Dr. Alexandra Kankeleit
Archäologische Aktivitäten in Griechenland während der deutschen Besatzungszeit, 1941-1944
Vortrag 2015 / 2016 Berlin – Frankfurt – Athen
Bei dem folgenden Text handelt es sich um einen Vortrag, der 2015 und 2016 an verschiedenen Orten in Deutschland und Griechenland gehalten wurde. F체r Unterst체tzung und Anregungen danke ich der Arch채ologischen Gesellschaft in Athen und dem Deutschen Arch채ologischen Institut, insbesondere Herrn Prof. B. Petrakos und Frau Prof. K. Sporn. Eine tiefergehende Untersuchung zum Thema ist aktuell in Vorbereitung.
Inhalt Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland . . . . . . . . . . . . . 9 1.1. Herausragende Altertumswissenschaftler in Griechenland. . . . . . . . . . . 9 1.2. Das Deutsche Archäologische Institut in Athen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.3. Einfluss deutscher Politik und Wissenschaft auf griechische Altertumsforscher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Strukturen und Organisation während der NS-Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.1. Situation vor 1934. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.2. Situation nach 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.3. Einmarsch der Wehrmacht im April 1941. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4. Aufteilung Griechenlands in drei Besatzungszonen . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.5. Situation während der Besatzungszeit vom 27.04.1941 bis 12.10.1944. . 17 3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Leitung und Angestellte von 1930-1936 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Leitung und Angestellte von 1937-1944 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Die Direktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4. Grabungsleiter Olympia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4.1. Olympiade und „Führergrabung“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4.2. Olympia: Ausgrabungen und Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4.3. Kerameikos: Ausgrabungen und Publikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4.4. Kreta: Ausgrabungen und Puplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.5. Sonstige Ausgrabungen und Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
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5. Zusammenarbeit mit dem Kunstschutz der Wehrmacht . . . . . . . . . . . . 36 5.1. Merkblätter und sonstige Publikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5.2. Prospektion und Luftbildaufnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 5.3. Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5.4. Ausgrabungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 6. Kontroverse mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg. . . . . . . . . . . 42 7.
Pläne der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe der SS. . . . 45
8. Funktion des Auswärtigen Amtes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 9. Konflikte: Diebstähle, illegale Grabungen, materieller und ideeller Schaden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 9.1. Kriegsmaßnahmen: Sicherheitsvorkehrungen in 18 Museen. . . . . . . . . 46 9.2. Raub und Zerstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 10. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Abbildungsnachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Institutionen und Arbeitsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Publikationen im Internet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
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Einleitung
Einleitung Im Oktober 1944 zogen sich die deutschen Truppen der Wehrmacht aus Griechenland zurück. Sie hinterließen ein Land, das durch Zerstörung, Chaos und Hungersnot gekennzeichnet war. Leseempfehlung Fleischer 1988 Fleischer 1998 Fleischer 2010 Mazower 1993 Schminck-Gustavus 2010
Die Bilanz ihrer dreieinhalbjährigen Besetzung ist verheerend: ►► Verlust von 10% der Bevölkerung. ►► Massenexekutionen: Ermordung von über 130.000 Zivilisten, darunter Frauen, Kinder und Greise. ►► Beschlagnahme von Lebensmitteln und Brennstoffen: über 300.000 Hunger-und Kältetote. ►► Ermordung von 90% der Juden (Sepharden und Romaniotes): über 60.000 Tote. ►► Zerstörung von über 100 Ortschaften. ►► Hinzu kommt die deutsche Zwangsanleihe in Höhe von 476 Millionen Reichsmark (heute ca. 11 Milliarden Euro), die niemals zurückgezahlt worden ist. Die Historiker Hagen Fleischer und Mark Mazower haben in ihren Untersuchungen eindrucksvoll dargelegt, wie das Land während der Besatzungszeit systematisch geplündert und terrorisiert wurde. Ziel war die totale Unterwerfung der griechischen Bevölkerung. In Deutschland sind diese Ereignisse weitgehend unbekannt, was zum großen Teil an der offiziellen Außenpolitik der Bundesrepublik seit den 50er Jahren liegt. Erst in jüngerer Zeit werden die Massaker, die in über 50 Orten Griechenlands verübt wurden, überhaupt thematisiert. Einen ersten Annäherungsversuch machte 2000 Johannes Rau in Kalavrita. 2014 bat Joachim Gauck als erster Repräsentant Deutschlands offiziell um Verzeihung für die Besatzungsverbrechen: „Und ich schäme mich, dass das demokratische Deutschland, selbst als es Schritt für Schritt die Vergangenheit aufarbeitete, so wenig über deutsche Schuld gegenüber den Griechen wusste und lernte“. In Griechenland hingegen ist der Zweite Weltkrieg noch sehr präsent. Neben der seriösen Fachliteratur gibt es einen regelrechten Boom an Biographien, Romanen
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Einleitung
und populärwissenschaftlichen Abhandlungen zum griechisch-italienischen Krieg, zur Besatzungszeit und zum folgenden Bürgerkrieg. Dass diese Epoche aktuell besonders im Brennpunkt steht, wird nicht nur an den Auslagen der Buchläden und den Headlines bekannter Webseiten deutlich, sondern auch an der Ausrichtung spezieller Forschungsprojekte und Dissertationsthemen an griechischen Universitäten. Im Internet gibt es zahlreiche Foren (beispielsweise in Facebook), die sich über die historischen Geschehnisse austauschen. Dokumente, die aus privaten Archiven stammen und zum Teil noch unpubliziert sind, werden dort präsentiert.
Leseempfehlung Kambas-Mitsou 2010 Kambas-Mitsou 2015 Krumme 2012
Ein Bild, das sich in das kollektive Gedächtnis der Griechen eingebrannt hat, zeigt den Archäologen Walter Wrede, wie er im April 1941 Generalfeldmarschall Walther von Brauchitsch über die Akropolis führt. Wrede war zugleich amtierender Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Athen (1937-44) und Landesgruppenleiter der Auslands-Organisation der NSDAP in Griechenland (1935-44).
Walther Wrede (rechts) mit Walther von Brauchitsch auf der Akropolis
Im Kontext dieser historischen Ereignisse überrascht es, dass die archäologischen Kulturgüter die Kriegszeit relativ unbeschadet überlebt haben (Die Situation lässt sich in keiner Weise mit dem gegenwärtigen Wüten von ISIS im Nahen Osten vergleichen). Wie sich im Vortrag zeigen wird, hat die Besatzungszeit auch zu Raub und Beschädigung von Antiken geführt. Doch reichen diese Verluste nicht an das Ausmaß der mit dem Krieg einhergehenden menschlichen Tragödie heran.
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Einleitung
Leseempfehlung Kulturschutzbericht GB 1946 Kulturschutzbericht GR 1946
Es ist vor allem den Schutzmaßnahmen griechischer Archäologen zu verdanken, dass bedeutende Objekte weder gestohlen, noch beschädigt wurden. Auch hatte die deutsche Besatzung kein Interesse daran, die archäologischen Stätten zu zerstören. Als Sieger und Vertreter der führenden Kulturnation sah sie sich als wahrer Nachfolger der antiken Griechen an und trieb die Inszenierung in antiker Kulisse zur Perfektion. Bereits 1946 wurde in zwei Kulturschutzberichten eine Bestandsaufnahme der Schäden und Verluste aus der Besatzungszeit vorgelegt. Sie stützten sich auf die Meldungen griechischer Archäologen. Herausgeber waren zum einen das Griechische Ministerium für Religion und Nationale Erziehung (das spätere Kultusministerium) und zum anderen die Britische Kommission für Kulturgüterschutz. Sowohl der griechische als auch der britische Kulturschutzbericht berufen sich auf die Aussagen griechischer Archäologen. Die Kulturschutzberichte erwähnen nur am Rande den anhaltenden Bürgerkrieg in Griechenland. In der britischen Bestandsaufnahme werden die Folgeschäden der Kämpfe zwischen der royalistischen Armee der konservativen griechischen Regierung (unterstützt durch Großbritannien und später die USA) und der sog „Demokratischen Armee Griechenlands“ (DSE) der Kommunistischen Partei des Landes (unterstützt durch die ehemaligen Ostblockländer wie Albanien, Bulgarien, Jugoslawien und die Sowjetunion) generell als gering eingestuft. Die kriegerischen Auseinandersetzungen sollten allerdings noch bis 1949 anhalten. Eine abschließende Betrachtung aller Schäden wurde nie in Angriff genommen. Beide Kulturschutzberichte sind im Internet abrufbar und dienen griechischen Journalisten, Schriftstellern und Historikern heute noch als Primärquelle. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Verlustlisten von 1946, auch in Zusammenarbeit mit den ehemaligen Besatzungsmächten (Deutschland, Italien und Bulgarien), erscheint zunehmend schwierig und ist offensichtlich politisch nicht gewollt. Die Kulturschutzberichte zeigen, dass hauptsächlich kleinere Museen und Sammlungen von Raub und Zerstörung betroffen waren. Am meisten hatten jedoch die byzan-
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1. Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland
tinischen Kirchen und Klöster unter der Besatzungszeit zu leiden. Bei Vergeltungsaktionen wurden sie niedergebrannt und zerstört. Attacken waren die Meteora Klöster in Thessalien, das Kloster Hosios Loukas in Stiri, das Kloster Hosios Meletios auf Berg Kithairon und Agia Lavra in der Nähe von Kalavrita ausgesetzt. In Bezug auf die Archäologie spielt der „menschliche Faktor“ eine zentrale Rolle. Deutsche Archäologen, die in den 30er Jahren Partner, Freund und Vorbild gewesen waren, traten während der Besatzungszeit plötzlich als Herrenmenschen auf, gaben ihren griechischen Kollegen Direktiven und nutzten die privilegierte Situation für eigene Zwecke aus. Das Leid des griechischen Volkes wurde komplett ausgeblendet. Ein häufig wiederholter Vorwurf von griechischer Seite ist deshalb die „Arroganz“ und „Selbstbezogenheit“ der deutschen Archäologen, die fast schon als „wissenschaftlicher Autismus“ bezeichnet werden kann. Dieser psychologische Aspekt wird in den neueren Publikationen griechischer Wissenschaftler häufig angesprochen.
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Leseempfehlung Petrakos 1994 Petrakos 2013 Tiverios 2013
Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland
1.1. Herausragende Altertumswissenschaftler in Griechenland Seit der Entstehung des modernen griechischen Staates im Jahre 1830 haben deutsche Gelehrte einen großen Einfluss auf die archäologische Forschung und das kulturelle Leben in Griechenland ausgeübt. Ein Grund ist, dass 30 Jahre lang, von 1832-1862, der Wittelsbacher König Otto I. über Griechenland regierte. Ihm folgte Georg I. aus dem dänischen Haus Glücksburg. Bis 1973, dem Ende der griechischen Monarchie, stellten seine Nachfahren die Könige. Für einen engen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Austausch mit Deutschland wurde im 19. Jahrhundert das Fundament gelegt. Im Bereich der Altertumswissenschaften machte sich der Klassische Archäologe und Philologe Ludwig Ross (18061859) einen Namen. Als Beauftragter des Königs war er für
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1. Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland
die Aufsicht der antiken Denkmäler zuständig. Seit 1837 lehrte er als erster Professor für Archäologie an der neu gegründeten Universität Athen. Bei seinen Ausgrabungen auf der Akropolis entwickelte er neue, wegweisende Methoden, beispielsweise Beobachtung, Dokumentation und Analyse von Befund und Stratigraphie. Leseempfehlung Goette-Palagia 2005 Herrmann 1988 a Kalpaxis 1993 Mallouchou-Tufano 1998 Minner 2006 Petrakos 2013 Trigger 2006
Für das 20. Jahrhundert hat der Bauforscher Wilhelm Dörpfeld (1853-1940) maßgeblich das Bild vom deutschen Archäologen auf griechischem Boden geprägt. Seit dem 19. Jahrhunderts arbeitete er in Olympia und wirkte an Ausgrabungen von Heinrich Schliemann in Troja und Tyrins mit. Seine Arbeit zeichnete sich durch präzise Dokumentation, analytische Untersuchung und valide Ergebnisse aus. Er gilt als Begründer des wissenschaftlichen Grabungswesens in der Archäologie. 1896 gründete er die Deutsche Schule in Athen, die noch heute nach ihm benannt ist. Internationale Konferenzen und Publikationen würdigen das Lebenswerk der beiden Männer. Ihre Bedeutung für die griechische Archäologie lässt sich erahnen, wenn man einen Blick in die 2013 erschienene Studie von Vassilis Petrakos zur Geschichte der Archäologie in Griechenland („Πρόχειρον Αρχαιολογικών 1828-2012“) wirft. Kaum Erwähnung findet hingegen Johann Joachim Winckelmann (1717-1768). Bei den Forschungen griechischer Archäologen hat er, wenn überhaupt, nur eine marginale Rolle gespielt.
1.2. Das Deutsche Archäologische Institut in Athen Die Abteilung Athen des Deutschen Archäologischen Instituts wurde 1874 auf Beschluss des Deutschen Reichstages gegründet. Seit 1888 befindet sich das Institut im Zentrum von Athen, in der Phidias-Straße 1. Heinrich Schliemann ließ es nach Plänen von Wilhelm Dörpfeld und Ernst Ziller errichten. Aufgrund seiner herausragenden Bibliothek und der umfangreichen Photothek war das DAI Athen schon früh eine zentrale Anlaufstelle für deutsche und griechische Wissenschaftler.
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1. Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland
Leseempfehlung Mackroth 1930
Das Deutsche Archäologische Institut in Athen, Straßenszene in den 20er Jahren
1930 stellte der Chronist Siegfried Mackroth fest, dass in Athen durch „wertvolle Beziehungen zu den vorübergehend anwesenden Archäologen und anderen Gelehrten stets die Verbindung mit dem Vaterlande aufrecht erhalten“ werden kann. In seiner Untersuchung über „Das Deutschtum in Griechenland“ konnte er nachweisen, dass in ganz Griechenland ca. 560 Deutsche lebten, die sich vorwiegend in den Bereichen Handel, Industrie und Erziehung betätigten. Eine besondere Rolle nahmen dabei die Altertumswissenschaftler ein. Sie waren bestens vernetzt und verfügten über ausgezeichnete Landes- und Sprachkenntnisse. Einige von ihnen hatten in griechische Familien eingeheiratet.
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1. Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland
In den 30er Jahren organisierten sich viele Mitarbeiter des DAI Athen in der NSDAP. 1934 konstatierte DAI-Präsident Theodor Wiegand: „Unser Institut nimmt von allen deutschen Athener Behörden die bei weitem einflussreichste Stelle ein“.
Leseempfehlung DAI 2014 Fittschen 1996 b Korka 2005 Krumme 2012 Petrakos 2013
Zu den wichtigsten Projekten des DAI Athen gehörten die Ausgrabungen im Zeusheiligtum von Olympia (seit 1875), im Athener Kerameikos (seit 1913/1914) und im Heraion von Samos (seit 1925). Neben dem DAI Athen befinden sich heute noch 16 weitere ausländische archäologische Institute in Griechenland. In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg prägten hauptsächlich die Zweigstellen Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten die archäologische Forschung in Griechenland. Sie wurden zum großen Teil im 19. Jahrhundert gegründet: die École française d’Athènes (1846), die American School of Classical Studies at Athens (1881), die British School at Athens (1886), das Österreichische Archäologische Institut, Zweigstelle Athen (1898) und die Scuola Archeologica Italiana di Atene (1909). Auf griechischer Seite gibt es die Archäologische Gesellschaft in Athen (Η Εν Αθήναις Αρχαιολογική Εταιρεία). Sie wurde 1837, nur 16 Jahre nach der „Griechischen Revolution“ gegründet. Vielfalt und Kooperationen zeichnen heute die archäologische Forschung in Griechenland aus. Dieses wertvolle Gut ist über viele Jahre gewachsen. Während der beiden Weltkriege des vergangenen Jahrhunderts wurden die Beziehungen zwischen den Wissenschaftlern allerdings auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Das Verhältnis der in- und ausländischen Institutionen in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts untereinander – Allianzen, Kooperationen, Rivalitäten und Konflikte – ist bisher nur zum Teil wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Eine gezielte und systematische Recherche in den Athener Archiven würde hier möglicherweise neue Erkenntnisse liefern.
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1. Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland
1.3. Einfluss deutscher Politik und Wissenschaft auf griechische Altertumsforscher Mehrere griechische Archäologen hatten in den 20er und 30er Jahren in Deutschland studiert. Sehr beliebt waren die Universitäten in München, Heidelberg und Berlin. Auch an der Universität von Athen lehrten deutsche Professoren (z.B. Dörpfeld, Karo und Buschor). Deutsche Kultur und Wissenschaft erfreuten sich allgemein großer Wertschätzung in Griechenland. Die vom Deutschen Archäologischen Institut initiierten Ausgrabungen, Publikationen und Kongresse genossen in der griechischen Fachwelt ein hohes Ansehen. Griechische und deutsche Archäologen pflegten freundschaftliche Beziehungen. Ihr Verhältnis zeichnete sich durch Vertrauen und Respekt aus.
Leseempfehlung Doxiadis 1937 Fahrner 2008 Gehrke 2010 Kambas-Mitsou 2010
Im Vorwort seiner 1937 gedruckten Doktorarbeit „Raumordnung im griechischen Städtebau“ bedankt sich der Bauforscher Konstantinos Doxiadis ausdrücklich bei seinen Berliner Förderern und Kollegen: Theodor Wiegand, Daniel Krencker und Hans Schleif. Ein Studium oder ein Stipendium in Deutschland waren ein wichtiger Karriereschritt, allerdings nicht unbedingt die Voraussetzung für eine Professur in Griechenland. Die meisten griechischen Intellektuellen waren ohnehin Kosmopoliten und beherrschten mindesten vier Sprachen fließend. Der gebildete Mittelstand war vor dem Krieg kulturell eher an Frankreich orientiert. Betrachtet man die Biographien einiger herausragender Wissenschaftler wird deutlich, wie international und polyglott die archäologische Forschung in Griechenland ausgerichtet war. Ein spielerischer Umgang mit verschiedenen Kulturkreisen und ihren Sprachen kennzeichnet diese Epoche: ►► ►► ►► ►► ►► ►►
Anastasios Orlandos (1887-1979) Christos Karouzos (1900-1967) Spyridon Marinatos (1901-1974) Ioannis Travlos (1908-1985) Konstantinos Doxiadis (1913-1975) Manolis Andronikos (1919-1992)
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2. Strukturen und Organisation während der NS-Zeit
Leseempfehlung Vigeener 2012 Marchand 2014
Greifen wir uns als Beispiel den Bauforscher Ioannis Travlos heraus. Bekannt geworden ist er vor allem durch sein „Bildlexikon zur Topographie des antiken Athen“, das in griechischer, englischer und deutscher Sprache vorliegt. Travlos hatte an der Technischen Universität von Athen studiert und arbeitete seit 1935 für die amerikanische Schule auf der Agora von Athen. Er war ein Schüler von Anastasios Orlandos, der wiederum bei Dörpfeld an der Universität Athen studiert hatte.
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Strukturen und Organisation während der NS-Zeit
In ihrer 2012 erschienenen Dissertation zeigt Marie Vigener die Abhängigkeit des DAI von den generellen politischen Strömungen in Deutschland und Europa auf. Es wird deutlich, dass die Angestellten des DAI neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit auch eine repräsentative und vermittelnde Funktion hatten. Insbesondere im Ausland galten sie als offizielle Vertreter des Deutschen Reiches und waren für Öffentlichkeitsarbeit, Pflege internationaler Kontakte und Netzwerke zuständig. In Fachbüchern und Romanen wird gelegentlich eine Spionage-Tätigkeit ausländischer Archäologen in Griechenland angedeutet. Auch dieses Thema harrt noch einer wissenschaftlichen Aufarbeitung.
2.1. Situation vor 1934 Das DAI war eine „Reichsanstalt“ mit Mitarbeitern im Beamtenstatus. Während der Weimarer Republik gehörte das Institut zum Auswärtigen Amt. Struktur und Aufgabenverteilung waren klar definiert. Kompetenzstreitigkeiten gab es nur gelegentlich zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Kultusministerium. Die Tätigkeit des DAI wurde dadurch nicht belastet. Die Politik Gustav Stresemanns (1923-1929) kam dem DAI sehr entgegen. Vigener hebt in ihrer Arbeit hervor, dass das DAI besonders gefördert wurde und trotz Wirtschaftskrise großzügige finanzielle Unterstützung erhielt. Dennoch waren die meisten Archäologen in den 20er Jahren eher kritisch gegenüber der jungen Republik eingestellt und hielten an ihrer nationalkonservativen, meist königstreuen Gesinnung fest.
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2. Strukturen und Organisation während der NS-Zeit
Deutscher Reichstag Auswärtiges Amt
Kulturabteilung des AA
Kompetenz streitigkeiten
Preußisches Kultusministerium
Haushaltsausschuss Reichsfinanzministerium huss
Zusc
Leseempfehlung Conze 2010 Koerfer 2013
Deutsches Archäologisches Institut
Situation vor 1934
2.2. Situation nach 1934 Während der NS-Zeit wurden die Machtstrukturen in Deutschland zunehmend unübersichtlich. Auch im kulturellen Bereich nahm die Zahl der Funktionsträger und der dazugehörigen Organisationen dramatisch zu. Die daraus resultierenden Konkurrenzkämpfe sollten zu besseren Leistungen anspornen und in herausragende Ergebnisse münden. Dienststelle Ribbentrop
Propagandaministerium
Joachim von Ribbentrop, Rudolf Heß
Joseph Goebbels
Deutsche Kulturpolitik im Ausland Auslandsorganisation der NSDAP (AO)
Außenpolitisches Amt der NSDAP
Ernst Wilhelm Bohle
Alfred Rosenberg
Reichserziehungsministerium (REM) Bernhard Rust
Deutsches Archäologisches Institut (DAI)
Theodor Wiegand (bis 1936) Martin Schede (1937-1945)
Situation nach 1934
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2. Strukturen und Organisation während der NS-Zeit
Leseempfehlung Ciano 1946 Richter 1973 Richter 1997
1934 wurde das DAI dem Reichserziehungsministerium unter Bernhard Rust zugeordnet. Es handelte sich dabei um den Nachfolger des Kultusministeriums. Für die Arbeit der Abteilung in Athen hatte diese Neustrukturierung keine Konsequenzen. Einen wirklichen Einschnitt bedeuteten hingegen der Ausbruch des griechisch-italienischen Krieges und der folgende Einmarsch der Wehrmacht in Griechenland.
2.3. Einmarsch der Wehrmacht im April 1941 Im Jahr 1940 hatte Italien mehrfach durch verbale Provokationen und punktuelle Angriffe seine territorialen Ansprüche gegenüber Griechenland zum Ausdruck gebracht. Am 28. Oktober forderte Mussolini schließlich freien Durchmarsch sowie militärische Stützpunkte für seine Truppen in Griechenland. Diktator Metaxas reagierte daraufhin mit seinem berühmten „ΟΧΙ“ (Nein). Es folgte der Krieg zwischen den italienischen und griechischen Streitkräften. Die Kämpfe fanden im Winter, unter schlimmsten Bedingungen in den Bergen von Epirus statt. Die Italiener waren schlecht vorbereitet, trafen falsche Entscheidungen und konnten vom griechischen Militär vernichtend geschlagen werden. Im April 1941 wurden sie komplett auf ihre albanische Ausgangsbasis zurückgedrängt. Die Niederlage der italienischen Streitkräfte hatte zur Folge, dass Deutschland seinem Achsenpartner zur Hilfe eilen musste. Am 1. März 1941 war Bulgarien dem Dreimächtepakt beigetreten und hatte dem Deutschen Reich die Stationierung von Truppen auf seinem Gebiet gestattet. Am 6. April 1941 begann der Balkanfeldzug („Unternehmen Marita“). Bereits am 9. April 1941 durchbrachen deutsche Truppen die sog. Metaxas-Linie. Gegen die Wehrmacht konnte das geschwächte griechische Militär nichts ausrichten. Am 27. April wurde Athen eingenommen und auf der Akropolis die Hakenkreuzfahne gehisst. Ende Mai fiel nach verlustreichen Kämpfen schließlich auch Kreta („Luftlandeoperation Merkur“).
2.4. Aufteilung Griechenlands in drei Besatzungszonen Griechenland wurde in drei Besatzungszonen aufgeteilt: Bulgarien beherrschte den Nordosten Griechenlands: das
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2. Strukturen und Organisation während der NS-Zeit
östliche Makedonien und das nördliche Thrakien. Italien war hauptsächlich für Zentralgriechenland, die Ionischen Inseln und die Peloponnes zuständig. In deutscher Hand befanden sich die beiden größten Städte, Athen und Thessaloniki, mehrere Ägäische Inseln und über die Hälfte Kretas. Leseempfehlung Charalambidis 2012 Fleischer 1988
Aufteilung Griechenlands in drei Besatzungszonen
Die Kerameikos-Ausgrabung in Athen gehörte zur deutschen Besatzungszone. Die beiden anderen Großgrabungen, Olympia und Samos, befanden sich hingegen in der italienischen Besatzungszone. Am 8. September 1943 änderten sich nochmals die Machtverhältnisse in Griechenland. Im „Waffenstillstand von Cassibile“ besiegelte Italien seine Kapitulation vor den Alliierten und löste sich offiziell aus dem Bündnis mit dem Deutschen Reich. Dies führte zu einer Auflösung der italienischen Besatzungszone, die nun der deutschen zugeschlagen wurde.
2.5. Situation während der Besatzungszeit vom 27.04.1941 bis 12.10.1944 Bisher hatte ausschließlich das DAI als offizieller Vertreter des Deutschen Reiches die Oberhoheit über die archäologischen Aktivitäten in Griechenland gehabt. Nun kamen weitere Akteure hinzu, von denen einige ebenfalls ausgebildete Altertumswissenschaftler waren, somit Kollegen und mögliche ehemalige Weggefährten.
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3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944
Leseempfehlung Hiller 1995 Jantzen 1995 Junker 1997 Petrakos 1995
Sie vertraten unterschiedliche Organisationen: den Kunstschutz der Wehrmacht, die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes in Athen und den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg. Auch das Deutsche Ahnenerbe war für kurze Zeit in Griechenland archäologisch aktiv. Einzelne Wehrmachtsangehörige wollten sich durch eigene Ausgrabungen und/oder Raub bereichern bzw. ein Denkmal setzen. Es blieb nicht aus, dass die undurchsichtigen Strukturen und komplizierten Beziehungsgeflechte zu Spannungen und zum Teil erbitterten Machtkämpfen führten.
Selbständige Archäologen
Kunstschutz der Wehrmacht
Deutsches Archäologisches Institut Athen
Archäologische Aktivitäten in Griechenland
Auswärtiges Amt Kulturabteilung
Angestellte der “Führergrabung”
Deutsches Ahnenerbe
Einzelne Vertreter der Wehrmacht Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg
Archäologisch aktive Organisationen in Griechenland während der NS-Zeit
Bevor ich ausführlicher auf diese Situation in Griechenland eingehe, soll erstmal kurz die eigentliche Abteilung des DAI in Athen vorstellt werden.
3.
Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944
3.1. Leitung und Angestellte von 1930-1936 Eine Übersicht der für das DAI Athen tätigen Archäologen hat 1986 Ulf Jantzen zusammengestellt. Als Erster Direktor des DAI Athen von 1967 bis 1974 publizierte er sie in der Jubiläumsschrift „Einhundert Jahre Athener Institut 1874-1974“. Von 1930 bis 1936 leitete Georg Karo das DAI in Athen. Trotz seiner jüdischen Herkunft konnte er sich lange Zeit auf dem Posten halten. Sein Vertreter war Walther Wrede. Von den Assistenten seien hier Wilhelm Kraiker, Emil Kunze und Roland Hampe erwähnt.
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3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944
Erster Direktor Karo, Georg 1930-1936 Zweiter Direktor Wrede, Walther bis 1937 Assistenten und Hilfskräfte Kraiker, Wilhelm bis 1931 Kunze, Emil bis 1933 Johannes, Heinz 1931-1937 Schefold, Karl 1933-1935 Eilmann, Richard 1933-1934 Crome, Friedrich 1934-1936 Hampe, Roland 1935-1937 Homann-Wedeking, Ernst seit 1936 Gebauer, Kurt 1936 Grundmann, Kimon seit 1930
Leseempfehlung Jantzen 1986 Kyrieleis 1979.
3.2. Leitung und Angestellte von 1937-1944 1937 übernahm Walther Wrede das Amt des Ersten Direktors. Sein Vertreter wurde Karl Kübler, der für die Kerameikos-Grabung zuständig war. 1939 kam Otto Walter, der ursprüngliche Direktor des Österreichischen Archäologischen Instituts in Athen (ÖAI), hinzu. Die byzantinische Abteilung von Edmund Weigand existierte „nur auf dem Papier“, ist somit irrelevant. Ein Neuzugang bei den Assistenten war 1937 Ulf Jantzen. Er übernahm den Posten von Roland Hampe. In der hier gezeigten Liste von Ulf Jantzen fehlen Emil Kunze, Hans Schleif, Roland Hampe, Friedrich Matz und Gabriel Welter. Sie waren ebenfalls in Griechenland archäologisch aktiv – in welcher Funktion bzw. welchem Anstellungsverhältnis ist noch zu klären. Während des „Mesopolemos“ (Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, auch „Interbellum“ genannt) fanden alle deutschen Unternehmungen in Griechenland in Absprache und mit der Unterstützung des DAI statt. Erster Direktor Wrede, Walther 1937-1944 Zweiter Direktor Kübler, Karl 1937-1944
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3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944
Zweiter Direktor Walter, Otto 1939-1944 Direktor der byzantinischen Abteilung Weigand, Edmund 1942
Leseempfehlung Brands-Maischberger 2012 Davis 2009 Lindenlauf 2015 Lindenlauf 2016
Assistenten und Hilfskräfte Jantzen, Ulf 1937-1939 Homann-Wedeking, Ernst bis 1938 Brommer, Frank 1938-1940 Gebauer, Kurt 1939-1942 Riemann, Hans 1937 Peek, Werner 1940-1941 Buttlar, Herbert von 1940 Pfeiff, Karl Arno 1942-1943 Grundmann, Kimon 1941-1944
3.3. Die Direktoren Zu einigen, besonders markanten Vertretern des DAI Athen sind biographische Studien vorgelegt worden. Die von Gunnar Brands und Martin Maischberger herausgegebenen „Lebensbilder“ liefern hier neue Ansätze und interessante Hintergrundinformationen. Gut recherchierte Untersuchungen zu einzelnen Mitarbeitern hat auch Klaus Fittschen, langjähriger Erster Direktor des DAI Athen, beigesteuert. Zu Georg Karo hat zuletzt Astrid Lindenlauf geforscht. Karo entstammte einer wohlhabenden jüdischen Familie. Er wuchs in Italien auf und kam in den 80er Jahren zum Studium nach Deutschland. Seit 1905 war er für das DAI in Athen tätig. Er bekleidete das Amt des Ersten Direktors von 1911 bis 1916 und dann wieder von 1930 bis 1936. Karo war sehr konservativ und deutsch-national eingestellt. In Bezug auf den Ersten Weltkrieg führte er einen publizistischen Kampf gegen die „Kriegsschuldlüge“ und brach eine Zeit lang alle Kontakte zu seinen französischen Kollegen in Griechenland ab. Zu den englischsprachigen Kollegen pflegte er hingegen freundschaftliche Beziehungen. 1934 führte er Herrmann Göring durch Griechenland. Er nutzte die Gelegenheit, um Werbung für Olympia zu machen und auf die Notwendigkeit weiterer Grabungen hinzuweisen. Sein Engagement trug mit dazu bei, dass das
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3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944
DAI-Projekt in den Fokus der Politik rückte und im Rahmen der Berliner Olympiade große mediale Aufmerksamkeit und finanzielle Unterstützung erhielt. Karo war international sehr gut vernetzt. Zum griechischen Diktator Ioannis Metaxas pflegte er freundschaftliche Beziehungen. Noch im Sommer 1939 nahm er an einer Geburtstagsfeier des britischen Archäologen Alan Wace (1879-1957) in Mykene teil. Er war kein praktizierender Jude. Schon seine Eltern hatten ihn protestantisch getauft. Er sah sich als voll integriertes Mitglied der deutschen Gesellschaft an und wartete auf die Verleihung des Reichsbürgerrechtes. Dass diese Hoffnung nicht ganz unberechtigt war, macht der Ausspruch Görings „Wer Jude ist, bestimme ich!“ deutlich.
Leseempfehlung Krumme 2012 Petrakos 1994 Vigener 2012
Trotz wichtiger Fürsprecher in deutschen Kreisen musste er im Herbst 1939 in die USA emigrieren. In Amerika wurde seine politische Gesinnung allerdings als so radikal eingestuft, dass das FBI über ihn eine Akte anlegte. Es stand der Vorwurf im Raum, dass Karo als Spion des Deutschen Reiches in Griechenland tätig gewesen sei. Er wurde als „Schläfer“ verdächtigt. Nach dem Krieg ließ er sich in Freiburg nieder und wurde dort zum Honorarprofessor ernannt. Zu Walther Wrede hat Michael Krumme einen Beitrag in den „Lebensbildern“ geschrieben. Wrede war der Sohn eines namhaften Germanistikprofessors. In den 20er Jahren kam er nach Griechenland und war von 1921 bis 1926 als Lehrer und dann als Leiter an den Deutschen Schulen in Athen und Thessaloniki tätig. 1927 wurde er Zweiter Direktor am DAI Athen. Zu seinen Vorgesetzten, Buschor und Karo, hatte er ein gutes Verhältnis. 1933 erschien seine Arbeit über die Mauern von Attika. 1934 wurde er Mitglied der NSDAP und engagierte sich in der neu gegründeten Landesgruppe Griechenland. 1935 stieg er zum Landesgruppenleiter auf und bekleidete somit das höchste Amt der NSDAP in Griechenland. Die Posten der Ortsgruppenleiter in Rom und Kairo wurden ebenfalls von Archäologen bekleidet.
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3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944
Leseempfehlung Jantzen 1986 Kyrieleis 1979 Schiering 1991
1937 wurde Wrede zum Ersten Direktor des DAI Athen ernannt. Die Zentraldirektion in Berlin hatte ursprünglich den Bauforscher Armin von Gerkan für diesen Posten vorgesehen. Eine Intervention von Hess und Goebbels führte jedoch kurzfristig zu einer erzwungenen Umdisponierung. Goebbels hatte Wrede 1936 auf seiner Reise durch Griechenland persönlich kennen und offensichtlich schätzen gelernt. Hitler entschied sich gegen den ausdrücklichen Wunsch des DAI-Präsidiums (Wiegand und Schede) für Wrede. Es war das erste Mal, dass sich das NS-Regime direkt in die Personalpolitik des DAI eingemischt hatte. Wrede war ein überzeugter Nazi, der dies demonstrativ zur Schau stellte. Seine Tagebücher, die er 1942 in Auszügen veröffentlichte, bringen ganz unverhohlen seine Begeisterung über die Besetzung Griechenlands zum Ausdruck. Nach dem Krieg war er als Mitarbeiter des DAI nicht mehr tragbar. Er ließ sich vorzeitig pensionieren und wurde ehrenamtlicher Mitarbeiter in der Bodendenkmalpflege. In seiner Entnazifizierungsakte findet sich erstaunlicherweise auch eine positive Stellungnahme seines jüdischen Lehrers Paul Jacobsthal. Zu Karl Kübler hat Wolfgang Schiering einen Nachruf verfasst. 1926 kam er zum ersten Mal nach Griechenland. Von 1927 bis 1943 arbeitete er auf dem Kerameikos in Athen. Zu seinen Mitarbeitern gehörten u.a. Willy Schwabacher und Peter Kahane, beide jüdischen Glaubens. 1935 wurden sie von der Grabung und aus dem DAI Athen ausgeschlossen. Sie fanden vorübergehend Aufnahme im ÖAI Athen unter der Leitung von Otto Walter. Wilhelm Kraiker und Kurt Gebauer waren ebenfalls als Assistenten für Kübler tätig. 1937 wurde Kübler zum Zweiten Direktor am DAI Athen ernannt. Nachdem er 1943 Griechenland verlassen musste, meldete er sich freiwillig zum Wehrdienst. Über seine Rolle während der Besatzungszeit ist wenig bekannt. Vermutlich gibt es Dokumente im Kerameikos, die hier noch Auskunft geben könnten. Nach dem Krieg ließ Kübler sich in Tübingen nieder und bearbeitete von dort aus das Material, das er in Athen angesammelt hatte. Dort pflegte er den Kontakt zu Wrede, der ebenfalls in Baden-Württemberg (Nagold) wohnhaft geworden war.
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3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944
Kübler ist nach dem Krieg nicht mehr nach Griechenland zurück gekehrt. Der Österreicher Otto Walter wurde in einer Publikation des ÖAI von Mitsopoulos-Leon gewürdigt. Er kam schon 1908 nach Griechenland. Er war mit der Griechin Olga Sakkopoulou verheiratet. Wie schon erwähnt, bot er nach 1933 Emigranten Schutz im ÖAI. Jantzen weist in seinen Memoiren darauf hin, dass im ÖAI „Schwule und Juden“ anzutreffen waren.
Leseempfehlung Mitsopoulos-Leon 1998 Wlach 1998
Der Anschluss Österreichs führte 1938 zur Eingliederung des ÖAI in das DAI. Walter wurde neben Kübler 2. Direktor des DAI Athen. Während er seinen Arbeitsplatz im Gebäude des ÖAI behielt, stellte er die ausführlichen Berichte „Archäologische Funde in Griechenland“ für den Archäologischen Anzeiger zusammen. In griechischen Archäologenkreisen war Walter sehr beliebt. Er galt als einer der wenigen Archäologen, die während der Besatzungszeit „korrekt“ und „unbescholten„ waren. Als einziger deutschsprachiger Archäologe unterstützte er 1940 die griechischen Kollegen bei ihren Schutzmaßnahmen in den Museen. Im Archiv des DAI Athen befinden sich Briefe, die Walter unmittelbar nach dem Krieg an das Archäologenehepaar Karouzo geschrieben hat. Sie sind sehr berührend, zeugen von Empathie und einer durchaus kritischen Selbstwahrnehmung. Ihn bedrückte auch sehr, dass er 1944 seine kranke Frau alleine in Athen zurücklassen musste. Er sollte sie nie wieder sehen. 1948 übernahm Walter einen Lehrstuhl an der Universität in Salzburg, anschließend in Wien. Er wurde 1953 emeritiert.
3.4. Grabungsleiter Olympia Zu dem wichtigsten Projekt des DAI gehörte zweifelsohne die Grabung im Heiligtum von Olympia. Die erste offizielle Grabungskampagne während der NSZeit fand im Frühjahr 1937 unter der Leitung von Roland Hampe und Ulf Jantzen statt. Zu beiden Archäologen liegen noch keine tiefer gehenden biographischen Untersuchungen vor. Was man über ihren Werdegang, ihre
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3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944
Lebensanschauung und ihre Aktivitäten während der Besatzungszeit weiß, stammt zum großen Teil von ihnen selbst, ist also eigenen Erzählungen oder Publikationen entnommen.
Leseempfehlung Jantzen 1986 Jantzen 1995 Krumme 2012 Fittschen 2000a
Ulf Jantzen war der Sohn eines berühmten Kunsthistorikers und arbeitete schon als 20jähriger für das DAI in Rom. 1936/37 kam er als Reisestipendiat nach Griechenland und wurde im Oktober 1937 Referent am DAI Athen. In seinem Nachruf weist Fittschen darauf hin, dass Jantzen schon 1936 auf Betreiben seiner Frau die Mitgliedschaft in NSDAP und SA aufkündigte. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass Kurt Gebauer, der eigentlich von Walther Wrede favorisiert wurde, für die Olympiagrabung nicht in Frage kam, da Ulf Jantzen aus „Parteigesichtspunkten“ besser passte. 1940 wurde Jantzen zum Militärdienst eingezogen. Während der Besatzungszeit war er für den Kunstschutz in Griechenland tätig. Beim Abzug der deutschen Truppen aus Griechenland schloss er am 12. Oktober 1944 gemeinsam mit Roland Hampe das DAI in Athen ab („Oberfähnrich R. Hampe und sein Untergebener Wachtmeister U. Jantzen“). Nach dem Krieg habilitierte er bei Friedrich Matz und wurde 1960 Professor in Hamburg. Von 1967 bis 1974, also während der griechischen Militärdiktatur, bekleidete er das Amt des Ersten Direktors im DAI Athen. Laut Fittschen soll er sich in dieser Zeit mit gefährdeten griechischen Kollegen solidarisiert haben. Roland Hampe war der Sohn eines angesehenen Geschichtsprofessors. Er erhielt 1934/35 das Reisestipendium und wurde 1936 Referent am DAI Athen. 1937 heiratete er die Athenerin Eleni Dragoumi. Seit 1938 war er Assistent an der Universität Würzburg und schloss dort seine Habilitation über den Wagenlenker von Delphi ab. Über Hampes politische Einstellung sowie seine militärischen Aktivitäten während der Besatzungszeit ist bisher nur wenig bekannt. In der Biographie seines Vaters wird erwähnt, dass Roland Hampe seit 1933 Mitglied der Reiter-SS war.
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3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944
Offensichtlich pendelte Hampe während der Besatzungszeit zwischen Deutschland und Griechenland hin und her. Er verfügte über beste Beziehungen zur Wehrmacht und zum Kunstschutz in Griechenland. Als Dolmetscher von General Felmy war er schließlich 1944 an der Organisation des Abzuges der deutschen Wehrmacht aus Griechenland beteiligt. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Hampe Professor in Kiel. Es folgte ein Ruf nach Mainz und schließlich nach Heidelberg, wo er bis zu seiner Emeritierung blieb. Auf der Homepage der Universität Heidelberg findet sich ein Hinweis, dass Hampe während der NS-Zeit Schwierigkeiten hatte, in Deutschland zum Dozenten ernannt zu werden. Es folgt keine Erklärung. Die Hintergründe (Alter, kriegswichtige Funktion, politische Gesinnung?) bleiben im Dunklen.
Leseempfehlung Hampe 1937 Hampe 1955 Hampe 1994 Hölscher 1988 Reichert 2009
1950 publizierte Hampe in der Zeitschrift Gnomon eine Rezension zu den oben genannten Kulturschutzberichten. Seine Bewertung der von Griechen und Briten erstellten Kulturschutzberichte liest sich in weiten Teilen wie eine Apologie des deutschen Kunstschutzes. Das DAI Athen wird nur am Rande erwähnt. Viele vermeintliche Diebstähle stuft er als „Verschleppungen“ ein, d.h. die entwendeten Objekte gingen nach Kriegsende wieder zurück nach Griechenland. Bei kleineren Objekten handelte es sich seiner Meinung nach um die gängige „Mitnahme von Souvenirs“. Hampe listet Schäden auf, die durch griechische, italienische oder britische Truppen verursacht wurden und betont, dass der deutsche Kunstschutz seine originäre Bestimmung, „Kunst zu schützen“, nachweislich erfüllt hat. Das einzige Defizit des Kunstschutzes sieht er in der mangelnden Ausstattung mit Personal und Ressourcen. Offen bleibt, von wem er seine Detailinformationen hat. So weiß er über den Verlauf bestimmter archäologischer Kampagnen und den Verbleib einiger Kunstschätze erstaunlich gut Bescheid. Auch kennt er alle Details der deutschen Dokumente und wirft den griechischen Kollegen vor, diese „bruchstückhaft und sinnentleerend“ wiederzugeben. Durch die mehrfache Erwähnung des Bürgerkrieges („griechisch-britische Kampfhandlungen“, „Partisanenkämpfe“) wirkt die deutsche Besatzungszeit eher wie
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3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944
eine harmlose Episode, die nicht gravierend aus dem historischen Rahmen fällt: „Diese Parallelbeispiele nehmen den Ereignissen während der Besatzungszeit doch den Stachel der Singularität und damit viel von ihrer Schärfe“.
Leseempfehlung Fittschen 1995a Herrmann 2001 Schiering 1995
In einer weiteren 1955 erschienenen Monographie, streicht Hampe heraus, dass er selbst als Dolmetscher des Generals Hellmuth Felmy daran mitwirkte, dass Athen beim Abzug der deutschen Soldaten im Herbst 1944 nicht zerstört wurde. Im Oktober 1937 übernahmen Hans Schleif und Emil Kunze die Leitung der Olympiagrabung. Auf die Hintergründe für diesen personellen Wechsel ist in der bisherigen Literatur nicht eingegangen worden. Klaus Hermann deutet in einem Artikel zur Grabungsgeschichte von Olympia vorausgehende „unerfreuliche Querelen und Pressionen“ an. Vielleicht spielte es eine Rolle, dass das etwas ältere Team Schleif-Kunze über mehr Grabungserfahrung und bessere Kontakte in Griechenland verfügte. Schleif war für Technik und Baugeschichte zuständig, während Kunze den archäologischen Part betreute. Beide unterstanden dem Direktor des DAI Athen, Walther Wrede, konnten aber aufgrund ihrer Expertise unabhängig von ihm agieren, selbständig wissenschaftlich arbeiten und publizieren. Zur Person von Emil Kunze ist bisher erstaunlich wenig geschrieben worden. In den Nachrufen von Klaus Fittschen und Wolfgang Schiering wird hauptsächlich auf seinen beruflichen Werdegang eingegangen. In die „Lebensbilder“ von Brands und Maischberger wurde er trotz seiner Bedeutung für das DAI Athen nicht mit aufgenommen. Kunze kam schon 1926/27 als Reisestipendiat nach Griechenland. Er nahm an verschiedenen Ausgrabungen statt, u.a. in Tiryns und Orchomenos. 1931 heiratete er die Griechin Athina Drinis, die eng mit der angesehenen Archäologin Semni Karouzou befreundet war. 1937 wurde er zum Beamten an der Abteilung Athen ernannt und Grabungsleiter von Olympia. 1944 mussten die Grabungen dort eingestellt werden. 1950 kam er auf Einladung der British School at Athens nach Griechenland zurück. Er nutzte die Gelegenheit, um Gespräche mit griechischen Freunden und Dienststel-
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3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944
len zu führen. Trotz der Einwände der Alliierten war der griechische Staat bereit, das DAI-Gebäude wieder freizugeben. Im Frühsommer 1951 konnte das DAI Athen seine Arbeit in Griechenland wieder aufnehmen. Im Herbst 1952 wurden die Grabungen in Olympia und Samos fortgesetzt. Kunze war von 1951-1966 Erster Direktor des DAI Athen. Relativ reich ist das Material zu Hans Schleif. Mit seinem Leben haben sich bisher drei Archäologen intensiver beschäftigt: Klaus Herrmann (1988), Veit Stürmer (2002) und Stephan Lehmann (2012). Der Schauspieler Matthias Neukirch setzt sich in dem Theaterstück „Hans Schleif - eine Spurensuche“ auf sehr persönliche Weise mit dem Leben seines Großvaters auseinander. Er und der Regisseur Julian Klein haben intensiv recherchiert, in privaten und staatlichen Archiven wichtige Dokumente und Informationen zu Tage gebracht. 1927/28 erhielt Schleif das Reisestipendium des DAI, übrigens gemeinsam mit Karl Kübler. Als Dörpfeld Ende der 20er Jahre erblindete, wurde Schleif seine rechte Hand. Dörpfeld war sein wichtigster Mentor und väterlicher Freund. Die Bezeichnung „Firma Dörpfeld & Sohn“ machte in Archäologenkreisen die Runde. Schleif war extrem begabt und ehrgeizig. Er war ein ausgezeichneter Architekt und Bauforscher und strebte eine Professur an der TU Berlin an. Es kam jedoch ganz anders: von 1937 bis 1942 war er gemeinsam mit Kunze für die Ausgrabung in Olympia zuständig. 1938 wurde er zum Reichsbeamten am DAI ernannt. Parallel dazu machte er eine rasante Karriere in der SS. Seit 1935 war er in Himmlers Organisation „Deutsches Ahnenerbe“ eingebunden und gehörte zur Führungselite der SS. 1939 war Schleif in Polen für die Beschlagnahme von Kulturgütern sowie die SS-Grabung in Biskupin verantwortlich. Ob er auch in Griechenland an verbrecherischen Aktionen beteiligt war, lässt sich zurzeit nicht nachweisen. Seit 1943 nahm Schleif im SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt in Berlin eine führende Position ein. Er war dort in Amt C für Bauwesen unter SS-Gruppenführer Hans Kammler am Ausbau der unterirdischen Waffenproduktion und der Konstruktion von Konzentrationslagern beteiligt. Schleif wurde Kammlers rechte Hand und verfügte über viele interne Kenntnisse im Stab. In dieser Position muss er vom Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen und der Vernichtung von KZ-Häftlingen gewusst haben.
Leseempfehlung Dörpfeld 1942 Herrmann 1988b Herrmann 2001 Kater 2006 Lehmann 2012 Stürmer 2002
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4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944
Über seine unmittelbare Beteiligung und Verantwortung ist noch recht wenig bekannt. Am 27. April 1945 tötete Hans Schleif seine zweite Ehefrau, seine beiden Zwillingssöhne und anschließend sich selbst.
Leseempfehlung Diem 1937 Kinkel 2002 Meid 2011 Mylona 2014 Wiskott 1936 Zacharia 2015
In Olympia wurde Schleif durch die beiden Architekten Ulrich Schneider (1911-1945?) und Ernst Samesreuther (1908-1995) unterstützt. Die in Darmstadt lebende Tochter von Samesreuther verfügt über ein Fotokonvolut aus dieser Zeit, das sie dem DAI Athen zukünftig zur Verfügung stellen möchte (mündliche Auskunft). Möglicherweise ergeben sich daraus weitere Anhaltspunkte zu den Ausgrabungen in Olympia. Der Geophysiker Artur Kolodziey hat im Rahmen einer Studie zu den unterirdischen Anlagen Kammlers auch neues Material über Schleif zusammengetragen. Eine Publikation ist in Vorbereitung.
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Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944
Nach der Präsentation der Hauptakteure, soll nun ihr Tätigkeitsfeld vorgestellt werden.
4.1. Olympiade und „Führergrabung“ Die Olympiade von 1936 führte zu einer deutlichen Intensivierung der Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland. Auf allen Ebenen – politisch, kulturell, wirtschaftlich und militärisch – fand ein reger Austausch statt. Griechische Politiker und Militärangehörige nutzten den Besuch der Olympiade in Berlin, um Absprachen zu treffen, die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit zu intensivieren. Der Sportfunktionär Carl Diem trug dazu bei, dass die Kultur Griechenlands in der deutschen Öffentlichkeit verstärkt wahrgenommen wurde. Er initiierte den Olympischen Fackellauf, den es in dieser Form in der Antike nicht gegeben hat. Bilder des griechischen Fackelläufers Konstantin Kondylis gingen 1936 um die ganze Welt. Die Popularität Griechenlands hatte ihren Höhepunkt erreicht. 1936 drehte Leni Riefenstahl ihren Film „Olympia“. Sie ließ sich dabei von der griechischen Fotografin Nelly´s (Elli
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4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944
Sougioultzoglou-Seraidari) beraten. In Griechenland erhielt sie zusätzliche Unterstützung durch Walther Wrede, der damals noch Zweiter Direktor des DAI Athen war. In Olympia und anderen antiken Stätten stellte sie die Szene des Fackellaufs mit dem russischstämmigen Anatol Dobriansky nach. Für die Realisierung des Olympia-Films erhielt Riefenstahl insgesamt 1,5 Millionen Reichsmark (davon 400.000 RM Honorar). Griechenland erlebte aus deutscher Sicht einen regelrechten Aufschwung. Deutsche Reiseliteratur zu Griechenland wurde populär. Touristen bereisten das Land, besuchten antike Stätten wie Athen, Delphi, Delos und Olympia.
Leseempfehlung Junker 1997 Koutsoukou 2010 Sünderhauf 2004 Wolbert 1982
Auch das DAI profitierte von der Griechenlandbegeisterung in Deutschland. Die Olympiade war der Motor für die großflächige Ausgrabung von Olympia. Diese wurde als „Führergrabung“ bezeichnet und direkt von Hitler aus den Erlösen seines Buches „Mein Kampf“ finanziert (seit 1938: 50.000 RM jährlich). Hitler hatte mehrere Einnahmequellen, für die er keine Steuern zahlen musste. Allein an dem Buch „Mein Kampf“ verdiente er bis Kriegsende fast 8 Millionen Reichsmark. Ihm standen der Dispositionsfonds des Staatsoberhauptes und der Etat des Reichskanzlers „zu allgemeinen Zwecken“ zur Verfügung. Seine Ausgaben wurden weder durch den Reichstag noch durch einen Rechnungshof kontrolliert. Die deutschen Zeitungen berichteten ausführlich über das Prestigeprojekt des DAI. Wie selten zuvor standen die archäologischen Forschungen im Fokus der Medien und erfreuten sich großer Wertschätzung in der deutschen Öffentlichkeit. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im September 1939 bedeutete keine Einschränkung der Aktivitäten des DAI in Griechenland. Erst ein Jahr später führte der griechisch-italienische Krieg dazu, dass auf Anordnung der griechischen Regierung alle Ausgrabungen stillgelegt wurden. Die Pause hielt ca. 8 Monate an. Sofort nach dem Einmarsch der Wehrmacht im April 1941 nahm das Institut wieder seine Grabungstätigkeit auf. Diese konzentrierte sich jetzt hauptsächlich auf Olympia und den Kerameikos.
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4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944
4.2. Olympia: Ausgrabungen und Publikationen
Leseempfehlung Kyrieleis 1979 Kyrieleis 2002
Die Grabung in Olympia wurde am 14. Mai 1941 fortgesetzt. Dabei war die neue Situation durchaus von Vorteil für das DAI, denn im November 1941 erstellte ein Vermessungstrupp der Wehrmacht einen neuen Plan des Geländes. Eine Reihe von Publikationen dokumentiert die bruchlose Kontinuität der archäologischen Forschung vor, während und nach der Besatzungszeit. Der griechisch-italienische Krieg stellte eine kurze Zäsur dar. Es folgten die archäologischen Großgrabungen in Olympia. Die Phase nach 1944, in der das DAI Athen geschlossen war, wurde schließlich dazu genutzt, die Forschungsberichte fertig zu stellen. Publikationen zu Olympia: ►► E. Kunze und H. Schleif, Berichte über die Ausgrabungen in Olympia I. Herbst 1936-Frühjahr 1939 (1937) ►► E. Kunze und H. Schleif, Berichte über die Ausgrabungen in Olympia II. Winter 1937/38 (1938) ►► E. Kunze und H. Schleif, Berichte über die Ausgrabungen in Olympia III. Winter 1938/39. Mit Beiträgen von R. Eilmann (1939) ►► E. Kunze und H. Schleif, Berichte über die Ausgrabungen in Olympia IV. 1940 und 1941. Mit Beiträgen von R. Eilmann und U. Jantzen (1944) ►► E. Kunze und Hans Schleif, Olympische Forschungen I (1944) ►► E. Kunze, Archaische Schildbänder. Ein Beitrag zur frühgriechischen Bildgeschichte und Sagenüberlieferung, Olympische Forschungen II (1950) ►► E. Kunze, Berichte über die Ausgrabungen in Olympia V. Winter 1941 und 1942. Herbst 1952. Mit Beiträgen von H.-V. Herrmann und H. Weber (1956) Während der Besatzungszeit wurde Band IV der Berichte über die Ausgrabungen in Olympia fertig gestellt. In der Einleitung von 1944 bedanken sich Schleif und Kunze ausdrücklich bei Reichsführer Heinrich Himmler, dass er Sturmbannführer Hans Schleif für die Arbeit in Olympia freigestellt hat:
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4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944
„Dem Unternehmen waren natürlich mannigfaltige und wechselnde äußere Hindernisse im Wege. Sie zu überwinden half außer dem Verständnis aller zuständigen Behörden zumal das tätig bezeugte Interesse führender Männer des Reiches. Ihnen zu danken sei daher unsere erste Pflicht. Im Dezember 1939 besuchte der Reichssportführer v. Tschammer und Osten die noch verwaiste Grabungsstätte und unterrichtete sich über die den Wiederbeginn hemmenden Umstände. Seinem persönlichen Eingreifen ist es vor allem zu danken, dass wenige Wochen danach die Voraussetzungen geschaffen waren, um die erste Kriegskampagne mit nur geringer Verzögerung einzuleiten und planmäßig durchzuführen. Auch danken wir ihm für das kostbare Geschenk eines starken Rundfunkempfängers, der seither das Grabungshaus, das im Verlauf des Krieges mehrfach von jeder Verbindung abgeschnitten war, stetig mit der Heimat verknüpft. Die Weiterführung der Grabung vom Herbst 1940 ab hat der Reichsführer SS Heinrich Himmler durch persönliche und tatkräftige Anteilnahme besonders gefördert: er stellte ihren leitenden Architekten, SS-Sturmbannführer H. Schleif, nach einjährigem Einsatz im Generalgouvernement und in den wiedergewonnenen deutschen Ostgebieten für die Arbeiten in Olympia frei. Und nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Griechenland beauftragte er bei Gelegenheit seines kurzen Aufenthaltes in Athen das SD-Einsatzkommando Athen, die geplante sofortige Wiederaufnahme der Olympia-Grabung nach Kräften zu fördern. Ohne die Unterstützung, die uns die genannte Dienststelle vielfach zu Teil werden ließ, wäre es nicht möglich gewesen, die Grabung knapp vierzehn Tage nach Abschluß des Balkanfeldzuges wieder in Gang zu bringen.“
Leseempfehlung Richter 1997
Der Einmarsch der deutschen Truppen in Griechenland wird ebenfalls erwähnt: „Am 6. April 1941 überschritten die deutschen Truppen die griechische Grenze, am 27. April betraten deutsche Gebirgsjäger den Boden Athens. Am 28. April kam als einziger geschlossener Truppenverband eine Abteilung der Leibstandarte SS Adolf Hitler auch nach Olympia. Im olympischen Stadion versammelte ihr Kommandeur, SS-Obergruppenführer Sepp Dietrich, seine Mannschaft und hielt an dieser ehrwürdigen Stätte vor den Soldaten des Führers eine Ansprache.“
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4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944
Die Ausgrabungen des DAI Athen konzentrierten sich auf die Peripherie des heiligen Bezirks von Olympia: das Stadion sowie die römischen Anlagen am Leonidaion und am Kladeos. Weiterhin nahm Schleif die Neuveröffentlichung des Philippeion in Angriff.
Leseempfehlung Vigener 2012
Grabungsplan Olympia von Hans Schleif
Roland Hampe publizierte etwa zeitgleich mit Kunze und Schleif seine Ergebnisse zu Olympia in verschiedenen Zeitschriften. Die Zeitschrift „Forschungen und Fortschritte“ hatte einen halbamtlichen Charakter und diente in erster Linie der Kulturpropaganda im Ausland. Auch die Zeitschrift Pantheon war eher populärwissenschaftlich ausgerichtet und für ein breites Publikum gedacht. ►► R. Hampe und U. Jantzen, Die Grabung im Frühjahr 1937, Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 53, 1937, S. 25-97 ►► R. Hampe, Ein bronzenes Beschlagblech aus Olympia. Nachtrag zum Grabungsbericht 1937, Archäologischer Anzeiger. Beiblatt zum Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts. Berlin. (53) 1938, Sp. 359-369 ►► R. Hampe, Die neuen deutschen Ausgrabungen in Olympia, Die Antike 14, 1938, S. 243-248 ►► R. Hampe, Olympia. Die Grabung im Frühjahr 1937, Forschungen und Fortschritte 14, 1938, S. 277-279 ►► R. Hampe, Neue Funde aus Olympia, Die Antike 15, 1939, S. 19-50
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4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944
►► R. Hampe, Olympiafunde (eine Auswahl), Pantheon 27, 1941, S. 97-101 ►► R. Hampe, Olympiafunde, Pantheon 29, 1942, S. 125128
4.3. Kerameikos: Ausgrabungen und Publikationen Die Arbeiten auf dem Kerameikos gingen ebenfalls während der Besatzungszeit ohne große Einschnitte weiter.
Leseempfehlung Stroszeck 2014
Publikationen zum Kerameikos: ►► W. Kraiker, Kerameikos. Ergebnisse der Ausgrabungen I. Die Nekropolen des 12. bis 10. Jahrhunderts (1939) ►► K. Gebauer, Ausgrabungen im Kerameikos, AA 1940, S. 308–362 ►► H. Riemann, Kerameikos. Ergebnisse der Ausgrabungen II. Die Skulpturen vom 5. Jahrhundert bis in Römische Zeit (1940) ►► W. Peek, Kerameikos. Ergebnisse der Ausgrabungen III. Inschriften, Ostraka, Fluchtafeln (1941) ►► K. Kübler, in: H. Berve (Hrsg.), Das neue Bild der Antike (1942) Bd. I S. 35ff. ►► K. Kübler, Kerameikos. Ergebnisse der Ausgrabungen IV. Neufunde aus der Nekropole des 11. und 10. Jahrhunderts (1943) ►► K. Kübler, Kerameikos. Ergebnisse der Ausgrabungen V 1. Die Nekropole des 10. bis 8. Jhs. (1954) Werner Peek, der seit 1934 in der NSDAP-Ortgruppe Athen aktiv war, widmete seinen 1941 erschienen Band III „Den Freunden in Athen“. Im Vorwort wird deutlich, dass damit in erster Linie die deutschen Freunde gemeint waren. Die Wissenschaftsgeschichte hat sich noch nicht mit der Frage beschäftigt, ob die äußeren politischen Umstände in Deutschland und Griechenland einen Einfluss auf die Ausrichtung der Forschung sowie auf Form und Inhalt der Publikationen hatten. Es ist auch nicht bekannt, ob führende Politiker wie Hitler, Goebbels, Hess und Göring mit den Ergebnissen der Archäologen zufrieden waren und dies öffentlich kundtaten. Das DAI legte jedenfalls auch in dieser Zeit Wert auf eine seriöse und wissenschaftliche Arbeitsweise.
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4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944
Bei den vorgelegten Büchern handelt es sich um Standardwerke, die heute noch Gültigkeit haben.
4.4. Kreta: Ausgrabungen und Puplikationen
Leseempfehlung Andreae 1988 Hiller 1995 Matz 1951
Weitere archäologische Unternehmungen fanden 1942 in Zusammenarbeit mit dem Kunstschutz und der Wehrmacht auf Kreta statt. Alexander Andrae, General der Luftwaffe, wollte mit der fachmännischen Unterstützung von DAI und Kunstschutz ein zukunftsweisendes Großprojekt ins Leben rufen. Eine ganze Armada deutscher Archäologen schwärmte daraufhin auf Kreta aus, um einen möglichst ergiebigen Grabungsplatz zu finden. Da der General ungeduldig wurde, einigte man sich schließlich auf verschiedene kleine Grabungen in West- und Mittelkreta. Der erhoffte Jahrhundertfund blieb allerdings aus. Die Ergebnisse der Ausgrabungen fanden 1951 ihren Niederschlag in der Publikation von Friedrich Matz, der ebenfalls an der Aktion beteiligt war.
Archäologische Aktivitäten auf Kreta im Jahr 1942
Inhaltsverzeichnis: ►► Friedrich Matz, Vorwort ►► Ulf Jantzen, Die Kumaro-Höhle ►► August Schörgendorfer, Ein mittelminoisches Tholosgrab vei Apesokari ►► August Schörgendorfer, Die minoische Siedlung von Apesokari ►► Ernst Kirsten, Die Grabung auf der Charakeshöhe bei Monastiraki I ►► Kimon Grundmann, Die Grabung auf der Charakeshöhe bei Monastiraki II ►► Ulf Jantzen, Die spätminoische Nekropole von Kydonia
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4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944
►► ►► ►► ►► ►►
Heinrich Drerup, Spätminoischer Vasenfund bei Suda Heinrich Drerup, Paläokastro-Aptara Heinrich Drerup, Zweizelliges Heiligtum in Aptara Gabriel Welter, Das Diktynnaion Ernst Kirsten, Siedlungsgeschichtliche Forschungen in Westkreta ►► Verzeichnis der Ortsnamen ►► Tafelverzeichnis In den frühen 50er Jahren erschienen englisch- und französischsprachige Rezensionen zu dem Sammelband. Einleitend wird angemerkt, dass das DAI nur im Zusammenhang mit der militärischen Besetzung Kretas die Forschungen durchführen konnte. Auf die wissenschaftliche Qualität des Werkes hatte dies offensichtlich keinen Einfluss.
Leseempfehlung Fortounas 2012 Petrakos 1994 Wünsche 1988
4.5. Sonstige Ausgrabungen und Publikationen Sehr umstritten sind die archäologischen Aktivitäten von Gabriel Welter während der Besatzungszeit. Dass er mit DAI und Kunstschutz gut vernetzt war, demonstriert seine Teilnahme an der eben beschriebenen Aktion auf Kreta. Während der Besatzungszeit hielt sich Welter hauptsächlich auf der Insel Ägina auf, wo er ein großes Haus besaß. Bei der einheimischen Bevölkerung hinterließ er einen negativen Eindruck. Argyris Fortounas hat in seinen Memoiren festgehalten, dass sich Welter während der Besatzungszeit als Befehlshaber aufspielte und der Kommandantur mehrfach seine Dienste anbot. Er soll an illegalen Ausgrabungen und dem Diebstahl von antiken Objekten mitgewirkt haben. Fortounas schreibt: „Die Rolle dieses Menschen in jener Zeit war undurchsichtig und schwer zu verstehen. Das habe ich auch seinem Enkel gesagt, der (…) im Sommer 2011 nach Ägina kam. Ein sympathischer junger Holländer, der wirklich betroffen war, als ich ihm von dem Verhalten seines Großvaters während der Besatzungszeit erzählte“. Nach dem Krieg heiratete Welter in zweiter Ehe die Griechin Marika Stini und blieb bis zu seinem Tod in Athen. Die Richterin Gabriele Goumas hat mich auf die Publikationen von Fortounas aufmerksam gemacht. Sie bereitet zur Zeit eine deutsche Übersetzung vor.
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5. Zusammenarbeit mit dem Kunstschutz der Wehrmacht
5.
Leseempfehlung Hiller 1995 Jantzen 1995 Junker 1997 Petrakos 1994
Zusammenarbeit mit dem Kunstschutz der Wehrmacht
Fließend waren die Grenzen zwischen den offiziellen Angehörigen des DAI Athen und den Mitarbeitern des Kunstschutzes. Beim Kunstschutz handelte es sich im Prinzip um eine Elitetruppe, den verlängerten militärischen Arm des DAI. DAI-Präsident Martin Schede konnte aufgrund seiner guten Kontakte in Berlin direkten Einfluss darauf nehmen, wer für den Kunstschutz in Griechenland ausgewählt wurde. Ulf Jantzen und Wilhelm Kraiker waren dem DAI Athen als ehemalige Mitarbeiter gut bekannt. Weitere Vertreter des Kunstschutzes waren u.a. Hans-Ulrich von Schoenebeck, Ernst Kirsten und Ludger Alscher. Roland Hampe war an größeren Aktionen des Kunstschutzes nicht direkt beteiligt, verfügte aber offensichtlich über enge Kontakte und Insiderkenntnisse. Es ist noch zu klären, ob die Tätigkeit im Kunstschutz eine (bewusste) „Ausweichmöglichkeit“ zum Einsatz an der Front bot.
5.1. Merkblätter und sonstige Publikationen Der Kunstschutz koordinierte die Veröffentlichung der "Merkblätter für den deutschen Soldaten an den geschichtlichen Stätten Griechenlands". Es wurden insgesamt 466.200 Exemplare gedruckt, von denen heute wegen der schlechten Papierqualität nur noch wenige erhalten sind. Die Merkblätter enthielten Beschreibungen der antiken Stätten. Sie hatten eine erzieherische Funktion und waren mit Verhaltensrichtlinien für die deutschen Soldaten versehen, zum Beispiel: "Soldaten, achtet die Ruinenstätten, welche Jahrtausende überdauert haben und weiter Jahrtausende überdauern sollen. Wer seinen Namen in den Marmor kratzt, verschandelt das Zeugnis einer großen Vergangenheit. Kunst und Kultur des Griechentums sind erschlossen und lebendig durch Tatkraft und Geist deutscher Männer. Urinieren an Marmorsäulen verdirbt den Marmor, hat Beschädigungen der Kunstwerke zur Folge und ist eine Disziplinlosigkeit."
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5. Zusammenarbeit mit dem Kunstschutz der Wehrmacht
Leseempfehlung Bohtz 1944 Kirsten-Kraiker 1955 Schoenebeck-Kraiker 1943
Merkblätter zum antiken Athen
Außer den Merkblättern wurden während der Besatzung noch Bücher verfasst, an denen bedeutende Wissenschaftler wie Andreas Rumpf, Gerhardt Rodenwaldt, Ernst Buschor und Wolfgang Schadewaldt beteiligt waren. Das 1944 erschienene Buch über die Peloponnes trug auf seinem Titelblatt die Widmung "Von Soldaten für Soldaten"! Das vom Kunstschutz gesammelte Material (Fotos, Zeichnungen und Texte) wurde nach dem Krieg für weiterführende Forschungen und Publikationen genutzt. In den 50er Jahren erschien beispielsweise das Standardwerk die „Griechenlandkunde“ von Kirsten und Kraiker. In der Einleitung sucht man vergeblich nach einem Hinweis darauf, unter welchen Bedingungen die Inhalte zustande gekommen sind.
5.2. Prospektion und Luftbildaufnahmen Während der Besatzungszeit wurde ein umfangreiches Luftbildarchiv aufgebaut. Das DAI erhielt von der Luftwaffe über 10.000 Fotos, bei denen es sich hauptsächlich um Reihenaufnahmen von Athen und Attika handelte. 1942 wurde die Sammlung durch Luftbilder von Kreta ergänzt. Das Ziel, ganz Griechenland aus der Luft zu erfassen, konnte nicht erreicht werden.
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5. Zusammenarbeit mit dem Kunstschutz der Wehrmacht
Leseempfehlung Hiller 1995
Luftbild von Athen aus dem Jahr 1941: Agora mit Hephaistos-Tempel („Theseion“), Straße Apostolou Pavlou, Nymphenhügel, Philopapposhügel („Musenhügel“), Pnyxhügel, Sternwarte und Kirche Agia Marina
Luftbild von 2013 (google earth): veränderter Straßenverlauf, keine Durchfahrt mehr vor dem Hephaistos-Tempel, größere Grünflächen, neue Plätze und Fußwege, denkmalgerechte Maßnahmen und touristische Nutzung
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5. Zusammenarbeit mit dem Kunstschutz der Wehrmacht
Die Negative der Luftbilder sind heute zum großen Teil verschollen bzw. schwer auffindbar. Die Positive im Archiv des DAI Athen können von interessierten Wissenschaftlern eingesehen werden. Sie harren noch einer wissenschaftlichen Aufarbeitung und sind aus heutiger Sicht interessant, da die Topographie von Athen und Attika in den vergangenen 70 Jahren stark verändert worden ist.
5.3. Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit Ein weiterer Punkt, der bereits in der Einführung erwähnt wurde, ist die propagandistische Nutzung der antiken Stätten. Politiker und Angehörige der Wehrmacht liebten es, in antiker Kulisse zu posieren und damit auch die kulturelle Überlegenheit Deutschlands zum Ausdruck zu bringen. Von diesen Inszenierungen zeugt reiches Fotomaterial. Bei den Besichtigungen antiker Stätten wurden sie häufig von Archäologen des DAI oder des Kunstschutzes beraten und begleitet
Leseempfehlung Mathiopoulos 1982 Mathiopoulos 2006
Deutsche Soldaten auf der Akropolis 1941
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5. Zusammenarbeit mit dem Kunstschutz der Wehrmacht
Leseempfehlung Fleischer 1988 Mazower 1993 Richter 1997
Nachrichtenhelferinnen vor den Propyl채en
Luftwaffendivision vor den Propyl채en
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5. Zusammenarbeit mit dem Kunstschutz der Wehrmacht
Leseempfehlung Charalambidis 2012 Meyer 2008 Schminck-Gustavus 2013
Gebirgsjäger der EdelweiĂ&#x;-Division im Parthenon
Die Wehrmacht in Delphi
Die Wehrmacht in Phaistos auf Kreta
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6. Kontroverse mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg
5.4. Ausgrabungen
Leseempfehlung Alram-Stern 2015 Hiller 1995 Miller 2012 Piper 2005
Direkt nach der Besetzung Kretas ordnete der Kommandeur der 5. Gebirgsdivision, Julius Ringel, Ausgrabungen in Knossos an. Im Herbst 1941 wurden diese auf einem 20 x 20m großen Areal in der Nähe des Kleinen Palastes durchgeführt. Die Grabungsmannschaft bestand aus griechischen Kriegsgefangenen. Vom Kunstschutz war Ulf Jantzen beteiligt.
6.
Kontroverse mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg
Der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) wurde 1940 gegründet. Benannt wurde er nach dem Chefideologen der NSDAP Alfred Rosenberg. Rosenberg war von 1941 bis 45 Leiter des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete (RMfdbO). 1946 wurde er im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß zum Tode verurteilt. Bei dem ERR handelte sich um eine „Special Task Force”, die für den Raub und die Plünderung von Kulturschätzen in den besetzten Gebieten zuständig war. Dazu gehörten auch Wertgegenstände (Schmuck, Kunstgegenstände und kostbare Bücher) aus jüdischem Besitz. In Griechenland waren fünf Sonderstäbe für den ERR tätig. Zwei davon konzentrierten sich auf die Archäologie: der Sonderstab Vorgeschichte und der Sonderstab Altertumskunde. Ihre Aktivitäten zielten darauf ab, die rassisch-völkische Ideologie – Entstehung der griechischen Hochkultur unter dem Einfluss nordischer Einwanderer – zu untermauern. Mitarbeiter des Sonderstabes Vorgeschichte in Griechenland: Hans Reinerth (1900-1990), Rudolf Stampfuss (19041978), Waldemar Stössel (Lebensdaten unbekannt). Mitarbeiter des Sonderstabes Griechische Altertumskunde in Griechenland: Richard Harder (1896-1957), Otto Wilhelm von Vacano (1910-1997), Sigfried Lauffer (1911-1986) Der Archäologe Otto Wilhelm von Vacano versuchte bei seinen Ausgrabungen in der Umgebung von Sparta die
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6. Kontroverse mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg
gewünschten "Spuren der vorgriechischen (d.h. germanischen) Bevölkerung“ nachzuweisen. Für Ausgrabungen in Thessalien, Euböa und Lakonien wurden bei der griechischen Regierung Genehmigungen beantragt. Ein sehr scharf formuliertes Schreiben des Gräzisten Richard Harder vom Sonderstab Altertumskunde an den Bevollmächtigten des Reiches in Griechenland macht allerdings deutlich, dass dieser formale Akt eine reine Farce war.
Leseempfehlung Schöbel 2015
Reinerth führte topographische Forschungen in Lakonien sowie Ausgrabungen in Chalkis und bei Velostino durch. Während des Krieges wurde das Grabungsmaterial illegal nach Deutschland gebracht. Erst vor wenigen Jahren wurde ein Teil der Funde im Pfahlbaumuseum am Bodensee wieder „entdeckt“. Als langjähriger Direktor des Museums konnte Hans Reinerth das Material dort mehrere Jahrzehnte lang ungestört lagern. Sein Nachfolger, der jetzige Direktor Gunter Schöbel, brachte die Funde 2014 in einer offiziellen Zeremonie wieder zurück nach Griechenland. Er bereitet zurzeit eine Publikation zu diesem Thema vor.
Über 10.000 Fragmente neolithischer Keramik wurden 2014 vom Pfahlbaumuseum Unteruhldingen an Griechenland zurückgegeben
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6. Kontroverse mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg
Leseempfehlung Edsel 2014
Karte aus einem Schulatlas von 1938: Ausstrahlung der „nordischen Rasse“ bis nach China, Indien und Sibirien
Bemerkenswert ist auch in diesem Fall, dass während der Besatzungszeit begonnene Projekte bruchlos nach dem Krieg weitergeführt werden konnten. In den 50er Jahren wurden bei deutschen Ausgrabungen in Thessalien Unterlagen der ERR-Mitarbeiter Reinerth und Stössel wieder verwendet (freundlicher Hinweis Gunter Schöbel).
Karte des „Monument Man“ Isaac Bencowitz von 1946: Darstellung der Raubzüge des ERR in Europa
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7. Pläne der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe der SS
Das Deutsche Archäologische Institut bekämpfte offen den ERR. Es störte sich nicht an dessen ideologischer Ausrichtung, sondern befürchtete in erster Linie einen Machtverlust. Zu Kompetenzstreitigkeiten führten vorwiegend die Ausgrabungen von Hans Reinerth. Mit Hilfe des Auswärtigen Amtes wurde schließlich erreicht, dass der ERR 1942 keine weiteren Ausgrabungen in Griechenland mehr durchführen konnte.
7.
Pläne der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe der SS
Eine ähnliche Ideologie wie das Amt Rosenberg verfolgte Himmlers SS-Forschungs- und Lebensgemeinschaft Das Ahnenerbe. Das Ahnenerbe sollte dem Ursprung der arischen Rasse auf den Grund gehen. Das Ergebnis – Abstammung der antiken Griechen von den Germanen – war freilich schon vorgegeben.
Leseempfehlung Boehringer 1973 Conze 2010 Gebauer 1939 Kater 2006 Koerfer 2013 Pinkwart 1988 Sailer 2014
Im Mai 1941 wurde Himmler von Schleif durch Sparta geführt. Es entstand die Idee eines gemeinsamen Projektes. Himmler beantragte daraufhin beim DAI eine Grabungserlaubnis, wobei er darauf hinwies, dass er die Untersuchungen aus eigenen Mitteln finanzieren würde. Hauptverantwortlicher sollte „SS-Hauptsturmführer Prof. Dr. Schleif“ sein. Trotz der Unterstützung des DAI und der offiziellen Genehmigung des griechischen Kultusministeriums kam die Grabung nicht zustande.
8.
Funktion des Auswärtigen Amtes
Seit 1940 war der Archäologe Erich Boehringer an der deutschen Gesandtschaft in Athen tätig. Er hatte eine enge Beziehung zu den Mitarbeitern des DAI und sorgte in seiner Funktion als Kulturattaché u. a. dafür, dass die ausländischen archäologischen Institute in Athen während der Besatzungszeit nicht geschlossen wurden. Auch verhinderte er angeblich die Beschlagnahme ihrer Gebäude durch die Wehrmacht. An der Vertreibung des ERR aus Griechenland war er aktiv beteiligt. 1946 erhielt Boehringer in Göttingen einen Lehrauftrag für „klassische Archäologie, Ausgrabungswesen, antike Ikonographie und Numismatik“. 1954 wurde er zum Präsidenten des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin gewählt.
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9. Konflikte: Diebstähle, illegale Grabungen, materieller und ideeller Schaden
9.
Konflikte: Diebstähle, illegale Grabungen, materieller und ideeller Schaden
9.1. Kriegsmaßnahmen: Sicherheitsvorkehrungen in 18 Museen
Leseempfehlung Petrakos 1995 Petrakos 2013 Tiverios 2013
Auf griechischer Seite führte der sich ankündigende Krieg mit Italien zu einer Reihe von Schutzmaßnahmen. Bereits im Juni 1940 verbot Kultusminister N. Spentzos die Erteilung von Forschungsgenehmigungen in Griechenland. Alle Ausgrabungen, auch die des DAI in Olympia, Samos und im Kerameikos, mussten stillgelegt werden. Am 20.6.1940 wurden erste Schutzmaßnahmen in den Museen angeordnet. Vorrangig war hierbei die sichere Unterbringung der Ausstellungsobjekte. Die meisten Skulpturen wurden vergraben. Hierzu legte man in den Museumshallen Gräben an, in denen Marmor- und Bronzestatuen mit Sand zugedeckt verwahrt wurden. Es wurden auch antike Brunnen, Gräber und Höhlen als Versteck genutzt.
Kriegsmaßnahmen 1940: Schätze aus 18 Museen werden in Sicherheit gebracht
Kleinere Gegenstände wie Vasen oder Bronzebleche wurden in Holzkisten gelagert. Münzen verschloss man in
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9. Konflikte: Diebstähle, illegale Grabungen, materieller und ideeller Schaden
Banktresoren. Vor den Museen wurden Schutzwälle aus Sandsäcken errichtet. Diese Aktionen zum Schutz der antiken Kunstschätze sind in erschütternden Fotografien dokumentiert.
Im Athener Nationalmuseum werden antike Statuen in Gräben unter dem Museumsboden eingelassen und mit Sand zugedeckt
Der Kouros aus Sounion wird in einer Grube versenkt
Dokumente (Briefe, offizielle Anschreiben und Notizen) im Archiv der Archäologischen Gesellschaft von Athen belegen, dass der Kunstschutz während der Besatzungszeit mehrfach auf eine Öffnung der Museen sowie die Präsentation der Exponate drang.
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9. Konflikte: Diebstähle, illegale Grabungen, materieller und ideeller Schaden
Der griechische Antikendienst konnte diese Forderung erfolgreich abwehren. Erst nach der Besatzungszeit und teilweise erst nach dem Bürgerkrieg wurden die Objekte in ihren angestammten Ausstellungshallen wieder zugänglich gemacht.
Ioannis Miliadis (1895-1975), Direktor der Akropolis von 1940-1960, bei der Bergung einer Athena-Statue aus dem Akropolis-Museum
9.2. Raub und Zerstörung Deutsche Soldaten stahlen kleinere Kunstgegenstände aus Museen oder Grabungen. Während einer Führung durch das Kerameikos-Museum entwendeten Offiziere einen schwarzfigurigen Tonpinax. Der DAI-Assistent Kurt Gebauer wurde hierfür verantwortlich gemacht. Er kam 1942 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Ob tatsächlich Kurt Gebauer irgendeine Schuld am Diebstahl des Tonpinax traf, ist umstritten und wird im Internet kontrovers diskutiert. Generell zeichnet sich hier die Tendenz ab, nach dem Krieg die Toten/Gefallenen oder die offen fanatisch agierenden Nazis für alles verantwortlich zu machen. Viele Deutsche machten sich die Hungersnot zu Nutze und kauften antike und byzantinische Gegenstände zu Spottpreisen auf. Dies konnte auch mit der Unterstützung von DAI-Mitarbeitern geschehen.
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9. Konflikte: Diebstähle, illegale Grabungen, materieller und ideeller Schaden
Zu diesem Thema forscht aktuell Dagmar Stutzinger. Sie wird neue Erkenntnisse zu Objekten aus dem archäologischen Museum in Frankfurt am Main vorlegen. Unermesslich waren die Schäden, wenn antike Stätten wie das Heiligtum des Poseidons auf Sounion in moderne Befestigungsanlagen umgewandelt wurden. Gestohlen wurden auch größere Objekte wie eine römische Frauenstatue („Kleine Herkulanerin“) von der Agora in Thessaloniki. Sie wurde 1944 beim Aushub für Befestigungsanlagen von deutschen Soldaten entdeckt. Die Statue gelangte zuerst nach Wien, wurde dann vorübergehend in Hitlers Haus in Berchtesgarden und anschließend in Goebbels Haus in Grundlsee ausgestellt. Nach Kriegsende wurde sie gemeinsam mit anderen, aus verschiedenen Ländern geraubten Kunstschätzen in einem Salzwerk in Bad Aussee entdeckt. Nach einer Zwischenstation in München kam sie im November 1946 schließlich zurück nach Thessaloniki.
Leseempfehlung Despinis 2003
Ausgrabung der weiblichen Gewandstatue 1944 in Thessaloniki
Zu den bekannteren Diebstählen gehört auch ein archaischer Marmorlöwe von der Insel Kythira. Eine Meldung im Archäologischen Anzeiger von 1948/49 berichtet über den Abtransport der Statue durch den deutschen Oberst Brunz. Der Löwe wurde in den 50er Jahren in einer Kiesgrube in Brandenburg gefunden. Die DDR gab den Überraschungsfund an den griechischen Staat zurück.
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10. Fazit und Ausblick
Leseempfehlung Blümel 1953 Strocka 1977
Gestohlener Marmorlöwe von der Insel Kythira aus dem 6. Jh. v. Chr.
10.
Fazit und Ausblick
Der Vortrag hat deutlich gemacht, dass der materielle Schaden in Griechenland schwer zu ermessen ist. Fehlende oder beschädigte Inventarlisten, Personal- und Zeitmangel führen auf griechischer Seite dazu, dass noch keine aktualisierten Verlustlisten vorgelegt werden konnten. Von den ehemaligen Besatzungsmächten war und ist diesbezüglich keine Unterstützung zu erwarten. Grabungsfunde aus der Besatzungszeit können auch heute noch eher zufällig wieder auftauchen (s. „Fall Reinerth“). Einzelne Objekte, die durch Diebstahl oder Handel illegal ins Ausland gebracht wurden, lassen sich gelegentlich identifizieren (Beispiel Stuzinger in Frankfurt). Eine Rückführung nach Griechenland ist aber auch in diesen Fällen nicht immer gegeben. Festzuhalten bleibt, dass während der Besatzungszeit kein systematischer Raub oder eine von oben verordnete Zerstörung der Antiken stattgefunden hat.
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10. Fazit und Ausblick
Vergeltungsaktionen galten eher orthodoxen Kirchen und ihren Kulturschätzen. Die byzantinische Kultur hatte bei den Besatzern offensichtlich nicht den gleichen Stellenwert wie die antike. Die Frage nach der Ursache ist sehr spannend und soll in späteren Untersuchungen wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Die Kirchen waren zentraler Angelpunkt der lebendigen Kultur in Griechenland. Die Einheimischen suchten dort häufig Trost oder Zuflucht. Die Zerstörung der religiösen Bauwerke traf die Bevölkerung ins Mark. Auch die Priesterschaft, die oft im Widerstand gegen die Besatzungsmacht aktiv war, sollte dadurch bestraft werden. Die Grabungsstätten mit ihrer überreichen Ausstattung (Architektur, Skulpturen, Mosaiken etc.) wurden hingegen verschont, da die deutsche Besatzungsmacht für sich die Rolle des legitimen Hüters und Verwalters der griechischen Antike beanspruchte. Den modernen Griechen wurde dadurch ihr Anspruch auf das kulturelle Erbe der alten Griechen aberkannt. Auf der einen Seite trug dies zum Schutz der Antiken bei (die Besatzungsmacht hätte ohne großen Aufwand die Schätze aus ihren Verstecken holen können), auf der anderen Seite wurden die im Vortrag gezeigten Formen der „Aneignung und Vereinnahmung“ von der griechischen Bevölkerung als Vergewaltigung empfunden (zahlreiche Zeugnisse von Schriftstellern, Journalisten und Archäologen, inbesondere Karouzos). Die in Griechenland tätigen deutschen Archäologen waren Repräsentanten eines gebildeten Großbürgertums philhellenischer Prägung. Sie profitierten von der nationalsozialistischen Ideologie, die ihre „geistige und kulturelle Überlegenheit“ gegenüber anderen Völkern manifestierte. Mit staatlicher Unterstützung konnten sie sich auf ihre archäologischen Aktivitäten konzentrieren und alle Verbrechen, die in der direkten Umgebung stattfanden, ignorieren. Dieses Gefühl, einer geistigen Elite anzugehören und für das Leid der griechischen Bevölkerung in keiner Weise mitverantwortlich zu sein, wird vor allem in den publizierten Erinnerungen der Archäologen Hampe und Jantzen deutlich.
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10. Fazit und Ausblick
Die während der Besatzungszeit vorherrschende Arroganz und Ignoranz galt nicht nur den griechischen Kollegen, sondern auch der lebendigen Kultur des Landes, das sie beherbergte. Nach 1945 waren die involvierten Archäologen weder zu Selbstkritik noch zu einer differenzierten Analyse der Kriegsereignisse bereit. Ihre persönliche Rolle und Verantwortung während der Besatzungszeit – sei es als Wissenschaftler, Parteimitglied, Wehrmachtsangehöriger und/oder Vertreter des Auswärtigen Amtes – ist teilweise noch immer ein Tabu. Hierzu ein Auszug aus einem Brief, den Otto Walter am 17.11.1946 an das Ehepaar Karouzou schrieb: “Es ist so schade, dass so wenig Menschen jetzt den Mut haben, ihre frühere Einstellung zu bekennen und ev. zuzugeben, dass sie sich geirrt haben, und die Konsequenzen ziehen. Das wird wohl in Griechenland nicht anders sein. Ueberhaupt koennte man an der Menschheit irre werden, besonders wenn man sie frueher zu hoch eingeschaetzt hat.“ Die kritische Aufarbeitung der Besatzungszeit in Griechenland ist mit Vorraussetzung für eine zukunftsweisende Zusammenarbeit in Europa. Das DAI hat mit seinen aktuellen Projekten zur NS-Vergangenheit des Hauses einen wichtigen Schritt zur Verbesserung des Dialoges und Wissenstransfers geleistet. Weitere kooperative Maßnahmen fördern eine gewisse Selbstreflexion zur Verantwortung des Wissenschaftlers in der Gesellschaft und unterstützen uns hoffentlich beim Umgang mit den Krisen der Zukunft.
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Abbildungsnachweis
Abbildungsnachweis Ein Teil der hier gezeigten Aufnahmen stammt aus dem Internet. Es existieren offene und geschlossene Online-Gruppen, die sich mit der neueren Geschichte Griechenlands befassen. Fotos aus Büchern, privaten und staatlichen Archiven sowie Fotoalben werden dort präsentiert, in der Regel leider ohne einen Hinweis auf die Quelle, den Fotografen und das Aufnahmedatum. Aus diesem Grund bin ich bin für jeden Hinweis sowie weiterführende Informationen sehr dankbar.
Seite 7: © Bayerische Staatsbibliothek/Bildarchiv Heinrich Hoffmann hoff-35216 Walther Wrede mit Walther von Brauchitsch auf der Akropolis Seite 11: © DAI Athen Neg. D-DAI-ATH-Athen-Varia-0434 Das Archäologische Institut in Athen, Straßenszene in den 20er Jahren Seite 15: © Alexandra Kankeleit Situation vor 1934 Seite 15: © Alexandra Kankeleit Situation nach 1935 Seite 17: © Wikipedia https://en.wikipedia.org/wiki/File:Triple_Occupation_of_Greece.png Aufteilung Griechenlands in drei Besatzungsszonen Seite 18: © Alexandra Kankeleit Archäologisch aktive Organisationen in Griechenland während der NS-Zeit Seite 32: Kunze-Schleif 1944 S. 3 Abb. 1 Grabungsplan Olympia von Hans Schleif Seite 34: Alexandra Kankeleit unter Verwendung einer Karte von d-maps.com Karte von Kreta mit Ausgrabungsplätzen von 1942
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Abbildungsnachweis
Seite 37: Petrakos 1994 S. 144 Merkblätter zum antiken Athen Seite 38: © DAI Athen Neg. RLM12448 Luftbild von Athen aus dem Jahr 1941 Seite 38: © google earth Luftbild von Athen aus dem Jahr 2013 Seite 39: © Bayerische Staatsbibliothek/Bildarchiv Heinrich Hoffmann hoff-35231 Deutsche Soldaten auf der Akropolis Seite 40: © Bayerische Staatsbibliothek/Bildarchiv Heinrich Hoffmann hoff-42852 Nachrichtenhelferinnen vor den Propyläen Seite 40: BeeldbankWO2 – NIOD (Karl Rauscher) Luftwaffendivision vor den Propyläen Seite 41: Facebook-Gruppe „Παλιές φωτογραφίες της Ελλάδας“ Gebirgsjäger der Edelweißdivision imParthenon Seite 41: Facebook-Gruppe „Παλιές φωτογραφίες της Ελλάδας“ Die Wehrmacht in Delphi Seite 41: Mathiopoulos 1982 S. 97 Die Wehrmacht in Phaistos auf Kreta Seite 43: http://www.deutschlandfunk.de/raubkunst-baden-wuerttemberg-gibt-nazibeute-zurueck.691.de.html?dram:article_id=289527 (picture alliance / dpa / Felix Kästle) Über 10.000 Fragmente neolithischer Keramik wurden 2014 vom Pfahlbaumuseum Unteruhldingen an Griechenland zurückgegeben
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Abbildungsnachweis
Seite 44: Schulkarte aus Bernhard Kumsteller, Werden und Wachsen. Ein Geschichtsatlas auf völkischer Grundlage (1938) Karte aus einem Schulatlas von 1938: Ausstrahlung der nordischen Rasse bis nach China, Indien und Sibirien Seite 44: © collections.yadvashem.org Karte des „Monument Man“ Isaac Bencowitz von 1946: Darstellung der Raubzüge des ERR in Europa Seite 46: Alexandra Kankeleit unter Verwendung einer Karte von d-maps.com Kriegsmaßnahmen 1940: Schätze aus 18 Museen werden in Sicherheit gebracht Seite 47: Petrakos 1994 S. 89 Im Athener Nationalmuseum werden antike Statuen in Gräben unter dem Museumsboden eingelassen und mit Sand zugedeckt Seite 47: Petrakos 1994 S. 89 Der Kouros aus Sounion wird in einer Grube versenkt Seite 48: Petrakos 1994 S. 102 Ioannis Miliadis (1895-1975), Direktor der Akropolis von 1940-1960, bei der Bergung einer Athena-Statue aus dem Akropolis-Museum Seite 49: Facebook-Gruppe „Παλιά θεσσαλονίκη“ Ausgrabung der weiblichen Gewandstatue 1944 in Thessaloniki Seite 50: Blümel 1953 S. 13 Νρ. 7 Abb. 6 und Taf. 7 Gestohlener Marmorlöwe von der Insel Kythira aus dem 6. Jh. v. Chr.
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Kontakt
Kontakt Dr. Alexandra Kankeleit Hannoversche StraĂ&#x;e 1 10115 Berlin www.kankeleit.de kontakt@alexandra-kankeleit.de
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