoch konzentrieren sich bisherige Maßnahmen oft nur auf inkrementelle Verbesserungen, wie etwa einzelne Reparaturmöglichkeiten oder der Einsatz von Recyclingmaterialien.
Ein ganzheitlicher Gestaltungsansatz im Sinne des Circular Design wird bislang selten umgesetzt. Obwohl die Schlüsselrolle des Designs in der zirkulären Produktentwicklung anerkannt wird, geben lediglich 13 % der Unternehmen an, bereits mit Designer:innen in diesem Bereich zusammengearbeitet zu haben. Dabei schätzen Designschaffende ihre eigenen Kenntnisse zu Circular Design als hoch ein.
Unternehmen können durch den gezielten Einbezug von Designer:innen innovative Lösungen fördern, die nicht nur die Lebensdauer von Produkten verlängern, sondern auch neue, nachhaltige Geschäftsmodelle hervorbringen.
Den Studienergebnissen zufolge ist das grundlegende Hindernis, dass Unternehmen im Design Dienstleistungsbereich keine Designexpertise für Geschäftsmodellinnovationen vermuten. Stattdessen setzen die befragten Unternehmen ihre Kreislaufdesignaktivitäten derzeit zu 40 % mit Fachhochschulen und Universitäten um. Die Empfehlung der Studie lautet daher, an den Designuniversitäten „Circular Design Labs“ zu etablieren und so Synergien zu schaffen. Denn dadurch wird nicht nur die Designexpertise der Designschaffenden gestärkt, sondern auch für Unternehmen ein Ort geschaffen, wo Circular Design erforscht und in die Praxis gebracht werden kann.
Mehr auf www.fti-ressourcenwende.at/de/ projekte/kreislaufwirtschaft/ circular-design.php
Kompakte, interdisziplinäre Lernformate fördern Umsetzungskompetenz
Von Christopher Kronenberg
Die Kreislaufwirtschaft bietet Unternehmen nicht nur die Chance, Ressourcen effizienter zu nutzen, sondern auch neue Wertschöpfungspotenziale zu erschließen. Dafür braucht es gezielte Kompetenzen –sowohl im Change- und Transformationsmanagement als auch in der praktischen Umsetzung zirkulärer Ansätze. Der Kompaktlehrgang des Executive Education Center der FH des BFI Wien in Kooperation mit dem Circular Economy Forum vermittelt genau diese Fähigkeiten.
Absolvent:innen berichten von ihren positiven Erfahrungen:
„Um mein Unternehmen nachhaltiger zu gestalten, habe ich mich für diesen Lehrgang entschieden. Die praxisnahen Inhalte und inspirie-
renden Inputs haben meine Erwartungen weit übertroffen. Besonders stolz bin ich auf die Entwicklung eines kreislauffähigen Produkts, dass ich mittlerweile patentieren konnte. Der Kurs hat mir nicht nur theoretisches Wissen vermittelt, sondern auch konkrete Werkzeuge, um innovative Lösungen im Bereich Kreislaufwirtschaft erfolgreich umzusetzen.“
Eva De Michele, Unternehmensinhaberin
„Ich habe nicht nur fundiertes Wissen über Kreislaufwirtschaft, Materialien und Geschäftsmodelle mitgenommen, sondern vor allem Werkzeuge für die Umsetzung. Dank der Projektarbeit im Zuge der Ausbildung konnte ich ein unternehmensübergreifendes Vorhaben realisieren. Besonders wertvoll war dafür die praxisnahe Zusammenarbeit, die mir er-
möglicht hat, nachhaltige Lösungen realistisch zu entwickeln.“
Markus Kulmesch, Lean- und ProzessManager im Nachhaltigkeitsmanagement
„Ich würde den Kurs allen empfehlen, die die Transformation zur Kreislaufwirtschaft mitgestalten wollen. Vor allem der Austausch mit den anderen Kursteilnehmer:innen und den Vortragenden ist sehr wertvoll. Im Praxisprojekt konnte ich mit einer Kollegin ein innovatives ReUse-Thema bearbeiten. Insgesamt habe ich vom Kurs sehr profitiert und darf jetzt im Climate Lab als Innovation Lead Kreislaufwirtschaftsprojekte leiten.“
Marion Schulz, Innovationsmanagerin
Mehr auf https://www.fh-vie.ac.at/ de/seite/executive-education/ kreislaufwirtschaft-innovation
Wien fördert neue Wirtschaftsansätze und schafft Standortvorteile mit einer Stiftungsprofessur
Die Stadt Wien etabliert Kreislaufwirtschaft als Werkzeug für ein ressourcenschonendes Leben für alle und stellt die Menschen in den Mittelpunkt. Gemeinwohl und die Bewahrung planetarer Grenzen sind die Basis für wirtschaftlichen Erfolg. Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft fördern gesellschaftliche Teilhabe, erleichtern den Zugang zu nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen, machen sie alltagstauglich und leistbar. Durch gezielte Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und aktive Einbindung der Wiener Bevölkerung soll sichergestellt werden, dass alle mitgenommen werden. Die Stadt Wien Stiftungsprofessur für Kreislaufwirtschaft soll hier entscheidende Impulse setzen.
zur Transformation
An der FH des BFI Wien soll künftig umfassendes Wissen und Kompetenzen für wettbewerbsfähiges, ressourcenschonendes Wirtschaften vermittelt und damit auch der Hochschulstandort gestärkt werden. Dies erfordert nicht nur neue Technologien, sondern auch die Fähigkeit zu neuem Denken und damit auch ein Umdenken in der Ausbildung. Die Entwicklung von „Teach-the-Teacher“-Formaten und vernetzte Forschung ist ebenso vorgesehen. Die Stiftungsprofessur wird die Integration kreislaufwirtschaftlicher Prinzipien in Hochschullehre und Forschung vorantreiben, um Stadt und Unternehmen gleichermaßen in die Lage zu versetzen, Geschäftsmodelle zu entwickeln und zum Wohle der Bürger:innen umzusetzen. Durch
den Fokus auf zukunftsweisende Geschäftsmodelle unterstützt sie die städtische Wirtschaft dabei, sich erfolgreich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen.
Wien als Hochschulstandort mit Zukunft
Diese Initiative unterstreicht Wiens Anspruch, bis 2030 eine „Circular City“ zu werden, die über bloße Recyclingstrategien hinausgeht und Wirtschaft neu denkt. Die Stadt sichert sich damit nicht nur Innovationsvorteile, sondern bietet auch eine zukunftsorientierte Ausbildung für kommende Generationen um Wien zu einem Zentrum für nachhaltige Hochschulbildung zu machen.
Mehr auf https://www.fh-vie.ac.at/ de/seite/hochschule/
99 % der österreichischen Betriebe sind KMU – ohne sie gibt es keine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft
Von Stephan Blahut & Reinhard Backhausen
Die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft birgt für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) neue Herausforderungen und Chancen für verstärkte Wettbewerbsfähigkeit. Dazu machen es regulatorische Anforderungen, Nachhaltigkeitsstrategien und wirtschaftliche Vorteile notwendig, unternehmensintern Kompetenzen aufzubauen. Effektive und zielorientierte Weiterbildung hilft dabei, nachhaltige Innovationen zu entwickeln, Ressourcen effizienter zu nutzen und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Grundlagen und strategische Bedeutung
Um die Kreislaufwirtschaft zu verstehen und umzusetzen, sind Kenntnisse über ESG (Environmental, Social, Governance), die Prinzipien der Nachhaltigkeit sowie regulatorische Rahmenbedingungen wie die EU-Ta-
xonomie, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) essentiell. Diese Regularien beeinflussen zunehmend die wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen und erfordern konstante strategische Anpassungen.
Technologische und wirtschaftliche Aspekte Digitalisierung, Cradle-to-CradleDesignstrategien und Technologien wie CO₂-Bilanzierung und Nachhaltigkeitsbewertung bieten KMU neue Möglichkeiten, ressourcenschonend zu wirtschaften. Weitere Schlüsselthemen für eine zukunftsfähige Unternehmensstrategie sind die Nutzung alternativer Energien sowie der bewusste Umgang mit Greenwashing-Risiken.
Organisationsentwicklung und Unternehmenskultur
Die Transformation hin zu nachhaltigen Geschäftsmodellen erfordert nicht nur technisches Wissen, sondern auch einen Wandel in Unternehmenskultur und -führung. Digitale Tools zur Implementierung sowie Ansätze zur nachhaltigen Organisationsentwicklung helfen, diesen Wandel erfolgreich zu gestalten.
Eine Möglichkeit für KMU sich diese Kompetenzen anzueignen, bietet eine neunteilige Veranstaltungsreihe beim Österreichischen Gewerbeverein (ÖGV) in Kooperation mit der Charlotte Fresenius-Privatuniversität – sie bietet gleichzeitig auch die Grundlage für ein Executive MBAProgramm.
Mehr auf www.gewerbeverein.at
Neue Möglichkeiten und Ausbildungsformate um der Reperaturnachfrage gerecht zu werden
Von Markus Piringer
Seit Jahrzehnten sinkt die Anzahl der Reparaturbetriebe im Bereich Elektrogeräte bemerkbar – trotz Fördermaßnahmen, wie dem Reparaturbonus ist keine Trendumkehr bemerkbar. Gründe findet man hier unter anderem im Fachkräftemangel. Um die Lücke der Dienstleister:innen für die wachsende Nachfrage nach Reparaturdiensten zu schließen, sind daher gezielte Maßnahmen erforderlich.
Eine zentrale Gegenmaßnahme wäre die Einführung einer klaren Berufsdefinition sowie Ausbildung für Reparatur- und Servicetechniker:innen, die den spezifischen Anforderungen der Reparatur von Haushaltsgeräten entsprechen. Die Ausbildung für Mechatroniker:innen deckt sich nur in geringem Ausmaß mit den Anforderungsprofilen in Reparaturbetrieben. Ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung wäre die Entwicklung einer Facharbeiter:innen-Ausbildung zur „Reparatur- und Servicetechniker:in“, für die bereits erste Pilotprojekte vom R.U.S.Z. in Wien entwickelt wurden.
Ab September startet erstmals das praxisorientierte Projekt „Reparatur Inkubator“. Das Ausbildungsprogramm läuft über ein Semester und kombiniert theoretische Schulungen mit Reparaturpraxis und Berufspraktika. Mit dem Abschlusszertifikat als qualifizierte:r Reparateur:in, soll den Absolvent:innen der Einstieg in
die Anstellung bei Reparaturfachbetrieben ermöglicht werden. Wer sich selbstständig machen will, erhält Gründungsunterstützung.
Das Projekt wird von der Innovationswerkstatt Happylab in Wien koordiniert und gemeinsam mit dem Reparaturnetzwerk Wien, DIE UM-
WELTBERATUNG und dem Demontage- und Recycling-Zentrum (DRZ) durchgeführt. Langfristig soll aus diesen innovativen Ansätzen eine neue Ausbildungsstruktur für Reparatur- und Servicetechniker:innen entwickelt werden, die auf die spezifischen Anforderungen des Marktes zugeschnitten ist.
Circular Innovation Journeys fördern Wissenstransfer und Vernetzung für die Kreislaufwirtschaft
Von Fabian Holly & Verena Kraßnig
Seit 2021 kuratiert das Circular Economy Forum Austria „Circular Innovation Journeys“ in Kooperation mit den Außenwirtschaftsstellen der österreichischen Wirtschaftskammer (WKÖ) für interessierte Unternehmer:innen und Innovator:innen.
Ein Team des Circular Economy Forum Austria begleitet dabei eine exklusive Kleingruppe auf eine zweibis dreitägige Reise in einen europäischen Hotspot der Kreislaufwirtschaft. Vor Ort erfahren die Teilnehmenden, wie Unternehmen, Wissenschaft, Design, Politik und Interessenverbände den Übergang zur Kreislaufwirtschaft gestalten und
welche Schwerpunkte die jeweilige Zieldestination charakterisieren.
Die Reise zu Best Practices fördert branchenübergreifende und internationale Kooperationen und baut bei den Teilnehmenden Kompetenzen für die Umsetzung zukunftsweisender Geschäftsmodelle und Technologien auf.
Bisherige Stationen der Zukunftsreisen
Brüssel „Circular Building & Construction“ (November 2021) Schwerpunkt der Reise war die Rolle von Architektur und Bauwirtschaft für neue, regenerative Bauweisen und Materialkreisläufe. In Brüssel wurden zukunftsweisende Ansätze zur Gebäudeerhaltung, Wiederverwendung von Materialien und Kreislauflösungen praxisnah erlebbar. Realprojekte wie Gare Maritime oder ZIN hinterließen tiefen Eindruck.
Mailand „Circular Innovation als Wettberwerbsvorteil“ (Mai 2022)
Mailand und die Lombardei sind führend in der Kreislaufwirtschaft.
Die Reise zeigte, wie traditionelle Industrien durch Kreislaufinnovationen fit für die Zukunft werden. Sie bot Einblicke in die Umsetzung zirkulärer Innovation im Bereich des Industriedesigns, sowie der Chemieund Kunststoffverarbeitung bei Rialti, Caimi Brevetti oder Mapei.
Amsterdam „Circular Business Models“ (September 2022)
Die Niederlande sind ein Hotspot für kreislauforientierte Innovationen. In Amsterdam und Utrecht standen digitale Innovationen und neue Geschäftsmodelle im Mittelpunkt. Pionierunternehmen zeigten, wie kollaboratives Denken und mutige Ansätze Unternehmen und Standorte zukunftsfit machen. Phillips/Signify, Homie, Chainable, und WAE studios stellten erfolgreiche Geschäftsmodelle vor, Pioniere wie Metabolic und Circle Economy rundeten das Programm ab.
Nordrhein-Westfalen „Circular Industry Transformation“ (Juni 2023)
NRW zeigte, wie etablierte Industrieschwergewichte den Wandel zur Kreislaufwirtschaft gestalten. Beson-
ders beeindruckend war die Umsetzung industrieller Symbiosen, bei denen Abfallströme eines Unternehmens als Rohstoff für andere dienen. Besuche bei Covestro, Evonik und Thyssenkrupp verdeutlichten, wie die Chemie- und Stahlindustrie innovative Kreisläufe implementiert.
London „Circular Business & Finance“ (Oktober 2024)
Die Reise nach London bot Einblicke in Strategien, Finanzierung und Innovation rund um die Circular Economy im UK. Expert:innen von Chatham House, Cambridge University und Imperial College, sowie aus dem Finanzsektor diskutierten mit den Teilnehmenden, wie Unternehmen praxisnah und kooperativ den Wandel gestalten können. Unternehmen wie Coats Group und Rype Office präsentierten innovative Lösungen.
Next Stop: Helsinki „Circular Industries“ (Oktober 2025)
Finnland gilt als internationaler Vorreiter der Kreislaufwirtschaft. Bei Besuchen von Unternehmen und Innovationszentren, die sich mit industrieller Symbiose, Product-asa-Service-Modellen, nachhaltiger Ressourcennutzung und Produktlebenszyklus-Verlängerung befassen, können Teilnehmer:innen bahnbrechende zirkuläre Geschäftsmodelle und Technologien ‘at scale’ entdecken. Ergänzt wird die Reise durch wissenschaftliche Vorträge und Austausch mit Expert:innen und Praktiker:innen für wertvolle Impulse zu neuen Kooperationen und innovativen zirkulären Strategien.
Mehr auf www.circulareconomyforum.at/ termine
Wettbewerbsfähigkeit neu gedacht – stronger, smarter, circular!
2025 ist das Jahr, in dem wir die Kreislaufwirtschaft in Österreich auf das nächste Level heben – mit sektorübergreifender Zusammenarbeit, technologischer Exzellenz und einer klaren strategischen Vision. Große Vorhaben wie „KRAISBAU“, bei dem wir ein Konsortium von 32 Partnern zum Einsatz von KI im Bauwesen leiten, zeigen exemplarisch, wie zukunftsorientierte Projekte konkrete Wirkung entfalten können.
Unsere Perspektive endet dabei nicht an den Landesgrenzen. Der internationale Austausch mit Circular Hotspots, der European Circular Economy Stakeholder Platform und Vorreitern wie den ‚Nordics‘ zeigen: Österreich ist bereit, seine Stärken europaweit sichtbar zu machen – und gleichzeitig offen für Erkenntnisse, die uns smarter und resilienter machen.
Mit unseren Industry Circles bieten wir gezielte Zugänge für Förderpartner und externe Unternehmen. Der Mehrwert? Tiefer Austausch entlang ganzer Wertschöpfungsketten – vom Bauwesen über Automotive und Logistik bis hin zum Tourismus. Dieser Dialog fördert nicht nur Innovation, sondern auch Synergien, wo zuvor Silos waren.
Starke Allianzen entstehen jedoch nicht nur in der Industrie. Unsere regionalen Kooperationspartner wirken als kraftvolle Multiplikatoren – insbesondere durch die „Circular Cities & Regions Roundtables“, die Strategien in operative Umsetzung übersetzen und lokale Akteur:innen aktiv einbinden. Denn die Kreislaufwirtschaft lebt vom Mitgestalten.
Diese Bewegung wird getragen von einer lebendigen Community: Unsere monatlichen Network Expert Talks
verbinden engagierte Vordenker:innen, Forschende und Praktiker:innen, die gemeinsam an Projekten, Geschäftsmodellen und konkreten Lösungen arbeiten. Der informelle Austausch schafft Vertrauen, Inspiration – und echte Zusammenarbeit.
Denn klar ist: Nur gemeinsam können wir die Chancen der Kreislaufwirtschaft voll entfalten. Indem wir Wissen teilen, Kräfte bündeln und in Kollaboration investieren, stärken wir nicht nur unsere ökologische Resilienz, sondern auch die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Österreichs auf internationalem Parkett.
Ganz nach dem Credo 2025: stronger, smarter, circular!
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