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Technische Probleme hemmen die Digitalisierung

Die breitere Verwendung digitaler Anwendungen scheitert oft an deren mangelhafter Umsetzung. Zu diesem Schluss kommt das aktuelle Praxisbarometer Digitalisierung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten stehen der Digitalisierung dennoch weiterhin offen gegenüber.

So viel vorab: Sowohl vertragsärztliche als auch vertragspsychotherapeutische Praxen werden immer digitaler. So kommunizieren beispielsweise mittlerweile 36 Prozent der Vertragsärzte „(nahezu) komplett“ beziehungsweise „mehrheitlich“ digital mit ihren Patienten und Patientinnen, bei den Psychotherapeuten sind es sogar niedrigen Niveau. Die schriftliche Kommunikation mit Krankenhäusern hängt noch weiter hinterher:

Lediglich 6,6 Prozent der befragten Praxen haben diese „(nahezu) komplett“ oder „mehrheitlich“ digitalisiert.

Der KIM-Dienst spielt dabei – abgesehen von der verpflichtenden Nutzung für die eAU – noch eine

Wenig bis keinen Nutzen erkennen Ärzte hingegen bei Apps zur Therapieunterstützung (62 Prozent) oder Sammlung medizinischer Daten (60 Prozent), einer sicheren digitalen Patientenkommunikation über Diagnose/Therapie (61 Prozent) und Online-Fallbesprechungen mit Kollegen (52 Prozent). Psychotherapeuten hinge-

Zur Methodik

Praxisbarometer

Digitalisierung 2022

Für das Praxisbarometer wurden insgesamt 2.459 vertragsärztliche und -psychotherapeutische Praxen befragt. Damit ist die Umfrage repräsentativ.

50 Jahren (stark) verbessert und nur bei 12 Prozent zu einer (starken) Verschlechterung geführt.

Fehleranfälligkeit der TI

56 Prozent, wie das Praxisbarometer Digitalisierung 2022 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zeigt. Zum Vergleich, im Vorjahr waren es noch 30 beziehungsweise 45 Prozent.

Auch die Patientendokumentation läuft bei zwei Dritteln der Praxen bereits in einem hohen Grad digitalisiert. Gerade hier zeigt sich jedoch, dass die unterschiedlichen Praxisarten verschiedene Schwerpunkte bei der Digitalisierung setzen. Während die Hausärzte bereits 83,5 Prozent der Patientendokumentation „mehrheitlich“ beziehungsweise „(nahezu) komplett“ digitalisiert haben, sind es bei den psychotherapeutischen Praxen nur 18,5 Prozent. Besonders auffällig: Gerade Praxen, die aufgrund ihrer Größe oder ländlichen Lage ein relativ hohes Patientenaufkommen haben, sind in Sachen Digitalisierung meist weiter fortgeschritten.

Digitale Kommunikation vor allem mit Patienten

Dass entsprechende Aussagen jedoch nur Teilaufnahmen des Digitalisierungsstandes darstellen, erkennt man schnell beim Blick auf die Kommunikation der Praxen untereinander und mit Krankenhäusern: Im Vergleich zum Vorjahr (11 Prozent) hat die digitale Kommunikation zwischen Praxen und externen Kollegen im ambulanten Bereich zwar zugenommen, bewegt sich jedoch mit knapp 16 Prozent immer noch auf einem untergeordnete Rolle. Aber immerhin, der Anteil der Praxen, die den KIM-Dienst zur Kommunikation mit anderen Praxen oder ambulanten Einrichtungen nutzen, ist um 13 Prozentpunkte auf 20 Prozent gestiegen.

Hilfreich – oder doch nicht?

Den größten Nutzen entfaltet die digitale Kommunikation dabei laut zwei Drittel der Praxen in der digitalen Übertragung von Arztbriefen und Befunddaten, bei hausärztlichen und interdisziplinären Praxen auch von Labordaten. Bei der Kommunikation mit Krankenhäuser sehen die Befragten die Vorteile vor allem beim Versand von Entlassbriefen (68 Prozent) und beim Austausch über Behandlungsverläufe sowie Therapieempfehlungen (43 Prozent).

Wirft man einen Blick auf sonstige Digitalisierungsprozesse, herrscht weniger Einigkeit darüber, was nutzbringend ist und was nicht. So betrachten die Vertragsärzte beispielsweise die arztgeführte digitale Akte (50 Prozent), die Fernabfrage medizinischer Daten (46 Prozent), digitale Ausweisversionen wie dem Mutterpass (45 Prozent) und digitale Verordnungen/ Bescheinigungen (44 Prozent) als sinnvoll, bei den psychotherapeutischen Praxen stehen hingegen gen erachten die arztgeführte digitale Akte (52 Prozent), eine sichere digitale Patientenkommunikation über Diagnose/Therapie (51 Prozent) und Apps zur Therapieunterstützung als nicht hilfreich.

Online-Fallbesprechungen (56 Prozent) und digitale Verordnungen/Bescheinigungen (37 Prozent) hoch im Kurs.

Resonanz durchwachsen

Nicht verwunderlich also, dass die Erfahrungen der Praxen mit der Digitalisierung eher durchwachsen ausfallen. So hat sich die Qualität der medizinischen Versorgung zwar laut 22 Prozent der Befragten verbessert, 17,1 Prozent berichten jedoch auch von einer (starken) Verschlechterung. Deutlicher wird es noch bei der Frage nach der Zeitersparnis: 21,3 Prozent der Praxen haben hier eine (starke) Verbesserung bemerkt, ganze 42,4 Prozent jedoch eine (starke) Verschlechterung. „Wenn ich beim eArztbrief alle Empfänger auswählen will, geht es viel zu langsam, das dauert, und dauert, und dauert ...“, meint etwa Dr. Joachim Dlugosch, Internist aus Dietzenbach.

Ein genauer Blick auf die Daten zeigt allerdings, dass gerade große Praxen oder jene, die sich spezialisiert haben, die Digitalisierung weit positiver beurteilen. Beim Zeitaufwand sehen beispielsweise rund 44 Prozent der Praxen mit fünf und mehr Ärzten eine (starke) Verbesserung und nur 15 Prozent eine (starke) Verschlechterung. Die Qualität der medizinischen Versorgung hat sich zudem bei 28,4 Prozent der Ärzte unter

Alles in allem führt die Digitalisierung also nur in wenigen Praxen zu der gewünschten – und dringend notwendigen – Entlastung von Ärzten und Praxismitarbeitern. Doch was sind die Gründe? „Hierbei dürfte eine Rolle spielen, dass die Erfahrungen bislang stark durch die Anwendungen der Telematik-Infrastruktur (TI) und deren Anlaufschwierigkeiten geprägt sind“, so die Studienautoren. Im Schnitt sind mittlerweile bereits 89,3 Prozent der Praxen an die TI angeschlossen, unter den Hausarztpraxen sogar 98 Prozent. Genutzt wird von den Leistungserbringern vor allem die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) (61,2 Prozent). Mit Abstand folgen dann der elektronische Medikationsplan (eMP) (20,8 Prozent) und die elektronische Patientenakte (ePA) (15,9 Prozent). Doch auch hier sind deutliche Unterschiede bei den Praxisarten zu erkennen: So gaben etwa 72,6 Prozent der psychotherapeutischen Praxen an, gar keine TIAnwendungen zu nutzen – es sind jedoch auch erst 75 Prozent an die TI angeschlossen.

Mit der Umsetzung und Nutzbarkeit der TI-Anwendungen in ihren Praxisverwaltungssystemen sind allerdings nur wenige zufrieden.

Für den eMP ist der Anteil (sehr oder eher) zufriedener Praxen mit 42 Prozent noch am höchsten –immerhin mehr als die „sehr“ oder „eher“ Unzufriedenen (29 Prozent).

Beim NFDM, der ePA und dem eRezept überwiegt die Unzufriedenheit. Bei der eAU als der am häufigsten genutzten TI-Anwendung sind beispielsweise 35 Prozent der Praxen zufrieden und 45 Prozent sind es nicht.

Vor allem die Fehleranfälligkeit der Telematikinfrastruktur macht den Praxen zu schaffen: Der Praxisanteil mit täglichem Fehlerauftritt ist um neun Prozentpunkte auf 29 Prozent angewachsen, bei der Teilgruppe der hausärztlichen Praxen sogar auf 45 Prozent. Weitere 40 Prozent der Praxen haben zudem wöchentlich mit Fehlern zu kämpfen. „Die deutliche Zunahme der Fehlerhäufigkeit steht im Kontext mit der stark gestiegenen Nutzung von TI-Anwendungen“, schließen die Autoren des Praxisbarometers.

Die Folgen entsprechender Fehler sind vielseitig: So müssen die Pra- xen etwa die Konnektoren beziehungsweise Kartenlesegeräte neu starten, die Praxisorganisation wird negativ beeinflusst (79,4 Prozent), Patientendaten können nicht eingelesen werden (75,5 Prozent) oder das PVS ist vorübergehend nicht nutzbar (57,1 Prozent).

1.668 dieser Praxen wurden dabei in einer Stichprobenziehung zufällig für die geschlossene Befragung ausgewählt. Ihnen wurden zum Großteil dieselben Fragen wie auch in den Jahren 2018 bis 2021 gestellt, um eine gute Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erreichen. Die restlichen 791 Praxen nahmen am offenen Teil der Befragung teil. Dieser war über die Webseite der KBV frei zugänglich.

Um etwaigen Verzerrungen der Ergebnisse entgegenzuwirken, wurden alle Aussagen gewichtet. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Versorgungsebene und Praxisgröße im Ergebnis entsprechend ihrer Anteile in die Auswertungen eingehen.

Weitere Hemmnisse

Doch nicht nur die Fehleranfälligkeit der TI gilt als Hemmnis für die Digitalisierung in Praxen, auch das ungünstige Kosten-Nutzen-Verhältnis, die Fehleranfälligkeit der EDV-Systeme und der Umstellungsaufwand sind für mehr als 60 Prozent ein Problem. Darüber hinaus gaben 54 Prozent der Befragten an, dass die fehlende Nutzerfreundlichkeit der digitalen Anwendungen ein Hindernis für sie darstellt.

Das klingt im ersten Moment jedoch schlimmer als es ist, denn im Vergleich zum Vorjahr bewerten die Praxen alle abgefragten Einflussfaktoren etwas seltener als starke Hemmnisse. Auffällig ist hierbei insbesondere die Einschätzung von Sicherheitslücken in den EDV-Systemen: Weniger als die Hälfte der Praxen (46 Prozent) wertet diese als starkes Hemmnis – im Jahr 2019 lag der Anteilswert noch bei 60 Prozent. na

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