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ihre Sachen auf – dort oder in der Küche des Restaurants, aber ihre Rezepte hatte er bereits ausprobiert, und er konnte sich nicht vorstellen, dass sie Töpfe oder Kochlöffel wollte. Er hatte mit den Dingen auf dem Tisch neben ihrem Bett begonnen und war von da aus zu den Gegenständen auf ihrer Kommode übergegangen. Jetzt öffnete er die oberste Schublade und kam sich wie ein Voyeur vor. Dies waren die Wäscheschubladen seiner Großmutter und er hatte nichts darin verloren, aber er wusste nicht, was er sonst tun sollte. Bei jedem Gegenstand, den er ihr gezeigt hatte, war sie unruhiger geworden, aber es lag die Aufforderung darin, es weiter zu versuchen. So sah er es jedenfalls. Also kramte Lance zwischen der Unterwäsche und kam sich dumm vor, bis er ein Päckchen Briefe fand und herauszog. Das war viel versprechend. Liebesbriefe von Nonno? Vielleicht konnten die sie trösten. Er sah noch einmal in der Schublade nach, fand aber nichts mehr. Er würde es mit den Briefen versuchen, und wenn sie ihn anfunkelte, würde er es eben weiter versuchen müssen. Aber als er ihr die Briefe brachte, war ihre Erregung offensichtlich. Er legte sie auf den Nachttisch neben ihrem Bett, aber sie begann sofort, Geräusche zu machen. Er nahm den Packen wieder zur Hand. „Soll ich sie dir vorlesen?“ Sie gab einen quiekenden Ton von sich, ein hartes, ärgerliches Geräusch, von dem er wusste, dass sie es nicht so meinte. Es waren Frust und Panik und sicherlich auch ein wenig Verärgerung, weil er so schwer von Begriff war. Aber das war ja nichts Neues. „Ich weiß nicht, was du willst, Nonna.“ Er versuchte, ihr die Briefe in die Hand zu drücken, aber sie stieß sie fort. Vielleicht war es ein bestimmter Brief, den sie wollte. Er knotete das Band auf und zeigte ihr die Briefe einen nach dem anderen. Sie waren nicht alle in derselben Handschrift verfasst. Einige hatte eindeutig Nonno geschrieben, aber es gab auch noch andere, und als er einen von denen hoch hielt, stöhnte sie. „Soll ich ihn dir vorlesen?“ Sie stöhnte wieder und machte eine kleine Bewegung mit der Hand, als wollte sie den Umschlag in die Hand nehmen. Er reichte ihn ihr. „Soll ich ihn für dich aufmachen?“ Ein scharfer Ton machte ihre Verärgerung deutlich. Wenn sie den 12


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