Frankfurt inTakt - Sommersemester 2016

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J e d i f f e r e n z i e r t e r m e i n Ve r s t ä n d n i s , d e s t o a u t h e n t i s c h e r m e i n S p i e l

Eva Maria Pollerus und Jesper Christensen bei der Anspielprobe vor einem Konzert.

In diesem Sinne hat Eva Maria Pollerus eine Cembaloklasse aufgebaut, deren Studierende bereits in mehreren Profiproduktionen auch außerhalb der Hochschule involviert sind und sich weit über den Eifer des Creditpoint-Sammelns hinaus engagieren. Die HIP-Abteilung der Hochschule bezeichnet sie als „eine Abteilung von wunderbaren Musikern und Teamplayern, bei denen man mit jedem Atemzug spürt, dass sie die gemeinsame Arbeit an der Musik wirklich tief lieben.“ Die individuelle Förderung stehe hier – ganz in ihrem Sinne – im Vordergrund. Die Diversität von fachlichen Meinungen in der Kollegenschaft

ENZIERTER STÄNDNIS, DESTO NTISCHER MEIN SPIEL

erlebt sie im Miteinander – gerade auch in den Begegnungen mit den anderen Fachbereichen – als „von Respekt getragene gelebte Durchlässigkeit". Eine beglückende Beobachtung über ihre Arbeit als Teilzeitprofessorin ist: „Ich habe das Gefühl, dass diese Abteilung und meine Studierenden hier genau das suchen, was ich persönlich auch geben möchte und kann.“ Für den Bereich des romantischen Hammerklavier-Spiels hat sie sich in der Lehre inzwischen prominente Verstärkung geholt: Mit ihrem Mann und Vater ihres neunjährigen Sohns Valentin hat zwischenzeitlich der in der Fachwelt hochgerühmte Professor für Generalbass und historische Tasteninstrumente, Jesper Christensen, nach 30 Jahren Unterrichtstätigkeit an der Schola Cantorum Basiliensis nun an der HfMDK einen Lehrauftrag für Hammerklavier angenommen. Christensen gilt u. a. als Erster,

Historischen Interpretationspraxis das radikale und konse-

der intensive Forschungen im Generalbass-Spiel einerseits und

quente Selbstverständnis Einzug, dass es als Cembalist „lebens-

zur romanischen Aufführungspraxis auf der Basis historischer

notwendig ist, ein hervorragender Generalbass-Spieler zu sein“,

Tondokumente andererseits betrieben hat und dessen Ansatz

wie sie selbst ihre Mission formuliert: „Ohne Generalbass gibt

wegweisend ist. Die Familie verlegt im Lauf des Sommer-

es kaum Kammermusik im Barock. Und nicht umsonst ist der

semesters auch ihren gemeinsamen Lebensmittelpunkt nach

Generalbass laut J. S. Bach das vollkommste Fundament der

Frankfurt.

Music.“ Heißt in ihrem Verständnis eben auch, zwischen den Zeilen lesen zu lernen, und zwar in aller Differenziertheit von

Vor ihrer Ankunft in Frankfurt war Eva Maria Pollerus sechs

chronologischen, National- und Personalstilen, die die Musikge-

Jahre lang Professorin für Cembalo und Aufführungspraxis an

schichte zu bieten hat. Fragen von Stimmvielfalt, Stimmführung,

der Kunstuniversität Graz und damit zugleich Leiterin des

Kontrapunktik, Verzierungen, Brechungen und Relationen zur

Instituts für Alte Musik und Aufführungspraxis. Wie es ihre

Solostimme sind nur einige jener Parameter, die offenbaren,

jetzige Teilzeitprofessur zulässt, konzertiert sie als Solistin und

dass sich im Generalbass-Spiel die Horizonte dann öffnen,

Basso continuo-Spielerin mit ihrem Ensemble „Musicke`s

wenn die „Vokabeln“ sitzen. „Ich werde immer authentischer im

Pleasure Garden“ sowie als Gast mehrerer renommierter

Spiel, je mehr ich die Musik in ihrer Differenziertheit verstehe“,

Ensembles. Ihre Liebe zum Unterrichten kann dies freilich nicht

erklärt Eva Maria Pollerus. Demnach ist wissenschaftliches

relativieren. Eva Maria Pollerus selbst: „Es reizt mich nach wie

Quellenstudium für sie keine Reglementierung zum Selbstzweck,

vor enorm, Menschen dabei zu begleiten, ihre optimalen

sondern der Weg zu größerem Musizier-Reichtum.

Möglichkeiten zu entdecken und auszuleben.“ bjh

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