Die Musik hinter den Worten Kinan Azmehs Songs for Days to Come
Shirley Apthor p
In Syrien, sagt Kinan Azmeh, bekommt man kein Schulabschluss zeugnis, wenn man den Unterricht in arabischer Literatur nicht erfolgreich besucht hat. In jedem anderen Fach darf man v ersagen. Aber wenn man seine Gedichte nicht kann, fällt man durch. Jeder normale Mensch auf der Straße kann lange Gedichte auswendig aufsagen; die Poesie, sagt Azmeh, war in Damaskus, wo er aufgewachsen ist, die einzige Kunstform, die ein Stadion füllen konnte. „Das ist schon sehr, sehr lange so. Die Stadt Ukaz in der Nähe von Mekka war in vor-islamischen Zeiten bekannt für ihren Markt, auf dem öffentlich Gedichte vorgetragen wurden. In der arabischen Welt war die Dichtkunst schon immer unglaublich präsent.“ Vielleicht weil sie so allgegenwärtig war, interessierte sich Azmeh als Kind nicht besonders für Poesie. Er lernte in der Schule Gedichte auswendig, doch seine wahre Leidenschaft galt der Mathematik und Physik. Als er als Teenager in einer Rockband spielte, begann er sich für den Klang und die Struktur von Liedern zu interessieren, aber selbst dann, sagt er, schien ihm der Text nicht so wichtig zu sein. „Wir haben Coversongs gemacht, und unser Leadsänger hat sie phonetisch richtig ausgesprochen. Ich glaube aber nicht, dass er sie besser verstanden hat als ich, und sie ergaben nur für andere Menschen Sinn, die die Worte ebenso wenig verstanden.“ Erst nach dem syrischen Aufstand von 2011 begann Azmeh, sich mit der Dichtung seiner Landsleute auseinanderzusetzen: „Ich spürte, dass die Syrer plötzlich über Dinge schrieben, die von größerer 8