Das Alte im Neuen Klavierwerke von Beethoven, Salonen, Debussy und Brahms
Antje Reineke
Sie seien „auf einer wirklich ganz neuen Manier bearbeitet“, behauptete Ludwig van Beethoven 1802 von seinen Variationen opp. 34 und 35. Die Nachwelt teilte diese Einschätzung: Beethovens Beiträge bedeuteten „eine völlige Neuorientierung und -bewertung der Gattung“, urteilt etwa der Musikwissenschaftler Arnfried Edler. Bei Beethoven wird die Variation zur zentralen Form, und zwar zunehmend innerhalb größerer Werke. Die Variationen c-moll WoO 80 wurden 1806 komponiert, im folgenden Jahr veröffentlicht und zu Beethovens Lebzeiten mehrfach nachgedruckt. Technisch greift der Komponist hier auf den b arocken Typus der Ostinato-Variation (Chaconne/Passacaglia) zurück, dem eine wiederholte Tonfolge im Bass zugrunde liegt: hier eine chromatische Abwärtsbewegung im Umfang einer Quarte, der traditionelle Lamentobass. Darüber liegt eine Melodie, deren Grund gerüst diatonisch aufwärts verläuft, so dass sich der Tonraum immer weiter ausdehnt. Auch sie trägt durch den typischen punktierten Rhythmus der Sarabande, der den zweiten Taktteil betont, und auftaktige Läufe barocke Züge. Das Thema umfasst acht Takte, und da einzig die letzte Variation durch ihre Coda diesen Rahmen überschreitet, kommt der Zyklus trotz der hohen Zahl von 32 Variationen nur auf eine Spieldauer von knapp über zehn Minuten.
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