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Mit klarer Zielsetzung und Rechtsansprüchen zum Erfolg

Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat ein Positionspapier zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes sowie weiterer Vorschriften veröffentlicht. Anlass ist die nicht erkennbare Trendumkehr im Gesetzentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI).

Die Frist für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes konnte nicht eingehalten werden. Nun droht Deutschland auch die Nächste zu versäumen: Laut der Single-Digital-Gateway-Verordnung (SDG-Verordnung) der Europäischen Union sollten eigentlich noch in diesem Jahr 21 der wichtigsten Verfahrensbündel (Anhang II der SDG-VO) und Leistungen aus vier Richtlinien (2005/36/ EG, 2006/123/EG, 2014/24/EU und 2014/25/EU) – das entspricht etwa 73 Verwaltungsdienstleistungen – grenzüberschreitend digital angeboten sowie an das europaweite Once-Only-Technical-System (OOTS) angeschlossen werden. Darunter beispielsweise die Beantragung einer Meldebescheinigung oder Ruhestands- und Vorruhestandsleistungen sowie die KfzZulassung. Viele dieser Leistungen sind jedoch noch nicht einmal bundesweit digital verfügbar.

Ein Grund für den Nationalen Normenkontrollrat (NKR), „eine mutige und vor allem nachhaltige Trendumkehr bei der Verwaltungsdigitalisierung“ zu fordern. Hinzu kommt, dass die unzureichende Verwaltungsdigitalisierung auch zu einem Vertrauensverlust in den Modernisierungswillen und die Handlungsfähigkeit von Verwaltung und Politik führt, die Verwaltungen durch das weitere Erbringen analoger und unzureichend automatisierter Verwaltungsleistungen überfordert und die bereits knappen Personalressourcen weiterhin an der falschen Stelle gebunden werden.

Der NKR fordert daher in einem aktuellen Positionspapier, die Erfahrungen und Erkenntnisse der vergangenen Jahre mehr in das geplante OZG-Änderungsgesetz einfließen zu lassen. „Zwar finden sich im Gesetzentwurf positive Ansätze, wie die Once-Only-Generalklausel oder die Festlegung auf ein bundesweit einheitliches Bürger- und Unternehmenskonto. An der Zielsetzung und den grundlegenden Mechanismen und Strukturen der Verwaltungsdigitalisierung soll sich laut Entwurf jedoch nichts Maßgebliches ändern. Dabei lägen hier die größten Hebel für eine mutige und vor allem nachhaltige Trendumkehr bei der Verwaltungsdigitalisierung“, so die Verfasser.

Druck aufbauen

Ein zentraler Kritikpunkt ist die fehlende Fristsetzung. Die GrünenInnenpolitikerin Misbah Khan (Grüne) meinte bereits: „Wir brauchen Druck bei den verantwortli- chen Akteuren in Bund, Ländern und Kommunen, ohne den wir nicht schnell genug vorankommen.“ Das sieht auch der NKR so. Das Beratungsgremium bringt sogar einen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen für sieren, sondern die aus Nutzersicht wesentlichen“, heißt es dazu im Positionspapier. Überwacht werden soll der Fortschritt anhand eines öffentlich zugänglichen Monitorings, „das kommunengenau aufschlüsselt, welche Verwaltungs- abrufende Stelle selbst abgeprüft werden müssten“, erklären die Verantwortlichen in diesem Zusammenhang. Diese Aufgabe sollte demnach bei der FITKO liegen: „Sie sollte die Kompetenz erhalten, die skizzierten Vorprüfungen für zu listende Softwareprodukte durchzuführen bzw. über ein vorgelagertes Zertifizierungsprogramm zu orchestrieren“, erklären die Autoren des Papiers. Um das Potenzial voll auszuschöpfen, müssen öffentliche und private IT-Entwickler darüber hinaus Zugang zu „Spezifikationen sowie Testumgebungen, mit denen sich die Anforderungen des föderalen OZG-Verbundes nicht nur in der Theorie, sondern ‚am lebenden Objekt’ umsetzen lassen können“, erhalten.

Voraussetzungen fehlen, um die EfA-Dienste bundesweit auszurollen und dauerhaft zu betreiben.

„Anstatt einmal entwickelte Lösungen nachzunutzen und damit Zeit, Ressourcen und Kosten zu sparen, müssen die Kommunen leider häufig immer noch auf eigene Entwicklungen setzen“, lautet die ernüchternde Bilanz der kommunalen Spitzenverbände. Der Nationale Normenkontrollrat schlägt daher vor, die Zuständigkeit für das Architekturmanagement dem Bund zuzuweisen, der entsprechende Entscheidungen zusammen mit dem IT-Planungsrat treffen soll. „Die architektonischen Festlegungen sollten dem Ansatz ‚Government as a Platform’ folgen und genau definieren, welche Teilgewerke von welcher Verwaltungsebene am besten umgesetzt werden können“, heißt es in dem Positionspapier.

Bezüglich der Finanzierung schlägt der NKR zudem vor, anstatt Geld für die konkrete Entwicklung von EfA-Software bereitzustellen, diese Mittel denen zur Verfügung zu stellen, die standardkonforme Software bereitstellen beziehungsweise im App-Store abrufen. Heißt auch: Verwaltungen, die diesen Weg gehen, sollten „zumindest übergangsweise“ einen Zuschuss erhalten. So ließe sich auch die Akzeptanz des Stores verbessern. Alternativ könne auch ein Nutzungszwang helfen.

Die Rolle der Kommunen berücksichtigen

Bürger und Unternehmen ins Spiel. Darauf aufbauend könnten dann sowohl Konsequenzen – etwa ein Schadensersatzanspruch, angelehnt an den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz – als auch positive Anreize – beispielsweise finanzielle Zuschüsse bei vorzeitiger Umsetzung – etabliert werden Gleichzeitig helfen Fristsetzungen dabei, eine klare Schrittfolge bei der Umsetzung zu schaffen. Dies sei notwendig, da die Einzelgewerke aufeinander aufbauen beziehungsweise voneinander abhängig sind.

Grundlage sollte „eine aussagekräftige Beschreibung des beabsichtigten Zielbildes digitaler Verwaltungsarbeit und der wesentlichen Maßnahmen, die dazu dienen, diesen Zielzustand zu erreichen“ bilden. Dabei sollten ein ganzheitlicher Digitalisierungsansatz „bis in die Fachverfahren und internen Verwaltungsabläufe“ sowie Bezüge zur Registermodernisierung berücksichtigt werden. Daneben ist es laut NKR angebracht, auch Qualitätsmerkmale inklusive Vorgaben für zu erreichende Servicelevel, Nutzungsquoten und Zufriedenheitswerten zu definieren sowie die Leistungen nach Dringlichkeitskategorien zu priorisieren.

„Nicht alle denkbaren Verwaltungsleistungen sind zu digitali- leistungen in welchem Reifegrad vorliegt“.

Standardisierung ist das A und O

Auch die aktuelle Fokussierung auf EfA-Lösungen hält der NKR nur für bedingt zielführend: „Bei dieser Vorgehensweise wurde nur unzureichend bedacht, dass bundesweit einheitliche Softwarelösungen weder geeignet sind, die unterschiedlichen Bedarfe der Verwaltungen im föderalen Deutschland abzubilden, noch zu deren sehr heterogenen Betriebsumgebung passen“, heißt es diesbezüglich im Positionspapier, und weiter: „Zudem bringt EfA-Software die Gefahr, innovationsförderlichen Wettbewerb unter den Softwareanbietern einzuschränken.“

Hinzu käme, dass viele Basiskomponenten, die in Ländern und Kommunen mehrfach entwickelt werden, nur bedingt kompatibel sind beziehungsweise mit großem Aufwand kompatibel gemacht werden müssen.

Das bestätigt auch der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen. Er hält zwar den Einer-fürAlle-Ansatz grundsätzlich für den richtigen Weg, gibt jedoch zu bedenken, dass sowohl die technischen als auch die finanziellen

Hierfür sei es wichtig, Standards und Schnittstellen, aber auch die Basisinfrastruktur-Komponenten bereits verpflichtend vorzugeben. Dabei müsse auch die Kompatibilität mit den Anforderungen des Portalverbundes, die Integration der Basiskomponenten und den problemlosen Austausch von Daten berücksichtigt werden. „Der Digitale Servicestandard bildet hierfür den Rahmen und sollte zur Grundlage eines Service-AuditSystems werden, bei dem nur solche OZG-Services bzw. Softwareprodukte Zugang zum Portalverbund erhalten, die in einem Audit-Prozess ihre Standardkonformität unter Beweis gestellt haben“, so der NKR. Dazu gehören auch Anforderungen an Barrierefreiheit und Nutzerfreundlichkeit. Den Servicestandard betreuen sowie das Audit-System etablieren soll die Föderale IT Kooperation FITKO. Im Zuge dessen schlägt der Normenkontrollrat auch vor, die Koordinierungsstelle für IT-Standards in die Organisation zu integrieren und beides zusammen zu einer Digitalisierungsagentur auszubauen.

Den Umsetzungsaufwand reduzieren

Der Normenkontrollrat bringt in seinem Positionspapier als zentrale Distributionsplattform zudem erneut einen App-Store für die Öffentliche Verwaltung ins Spiel. „Seine volle Entlastungswirkung kann der App-Store nur entfalten, wenn gelistete Angebote bereits eine Vorprüfung durchlaufen haben und bestimmte Anforderungen erfüllen, die sonst durch jede

Mit den genannten Schritten würden die Forderungen der Kommunen zumindest teilweise berücksichtigt: „Bund und Land müssen klare rechtliche, zeitliche und finanzielle Voraussetzungen für die flächendeckende Digitalisierung und Vernetzung der Verwaltung für 2023 und darüber hinaus schaffen und dürfen alte Fehler nicht wiederholen“, betonen etwa die Hauptgeschäftsführer der kommunalen Spitzenverbände in NRW, Helmut Dedy (Städtetag), Dr. Martin Klein (Landkreistag) und Christof Sommer (Städte- und Gemeindebund). „Die Kommunen brauchen finanzielle Unterstützung und Planungssicherheit.“ Schließlich seien Städte, Kreise und Gemeinden bei der Verwaltungsdigitalisierung die treibenden Kräfte. Sie stünden in direktem Kontakt mit den Menschen vor Ort und müssten ihren Ansprüchen an die moderne Verwaltung gerecht werden „Die Digitalisierung der Verwaltung wird maßgeblich von den Kommunen umgesetzt. Bei der Weiterentwicklung des Digitalisierungsprozesses müssen die Kommunen daher stärker eingebunden werden“, fordern Dedy, Klein und Sommer abschließend. na

Weitere Informationen

Das gesamte Positionspapier des Nationalen Normenkontrollrats können Sie hier einsehen:

Hintergrund

VITAKO: Gesetzentwurf zum OZG umfassend überarbeiten

Der Entwurf zum OZG-Folgegesetz bleibe in wichtigen Punkten hinter den Anforderungen zurück, urteilt die Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister in ihrer aktuellen Stellungnahme – und unterbreitet eigene Vorschläge.

Der Entwurf zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) wird derzeit intensiv diskutiert und kommentiert. Nach der Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates hat sich auch VITAKO zu Wort gemeldet. Die BundesArbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister hatte sich bereits im August 2022 in die Diskussion zur OZG-Nachfolge eingebracht und sieht einige ihrer Vorschläge im vorliegenden Gesetzentwurf bereits berücksichtigt. Insgesamt jedoch bleibe das Papier an wichtigen Stellen „hinter den Anforderungen an stabile Rahmenbedingungen für eine zukunftsorientierte Verwaltung zurück“, heißt es in der aktuellen Stellungnahme des Verbandes. Änderungsbedarf sehen die Verfasser vor allem bei folgenden Punkten: W Transparente Priorisierung: Ausdrücklich begrüßt wird die Abkehr vom „Big-Bang-Ansatz“ –bei der Umsetzung müsse priorisiert werden. Jedoch fehlten Kriterien und eine übergreifende Methodik, um diese Priorisierung transparent und nachvollziehbar zu machen.

W Die verpflichtende Nachnutzung zentral bereitgestellter Dienste wird grundsätzlich befürwortet, gleichzeitig sieht der IT- Dienstleisterverband darin einen „erhebliche(n) Eingriff in den bisher gut funktionierenden Markt“undmahntdaher„Fingerspitzengefühl“ an. Eine Verpflichtung solle sich auf Basisund Infrastrukturkomponenten beschränken, um weiterhin einen innovationsfördernden Wettbewerb zu ermöglichen.

W Die angestrebte Konsolidierung der Nutzerkonten wird ausdrücklich begrüßt, diese könne auch für die Registermodernisierung nachgenutzt werden. Bei der Implementierung sollte aber auf bestehenden Standards aufgesetzt werden.

W Statt den Schriftformersatz nur zu erleichtern, plädiert VITAKO dafür, die Schriftformerfordernis ganz abzuschaffen und nur in begründeten Fällen wieder zuzulassen. In den Anmerkungen zu Punkt 12 des Entwurfs ist das ausführlich erläutert.

W Auch beim verpflichtenden Abruf von Nachweisen will der Ver- band einen Schritt weiter gehen und die Prozesse neu gestalten: Nachweisabrufende Stellen (Behörden) sollten grundsätzlich verpflichtetwerden,elektronische Nachweise bei anderen Behörden abzurufen, soweit das nicht mit unvertretbarem Aufwand verbunden ist: „Es erscheint mit Blick auf privatwirtschaftliche Anbieter dem Bürger nicht erklärbar, warum er immer noch Nachweise liefern muss, die dem Staat bereits zur Verfügung stehen (Once-Only-Prinzip).“

Die Kommentare zu den einzelnen Punkten des Gesetzentwurfs beinhalten konkrete, auch pragmatische Lösungsvorschläge. Zum Beispiel sollten Nutzer eine dauerhafte

Speicherung ihrer Online-Anträge veranlassen können, sodass die jeweilige öffentliche Stelle bei Folgeanträgen auf diese Daten zurückgreifen kann. Dadurch würden Bürger und Unternehmen entlastet – auch schon vor der Registermodernisierung.

IT-Sicherheitsstandard fehlt nach wie vor

In ihrer Stellungnahme kritisieren die Verfasser auch unterbliebene Änderungen, etwa zu §5 OZG: „Es gibt im Rahmen der deutschen Verwaltungsmodernisierung keinen einheitlichen, universell geltenden IT-Sicherheitsstandard“. Zwar gebe es den BSI-Grundschutz mit

E-GOVERNMENT UND PAYPAL:

In der Stellungnahme vom 15. Februar 2023 zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Online-Zugangsgesetzes sowie weiterer Vorschriften“ führt VITAKO eingangs die aus Sicht des Verbandes wichtigsten Punkte zur Überarbeitung an. Dann folgen Kommentare zu den einzelnen Punkten des Entwurfs. Der Link zum Text: t1p.de/VITAKO_OZG2 seinem Basisprofil Kommunalabsicherung, darüber hinaus aber auch weitere, sich teilweise überschneidende Vorschriften. Diese seien dringend zu harmonisieren. Der Verband regt an, in einer neuen Verordnung, basierend auf dem IT-Grundschutzkompendium allgemeinverbindliche Vorgaben zu erstellen.

Den Verzicht auf eine Regelung der Ende-zu-Ende-Digitalisierung bewerten die Verfasser als eine „schwerwiegende Schwäche“ des Gesetzentwurfs. Sie argumentieren: Nur eine medienbruchfreie Bearbeitung von Verwaltungsvorgängen werde die Zufriedenheit von Bürgerinnen und Bürgern spürbar verbessern. Eine verpflichtende Ende-zu-Ende-Digitalisierung werde zwangsläufig zu einer Prozessmodernisierung führen und endlich „Digital first“- Standards den Weg ebnen.

Und schließlich könnte es noch am Geld scheitern, da konkrete Finanzierungszusagen fehlten – der Verband mahnt hier Klärung an, bevor das Gesetz in Kraft tritt. nh

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