Vielstimmiges Liebesleid Italienische Madrigale zwischen Marenzio und Monteverdi
Michael Horst
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts galt Italien als musikalischer Dreh- und Angelpunkt Europas. Die italienischen Höfe zwischen Mailand und Florenz, Mantua und Ferrara wetteiferten mit der reichen Seerepublik Venedig und der päpstlichen Kurie in Rom um die glanzvollste kulturelle Selbstdarstellung. Wer heute ein Programm mit italienischen Madrigalen zusammenstellt, kann aus dem Vollen schöpfen, und es ist kein Zufall, dass praktisch alle Komponisten, die in den beiden Konzerten des Concerto Italiano zu hören sind, in Mantua oder Ferrara gewirkt haben. Gerade die dortigen Herrscherfamilien – die Gonzaga in Mantua und die Este in Ferrara – setzten allen Ehrgeiz darein, Dichter, Musiker und Philosophen von Rang in ihre kleinen Residenzen zu holen. Unter ihnen war auch Luca Marenzio, einer der drei Großen der italienischen Madrigalkunst neben Claudio Monteverdi und Carlo Gesualdo (der im heutigen Defilée der Meister als einziger nicht vertreten ist). Im Gefolge seines römischen Dienstherrn, des Kardinals Luigi d’Este, weilte Marenzio des Öfteren bei dessen Bruder, dem regierenden Fürsten Alfonso d’Este, in Norditalien. Der Komponist war überaus produktiv: Allein während seiner siebenjährigen Tätigkeit für Luigi d’Este veröffentlichte er vier Sammlungen fünfstimmiger Madrigale und die ersten drei Bücher sechsstimmiger Madrigale, dazu weitere Bücher mit Villanellen und Motetten. Weitere sollten später folgen, in denen er die Möglichkeiten der Vokalpolyphonie immer radikaler auslotete. Schnell wurde Marenzio zur europäischen Berühmtheit. Der Siegeszug des Notendrucks – im Jahr 1501 hatte der Venezianer Ottaviano P etrucci das erste ganz der Musik gewidmete Buch herausgebracht – trug nicht wenig zur Verbreitung seiner Kompositionen bei. U ngewöhnlich genug, dass schon früh Nachdrucke 6