audimax WiWi 12/2017 - Das Karrieremagazin für Wirtschaftswissenschaftler

Page 70

D

STUDENTENVERBINDUNGEN

STUDENTENVERBINDUNGEN SIND FÜR VIELE EIN MYSTERIUM. DENNOCH HABEN SIE SOFORT TYPISCHE BILDER IM KOPF – ETWA VON BLUTIGEN FECHTDUELLEN. WAS STECKT DAHINTER?

Die Vielfalt macht's Verbindung ist allerdings nicht gleich Verbindung: Es gibt schlagende, nichtschlagende und fakultativ schlagende Vereinigungen. Es gibt Landsmannschaften, Burschenschaften und Turnerschaften.

Warum machen die das? Und warum fechten die, die fechten? Die große Tugend heißt Tapferkeit. Oberstes Ziel ist es, die eigene Angst vor einer Verletzung zu überwinden. Daher darf der Paukant im Duell auf keinen Fall zurückweichen. Tut er es doch, wird dies als persönliche Niederlage empfunden. Eine Verletzung davonzutragen ist dagegen keine. Besonders bei pflichtschlagenden Verbindungen gilt die Mensur als wichtiges Mittel zur Persönlichkeitsbildung, da der Teilnehmer bei der Vorbereitung sehr sorgfältig und diszipliniert vorgehen muss, um eine

70 | www.audimax.de – Die Jobbörse für Akademiker

saubere Kampftechnik zu entwickeln. Daneben soll das Pauken den Zusammenhalt der eigenen Verbindung stärken: Der Paukant hält für den Bund den Kopf hin, die anderen Mitglieder sind zur mentalen Unterstützung beim Duell vor Ort. Manche Verbindungen geben außerdem an, die Mensur zu nutzen, um ›Mitläufer und Feiglinge auszusortieren‹. Aus alt mach neu! Viele Studentenverbindungen halten also am Fechten fest, um die eigene Persönlichkeit und die Gemeinschaft zu stärken. Dieses Ziel lässt sich nachvollziehen. Dennoch drängt sich vor allem für Außenstehende die Vermutung auf, dass dieses alte Ritual überholt ist. Es wäre für die Mitglieder an der Zeit, neue Wege zu gehen. Es gibt unzählige Möglichkeiten, die Persönlichkeit zu entwickeln und den Gemeinschaftsgeist zu beleben, etwa durch Mannschaftssportarten wie Rudern oder das gemeinsame Arbeiten an einem sozialen Projekt. Vielleicht haben ja die vermeintlichen Mitläufer und Feiglinge noch ein paar gute Ideen, wie sich diese Ziele in der heutigen Zeit umsetzen lassen. Ein lebenslanger Schmiss im Gesicht bleibt dabei wohl nicht. Aber vielleicht ein noch viel stärkerer Bund fürs Leben.

Text: Julia Wolf

Was machen die denn? Der streng reglementierte Fechtkampf zwischen zwei Mitgliedern unterschiedlicher Studentenverbindungen wird als ›Mensur‹ bezeichnet. Einen tatsächlichen Sieger oder Verlierer gibt es dabei nicht. Die Mensur ist schon lange nicht mehr zur Beilegung von Auseinandersetzungen gedacht. Dennoch fechten in Europa mehr als 400 Studentenverbindungen, ganze 376 davon in Deutschland. Dabei kommen scharfe Waffen zum Einsatz, die zu Verletzungen und Narben führen können.

Es gibt Corps, katholische Verbindungen und Sängerschaften. Sie alle unterscheiden sich durch ihre politische oder religiöse Ausrichtung beziehungsweise ihre Aktivitäten. Die Frage nach dem Fechten hat einen Großteil der Verbände von Zeit zu Zeit bewegt. So auch im Zuge der 68erBewegung, als es zu großen Diskussionen über das studentische Fechten mit scharfen Waffen kam. Die traditionellen Verbindungen hatten es damals schwer, Nachwuchs zu finden. Daher versuchten sie, Reformen gegen das Fechten durchzusetzen. Im Jahr 1971 schaffte der größte Verband der Burschenschaften schließlich die Pflichtmensur als Verbandsprinzip ab.

Illustration: © LIGHTFIELD STUDIOS, Fotolia

er Körper des Paukanten ist mit einem Ketten Kettenhemd geschützt. Er steht seinem Gegner direkt gegenüber, die Klinge erhoben. Über den Augen trägt er eine Stahlbrille mit Nasenschutz, über den Ohren liegen Lederriemen. Der Rest der Kopfes: freie Angriffsfläche. Bereits ein kleiner Fehler kann zu einer Narbe mitten im Gesicht führen. Ein sogenannter Schmiss fürs Leben.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.