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Mit Digitalisierung und Vernetzung Leben retten

Bei Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und KRITIS laufen viele Vorgänge noch analog ab Welche Gefahren das birgt und wie man diesen durch die Digitalisierung vorbeugen kann, erklärt Dr Stephan Heuer, Geschäftsführer der Vomatec Innovations GmbH, im Interview.

Was sind die größten Probleme für KRITIS-Betreiber und Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), die sich aus den bisher oft noch analogen Vorgängen oder wenig vernetzten Systemen im Gefahrenmanagement ergeben?

Dr. Stephan Heuer: Ein effizientes Gefahrenmanagement erfordert ein exaktes Lagebild und schnelle Reaktionszeiten. Bei einem Notfall zählt jede Sekunde, sei es ein Brand, ein Unfall oder ein Massenanfall von Verletzten (MANV). Je weniger Zeit Disponenten und Einsatzkräfte damit verbringen müssen, wichtige Informationen einzuholen oder sich einen Überblick über die Lage vor Ort zu verschaffen, desto höher ist die Chance auf einen erfolgreichen Einsatz.

Die heute vielfach noch praktizierte Fax-Kommunikation oder mündliche Datenweitergabe im Feuerwehr- und Rettungswesen kann durch digitale Werkzeuge wesentlich verbessert werden. Für eine effektive Gefahrenabwehr werden deshalb Vernetzung, Digitalisierung und Automatisierung – gerade durch die Nutzung neuer Technologien – eine immer wichtigere Rolle spielen. Nur damit können auf Echtzeitinformationen basierende Entscheidungen in komplexen Einsatzlagen getroffen werden.

Umgangssprachlich bezeichnet man die Einsatzkräfte der BOS auch als Blaulichtorganisationen –sie stellen aber einen umfassenderen Bereich dar

Das Ergebnis ist ein Gefahrenmanagement, das erhebliche Optimierungen hinsichtlich Geschwindigkeit, Effektivität und Effizienz bietet

Nennen Sie bitte jeweils ein Beispiel, wie die folgenden Technologien Prozesse im Gefahrenmanagement optimieren können: Building Information Modeling (BIM), Virtuelle Realität (VR), Künstliche Intelligenz (KI) und Internet of Things (IoT).

Dr. Stephan Heuer: BIM beinhaltet als intelligentes Modell digitale Daten aus verschiedenen Disziplinen – als digitaler Zwilling ei-

Praktische Umsetzung

Die Gefahren für BOS und KRITIS sind sehr vielseitig, können jedoch durch die richtigen Maßnahmen verringert werden. Welche Möglichkeiten gibt es hierfür?

Welche Lösungen bietet Vomatec für BOS und KRITIS an?

Dr. Stephan Heuer: Mit Arigon Plus verfügen wir über ein modular aufgebautes Sicherheitsmanagementsystem, das für Industrie- und KRITIS-Unternehmen sowie für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben konzipiert ist. Damit können sie sämtliche für die Sicherheit und die Gefahrenabwehr relevanten Anlagen und Systeme herstellerunabhängig vernetzen.

Die Software bietet eine Übersicht über alle Melder und Kameras und stellt Alarme, Störungen und Meldungen grafisch dar. Aus diesen Meldungen heraus können direkt Einsätze gestartet und dis- poniert werden. Somit kann die Lösung zum Beispiel als zentrale Plattform für Werksicherheit und Werkfeuerwehr fungieren.

Die Steuerung und Überwachung umfasst etwa die Brandmeldeund Einbruchmeldetechnik, die digitale Alarmierung, die Videoüberwachung oder die Löschanlagentechnik. Die Einsatzmöglichkeiten reichen von der Anlagenüberwachung und -steuerung über die Disposition von Einsätzen und Dienstleistungen bis zu administrativen Aufgaben wie der Abrechnung oder der statistischen Auswertung von Daten. Wir entwickeln unsere Lösung konzeptionell und technologisch kontinuierlich weiter. Wir setzen nes realen Gebäudes. Dieser kann zur Darstellung von 3D-Modellen genutzt werden, vor allem enthält er aber semantische Informationen, die automatisiert weiterverarbeitet werden können. Beim vorbeugenden Brandschutz können Sicherheitsexperten anhand dieser digitalen Zwillinge detaillierte Simulationen erstellen, etwa im Hinblick auf mögliche Brandverläufe oder Personenströme im Brandfall bei der Gebäuderäumung. Auf dieser Informationsbasis können beispielsweise die Taktik von Löschtrupps oder die Fluchtwegeplanung verbessert und so insgesamt Evakuierungsmaßnahmen optimiert werden.

Digitale Zwillinge sind darüber hinaus eine Basis für die Umsetzung von VR-Szenarien, etwa für das Training von Einsatzkräften. So kann aus dem 3D-Modell eines digitalen Zwillings eine mit Hilfe von VR-Brillen begehbare Welt geschaffen werden, in der Rettungskräfte Schulungen oder virtuelle Übungen absolvieren. So können zum Beispiel der Aufwand für die Übungsdurchführung erheblich reduziert oder an Übungen von verschiedenen Orten aus teilgenommen werden. Ein gutes Beispiel für den effizienten KI-Einsatz im Gefahrenmanagement liefert der interaktive Brandschutz. Inzwischen gibt es

Einsatzmöglichkeiten dabei zum einen auf moderne Softwareentwicklungsmethoden und zum anderen auch auf die Nutzung neuer Technologien in Bereichen wie Automatisierung oder Künstlicher Intelligenz. Kommende Lösungen werden wir auch über eine offene, konsistente Anwendungsplattform bereitstellen. Damit werden wir auch die Einbindung von Drittanbieter-Applikationen und -Services vereinfachen. verschiedene Entwicklungen am Markt, die mit spezialisierten KIs eine Rauchentwicklung erkennen können. Damit steht eine neue Form von Alarmgebern zur Verfügung, die über Gefahrenmanagementsysteme frühzeitig einen Alarm auslösen können – und zwar je nach Umfeld schneller und zuverlässiger als bei einer Alarmierung durch einen Brandmelder. Ein Beispiel für die IoT-Nutzung sind intelligente und vernetzte IoTGeräte, die Rettungskräfte Unfallopfern umhängen. Dadurch wird etwa eine zügige Kategorisierung und Priorisierung von Verletzten sowie eine zielgerichtete Verteilung von Personen nach Verletzungsmustern auf bestimmte Kliniken ermöglicht.

Welchen Ansatz verfolgt Vomatec bei der Unterstützung von KRITIS und BOS im Gefahrenmanagement, konkret etwa im Rettungswesen?

Dr. Stephan Heuer: Generell ist es unser Ziel, mit intelligenten Softwarelösungen die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen, indem Gefahrenabwehrprozesse und Rettungsmaßnahmen beschleunigt werden.

Im Prinzip besitzen alle vier Technologien ein großes Potenzial, Mehrwerte durch Digitalisierung und Automation für das Gefahrenmanagement zu schaffen. Kurzfristig erwarten wir vor allem eine stärkere Nutzung von IoT- und KITechnologien. Auch Vomatec wird bei der Modernisierung seiner Lösungen künftig auf KI-Unterstützung setzen.

Welche Vorteile können digitale Technologien KRITIS und BOS bieten und welche Herausforderungen ergeben sich womöglich aus der Nutzung dieser Technologien?

Damit können wir unseren Beitrag leisten, um Leben zu retten und Werte zu schützen. Ein Beispiel für unseren Lösungsansatz ist RescueWave, eine HardwareSoftware-Lösung für das Einsatzmanagement in komplexen Einsatzlagen oder bei einem Massenanfall von Verletzten. Das digitale System umfasst unter anderem eine Einsatzführungssoftware und elektronische Patientenanhängekarten, die herkömmliche, papierbasierte Karten ersetzen. RescueWave liefert zuverlässige Informationen über einen Einsatzort in Echtzeit. So werden zum Beispiel Informationen zu Triage, medizinischer Erstversorgung und Transport erfasst und für die Einsatzleitung bereitgestellt. Entscheidungen können so früher und auf der Grundlage zuverlässiger Informationen getroffen werden. Letztlich kann die digitale Plattform damit ein entscheidender Faktor bei der Rettung von Menschenleben sein.

Dr. Stephan Heuer: Der zentrale Vorteil der Digitalisierung mit einer Vernetzung der Datenlandschaft und Beseitigung von Medienbrüchen liegt darin, dass Verantwortliche bei Vorfällen verschiedenster Art situationsgerechte Entscheidungen schnell auf Basis aktueller Informationen prozessgesteuert treffen können. Wichtig ist dabei, dass die Digitalisierung auch eine Automatisierung beinhaltet, das heißt, dass die Daten automatisch erhoben und in strukturierter Form geliefert werden sowie bestimmte Prozessschritte automatisiert ablaufen. Je mehr manuelle Prozesse und Arbeitsschritte automatisiert und digitalisiert werden, desto höher ist die Effizienz und desto geringer ist auch die Gefahr menschlicher Fehler.

Zentrale Herausforderungen durch die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung mit der Weitergabe von Daten sind die Datensicherheit und der Datenschutz. Dabei müssen alle gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben eingehalten werden. Oft wird dabei vergessen, dass Datenschutz nicht nur in der digitalen Welt, sondern auch in der analogen Welt ein wichtiges Thema sein muss. Gerade beim Arbeiten mit „Stift und Papier“ sind personenbezogene Daten vielfach ungeschützt. Hier bieten gerade digitale Systeme auch eine große Chance, den Datenschutz konsequenter und auch benutzerfreundlicher umzusetzen.

Das Interview führte

Chiara Maurer

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