Frankfurt inTakt - Wintersemester 2016/17

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ÜBEN BLEIBT DAS KERNGESCHÄFT

haben, um möglichst viele am Überarbeitungsprozess teilhaben

in welchem Studienmodell ihnen dies ermöglicht wird, eher

zu lassen und trotzdem ein übersichtliches Gremium zur

zweitrangig. Was am Bachelor als sehr vorteilhaft empfunden

Steuerung des Prozesses zu bleiben.

wird, ist der Wahlbereich und damit die Möglichkeit, das Studium seinen individuellen Bedürfnissen anzupassen.

Herr Schmidt, wie haben Sie in Ihrer Zeit als Dekan im Jahr 2010 die Umstellung auf das Bologna-System erlebt?

Sind denn die Absolventen durch Bologna und dessen knapp bemessene Studienzeit wirklich früher auf dem Arbeitsmarkt?

Prof. Christoph Schmidt Ich empfand Bologna damals als große Chance, ein Studium wirklich transparent abzubilden. In

Prof. Christopher Brandt Das bezweifel ich: Die Tendenz, nach

den Konzeptionsgesprächen nahm die Frage einen großen Raum

einem Bachelor einen Master draufzusatteln, ist mittlerweile sehr

ein, welche Fächer verpflichtend sein sollen und welche Wahl-

ausgeprägt. Ich habe zumindest den subjektiven Eindruck, dass

möglichkeiten es gibt. Mein Bestreben war es, den Wert des

Studierende mit Bologna im Schnitt sogar noch länger studieren

Arbeitens am Instrument in der Gewichtung der Module hoch

als zu Diplomzeiten.

anzusetzen. Aus meiner Sicht sind die Studieninhalte noch zu sehr gestreut und lassen wenig Zeit für das handwerkliche Kern-

Ist es allgemeiner Konsens, dass die Beschäftigung mit dem

geschäft, also das Üben. Gegen manches habe ich mich damals

Instrument, also dem Hauptfach, der Nukleus eines künstlerischen

zur Wehr gesetzt: Als ein Praktikum in einer sozialen Einrichtung

Studiums bleibt?

für Musikstudierende verpflichtend verankert werden sollte, hab ich dies strikt abgelehnt. Insgesamt lässt sich aber nach sieben

Prof. Christopher Brandt Innerhalb des Fachbereiches auf jeden

Jahren Bologna bei uns eine sehr positive Bilanz ziehen.

Fall. Leider wird es außerhalb dessen jedoch von vielen immer

Anatol Riemer Die Umstellung brachte mit sich, dass erstmals

noch despektierlich betrachtet, dass sich unsere Studierenden

Studieninhalte verbindlich formuliert wurden, die bereits in den

viele Stunden am Tag selbstständig am Instrument weiterbilden

alten Studiengängen geläufig Praxis waren, ohne dass sie explizit

müssen. Dabei ist dies ein ganz kreativer Prozess der Selbsterfor-

in der Studienordnung standen – zum Beispiel 30 Minuten Kor-

schung und Selbstreflexion, den man nicht unterschätzen sollte.

repetitionsunterricht für Studierende. Derlei Festschreibung ging

Prof. Christoph Schmidt In meiner Generation war es noch

natürlich nicht ohne Diskussion um die Finanzierbarkeit vonstatten.

selbstverständlich, in die Beschäftigung mit dem Instrument das

Die Befürchtung, die Kosten pro Studierenden könnten im Zuge

Maximum an Zeit zu investieren und andere Fächer ggf. wegzu-

der Umstellung steigen, hat sich glücklicherweise überhaupt nicht

lassen. Das geht heute – gerade angesichts von Bologna – nicht

bewahrheitet. Ein langes Grundsatzringen gab es zudem um die

mehr. Ich selbst habe im vierten Semester meines Studiums eine

Frage, ob man das oben erwähnte Y-Modell mit der Profilwahl im

Stelle bekommen und war dann weg von der Hochschule, habe

fünften Semester einführt oder nicht. Insgesamt habe ich den

mein Examen Jahre später nachgeholt, um überhaupt etwas in der

Umstellungsprozess als eine wahnsinnig spannende und arbeits-

Hand zu haben, andere haben ganz darauf verzichtet. Das ist heut-

intensive Zeit erlebt, die auch sehr viel Spaß gemacht hat.

zutage ganz unüblich: Alle beenden ihr Studium mit einem Examen.

Bedeutete Bologna für die Studiengänge einen qualitativen Quantensprung?

Wann werden die Ergebnisse der Studiengangüberarbeitung studentische Realität werden?

Prof. Christoph Schmidt Einen Quantensprung auf keinen Fall. Aber Bologna ist ja auch ein Prozess – ein solcher, in dem man

Anatol Riemer Realistischerweise gehe ich von einer

angefangen hat, den „workload“ transparent abzubilden, das

Einführung zum Wintersemester 2018/19 aus – und wenn wir

ist sicher ein positiver Effekt.

es eher schaffen: umso besser! bjh

Prof. Christopher Brandt Es ist klar, dass künstlerische Studierende in der Regel vor allem bestrebt sind, einen Platz in der Klasse ihres Wunschlehrers zu bekommen. Für sie ist die Frage, 29


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