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Die Edition erscheint in Zusammenarbeit zwischen dem R. Brockhaus Verlag Wuppertal und dem Bundes-Verlag Witten Herausgeber: Ulrich Eggers

Die Bibelzitate wurden folgenden Ûbersetzungen entnommen: Soweit nicht anders angegeben: Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, ° 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart Elberfelder Bibel, ° 1991 R. Brockhaus Verlag Wuppertal Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, ° 2000 Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart ° R. Brockhaus Verlag Wuppertal 2006 Umschlaggestaltung: Dietmar Reichert, Dormagen Satz: Satz & Medien Wieser, Stolberg Druck: Jesusbooks, Groûburgwedel ISBN-10: 3-417-26703-X ISBN-13: 978-3-417-26703-7 Bestell-Nr. 226.703


Inhalt

Bevor ich beginne: Als Single glçcklich sein ± geht denn das? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Eine wichtige Vorbemerkung: Die Ehe als Gottes geniale Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. Groûe Freiheit oder groûer Notstand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Last und/oder Lust? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hoffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeiten des Kampfes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unsere Seele ist kostbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wer bin ich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohin gehære ich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 15 16 20 24 26 27

2. Die andere Mæglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berufen zur Ehelosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was Jesus dazu sagt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehelosigkeit als echte Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Unmægliche wird wieder mæglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berufen zum Lieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sehnsucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 30 32 35 37 39 41

3. Das volle Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ihn erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angekommen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wçrde und Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Liebe und Verliebtsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sexualitåt ± Ausdruck unseres Wesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sexualitåt ± Kraft unseres Kærpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 45 47 50 52 54 57


4. Ein anderes Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freiheit oder Unabhรฅngigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Blick in die Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Herausforderung im Protestantismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue Formen: Drei Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Und jetzt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 63 68 70 72 75 82

Zum Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Verwendete bzw. zur weiteren Lektรงre empfohlene Literatur . 95

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Bevor ich beginne: Als Single glçcklich sein ± geht denn das?

Manch einer mag skeptisch abwinken. Na ja, man/frau muss sich eben einrichten. Das Beste draus machen: viele Freunde haben, fçr eine abwechslungsreiche Freizeitgestaltung sorgen, die Freiheit genieûen, die Vorteile auskosten. Ja, dann kann man irgendwie auch glçcklich werden, jedenfalls zeitweise, immer mal wieder zwischendrin. Man muss eben wissen, was einem gut tut. Ja, muss man wirklich. Aber das allein reicht nicht. Es geht tiefer. In unserer Gesellschaft wåchst die Zahl der Singles nach wie vor und damit auch die der Einzelhaushalte, so dass man den Eindruck gewinnt, nur frei und allein kann man wirklich glçcklich sein. Doch in den so genannten »frommen Kreisen« stellt sich das ganz anders dar. Hier gilt weithin Familie als »normal«, als »von Gott gewollt«. Singles definieren sich, oder werden definiert, von dem, was sie nicht haben; von ihrem Defizit. Ob die wirklich »normal« sind ... ? Vielleicht doch »çbrig geblieben«? Vielleicht nicht beziehungsfåhig, nicht bereit, sich zu binden? Wer weiû ... Wollen ihre Freiheit nicht hergeben, sind zu anspruchsvoll, zu wåhlerisch ... Verletzende Argumente, schmerzliche Fragen, die einem Stachel im Herzen hinterlassen ... Das tut weh. Auch Singles sind geschlechtliche Wesen ± ganz normal. Aber wie damit umgehen? Wie die Sexualitåt leben, gestalten, wenn es Grenzen gibt, wenn ich çberzeugt bin: Die geschlechtliche Gemeinschaft von Mann und Frau gehært in die Ehe. Sie ist nicht etwas fçr »beliebigen Gebrauch«, sondern benætigt den Schutz von Verbindlichkeit, braucht die Tiefe einer ganzheitlichen Beziehung. Was ist es mit dem Geheimnis der Sexualitåt in einem Single-Leben? Ist das Single-Leben vielleicht doch nur ein halbes 5


Leben, weil die Tiefendimension fehlt? Kann man als Single »trotzdem« glçcklich sein? Es gab Jahre in meinem Leben, in denen ich dachte (und damit bin ich nicht allein): »Wenn du einen Mann håttest, dann wåren deine Probleme gelæst.« Das glaubte nicht nur ich selbst, das wurde mir auch von einem Seelsorger vermittelt. Auch damit bin ich nicht allein. Was tun mit den Verletzungen, die auf dem Weg, auf der Suche nach Hilfe zugefçgt werden? Ich wusste, dass alle guten Ratschlåge, die man lesen und hæren kann, an sich nichts Schlechtes sind. Nein, sie sind sogar nætig. Aber sie bergen nicht das Glçck in sich. Ich entdeckte auf einem langen und intensiven Weg: Als Single glçcklich zu sein ± ja, es ist mæglich, und wie! Nach Jahren der Mçhe und des Kampfes wurde ich erinnert an das, was ich schon sehr frçh entdeckt hatte: Es gibt eine Berufung zur Ehelosigkeit. Jesus gibt diesem Stand Wçrde, und er macht das Unmægliche mæglich. Es gibt Erfçllung in einer Weise, die ihren Ursprung nicht in Freunden und Freizeitgestaltung, nicht in gemeindlichem Dienst und persænlicher Freiheit hat, sondern in der Liebe Gottes, die wie ein Feuer brennt. Wenn dieses Feuer entzçndet wird, dann schenkt Gott Leben in einer neuen Qualitåt ± auch fçr Singles oder gerade fçr sie. Es gibt eine Reich-Gottes-Berufung zur Ehelosigkeit. Und Reich Gottes ist immer Friede und Freude im Heiligen Geist (Ræmer 14,17). Mit diesem Buch lade ich Sie ein, auf meinem Weg ein Stçck mitzugehen und an meinem Kampf als Single ein wenig Anteil zu nehmen. Ich lade Sie ein, sich auf meine Entdeckungen einzulassen und selbst Entdeckungen zu machen. Gern mæchte ich Ihnen weitergeben, was mir ganz praktisch hilft. In meinem Leben gab es viele Hæhen und Tiefen, aber ich habe doch immer erfahren, dass Gott bei mir war und mich trug, gerade dann, wenn ich es fast nicht glauben konnte. Als ich 1958 geboren wurde, war mein Vater schon seit drei Jahren Stiftspropst im Stift Bethlehem in Ludwigslust. Unsere Familie, meine Eltern und meine fçnf Geschwister, war 1955 in diese Kleinstadt in Mecklenburg gezogen. Mein Vater leitete das Dia6


konissenmutterhaus und Krankenhaus, in dem drei Schwesternschaften gemeinsam lebten und arbeiteten. So erlebte ich schon als Kind eine sehr spezielle Form christlichen Lebens: evangelische Schwesternschaften in einer bestimmten Form und Prågung, mit einem besonderen Dienst. In der ehemaligen DDR war die Diakonie ein çberaus wichtiger und auch anerkannter Bereich kirchlichen Lebens. Weil ich mich als Jugendliche gegen den Eintritt in die FDJ (Freie Deutsche Jugend, sozialistische Massenorganisation) entschieden hatte, bekam ich nicht die Mæglichkeit, das Abitur zu machen. Ich verlieû die Schule mit dem 10-Klassen-Abschluss und begann eine Ausbildung zur Krankenschwester in einem anderen Diakonissenhaus, dem Luise-Henrietten-Stift in Lehnin, einem kleinen Ort zwischen Potsdam und Brandenburg. Diese Zeit, so sage ich es gern, war meine »geistliche Kinderstube«. Ich hatte mich sehr bewusst entschieden, Jesus Christus nachzufolgen. Ich wollte, dass sein Wille in meinem Leben geschieht, ich wollte ihm zur Verfçgung stehen. In unserem Internat gab es einen Bibelkreis, in dem wir sehr verbindlich miteinander lebten. Wir trafen uns regelmåûig zu Bibelarbeiten, zum Gebet, zu gemeinsamen Mahlzeiten und machten gemeinsam Urlaub. Als ich spåter ein Jahr Hausmådchen in Eisenach war, erklårte sich dieser Bibelkreis bereit, ein Taschengeld fçr mich zu zahlen. Wir gehærten zusammen, und wir wåren gern zusammengeblieben. Es kam anders. Der Kreis læste sich auf. Wir lebten an verschiedenen Orten, einige heirateten. Mir war in dieser Zeit innerlich klar geworden, den Weg der Ehelosigkeit zu gehen, um ungeteilt im Dienst fçr das Reich Gottes zu stehen. In meinen »Lehr- und Wanderjahren«, zunåchst als Hausmådchen in Eisenach, dann als Mitarbeiterin in einer Kirchengemeinde in Halle-Neustadt, erlebte ich, wie kostbar es ist, so frei verfçgbar zu sein. Als ich 24 Jahre alt war, begann ich auf dem zweiten Bildungsweg in einer kirchlichen Ausbildungsståtte in Ost-Berlin Theologie zu studieren. Wåhrend des Studiums war fçr mich klar: Ich werde nicht Gemeindepfarrerin. Mein Ziel war, in einen kirchli7


chen Sonderdienst zu gehen, vielleicht in die Krankenseelsorge. 1986 kam ich fçr das Vikariat nach Heiligengrabe in der Prignitz. Hier erlebte ich (neben der Zeit in Halle-Neustadt) das erste Mal Gemeinde. Als ich dann 1988 in einen kirchlichen Sonderdienst gehen wollte, hieû es von meiner Kirche: »Sie werden nur ordiniert, wenn Sie mindestens fçr drei Jahre in eine Kirchengemeinde gehen.« Also begann ich fçr drei Jahre ein Gemeindepfarramt in Buchholz in der Prignitz. Zunåchst waren es fçnf Kirchdærfer, spåter sechs, die dazugehærten. In der Arbeit fçr mein zweites theologisches Examen hatte ich mich grçndlich mit Fragen des Gemeindeaufbaus beschåftigt und hatte eine klare Perspektive fçr meinen Dienst in den Gemeinden. Dort war nach zwei Jahren erst mal alles vorbei. Mit einem klassischen Burn-out-Syndrom lag ich in Ludwigslust im Krankenhaus. Ich war mir ziemlich sicher, dass meine Zeit in Buchholz zu Ende war. Aber es ging weiter. Ûber 16 Jahre verbrachte ich dort im Dienst, in verschiedenen Etappen vom »Kampf ums Ûberleben« çber »Aufwind und Aufbruch« bis hin zur »Konsolidierung und Krise«. Ein Element der Kåmpfe in dieser Zeit waren die Fragen ums Single-Sein, war die Not des Alleinseins, Mangel, Sehnsucht, Zweifel ... Diese Jahre waren eine çberaus intensive Zeit. Der græûte Gewinn fçr mich war: Ich lernte Gott besser kennen. Meine Beziehung zu ihm wurde tiefer und reicher, mein Leben hat an Leidenschaft fçr ihn und fçr die Menschen gewonnen. Ich war bereit, in der Prignitz alt zu werden. Aber ich spçrte auch, dass ich, um nicht in Routine zu versacken und »einfach so« immer weiterzumachen, eine neue Beståtigung fçr diesen Platz brauchte. Nach dem Weggang von einigen Mitarbeitern hatte sich die Situation erneut zugespitzt. Sollte oder konnte ich wirklich allein hier leben und bis zum Ende meiner Dienstzeit bleiben? Eine gewisse Mçdigkeit hatte mich ergriffen, und die Frage nach der Zukunft als allein stehende Frau war mir auch nicht egal. Im Jahr 2004 konnte ich eine halbjåhrige Sabbatzeit nehmen. Das war eine besondere Erfahrung in vielfacher Hinsicht. Nach 8


dem Ablauf der sechs Monate war klar: Ich werde die Prignitz verlassen. Wåhrend einer Zeit, die ich in der Gemeinschaft Chemin Neuf verbrachte, konnte ich meine ursprçngliche Berufung zur Ehelosigkeit wieder ganz neu empfangen und leben. Ich zog nach Berlin und begann einen neuen Dienst. Seit Januar 2005 habe ich eine halbe Stelle als Gefångnisseelsorgerin in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Charlottenburg. Dort erlebe ich im Dienst und im Zusammensein mit Gefangenen und dem Personal in konzentrierter und potenzierter Form die gesellschaftliche Situation in unserem Land. Es brennt mir auf dem Herzen, dass wir als Christen einen groûen Auftrag an den vielen Menschen in unserem Land haben, die das Evangelium noch nicht gehært haben. Ich spçre sehr deutlich: Sie brauchen letztlich nicht Worte, sondern Zeichen, nicht Termine von Veranstaltungen, sondern Orte des Lebens. Hier empfinde ich, wie Fragen der persænlichen Lebenssituation letztlich zur Frage nach Berufung und dem Auftrag in unserer Welt, in unserem Land werden. Letztlich geht es um mehr als um unser persænliches Glçck. Es geht darum, dass wir in dem, was Gott in unserer Zeit tun will, unseren Platz finden und einnehmen, unseren Auftrag erfçllen. Das ist das Geheimnis fçr ein erfçlltes Leben. So wåre es also das Schænste, wenn Sie dieses Buch ermutigt, die Frage nach Ihrer Berufung ganz neu oder çberhaupt zum ersten Mal zu stellen. Und noch schæner, wenn Sie ermutigt werden, nicht aufzugeben. Gott låsst Sie nicht hången. Er sagt zu Ehelosen nicht: »Du musst mit weniger zufrieden sein.« Er hat etwas ganz anderes, sehr Schænes und Groûes fçr uns bereit. Die Frage ist nur, ob wir vorher aufgeben oder dabei bleiben: »Herr, ich glaube deiner Liebe, auch wenn sie mir noch fern und fremd ist. Ich will, was du fçr mich bereithast!« Dieses Buch hat vier Kapitel. Die ersten drei Kapitel haben einen vorwiegend persænlichen Charakter. Ich versuche, anhand meiner Geschichte wesentliche Situationen des Single-Seins aufzuzeigen und zu beschreiben. Ich mæchte durch meine Erfahrungen Wege 9


und Werte aufzeigen, die sich als hilfreich und gut erwiesen haben. Dazu gehæren auch Abschnitte, in denen Bibeltexte ausgelegt und interpretiert werden. Das 4. Kapitel hat einen anderen Charakter und braucht vielleicht mehr Zeit, um gelesen und verarbeitet zu werden. Hier geht es um etwas Kirchengeschichte und Theologie zum Thema Freiheit. Ich gebe einen kleinen Einblick in drei sehr verschieden geprågte geistliche Gemeinschaften. Dadurch mæchte ich aufmerken lassen und Sie herausfordern, anders zu denken, neue Wege zu entdecken und sie vielleicht auch zu gehen. Die Probleme einer vielleicht unglçcklichen Single-Existenz kænnen ganz sicher nicht durch die Flucht in eine Gemeinschaft gelæst werden. Aber wenn jemand sich veråndern, wachsen, seine Berufung entfalten will, dann braucht es auch praktische Mæglichkeiten, neue Wege zu beschreiten. Es gibt diese Mæglichkeiten, und ganz sicher kænnen andere noch erfunden werden. Ich schreibe als eine Single-Frau. Insofern ist dieses Buch natçrlich auch besonders fçr Frauen geschrieben. Ich kann es nicht abschåtzen, wie es sich fçr einen Mann liest. Ob es fçr ihn eine vællig fremde Welt ist, oder ob es Erfahrungen gibt, die sich sehr åhneln oder gleichen? Wobei immer wieder auffållt: Im christlichen Umfeld gibt es weit mehr Single-Frauen als Single-Månner. Vermutlich weil es in den Gemeinden sowieso mehr Frauen als Månner gibt, und das potenziert sich dann bei den Singles. Es scheint immer »ganz normal«, dass die Zahlenverhåltnisse bei Single-Tagungen in der Regel unproportional sind, z. B. fçnf Månner gegençber 80 Frauen. Es kænnte also sein, dass der Bedarf fçr ein Månner-Single-Buch gar nicht sehr groû ist. Einige Wçnsche und Bitten: Als ich begann, dieses Buch zu schreiben, wurde mir erschreckend deutlich, worauf ich mich da eingelassen hatte. Zum einen: Es ist ein sehr persænliches Thema. Das ist nicht einfach. Das ist ein Wagnis. Das ist gefåhrlich. Mein Wunsch und 10


meine Bitte ist, dass Sie mit dem Persænlichen auch so umgehen. Es geht mir nicht darum, meine Erfahrungen, meine Fragen, meine Entdeckungen als allgemein gçltig zu betrachten. Es geht nicht um eine Ideologie. Auch nicht um allgemeine Prinzipien, denen man zustimmen oder denen man nacheifern sollte. Sie kænnen alles, was Sie lesen, in Frage stellen. Meine Bitte dabei ist, dass Sie das, was Ihnen fremd ist, was Sie nicht verstehen, nicht nachvollziehen kænnen oder sogar ablehnen, einfach stehen lassen. Mein Wunsch ist, dass dieses Buch Anregungen gibt, weiterzudenken und miteinander zu reden, eigene Entdeckungen zu machen und darçber dann offen zu sprechen. Vielleicht kommen beim Lesen Fragen auf. Vielleicht entdecken Sie in manchem sich selbst wieder. Vielleicht drçckt das Gelesene genau das aus, was Sie fçhlen. Vielleicht gelingt es mir, durch meine Erfahrungen eine Tçr zu æffnen, so dass auch Sie offener werden und Ihren eigenen Weg gehen in neuen Frieden und neue Freude hinein. Wenn das geschieht, ist das Ziel dieses Buches erreicht. Zum anderen: Es ist ein sehr umfassendes, vielschichtiges Thema und schwer zu fassen. Das Leben hat so viele Aspekte, das Single-Leben nicht minder. Schon allein die verschiedenen Ausgangssituationen als Single stellen besondere Herausforderungen dar: . Singles im Wartestand, die in der Hoffnung leben, dass sich ihre Situation bestimmt bald åndern wird; . Singles in Unruhe, deren Uhr tickt, weil die Mæglichkeit, Kinder zu bekommen, schwindet; . Singles »danach«, die nach einer schmerzhaften Scheidung lernen mçssen weiterzuleben; . Singles getroffen vom Schicksal nach dem Tod des Partners, die umgehen mçssen mit dem Verlust, mit schænen und schweren Erinnerungen; . Singles aus Berufung ± und die gibt es wirklich; . Singles als Freiheitsfanatiker: Alles scheint mæglich, alles ist erlaubt.

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Ich schreibe als Single-Frau, die immer ledig war, als eine, die um eine Berufung weiû, aber trotzdem çber Jahre die Not des SingleLebens erfahren hat. Ich weiû, dass einige Aspekte unberçhrt bleiben, dass dieses Buch in keiner Weise vollståndig ist. Hier kænnen andere weiterschreiben. Das wåre gewiss gut und hilfreich. Dank: Im Blick auf dieses Buch danke ich all denen, die mich auf meinem Weg begleitet haben, die meine Trauer und meine Fragen zugelassen haben, die fçr mich und mit mir gebetet haben. Ich bin dankbar fçr Schwestern und Brçder, die mir etwas vom Glanz des ehelosen Lebens gezeigt und mich ermutigt haben, meinen Weg weiterzugehen. Auch bin ich dankbar fçr Tagungen, die ich mit und fçr Singles halten konnte und bei denen ich immer wieder motiviert und ermutigt wurde, mich den besonderen Themen, Fragen und Herausforderungen dieses Standes zu stellen. Diese Erlebnisse und Erfahrungen waren und sind der Anfang dieses Buches. Ich danke den Geschwistern der Gemeinschaft Chemin Neuf, die es mir ermæglicht haben, den Stand der Ehelosigkeit als eine auch åuûerlich erkennbare und verbindliche Lebensform zu ergreifen. Ich danke meinem Gott, der mir mehr und mehr als Liebhaber begegnet ist und mein Leben zur Fçlle und zur Fruchtbarkeit bringt. Berlin, im Mårz 2006

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Astrid Eichler


Eine wichtige Vorbemerkung: Die Ehe als Gottes geniale Idee Vorab muss ich sagen: Gottes Idee von Ehe und Familie begeistert mich! Wirklich! Wie er sich das gedacht hat, aus zweien eins zu machen. Die vollkommene Ergånzung von zwei so gleichen und doch so verschiedenen Wesen. Die Geborgenheit der Familie als Lebensraum fçr Vater, Mutter und Kinder. Wåhrend 16 Jahren Gemeindedienst in der Prignitz hatte ich nicht oft die Gelegenheit, Paare zu trauen, aber wenn, dann war es mir sehr wichtig, ihnen etwas von Gottes Vision fçr die Ehe zu vermitteln. Und dazu gehærte fçr mich immer, darauf hinzuweisen: Ehe ist mehr als eine Tisch-, Haus- und Bettgemeinschaft. Ehe ist eine neue Schæpfung Gottes. 1+1=1. Eine Ehe ergibt etwas Neues, untrennbar Ganzes, etwas, was vorher nicht da war. Und das, was vorher war, ist nicht mehr und wird auch durch eine Scheidung nicht wiederhergestellt. Ehe ist irreversibel. Ich empfinde sehr stark, dass es die wohl græûte Not unserer Gesellschaft ist, Gottes Vision fçr Ehe und Familie verloren zu haben. Das ist ein tædliches Drama, wie wir nach und nach in unserem Volk feststellen. Im »wirklichen Leben« gibt es oft nur wenige Anhaltspunkte fçr ein Hohelied auf die Ehe. Leider. Auch in christlichen Gemeinden. Wåre der Grund zum Heiraten, viele glçckliche Ehepaare zu kennen, dann wçrde ich jedem davon abraten. Es ist ein Trauerspiel, was sich da ereignet. Am meisten schmerzt mich als Seelsorgerin, dass so wenig um Ehen gerungen und gekåmpft wird. »Es geht nicht mehr«, und fertig. Wenn unsere Mæglichkeiten der Maûstab sind ... dann Gute Nacht! Ehe ist eine geniale Idee Gottes und die schæpfungsgemåûe Berufung fçr jeden Menschen. Ja, es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei (1. Mose 2,18). Ganz sicher. Im Alten Testament ist es 13


sozusagen unmæglich, nicht zu heiraten. Kinder sind ein Zeichen vom Segen Gottes. Von der Schæpfungstheologie aus gesehen sind Singles ein Unding, Ehelosigkeit eine Unmæglichkeit. Aber halt! Die Schæpfungstheologie ist fçr uns Christen nicht der einzige Maûstab und nicht die einzige Mæglichkeit. Wie gut!

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Kapitel 1

Groûe Freiheit oder groûer Notstand? Last und/oder Lust?

Du hast es gut, kannst immer machen, was du willst ... Kein Kin-

dergeschrei, keine durchwachte Nacht am Bett eines kranken Kindes, nicht die Last eines mehrkæpfigen Haushaltes ... Freiheit, Freizeit. Nur fçr dich selbst verantwortlich, keinem Rechenschaft schuldig. Du hast es wirklich gut! Der Blick von Verheirateten auf ein Single-Leben, wie es »im Bilderbuch steht«. Darauf kann man doch ganz schnell kontern, oder? Aber du erst, du hast es gut: Du bist nie allein, immer ist jemand da, der dich liebt, der dir Halt und Trost schenkt. Kinder, die dich umarmen und dir das Herz erwårmen, jemand, der dir Rat in unklaren Situationen gibt und mit dem du immer in den Urlaub fahren oder etwas unternehmen kannst. Du musst nicht alles allein machen, bist nicht fçr alles allein verantwortlich. Idealbilder. Eine Freundin erzåhlte mir, wie sie bei einer Freizeit zunåchst mit lauter Singles am Tisch saû, bei der nåchsten Mahlzeit mit lauter verheirateten Frauen. Sie dachte: »Ich hær nicht richtig.« An jedem Tisch war Thema, wie gut es die anderen haben und wie einfach, wie schæn deren Leben ist. ÛblerTrick. Die anderen haben es gut, mir geht es schlecht. Wir sehen nur, was wir nicht haben, und verklåren die Wirklichkeit des anderen. Natçrlich hat er etwas, was ich nicht habe ... Aber kann ich selbst noch entdecken, was ich habe, was mein Reichtum ist, wo meine Chancen liegen? Jeder Stand hat seine Last ± und seine Lust. Und wenn wir das gerade nicht denken und nicht fçhlen kænnen, dann hæren wir uns 15


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